Bundesgerichtshof Urteil, 19. Apr. 2016 - 5 StR 498/15

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:190416U5STR498.15.0
bei uns veröffentlicht am19.04.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 498/15
vom
19. April 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Raubes mit Todesfolge
ECLI:DE:BGH:2016:190416U5STR498.15.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 19. April 2016, an der teilgenommen haben:
Richter Prof. Dr. Sander als Vorsitzender, Richter Dölp, Richter Prof. Dr. König, Richter Dr. Berger, Richter Bellay als beisitzende Richter, Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwältin F. als Verteidigerin, Rechtsanwalt H. als Vertreter der Nebenklägerin T. , Rechtsanwalt P. als Vertreter des Nebenklägers D. , Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 13. April 2015 aufgehoben, jedoch haben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen Bestand.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Raubes mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von 13 Jahren verurteilt. Mit ihren auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revisionen beanstanden die Staatsanwaltschaft und die Nebenkläger, dass das Landgericht einen bedingten Tötungsvorsatz des Angeklagten nicht festgestellt hat. Die Rechtsmittel haben Erfolg.

I.


2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts gewann der gesondert Verfolgte Pa. im Mai 2014 den in Polen vielfach wegen Raub- und Einbruchdiebstahlstaten vorbestraften Angeklagten für die Beteiligung an einem Raubüberfall auf die 84-jährige alleinstehende Dut. . Pa. hatte deren Wohnung und Lebensgewohnheiten zuvor über längere Zeit ausgekundschaftet. Ihm war bekannt, dass sie größere Mengen Bargeld und Schmuck in ihrer Wohnung aufbewahrte. Er wusste ferner, dass sie körperlich gebrechlich war und sich außerhalb ihrer Wohnung nur mit einer Gehhilfe fortbewegen konnte. Pa. wollte den Überfall mit dem gesondert Verfolgten W. und weiteren Personen begehen und hatte dem Angeklagten die Örtlichkeit gezeigt. Nach seinem Plan sollte eine Person an der Wohnungstür klingeln , um sich mit ihm und einem Komplizen unter einem Vorwand Zutritt zur Wohnung zu verschaffen. Gleichzeitig sollte der Angeklagte bei geöffneter Balkontür über den Balkon in die Wohnung einsteigen. Falls Dut. die Wohnungstür nicht öffnen würde, sollte der Angeklagte sie überwältigen und Hilferufe möglichst verhindern. Den übrigen Tatbeteiligten sollte er von innen Einlass verschaffen.
3
Der Angeklagte versuchte in der Folgezeit, den Zeugen C. für eine Tatbeteiligung zu gewinnen. Er zeigte ihm vor Ort, wie er über den Balkon in die Wohnung gelangen wolle, und erklärte, die Überfallene knebeln und bei Bedarf fesseln zu müssen. C. lehnte das Ansinnen des Angeklagten ab und warnte ihn, dass bei dem Überfall auf eine betagte Frau ein „Unglück“ ge- schehen könne, beispielsweise wenn sie einen Herzanfall erleide. Diese Be- denken schob der Angeklagte mit der Hoffnung auf einen „guten“ Ausgang bei- seite.
4
Am Nachmittag des 17. Juni 2014 schien Pa. die Gelegenheit günstig. Er begab sich mit dem Angeklagten und W. zum Wohnhaus des Tatopfers. Spätestens dort kamen noch die in die Tatplanung eingebundene gesondert Verfolgte S. und ein unbekannter Mittäter hinzu. Ein Tatbeteiligter klingelte an der Haustür. Währenddessen stieg der unmaskierte Angeklagte auf den Balkon und betrat durch die offenstehende Balkontür das Wohnzimmer , wo er auf Dut. traf. Um Hilferufe zu unterbinden, nahm er sie von hinten in eine Art „Schwitzkasten“ und übte mit seinem Arm Druck auf ihren Hals aus. Dut. versuchte, sich aus dem Griff des Angeklagten zu befreien. Es gelang ihr, noch mindestens zweimal um Hilfe zu rufen.
