Bundesgerichtshof Urteil, 09. Juni 2015 - 1 StR 606/14

bei uns veröffentlicht am09.06.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 S t R 6 0 6 / 1 4
vom
9. Juni 2015
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
___________________________
Zur Rechtswidrigkeit des Angriffs im Sinne von § 32 Abs. 2 StGB bei hoheitlichem
Handeln.
BGH, Urteil vom 9. Juni 2015 - 1 StR 606/14 - LG Stuttgart
in der Strafsache
gegen
alias:
wegen versuchten Totschlags
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. Juni 2015,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Raum
und die Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Prof. Dr. Graf,
Prof. Dr. Radtke,
Prof. Dr. Mosbacher,
Richterin am Landgericht
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 6. August 2014 wird verworfen.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt.
2
Seine dagegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision bleibt ohne Erfolg.

A.

I.

3
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts reiste der aus dem Irak stammende Angeklagte 2002 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Sein unter Falschpersonalien gestellter Asylantrag wurde 2005 rechtskräftig abgelehnt. Seitdem wurden ihm immer wieder jeweils zeitlich befristete Duldungen erteilt, weil die Ausländerbehörden wegen (vermeintlich) fehlender Ausweisdokumente von einem tatsächlichen Abschiebehindernis ausgingen. Ende November 2008 wurde der Angeklagte aus der Bundesrepublik ausgewiesen; die zuständige Ausländerbehörde setzte jedoch die Abschiebung wegen nach ihrem Kenntnisstand weiterhin bestehender Abschiebehindernisse aus und sprach eine weitere Duldung aus.
4
Nachdem der Angeklagte seine wahre Identität offenbart und der zuständigen Ausländerbehörde Ausweispapiere vorgelegt hatte, ordnete diese seine Abschiebung für den 4. Februar 2014 an. Allerdings gewährte dieselbe Behörde dem Angeklagten am 13. Januar 2014 eine weitere, bis zum 14. April 2014 befristete Duldung. Eine Woche nach Ergehen dieser Duldungsverfügung beauftragte die Ausländerbehörde dennoch die zuständige Polizeidirektion L. damit, die angeordnete Abschiebung am 4. Februar 2014 durch Verbringung des Angeklagten zum Flughafen in Frankfurt/Main zu vollziehen. Von dort aus sollte er nach Erbil (Irak) abgeschoben werden. In dem an die Polizeidirektion gerichteten Schreiben teilte die Ausländerbehörde mit, die Abschiebung sei gegenüber dem Angeklagten schriftlich angekündigt und diesem aufgetragen worden, sich am festgesetzten Tag für die Durchführung der Abschiebung bereitzuhalten. Tatsächlich war eine entsprechende Ankündigung gegenüber dem Angeklagten jedoch versehentlich nicht erfolgt.
5
2. Da die zuständige Polizeidirektion von einer Information des Angeklagten über die Abschiebung ausging und dieser nicht als gewaltbereit galt, wurden zwei uniformierte Beamte mit üblicher Ausrüstung und Kleidung, ohne Schutzkleidung, mit der Durchführung der Abschiebung beauftragt. Als die Beamten am frühen Morgen des 4. Februar 2014 an der Wohnungstür des Angeklagten klingelten und ihn von der Abschiebung informierten, war dieser völlig überrascht. Auf die Aufforderung hin, sich auszuweisen, händigte der Ange- klagte den Polizeibeamten „seine Duldung“ aus. Zugleich erklärte er, er werde nicht freiwillig mitkommen und wolle das Land nicht verlassen.
6
Der Aufforderung der inzwischen in die Wohnung gelangten Beamten, sich anzukleiden, kam der Angeklagte nicht nach. Vielmehr konnte er, von den Polizeibeamten unbemerkt, ein Küchenmesser mit einer Klingenlänge von ca. 20 cm ergreifen. Dieses Messer setzte er sich an den Hals. Durch die von den Polizeibeamten ernst genommene Suiziddrohung, veranlasste er diese, ihm die Ausfertigung der Duldungsverfügung zurückzugeben und seine Wohnung wieder zu verlassen.
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3. Während die Beamten Verstärkung anforderten, begab sich der Angeklagte unter Mitnahme des Küchenmessers auf den Balkon seiner Wohnung und gelangte durch Überklettern einer Trennwand auf den Balkon der Nachbarwohnung. Dort versteckte er sich in einem Geräteschuppen. Dabei hoffte er darauf, dort nicht gefunden zu werden und so der Abschiebung zu entgehen. Für den Fall der als möglich erwarteten Entdeckung wollte er sein Entkommen mittels seines Messers erzwingen (UA S. 9).
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4. Etwa 30 Minuten nach der Alarmierung trafen die polizeilichen Verstärkungen ein. Drei der hinzugekommenen Beamten suchten auf dem Balkon der Nachbarwohnung nach dem Angeklagten. Unter ihnen war PHM E. , der u.a. mit einem Kettenhemd geschützt war. Ein zweiter der den Balkon absuchenden Beamten war mit einer Maschinenpistole bewaffnet.
9
Im Rahmen der Suche versuchte PHM E. , die Schiebetür des dem Angeklagten als Versteck dienenden Geräteschuppens aufzuziehen. Dies misslang jedoch zunächst, weil der Angeklagte die Tür von innen zuhielt. Als der Polizeibeamte E. daraufhin den Krafteinsatz verstärkte, konnte er die Tür so weit öffnen, dass der hinter ihm stehende Kollege den Angeklagten in dem Schuppen entdeckte und diesen sofort aufforderte, sich auf den Boden zu legen. PHM E. zog nunmehr die Tür vollständig auf. Der Angeklagte hatte dieses erwartet und war entschlossen, das Messer einzusetzen, um sich so den Weg freizukämpfen und der beabsichtigten Abschiebung zu entgehen. Mit dem in der rechten Hand gehaltenen Messer stach er daher sofort schnell hintereinander mit horizontalen, bogenartigen Bewegungen mindestens drei Mal in Richtung der linken Schulter und des Oberkörpers von PHM E. . Einer der wuchtig geführten Stiche traf den metallenen Türrahmen der Hütte und führte dort eine Beschädigung herbei. Der Angeklagte, dem die Schutzbekleidung des Beamten nicht bekannt war, rechnete damit, dass PHM E. durch die Stiche getötet werden könnte. Dies kümmerte ihn jedoch nicht (UA S. 20). Diese mögliche Folge war dem Angeklagten „gleichgültig“ (UA S. 21). Der Beamte konnte jedoch reflexartig zurückweichen, so dass er durch die Stiche nicht verletzt wurde. Sofort nach der Ausweichbewegung trat PHM E. wieder nach vorn und konnte dem nunmehr aus der Hütte hinaustretenden Angeklagten mit dem Einsatzstock das Messer aus der Hand schlagen. Anschließend gelang es den drei auf dem Balkon eingesetzten Beamten, den sich wehrenden Angeklagten zu Boden zu bringen und ihm Handfesseln anzulegen.
10
Ob zumindest einer der Stiche PHM E. getroffen hatte und eine Verletzung lediglich durch das getragene Kettenhemd verhindert worden war, hat das Landgericht nicht aufzuklären vermocht.

II.

11
Es hat eine Rechtfertigung des Angeklagten auf der Grundlage von § 32 StGB ausgeschlossen. Im Zeitpunkt der Ausführung der Stiche habe kein ge- genwärtiger rechtswidriger Angriff gegen ihn vorgelegen. Zudem habe er nicht mit Verteidigungs-, sondern mit Angriffswillen gehandelt, weil es ihm darum ging, seine Flucht zu ermöglichen (UA S. 24). Einen freiwilligen Rücktritt vom Totschlagsversuch hat es verneint.

B.

12
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.

13
Das Landgericht hat auf der Grundlage einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung ebenfalls ohne Rechtsfehler einen bedingten Tötungsvorsatz bei dem Angeklagten festgestellt.
14
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat bedingten Tötungsvorsatz , wer den Eintritt des Todes als mögliche, nicht ganz fernliegende Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und billigend in Kauf nimmt (Willenselement). Beide Elemente müssen getrennt voneinander geprüft und durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Ihre Bejahung oder Verneinung kann nur auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände erfolgen (vgl. BGH, Urteile vom 14. August 2014 - 4 StR 163/14 Rn. 15, NJW 2014, 3382, 3383; vom 5. Juni 2014 - 4 StR 439/13 Rn. 7; vom 23. Februar 2012 - 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443, 444; vom 27. Januar 2011 - 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699, 701 Rn. 34 f. mwN). In die Prüfung sind dabei neben der objektiven Gefährlichkeit der Tathandlung und der konkreten Angriffsweise des Täters auch seine psychische Verfassung bei Tatbegehung und seine Motivationslage einzubeziehen (BGH, Urteile vom 14. August2014 - 4 StR 163/14 Rn. 15, NJW 2014, 3382, 3383; vom 5. Juni 2014 - 4 StR 439/13 Rn. 7; vom 16. Mai 2013 - 3 StR 45/13, NStZ 2013, 581, 582 mwN).
15
2. Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil gerecht.
16
a) Das Landgericht hat das Wissenselement des bedingten Tötungsvorsatzes ohne Rechtsfehler auf die von dem Angeklagten angenommene erhebliche objektive Gefährlichkeit seines Vorgehens gegen den Polizeibeamten E. gestützt. Diese ist durch die Beschaffenheit des Messers mit einer Klingenlänge von 20 cm, die auch in der Beschädigung des metallenen Türrahmens zum Ausdruck kommende Wucht der Stiche sowie ihrer Ausführung in Richtung des Oberkörpers des Beamten ausreichend mit tatsächlichen Umständen belegt.
17
Die von dem Polizeibeamten E. getragene Schutzkleidung in Gestalt eines Kettenhemdes war nicht als gegen die Wissenskomponente des bedingten Tötungsvorsatzes sprechender Aspekt zu berücksichtigen. Der Tatrichter hat mit rechtsfehlerfreien Erwägungen ausgeschlossen, dass dem Angeklagten das Vorhandensein derartiger Schutzbekleidung durch die nunmehr eingesetzten Polizisten bekannt war. Soweit das Landgericht dies auch darauf gestützt hat, dass die beiden zunächst mit dem Vollzug der Abschiebung beauftragten Polizeibeamten dem Angeklagten ohne Schutzkleidung gegenüber getreten sind, handelt es sich um einen möglichen Schluss, der revisionsrechtlich hinzunehmen ist.
18
b) Die Billigung des als möglich erkannten Todeseintritts, dem der Angeklagte gleichgültig gegenüberstand, hat das Landgericht mit dem von diesem selbst angegebenen unbedingten Fluchtwillen gleichfalls ohne Rechtsfehler begründet. Sonstige Umstände in seiner Person und der Tatausführung stehen dem Willenselement nicht entgegen.
19
Zwar kann bei einer - hier aus der Sicht des Angeklagten - generell lebensgefährlichen Gewalttat, die spontan, unüberlegt und in affektiver Erregung begangen wird, aus dem Wissen um den möglichen Eintritt des Todes nicht ohne Berücksichtigung der sich aus der Tat und der Persönlichkeit des Täters ergebenden Besonderheiten auf eine billigende Inkaufnahme des Erfolgseintritts geschlossen werden (siehe BGH, Urteile vom 14. August 2014 - 4 StR 163/14 Rn. 18, NJW 2014, 3382, 3383 mwN; vom 17. Juli 2013 - 2 StR 139/13, NStZ-RR 2013, 343; vom 16. August 2012 - 3 StR 237/12, NStZ-RR 2012, 369, 370; vom 25. November 2010 - 3 StR 364/10, NStZ 2011, 338 f.). Das Vorliegen solcher Besonderheiten hat das Landgericht jedoch verneint. Insbesondere konnte es sachverständig beraten einen Affekt bei dem Angeklagten ausschließen (UA S. 22 f.). Auch eine spontane Ausführung lag erkennbar nicht vor. Der Angeklagte hat vielmehr planvoll sein Verlassen der Wohnung und das Verbergen in der Gartenhütte auf dem Nachbarbalkon durchgeführt. Zudem hatte er während des wenigstens halbstündigen Versteckens in der Hütte genügend Zeit, sein weiteres Vorgehen zu überdenken (UA S. 23 f.). Insgesamt hat das Landgericht damit auch hinsichtlich der Willenskomponente des bedingten Tötungsvorsatzes eine ausreichende Gesamtbewertung der maßgeblichen objektiven und subjektiven Umstände vorgenommen.

II.