5
Neben dem Angeklagten gelangten zumindest Pa. und der unbekannte Mittäter in die Wohnung, während W. und S. sich jedenfalls in ihrer unmittelbaren Nähe aufhielten und die Tatbegehung absicherten. Zumindest der Angeklagte und der unbekannte Mittäter wirkten gewaltsam auf die sich unerwartet heftig wehrende Dut. ein, die dabei erheblich im Gesicht und am Hinterkopf verletzt wurde. Sie wollten die Geschädigte ruhigstellen und dazu zwingen, den Aufbewahrungsort von Wertgegenständen und des Schlüssels zu einem Wandtresor sowie die PIN für die zu ihrem Girokonto gehörenden Bank- und Kreditkarten preiszugeben. Nachdem dies gelungen war, knebelte der Angeklagte sie mit einem Tuch. Beim Hineindrücken des Knebels in die Mundhöhle klappte die Zunge nach hinten in den Rachenbereich und verlegte die Atemwege vollständig. Zudem verknotete der Angeklagte oder ein Mittäter eine Decke fest um ihren Hals. Nach ihrer Misshandlung und Knebelung verbrachte der Angeklagte die Geschädigte ins Badezimmer, legte sie auf dem Fußboden ab und bedeckte ihren Kopf mit einer Decke.
6
Spätestens durch diese Einwirkung auf den Kehlkopfbereich der Geschädigten wurde eine Fraktur des Schildknorpelfortsatzes herbeigeführt. Bei der massiven körperlichen Misshandlung verlor sie ihre beiden Zahnprothesen und erlitt einen acht Zentimeter langen Einriss des Mundwinkels. Sie bekam aufgrund der Knebelung keine Luft mehr und wurde innerhalb von 15 Sekunden bewusstlos. Infolge der Verlegung ihrer Atemwege in Verbindung mit der Gewalteinwirkung gegen ihren Hals durch die fest um ihn verknotete Decke verstarb sie innerhalb von drei Minuten.
7
Noch während der Angeklagte und ein Mittäter auf die Geschädigte gewaltsam einwirkten, begannen die übrigen Täter mit der Suche nach Wertgegenständen , an der sich anschließend auch der Angeklagte beteiligte. Nachdem die Täter bemerkt hatten, dass das Opfer verstorben war, brachen sie die Tatausführung ab und flüchteten.
8
2. Vom Vorliegen eines (bedingten) Tötungsvorsatzes hat sich das Landgericht nicht überzeugen können. Der Angeklagte habe bei Knebelung der Geschädigten nicht beabsichtigt, sie zu töten. Er habe es zwar für möglich gehalten , dass sie infolge der ersichtlich lebensgefährdenden Gewalteinwirkung versterben könne. Vor allem das hohe Alter und die erkennbar beeinträchtigte gesundheitliche Verfassung der Geschädigten hätten die Gefahr eines tödlichen Ausgangs naheliegend erscheinen lassen. Ob der Angeklagte den Tod der Geschädigten billigend in Kauf genommen oder sich damit zumindest abgefunden habe, habe sich aber nicht sicher feststellen lassen. Ihm sei es vornehmlich darum gegangen, die Geschädigte durch die Knebelung ruhigzustellen. Nach allgemeiner Vorstellung werde eine auch massive Knebelung in der Regel nicht als naheliegend oder typischerweise todesverursachende Gewalteinwirkung angesehen (UA S. 19, 59). Andere, viel eher todesursächliche Gewalthandlun- gen seien nicht angewendet worden. Nicht auszuschließen sei, dass der Angeklagte aufgrund der unerwartet starken Gegenwehr der Geschädigten und der hierdurch unvermittelt eskalierenden Tatsituation überfordert gewesen sei und die Heftigkeit der Knebelung sowie die dadurch verursachte Todesgefahr nicht vollständig erkannt habe (UA S. 20, 58 f.). Auch der Umstand, dass der Angeklagte der Geschädigten wegen der Gefahr des Wiedererkennens der Täter eine Decke über den Kopf gelegt habe, spreche dafür, dass der Angeklagte auf ein Überleben der Geschädigten vertraut habe (UA S. 59).

II.


9
1. Die Beweiswürdigung des Landgerichts zum Tötungsvorsatz hält – trotz des beschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsumfangs (vgl. BGH, Urteile vom 18. September 2008 – 5 StR 224/08, NStZ 2009, 401; vom 4. April 2013 – 3 StR 37/13, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 64) – sachlich -rechtlicher Überprüfung nicht stand.
10
a) Bedingt vorsätzliches Handeln setzt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, weiter dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet. Bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen liegt es nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit rechnet, das Opfer könne zu Tode kommen und – weil er mit seinem Handeln gleichwohl fortfährt – einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt (vgl. BGH, Urteile vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 186 Rn. 26; vom 26. März 2015 – 4 StR 442/14, NStZ-RR 2015, 172 mwN). Eine hohe und zudem anschauliche konkrete Lebensgefährlichkeit von Gewalthandlungen stellt mithin auf beiden Vorsatzebenen das wesentliche auf bedingten Tötungsvorsatz hinweisende Beweisanzeichen dar (vgl. MüKo-StGB/Schneider, 2. Aufl. § 212 Rn. 65 mwN). Allerdings können im Einzelfall das Wissens- oder das Willenselement des Eventualvorsatzes fehlen, wenn etwa dem Täter, obwohl er alle Umstände kennt, die sein Vorgehen zu einer das Leben gefährdenden Behandlung machen , das Risiko der Tötung infolge einer psychischen Beeinträchtigung etwa bei Affekt oder alkoholischer Beeinflussung nicht bewusst ist (Fehlen des Wissenselements ) oder wenn er trotz erkannter objektiver Gefährlichkeit der Tat ernsthaft und nicht nur vage auf ein Ausbleiben des tödlichen Erfolges vertraut (Fehlen des Willenselements). Beide Elemente müssen tatsachenfundiert getrennt voneinander geprüft werden (BGH, Urteile vom 22. März 2012 – 4 StR558/11, aaO, S. 187 Rn. 27; vom 14. August 2014 – 4 StR 163/14, NJW 2014, 3382, 3383 mit krit. Anm. Lohmann, NStZ 2015, 580; vgl. zum Vertrauenskriterium als zentralem Abgrenzungsmerkmal auf der voluntativen Vorsatzebene MüKo-StGB/Schneider, aaO Rn. 64 f.).
11
Die Prüfung, ob bedingter Vorsatz vorliegt, erfordert bei Tötungsdelikten insbesondere dann, wenn das Tatgericht allein oder im Wesentlichen aus äußeren Umständen auf die innere Einstellung eines Angeklagten zur Tat schließen muss, eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände (vgl. insbesondere zur Würdigung des voluntativen Vorsatzelements BGH, Urteile vom 18. Oktober 2007 – 3 StR 226/07, NStZ 2008, 93 f.; vom 27. Januar 2011 – 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699, 702; vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 188 Rn. 29; vom 13. Januar 2015 – 5 StR 435/14, NStZ 2015, 216; vom 14. Januar 2016 – 4 StR 84/15, NStZ-RR 2016, 79, 80, jeweils mwN), wobei schon eine Gleichgültigkeit gegenüber dem zwar nicht erstrebten, wohl aber hingenommenen Tod des Opfers die Annahme bedingten Tötungsvorsatzes rechtfertigt (vgl. MüKo-StGB/Schneider, aaO Rn. 67 mwN).
12
b) Das Landgericht hat bei seiner Gesamtbetrachtung zwar im Ausgangspunkt nicht verkannt, dass die auf der Grundlage der dem Täter bekannten Umstände zu bestimmende objektive Lebensgefährlichkeit der Tathandlung ein maßgebliches Indiz für bedingten Vorsatz ist. Angesichts der hierzu widersprüchlichen Ausführungen wird jedoch schon nicht hinreichend deutlich, ob die Schwurgerichtskammer bereits Zweifel daran hatte, dass der Angeklagte den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkannte, oder erst daran, dass er ihn billigte oder sich um des erstrebten Zieles willen mit der Tatbestandsverwirklichung abfand.