20
Im Ergebnis ist die Annahme eines rechtwidrigen Handelns des Angeklagten rechtlich nicht zu beanstanden. Die gegen den Polizeibeamten E. geführten drei Messerstiche waren weder durch Notwehr gemäß § 32 StGB noch durch einen sonstigen Erlaubnissatz gerechtfertigt.
21
1. Der Angeklagte sah sich zwar im Zeitpunkt der Messerstiche einem unmittelbar bevorstehenden und damit gegenwärtigen Angriff auf seine durch Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleistete Fortbewegungsfreiheit seitens des Polizeibeamten ausgesetzt. Dieser Angriff war jedoch nicht im Sinne von § 32 Abs. 2 StGB rechtswidrig.
22
a) Der - in dem vorgenannten Sinn - Rechtmäßigkeit des bevorstehenden Zugriffs durch den Polizeibeamten E. stand nicht entgegen, dass der Vollzug der durch die zuständige Ausländerbehörde materiell rechtmäßig angeordneten Abschiebung am 4. Februar 2014 (noch) nicht erfolgen durfte, weil dem Angeklagten eine über diesen Termin hinausreichende, bis zum 14. April 2014 befristete Duldung (§ 60a AufenthG) erteilt worden war. Eine Duldung setztden Vollzug der Abschiebung zeitweilig aus (vgl. VG Oldenburg, Beschluss vom 2. Februar 2015 - 11 B 676/15 Rn. 2; Bauer in Renner/ Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl., AufenthG § 60a Rn. 16).
23
Die am 20. Januar 2014 erfolgte Beauftragung der PolizeidirektionL. mit dem Vollzug der Abschiebung seitens der zuständigen Ausländerbehörde stellt sich weder als gemäß § 60a Abs. 5 Satz 2 AufenthG möglicher wirksamer Widerruf der am 13. Januar 2014 dem Angeklagten erteilten Duldung noch als deren wirksame Rücknahme dar. Denn Rücknahme oder Widerruf wären jedenfalls dem Angeklagten nicht bekannt gegeben (§ 41 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG Baden-Württemberg) worden. Die Voraussetzungen, unter denen eine Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes durch Vermittlung einer anderen Behörde - hier der Polizeidirektion L. - erfolgen kann (zu diesen Voraussetzungen BVerwG, Beschlüsse vom 16. November 2010 - 6 B 58/10, Buchholz 402.44 VersG Nr. 18; vom 5. Mai 1997 - 1 B 129/96, Buchholz 402.240 § 45 AuslG 1990 Nr. 11), lagen ersichtlich nicht vor. Für eine Beauftragung der Polizeidirektion, einen Rücknahme- oder Widerrufsbescheid bezüglich der Duldung an den Angeklagten auszuhändigen, bestehen keine Anhaltspunkte. Vielmehr spricht die seitens der zuständigen Ausländerbehörde der beauftragten Polizeidirektion am 20. Januar 2014 übermittelte (unzutreffende) Information , dem Angeklagten sei die Abschiebung angekündigt worden, gegen die Möglichkeit, die Ausländerbehörde habe die am 13. Januar 2014 erteilte Duldung widerrufen oder zurückgenommen und mit der Bekanntgabe dieses Verwaltungsaktes die Vollzugspolizei beauftragt.
24
Ungeachtet der Aussetzung der Vollziehbarkeit der Abschiebung wegen der erneuten Duldungsverfügung war aber das auf die Ingewahrsamnahme des Angeklagten zum Zwecke der Abschiebung gerichtete Verhalten von PHM E. kein rechtswidriger Angriff im Sinne von § 32 Abs. 2 StGB.
25
b) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bestimmt sich die Rechtmäßigkeit - sowohl bezüglich § 32 Abs. 2 StGB als auch § 113 Abs. 3 StGB - des Handelns von staatlichen Hoheitsträgern bei der Ausübung von Hoheitsgewalt weder streng akzessorisch nach der materiellen Rechtmäßigkeit des dem Handeln zugrundeliegenden Rechtsgebiets (meist des materiellen Verwaltungsrechts) noch nach der Rechtmäßigkeit entsprechend dem maßgeblichen Vollstreckungsrecht (vgl. BGH, Urteile vom 31. März 1953 - 1 StR 670/52, BGHSt 4, 161, 164; vom 10. November 1967 - 4 StR 512/66, BGHSt 21, 334, 363 sowie die Nachw. bei Rönnau/Hohn in Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., Band 2, § 32 Rn. 117; Erb in Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., Band 1, § 32 Rn. 75; siehe auch BVerfG [1. Kammer des Ersten Senats], Beschluss vom 30. April 2007 - 1 BvR 1090/06 Rn. 26 ff. bzgl. der Rechtmäßigkeit bei § 113 Abs. 3 StGB). Die Rechtmäßigkeit des hoheitlichen Handelns in einem strafrechtlichen Sinne hängt vielmehr lediglich davon ab, dass „die äußeren Voraussetzungen zum Eingreifen des Beamten“ gegeben sind, „er also örtlich und sachlich zuständig“ ist, er die vorgeschriebenenwe- sentlichen Förmlichkeiten einhält und der Hoheitsträger sein - ihm ggf. eingeräumtes - Ermessen pflichtgemäß ausübt (BGH, Urteile vom 31. März 1953 - 1 StR 670/52, BGHSt 4, 161, 164; vom 10. November 1967 - 4 StR 512/66, BGHSt 21, 334, 365; weitere umfassende Nachw. bei Rönnau/Hohn aaO § 32 Rn. 117 Fn. 332; Erb aaO § 32 Rn. 75 Fn. 159). Befindet sich allerdings der Hoheitsträger in einem schuldhaften Irrtum über die Erforderlichkeit der Amtsausübung , handelt er willkürlich oder unter Missbrauch seines Amtes, so ist sein Handeln rechtswidrig (BGH, Urteil vom 10. November 1967 - 4 StR 512/66, BGHSt 21, 334, 363; in der Sache ebenso bereits BGH, Urteil vom 31. März 1953 - 1 StR 670/52, BGHSt 4, 161, 164 f.; siehe auch BVerfG [2. Kammer des Ersten Senats], Beschluss vom 29. April 1991 - 1 BvR 7/90, NJW 1991, 3023 sowie Erb, Festschrift für Gössel, 2002, S. 217, 230 f.).
26
c) Diese Auslegung des einfachen Gesetzesrechts mit der teilweisen Ablösung des strafrechtlichen Rechtswidrigkeitsbegriffs im Sinne von § 32 Abs. 2 StGB (und § 113 Abs. 3 StGB) von der Rechtmäßigkeit des hoheitlichen Handelns nach Maßgabe der jeweils einschlägigen außerstrafrechtlichen Rechtsvorschriften ist entgegen der von Teilen der Strafrechtswissenschaft (etwa Paeffgen in Nomos Kommentar zum StGB, 4. Aufl., Band 2, § 113 Rn. 39 ff. mwN) vorgetragenen Kritik verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerfG, [1. Kammer des Ersten Senats], Beschluss vom 30. April 2007 - 1 BvR 1090/06 Rn. 26 ff. bzgl. der Rechtmäßigkeit bei § 113 Abs. 3 StGB).
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d) Der Senat hält an der bisherigen Rechtsprechung (vgl. aber BGH, Urteil vom 2. November 2011 - 2 StR 375/11, NStZ 2012, 272, 273 mit Anm. Erb JR 2012, 207, 209 f.) fest. Die gegen diese in der Strafrechtswissenschaft erhobenen Einwände (siehe etwa Rönnau/Hohn aaO Rn. 119; Kindhäuser in Nomos Kommentar zum StGB, 4. Aufl., Band 1, § 32 Rn. 69) werden den für die Beurteilung der Voraussetzungen des § 32 Abs. 2 StGB maßgeblichen Be- sonderheiten der Situation nicht ausreichend gerecht, in der sich ein Bürger drohenden Rechtsgutsbeeinträchtigungen durch einen Hoheitsträger ausgesetzt sieht.
28
aa) Der Bundesgerichtshof hat bereits in seiner bisherigen Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Rechtmäßigkeit (im Sinne von § 32 StGB und § 113 StGB) von hoheitlichem Handeln stets in den Blick genommen, in welcher Lage sich (Polizei)Vollzugsbeamte bei Ausübung hoheitlicher Tätigkeit befinden (vgl. BGH, Urteile vom 31. März 1953 - 1 StR 670/52, BGHSt 4, 161, 164; vom 10. November 1967 - 4 StR 512/66, BGHSt 21, 334, 365 f.; siehe auch BVerfG [1. Kammer des Ersten Senats], Beschluss vom 30. April 2007 - 1 BvR 1090/06 Rn. 29 und 36). Diese müssen sich in der konkreten Situation in der Regel unter einem gewissen zeitlichen Druck auf die Ermittlung eines äußeren Sachverhalts beschränken, ohne die Rechtmäßigkeit des eigenen Handelns auf der Grundlage des materiellen Rechts oder des (Verwaltungs )Vollstreckungsrechts bis in alle Einzelheiten klären zu können (siehe BVerfG und BGH jeweils aaO). Das Bundesverfassungsgericht hat vor dem dargestellten Hintergrund bezüglich der Auslegung des Rechtmäßigkeitsbegriffs in § 113 Abs. 3 StGB verfassungsrechtlich akzeptiert, dass bei der Notwendigkeit umgehenden behördlichen Einschreitens eine Pflicht des betroffenen Bürgers zur Befolgung einer wirksamen, wenn auch gegebenenfalls rechtswidrigen Diensthandlung besteht (BVerfG aaO Rn. 29). Er muss die Amtshandlung grundsätzlich hinnehmen und kann erst nachträglich eine Feststellung der eventuellen Rechtmäßigkeit der Maßnahme erreichen (BVerfG aaO mwN).
29
bb) Von diesen Grundsätzen geht auch das Verwaltungsvollstreckungsrecht aus. Ihm liegt der Gedanke zugrunde, der betroffene Bürger habe eine Pflicht zur Duldung von Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung auch dann, wenn nicht sämtliche Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen gegeben sind (vgl. Erb, Festschrift für Gössel, S. 217, 227 mwN). Dies ergibt sich aus den (einfach )gesetzlichen Regelungen über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung von Rechtsbehelfen gegen Vollstreckungsmaßnahmen in den Verwaltungsvollstreckungsgesetzen (etwa § 12 Satz 1 Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz Baden-Württemberg [LVwVG]; siehe auch Stammberger in Engelhardt/App/Schlatmann, VwVG/VwZG, 10. Aufl., § 18 VwVG Rn. 14; Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 9. Aufl., § 32 Rn. 13). Der Betroffene ist darauf beschränkt, nachträglichen Rechtsschutz einzuholen. Es ist mit dem Ausschluss der aufschiebenden Rechtsbehelfe gegen Verwaltungsvollstreckungsmaßnahmen wertungsmäßig nicht zu vereinbaren, gegen solche Maßnahmen dem Betroffenen im Fall ihrer Rechtswidrigkeit das Notwehrrecht aus § 32 StGB einzuräumen (zutreffend Erb aaO).
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cc) Die spezifische Auslegung der Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit im Sinne von § 32 Abs. 2 StGB (und § 113 Abs. 3 StGB) bei hoheitlichem Handeln trägt auch dem Umstand Rechnung, dass die eingesetzten Vollzugsbeamten im Dienst der staatlichen Ordnung tätig werden, die wiederum die Sicherung der Rechtsordnung insgesamt gewährleistet (BGH, Urteile vom 31. März 1953 - 1 StR 670/52, BGHSt 4, 161, 164; vom 10. November 1967 - 4 StR 512/66, BGHSt 21, 334, 365 f.). Die Entlastung des Vollzugsbeamten von dem Risiko, dass sich bei einer ex post erfolgenden Prüfung der Rechtmäßigkeit seines hoheitlichen Handelns am Maßstab meist des materiellen Verwaltungsrechts oder des Verwaltungsvollstreckungsrechts seine ex ante unter den konkreten Bedingungen seines Handelns vorgenommene Rechtmäßigkeitsbeurteilung als unzutreffend erweist und dem von der Maßnahme betroffenen Bürger dann eine ggf. gewaltsame Verteidigung gegen den Hoheitsträger offen stünde, dient gerade im demokratischen Rechtsstaat der Sicherung der Entschlusskraft der eingesetzten Vollzugsbeamten (siehe insoweit bereits BGH, Urteil vom 10. November 1967 - 4 StR 512/66, BGHSt 21, 334, 366 und 367). Wird - wie hier - der hoheitlich handelnde Beamte mit der Vollstreckung einer durch eine andere Behörde angeordneten Verwaltungsmaßnahme beauftragt, darf er sich grundsätzlich auf die Rechtmäßigkeit der ihm übertragenen Vollstreckung verlassen. Umgekehrt muss die beauftragende Behörde von dem Vollzug der Maßnahme durch die angewiesene Behörde und deren dort konkret betraute Beamte ausgehen können. Derartige Weisungsverhältnisse bilden im Rechtsstaat das notwendige Bindeglied, um die demokratische Legitimation für die Ausübung von Staatsgewalt sowie die parlamentarische Verantwortlichkeit der Regierung gewährleisten zu können (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 - 2 C 24/13 Rn. 30; siehe auch grundlegend BVerfGE 93, 37, 66 ff. bzgl. der Weisungsgebundenheit der Verwaltung gegenüber der Regierung). Der von der angeordneten Verwaltungsvollstreckung Betroffene wird durch die ihm auferlegte Pflicht zur Duldung einer sich im Nachhinein als - gemessen an den einschlägigen außerstrafrechtlichen Vorschriften - rechtswidrig erweisenden hoheitlichen Maßnahme nicht rechtlos gestellt. Ihm steht die nachträgliche gerichtliche Rechtmäßigkeitsprüfung (vgl. Art. 19 Abs. 4 GG) vollständig zur Verfügung.
31
dd) Darüber hinaus führte die Gewährung des Notwehrrechts gegen hoheitliches Handeln zu nicht akzeptablen Konsequenzen im Hinblick auf die Rechtsgüter des betroffenen Bürgers auf der einen Seite und derjenigen des ausführenden Beamten auf der anderen Seite. Der von einer - nach dem maßgeblichen materiellen Recht oder Vollstreckungsrecht - rechtswidrigen hoheitlichen Maßnahme betroffene Bürger befindet sich in einer völlig anderen tatsächlichen Lage als derjenige, der sich einem rechtswidrigen Angriff auf seine Rechtsgüter durch Private ausgesetzt sieht. Innerhalb der Grenzen seiner Duldungspflicht (siehe unten Rn. 34) ist die Eingriffsintensität der staatlichen Maßnahme durch die für hoheitliches Handeln bestehenden Schranken, vor allem den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (dazu im hier relevanten Zusammen- hang BVerfG [2. Kammer des Ersten Senats], Beschluss vom 29. April 1991 - 1 BvR 7/90, NJW 1991, 3023) begrenzt. Es droht typischerweise kein endgültiger Verlust des beeinträchtigten Rechtsguts.
32
Auf der anderen Seite wäre der Vollzugsbeamte bei Gewährung des Notwehrrechts gegen sein hoheitliches Handeln der Gefahr erheblicher Rechtsgutsbeeinträchtigungen in einer Situation ausgesetzt, in der er ohne ihm vorwerfbaren Irrtum von der Rechtmäßigkeit der hoheitlichen Vollstreckungsmaßnahme ausgeht. Gerade bei Notwehrhandlungen gegen bewaffnete Polizeibeamte im Rahmen des Vollzugs durch andere Behörden angeordneter Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung wird eine zur endgültigen und siche- ren Abwehr des Angriffs führende „Verteidigung“ häufig gleichsam notwendig die Tötung der eingesetzten Beamten umfassen (Erb, Festschrift für Gössel, S. 217, 222). Gegen eine solche „Verteidigung“ dürfte sich der Beamte nicht rechtmäßig wehren. Eine ihm zumutbare legale Verhaltensalternative bliebe ihm dann nicht. Entweder handelt er entgegen dem ihm erteilten Vollstreckungsauftrag oder er macht sich durch eine Abwehr der dann nicht rechtswidrigen Verteidigung des von seiner hoheitlichen Maßnahme betroffenen Bürgers strafbar.
33
ee) Daher folgt der Senat nicht einer in der Strafrechtswissenschaft vertretenen Auffassung, die bei - am materiellen Verwaltungsrecht oder dem Verwaltungsvollstreckungsrecht gemessen - rechtswidrigem Handeln des Hoheitsträgers auch strafrechtlich von einem rechtswidrigen Angriff i.S.v. § 32 Abs. 2 StGB ausgeht, dem vom hoheitlichen Handeln Betroffenen aber lediglich ein (eingeschränktes) Notwehrrecht gewährt (so etwa Amelung JuS 1986, 329, 337; Rönnau/Hohn aaO § 32 Rn. 134 mwN; der Sache nach über eine Ein- schränkung des Notwehrrechts über das Merkmal „geboten“ wie diese auch OLG Hamm JR 2010, 361 f. mit krit. Anm. T. Zimmermann). Eine solche Rechtsauffassung wird weder den beschriebenen (oben Rn. 27-31) tatsächlichen noch den rechtlichen Besonderheiten des möglichen Notwehrrechts des einzelnen Bürgers gegen das Handeln von staatlichen Hoheitsträgern gerecht. Insbesondere verkennt sie, dass bei dem Vorgehen gegen bewaffnete Polizeibeamte deren Tötung oder zumindest deren gravierende Verletzung meist die allein eine sichere und endgültige Angriffsabwehr gewährleistende „Verteidigungshandlung“ wäre (Rn. 32).
34
e) Die Grenzen der Pflicht zur Duldung einer nach den maßgeblichen außerstrafrechtlichen Rechtsvorschriften rechtswidrigen hoheitlichen Maßnahme sind dort erreicht, wo diese mit dem Grundsatz der Rechtsbindung der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) schlechthin unvereinbar sind (BVerfG [2. Kammer des Ersten Senats], Beschluss vom 29. April 1991 - 1 BvR 7/90, NJW 1991, 3023; in der Sache ebenso BGH, Urteil vom 31. März 1953 - 1 StR 670/52, BGHSt 4, 161, 164). Das ist jedenfalls bei Willkür und bei Nichtigkeit des Verwaltungshandelns der Fall (BVerfG und BGH jeweils aaO). Bei der Verwaltungsvollstreckung endet die Duldungspflicht des Betroffenen auch bei der Nichtigkeit von Verwaltungsakten (§§ 43, 44 LVwVfG) im Schweregrad entsprechenden Verletzungen der Voraussetzungen der Verwaltungsvollstreckung (Erb, Festschrift für Gössel, S. 217, 230; ähnlich T. Zimmermann JR 2010, 361, 365 „offensichtlich bösgläubige und amtsmissbräuchliche Vollstreckungshandlungen“ ). Das Handeln ist dann stets rechtswidrig im Sinne von § 32 Abs. 2 StGB.
35
f) Bei Anwendung der vorstehenden rechtlichen Maßstäbe war der unmittelbar bevorstehende Angriff durch PHM E. auf das Freiheitsrecht des Angeklagten nicht gemäß § 32 Abs. 2 StGB rechtswidrig.
36
aa) Der Polizeibeamte E. handelte, wie die übrigen mit dem Vollzug der Abschiebung beauftragten Polizeibeamten, nach den getroffenen Feststellungen innerhalb seiner örtlichen und sachlichen Zuständigkeit aufgrund des seitens der ihrerseits zuständigen Ausländerbehörden erteilten Auftrags zur Verwaltungsvollstreckung. Hinsichtlich der Durchführung des Vollzugs der Abschiebung sind durch die beauftragte Polizei die wesentlichen Förmlichkeiten eingehalten worden. Das gilt auch für die Durchführung der Vollstreckung zur Nachtzeit (vgl. § 9 Abs. 2 LVwVG). Gemäß § 9 Abs. 1 LVwVG bedarf diese einer Erlaubnis der Vollstreckungsbehörde. Wie sich aus dem Gesamtzusammenhang des angefochtenen Urteils ergibt, hatte die Ausländerbehörde eine solche Erlaubnis erteilt. Denn sie hatte der unmittelbar beauftragten Polizeidirektion L. mitgeteilt, dem Angeklagten als Abzuschiebenden sei die Abschiebung angekündigt und diesem aufgetragen, sich ab 3.00 Uhr morgens unter seiner Wohnanschrift bereitzuhalten (UA S. 7/8).
37
bb) Der bevorstehende Zugriff durch PHM E. erweist sich auch nicht aufgrund der Umstände des konkreten Einzelfalls als rechtswidrig im Sinne des strafrechtlichen Rechtmäßigkeitsbegriffs. Weder befand er sich in einem schuldhaften Irrtum über die Erforderlichkeit der Amtsausübung noch handelt er willkürlich oder unter Missbrauch seines Amtes (Rn. 25). Das gilt selbst dann, wozu das Landgericht allerdings keine Feststellungen getroffen hat, wenn ihm durch Information seitens der zunächst eingesetzten Polizeibeamten B. und K. bekannt gewesen sein sollte, dass der Angeklagte diesen eine Duldungsverfügung gezeigt, anschließend aber wieder zurückverlangt hatte.
38
(1) Das Fehlen eines schuldhaften Irrtums über die Erforderlichkeit der Ingewahrsamnahme des Angeklagten ergibt sich aus folgenden tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen:
39
Der Polizeidirektion L. war durch das Regierungspräsidium Ka. als zuständiger Ausländerbehörde der Auftrag zum Vollzug der Abschiebung für den 4. Februar 2014 erteilt worden. Der Polizeidirektion war weiter mitgeteilt worden, dass dem Angeklagten die Abschiebung für den genannten Termin angekündigt und ihm aufgegeben war, sich am fraglichen Tag ab 3.00 Uhr für den Transport bereitzuhalten. Diese Informationen waren auch an den in der Tatnacht diensthabenden Einsatzleiter des mit dem Vollzug durch die Polizeidirektion beauftragten Polizeireviers 3 in S. gelangt (UA S. 8). Die am 13. Januar 2014 dem Angeklagten erteilte Duldung als Vollzugshindernis war dem zuständigen Einsatzleiter daher zunächst ebenso wenig bekannt wie den zunächst mit dem Vollzug der Abschiebung beauftragten Polizeibeamten (POM B. und POM’in K. ). Anhaltspunkte für das Bestehen des Vollzugshindernisses aus § 60a AufenthG ergaben sich nach Beginn des Vollzugs lediglich aus dem Hinweis des Angeklagten auf die Duldung sowie dem kurzzeitigen Zugriff (UA S. 8 und 9) von POM B. und POM’in K. auf die bei dem Angeklagten vorhandenen Ausfertigung der Duldung vom 13. Januar 2014. Selbst wenn den zur Verstärkung herbeigerufenen Polizeibeamten, darunter PHM E. , das Vorhandensein der Ausfertigung einer über den Abschiebetermin hinausreichenden Duldung ebenfalls bekannt geworden sein sollte, führte dies für den Polizeibeamten nicht dazu, dass er in ihm vorwerfbarer Weise die verwaltungsvollstreckungsrechtliche Rechtswidrigkeit der Durchführung verkannt hätte.
40
Den beauftragten Polizeibehörden lagen aufgrund Mitteilung der zuständigen Ausländerbehörde Informationen vor, aus denen sich zunächst eindeutig die Rechtmäßigkeit des Vollzugs der Abschiebung ergab. Allein der Hinweis des Angeklagten auf die Duldung und das kurzzeitige bildliche In-den-HändenHalten der Ausfertigung durch die beiden zunächst eingesetzten Polizeibeamten konnten keine solchen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Vollzugs hervor- rufen, die zu einem schuldhaften Irrtum über den Vollzug der angeordneten Verwaltungsvollstreckung führen konnten. Eine nähere Prüfung des Inhalts und der Echtheit der Duldung hat der Angeklagte bereits gegenüber POM B. und POM’in K. selbst vereitelt, indem er die Rückgabe der Ausfertigung durch seine Suiziddrohung erzwungen hat. Eine Klärung des Vorhandenseins einer wirksam erteilten, über den 4. Februar 2014 hinausreichenden Duldung durch Rücksprache mit dem zuständigen Regierungspräsidium Ka. war angesichts der Tageszeit (zwischen 4.00 und 4.30 Uhr) nicht möglich. Wegen der eindeutigen Informationen und der Beauftragung durch das Regierungspräsidium war daher für PHM E. (wie auch die übrigen eingesetzten Polizeibeamten ) nicht ohne Weiteres erkennbar, dass die Abschiebung des Angeklagten wegen der erneut erteilten Duldung am fraglichen Tag verwaltungsvollstreckungsrechtlich nicht gestattet war.
41
(2) Das hoheitliche Handeln der zur Vollstreckung der angeordneten Abschiebung eingesetzten Polizeivollzugsbeamten, damit auch des Polizeibeamten E. , war angesichts des vorstehend Ausgeführten nicht willkürlich. Ebenso wenig lagen Verletzungen des Verwaltungsvollstreckungsrechts vor, die in ihrem Schweregrad Nichtigkeitsgründen des Verwaltungsakts entsprechen würden.
42
g) Schließlich stehen auch die sonstigen Verhältnisse des konkreten Einzelfalls der Anwendung des strafrechtlichen Rechtmäßigkeitsbegriffs bei hoheitlichem Handeln nicht entgegen. Die damit einhergehende Duldungspflicht des von einer hoheitlichen Maßnahme Betroffenen darf diesem zumutbar auferlegt werden, weil kein endgültiger Rechtsverlust droht, sondern eine nachträgliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit eröffnet ist (dazu oben Rn. 30). Vorliegend verfügte der Angeklagte über eine Ausfertigung der bis zum 14. April 2014 befristeten Duldungsverfügung. Zwischen dem polizeilichen Zugriff gegen 4.30 Uhr und dem Abflug des Flugzeugs nach Erbil (Irak) vom Flughafen Frankfurt /Main um 10.10 Uhr verblieb genügend Zeit, um durch die Vollzugspolizeibeamten mittels Nachfrage bei der zuständigen Ausländerbehörde nach Beginn deren regelmäßiger Dienstzeit klären zu lassen, ob die Voraussetzungen für die Vollstreckung der Abschiebung vorlagen oder diese (noch) durch eine wirksam erteilte Duldung gehindert war. Es drohte daher im Hinblick auf das Recht zum Aufenthalt im Inland bis zum Ablauf der Duldungsfrist dem Angeklagten kein endgültiger Rechtsverlust. Die Freiheitsentziehung bis zu der Klärung der vollstreckungsrechtlichen Rechtslage durch Einschaltung der Ausländerbehörde musste der Angeklagte aus den für das Bestehen eines spezifischen strafrechtlichen Rechtmäßigkeitsbegriffs bei hoheitlichem Handeln maßgeblichen Gründen gerade dulden und durfte sich nicht mit erheblicher Gewaltanwendung dagegen wehren.
43
2. Auf der Grundlage der Feststellungen des Landgerichts kommen andere Rechtfertigungsgründe zu seinen Gunsten ebenfalls nicht in Betracht.

III.

44
Anhaltspunkte für das Fehlen schuldhaften Verhaltens ergeben sich aus dem angefochtenen Urteil ebenfalls nicht.
45
1. Die sachverständig beratene Strafkammer hat eine Aufhebung der Schuldfähigkeit des Angeklagten ohne Rechtsfehler verneint.
46
2. Nach den ausreichend getroffenen Feststellungen befand sich der Angeklagte auch nicht in einem die Bestrafung aus einer vorsätzlichen Tat ausschließenden Erlaubnistatbestandsirrtum (vgl. BGH, Beschluss vom 21. August 2013 - 1 StR 449/13, NStZ 2014, 30 f. mwN). Der Angeklagte hatte bereits ge- genüber den zunächst eingesetzten Polizeibeamten B. und K. angekündigt , nicht freiwillig mitzukommen und das Land nicht verlassen zu wollen (UA S. 8). Bei dem Einsatz des Messers kam es ihm darauf an, die von ihm erwartete Festnahme und daran anschließende Abschiebung zu verhindern (UA S. 9). Dass er sich über tatsächliche Umstände geirrt haben könnte, deren wirkliches Vorliegen einen von der Rechtsordnung anerkannten Rechtfertigungsgrund begründen würde, der ihm die als möglicherweise tödlich erkannten Messerstiche gestattete, ist nicht ersichtlich.
47
3. Ebenso wenig belegen die Feststellungen einen Erlaubnisirrtum als besondere Erscheinungsform des Verbotsirrtums (§ 17 StGB). Weitere Ausführungen dazu waren nicht geboten. Dem Angeklagten kam es allein auf die Ermöglichung seiner Flucht an. Über die Rechtmäßigkeit des Messereinsatzes als Mittel zum Erreichen dieses Ziels hat er nicht erkennbar reflektiert.

IV.

48
Ein unmittelbar aus dem Verfassungsrecht resultierendes Verbot, den Angeklagten für die gegen den Polizeibeamten gerichteten Messerstiche zu bestrafen, besteht nicht. Selbst wenn die Vollstreckung der Abschiebeanordnung wegen des aus der Duldung folgenden Vollzugshindernisses verwaltungsvollstreckungsrechtlich nicht rechtmäßig gewesen sein sollte, schließt dies eine Bestrafung des Angeklagten wegen der durch die Messerstiche rechtswidrig verwirklichten Straftat nicht aus (vgl. BVerfG [1. Kammer des Ersten Senats], Beschluss vom 30. April 2007 – 1 BvR 1090/06 Rn. 53 f.).

V.

49
Die Strafzumessung des Tatgerichts enthält ebenfalls keine revisiblen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten.
50
1. Die Strafzumessung, zu der auch die Frage gehört, ob ein minder schwerer Fall vorliegt (BGH, Urteile vom 24. März 2015 - 5 StR 6/15 Rn. 7 mwN; vom 26. Februar 2015 - 1 StR 574/14 Rn. 15; Beschluss vom 18. Dezember 2007 - 5 StR 530/07, NStZ-RR 2008, 310 f.), ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf Grundlage des umfassenden Eindrucks , den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen und gegeneinander abzuwägen (BGH, Urteile vom 24. März 2015 - 5 StR 6/15 Rn. 7; vom 31. Juli 2014 - 4 StR 216/14 Rn. 4). Welchen Umständen er bestimmendes Gewicht beimisst, ist im Wesentlichen seiner Beurteilung überlassen (st. Rspr.; siehe etwa BGH, Urteil vom 2. August 2012 - 3 StR 132/12, NStZ-RR 2012, 336 f.; BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2007 - 5 StR 530/07, NStZ-RR 2008, 310 f.; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 46 Rn. 146 mwN).
51
Das Revisionsgericht darf die der Entscheidung des Tatrichters über das Vorliegen eines minder schweren Falls zugrunde liegende Wertung nicht selbst vornehmen, sondern lediglich daraufhin überprüfen, ob dem Tatrichter ein Rechtsfehler unterlaufen ist (siehe BGH, Urteil vom 26. Februar 2015 - 1 StR 574/14 Rn. 16; Beschluss vom 18. Dezember 2007 - 5 StR 530/07, NStZ-RR 2008, 310 f.).
52
2. Derartige der Revision zugängliche Rechtsfehler bei der Anwendung von § 213 StGB weist das angefochtene Urteil nicht auf.
53
a) Anhaltspunkte für das Vorliegen der Voraussetzungen von § 213 Alt. 1 StGB (zu diesen ausführlich BGH, Urteil vom 26. Februar 2015 - 1 StR 574/14 Rn. 18 ff.) bestehen nicht.
54
b) Die Verneinung eines sonst minder schweren Falls gemäß § 213 Alt. 2 StGB hält ebenfalls sachlich-rechtlicher Prüfung stand.
55
Das Landgericht ist von der gebotenen Gesamtbewertung aller relevanten Umstände (Fischer aaO § 213 Rn. 12; H. Schneider in Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., Band 4, § 213 Rn. 49 jeweils mwN) ausgegangen. In diese hat es zugunsten des Angeklagten eingestellt, dass er nicht über die bevorstehende Abschiebung informiert worden war und wegen der bis zum 14. April 2014 befristeten Duldung auch nicht mit dieser rechnen konnte. Zudem hat das Landgericht zugunsten des Angeklagten die Länge der Aufenthaltsdauer im Inland und seine besondere Lage wegen der Konfrontation mit der bevorstehenden Abschiebung in den frühen Morgenstunden berücksichtigt. Damit hat es, auch wenn es die Bedeutung der Duldung als Vollzugshindernis rechtlich nicht vollständig erfasst hat, inhaltlich die für die Entscheidung über das Vorliegen eines minder schweren Falls bestimmenden, aus der Verwaltungsvollstreckung resultierenden Umstände gewürdigt. Dass es diese Aspekte auch im Zusammenhang mit der wegen der von PHM E. getragenen Schutzkleidung geringen objektiven Gefährlichkeit der Messerstiche nicht für die Annahme eines minder schweren Falls hat genügen lassen, ist nach dem vorgenannten Prüfungsmaßstab hinzunehmen.
56
Das Abstellen des Landgerichts auf die aus Sicht des Angeklagten besonders gefährliche Vorgehensweise angesichts der Art und Wucht der Stiche sowie der konkreten Beschaffenheit des Messers als bestimmende Gründe gegen einen minder schweren Fall lässt Rechtsfehler ebenfalls nicht erkennen.
Gleiches gilt, soweit es aus den nämlichen Gründen den Strafrahmen des § 213 StGB auch unter Berücksichtigung des vertypten Milderungsgrundes aus § 23 Abs. 2 StGB nicht herangezogen, sondern den Strafrahmen des § 212 Abs. 1 StGB nach § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemildert hat. Auch innerhalb des gewählten Strafrahmens sind keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten zu erkennen. Raum Rothfuß Graf Radtke Mosbacher

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 09. Juni 2015 - 1 StR 606/14

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(1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig.

(2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.

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a) Bedingten Tötungsvorsatz hat, wer den Eintritt des Todes als mögliche , nicht ganz fernliegende Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und billigend in Kauf nimmt (Willenselement). Beide Elemente müssen getrennt voneinander geprüft und durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Ihre Bejahung oder Verneinung kann nur auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände erfolgen (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juni 2014 - 4 StR 439/13, Rn. 7; Urteil vom 23. Februar 2012 - 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443, 444; Urteil vom 27. Januar 2011 - 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699, 701 Rn. 34 f. mwN). In die Prüfung sind dabei neben der objektiven Gefährlichkeit der Tathandlung und der konkreten Angriffsweise des Täters auch seine psychische Verfassung bei Tatbegehung und seine Motivationslage einzubeziehen (BGH, Urteil vom 5. Juni 2014 - 4 StR 439/13, Rn. 7; Urteil vom 16. Mai 2013 - 3 StR 45/13, NStZ 2013, 581, 582 mwN).
7
a) Bedingter Tötungsvorsatz ist gegeben, wenn der Täter den Tod als mögliche, nicht ganz fern liegende Folge seines Handelns erkennt (Wissens- element) und dies billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit dem Eintritt des Todes abfindet (Willenselement). Beide Elemente des bedingten Vorsatzes müssen in jedem Einzelfall umfassend geprüft und gegebenenfalls durch tatsächliche Feststellungen belegt werden (vgl. BGH, Urteile vom 17. Juli 2013 – 2 StR 139/13, StraFo 2013, 467; vom 27. Januar 2011 – 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699, 702). Ihre Bejahung oder Verneinung kann nur auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände des Einzelfalles erfolgen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2013 – 4 StR 364/13, StV 2014, 345, 346; Urteil vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183 Rn. 26), in welche insbesondere die objektive Gefährlichkeit der Tathandlung, die konkrete Angriffsweise des Täters, seine psychische Verfassung bei der Tatbegehung und seine Motivationslage einzubeziehen ist (vgl. BGH, Urteil vom 16. Mai 2013 – 3 StR 45/13, NStZ 2013, 581, 582). Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtschau stellt die auf der Grundlage der dem Täter bekannten Umstände zu bestimmende objektive Gefährlichkeit der Tathandlung einen wesentlichen Indikator sowohl für das kognitive, als auch für das voluntative Vorsatzelement dar (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2013 – 4 StR 364/13, aaO, mwN; Urteile vom 16. Mai 2013 – 3 StR 45/13, aaO, vom 23. Februar 2012 – 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443, 444). Hat der Täter eine offensichtlich äußerst gefährliche Gewalthandlung begangen, liegt es – vorbehaltlich in die Gesamtbetrachtung einzustellender gegenläufiger Umstände im Einzelfall – nahe, dass er den Eintritt des Todes als mögliche Folge seines Tuns erkannt und, indem er gleichwohl sein gefährliches Handeln begonnen oder fortgesetzt hat, den Todeserfolg auch billigend in Kauf genommen hat (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 1. Dezember 2011 – 5 StR 360/11, NStZ 2012, 207, 208 mwN).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 608/11
vom
23. Februar 2012
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 23.Februar
2012, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenkläger,
die Nebenkläger V. und T. V. in Person,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 27. Juni 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung , begangen in den Varianten des § 224 Abs. 1 Nr. 2 (Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeuges) und Nr. 5 StGB (Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung) zu einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Die Staatsanwaltschaft und die Eltern des Geschädigten als Nebenkläger beanstanden mit ihren Rechtsmitteln die Verletzung materiellen Rechts. Die Revisionen führen zur Aufhebung des Urteils und zu einer Zurückverweisung der Sache an eine andere als Jugendkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts.
2
1. Nach den Feststellungen hielt sich der Angeklagte am frühen Morgen des 12. Dezember 2010 gegen 03.45 Uhr mit drei Freunden auf dem Parkplatz einer Diskothek auf. Als es im Eingangsbereich zu einer tätlichen Auseinandersetzung mit wechselseitigen Faustschlägen zwischen den Zeugen A. und C. kam, lief der Angeklagte in Richtung der Streitenden, um zu schlichten (UA 6/7). Etwa zum gleichen Zeitpunkt trat der ebenfalls um eine Streitschlichtung bemühte D. V. zwischen die Kontrahenten und wurde von dem Zeugen A. mit der Faust zu Boden geschlagen. Ob sich D. V. danach noch einmal zu erheben vermochte oder sofort regungslos liegenblieb, konnte das Landgericht nicht zweifelsfrei feststellen. Wenige Sekunden nachdem D. V. zu Boden gegangen war, trat ihm der Angeklagte ohne nachvollziehbaren Grund aus der Körperdrehung heraus mit seiner rechten Innenfußseite gegen die rechte Wange. Zu diesem Zeitpunkt lag D. V. auf der Seite oder auf dem Rücken, sodass sein Gesicht zur Seite oder nach oben ge- richtet war. Infolge des „mit nicht genau feststellbarer Intensität“ geführten Tritts wurde der Kopf des erheblich alkoholisierten Geschädigten nach hinten ge- schleudert und „im Radius von etwa 1/2 Meter in Trittrichtung gedreht. Die Fü- ße blieben am Ort liegen“. Dabei trug der Angeklagte geschnürte Sportschuhe, deren Innenseite so hart war, dass es dadurch bei Tritten zu erheblichen Verletzungen kommen konnte (UA 7).
3
Der Zeuge C. und andere Umstehende bemühten sich sofort um eine Erstversorgung des Geschädigten und alarmierten um 3.53 Uhr den Rettungsdienst. Der Angeklagte zeigte sich ebenfalls besorgt und überließ dem Zeugen C. seine Telefonnummer. Danach fuhr er mit seinen Freunden nach Hause.
4
Als der Rettungsdienst um 4.02 Uhr eintraf, war der Geschädigte bewusstlos und ohne eigene Atmung. Bei einem Intubationsversuch stellte der kurze Zeit später hinzu gekommene Notarzt fest, dass der Deckel der Luftröhre durch einen Kaugummi verlegt und deshalb keine Versorgung mit Sauerstoff über die Atemwege mehr möglich war. Nachdem er den Kaugummistreifen mit einem Spezialinstrument entfernt hatte, konnte der Tubus gelegt und eine maschinelle Beatmung eingeleitet werden. D. V. hatte daraufhin wieder ei- nen Spontankreislauf und einen stabilen Puls. Bis zu diesem Zeitpunkt war er etwa 15 Minuten ohne Bewusstsein. Nach dem Transport ins Krankenhaus wurde bei ihm eine bis dahin unbemerkt gebliebene massive Einblutung in die weiche Hirnhaut (Subarachnoidalblutung) festgestellt, die noch am 12. Dezember 2010 eine operative Entfernung knöcherner Schädelteile erforderlich machte (Entlastungscraniektomie). D. V. verstarb am 16. Dezember 2010 an einer irreversiblen Hirnschädigung in Folge einer akuten schwersten globalen Minderversorgung des Gehirns mit Blut und Sauerstoff.
5
Das medizinisch-sachverständig beratene Landgericht geht davon aus, dass der Geschädigte auf Grund des Faustschlages des Zeugen A. seinen Kaugummi in einer Weise verschluckt hat, dass dadurch sowohl der Kehlkopf als auch die Luftröhre verlegt wurden. In der Folge kam es zu einem reflektorischen Herz-Kreislauf-Stillstand (sog. Bolustod). Die Einblutung unter die weiche Hirnhaut ist nach Ansicht des Landgerichts „am ehesten durch den Sturz des Geschädigten ausgelöst worden und kann nicht zwangsläufig auf den Tritt des Angeklagten zurückgeführt werden“. Sie wurde zudem „wohl vom Bolustod überholt“ und ist „jedenfalls nicht mehr todesursächlich geworden“.
6
2. Das Landgericht hat angenommen, dass der Angeklagte billigend in Kauf nahm, dass durch seinen Tritt „das Leben des Geschädigten potentiell gefährdet würde“. Eshat deshalb einen bedingten Vorsatz in Bezug auf eine das Leben gefährdende Körperverletzungshandlung entsprechend § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB für gegeben erachtet (UA 24).
7
Einen bedingten Tötungsvorsatz hat das Landgericht verneint, weil die Feststellungen nicht belegen, dass der Angeklagte bei der Ausführung des Trittes den Tod des Geschädigten billigend in Kauf nahm. Dabei hat es auf die folgenden Punkte abgestellt (UA 26):
8
Die Intensität des Trittes konnte nicht ausreichend festgestellt werden und war deshalb ohne Aussagekraft. Das Fehlen knöcherner Schädelverlet- zungen spricht eher gegen „eine besonders starke Intensität“(UA 27).
9
Eine „deutliche Motivation“ für den Tritt ist nicht feststellbar, weil der An- geklagte an der vorausgegangenen Auseinandersetzung nicht beteiligt war. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte gegenüber dem ihm unbekannten Geschädigten eine „grundsätzlich feindliche Willensrichtung“ eingenommen hatte, bestehen nicht. Eine Solidarisierung mit dem Zeugen A. , die die Annahme rechtfertigen könnte, der Angeklagte habe ihn auch um den Preis des Todes eines Menschen unterstützen wollen, ist nicht anzunehmen. A. war dem Angeklagten nur flüchtig bekannt und wurde von D. V. zuvor nicht angegriffen.
10
Der Umstand, dass dem Angeklagten seine Tat sofort Leid tat und er sich in der Folgezeit mehrfach für das Befinden des Geschädigten interessierte, ist ein „weiteres Indiz“ gegen die Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes (UA 27).
11
3. Die Erwägungen, mit denen das Landgericht die Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes abgelehnt hat, halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
12
a) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO). Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, wenn sie möglich sind. Ein revisionsgerichtliches Eingreifen ist erst dann veranlasst , wenn dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (BGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – 1 StR 400/11, Rn. 23; Urteil vom 14. Dezember 2011 – 1 StR 501/11; KK-StPO/Schoreit, 6. Aufl., § 261 Rn. 51 mwN).
13
Bedingten Tötungsvorsatz hat, wer den Eintritt des Todes als mögliche Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und billigend in Kauf nimmt (Willenselement). Beide Elemente müssen durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Ihre Bejahung oder Verneinung kann nur auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände erfolgen (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 2011 – 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699 Rn. 34 f. mwN.). Dabei ist die auf der Grundlage der dem Täter bekannten Umstände zu bestimmende objektive Gefährlichkeit der Tathandlung ein wesentlicher Indikator (vgl. BGH, Urteil vom 25. März 1999 – 1 StR 26/99, NJW 1999, 2533, 2534; NK-StGB/Neumann 3. Aufl., § 212 Rn. 12 f.; Mößner, Die Überprüfung des bedingten Tötungsvorsatzes in der Revision S. 6 ff., jew. mwN). Bei der Würdigung des Willenselements ist neben der konkreten Angriffsweise regelmäßig auch die Persönlichkeit des Täters, sein psychischer Zustand zum Tatzeitpunkt und seine Motivation mit in die Betrachtung einzubeziehen (BGH, Urteil vom 11. Oktober 2000 – 3 StR 321/00, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 51; Beschluss vom 1. Juni 2007 – 2 StR 133/07, NStZ-RR 2007, 267, 268; Urteil vom 27. August 2009 – 3 StR 246/09, NStZ-RR 2009, 372 jew. mwN).
14
b) Diesen Anforderungen wird die landgerichtliche Entscheidung nicht gerecht.
15
Die Ausführungen des Landgerichts zur objektiven Gefährlichkeit des vom Angeklagten geführten Angriffs sind schon deshalb lückenhaft, weil sie sich nicht mit der von dem Angeklagten selbst geschilderten erheblichen Wirkung seines Tritts auf die Lage des Körpers des Geschädigten auseinanderset- zen (UA 7 und 14). Auch hätte an dieser Stelle nochmals erkennbar Berücksichtigung finden müssen, dass der Angeklagte die Trittwirkung gefährlich verstärkende Schuhe trug (UA 7) und auf den Geschädigten zu einem Zeitpunkt eintrat, als dieser – jedenfalls nach seiner Wahrnehmung (UA 13) – in Folge des Schlags des Zeugen A. regungslos am Boden lag. Bei seinen Erörterungen zum inneren Tatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB hat das Landgericht diese Umstände als Beleg dafür ausreichen lassen, dass der Angeklagte eine potentielle Gefährdung des Lebens seines Opfers in Kauf nahm (UA

24).


16
Die Annahme des Landgerichts, der Tritt des Angeklagten könne nicht von „besonders starker Intensität“ (UA 27) oder „nicht von übermäßiger Wucht“ (UA 19) gewesen sein, weil bei dem Geschädigten keine knöchernen Schädelverletzungen festzustellen waren, stellt einseitig auf die ex post feststellbaren Verletzungsfolgen ab (vgl. BGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – 1 StR 400/11 Rn. 28) und lässt die generelle Gefährlichkeit derartiger Tritte außer Acht (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Mai 2011 – 1 StR 179/11, Rn. 10). Sie ist zudem nicht mit der an anderer Stelle getroffenen Feststellung vereinbar, dass die Knochenbrücke zwischen den Knochendeckeln des Schädelknochens einen nicht unterbluteten Bruch aufwies (UA 11). Zwar liegt es nicht fern, dass dieser Bruch auf die später durchgeführte Entlastungscraniektomie zurückzuführen ist, doch hätte dies einer ausdrücklichen Erörterung bedurft.
17
Der Umstand, dass dem Angeklagten sein Tritt sofort Leid tat und er sich in der Folgezeit mehrfach für das Befinden des Geschädigten interessierte, durfte vom Landgericht nicht ohne weitere Darlegungen als Indiz gegen die Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes gewertet werden.
18
Nachträgliches Bedauern und Rettungsversuche sagen nur bedingt etwas über die innere Haltung des Täters im Tatzeitpunkt aus, da sie nicht selten auf einer spontanen Ernüchterung beruhen und mit Blick auf die Tatfolgen von der Sorge um das eigene Wohl geleitet sind (BGH, Urteil vom 8. August2001 – 2StR 166/01, NStZ-RR 2001, 369, 370; Urteil vom 23. Juni 2009 – 1 StR 191/09, NStZ 2009, 629, 630). Der Angeklagte hat hierzu angegeben, nach dem Tritt „wach geworden“ zu sein. Dabei habe er begriffen, dass er etwas ge- tan habe, was nicht in Ordnung gewesen sei (UA 14). Der Angeklagte – dessen Einlassung das Landgericht im Übrigen gefolgt ist – hat damit selbst eingeräumt , dass sein Nachtatverhalten nicht mehr Ausdruck der ihn beherrschenden inneren Einstellung im Tatzeitpunkt gewesen ist, sondern auf einer veränderten Sicht der Dinge beruhte. Hieran durfte das Landgericht nicht vorübergehen.
19
Bedenken bestehen schließlich auch insoweit, als das Landgericht in dem Umstand, dass es „keine deutliche Motivation für den Tritt“ festzustellen vermochte, ein Indiz gegen die Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes gesehen hat.
20
Mit bedingten Tötungsvorsatz handelnde Täter haben kein Tötungsmotiv , sondern gehen einem anderen Handlungsantrieb nach (BGH, Urteil vom 30. November 2005 – 5 StR 344/05, NStZ-RR 2006, 317, 318). Allerdings kann sich aus der Art des jeweiligen Handlungsantriebs ein Rückschluss auf die Stärke des vom Täter empfundenen Tatanreizes und damit auch auf seine Bereitschaft zur Inkaufnahme schwerster Folgen ergeben (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 1990 – 3 StR 311/90, BGHR StGB § 212 Abs.1 Vorsatz, bedingter 22; Urteil vom 30. November 2005 – 3 StR 344/05, NStZ-RR 2006, 317,

318).


21
Das Landgericht hat mit der Verneinung einer feindlichen Grundhaltung gegenüber dem Geschädigten einerseits und einer unbedingten Solidarität mit seinem Kontrahenten A. andererseits lediglich zwei mögliche starke Handlungsantriebe ausgeschlossen. Dies allein lässt jedoch noch nicht den Schluss zu, dass es dem Angeklagten deshalb an der Bereitschaft gefehlt hat, auch schwerste Tatfolgen in Kauf zu nehmen. Stattdessen wäre es an dieser Stelle erforderlich gewesen, näher auf die Persönlichkeit des Angeklagten, sein Verhältnis zur Anwendung körperlicher Gewalt und seine Fähigkeit zur Kontrolle aggressiver Impulse einzugehen. Wie das Landgericht im Rahmen seiner Erwägungen zu § 105 Abs. 1 Nr. 2 JGG zutreffend festgestellt hat, lässt die Art und Weise, wie sich der Angeklagte zu der Tat hinreißen ließ, auf einen starken Mangel an Ausgeglichenheit und Besonnenheit schließen (UA 29). Auch musste er in der Vergangenheit bereits zweimal wegen Körperverletzung geahndet werden, wobei er seinen Opfern jeweils knöcherne Verletzungen des Gesichtsschädels zufügte (UA 4 f.). Mangelnde Impulskontrolle, wie sie bei dem Angeklagten schon mehrfach zutage getreten ist, führt nicht selten dazu, dass es bereits bei geringsten Anlässen zu massiven Gewalthandlungen kommt, bei denen dem Täter die Konsequenzen seines Handelns gleichgültig sind und deshalb selbst tödliche Folgen in Kauf genommen werden (vgl. BGH, Urteil vom 16. April 2008 – 2 StR 95/08, Rn. 9).
22
4. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. Ein Eingehen auf die von der Revision erhobenen Einwände gegen die unterbliebene Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge ist unter diesen Umständen ebenso wenig erforderlich wie die Erörterung einer Strafbarkeit nach § 231 Abs. 1 Alt. 2 StGB.
Mutzbauer Roggenbuck Cierniak
Franke Quentin
34
(1) Das Willenselement des bedingten Vorsatzes ist bei Tötungsdelikten nur gegeben, wenn der Täter den von ihm als möglich erkannten Eintritt des Todes billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen damit abfindet. Bewusste Fahrlässigkeit liegt hingegen dann vor, wenn er mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und ernsthaft - nicht nur vage - darauf vertraut, der Tod werde nicht eintreten (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 2007 - 3 StR 226/07, NStZ 2008, 93 mwN). Dabei genügt für eine vorsätzliche Tatbegehung, dass der Täter den konkreten Erfolgseintritt akzeptiert und er sich innerlich mit ihm abgefunden hat (vgl. BGH, Beschluss vom 5. März 2008 - 2 StR 50/08, NStZ 2008, 451 mwN), mag er auch seinen Wünschen nicht entsprochen haben (vgl. BGH, Urteil vom 27. August 2009 - 3 StR 246/09, NStZ-RR 2009, 372, 373; ähnlich zum unerwünschten Erfolg bereits BGH, Urteil vom 22. April 1955 - 5 StR 35/55, BGHSt 7, 363, 369). Hatte der Täter dagegen begründeten Anlass darauf zu vertrauen und vertraute er darauf, es werde nicht zum Erfolgseintritt kommen, kann bedingter Vorsatz nicht angenommen werden (BGH, Beschluss vom 5. März 2008 - 2 StR 50/08, NStZ 2008, 451).
7
a) Bedingter Tötungsvorsatz ist gegeben, wenn der Täter den Tod als mögliche, nicht ganz fern liegende Folge seines Handelns erkennt (Wissens- element) und dies billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit dem Eintritt des Todes abfindet (Willenselement). Beide Elemente des bedingten Vorsatzes müssen in jedem Einzelfall umfassend geprüft und gegebenenfalls durch tatsächliche Feststellungen belegt werden (vgl. BGH, Urteile vom 17. Juli 2013 – 2 StR 139/13, StraFo 2013, 467; vom 27. Januar 2011 – 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699, 702). Ihre Bejahung oder Verneinung kann nur auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände des Einzelfalles erfolgen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2013 – 4 StR 364/13, StV 2014, 345, 346; Urteil vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183 Rn. 26), in welche insbesondere die objektive Gefährlichkeit der Tathandlung, die konkrete Angriffsweise des Täters, seine psychische Verfassung bei der Tatbegehung und seine Motivationslage einzubeziehen ist (vgl. BGH, Urteil vom 16. Mai 2013 – 3 StR 45/13, NStZ 2013, 581, 582). Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtschau stellt die auf der Grundlage der dem Täter bekannten Umstände zu bestimmende objektive Gefährlichkeit der Tathandlung einen wesentlichen Indikator sowohl für das kognitive, als auch für das voluntative Vorsatzelement dar (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2013 – 4 StR 364/13, aaO, mwN; Urteile vom 16. Mai 2013 – 3 StR 45/13, aaO, vom 23. Februar 2012 – 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443, 444). Hat der Täter eine offensichtlich äußerst gefährliche Gewalthandlung begangen, liegt es – vorbehaltlich in die Gesamtbetrachtung einzustellender gegenläufiger Umstände im Einzelfall – nahe, dass er den Eintritt des Todes als mögliche Folge seines Tuns erkannt und, indem er gleichwohl sein gefährliches Handeln begonnen oder fortgesetzt hat, den Todeserfolg auch billigend in Kauf genommen hat (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 1. Dezember 2011 – 5 StR 360/11, NStZ 2012, 207, 208 mwN).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 45/13
vom
16. Mai 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 16. Mai 2013,
an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Hubert,
Mayer,
Gericke
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten G. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten D. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 7. November 2012 wird verworfen. Die Kosten des Rechtsmittels und die den Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die zuungunsten der Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft, die der Generalbundesanwalt vertritt, rügt die Verletzung sachlichen Rechts und beanstandet im Einzelnen die Ablehnung des (bedingten) Tötungsvorsatzes der Angeklagten durch das Landgericht. Das Rechtsmittel ist unbegründet; die Überprüfung des Urteils aufgrund der erhobenen Sachbeschwerde ergibt keinen durchgreifenden Rechtsfehler zugunsten oder zulasten (§ 301 StPO) der Angeklagten.

I.

2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
3
Am Morgen des 17. September 2011 kam es in der Nähe einer Diskothek in A. zunächst zu einem verbalen Konflikt zwischen einer Gruppe um die - erheblich alkoholisierten und in ihrer Steuerungsfähigkeit im Sinne von § 21 StGB erheblich verminderten - Angeklagten und dem Geschädigten S.. Dieser begab sich danach zum Eingangsbereich der Diskothek und setzte sich auf die dortigen Stufen. Nachdem die Angeklagten und zwei ihrer Begleiter ein Taxi bestiegen hatten und aus diesem Fahrzeug heraus beim Vorbeifahren an dem Geschädigten und dessen Bekannten K. ein sogenannter "Stinkefinger" gezeigt worden war, stand K. auf, folgte dem Taxi und schlug gegen die Scheibe, um die Insassen zu einer Klärung aufzufordern. Die Insassen des Taxis stiegen aus. Einer von ihnen, der Zeuge Sch. , begab sich sogleich zum Zeugen K. , worauf sich zwischen diesen beiden eine verbale Auseinandersetzung mit gegenseitigen Beleidigungen ergab. Der Geschädigte ging in die Richtung der Streitenden, um K. aus der Auseinandersetzung herauszuholen. Daraufhin kam es zwischen dem Angeklagten D. und dem Geschädigten ebenfalls zu Beleidigungen und zu einem Gerangel. Schließlich versetzte der Angeklagte D. dem Geschädigten zwei bis drei gezielte heftige Faustschläge in das Gesicht, wodurch dieser zu Boden ging. Der Angeklagte D. beugte sich sodann herunter und schlug jedenfalls ein weiteres Mal mit der Faust auf den Oberkörper oder in das Gesicht des Geschädigten, wobei dieser versuchte, sich durch seine Hände und Arme vor der Wucht der Schläge zu schützen. Der Angeklagte G. , der sich bis dahin irgendwo im Umfeld des Geschehens aufgehalten hatte, ohne selbst einzugreifen, kam hinzu, als der Geschädigte bereits am Boden lag, um mit seinem Freund D. gemeinsam auf den Geschädigten einzuwirken. Der Angeklagte G. trat aus dem Lauf heraus mit der Innenseite seines mit Straßenturnschuhen beschuhten linken Fußes wuchtig gegen den Kopf des Geschädigten. In schneller Abfolge folgten von diesem Angeklagten ausgeführte vier bis fünf weitere Tritte in das Gesicht des am Boden Liegenden. Der Angeklagte D. , der leichte Straßenturnschuhe trug, nahm dies wahr, billigte das Vorgehen seines Freundes G. und trat nunmehr ebenfalls zwei- bis dreimal heftig auf das sich nicht mehr wehrende Opfer ein. Die Tritte gingen jedenfalls auch gezielt auf den Kopf des Opfers. Sie waren wuchtig und potentiell lebensbedrohlich, ohne dass es allerdings zu einer konkreten Lebensgefahr kam. Schließlich ließ der Angeklagte D. von dem Geschädigten ab und lief, sich die Jacke über den Kopf ziehend, in Richtung einer nahegelegenen Tankstelle davon. Der Angeklagte G. führte noch einen Tritt aus und flüchtete dann, sich seine Jacke ebenfalls über den Kopf ziehend, unmittelbar hinter dem Angeklagten D. her. Bei der Tankstelle blieben sie gut sichtbar stehen.
4
Infolge der Gewalteinwirkung durch die Angeklagten erlitt der Geschädigte im Wesentlichen eine Fraktur des Orbitabogens links, eine Kieferhöhlenfraktur links sowie eine Nasenbeinfraktur. Er verlor insgesamt drei Zähne. Im Bereich des linken Auges bis hinunter zum Jochbogen hatte er ein sogenanntes Monokelhämatom. Der Geschädigte verbrachte einen Tag im Krankenhaus; er litt auch danach noch in erheblichen Umfang und längere Zeit an den psychischen Folgen der Tat, die auch zum Verlust seines Arbeitsplatzes führten.
5
2. Den Schuldspruch hat das Landgericht auf § 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 2, 4 und 5 StGB gestützt. Die Angeklagten hätten jedenfalls billigend in Kauf genommen, mit ihren wuchtigen Tritten gegen den Kopf des Geschädigten er- hebliche Körperverletzungen hervorzurufen. Demgegenüber hat das Landgericht nicht sicher feststellen können, "dass der vor Beginn der Tathandlung gefasste Entschluss einen Tötungsvorsatz enthielt" oder die Angeklagten "im Verlauf der Geschehnisse einen Tötungsvorsatz fassten". Die Jugendkammer hat daher den Tatbestand des versuchten Totschlags nicht festzustellen vermocht. Dies hat das Landgericht ausführlich und im Einzelnen begründet. Dabei hat es sich davon überzeugt, dass das Wissenselement des bedingten Tötungsvorsatzes bei den Angeklagten gegeben war, aber unter Abwägung der festgestellten Gesamtumstände das Vorliegen des Willenselementes des bedingten Tötungsvorsatzes bei beiden Angeklagten nicht ohne vernünftige Zweifel festzustellen vermocht.

II.