13
Während eingangs der beweiswürdigenden Ausführungen zur subjektiven Tatseite – den Feststellungen unter II.3.3 der Urteilsgründe entsprechend – die Überzeugung der Schwurgerichtskammer begründet wird, der Angeklagte habe es für möglich gehalten, durch die Knebelung der Geschädigten schlimmstenfalls deren Tod herbeizuführen, und Zweifel lediglich im Hinblick auf das Willenselement des Tötungsvorsatzes festgehalten werden (UA S. 57), begründet das Landgericht nachfolgend solche Zweifel anhand von Tatumstän- den, aufgrund derer der Angeklagte nicht in der Lage gewesen sei, „sein als lebensgefährlich erkanntes Handeln und dessen Folgen unter den besonderen Umständen der konkreten Tatsituation gedanklich in vollem Umfang zu erfas- sen und adäquat zu bewerten“ (UA S. 58). Mit dieser Umschreibung der vom Landgericht angenommenen Situation des Angeklagten bei Tatbegehung ist allerdings allein das Wissenselement des Tötungsvorsatzes angesprochen wie auch mit den hierzu angeführten Umständen eines sich für den Angeklagten unerwartet entwickelnden Tatablaufs und einer nicht ausschließbaren Wirkung zuvor (zur Ermutigung) konsumierten Alkohols. Das Landgericht hält es deshalb für möglich, der Angeklagte könne fehlerhaft davon ausgegangen sein, „seine Gewalteinwirkung bei der Knebelung der Geschädigten ihrer Intensität nach noch so bemessen zu haben, dass diese nicht zu Tode kommt“ (UA S. 59).
14
c) Rechtlich tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte trotz der konkreten Lebensgefährlichkeit der Knebelung ernsthaft und nicht nur vage darauf vertraut haben könnte, das Opfer werde nicht zu Tode kommen, hat das Landgericht nicht festgestellt. Sie liegen bei dem Tatgeschehen auch eher fern.
15
aa) Entgegen der Auffassung des Landgerichts spricht gegen die Billigung des Todes insbesondere nicht der Umstand, dass der Angeklagte der im Badezimmer abgelegten Geschädigten noch eine Decke über den Kopf legte. Das Landgericht hat – der Einlassung des Angeklagten folgend (UA S. 31) – die Feststellung getroffen, er habe mit seinem Vorgehen die Geschädigte an der Beobachtung des weiteren Geschehens in der Wohnung und an einer späteren Wiedererkennung eines der Täter hindern wollen (UA S. 19). Die Realisierung einer Wiedererkennungsgefahr wertet das Landgericht als Anzeichen dafür, dass der Angeklagte „darauf vertraute, die Geschädigte werde überleben“ (UA S. 59). Die Beweiswürdigung ist insoweit zumindest lückenhaft.
16
Das Landgericht hätte sich mit der Feststellung auseinandersetzen müssen , dass der Angeklagte die Tat ohne Maskierung beging und im Wohnzimmer auf die Geschädigte traf (UA S. 16), die ihm dort – seiner Einlassung in der Hauptverhandlung gemäß (UA S. 30) – entgegenkam. Auch die Feststellungen, dass der Angeklagte und seine Mittäter mit massiver Gewalt auf die Geschädigte auch deshalb einwirkten, um sie zur Preisgabe von Verstecken und PIN zu nötigen, und die übrigen Tatbeteiligten die Wohnung schon nach Beute durch- suchten, während der Angeklagte noch mit ihr „befasst“ war, legen nahe, dass sie die Tatbeteiligten bereits gesehen hatte. Nicht zuletzt stand der vom Angeklagten behaupteten Besorgnis, die Geschädigte könne das Tatgeschehen vom Badezimmer aus noch weiter beobachten, der rechtsmedizinische Befund entgegen , dass sie nach ihrer Knebelung bereits innerhalb von 15 Sekunden bewusstlos geworden war.