6
Der Schuldspruch hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Die Beweiswürdigung , auf welcher die Überzeugung der Jugendkammer beruht, ein auch nur bedingter Tötungsvorsatz sei nicht zweifelsfrei festzustellen, begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
7
1. Bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fern liegend erkennt, weiter, dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen mit der Tatbestandsverwirklichung zumindest abfindet. Vor Annahme eines bedingten Vorsatzes müssen beide Elemente der inneren Tatseite, also sowohl das Wissens - als auch das Willenselement, umfassend geprüft und gegebenenfalls durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Hierzu bedarf es einer Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände des Einzelfalles, in welche vor allem die objektive Gefährlichkeit der Tathandlung, die konkrete Angriffsweise des Täters, seine psychische Verfassung bei der Tatbegehung und seine Motivationslage einzubeziehen sind. Kann der Tatrichter auf der Grundlage dieser Gesamtbewertung aller Umstände Zweifel am Vorliegen des bedingten Vorsatzes nicht überwinden, so hat das Revisionsgericht dies regelmäßig hinzunehmen; denn die Beweiswürdigung ist vom Gesetz dem Tatrichter übertragen (§ 261 StPO). Es obliegt daher allein ihm, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld des Angeklagten zu bilden. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich , unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder an die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten überhöhte Anforderungen stellt. Liegen solche Rechtsfehler nicht vor, hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung auch dann hinzunehmen , wenn eine abweichende Würdigung der Beweise möglich oder sogar näher liegend gewesen wäre.
8
Gleichermaßen allein Sache des Tatrichters ist es, die Bedeutung und das Gewicht der einzelnen Indizien in der Gesamtwürdigung des Beweisergebnisses zu bewerten. Ist diese Bewertung nach den dargestellten rechtlichen Maßstäben vertretbar, so kann das Revisionsgericht nicht auf der Grundlage einer abweichenden Beurteilung der Bedeutung einer Indiztatsache in die Überzeugungsbildung des Tatrichters eingreifen. Dies muss insbesondere auch dann gelten, wenn der Tatrichter im Rahmen der Prüfung des bedingten Tötungsvorsatzes Gewalthandlungen des Täters festgestellt hat, die für das Opfer objektiv lebensbedrohlich gewesen sind. Zwar hat der Bundesgerichtshof die auf der Grundlage der dem Täter bekannten Umstände zu bestimmende objektive Gefährlichkeit der Tathandlung als wesentlichen Indikator sowohl für das Wissens- als auch für das Willenselement des bedingten Vorsatzes angesehen und bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen das Vorliegen beider Elemente als naheliegend bezeichnet. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Tatrichter der objektiven Gefährlichkeit der Tathandlung bei der Prüfung der subjektiven Tatseite von Rechts wegen immer die ausschlaggebende indizielle Bedeutung beizumessen hätte. Darin läge eine vom Einzelfall gelöste Festlegung des Beweiswerts und der Beweisrichtung eines im Zusammenhang mit derartigen Delikten immer wieder auftretenden Umstandes, die einer Beweisregel nahekäme und deshalb dem Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung widerspräche.
9
Dieselben Grundsätze gelten für solche Beweisanzeichen, die sich auf den ersten Blick als ambivalent darstellen, die also dem Tatrichter, je nachdem, wie er sie im Einzelfall bewertet, rechtlich zulässige Schlüsse sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten des Angeklagten ermöglichen. Eine rechtlich vertretbare tatrichterliche Entscheidung darüber, in welchem der möglichen, zueinander in einem Gegensatz stehenden Beweiszusammenhänge ein solcher Umstand im konkreten Fall indizielle Bedeutung entfaltet, ist vom Revisionsgericht hinzunehmen. Der Tatrichter kann in einem solchen Falle nicht gehalten sein, denselben Umstand nochmals in dem anderen Beweiszusammenhang zu erwägen und damit Gefahr zu laufen, sich zu seinem anderweitig gewonnenen Ergebnis zu Gunsten oder zu Lasten des Angeklagten in Widerspruch zu setzen (vgl. zu alledem BGH, Urteil vom 20. September 2012 - 3 StR 140/12, NStZ-RR 2013, 75, 76 f. mwN).
10
Nach alledem ist es bei der Prüfung des bedingten Tötungsvorsatzes - nicht anders als sonst bei der Würdigung der Beweise - aus revisionsrechtlicher Sicht erforderlich, aber auch ausreichend, sämtliche objektiven und subjektiven , für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände des Einzelfalles in eine individuelle Gesamtschau einzubeziehen und zu bewerten.
11
2. Daran gemessen ist die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht zu beanstanden. Sie beruht auf einer bewertenden Gesamtschau aller maßgeblichen objektiven und subjektiven Tatumstände des Einzelfalles. Die von der Jugendkammer in diesem Zusammenhang angestellten Erwägungen sind weder lückenhaft, widersprüchlich oder unklar noch verstoßen sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze. Die Beschwerdeführerin beanstandet die Beweiswürdigung weitgehend mit eigenen Wertungen; damit kann die Revision regelmäßig nicht erfolgreich begründet werden. Im Einzelnen:
12
Das Landgericht ist bei seiner Würdigung der Feststellungen und Beweisanzeichen von einem zutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen. Soweit die Beschwerdeführerin rügt, die Jugendkammer habe den Indizwert der Tritte gegen den Kopf des Geschädigten und das äußere Tatgeschehen für das Vorliegen eines Tötungsvorsatzes zu gering bewertet, zeigt sie einen Rechtsfehler nicht auf. Die Gewichtung der objektiven Tatumstände und die Bewertung ihrer Bedeutung für den subjektiven Tatbestand sind allein dem Tatrichter vorbehalten. Dies gilt auch bei Tritten des Täters gegen den Kopf des Opfers, die nicht stets und gleichsam automatisch den Schluss auf das Vorliegen eines (bedingten) Tötungsvorsatzes begründen. Auch die Einordnung und Würdigung der - ambivalenten - Beweisanzeichen einer erheblichen Alkoholisierung und eines spontanen Handelns in affektiver Erregung obliegen dem Tatrichter (BGH, aaO, juris Rn. 16). Zudem ist anerkannt, dass insbesondere bei spontanen , unüberlegten, in affektiver Erregung ausgeführten Handlungen aus dem Wissen um den möglichen Eintritt des Todes nicht ohne Berücksichtigung der sich aus der Tat und der Persönlichkeit des Täters ergebenden Besonderheiten darauf geschlossen werden kann, dass das - selbständig neben dem Wissenselement stehende - voluntative Vorsatzelement gegeben ist (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 2010 - 3 StR 364/10, NStZ 2011, 338 mwN). Ebenso dem Tatrichter vorbehalten ist die Entscheidung, welcher Stellenwert dem Nachtatverhalten des Täters im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung beizumessen ist. Das Landgericht hat das Verhalten der Angeklagten nach der Tat, das nach den Feststellungen nicht nur von einer Flucht unter Verbergen des Gesichts, sondern auch durch ein sichtbares Verbleiben in der Nähe des Tatortes gekennzeichnet war, unter Heranziehung aller insoweit maßgeblichen Gesichtspunkte rechtsfehlerfrei gewürdigt. Der Senat kann mit Blick auf die Urteilsgründe ausschließen, dass die Jugendkammer bei der Bewertung der Verletzungen des Geschädigten die von ihr festgestellten Gesichtsschädelfrakturen außer Acht gelassen hat. Die Würdigung des Landgerichts, es könne trotz der Heftigkeit der Tritte nicht ausgeschlossen werden, dass die - fußballerisch erfahrenen - Angeklagten nicht mit der ihnen möglichen vollen Wucht auf den Kopf des Opfers eintraten, stellt angesichts der hierfür herangezogenen Umstände eine mögliche Schlussfolgerung dar; diese ist - entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts - nach Maßgabe der dargelegten Grundsätze revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
13
Auch im Übrigen hat die Überprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen durchgreifenden Rechtsfehler ergeben.
Schäfer Pfister Hubert Mayer Gericke
15
a) Bedingten Tötungsvorsatz hat, wer den Eintritt des Todes als mögliche , nicht ganz fernliegende Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und billigend in Kauf nimmt (Willenselement). Beide Elemente müssen getrennt voneinander geprüft und durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Ihre Bejahung oder Verneinung kann nur auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände erfolgen (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juni 2014 - 4 StR 439/13, Rn. 7; Urteil vom 23. Februar 2012 - 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443, 444; Urteil vom 27. Januar 2011 - 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699, 701 Rn. 34 f. mwN). In die Prüfung sind dabei neben der objektiven Gefährlichkeit der Tathandlung und der konkreten Angriffsweise des Täters auch seine psychische Verfassung bei Tatbegehung und seine Motivationslage einzubeziehen (BGH, Urteil vom 5. Juni 2014 - 4 StR 439/13, Rn. 7; Urteil vom 16. Mai 2013 - 3 StR 45/13, NStZ 2013, 581, 582 mwN).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 139/13
vom
17. Juli 2013
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 17. Juli 2013
2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
der Richter am Bundesgerichtshof
Zeng
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 27. Juni 2012 mit Ausnahme der Entscheidung über den Adhäsionsantrag mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und festgestellt, dass er verpflichtet ist, dem Nebenkläger alle aus der Tat vom 13. Dezember 2011 entstandenen materiellen und immateriellen Schäden, soweit sie nicht auf Dritte übergegangen sind, zu ersetzen. Die Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, beanstandet mit der Sachrüge die Verneinung des Tötungsvorsatzes sowie die fehlende Erörterung einer Strafbarkeit des Angeklagten auch wegen schwerer Körperverletzung. Das Rechtsmittel ist begründet.

I.

2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
3
Der Angeklagte unterhielt bis August 2011 eine Beziehung zur Ehefrau des Nebenklägers. Da er sich nicht damit abfinden konnte, dass diese sich von ihm getrennt hatte, suchte er weiterhin den Kontakt und wartete häufig mit seinem PKW in der Nähe ihrer Wohnung oder ihrer Arbeitsstelle.
4
Am 13. Dezember 2011 unternahm der Nebenkläger gemeinsam mit seiner Tochter eine Einkaufsfahrt. Unterwegs bemerkte er, dass ihm der Angeklagte in seinem Fahrzeug folgte. Er hielt deshalb an, um ihn zur Rede zu stellen. Der Angeklagte, der spätestens jetzt erkannte, dass sich die Ehefrau des Nebenklägers nicht in dem PKW befand, setzte indes seine Fahrt fort.
5
Der Nebenkläger tätigte nun den geplanten Einkauf. Nach seiner Rückkehr zum Parkplatz des Einkaufsmarktes bemerkte er den dort abgestellten PKW des Angeklagten. Er trat an dessen Fahrzeug heran, klopfte an die Fensterscheibe und fragte den Angeklagten, der in seinem Fahrzeug saß, warum er ihn verfolge. Der Angeklagte antwortete unverständlich und der Nebenkläger kehrte zu seinem Fahrzeug zurück. Beim Verlassen des Parkplatzes winkte der Angeklagte dem Nebenkläger nunmehr zu, weshalb dieser sein Fahrzeug anhielt , wiederum an den PKW des Angeklagten herantrat und fragte, was er von ihm wolle. Der Angeklagte antwortete unverständlich, wobei nur das Wort "Arschloch" zu verstehen war. Der Nebenkläger wandte sich schließlich ab und ging ein paar Schritte in Richtung seines Fahrzeugs, wobei er dem Angeklagten den Rücken zukehrte. In diesem Moment stieg der Angeklagte schnell aus seinem Fahrzeug aus und ließ die fingerlange Klinge seines amSchlüsselbund befestigten Springmessers durch Knopfdruck hervor schnellen. Er packte mit einer Hand die linke Schulter des Nebenklägers, zog ihn zu sich herum und stach ihm wuchtig ca. vier bis fünf Zentimeter tief in den Bauch. Der Nebenkläger schlug daraufhin auf den Angeklagten ein und drückte ihn gegen dessen Auto. Während des entstehenden Gerangels versetzte der Angeklagte dem Nebenkläger eine oberflächliche Stichwunde im Nackenbereich sowie einen tiefgehenden Stich im Bereich der linken Achselhöhle, der in den Brustkorb eindrang und dort einen konkret lebensgefährlichen Pneumothorax verursachte. Da die Tochter des Nebenklägers laut nach ihrem Vater rief, ließ dieser den Angeklagten los und wandte sich seiner Tochter zu. In diesem Moment versetzte ihm der Angeklagte einen quer durch das Gesicht geführten mindestens acht Zentimeter langen Schnitt. Der Angeklagte handelte zumindest bei dem Bauchstich und dem Schnitt ins Gesicht aus Wut und dem Wunsch, den Nebenkläger für die vom ihm selbst gefühlte Unterlegenheit büßen zu lassen; nicht aber, um ihn zu töten.
6
Der Nebenkläger, der die Schwere seiner Verletzungen nicht bemerkt hatte, schlug nochmals hart auf den Angeklagten ein und entfernte sich. Er befand sich aufgrund seiner Verletzungen elf Tage in stationärer Behandlung und war anschließend rund drei Monate arbeitsunfähig. Die zickzackförmig verlaufende Schnittverletzung im Gesicht ist unter Verbleib einer deutlich sichtbaren, acht Zentimeter langen Narbe verheilt, die am linken Mundwinkel beginnt und bogenförmig nach unten zum Kieferwinkel verläuft.
7
2. Das Landgericht hat den Schuldspruch auf § 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB gestützt. Es hat sich nicht davon überzeugen können, dass der Angeklagte auch nur mit bedingtem Tötungsvorsatz handelte. Zwar sei das Wissenselement des bedingten Tötungsvorsatzes jedenfalls bei dem Bauchstich gegeben. In der Gesamtschau der Persönlichkeit des Angeklagten, seiner psychischen Verfassung im Tatzeitpunkt und seiner Motivation hat die Straf- kammer keinen so starken Handlungsantrieb erkennen können, der den Rückschluss auf eine Bereitschaft des Angeklagten zur Inkaufnahme schwerster Folgen erlaube.

II.

8
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist begründet.
9
1. Die Beweiserwägungen, mit denen das Landgericht einen bedingten Tötungsvorsatz abgelehnt hat, halten auch eingedenk des eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs rechtlicher Überprüfung nicht stand.
10
a) Bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fern liegend erkennt, weiter, dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen mit der Tatbestandsverwirklichung zumindest abfindet. Vor Annahme eines bedingten Vorsatzes müssen beide Elemente der inneren Tatseite, also sowohl das Wissens - als auch das Willenselement, umfassend geprüft und gegebenenfalls durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Hierzu bedarf es einer Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände des Einzelfalles, in welche vor allem die objektive Gefährlichkeit der Tathandlung, die konkrete Angriffsweise des Täters, seine psychische Verfassung bei der Tatbegehung und seine Motivationslage einzubeziehen sind (BGH, Beschluss vom 1. Juni 2007 – 2StR 133/07; Urteil vom 16. Mai 2013 – 3 StR 45/13). Dabei ist die auf der Grundlage der dem Täter bekannten Umstände zu bestimmende objektive Gefährlichkeit der Tathandlung ein wesentlicher Indikator (st. Rpsr.; vgl. BGH, Urteil vom 25. März 1999 – 1 StR 26/99, NJW 1999, 2533, 2534).
11
Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter dabei Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt.
12
b) Diesen Anforderungen wird die landgerichtliche Entscheidung nicht gerecht. Zwar ist die Strafkammer zutreffend davon ausgegangen, dass die in den Bauch und den Brustkorb des Nebenklägers ausgeführten Messerstiche als jeweils äußerst gefährliche Gewalthandlung einen bedingten Tötungsvorsatz nahe legen. Die sich anschließende Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände des Einzelfalls, im Rahmen derer die Strafkammer maßgeblich auf eine besondere Erregung des Angeklagten als Indiz gegen die Annahme des voluntativen Vorsatzelements abgestellt hat, bleibt indes lückenhaft , weil nicht mit konkreten Feststellungen belegt.
13
Zwar ist anerkannt, dass insbesondere bei spontanen, unüberlegten, in affektiver Erregung ausgeführten Handlungen aus dem Wissen um den möglichen Eintritt des Todes nicht ohne Berücksichtigung der sich aus der Tat und der Persönlichkeit des Täters ergebenden Besonderheiten darauf geschlossen werden kann, dass das – selbständig neben dem Wissenselementstehende – voluntative Vorsatzelement gegeben ist (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 2010 – 3 StR 364/10, NStZ 2011, 338 mwN; Urteil vom 17. Dezember 2009 – 4 StR 424/09,NStZ 2010, 571, 572; Urteil vom 28. Januar 2010 – 3 StR 533/09, NStZ-RR 2010, 144). Das Landgericht hat aber erkennbar nicht bedacht , dass es sich bei einem spontanen Handeln in affektiver Erregung um ein ambivalentes Beweisanzeichen handelt, das, je nachdem, wie das Tatgericht es im Einzelfall bewertet, rechtlich zulässige Schlüsse sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten des Angeklagten ermöglichen kann (vgl. BGH, Urteil vom 23. Juni 2009 – 1 StR 191/09, NStZ 2009, 629, 630; Urteil vom 16. Mai 2013 – 3 StR 45/13; vgl. auch Urteil vom 24. Februar 2010 – 2 StR 577/09, NStZ-RR 2010, 214, 215). Zwar ist eine rechtlich vertretbare tatrichterliche Entscheidung darüber, in welchem der möglichen, zueinander in einem Gegensatz stehenden Beweiszusammenhänge ein solcher Umstand im konkreten Fall indizielle Bedeutung entfaltet, vom Revisionsgericht hinzunehmen. Der Tatrichter kann in einem solchen Falle nicht gehalten sein, denselben Umstand nochmals in dem anderen Beweiszusammenhang zu erwägen und damit Gefahr zu laufen, sich zu seinem anderweitig gewonnenen Ergebnis zu Gunsten oder zu Lasten des Angeklagten in Widerspruch zu setzen (vgl. zu alledem BGH, Urteil vom 20. September 2012 – 3 StR 140/12, NStZ-RR 2013, 75, 76 f. mwN; BGH, Urteil vom 16. Mai 2013 – 3 StR 45/13). Der Tatrichter ist indes nicht davon befreit , basierend auf konkreten Feststellungen zu den objektiven und subjektiven Umständen der Tat erkennen zu lassen, warum er einem ambivalenten Beweiszeichen überhaupt eine indizielle Bedeutung in eine Richtung zumisst.
14
Dem werden die Ausführungen des Landgerichts nicht gerecht, denn Auswirkungen der festgestellten besonderen Erregung auf das Willenselement des bedingten Vorsatzes werden nicht dargestellt und liegen auch nicht auf der Hand. Die Strafkammer hat insoweit lediglich ausgeführt, der Angeklagte sei wegen der Konkurrenzsituation zum Nebenkläger infolge der von ihm immer noch nicht überwundenen Liebesbeziehung "besonders erregt" gewesen; entsprechend habe er noch in der Hauptverhandlung seine ihn immer noch beherrschende , unerfüllte Liebe teils unter Tränen beklagt (UA S. 23). Inwiefern aber eine solche, ganz offenkundig dauerhaft bestehende besondere Erregung bei dem Angeklagten vorliegend überhaupt Schlüsse darauf zulässt, weshalb er trotz erkannter Lebensgefährlichkeit seines gezielt gesetzten Bauchstichs ernsthaft und nicht nur vage darauf vertraut haben konnte, der Nebenkläger würde nicht zu Tode kommen,lassen diese Erörterungen nicht erkennen. Dies erschließt sich auch nicht aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe.
Offen bleibt insbesondere schon der Grad seiner besonderen Erregung. In den Feststellungen findet sich insoweit einzig der Hinweis, der Angeklagte habe zumindest bei dem Stich in den Bauch und dem Schnitt ins Gesicht aus Wut und dem Wunsch, den Nebenkläger für die von ihm selbst gefühlte Unterlegenheit büßen zu lassen, gehandelt.
15
Auf der fehlerhaften Beweiswürdigung beruht der Schuldspruch. Ein Rücktritt vom – möglicherweise – versuchten Tötungsdelikt kommt nach den bisherigen Feststellungen nicht in Betracht. Voraussetzung für eine dahin gehende Beurteilung wären insbesondere nähere Feststellungen zum Rücktrittshorizont des Angeklagten, die das Landgericht – aus seiner Sicht konsequent – nicht getroffen hat.
16
2. Die Staatsanwaltschaft beanstandet darüber hinaus zu Recht, dass das Landgericht den Sachverhalt nicht unter allen rechtlichen Gesichtspunkten geprüft hat. Angesichts des Umstands, dass im Gesicht des Nebenklägers eine deutlich sichtbare Narbe verblieben ist, die immerhin acht Zentimeter bemisst, musste sich das Gericht zur Erörterung der Frage gedrängt sehen, ob der Nebenkläger durch die Körperverletzung im Sinne von § 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB in erheblicher Weise dauernd entstellt wurde. Erheblich ist eine Entstellung zwar nur dann, wenn sie zumindest dem Gewicht der geringsten Fälle nach § 226 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB gleichkommt (BGH, Beschluss vom 2. Mai 2007 – 3 StR 126/07, BGHR StGB § 226 Abs. 1 Entstellung 1). Dies kann jedoch im Einzelfall bei besonders großen oder markanten Narben der Fall sein (BGH, Urteil vom 28. Juni 2007 – 3 StR 185/07, BGHR StGB § 226 Abs. 1 Entstellung 2); insbesondere aber auch bei verunstaltenden Narben im Gesicht eines Opfers (BGH, Urteil vom 8. November 1966 – 1 StR 450/66, NJW 1967, 297; Beschluss vom 11. Juli 2006 – 3 StR 183/06, NStZ 2006, 686; vgl. auch BGH, Urteil vom 28. Juni 2007 – 3 StR 185/07, NStZ 2008, 32). Ob die Qualifikation der Tat hier auf das äußere Verletzungsbild des Nebenklägers zutrifft, kann anhand der Urteilsgründe nicht nachgeprüft werden. Das Landgericht hat insoweit keine zur Charakterisierung der Narben ausreichenden Feststellungen getroffen. Auch eine Bezugnahme auf Lichtbilder gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO zur Ergänzung der textlichen Tatsachenfeststellungen ist nicht erfolgt. Der neue Tatrichter wird daher diese Feststellungen nachzuholen und sodann rechtlich zu beurteilen haben, ob von einer dauernden und erheblichen Entstellung des Nebenklägers auszugehen ist.
17
3. Die aufgezeigten Mängel zwingen zur Aufhebung der rechtlich nicht zu beanstandenden Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung, weil ein versuchtes Tötungsdelikt wie auch eine schwere Körperverletzung, jedenfalls soweit auch eine gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB vorliegt, hierzu in Tateinheit stünden.
18
Die Adhäsionsentscheidung ist von der Aufhebung auszunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 28. November 2007 – 2 StR 477/07, BGHSt 52, 96; Urteil vom 8. April 2009 – 5 StR 65/09; Meyer-Goßner, StPO 56. Aufl. § 406a Rn. 8).
Fischer Krehl Eschelbach Ott Zeng

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 237/12
vom
16. August 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung mit Todesfolge
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 16. August
2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Dr. Schäfer,
Mayer,
Gericke
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen des Angeklagten und der Nebenklägerin gegen das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 20. Februar 2012 werden verworfen.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge zur Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit ihrer auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision beanstandet die Nebenklägerin, dass das Landgericht einen bedingten Tötungsvorsatz nicht festgestellt und den Angeklagten deshalb nicht wegen Totschlags verurteilt hat. Der Angeklagte wendet sich mit der allgemeinen Sachrüge gegen das Urteil. Beide Rechtsmittel haben keinen Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts gerieten der Angeklagte und das spätere Tatopfer S. , die sich kurz vor Mitternacht - beide in alkoholisiertem Zustand - zufällig auf der Straße begegneten, in Streit. Nach dem wechselseitigen Austausch jeweils eines Schlages setzten die Kontrahenten - der zwischenzeitlich herbeigeeilte Begleiter des Geschädigten hatte schlichtend eingegriffen - ihren jeweiligen Heimweg zunächst in entgegengesetzten Richtungen fort. Als der Angeklagte im Weggehen rief: "Wir sehen uns noch", erzürnte dies S. derart, dass er sich von seinem Begleiter losriss und dem Angeklagten hinterherlief. Dieser blieb, als er der Verfolgung gewahr wurde, nach einigen Schritten stehen, und stach mit einem Klappmesser mit einer Klingenlänge von 8-9 cm, das er immer in seinem Rucksack bei sich führte , seinem auf Stichlänge herangeeilten, körperlich geringfügig überlegenen Gegenüber "in einem Zug mit ausgestrecktem Arm" in die linke Brusthälfte; anschließend lief er nach Hause. Der Stich hatte das Herz getroffen, der Geschädigte verstarb wenige Stunden später im Krankenhaus.
3
Das Landgericht hat direkten Körperverletzungsvorsatz angenommen, sich hingegen von einem (auch nur bedingten) Tötungsvorsatz nicht überzeugen können. Der Angeklagte sei sich zwar der Gefahr bewusst gewesen, dass der Messerangriff zum Tod seines Kontrahenten habe führen können. Der Todeseintritt habe aber nicht seine "(innere) Billigung" gefunden; dagegen spreche ein aus der Tatsituation geborener, nicht von langer Hand geplanter Tatentschluss , eine mögliche alkoholbedingte Enthemmung und die nicht von Aggressionen geprägte Persönlichkeit des Angeklagten. Zudem sei das Motiv der Tat gewesen, sich gegen erwartete Schläge und/oder Demütigungen des ihm körperlich überlegenen, aufgebrachten Geschädigten zu wehren. Auch das Nachtatverhalten des Angeklagten, der in seiner verantwortlichen Vernehmung "zusammengebrochen" sei, als er vom Tod des Opfers erfahren habe, sei ein Indiz gegen die Billigung des Todeseintritts, denn es deute auf das generelle Vorhandensein einer Hemmschwelle zur Tötung hin.
4
2. Revision der Nebenklägerin
5
Die Verneinung eines bedingten Tötungsvorsatzes hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand.
6
a) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters, dem es obliegt, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Die revisionsgerichtliche Überprüfung ist darauf beschränkt, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denk- oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn das Tatgericht zu hohe Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt hat (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 10. Dezember 1986 - 3 StR 500/86, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2). Liegen Rechtsfehler nicht vor, hat das Revisionsgericht die vom Tatrichter vorgenommene Würdigung hinzunehmen, auch wenn ein anderes Ergebnis ebenso möglich oder gar näherliegend gewesen wäre.
7
Die Abgrenzung des bedingten Tötungsvorsatzes vom Körperverletzungsvorsatz erfordert bei schwerwiegenden Gewalttaten eine sorgfältige Prüfung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls. Bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fern liegend erkennt, ferner, dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen mit ihm abfindet. Da die Schuldformen des bedingten Vorsatzes und der bewussten Fahrlässigkeit im Grenzbereich eng beieinander liegen, müssen bei der Annahme bedingten Vorsatzes beide Elemente der inneren Tatseite, also sowohl das Wissens- als auch das Willenselement, umfassend geprüft und gegebenenfalls durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Dabei stellt die offensichtliche Lebensgefährlich- keit einer Handlung für den Nachweis einen Umstand von erheblichem Gewicht dar, sodass bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen der subjektive Tatbestand eines Tötungsdelikts sehr nahe liegt. Gleichwohl bedarf angesichts der hohen Hemmschwelle gegenüber einer Tötung die Frage der Billigung des Todes einer Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände, in die vor allem auch die psychische Verfassung des Täters bei der Tatbegehung sowie seine Motive mit einzubeziehen sind. Insbesondere bei spontanen, unüberlegt oder in affektiver Erregung ausgeführten Handlungen kann aus der Kenntnis der Gefahr des möglichen Todeseintritts nicht ohne Berücksichtigung der sich aus der Tat und der Persönlichkeit des Täters ergebenden Besonderheiten geschlossen werden, dass das - selbständig neben dem Wissenselement stehende - voluntative Vorsatzelement gegeben ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 25. November 2010 - 3 StR 364/10, NStZ 2011, 73, mit zahlreichen Nachweisen

).