17
bb) Auch die abstrakten, nicht durch einen Erfahrungssatz gestützten und ohnehin eher die kognitive Seite des Vorsatzes betreffenden Erwägungen zur Gewalteinwirkung durch Knebelung eines Opfers, die „typischerweise dazu dient, dieses nur vorübergehend daran zu hindern, sich verbal durch Hilferufe bemerkbar zu machen (…) und auch nicht von vornherein die Atmung durch die Nase (hindert)“ (UA S. 59), sind nicht geeignet, die Annahme eines ernsthaften Vertrauens auf ein Ausbleiben des Todes der Geschädigten zu begründen. Insofern lösen sich die Ausführungen des Landgerichts von seinen zu den todesursächlichen Gewalthandlungen getroffenen Feststellungen, wonach der Knebel mit massiver Gewalt tief in den Rachen hineingeschoben (UA S. 18, 58), zusätzlich zur Knebelung komprimierend auf den Kehlkopfbereich durch die fest um den Hals verknotete Decke eingewirkt wurde (UA S. 19) und die Knebelung schon alsbald zur Bewusstlosigkeit des Opfers führte.
18
2. Der aufgezeigte Rechtsmangel führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Jedoch können die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen bestehen bleiben. Ergänzende, ihnen nicht widersprechende Feststellungen durch das neue Tatgericht sind zulässig.
Sander Dölp König
Berger Bellay

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an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer,
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Mayer,
Gericke,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof - in der Verhandlung - ,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof - bei der Verkündung -
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 27. September 2012 wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen richtet sich die mit dem Ziel einer Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Totschlags, zumindest aber der Verhängung einer höheren Strafe eingelegte und mit sachlichrechtlichen Beanstandungen begründete Revision der Staatsanwaltschaft. Das vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
2
1. Die Überzeugung der Strafkammer, der Angeklagte habe bei den mit einem Baseballschläger ausgeführten Schlägen nur mit Körperverletzungsvorsatz gehandelt, hält rechtlicher Nachprüfung stand.
3
a) Bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fern liegend erkennt, weiter, dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen mit der Tatbestandsverwirklichung zumindest abfindet. Da die Schuldformen des bedingten Vorsatzes und der bewussten Fahrlässigkeit im Grenzbereich eng beieinander liegen, müssen vor der Annahme bedingten Vorsatzes beide Elemente der inneren Tatseite, also sowohl das Wissens- als auch das Willenselement, umfassend geprüft und gegebenenfalls durch tatsächliche Feststellungen belegt werden (vgl. BGH, Urteil vom 28. Januar 2010 - 3 StR 533/09, NStZ-RR 2010, 144, 145). Hierzu bedarf es einer Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände des Einzelfalles, in welche vor allem die objektive Gefährlichkeit der Tathandlung, die konkrete Angriffsweise des Täters, seine psychische Verfassung bei der Tatbegehung und seine Motivationslage mit einzubeziehen sind (BGH, Urteile vom 22. März 2012 - 4 StR 558/11, NJW 2012, 1524, 1525; vom 23. Februar 2012 - 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443, 444; vom 27. August 2009 - 3 StR 246/09, NStZ-RR 2009, 372).
4
b) Kann der Tatrichter auf der Grundlage dieser Gesamtbewertung aller Umstände Zweifel an der subjektiven Tatseite nicht überwinden, so hat das Revisionsgericht dies regelmäßig hinzunehmen, denn die Beweiswürdigung ist vom Gesetz dem Tatrichter übertragen (§ 261 StPO). Es obliegt allein ihm, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder an die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten überhöhte Anforderungen stellt. Liegen solche Rechtsfehler nicht vor, hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Über- zeugungsbildung auch dann hinzunehmen, wenn eine abweichende Würdigung der Beweise möglich oder sogar näher liegend gewesen wäre (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 26. April 2012 - 4 StR 599/11, juris Rn. 9 mwN).