8
b) Den sich nach diesen Grundsätzen ergebenden rechtlichen Anforderungen an eine sorgfältige Prüfung des bedingten Tötungsvorsatzes (vgl. dazu zuletzt BGH, Urteil vom 22. März 2012 - 4 StR 558/11, NStZ 2012, 384) werden die Ausführungen des Landgerichts gerecht.
9
Die Strafkammer hat alle bedeutsamen objektiven und subjektiven Umstände der Tat in ihre Überlegungen einbezogen und insbesondere gesehen, dass der gezielte Messerstich in den Brustkorb des Tatopfers eine hochgradig lebensgefährliche Gewalthandlung war, die ein gewichtiges Indiz dafür ist, dass der Angeklagte den von ihm - entgegen seiner Einlassung und trotz seiner im Einzelnen nicht aufklärbaren Alkoholisierung - als möglich erkannten Eintritt des Todes auch billigte. Dass das Landgericht seine Zweifel am Vorliegen des voluntativen Elements des bedingten Tötungsvorsatzes wegen des unter der ent- hemmenden Wirkung von Alkohol spontan ausgeführten Messerstichs, des fehlenden Tötungsmotivs des Angeklagten, seiner im Allgemeinen nicht zu Aggressionen neigenden Persönlichkeit sowie seines Nachtatverhaltens nicht hat überwinden können, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Dies gilt auch, soweit es die Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten berücksichtigt hat. Das Landgericht war sich des eingeschränkten Beweiswerts dieses Umstandes für die innere Einstellung des Angeklagten im Tatzeitpunkt durchaus bewusst; dass es ihn gleichwohl als gegen einen Tötungsvorsatz sprechendes Indiz gewertet hat, erweist sich nicht als rechtsfehlerhaft, sind doch auch die Besonderheiten der Persönlichkeit des Täters in die erforderliche Gesamtschau einzustellen (BGH, Beschluss vom 23. April 2003 - 2 StR 52/03, NStZ 2003, 603, 604; BGH, Beschluss vom 8. Mai 2008 - 3 StR 142/08, NStZ 2009, 91).
10
3. Revision des Angeklagten
11
Die Revision des Angeklagten ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, weil die Überprüfung des Urteils aufgrund der allgemein erhobenen Sachrüge keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil aufgedeckt hat.
VRiBGH Becker ist wegen Pfister Schäfer Urlaubs gehindert, seine Unterschrift beizufügen. Pfister Mayer Gericke

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
3 StR 364/10
vom
25. November 2010
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25. November
2010, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
Richter am Bundesgerichtshof
von Lienen,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
die Richter am Bundesgerichtshof
Hubert,
Mayer
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Nebenklägers gegen das Urteil des Landgerichts Stade vom 10. Mai 2010 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zur Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Mit seiner auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision beanstandet der Nebenkläger, dass das Landgericht einen bedingten Tötungsvorsatz verneint und den Angeklagten deshalb nicht auch wegen tateinheitlichen versuchten Totschlags verurteilt hat. Das zulässige Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen schubsten sich der Angeklagte sowie der Nebenkläger und beleidigten sich gegenseitig. Der Nebenkläger war bereit, sich gegen die von ihm erwarteten Schläge des Angeklagten zu wehren und sich mit ihm zu schlagen. Der Angeklagte drohte dem Nebenkläger, ihn abzustechen und nahm ein mitgeführtes Klappmesser in die Hand. Als der Nebenkläger, der anfangs die Drohung nicht ernst genommen und weiterhin die Konfrontation gesucht hatte, das Messer sah, wich er aus Furcht nach hinten aus und beendete die Beleidigungen. Der Angeklagte folgte ihm und versetzte ihm mit einer schlagenden Bewegung einen Messerstich in den linken Brustkorb. Das Messer drang von oben unterhalb der linken Achsel durch die Rippenbögen in den Körper ein und verletzte den Geschädigten schwer.
3
Das Landgericht ist in seiner Beweiswürdigung davon ausgegangen, dass der Angeklagte mit direktem Körperverletzungsvorsatz zugestochen hat. Einen bedingten Tötungsvorsatz hat es im Wesentlichen mit folgender Begründung verneint: Der Angeklagte habe zwar durch den Stich in den Brustkorb des Geschädigten eine hochgradig gefährliche Gewalthandlung vorgenommen und auch erkannt, dass diese tödlich sein könne. Bei umfassender Würdigung aller objektiven und subjektiven Tatumstände könne daraus jedoch nicht mit der erforderlichen Sicherheit auf eine Billigung des Todes geschlossen werden. Der Angeklagte habe sich bei der Tatbegehung in einem Zustand beträchtlicher affektiver Erregung befunden, sei durch den Konsum von Alkohol und Rauschgift erheblich enthemmt gewesen und durch die Beleidigungen seitens des Nebenklägers spontan zu dem Messerstich hingerissen worden, wobei er diesen vom Herzen weg geführt habe. Aufgrund seiner körperlichen Unterlegenheit habe er gemeint, sich nur mit dem Messer Respekt verschaffen zu können. Er habe erst zugestochen, nachdem der Geschädigte seine Drohung nicht ernst genommen habe. Zudem sei kein Motiv für eine Tötung ersichtlich. Die Äußerung "ich steche dich ab" sei nur eine Machtdemonstration gewesen und habe keine Indizwirkung für einen bedingten Tötungsvorsatz. Der Angeklagte habe lediglich einen einzelnen Messerstich ausgeführt und sei unmittelbar nach der Tat nicht geflüchtet.
4
2. Die Verneinung eines bedingten Tötungsvorsatzes hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand.
5
a) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters, dem es obliegt, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Die revisionsge- richtliche Überprüfung ist darauf beschränkt, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denk- oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn das Tatgericht zu hohe Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt hat (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 10. Dezember 1986 - 3 StR 500/86, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2). Die Abgrenzung des bedingten Tötungsvorsatzes vom Körperverletzungsvorsatz erfordert bei schwerwiegenden Gewalttaten eine sorgfältige Prüfung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls. Der Täter handelt mit bedingtem Tötungsvorsatz, wenn er den Eintritt des Todes als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt sowie ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen mit ihm abfindet. Dabei stellt die offensichtliche Lebensgefährlichkeit einer Handlung für den Nachweis einen Umstand von erheblichem Gewicht dar, sodass bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen der subjektive Tatbestand eines Tötungsdelikts sehr nahe liegt. Angesichts der hohen Hemmschwelle bei solchen Delikten bedarf die Frage der Billigung des Todes indes einer Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände, in die vor allem auch die psychische Verfassung des Täters bei der Tatbegehung sowie seine Motive mit einzubeziehen sind (vgl. BGH, Urteil vom 4. November 1988 - 1 StR 262/88, BGHSt 36, 1, 9 f.; BGH, Urteil vom 25. November 1987 - 3 StR 449/87, BGHR StGB § 15 Vorsatz, bedingter 4; BGH, Urteil vom 31. Oktober 1990 - 3 StR 332/90, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 24; BGH, Urteil vom 24. März 1993 - 3 StR 485/92, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 35; BGH, Urteil vom 7. November 2002 - 3 StR 216/02, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 55; BGH, Beschluss vom 26. August 2005 - 3 StR 259/05, NStZ-RR 2006, 9 f.). Insbesondere bei spontanen, unüberlegten, in affektiver Erregung ausgeführten Handlungen kann aus dem Wissen um den möglichen Eintritt des Todes nicht ohne Berücksichtigung der sich aus der Tat und der Persönlichkeit des Täters ergebenden Besonderheiten geschlossen werden, dass das - selbständig neben dem Wissenselement stehende - voluntative Vorsatzelement gegeben ist (BGH, Beschluss vom 23. April 2003 - 2 StR 52/03, NStZ 2003, 603; BGH, Beschluss vom 8. Mai 2008 - 3 StR 142/08, NStZ 2009,

91).

6
b) Diesen rechtlichen Anforderungen an eine sorgfältige Prüfung des bedingten Tötungsvorsatzes werden die Ausführungen des Landgerichts gerecht. Es hat alle bedeutsamen objektiven und subjektiven Umstände der Tat in seine Überlegungen einbezogen und insbesondere ges ehen, dass der Messerstich in den Brustkorb des Tatopfers eine hochgradig lebensgefährliche Gewalthandlung war, die ein gewichtiges Indiz dafür ist, dass der Angeklagte den von ihm als möglich erkannten Eintritt des Todes auch billigte. Auch hat es sich mit der ausgesprochenen Drohung "ich steche dich ab, du bist tot" auseinandergesetzt. Soweit es wegen des in affektiver Erregung und unter der enthemmenden Wirkung von Alkohol und Rauschgift spontan ausgeführten einzelnen Messerstichs , der körperlichen Unterlegenheit des Angeklagten, der vom Herzen wegführenden Stichbewegung, des fehlenden Tötungsmotivs und des Nachtatverhaltens des Angeklagten seine Zweifel am Vorliegen des voluntativen Elements des bedingten Tötungsvorsatzes nicht hat überwinden können, ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Zwar hat das Landgericht - wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift im Einzelnen dargestellt hat - die Annahme erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit gemäß § 21 StGB unzureichend begründet. Dieser Rechtsfehler schlägt jedoch nicht auf die Beweiswürdigung zum Tötungsvorsatz durch; denn entscheidend ist insoweit, dass der Angeklagte, unabhängig davon, ob die Voraussetzungen des § 21 StGB gegeben sind, nach den Urteilsfeststellungen die Tat aus einem spontanen, intoxikationsbedingten Handlungsimpuls heraus begangen hat. Die gegen die Überzeugungsbildung der Strafkammer vorgebrachten Beanstandungen des Be- schwerdeführers erschöpfen sich in einer eigenen Beweiswürdigung mit zum Teil urteilsfremdem Vorbringen und zeigen aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausführlich dargestellten Gründen keinen Rechtsfehler auf.
7
3. Für die Entscheidung kann offen bleiben, ob die sachverständig beratene Strafkammer rechtsfehlerhaft eine erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB) des Angeklagten bejaht und deshalb der Strafzumessung zu Unrecht den gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen der gefährlichen Körperverletzung zugrunde gelegt hat. Denn die Nachprüfung des Revisionsgerichts erstreckt sich bei der Revision eines Nebenklägers lediglich darauf, ob der Schuldspruch wegen eines Nebenklagedelikts rechtsfehlerhaft unterblieben ist, nicht aber auf die Fehlerfreiheit der Strafzumessung. Dies folgt daraus, dass der Strafausspruch des abgeurteilten Nebenklagedeliktes gemäß § 400 Abs. 1 StPO selbst nicht Gegenstand einer zulässigen Revisionsrüge eines Nebenklägers sein kann. Diesem Anliegen des Gesetzgebers würde es widersprechen, wenn eine solche Nachprüfung des Strafmaßes allein dadurch erreicht werden könnte, dass die fehlerhafte Nichtaburteilung eines (weiteren) tateinheitlich begangenen - möglicherweise völlig fern liegenden - Nebenklagedelikts gerügt wird (BGH, Beschluss vom 23. April 2002 - 3 StR 106/02, BGHR StPO § 400 Abs. 1 Prüfungsumfang 3; Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 400 Rn. 7). Becker von Lienen Sost-Scheible Hubert Mayer

(1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig.

(2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig.

(2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

Gründe

1

Die auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (1.) und eines Verfahrensmangels (2.) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2

1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.

3

Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt die Bezeichnung einer konkreten Rechtsfrage, die für die Revisionsentscheidung erheblich sein wird, und einen Hinweis auf den Grund, der ihre Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen soll. Die Beschwerde muss daher erläutern, ob und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts führen kann (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14 m.w.N.). Daran gemessen führen die von den Klägern aufgeworfenen und von ihnen als rechtsgrundsätzlich angesehenen Fragen nicht zur Zulassung der Revision.

4

a) Die Kläger möchten die Frage beantwortet wissen: "Können, entgegen Art. 8 I GG über die Spezialnormen der §§ 5 und 13 Versammlungsgesetz hinaus, insbesondere des § 13 Abs. 1 Nr. 2 3. Alt., das allgemeine oder das besondere Polizeirecht zur Auflösung von nach Art. 8 I GG geschützten Versammlungen (hier speziell solche, die nicht unter freiem Himmel stattfinden) als Ermächtigungsnorm für Eingriffe, insbesondere eine Auflösung, herangezogen werden?" Mit dieser Frage begehren die Kläger im Kern eine Antwort dazu, ob in die von Art. 8 Abs. 1 GG geschützte Versammlungsfreiheit nur auf der Grundlage des Versammlungsgesetzes eingegriffen werden kann oder ob Eingriffe auch auf das (allgemeine) Polizeirecht gestützt werden können. Diese Frage führt nicht zur Revisionszulassung.

5

Nach der Zielsetzung des Revisionszulassungsrechts ist Voraussetzung für die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung, dass der im Rechtsstreit vorhandene Problemgehalt aus Gründen der Einheit des Rechts einschließlich gebotener Rechtsfortentwicklung einer Klärung gerade durch höchstrichterliche Entscheidung bedarf. Dies ist nicht der Fall, wenn sich die aufgeworfene Rechtsfrage auf Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation und auf dieser Grundlage ohne Weiteres beantworten lässt (stRspr, vgl. z.B. Beschluss vom 11. Oktober 2000 - BVerwG 6 B 47.00 - Buchholz 448.6 § 5 KDVG Nr. 10 S. 6 m.w.N.). So liegt es hier. Die in Rede stehende Frage ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungs- und des Bundesverfassungsgerichts geklärt.

6

Maßnahmen der Gefahrenabwehr gegen Versammlungen richten sich in erster Linie nach dem Versammlungsgesetz. Seine im Vergleich zum allgemeinen Polizeirecht besonderen Voraussetzungen für beschränkende Maßnahmen sind Ausprägungen des Grundrechts der Versammlungsfreiheit. Soweit das Versammlungsgesetz abschließende Regelungen hinsichtlich der polizeilichen Eingriffsbefugnisse enthält, geht es daher als Spezialgesetz dem allgemeinen Polizeirecht vor (vgl. Urteile vom 21. April 1989 - BVerwG 7 C 50.88 - BVerwGE 82, 34 <38> und vom 25. Juli 2007 - BVerwG 6 C 39.06 - BVerwGE 129, 142 Rn. 30 m.w.N.; BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 26. Oktober 2004 - 1 BvR 1726/01 - BVerfGK 4, 154 <158> m.w.N. und vom 30. April 2007 - 1 BvR 1090/06 - BVerfGK 11, 102 <114 f.> m.w.N.). Diese sogenannte Polizeifestigkeit der Versammlungsfreiheit bedeutet freilich nicht, dass in die Versammlungsfreiheit nur auf der Grundlage des Versammlungsgesetzes eingegriffen werden könnte; denn das Versammlungsgesetz enthält keine abschließende Regelung für die Abwehr von Gefahren, die im Zusammenhang mit Versammlungen auftreten können. Vielmehr ist das Versammlungswesen im Versammlungsgesetz nicht umfassend und vollständig, sondern nur teilweise und lückenhaft geregelt, so dass in Ermangelung einer speziellen Regelung auf das der allgemeinen Gefahrenabwehr dienende Polizeirecht der Länder zurückgegriffen werden muss (vgl. Urteile vom 8. September 1981 - BVerwG 1 C 88.77 - BVerwGE 64, 55 <58>, vom 23. März 1999 - BVerwG 1 C 12.97 - Buchholz 402.44 VersG Nr. 12 S. 6 und vom 25. Juli 2007 a.a.O. Rn. 30 m.w.N.). Hieraus ergibt sich ohne Weiteres, dass auf das allgemeine Polizeirecht auch insoweit zurückgegriffen werden kann, als es um die Verhütung von Gefahren geht, die allein aus der Ansammlung einer Vielzahl von Menschen an einem dafür ungeeigneten Ort entstehen, unabhängig davon, ob es sich bei dieser Ansammlung um eine Versammlung im Sinne des Versammlungsrechts handelt.

7

b) Die Kläger werfen weiter die Frage auf, "ob eine Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes i.S.d. § 41 I VwVfG BW, der inhaltsgleich dem § 41 I VwVfG und damit revisibel ist, der in den Zuständigkeitsbereich einer Ordnungsbehörde fällt, durch einen Polizeivollzugsbediensteten, der für eine andere Gebietskörperschaft tätig ist, im Ausnahmefall der Eilbedürftigkeit bekanntgegeben werden kann". Auch diese Frage rechtfertigt nicht die Durchführung eines Revisionsverfahrens. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist nämlich geklärt, dass die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes im Sinne von § 41 Abs. 1 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht notwendig durch die für den Erlass des Verwaltungsaktes zuständige Behörde selbst erfolgen muss (vgl. Beschluss vom 5. Mai 1997 - BVerwG 1 B 129.96 - Buchholz 402.240 § 45 AuslG 1990 Nr. 11 S. 20 m.w.N.). Da es für die Rechtmäßigkeit der Bekanntgabe des Verwaltungsaktes durch einen Dritten nicht darauf ankommt, ob die für den Erlass des Verwaltungsaktes zuständige Behörde im Einzelfall nicht in der Lage ist, den Verwaltungsakt bekannt zu geben, kann auch die von den Klägern in diesem Zusammenhang aufgeworfene weitere Frage nach den Voraussetzungen einer "Eilkompetenz" die Revisionszulassung nicht rechtfertigen.

8

c) Soweit es die Kläger für eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung halten, "ob eine Behörde den grundgesetzlich verbürgten Anspruch auf Rechtsschutz dadurch unterminieren kann, dass sie bei einer existenten oder vorgeblichen Gefährdungslage durch schlichte Untätigkeit über Monate im Wege einer 'last-minute-Verbescheidung' die Voraussetzungen für einen Entfall der Begründungspflicht wegen einer Notstandsmaßnahme nach § 80 III S. 2 VwGO selbst schaffen kann und damit letztlich die Rechtsschutzmöglichkeiten des Bürgers dagegen ins Leere laufen lässt", kann dies schon deshalb nicht zum Erfolg der Beschwerde führen, weil diese Frage auf den Einzelfall bezogen ist und deshalb einer grundsätzlichen Bedeutung entbehrt.

9

2. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels zuzulassen.

10

Nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidungen beruhen. Die Kläger rügen in diesem Zusammenhang allein einen Verstoß gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO. Sie sind der Auffassung, der Verwaltungsgerichtshof hätte den Sachverhalt mit Blick auf die Voraussetzungen der Auflösung einer Versammlung nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 des Versammlungsgesetzes und hinsichtlich einer bauordnungsrechtlichen Nutzungsuntersagung näher aufklären müssen. Diese Rüge hat schon deshalb keinen Erfolg, weil die angefochtene Entscheidung nicht auf den angeblichen Verstößen gegen § 86 Abs. 1 VwGO beruhen kann. Der Verwaltungsgerichtshof hat ausdrücklich offengelassen, ob das Versammlungsgesetz Anwendung findet. Da er angenommen hat, dass Verstöße gegen bauordnungsrechtliche Bestimmungen einen Eingriff in die Versammlungsfreiheit von vornherein nicht legitimieren können, kam es auf die Voraussetzungen einer bauordnungsrechtlichen Nutzungsuntersagung nicht an.

(1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig.

(2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.

(1) Wer einem Amtsträger oder Soldaten der Bundeswehr, der zur Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Urteilen, Gerichtsbeschlüssen oder Verfügungen berufen ist, bei der Vornahme einer solchen Diensthandlung mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt Widerstand leistet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
der Täter durch eine Gewalttätigkeit den Angegriffenen in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
3.
die Tat mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich begangen wird.

(3) Die Tat ist nicht nach dieser Vorschrift strafbar, wenn die Diensthandlung nicht rechtmäßig ist. Dies gilt auch dann, wenn der Täter irrig annimmt, die Diensthandlung sei rechtmäßig.

(4) Nimmt der Täter bei Begehung der Tat irrig an, die Diensthandlung sei nicht rechtmäßig, und konnte er den Irrtum vermeiden, so kann das Gericht die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder bei geringer Schuld von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen. Konnte der Täter den Irrtum nicht vermeiden und war ihm nach den ihm bekannten Umständen auch nicht zuzumuten, sich mit Rechtsbehelfen gegen die vermeintlich rechtswidrige Diensthandlung zu wehren, so ist die Tat nicht nach dieser Vorschrift strafbar; war ihm dies zuzumuten, so kann das Gericht die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen.

(1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig.

(2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.

(1) Wer einem Amtsträger oder Soldaten der Bundeswehr, der zur Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Urteilen, Gerichtsbeschlüssen oder Verfügungen berufen ist, bei der Vornahme einer solchen Diensthandlung mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt Widerstand leistet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
der Täter durch eine Gewalttätigkeit den Angegriffenen in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
3.
die Tat mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich begangen wird.

(3) Die Tat ist nicht nach dieser Vorschrift strafbar, wenn die Diensthandlung nicht rechtmäßig ist. Dies gilt auch dann, wenn der Täter irrig annimmt, die Diensthandlung sei rechtmäßig.

(4) Nimmt der Täter bei Begehung der Tat irrig an, die Diensthandlung sei nicht rechtmäßig, und konnte er den Irrtum vermeiden, so kann das Gericht die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder bei geringer Schuld von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen. Konnte der Täter den Irrtum nicht vermeiden und war ihm nach den ihm bekannten Umständen auch nicht zuzumuten, sich mit Rechtsbehelfen gegen die vermeintlich rechtswidrige Diensthandlung zu wehren, so ist die Tat nicht nach dieser Vorschrift strafbar; war ihm dies zuzumuten, so kann das Gericht die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen.

(1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig.

(2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.

(1) Wer einem Amtsträger oder Soldaten der Bundeswehr, der zur Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Urteilen, Gerichtsbeschlüssen oder Verfügungen berufen ist, bei der Vornahme einer solchen Diensthandlung mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt Widerstand leistet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
der Täter durch eine Gewalttätigkeit den Angegriffenen in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
3.
die Tat mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich begangen wird.

(3) Die Tat ist nicht nach dieser Vorschrift strafbar, wenn die Diensthandlung nicht rechtmäßig ist. Dies gilt auch dann, wenn der Täter irrig annimmt, die Diensthandlung sei rechtmäßig.

(4) Nimmt der Täter bei Begehung der Tat irrig an, die Diensthandlung sei nicht rechtmäßig, und konnte er den Irrtum vermeiden, so kann das Gericht die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder bei geringer Schuld von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen. Konnte der Täter den Irrtum nicht vermeiden und war ihm nach den ihm bekannten Umständen auch nicht zuzumuten, sich mit Rechtsbehelfen gegen die vermeintlich rechtswidrige Diensthandlung zu wehren, so ist die Tat nicht nach dieser Vorschrift strafbar; war ihm dies zuzumuten, so kann das Gericht die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen.

(1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig.

(2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.

(1) Wer einem Amtsträger oder Soldaten der Bundeswehr, der zur Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Urteilen, Gerichtsbeschlüssen oder Verfügungen berufen ist, bei der Vornahme einer solchen Diensthandlung mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt Widerstand leistet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
der Täter durch eine Gewalttätigkeit den Angegriffenen in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
3.
die Tat mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich begangen wird.

(3) Die Tat ist nicht nach dieser Vorschrift strafbar, wenn die Diensthandlung nicht rechtmäßig ist. Dies gilt auch dann, wenn der Täter irrig annimmt, die Diensthandlung sei rechtmäßig.

(4) Nimmt der Täter bei Begehung der Tat irrig an, die Diensthandlung sei nicht rechtmäßig, und konnte er den Irrtum vermeiden, so kann das Gericht die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder bei geringer Schuld von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen. Konnte der Täter den Irrtum nicht vermeiden und war ihm nach den ihm bekannten Umständen auch nicht zuzumuten, sich mit Rechtsbehelfen gegen die vermeintlich rechtswidrige Diensthandlung zu wehren, so ist die Tat nicht nach dieser Vorschrift strafbar; war ihm dies zuzumuten, so kann das Gericht die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen.

Tatbestand

1

Zum 1. Januar 2007 übertrug der Beklagte aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung durch Vertrag die Aufgaben der Bewährungs- und Gerichtshilfe auf die Beigeladene als Beliehene. Die Beigeladene ist eine gemeinnützige GmbH mit Sitz in Stuttgart, die vollständig von einem österreichischen Verein getragen wird und an der die öffentliche Hand nicht beteiligt ist.

2

Der Kläger steht als Sozialamtmann (Besoldungsgruppe A 11) im Dienst des beklagten Landes. Er war als Bewährungshelfer an der Dienststelle für Bewährungshilfe des Landgerichts Tübingen in Reutlingen verwendet worden. Im Februar 2008 wurde er an die "Einrichtung Reutlingen" versetzt. Dabei handelt es sich um eine Dienststelle der Bewährungs- und Gerichtshilfe des Beklagten, in der zugleich eine Niederlassung der Beigeladenen untergebracht ist und die nach außen einheitlich unter der Bezeichnung "Einrichtung" in Erscheinung tritt. Nach der Konzeption des Beklagten und der Beigeladenen sollen die beamteten Bewährungshelfer dort ihre Dienstleistung nach den Vorgaben und Weisungen der Beigeladenen erbringen. Eine Verfügung, mit der dem Kläger eine Tätigkeit bei der Beigeladenen zugewiesen worden wäre, ist nicht ergangen.

3

Der Kläger hält die Privatisierung der Bewährungs- und Gerichtshilfe und damit auch die Ausübung von Weisungs- und Dienstherrnbefugnissen durch einen Privaten für unzulässig. Er beantragte, der Beigeladenen die Ausübung der Weisungs- und Dienstherrnbefugnisse zu untersagen sowie festzustellen, dass die Ausübung dieser Befugnisse durch die Beigeladene rechtswidrig ist. Der Beklagte lehnte den Antrag ab und wies den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers zurück.

4

Der Kläger hat Klage erhoben und beantragt, den ablehnenden Bescheid des Beklagten und dessen Widerspruchsbescheid aufzuheben sowie festzustellen, dass die Überlassung der übertragenen Weisungs- und Aufsichtsrechte sowie sonstigen Dienstherrnbefugnisse an die Beigeladene zur Ausübung rechtswidrig ist, hilfsweise die Aufhebung des bestimmte Einzelmaßnahmen betreffenden Widerspruchsbescheids. Das Verwaltungsgericht hat das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG vorgelegt. Durch Beschluss vom 21. Juni 2011 (- 2 BvL 15/08 - BVerfGK 18, 498) hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts die Vorlage für unzulässig erklärt. Daraufhin hat das Verwaltungsgericht die Klage als unbegründet abgewiesen.

5

Die vom Kläger hiergegen eingelegte Berufung ist erfolglos geblieben. Zur Begründung hat der Verwaltungsgerichtshof im Wesentlichen ausgeführt: Auf Art. 33 Abs. 4 GG könne sich der Kläger nicht berufen, weil der Funktionsvorbehalt keine subjektiven Rechte der Beamten begründe. Die vertragliche Dienstleistungsüberlassung und die damit der Beigeladenen verliehenen Befugnisse stünden auch in Einklang mit Art. 33 Abs. 5 GG. Einen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums, wonach der Beamte in einem uneingeschränkten Weisungs- und Verantwortungsstrang zu seinem Dienstherrn stehen müsse, habe das Bundesverfassungsgericht nicht ausgesprochen. Aus den verfassungsrechtlichen Vorgaben ergebe sich daher auch nicht, dass nur Beamte Vorgesetztenfunktionen oder Weisungsrechte wahrnehmen könnten. Ein Verstoß gegen § 123a Abs. 2 BRRG liege nicht vor, weil die darin normierte Privatisierungsform keinen abschließenden Charakter habe. Andere Gestaltungsmöglichkeiten stünden dem Landesgesetzgeber daher offen. Durch die vorliegende Konstruktion werde nicht der Beamte selbst einem Privaten zugewiesen, vielmehr werde dem Privaten nur das Ergebnis der von Beamten erbrachten Dienstleistung zur Verfügung gestellt. Derartige Dienstleistungsüberlassungen entsprächen den Vorgaben der Rechtsprechung, insbesondere verblieben alle wesentlichen und das Dienstverhältnis des Beamten betreffenden Angelegenheiten beim Dienstherrn.

6

Mit der bereits vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren fort. Er beantragt,

die Urteile des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 22. Januar 2013 und des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 12. Oktober 2011 sowie den Bescheid des Justizministeriums Baden-Württemberg vom 19. März 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juni 2007 aufzuheben und festzustellen, dass die Übertragung von Weisungs- und Aufsichtsrechten sowie sonstiger Dienstherrnbefugnisse aufgrund des Landesgesetzes Baden-Württemberg über die Bewährungs- und Gerichtshilfe sowie die Sozialarbeit im Justizvollzug - LBGS - vom 1. Juli 2004 (GBl. S. 469 <504>) in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 11. Dezember 2007 (GBl. S. 580) auf die Beigeladene rechtswidrig ist.

7

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

8

Die Beigeladene beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

9

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren; er hält die Revision für unbegründet.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision des Klägers ist begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs verletzt revisibles Landesbeamtenrecht (§ 191 Abs. 2 VwGO, § 127 Nr. 2 BRRG, § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG). Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar zutreffend entschieden, dass die Klage zulässig ist (1.) und die der Beigeladenen eingeräumten Befugnisse nicht am Maßstab des § 123a BRRG zu messen sind (2.). Er hat aber verkannt, dass die gesetzgeberische Konzeption des Landesgesetzes über die Bewährungs- und Gerichtshilfe sowie die Sozialarbeit im Justizvollzug - LBGS - vom 1. Juli 2004 (GBl. S. 469 <504>) in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 11. Dezember 2007 (GBl. S. 580) unauflösbare Widersprüche enthält und angesichts seiner Unvollständigkeit von vornherein nicht geeignet ist, Weisungsbefugnisse der Beigeladenen und eine damit korrespondierende Befolgungspflicht des Klägers zu begründen (3.). Zu dieser Feststellung ist der Senat ohne Vorlage an das Bundesverfassungsgericht oder den Staatsgerichtshof Baden-Württemberg befugt (4.). Um eine Gefährdung der ordnungsgemäßen Aufgabenerledigung der Bewährungs- und Gerichtshilfe zu vermeiden, können die Regelungen des Landesgesetzes übergangsweise weiterhin angewandt werden (5.).

11

Die maßgeblichen Rechtsgrundlagen des Streitfalls stellen sich wie folgt dar:

12

Nach § 7 Abs. 1 LBGS kann das Justizministerium durch Vertrag die Aufgaben der Bewährungs- und Gerichtshilfe im ganzen Land auf einen freien Träger als Beliehenen übertragen. Gemäß § 8 Nr. 1 Satz 1 LBGS kann dem freien Träger dabei das Ergebnis der Dienstleistung der derzeit beschäftigten Bewährungs- und Gerichtshelfer unter Wahrung ihrer Rechtsstellung zur Verfügung gestellt werden. Einen entsprechenden Vertrag haben der Beklagte und die Beigeladene am 6. Dezember 2006 mit einer Laufzeit von 10 Jahren geschlossen.

13

Nach § 8 Nr. 1 Satz 2 LBGS ist damit der Vorstand des freien Trägers zur Ausübung der Fachaufsicht und des fachlichen Weisungsrechts ermächtigt. Die vom Vertrag erfassten Bewährungs- und Gerichtshelfer werden vom freien Träger nach seinem Organisationsermessen mit Aufgaben betraut (§ 8 Nr. 2 LBGS), den Anordnungen des freien Trägers hat der Beamte Folge zu leisten (§ 8 Nr. 6 LBGS). Weitere Dienstherrnbefugnisse, die weder den Status der Beschäftigten noch die Ausübung der Disziplinargewalt betreffen, können dem Vorstand des freien Trägers durch Rechtsverordnung zur Ausübung übertragen werden (§ 8 Nr. 4 LBGS). Hiervon ist durch die Verordnung des Justizministeriums zur Durchführung des Landesgesetzes über die Bewährungs- und Gerichtshilfe sowie die Sozialarbeit im Justizvollzug - DVO LBGS - vom 2. Januar 2008 (GBl. S. 30), geändert durch Verordnung vom 15. Juni 2010 (GBl. S. 529), Gebrauch gemacht worden.

14

1. Zu Recht hat der Verwaltungsgerichtshof die Feststellungsklage als zulässig erachtet.

15

Nach § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob Weisungs- und Aufsichtsrechte sowie weitere Dienstherrnbefugnisse, die dem Beklagten gegenüber dem Kläger zustehen, wirksam durch Vertrag im Sinne von § 7 LBGS auf die Beigeladene übertragen worden sind. Der Kläger hat auch ein berechtigtes Interesse an der erstrebten Feststellung. Wegen des Risikos einer disziplinarischen Ahndung kann es ihm nicht zugemutet werden, eine Weisung der Beigeladenen nicht zu befolgen und die zwischen den Beteiligten umstrittene Rechtsfrage erst in diesem Zusammenhang gerichtlich klären zu lassen (BVerwG, Urteile von 30. November 2011 - 6 C 20.10 - BVerwGE 141, 223 Rn. 13 und vom 27. Juni 2013 - 3 C 21.12 - BVerwGE 147, 100 Rn. 12).

16

Die Klagebefugnis folgt aus der Pflicht zur Befolgung dienstlicher Anordnungen (§ 35 Satz 2 BeamtStG, § 37 Satz 2 BRRG a.F.). Die Gehorsamspflicht des Beamten besteht grundsätzlich auch bei rechtswidrigen Weisungen, sofern sie einen Bezug zur Dienstausübung des Beamten aufweisen (BVerwG, Urteil vom 18. September 2008 - 2 C 126.07 - BVerwGE 132, 40 Rn. 16 f.). Der Beamte hat aber die Möglichkeit, Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dienstlicher Anordnungen geltend zu machen; nur so kann er sich von seiner eigenen Verantwortung befreien (§ 36 Abs. 2 Satz 3 BeamtStG, § 38 Abs. 2 Satz 2 BRRG a.F.). Er kann ggf. auch gerichtlich überprüfen lassen, ob die Weisung den zulässigen dienstlichen Zusammenhang verlässt (BVerfG, Kammerbeschluss vom 7. November 1994 - 2 BvR 1117/94 u.a. - NVwZ 1995, 680 Rn. 6).

17

Sollten die Maßnahmen des Beklagten der Sache nach eine Zuweisung zur Beigeladenen bewirken, wie der Kläger vorträgt, bestünde überdies die Möglichkeit der Verletzung seiner Statusrechte. Anders als eine behördeninterne Umsetzung entfaltet die Zuordnung eines Beamten zu einer anderen Behörde oder Einrichtung Außenwirkung (BVerwG, Urteil vom 22. Mai 1980 - 2 C 30.78 - BVerwGE 60, 144 <147> zu Abordnung und Versetzung, vgl. auch Urteil vom 25. Oktober 2007 - 2 C 30.07 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 91 Rn. 12 ff. zum Statusbezug der Zuweisung).

18

Das für beamtenrechtliche Streitigkeiten stets erforderliche Vorverfahren (§ 126 Abs. 3 BRRG, § 54 Abs. 2 BeamtStG) ist ordnungsgemäß durchgeführt worden.

19

2. Die Privatisierung der Bewährungs- und Gerichtshilfe durch §§ 7 ff. LBGS und den darauf gestützten Vertrag zwischen dem Beklagten und der Beigeladenen unterfällt nicht dem Regelungsbereich des § 123a BRRG.

20

a) § 123a BRRG in der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Landesgesetzes Baden-Württemberg über die Bewährungs- und Gerichtshilfe sowie die Sozialarbeit im Justizvollzug gültigen Fassung vom 21. Juni 2002 (BGBl. I S. 2138 <2140>) regelt - weitgehend inhaltsgleich mit § 20 BeamtStG -, unter welchen Voraussetzungen einem Beamten eine Tätigkeit bei einer nicht dienstherrnfähigen Einrichtung zugewiesen werden kann.

21

Die Zuweisung stellt das Gegenstück zu Abordnung und Versetzung dar, wenn die Einrichtung, bei der die Aufgabe erfüllt werden soll, keine Dienstherrnfähigkeit besitzt. Die Rechtsstellung des Zugewiesenen bleibt dabei unberührt (§ 123a Abs. 3 BRRG), sodass die Rechte und Pflichten aus dem Beamtenverhältnis zu seinem Dienstherrn fortbestehen; der Beamte erhält von diesem auch weiterhin seine Bezüge. Mangels Dienstherrnfähigkeit stehen der Einrichtung auch keine Dienstherrnbefugnisse zu, derartiges ist nur durch eine zusätzliche Beleihung möglich. Die Tätigkeit des zugewiesenen Beamten wird aber für den Träger der Zuweisungseinrichtung erbracht. Der Beamte muss daher auch in den Betrieb der Einrichtung integriert werden und unterliegt "vor Ort" dem fachlichen Direktions- und Weisungsrecht dieser Einrichtung (BT-Drs. 11/6835 S. 56; vgl. hierzu Hoffmann, ZTR 1990, 327 <328>; Schönrock, ZBR 2010, 222 <227>).

22

b) Eine derartige Zuweisung des Klägers hat der Beklagte nicht verfügt; sie war auch in der Sache nicht beabsichtigt.

23

Im Januar 2008 hat der Beklagte den Kläger vielmehr an eine landeseigene Dienststelle versetzt. Zwar trägt die Dienststelle die Bezeichnung "Einrichtung" (Ziffer I.2 Abs. 2 der Verwaltungsvorschrift des Justizministeriums BW vom 8. Mai 2009, Die Justiz 2009, 151). Gleichwohl handelt es sich hierbei um eine Dienststelle der Bewährungs- und Gerichtshilfe des Landes (§ 1 Abs. 1 Nr. 9 DVO LBGS). Dem Kläger ist daher keine Tätigkeit bei der Beigeladenen zugewiesen worden, er versieht seinen Dienst vielmehr weiterhin bei einer Dienststelle des beklagten Landes. Dementsprechend ist der rechtstechnische Weg und die Bezeichnung als Versetzung gewählt worden.

24

Dieser rechtstatsächliche Befund entspricht auch dem Willen des Beklagten. Nach § 8 Nr. 1 Satz 1 LBGS soll dem freien Träger nur das Ergebnis der Dienstleistung der Landesmitarbeiter zur Verfügung gestellt werden. Eine Zuweisung der Beamten selbst war dagegen ausdrücklich nicht beabsichtigt (Begründung des Gesetzentwurfs der Landesregierung, LT-Drs. 13/3201 S. 316). Auch das Konzept des zwischen dem Beklagten und der Beigeladenen geschlossenen Vertrags beruht auf dieser Einordnung. Danach nimmt die Beigeladene das Ergebnis so in Anspruch, wie es ihr vom Land zur Verfügung gestellt wird (§ 3 Abs. 2 Satz 4 des Vertrages vom 6. Dezember 2006). Dem Gesamtkonzept des Regelungsgefüges liegt damit die Vorstellung zugrunde, dass die Dienstleistung der Beamten für und beim Beklagten erbracht wird und dieser das Ergebnis der Beigeladenen überlässt (vgl. hierzu auch Bericht der Landesregierung zur Evaluation der Bewährungs- und Gerichtshilfe, LT-Drs. 15/5000 S. 42).

25

c) Dieses Regelungskonzept stellt keine Umgehung des § 123a BRRG dar, der bei Inkrafttreten des Landesgesetzes als unmittelbar anwendbares Recht galt.

26

§ 123a BRRG ist zwar ist als Rahmengesetz erlassen worden, das der Ausfüllung durch Landesgesetzgebung fähig und ihrer bedürftig sein muss (BVerfG, Urteil vom 27. Juli 2004 - 2 BvF 2/02 - BVerfGE 111, 226 <248> m.w.N.). Auch aufgrund der Kompetenz zur Rahmengesetzgebung konnten jedoch für einzelne Teile der Rechtsmaterie eine Vollregelung getroffen werden (BVerfG, Urteil vom 1. Dezember 1954 - 2 BvG 1/54 - BVerfGE 4, 115 <128 f.>; Beschluss vom 28. November 1973 - 2 BvL 42/71 - BVerfGE 36, 193 <202>). Dies ist durch Art. 75 Abs. 2 GG in der Fassung vom 27. Oktober 1994 (BGBl. I S. 3146) auch im Grundgesetz selbst zum Ausdruck gebracht worden. Von dieser Möglichkeit ist in den Vorschriften aus Kapitel II des Beamtenrechtsrahmengesetzes, die "einheitlich und unmittelbar gelten", Gebrauch gemacht worden. Eine Umsetzung durch den Landesgesetzgeber, die Anknüpfungspunkt für eine abweichende Regelung hätte sein können, war hier nicht vorgesehen (Hoffmann, ZTR 1990, 327). Die in § 123a Abs. 2 BRRG enthaltenen Bestimmungen haben auch in der Sache eine abschließende Regelung darüber getroffen, in welchen Fällen eine Zuweisung von Beamten ohne deren Einverständnis erfolgen kann (BT-Drs. 13/5057 S. 64).

27

In diesem abschließend vorgegebenen Regelungsbereich liegt das Landesgesetz aber nicht. Dem Kläger ist weder formal noch in der Sache eine Tätigkeit bei der Beigeladenen übertragen worden. Er ist durch das erwähnte Gesetz auch nicht in die Organisationsstruktur der Beigeladenen eingegliedert, sondern vielmehr weiterhin an einer Dienststelle des Beklagten verwendet worden. Eine zuweisungsähnliche Maßnahme, die als Umgehung des in § 123a BRRG vorgegebenen Rechtsinstituts bewertet werden könnte (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Juni 1984 - 2 C 84.81 - BVerwGE 69, 303 <307> zur "versetzungs- oder abordnungsähnlichen Maßnahme"), ist damit nicht gegeben.

28

Das Regelungsgefüge für den Einsatz der beamteten Bewährungs- und Gerichtshelfer weist zwar insoweit Besonderheiten auf, als deren Dienstleistung nach den fachlichen Vorgaben und Weisungen der Beigeladenen erfolgen soll (§ 8 Nr. 1 Satz 2 und Nr. 2, 4 und 6 LBGS). Die hiermit ausgelöste Spannungslage berührt aber nicht die mit dem Rechtsinstitut der Zuweisung geregelte Frage der Eingliederung eines Beamten in die Organisationsstruktur von nicht dienstherrnfähigen Einrichtungen.

29

3. Die Einräumung von Weisungs- und Aufsichtsrechten zugunsten der Beigeladenen im Landesgesetz über die Bewährungs- und Gerichtshilfe sowie die Sozialarbeit im Justizvollzug ist aber unklar, von nicht auflösbaren Widersprüchen geprägt und unvollständig. Die Vorschriften sind daher von vornherein nicht geeignet, Weisungsbefugnisse der Beigeladenen und eine damit korrespondierende Befolgungspflicht des Klägers zu begründen.

30

a) Die Pflicht zu Treue und Gehorsam des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn gehört zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums (BVerfG, Urteil vom 27. April 1959 - 2 BvF 2/58 - BVerfGE 9, 268 <286>). Beamte sind seit jeher verpflichtet, den dienstlichen Anordnungen ihres Vorgesetzten Folge zu leisten (vgl. § 1 des Reichsbeamtengesetzes vom 31. März 1873, RGBl. S. 61, § 37 Satz 2 BRRG a.F. sowie heute § 35 Satz 2 BeamtStG und § 62 Abs. 1 Satz 2 BBG). Die Weisungsbefugnis ist das Instrument, mit dem die Dienstleistungspflicht des Beamten konkretisiert und gesteuert wird. Ohne die Möglichkeit, den Beamten verbindliche Anordnungen zur Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben vorzugeben, kann der Dienstherr die ihm obliegenden öffentlichen Aufgaben nicht erfüllen. Der Beamte ist daher zur Befolgung der Anordnungen seines Vorgesetzten verpflichtet, sofern diese im Anwendungs- und Aufgabenbereich der dienstlichen Weisungsbefugnis liegen und die grundrechtlich geschützte Sphäre des Beamten nicht verletzen (stRspr, BVerwG, Beschluss vom 20. Oktober 1967 - 1 WDB 7.67 - BVerwGE 33, 108 <110>; Urteile vom 2. März 2006 - 2 C 3.05 - BVerwGE 125, 85 Rn. 13 und 29 sowie vom 18. September 2008 - 2 C 126.07 - BVerwGE 132, 40 Rn. 16 ff.).

31

Die Weisungsbefugnis ist das notwendige Bindeglied, um die demokratische Legitimation für die Ausübung von Staatsgewalt sowie die parlamentarische Verantwortlichkeit der Regierung gewährleisten zu können (BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 1995 - 2 BvF 1/92 - BVerfGE 93, 37 <66 ff.>). Die erforderliche Legitimationskette wird vom Dienstherrn durch das Mittel der ununterbrochenen Weisungsabhängigkeit auch für nachgeordnete Amtswalter hergestellt (BVerfG, Urteil vom 31. Oktober 1990 - 2 BvF 3/89 - BVerfGE 83, 60 <72>). Die verfassungsrechtlichen Vorgaben werden in den Beamtengesetzen des Bundes und der Länder konkretisiert. Nach dem zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Landesgesetzes über die Bewährungs- und Gerichtshilfe sowie die Sozialarbeit im Justizvollzug maßgeblichen § 74 Satz 2 des Landesbeamtengesetzes vom 19. März 1996 (- LBG BW 1996 - GBl. S. 85) ist der Beamte verpflichtet, die von seinem Vorgesetzten erlassenen Anordnungen auszuführen und seine allgemeinen Richtlinien zu befolgen, sofern es sich nicht um Fälle handelt, in denen er nach besonderer gesetzlicher Vorschrift an Weisungen nicht gebunden und nur dem Gesetz unterworfen ist (vgl. nunmehr § 35 Satz 2 und 3 BeamtStG). Vorgesetzter ist derjenige, der einem Beamten für seine dienstliche Tätigkeit Anordnungen erteilen kann (§ 4 Abs. 2 Satz 2 LBG BW 1996). Dabei bestimmt sich nach dem Aufbau der öffentlichen Verwaltung, wer Vorgesetzter ist (§ 4 Abs. 4 LBG BW 1996). Danach sind die Vorgesetzten vom Dienstherrn ermächtigt, den ihnen nachgeordneten Beamten derselben Dienststelle Anordnungen zu erteilen. Weisungen anderer Stellen oder privater Dritter darf der Beamte nicht entgegennehmen; er ist zu unparteiischem Dienst für die Gesamtheit und loyaler Pflichterfüllung verpflichtet (vgl. bereits BVerfG, Beschluss vom 17. Oktober 1957 - 1 BvL 1/57 - BVerfGE 7, 155 <163>; Urteil vom 27. April 1959 - 2 BvF 2/58 - BVerfGE 9, 268 <286 f.>).

32

Verletzt der Beamte die ihm obliegende Pflicht zur Befolgung dienstlicher Anordnungen, begeht er bei schuldhaftem Handeln ein Dienstvergehen (§ 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG, § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG), das disziplinarisch geahndet werden kann. Das weisungsrechtliche Regelungsgefüge muss daher so klar und bestimmt sein, dass der Beamte erkennen kann, welche und wessen Anordnungen er zu befolgen hat. Eine Vorschrift entspricht nur dann rechtsstaatlichen Grundsätzen, wenn und soweit sich aus ihr mit ausreichender Bestimmbarkeit ermitteln lässt, was von den pflichtigen Personen verlangt wird. Vom Normgeber wird verlangt, die Rechtsvorschriften so genau zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (BVerwG, Urteil 16. Oktober 2013 - 8 CN 1.12 - BVerwGE 148, 133 Rn. 21 m.w.N.). Auf denselben Regelungsbereich bezogene Gesetze dürfen daher nicht zu widersprüchlichen Ergebnissen führen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2007 - 1 BvR 1550/03 u.a. - BVerfGE 118, 168 <191>). Für sanktionsbewehrte Anordnungen gilt dies in besonderer Weise (BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a. - BVerfGE 126, 170 <195>).

33

b) Diesen Vorgaben entspricht das Regelungsgefüge des Landesgesetzes für die Weisungs- und Aufsichtsrechte der Beigeladenen gegenüber den beamteten Bewährungs- und Gerichtshelfern des Landes nicht. Das Landesgesetz weist im Hinblick auf das Verhältnis zwischen dem Beklagten und der Beigeladenen in Bezug auf das Ergebnis der Diensttätigkeit der beamteten Bewährungshelfer sowie auf die Person des Weisungsbefugten unauflösbare Widersprüche auf, die die Annahme ausschließen, die Beigeladene habe gegenüber einem Beamten, der - wie der Kläger - in einer "Einrichtung" tätig ist, tatsächlich eine zu Weisungen berechtigende Stellung.

34

Mit der in §§ 7 und 8 LBGS gewählten Konstruktion hat das beklagte Land - bewusst - auf eine Zuweisung der Beamten an die Beigeladene verzichtet. Den beamteten Bewährungs- und Gerichtshelfern ist nicht eine Tätigkeit bei der Beigeladenen übertragen worden. Sie sind auch organisatorisch nicht dem Betrieb der Beigeladenen zugeordnet, sondern werden weiterhin an einer landeseigenen Dienststelle verwendet. Damit kommt der Beigeladenen und ihren Mitarbeitern auch keine Vorgesetzteneigenschaft gegenüber dem Kläger und den anderen Bewährungs- und Gerichtshelfern des Landes zu. Nach dem Aufbau der Verwaltung (§ 4 Abs. 4 LBG BW 1996) kann deren Vorgesetzter vielmehr nur ein an der landeseigenen Dienststelle Beschäftigter des beklagten Landes sein. Die Beigeladene ist daher bereits in personeller Hinsicht nicht anordnungsbefugt.

35

Die fehlende Weisungsbefugnis der Beigeladenen gegenüber den beamteten Bewährungs- und Gerichtshelfern des Landes folgt überdies aus dem Umstand, dass Anordnungen in Bezug auf die Bewährungs- und Gerichtshilfe nicht im Aufgabenbereich ihrer Dienststelle liegen. Die Aufgabe der Bewährungs- und Gerichtshilfe im ganzen Land ist auf die Beigeladene als Beliehene übertragen worden (§ 7 Abs. 1 LBGS i.V.m. § 1 des zwischen dem Beklagten und der Beigeladenen geschlossenen Vertrags vom 6. Dezember 2006). Hierauf bezogene Anordnungen liegen daher nicht im sachlichen Anwendungsbereich der dienstlichen Aufgaben der beamteten Bewährungs- und Gerichtshelfer des Landes. Weisungen der Beigeladenen sind folglich in sachlicher Hinsicht nicht auf die Dienstausübung des Klägers sowie der anderen beamteten Bewährungs- und Gerichtshelfer bezogen.

36

In Widerspruch hierzu gehen § 8 Nr. 1 Satz 2, Nr. 2, 4 und 6 LBGS von Anordnungsrechten der Beigeladenen in Bezug auf Aufgaben der Bewährungs- und Gerichtshilfe gegenüber den beamteten Bewährungs- und Gerichtshelfern aus. Wie diese Normen in Bezug zu den beamtenrechtlichen Regelungen stehen, lässt sich den Vorschriften nicht entnehmen. Das durch die widersprüchlichen Bestimmungen ausgelöste Spannungsverhältnis wird durch die weiteren Regelungen des Landesgesetzes nicht aufgelöst.

37

Unklar ist dabei insbesondere, wessen Weisungen der Kläger und die anderen beamteten Bewährungs- und Gerichtshelfer des Landes befolgen müssen. § 8 LBGS geht zwar von Weisungsbefugnissen der Beigeladenen aus, ordnet aber nicht ausdrücklich an, dass dies auch für Beamte gilt, die einer Dienststelle des Beklagten zugeordnet sind. Dort muss es nach dem allgemeinen Aufbau der Verwaltung aber vom Beklagten bestimmte Vorgesetzte des Klägers geben (§ 4 Abs. 4 LBG BW 1996). Dass der beamtete Bewährungshelfer auch in dieser Situation, trotz des Vorhandenseins eines Vorgesetzten seiner eigenen Dienststelle, Weisungen von der Beigeladenen entgegennehmen muss, lässt sich dem Regelungsgefüge nicht entnehmen.

38

Die Weisungsmöglichkeit zweier unterschiedlicher Stellen würde aber nicht nur zu Unklarheiten führen, sondern die Gefahr begründen, dass der Beamte zum "Diener zweier Herren" wird (BVerfG, Beschluss vom 19. September 2007 - 2 BvF 3/02 - BVerfGE 119, 247 <264 f.>). Er muss einerseits Weisungen seines Vorgesetzten befolgen (§ 4 Abs. 2 Satz 2 LBG BW 1996), unterliegt andererseits aber den fachliche Anordnungen der Beigeladenen. Da es sich bei der Beigeladenen um einen privaten Dritten handelt, der erwerbswirtschaftlichen Rationalitäten unterliegt, kann auch nicht unmittelbar von einer Abschirmung des Gemeinwohlinteresses gegen potentiell nicht primär fachlich motivierte Einwirkungen ausgegangen werden, so dass die Anordnungsbefugnis hier besonderen Bedenken ausgesetzt ist (BVerfG, Urteil vom 18. Januar 2012 - 2 BvR 133/10 - BVerfGE 130, 76 <126 f.>; kritisch zur Weisungsbefugnis Privater auch Lecheler, in: Badura/Dreier (Hrsg.): Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, Band II, 2001, S. 359 <373> sowie Blanke/Sterzel, Privatisierungsrecht für Beamte, 1999, Rn. 146 und 151).

39

Eine Regelung zur Auflösung etwaiger Konfliktlagen sieht das Landesgesetz über die Bewährungs- und Gerichtshilfe sowie die Sozialarbeit im Justizvollzug nicht vor. Hierzu hätte angesichts des mehrpoligen Verhältnisses, das zusätzlich durch das vorrangige Anweisungsrecht des Richters gekennzeichnet ist (vgl. § 56d Abs. 4 Satz 2 StGB, § 25 Satz 2 JGG, § 160 Abs. 3 Satz 2 und § 463d StPO), in besonderer Weise Anlass bestanden. Entsprechende Kollisionslagen sind vom Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung geschildert worden.

40

Ebenso wenig ist ersichtlich, wie der Kläger oder die anderen beamteten Bewährungs- und Gerichtshelfer im Falle einer rechtswidrigen Anordnung durch die Beigeladene verfahren sollen. Die Gehorsamspflicht des Beamten besteht grundsätzlich auch bei rechtswidrigen Weisungen. Deshalb hat der Beamte die Möglichkeit und Pflicht, Bedenken an der Rechtmäßigkeit dienstlicher Anordnungen auf dem Dienstweg geltend zu machen. Nur so kann er sich - wie dargestellt - von seiner eigenen Verantwortlichkeit befreien (§ 36 Abs. 2 Satz 3 BeamtStG, § 38 Abs. 2 Satz 2 BRRG a.F.) und kommt er gleichzeitig der Verpflichtung nach, seinen Vorgesetzten zu beraten. Ein Dienstweg im Sinne des § 36 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG für die Remonstration gegen eine Anordnung der Beigeladenen ist aber nicht gegeben, weil die Weisung nicht vom Vorgesetzten stammt. Der anordnungsbefugten Beigeladenen kommt mangels Zuweisung keine Vorgesetzteneigenschaft zu; sie könnte den Beamten auch nicht von seiner Verpflichtung zu rechtmäßigem Handeln entbinden, weil sie keiner parlamentarischen Verantwortung unterliegt. Der Beamte müsste sich daher an den Vorgesetzten seiner eigenen Dienststelle wenden. Dieser ist zu fachlichen Weisungen im Aufgabenbereich der Beigeladenen aber weder befugt noch in der Lage.

41

Widersprüchlich ist auch die Ausgestaltung der in § 8 LBGS selbst angeordneten Befugnisse der Beigeladenen. Nach § 8 Nr. 1 Satz 2 LBGS ist "der Vorstand" des freien Trägers zur Ausübung der Fachaufsicht und des fachlichen Weisungsrechts ermächtigt. Entsprechendes ordnet § 8 Nr. 4 Satz 1 LBGS sowie der hierauf gestützte § 2 DVO LBGS hinsichtlich der Ausübung von Dienstherrnbefugnissen an. So bleibt unklar, welche Person bei einem aus mehreren Personen bestehenden Vorstand weisungsbefugt sein soll: Jede Person allein oder alle Vorstandsmitglieder zur gesamten Hand oder jedes Vorstandsmitglied für seinen jeweiligen Geschäftsbereich. Eine gesetzliche Delegationsermächtigung findet sich nicht. § 8 Nr. 2 und 6 LBGS sprechen dagegen Anordnungsbefugnisse und Weisungsrechte "des freien Trägers" aus, ohne die weisungsbefugte Person zu bestimmen. Die Unklarheit dieser Regelung kann nicht durch Rückgriff auf § 8 Nr. 1 Satz 2 LBGS behoben werden, weil diese Bestimmung ihrerseits keinen eindeutigen Regelungsgehalt hat. Damit wären auch Maßnahmen erfasst, die von nachgeordneten Beschäftigten der Beigeladenen erlassen werden. Entsprechend wird - wie der Vertreter der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausgeführt hat - in der Praxis offenbar auch verfahren. Dem Regelungsgefüge des § 8 LBGS ist damit nicht zu entnehmen, ob die beamteten Bewährungs- und Gerichtshelfer nur Weisungen der Geschäftsführer der Beigeladenen (als gemeinnützige GmbH hat die Beigeladene keinen Vorstand) befolgen müssen oder auch Anordnungen von nachgeordneten Mitarbeitern der Beigeladenen.

42

Das Regelungskonzept des Beklagten ist damit nicht nur unklar, sondern in sich widersprüchlich. Es verzichtet zwar auf eine Zuweisung der beamteten Bewährungs- und Gerichtshelfer an die Beigeladene und versetzt die Beamten an eine landeseigene Dienststelle der Bewährungs- und Gerichtshilfe. An diesen Dienststellen können der Kläger und die anderen beamteten Bewährungs- und Gerichtshelfer aber keine dienstliche Aufgabe des Beklagten mehr versehen. Die Aufgabe der Bewährungs- und Gerichtshilfe (mit der die Landesbeamten gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 des zwischen dem Beklagten und der Beigeladenen geschlossenen Vertrags vom 6. Dezember 2006 weiterhin zu befassen sind) im ganzen Land ist auf die Beigeladene übertragen worden. An ihrer Dienststelle haben die Landesbeamten damit zwar einen Vorgesetzten, aber keine dienstliche Aufgabe. Umgekehrt werden der Beigeladenen Weisungs- und Aufsichtsrechte gegenüber den beamteten Bewährungs- und Gerichtshelfern des Landes eingeräumt, obwohl diesen keine Tätigkeit bei der Beigeladenen übertragen ist. Die Beigeladene hat daher Anordnungsbefugnisse, ist aber nicht Vorgesetzte der Beamten. Diese Weisungsrechte betreffen Angelegenheiten, die den Beamten nicht als dienstliche Aufgabe obliegen. Schließlich widersprechen die Weisungsbefugnisse auch der Regelung des Gesetzes, dass der Beigeladenen nur das Ergebnis der Dienstleistung zur Verfügung gestellt wird (§ 8 Nr. 1 Satz 1 LBGS) - auf das bereits vom Beklagten erbrachte Ergebnis kann sich das fachliche Weisungsrecht, das gerade dem Zustandekommen dieses Ergebnisses dient, nicht beziehen.

43

Diese Brüche und Gegensätze können im Wege der Auslegung nicht beseitigt werden. Es ist keine Anwendung der in § 8 LBGS enthaltenen Befugnisse der Beigeladenen denkbar, mit der ein Widerspruch zur Einschränkung des Anordnungsrechts auf Vorgesetzte (§ 4 Abs. 4 LBG BW 1996) vermieden werden könnte. Derartiges wäre nur in Anlehnung an das Rechtsinstitut der Zuweisung vorstellbar, das indes eine Zustimmung der Beamten voraussetzt (§ 123a Abs. 1 BRRG, § 20 Abs. 1 BeamtStG) und vom Beklagten bewusst nicht gewählt worden ist.

44

Auch das vom Beklagten geschaffene umfassende Instrumentarium der Dienst- und Fachaufsicht über die Beigeladene - einschließlich aufsichtsrechtlicher Beanstandungs- und Weisungsrechte bis hin zur Vollstreckung durch Ersatzvornahme (vgl. § 8 Nr. 5 Satz 2, Nr. 7 LBGS und § 7 Abs. 2 und 3 des zwischen dem Beklagten und der Beigeladenen geschlossenen Vertrags vom 6. Dezember 2006) - hilft über die dargestellten Brüche und Gegensätze nicht hinweg. Denn Adressat dieser Aufsichtsrechte ist allein die Beigeladene, nicht aber der Kläger als Bewährungshelfer. Ihn schützen diese Aufsichtsrechte des Beklagten allenfalls mittelbar. Er kann daraus insbesondere nicht erkennen, wer sein Vorgesetzter im Sinne des Dienstrechts ist und wessen Weisungen er zu befolgen hat.

45

Das bestehende Regelungskonzept ist darüber hinaus in wesentlichen Punkten lückenhaft und unvollständig, weil Zentralfragen des Anordnungsrechts der Beigeladenen nicht normiert worden sind. Dem Gesetz kann nicht mit ausreichender Bestimmtheit entnommen werden, welche Mitarbeiter der Beigeladenen dem Kläger gegenüber anordnungsbefugt sind. Die Bestimmungen klären nicht, in welcher Beziehung das Weisungsrecht des Vorgesetzten zur Anordnungsbefugnis der Beigeladenen steht. Die Normen lassen schließlich offen, wie und auf welchem Wege der Kläger sich gegen rechtswidrige Anordnungen der Beigeladenen wenden kann. Der Beamte wird damit einerseits mit dem vollen Risiko der Rechtmäßigkeit seiner Tätigkeit für die Beigeladene belastet, andererseits aber mit einer Disziplinarmaßnahme im Falle der Weigerung bedroht.

46

Enthält eine Bestimmung die für ihre Anwendung notwendigen Regelungen nicht und kann die für einen Vollzug unverzichtbare Vollständigkeit auch nicht im Wege der Auslegung gewonnen werden, kann sie jedenfalls keine disziplinarmaßnahmenbewehrte Befolgungspflicht für Beamte auslösen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 2011 - 2 C 50.10 - Buchholz 230 § 128 BRRG Nr. 9 Rn. 7 ff.). Die in § 8 LBGS enthaltenen Bestimmungen sind daher nicht geeignet, Anordnungsbefugnisse der Beigeladenen und eine hiermit korrespondierende Befolgungspflicht des Klägers zu begründen.

47

4. Diese Feststellung kann und muss der Senat selbst ohne vorherige Vorlage an das Bundesverfassungsgericht oder den Staatsgerichtshof Baden-Württemberg aussprechen.

48

a) Nach Art. 100 Abs. 1 GG hat ein Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen, wenn es ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig (Satz 1) oder bundesrechtswidrig (Satz 2) hält. Kann eine begehrte Feststellung nur bei Annahme der Ungültigkeit eines Landesgesetzes wegen Verstoßes gegen das Grundgesetz oder sonstiges Bundesrecht ausgesprochen werden, ist ein Verwaltungsgericht daher an einer eigenständigen Entscheidung gehindert. Der Ausspruch setzt die Ungültigkeit des Landesgesetzes voraus, zu dessen Feststellung nur das Bundesverfassungsgericht berufen ist (Art. 100 Abs. 1 Satz 2 GG).

49

Dem Entscheidungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts sind aber nur diejenigen Fälle unterstellt, in denen sich die Ungültigkeit des Landesgesetzes aus höherrangigem Bundesrecht ergibt (Art. 31 GG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gilt auch dies nur dann, wenn es um früher erlassenes Bundesrecht geht. Sinn des Art. 100 Abs. 1 GG ist es nicht, den Gerichten die Kompetenz zur Prüfung der Gültigkeit von Gesetzen allgemein, sondern nur dann zu entziehen, wenn damit der Vorwurf an den Landesgesetzgeber verbunden ist, er habe bei Erlass seines Gesetzes übergeordnetes Bundesrecht nicht beachtet (BVerfG, Beschlüsse vom 6. Oktober 1959 - 1 BvL 13/58 - BVerfGE 10, 124 <128>, vom 23. März 1982 - 2 BvL 13/79 - BVerfGE 60, 135 <153> und vom 6. Dezember 1983 - 2 BvL 1/82 - BVerfGE 65, 359 <373>; ebenso BVerwG, Urteile vom 16. Mai 2000 - BVerwG 3 C 2.00 - Buchholz 316 § 13 VwVfG Nr. 2 S. 1<3> und vom 26. April 2006 - BVerwG 7 C 15.05 - BVerwGE 126, 1 Rn. 8).

50

Entsprechend setzt eine Vorlage an den Staatsgerichtshof Baden-Württemberg voraus, dass die Vereinbarkeit eines Landesgesetzes mit der Landesverfassung in Frage gestellt ist (Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG; Art. 68 Abs. 1 Nr. 3 der Verfassung des Landes Baden-Württemberg vom 11. November 1953, GBl. S. 173, zuletzt geändert durch Gesetz vom 7. Dezember 2011, GBl. S. 46, sowie § 51 des Gesetzes über den Staatsgerichtshof vom 13. Dezember 1954, GBl. S. 171, zuletzt geändert durch Gesetz vom 13. November 2012, GBl. S. 569).

51

Außerhalb der durch Art. 100 Abs. 1 GG geregelten Fallkonstellationen von Normenkollisionen verbleibt es bei der Entscheidungskompetenz der zuständigen Gerichte (Benda/Klein, Verfassungsprozessrecht, 3. Aufl. 2012, Rn. 753; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 27. November 1992 - 8 C 9.91 - Buchholz 406.11 § 127 BBauG/BauGB Nr. 64 S. 77).

52

b) Um einen Fall der vermeintlichen Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit Bundesrecht oder der Landesverfassung geht es hier aber nicht. Der Feststellungsausspruch des Senats beruht nicht auf der Annahme, das Landesgesetz über die Bewährungs- und Gerichtshilfe sowie die Sozialarbeit im Justizvollzug sei mit höherrangigem Recht nicht vereinbar. Die Entscheidung beruht vielmehr zum einen darauf, dass der Gesetzgeber im Hinblick auf die Weisungsgebundenheit der Beamten beim Erlass des Landesgesetzes das Verhältnis zu den allgemeinen Bestimmungen des Landesbeamtengesetzes vom 19. März 1996 im Unklaren gelassen hat. Zum anderen hat der Gesetzgeber im Landesgesetz in Bezug auf die Weisungsbefugnisse gegenüber den Beamten, deren Übertragung auf die Beigeladene sich der Beklagte und die Beigeladene berühmen, eine Regelung voller schwerwiegender Widersprüche geschaffen, die auch im Wege der Auslegung des Gesetzes nicht aufzulösen sind. Der einfachgesetzliche Normbefund ergibt vielmehr, dass es sich - wie dargestellt - um ein in mehrfacher Hinsicht "imperfektes" Regelungsgefüge handelt.

53

5. Um die Funktionsfähigkeit der Bewährungs- und Gerichtshilfe in Baden-Württemberg nicht zu gefährden und das Regelungsdefizit für die in diesem Bereich notwendigen Weisungen nicht zu vertiefen, kann der Zustand, der sich in der Praxis auf Grundlage des Landesgesetzes über die Bewährungs- und Gerichtshilfe sowie die Sozialarbeit im Justizvollzug und des zwischen dem Beklagten und der Beilgeladenen geschlossenen Vertrags herausgebildet hat, noch für einen Übergangszeitraum, längstens aber bis Ende 2016, hingenommen werden (vgl. BVerwG, Urteile vom 17. Juni 2004 - 2 C 50.02 - BVerwGE 121, 103 <111> und vom 30. August 2012 - 2 C 23.10 - BVerwGE 144, 93 Rn. 16).

54

Allerdings muss gewährleistet werden, dass die beamteten Bewährungs- und Gerichtshelfer generelle Standards und Vorgaben der Beigeladenen nur dann befolgen müssen, wenn der Beklagte diesen vorab zugestimmt und sie seinen Beamten gegenüber für verbindlich erklärt hat. Darüber hinaus muss sichergestellt sein, dass sich die beamteten Bewährungs- und Gerichtshelfer mit Bedenken gegen die Anordnungen der Beigeladenen unmittelbar an eine Stelle ihres Dienstherrn wenden können, ohne vorab den betriebsinternen Dienstweg der Beigeladenen durchlaufen zu müssen.

55

6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 3 VwGO.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig.

(2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig.

(2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 449/13
vom
21. August 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung mit Todesfolge
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. August 2013 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kempten (Allg.) vom 4. April 2013 mit den Feststellungen aufgehoben, ausgenommen sind die Feststellungen zum Tatgeschehen; insoweit wird die weitergehende Revision verworfen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


I.


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Urteils.
2
1. Am 22. Mai 2012 wollte der Geschädigte S. , 176 cm groß und ca. 72 kg schwer, der zu diesem Zeitpunkt bereits erheblich alkoholisiert war, gegen 19:00 Uhr Sc. in K. besuchen. Er hatte eine Flasche Wodka besorgt, welche er mit Sc. zusammen trinken wollte. Als dieser die Wohnungstüre nicht öffnete, begab sich der Geschädigte S. im selben Haus ein Stockwerk höher zur Wohnung des Angeklagten, den er einige Tage zuvor in der Wohnung des Sc. kennengelernt hatte. Der Angeklagte, 180 cm groß und 80 kg schwer, ließ ihn ein und man trank zusammen Wodka mit Eistee, bis die Flasche leer war. Kurz vor 22:00 Uhr wollte der Angeklagte zu Bett gehen und bot dem erheblich betrunkenen Geschädigten S. an, er könne auf seiner Couch übernachten. Als er ins Schlafzimmer gehen wollte, zog der Geschädigte S., der zu diesem Zeitpunkt eine Blutalkoholkonzentration von 2,76 Promille aufwies, den Angeklagten, der mit maximal 2,02 Promille ebenfalls nicht unerheblich alkoholisiert war, kräftig und ruckartig auf die Couch zurück. Gleichzeitig sagte der Geschädigte S., der nicht damit einverstanden war, dass der Abend nun beendet werden sollte, in strengem Ton: „Sitzen!“ Der An- geklagte wiederholte, dass er jetzt müde sei und schlafen gehen möchte. Er stand erneut von der Couch auf, wurde jedoch wiederum vom Geschädigten S. zurückgezogen. Zudem versetzte der Geschädigte S. dem Angeklagten einen kräftigen Schlag mit der Faust gegen den Kopf oberhalb des linken Ohres. Als er dann noch ein weiteres Mal auf den Gesichtsbereich des Angeklagten einschlagen wollte, konnte dieser dem Schlag reflexartig ausweichen. Obgleich der Angeklagte nun dem Geschädigten S. eindringlich sagte, dass er damit aufhören solle und dass jetzt Schluss sei, ließ dieser sich nicht beruhigen, war weiterhin aggressiv und wollte abermals mit den Fäusten auf den Angeklagten einschlagen. Diese Schlagversuche konnte der Angeklagte jedoch abwehren, wobei er den Geschädigten S. seinerseits mit der Faust und mit erheblicher Wucht im Gesicht traf. Obgleich er nun wiederholt äußerte, der Geschädigte S. solle aufhören, ließ sich dieser weder hiervon, noch von den eingesteckten Treffern abhalten. Er versuchte weiter, auf den Angeklagten einzuschlagen. Schließlich konnte der Angeklagte, welcher in jungen Jahren Judo und Karate als Wettkampfsport betrieben, allerdings seit langem nicht mehr aktiv trainiert hatte, bei dem Geschädigten S. einen Armhebel ansetzen und dessen rechte Hand rücklings auf den Rücken drehen. Solchermaßen fixiert wollte er ihn aus der Wohnung werfen, was aber nicht gelang, da der Geschädigte S. versuchte, sich aus dem Armhaltegriff herauszudrehen. Der Angeklagte befürchtete nun, dass der Geschädigte S., wenn er sich befreien könnte, erneut auf ihn losgehen und auf ihn einschlagen werde. Um dies zu verhindern, nahm er den Geschädigten S. von hinten stehend mit seinem linken Arm in den Schwitzkasten bzw. Würgegriff und drückte zu. Als der Geschädigte S. nach einer nicht genau feststellbaren Zeitspanne dadurch schwächer wurde, konnte der Angeklagte ihn immer noch im Schwitzkasten haltend zu Boden bringen. Um den Angriff zu beenden, hielt der Angeklagte den Geschädigten S. weiter über einen Zeitraum von jedenfalls einer Minute fest im Schwitzkasten, wobei er wusste, dass dies grundsätzlich eine das Leben gefährdende Behandlung darstellt und es etwa durch ein Abdrücken beider Halsschlagadern zu einer tödlich verlaufenden Sauerstoffunterversorgung des Gehirns kommen kann. Obwohl der Geschädigte S. sich nicht mehr wehrte, hielt ihn der Angeklagte weiter fest im Würgegriff, da er nicht sicher war, ob der Geschädigte S. lediglich simulierte. Noch während er den Geschädigten S. auf diese Weise hielt, rief der Angeklagte, der zu diesem Zeitpunkt leicht schwerfällig atmete, den Notruf der Polizei an, um deren Hilfe herbeizurufen. Nachdem er diesen Anruf nach einer Minute und 19 Sekunden beendet hatte, bemerkte der Angeklagte, dass der Geschädigte S. nicht mehr atmete. Er rief daraufhin zunächst einen Bekannten an, um mit ihm zu besprechen , was er nun tun solle. Entsprechend dem Rat des Bekannten rief er dann die Rettungsleitstelle an, um weitere Hilfe herbeizurufen. Zu diesem Zeitpunkt trafen bereits die herbeigerufene Polizei und kurze Zeit später der Notarzt ein. Der Notarzt konnte den Geschädigten S. nicht mehr reanimieren. Dieser war aufgrund einer Sauerstoffunterversorgung des Gehirns infolge eines beidseitigen Abdrückens der Halsschlagader bereits tot.
3
2. Die Strafkammer ist aufgrund dieser Feststellungen davon ausgegangen , dass der Angeklagte zunächst in Notwehr handelte, als er die Schläge des Geschädigten S. abwehrte, und es dabei auch noch von der Erforderlichkeit im Sinne von § 32 Abs. 2 StGB gedeckt war, den Angreifer von hinten in den Würgegriff bzw. Schwitzkasten zu nehmen und zu Boden zu bringen. Nach Auffassung der Strafkammer sei jedoch aufgrund der konkreten Kampfsituation der fortdauernde Würgegriff am Boden nicht mehr erforderlich gewesen, um den Angriff zu beenden. Der Umstand, dass der Angeklagte befürchtete, der Angreifer könne simulieren, könne ihn nicht entlasten. Vielmehr habe der Angeklagte den am Boden liegenden Geschädigten S. nun lediglich in einen Haltegriff nehmen und am Boden fixieren können.

II.


4
Das angefochtene Urteil kann keinen Bestand haben, weil die Feststellungen des Landgerichts eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Körperverletzung mit Todesfolge nicht tragen. Denn das Schwurgericht hat sich nicht mit der Frage eines Erlaubnistatbestandsirrtums des Angeklagten auseinandergesetzt und diesbezüglich auch dessen Vorstellungsbild nicht umfassend geprüft.
5
1. Zutreffend geht allerdings das Landgericht davon aus, dass der Angeklagte zunächst in Notwehr gehandelt hat, als er den Geschädigten S. in den "Schwitzkasten" genommen hat.
6
a) Eine in einer objektiven Notwehrlage verübte Tat ist nach § 32 Abs. 2 StGB gerechtfertigt, wenn sie zu einer sofortigen und endgültigen Abwehr des Angriffs führt und es sich bei ihr um das mildeste Abwehrmittel handelt, das dem Angegriffenen in der konkreten Situation zur Verfügung stand (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 21. März 1996 - 5 StR 432/95, BGHSt 42, 97, 100 mwN). Ob dies der Fall ist, muss auf der Grundlage einer objektiven exante -Betrachtung entschieden werden (BGH, Urteil vom 24. Juni 1998 - 3 StR 186/98, BGHR StGB § 32 Abs. 2 Erforderlichkeit 14). Dabei kommt es auf die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Verteidigungshandlung an (BGH, Urteil vom 28. Februar 1989 - 1 StR 741/88, NJW 1989, 3027; Beschluss vom 5. November 1982 - 3 StR 375/82, NStZ 1983, 117).
7
b) Für den Angeklagten gab es in der Situation hier zum - lediglich mit Körperverletzungswillen vorgenommenen - Anlegen des Würgegriffs (jedenfalls zunächst) keine mildere Handlungsalternative: Auf die mehrfache Aufforderung zu Beginn der auch vom Angeklagten gegenüber seinem gewaltbereiten Gegner mit bloßer Körperkraft ausgetragenen Auseinandersetzung, mit seinen Angriffen aufzuhören, ist dieser nämlich nicht eingegangen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 11. September 1995 - 4 StR 294/95, NStZ 1996, 29).
8
c) Die Notwehrsituation ist allerdings jedenfalls dann beendet gewesen, als der Geschädigte S. kampfunfähig zu Boden gebracht wurde. Die Rechtfertigung des Würgegriffs entfiel objektiv, als der Geschädigte S. am Boden liegend schwächer wurde, ruhig war und sich nicht mehr wehrte.
9
2. Demgegenüber begegnet die Annahme des Landgerichts, dass die weitere Aufrechterhaltung des "Schwitzkastens" eine vorsätzliche Körperverletzung im Sinne der §§ 223 ff. StGB darstellt, durchgreifenden Bedenken. Es übersieht, dass die Frage des Vorliegens einer vorsätzlichen Körperverletzung nach dem subjektiven Vorstellungsbild des Angeklagten zu entscheiden ist. Hätte der Angeklagte nämlich nicht erkannt, dass die Notwehrlage infolge der eingetretenen Kampfunfähigkeit des Geschädigten S. entfallen war, dann läge ein Irrtum im Sinne des § 16 StGB vor. Denn die irrige Annahme eines rechtfertigenden Sachverhalts wäre wie ein den Vorsatz ausschließender Irrtum über Tatumstände nach § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB zu bewerten (st. Rspr.; BGH, Urteile vom 10. März 1983 - 4 StR 375/82, BGHSt 31, 264, 286 f.; vom 10. Februar 2000 - 4 StR 558/99, BGHSt 45, 378, 383 f.; und vom 29. Juni 1995 - 4 StR 760/94, NStZ 1996, 34, 35), so dass der Vorwurf (vorsätzlicher) Körperverletzung mit Todesfolge entfiele.
10
a) Das Landgericht hat nicht mit Tatsachen belegt, weshalb der Angeklagte habe erkennen müssen, dass es ausreichte, den Geschädigten S. nur noch mit einem Haltegriff festzuhalten, als er mit dem Angeklagten auf dem Boden lag. Dies hätte besonderer Erörterung auch daher bedurft, weil der Geschädigte S. sich bereits zuvor aus einem solchen Haltegriff zu befreien versucht hatte (UA S. 7). Die Ausführungen des Schwurgerichts beschränken sich auf die Feststellung, dass in der gesamten Wohnung keine erheblichen Kampfspuren festgestellt wurden, was aber gerade deswegen wenig verwunderlich ist, weil sich das Geschehen letztlich im Wesentlichen nur dort zugetragen hat, wo die Kontrahenten zu Fall kamen.
11
b) Die getroffenen Feststellungen, insbesondere der Gesprächsablauf und die Äußerungen des Angeklagten beim ersten Notruf bei der Polizei, legen die Annahme nahe, dass der Angeklagte auch noch beim Fixieren des Geschädigten S. im „Schwitzkasten“ auf dem Boden liegend davon ausging, dass seine Handlung erforderlich sei, um zu verhindern, dass der Geschädigte S. erneut auf ihn losgeht und ihn schlägt. Das Schwurgericht hat hierzu festgestellt, dass der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt nicht sicher war, ob der Geschädigte S. lediglich simuliere. Wenn der Angeklagte tatsächlich glaubte, dass der Geschädigte S. sich nur deswegen nicht mehr wehrte, um freizukommen und seine unberechtigten Angriffe gegen den Angeklagten fortzusetzen, wäre der Angeklagte von einer noch andauernden Notwehrsituation ausgegangen, auch wenn diese tatsächlich nicht mehr gegeben war.
12
c) Soweit das Landgericht ohne weitere Begründung davon ausgegan- gen ist, es könne den Angeklagten nicht entlasten, dass er befürchtete, „der Angreifer könne simulieren“, legtdas nahe, dass es von unzutreffenden Anforderungen an eine Putativnotwehrlage ausgegangen ist. Denn auf der Grundlage der Feststellungen, dass sich der Angeklagte - nach dem rechtsfehlerfrei festgestellten vorausgegangenen provozierenden und aggressiven Verhalten des Geschädigten S. - beim Loslassen des Geschädigten S. einen erneut bevorstehenden Angriff vorstellte, wäre er einem entsprechenden Irrtum unterlegen.
13
Dieser Irrtum des Angeklagten könnte aber auf einer Außerachtlassung der gebotenen und ihm persönlich zuzumutenden Sorgfalt beruhen, so dass er wegen fahrlässiger Tötung zu bestrafen wäre (§ 16 Abs. 1 Satz 2 StGB; vgl. BGH, Urteile vom 10. Februar 2000 - 4 StR 558/99, BGHSt 45, 378, 384 f.; und vom 18. September 1991 - 2 StR 288/91, NJW 1992, 516, 517), wobei in diesem Zusammenhang insbesondere zu berücksichtigen wäre, dass ihm die Gefährlichkeit des Würgegriffs bekannt war.
14
3. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen können aufrechterhalten bleiben (§ 349 Abs. 2 StPO).
Raum Wahl Graf
RinBGH Cirener befindet sich auf Dienstreise und ist an der Unterschriftsleistung gehindert.
Jäger Raum

Fehlt dem Täter bei Begehung der Tat die Einsicht, Unrecht zu tun, so handelt er ohne Schuld, wenn er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte. Konnte der Täter den Irrtum vermeiden, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

7
a) Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Es ist seine Aufgabe, auf Grund der Hauptverhandlung die wesentlichen be- und entlastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Das Revisionsgericht kann nur eingreifen, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstoßen wird oder sich die verhängte Strafe von ihrer Bestimmung eines gerechten Schuldausgleichs so weit löst, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatgerichts eingeräumten Spielraums liegt. Dagegen ist eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ausgeschlossen (BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349). Das gilt auch insoweit, als die tatrichterliche Annahme oder Verneinung eines minder schweren Falles zur revisionsgerichtlichen Prüfung steht (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 26. Juli 2006 – 1 StR 150/06, NStZ-RR 2006, 339, 340; vom 12. Januar 2011 – 5 StR 403/10, NStZ-RR 2011, 141, und vom 31. Juli 2014 – 4 StR 216/14 mwN).
15
a) Die von der Revision beanstandete Strafzumessung, zu der auch die Frage gehört, ob ein minder schwerer Fall vorliegt (BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2007 – 5 StR 530/07, NStZ-RR 2008, 310 f.), ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen und gegeneinander abzuwägen. Welchen Umständen er bestimmendes Gewicht beimisst, ist im Wesentlichen seiner Beurteilung überlassen (st. Rspr.; siehe etwa BGH, Urteile vom 30. November 1971 – 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268; vom 29. Juni 1991 – 3 StR 145/91, BGHR StGB § 1, Gesamtwürdigung 7; BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2007 – 5 StR 530/07, NStZ-RR 2008, 310 f.; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 46 Rn. 146 mwN).
5 StR 530/07

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
Vom 18. Dezember 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Dezember 2007

beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 9. Juli 2007 gemäß § 349 Abs. 4 StPO im Strafausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt und die Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Ihr Rechtsmittel dringt mit der Sachrüge zum Strafausspruch durch. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
a) Die alkoholabhängige Angeklagte lebte seit Ende 1999 mit der Mutter der Nebenklägerin in einer lesbischen Lebensgemeinschaft. Beide Frauen sprachen übermäßig alkoholischen Getränken zu; unter deren Einfluss kam es zu Streitigkeiten und tätlichen Angriffen der Angeklagten auf ihre Partne- rin. Ihr Verhältnis war von wechselseitiger heftiger Eifersucht geprägt. Die Angeklagte verletzte ihre Lebensgefährtin am 4. Dezember 2004 mit einem Messer (BAK über 2 ‰) und am 19. Mai 2005 mit Faustschlägen und Tritten (BAK über 1,5 ‰). Dieserhalb wurde die Angeklagte vom Amtsgericht Plauen am 7. Dezember 2005 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt.
4
Am nächsten Abend kam es nach erneutem Alkoholkonsum in der gemeinsamen Wohnung zu einem weiteren heftigen Streit. Die Lebensgefährtin der Angeklagten warf dieser vor, ihr untreu zu sein, und machte ihr Vorhaltungen wegen der Gerichtsverhandlung vom Vortag. Schließlich tötete die Angeklagte ihre Partnerin mit sechs Stichen. Sie ließ die Getötete liegen, zog aus und vertuschte die Tat gegenüber Dritten bis Ende April 2006.
5
b) Das Landgericht schloss – dem psychiatrischen Sachverständigen folgend – eine Schuldunfähigkeit aus und nahm Zeichen einer anderen schweren seelischen Abartigkeit im Umfang des § 21 StGB an: „Diese lägen in einer Alkoholabhängigkeit der Angeklagten und einer problematischen Persönlichkeitsentwicklung mit deutlichen Zügen von Dissozialität und emotionaler Instabilität begründet. Die schwere seelische Abartigkeit in Kombination mit der tataktuellen Alkoholisierung wäre ausreichend – bei bestehender Einsichtsfähigkeit –, die Steuerungsfähigkeit der Angeklagten erheblich einzuschränken (§ 21 StGB).“
6
c) Das Landgericht hat die Annahme eines sonstigen minder schweren Falles im Sinne des § 213 StGB mit folgenden Erwägungen abgelehnt: „Die Kammer beachtete zu Gunsten der Angeklagten, dass der Tat ein Streit zwischen Täter und Opfer vorausging und geht von einer spontanen Tatbegehung aus. Diesem Aspekt steht entgegen, dass die Angeklagte mit überaus roher Gesinnung G. tötete. Sowohl die konkrete Begehungsweise als auch das Verhalten nach der Tat sprechen gegen die Annahme eines minder schweren Falles (UA S. 28).“
7
Die Schwurgerichtskammer hat eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB wegen „Alkoholgewöhnung“ abgelehnt, „da die Angeklagte … bereits vor dieser Tat die Neigung zeigte, nach Alkoholgenuss Straftaten unter Gewaltanwendung gegen Leib und Leben eines Anderen zu begehen und sich die Angeklagte dieser Neigung bewusst war oder zumindest bewusst hätte sein können“ (UA S. 29).
8
2. Zwar ist die Strafzumessung, zu der auch die Frage gehört, ob ein minder schwerer Fall vorliegt, grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen und gegeneinander abzuwägen. Welchen Umständen er bestimmendes Gewicht beimisst, ist im Wesentlichen seiner Beurteilung überlassen (st. Rspr. vgl. nur BGHSt 3, 179; 24, 268; BGHR StGB vor § 1/minder schwerer Fall Gesamtwürdigung 7). Das Revisionsgericht darf die Gesamtwürdigung nicht selbst vornehmen, sondern nur nachprüfen, ob dem Tatrichter bei seiner Entscheidung ein Rechtsfehler unterlaufen ist (vgl. BGHSt 29, 319, 320; BGHR aaO). Dies ist hier der Fall.
9
a) Die Annahme des Landgerichts, die Angeklagte habe ihre Partnerin aus überaus roher Gesinnung getötet, entbehrt einer tatsächlichen Grundlage (vgl. BGH StV 2002, 235 m.w.N.). Einer solchen Annahme stehen der festgestellte Streit und die von dem Opfer erhobenen Vorwürfe entgegen.
10
b) Soweit das Landgericht die Tatmodalitäten strafschärfend gewertet hat, besorgt der Senat, dass die Schwurgerichtskammer die Tatausführung bei den hier vorliegenden Voraussetzungen einer verminderten Schuldfähigkeit über das Maß der geminderten Schuld hinaus der Angeklagten angelastet hat (vgl. BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 38; BGHR StV 2005, 495).
11
Gegenstand c) eines auf das Verhalten nach der Tat gestützten schulderhöhenden Umstands könnte vorliegend die Einstellung der Angeklagten zur Tat sein (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 9). Indes hat das Landgericht keine Feststellungen getroffen, aus denen die dafür gebotene besondere Missachtung gerade des Tatopfers spricht (vgl. BGHR aaO Nachtatverhalten 11; Schäfer, Praxis der Strafzumessung 3. Aufl. Rdn. 376).
12
3. Die Strafe muss demnach neu bemessen werden. Bei dem hier vorliegenden Wertungsfehler bedarf es keiner Aufhebung von Feststellungen.
13
Der Senat weist darauf hin, dass – sollte eine erneute Entscheidung über eine Strafrahmenverschiebung erforderlich werden – zu erwägen sein wird, ob der Angeklagten ihr Alkoholkonsum im Blick auf ihre Alkoholabhängigkeit und ihres Hanges, Alkohol im Übermaß zu konsumieren (UA S. 30) uneingeschränkt vorgeworfen werden kann (vgl. BGHSt 49, 239, 254; Tröndle /Fischer, StGB 54. Aufl. § 21 Rdn. 26).
14
Jedenfalls wird der neue Tatrichter die Vollstreckungsreihenfolge anhand des jetzt geltenden § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB zu prüfen haben (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2007 – 5 StR 374/07). Gerhardt Raum Brause Schaal Jäger
7
a) Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Es ist seine Aufgabe, auf Grund der Hauptverhandlung die wesentlichen be- und entlastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Das Revisionsgericht kann nur eingreifen, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstoßen wird oder sich die verhängte Strafe von ihrer Bestimmung eines gerechten Schuldausgleichs so weit löst, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatgerichts eingeräumten Spielraums liegt. Dagegen ist eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ausgeschlossen (BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349). Das gilt auch insoweit, als die tatrichterliche Annahme oder Verneinung eines minder schweren Falles zur revisionsgerichtlichen Prüfung steht (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 26. Juli 2006 – 1 StR 150/06, NStZ-RR 2006, 339, 340; vom 12. Januar 2011 – 5 StR 403/10, NStZ-RR 2011, 141, und vom 31. Juli 2014 – 4 StR 216/14 mwN).
4
Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist nur möglich, wenn die Strafzumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein. Dagegen ist eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ausgeschlossen (BGH, Beschluss vom 10. April 1987 - GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349). Das gilt auch insoweit, als die tatrichterliche Annahme oder Verneinung eines minder schweren Falles zur revisionsgerichtlichen Prüfung steht (st. Rspr.; vgl.
5 StR 530/07

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
Vom 18. Dezember 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Dezember 2007

beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 9. Juli 2007 gemäß § 349 Abs. 4 StPO im Strafausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt und die Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Ihr Rechtsmittel dringt mit der Sachrüge zum Strafausspruch durch. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
a) Die alkoholabhängige Angeklagte lebte seit Ende 1999 mit der Mutter der Nebenklägerin in einer lesbischen Lebensgemeinschaft. Beide Frauen sprachen übermäßig alkoholischen Getränken zu; unter deren Einfluss kam es zu Streitigkeiten und tätlichen Angriffen der Angeklagten auf ihre Partne- rin. Ihr Verhältnis war von wechselseitiger heftiger Eifersucht geprägt. Die Angeklagte verletzte ihre Lebensgefährtin am 4. Dezember 2004 mit einem Messer (BAK über 2 ‰) und am 19. Mai 2005 mit Faustschlägen und Tritten (BAK über 1,5 ‰). Dieserhalb wurde die Angeklagte vom Amtsgericht Plauen am 7. Dezember 2005 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt.
4
Am nächsten Abend kam es nach erneutem Alkoholkonsum in der gemeinsamen Wohnung zu einem weiteren heftigen Streit. Die Lebensgefährtin der Angeklagten warf dieser vor, ihr untreu zu sein, und machte ihr Vorhaltungen wegen der Gerichtsverhandlung vom Vortag. Schließlich tötete die Angeklagte ihre Partnerin mit sechs Stichen. Sie ließ die Getötete liegen, zog aus und vertuschte die Tat gegenüber Dritten bis Ende April 2006.
5
b) Das Landgericht schloss – dem psychiatrischen Sachverständigen folgend – eine Schuldunfähigkeit aus und nahm Zeichen einer anderen schweren seelischen Abartigkeit im Umfang des § 21 StGB an: „Diese lägen in einer Alkoholabhängigkeit der Angeklagten und einer problematischen Persönlichkeitsentwicklung mit deutlichen Zügen von Dissozialität und emotionaler Instabilität begründet. Die schwere seelische Abartigkeit in Kombination mit der tataktuellen Alkoholisierung wäre ausreichend – bei bestehender Einsichtsfähigkeit –, die Steuerungsfähigkeit der Angeklagten erheblich einzuschränken (§ 21 StGB).“
6
c) Das Landgericht hat die Annahme eines sonstigen minder schweren Falles im Sinne des § 213 StGB mit folgenden Erwägungen abgelehnt: „Die Kammer beachtete zu Gunsten der Angeklagten, dass der Tat ein Streit zwischen Täter und Opfer vorausging und geht von einer spontanen Tatbegehung aus. Diesem Aspekt steht entgegen, dass die Angeklagte mit überaus roher Gesinnung G. tötete. Sowohl die konkrete Begehungsweise als auch das Verhalten nach der Tat sprechen gegen die Annahme eines minder schweren Falles (UA S. 28).“
7
Die Schwurgerichtskammer hat eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB wegen „Alkoholgewöhnung“ abgelehnt, „da die Angeklagte … bereits vor dieser Tat die Neigung zeigte, nach Alkoholgenuss Straftaten unter Gewaltanwendung gegen Leib und Leben eines Anderen zu begehen und sich die Angeklagte dieser Neigung bewusst war oder zumindest bewusst hätte sein können“ (UA S. 29).
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2. Zwar ist die Strafzumessung, zu der auch die Frage gehört, ob ein minder schwerer Fall vorliegt, grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen und gegeneinander abzuwägen. Welchen Umständen er bestimmendes Gewicht beimisst, ist im Wesentlichen seiner Beurteilung überlassen (st. Rspr. vgl. nur BGHSt 3, 179; 24, 268; BGHR StGB vor § 1/minder schwerer Fall Gesamtwürdigung 7). Das Revisionsgericht darf die Gesamtwürdigung nicht selbst vornehmen, sondern nur nachprüfen, ob dem Tatrichter bei seiner Entscheidung ein Rechtsfehler unterlaufen ist (vgl. BGHSt 29, 319, 320; BGHR aaO). Dies ist hier der Fall.
9
a) Die Annahme des Landgerichts, die Angeklagte habe ihre Partnerin aus überaus roher Gesinnung getötet, entbehrt einer tatsächlichen Grundlage (vgl. BGH StV 2002, 235 m.w.N.). Einer solchen Annahme stehen der festgestellte Streit und die von dem Opfer erhobenen Vorwürfe entgegen.
10
b) Soweit das Landgericht die Tatmodalitäten strafschärfend gewertet hat, besorgt der Senat, dass die Schwurgerichtskammer die Tatausführung bei den hier vorliegenden Voraussetzungen einer verminderten Schuldfähigkeit über das Maß der geminderten Schuld hinaus der Angeklagten angelastet hat (vgl. BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 38; BGHR StV 2005, 495).
11
Gegenstand c) eines auf das Verhalten nach der Tat gestützten schulderhöhenden Umstands könnte vorliegend die Einstellung der Angeklagten zur Tat sein (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 9). Indes hat das Landgericht keine Feststellungen getroffen, aus denen die dafür gebotene besondere Missachtung gerade des Tatopfers spricht (vgl. BGHR aaO Nachtatverhalten 11; Schäfer, Praxis der Strafzumessung 3. Aufl. Rdn. 376).
12
3. Die Strafe muss demnach neu bemessen werden. Bei dem hier vorliegenden Wertungsfehler bedarf es keiner Aufhebung von Feststellungen.
13
Der Senat weist darauf hin, dass – sollte eine erneute Entscheidung über eine Strafrahmenverschiebung erforderlich werden – zu erwägen sein wird, ob der Angeklagten ihr Alkoholkonsum im Blick auf ihre Alkoholabhängigkeit und ihres Hanges, Alkohol im Übermaß zu konsumieren (UA S. 30) uneingeschränkt vorgeworfen werden kann (vgl. BGHSt 49, 239, 254; Tröndle /Fischer, StGB 54. Aufl. § 21 Rdn. 26).
14
Jedenfalls wird der neue Tatrichter die Vollstreckungsreihenfolge anhand des jetzt geltenden § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB zu prüfen haben (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2007 – 5 StR 374/07). Gerhardt Raum Brause Schaal Jäger
15
a) Die von der Revision beanstandete Strafzumessung, zu der auch die Frage gehört, ob ein minder schwerer Fall vorliegt (BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2007 – 5 StR 530/07, NStZ-RR 2008, 310 f.), ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen und gegeneinander abzuwägen. Welchen Umständen er bestimmendes Gewicht beimisst, ist im Wesentlichen seiner Beurteilung überlassen (st. Rspr.; siehe etwa BGH, Urteile vom 30. November 1971 – 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268; vom 29. Juni 1991 – 3 StR 145/91, BGHR StGB § 1, Gesamtwürdigung 7; BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2007 – 5 StR 530/07, NStZ-RR 2008, 310 f.; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 46 Rn. 146 mwN).
5 StR 530/07

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
Vom 18. Dezember 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Dezember 2007

beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 9. Juli 2007 gemäß § 349 Abs. 4 StPO im Strafausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt und die Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Ihr Rechtsmittel dringt mit der Sachrüge zum Strafausspruch durch. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
a) Die alkoholabhängige Angeklagte lebte seit Ende 1999 mit der Mutter der Nebenklägerin in einer lesbischen Lebensgemeinschaft. Beide Frauen sprachen übermäßig alkoholischen Getränken zu; unter deren Einfluss kam es zu Streitigkeiten und tätlichen Angriffen der Angeklagten auf ihre Partne- rin. Ihr Verhältnis war von wechselseitiger heftiger Eifersucht geprägt. Die Angeklagte verletzte ihre Lebensgefährtin am 4. Dezember 2004 mit einem Messer (BAK über 2 ‰) und am 19. Mai 2005 mit Faustschlägen und Tritten (BAK über 1,5 ‰). Dieserhalb wurde die Angeklagte vom Amtsgericht Plauen am 7. Dezember 2005 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt.
4
Am nächsten Abend kam es nach erneutem Alkoholkonsum in der gemeinsamen Wohnung zu einem weiteren heftigen Streit. Die Lebensgefährtin der Angeklagten warf dieser vor, ihr untreu zu sein, und machte ihr Vorhaltungen wegen der Gerichtsverhandlung vom Vortag. Schließlich tötete die Angeklagte ihre Partnerin mit sechs Stichen. Sie ließ die Getötete liegen, zog aus und vertuschte die Tat gegenüber Dritten bis Ende April 2006.
5
b) Das Landgericht schloss – dem psychiatrischen Sachverständigen folgend – eine Schuldunfähigkeit aus und nahm Zeichen einer anderen schweren seelischen Abartigkeit im Umfang des § 21 StGB an: „Diese lägen in einer Alkoholabhängigkeit der Angeklagten und einer problematischen Persönlichkeitsentwicklung mit deutlichen Zügen von Dissozialität und emotionaler Instabilität begründet. Die schwere seelische Abartigkeit in Kombination mit der tataktuellen Alkoholisierung wäre ausreichend – bei bestehender Einsichtsfähigkeit –, die Steuerungsfähigkeit der Angeklagten erheblich einzuschränken (§ 21 StGB).“
6
c) Das Landgericht hat die Annahme eines sonstigen minder schweren Falles im Sinne des § 213 StGB mit folgenden Erwägungen abgelehnt: „Die Kammer beachtete zu Gunsten der Angeklagten, dass der Tat ein Streit zwischen Täter und Opfer vorausging und geht von einer spontanen Tatbegehung aus. Diesem Aspekt steht entgegen, dass die Angeklagte mit überaus roher Gesinnung G. tötete. Sowohl die konkrete Begehungsweise als auch das Verhalten nach der Tat sprechen gegen die Annahme eines minder schweren Falles (UA S. 28).“
7
Die Schwurgerichtskammer hat eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB wegen „Alkoholgewöhnung“ abgelehnt, „da die Angeklagte … bereits vor dieser Tat die Neigung zeigte, nach Alkoholgenuss Straftaten unter Gewaltanwendung gegen Leib und Leben eines Anderen zu begehen und sich die Angeklagte dieser Neigung bewusst war oder zumindest bewusst hätte sein können“ (UA S. 29).
8
2. Zwar ist die Strafzumessung, zu der auch die Frage gehört, ob ein minder schwerer Fall vorliegt, grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen und gegeneinander abzuwägen. Welchen Umständen er bestimmendes Gewicht beimisst, ist im Wesentlichen seiner Beurteilung überlassen (st. Rspr. vgl. nur BGHSt 3, 179; 24, 268; BGHR StGB vor § 1/minder schwerer Fall Gesamtwürdigung 7). Das Revisionsgericht darf die Gesamtwürdigung nicht selbst vornehmen, sondern nur nachprüfen, ob dem Tatrichter bei seiner Entscheidung ein Rechtsfehler unterlaufen ist (vgl. BGHSt 29, 319, 320; BGHR aaO). Dies ist hier der Fall.
9
a) Die Annahme des Landgerichts, die Angeklagte habe ihre Partnerin aus überaus roher Gesinnung getötet, entbehrt einer tatsächlichen Grundlage (vgl. BGH StV 2002, 235 m.w.N.). Einer solchen Annahme stehen der festgestellte Streit und die von dem Opfer erhobenen Vorwürfe entgegen.
10
b) Soweit das Landgericht die Tatmodalitäten strafschärfend gewertet hat, besorgt der Senat, dass die Schwurgerichtskammer die Tatausführung bei den hier vorliegenden Voraussetzungen einer verminderten Schuldfähigkeit über das Maß der geminderten Schuld hinaus der Angeklagten angelastet hat (vgl. BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 38; BGHR StV 2005, 495).
11
Gegenstand c) eines auf das Verhalten nach der Tat gestützten schulderhöhenden Umstands könnte vorliegend die Einstellung der Angeklagten zur Tat sein (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 9). Indes hat das Landgericht keine Feststellungen getroffen, aus denen die dafür gebotene besondere Missachtung gerade des Tatopfers spricht (vgl. BGHR aaO Nachtatverhalten 11; Schäfer, Praxis der Strafzumessung 3. Aufl. Rdn. 376).
12
3. Die Strafe muss demnach neu bemessen werden. Bei dem hier vorliegenden Wertungsfehler bedarf es keiner Aufhebung von Feststellungen.
13
Der Senat weist darauf hin, dass – sollte eine erneute Entscheidung über eine Strafrahmenverschiebung erforderlich werden – zu erwägen sein wird, ob der Angeklagten ihr Alkoholkonsum im Blick auf ihre Alkoholabhängigkeit und ihres Hanges, Alkohol im Übermaß zu konsumieren (UA S. 30) uneingeschränkt vorgeworfen werden kann (vgl. BGHSt 49, 239, 254; Tröndle /Fischer, StGB 54. Aufl. § 21 Rdn. 26).
14
Jedenfalls wird der neue Tatrichter die Vollstreckungsreihenfolge anhand des jetzt geltenden § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB zu prüfen haben (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2007 – 5 StR 374/07). Gerhardt Raum Brause Schaal Jäger

War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minder schwerer Fall vor, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

15
a) Die von der Revision beanstandete Strafzumessung, zu der auch die Frage gehört, ob ein minder schwerer Fall vorliegt (BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2007 – 5 StR 530/07, NStZ-RR 2008, 310 f.), ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen und gegeneinander abzuwägen. Welchen Umständen er bestimmendes Gewicht beimisst, ist im Wesentlichen seiner Beurteilung überlassen (st. Rspr.; siehe etwa BGH, Urteile vom 30. November 1971 – 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268; vom 29. Juni 1991 – 3 StR 145/91, BGHR StGB § 1, Gesamtwürdigung 7; BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2007 – 5 StR 530/07, NStZ-RR 2008, 310 f.; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 46 Rn. 146 mwN).

War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minder schwerer Fall vor, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.

(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).

(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.

(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).

(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.