5
c) Gleichermaßen Sache des Tatrichters ist es, die Bedeutung und das Gewicht der einzelnen be- oder entlastenden Indizien in der Gesamtwürdigung des Beweisergebnisses zu bewerten. Ist diese Bewertung nach den dargestellten rechtlichen Maßstäben vertretbar, so kann das Revisionsgericht nicht auf der Grundlage einer abweichenden Beurteilung der Bedeutung einer Indiztatsache in die Überzeugungsbildung des Tatrichters eingreifen (BGH, Urteil vom 9. Juni 2005 - 3 StR 269/04, NJW 2005, 2322, 2326). Dies muss insbesondere auch dann gelten, wenn der Tatrichter im Rahmen der Prüfung des bedingten Tötungsvorsatzes Gewalthandlungen des Täters festgestellt hat, die für das Opfer objektiv lebensbedrohlich sind. Zwar hat der Bundesgerichtshof die auf der Grundlage der dem Täter bekannten Umstände zu bestimmende objektive Gefährlichkeit der Tathandlung als wesentlichen Indikator sowohl für das Wissens - als auch für das Willenselement des bedingten Vorsatzes angesehen (BGH, Urteil vom 23. Februar 2012 - 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443, 444) und bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen das Vorliegen beider Elemente als naheliegend bezeichnet (BGH, Urteile vom 28. Januar 2010 - 3 StR 533/09, NStZ-RR 2010, 144, 145; vom 22. März 2012 - 4 StR 558/11, NJW 2012, 1524, 1525; vom 27. August 2009 - 3 StR 246/09, NStZ-RR 2009, 372). Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Tatrichter der objektiven Gefährlichkeit der Tathandlung bei der Prüfung der subjektiven Tatseite von Rechts wegen immer die ausschlaggebende indizielle Bedeutung beizumessen hätte. Darin läge vielmehr eine vom Einzelfall gelöste Festlegung des Beweiswerts und der Beweisrichtung eines im Zusammenhang mit derartigen Delikten immer wieder auftretenden Indizes, die einer unzulässigen Beweisregel nahekäme und deshalb dem Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 261 StPO) widerspräche.
6
d) Nach alledem ist es bei der Prüfung des bedingten Tötungsvorsatzes - nicht anders als sonst bei der Würdigung der Beweise - aus revisionsrechtlicher Sicht erforderlich, aber auch ausreichend, sämtliche objektiven und subjektiven , für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände des Einzelfalles in eine individuelle Gesamtschau einzubeziehen und zu bewerten. Dies gilt auch für solche Beweisanzeichen, die sich auf den ersten Blick als ambivalent darstellen, die also dem Tatrichter, je nachdem, wie er sie im Einzelfall bewertet , rechtlich zulässige Schlüsse sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten des Angeklagten ermöglichen. So kann eine Alkoholbeeinflussung des Täters von Rechts wegen den Schluss auf eine verminderte Hemmschwelle gegenüber der Tötung eines Menschen oder auf fehlendes Bewusstsein von Umständen, die gegen einen tödlichen Ausgang des Geschehens sprechen, ebenso tragen wie umgekehrt den Schluss auf ein unüberlegtes Handeln, bei dem sich der Täter nahe liegender tödlicher Folgen nicht bewusst wird. Eine rechtlich vertretbare tatrichterliche Entscheidung darüber, in welchem der möglichen, zueinander in einem Gegensatz stehenden Beweiszusammenhänge ein solcher Umstand im konkreten Fall indizielle Bedeutung entfaltet, ist vom Revisionsgericht hinzunehmen. Der Tatrichter kann in einem solchen Falle nicht gehalten sein, denselben Umstand nochmals in dem anderen Beweiszusammenhang zu erwägen und damit Gefahr zu laufen, sich zu seinem anderweitig gewonnenen Ergebnis zu Gunsten oder zu Lasten des Angeklagten in Widerspruch zu setzen (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juni 2005 - 3 StR 269/04, NJW 2005, 2322, 2326).
7
e) An diesen Grundsätzen (BGH, Urteil vom 20. September 2012 - 3 StR 140/12, NStZ-RR 2013, 75, 77) gemessen ist gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts nichts zu erinnern. Sie beruht auf einer bewertenden Gesamtschau aller maßgeblichen objektiven und subjektiven Tatumstände des Einzelfalles. Die von der Strafkammer in diesem Zusammenhang angestellten Erwägungen sind weder lückenhaft, widersprüchlich oder unklar noch verstoßen sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze.
8
Die Strafkammer hat alle bedeutsamen objektiven und subjektiven Umstände der Tat in ihre Überlegungen einbezogen und insbesondere gesehen, dass die teils wuchtig geführten Schläge gegen den Kopf des Tatopfers hochgradig lebensgefährliche Gewalthandlungen waren, die ein gewichtiges Indiz dafür sind, dass der Angeklagte den von ihm als möglich erkannten Eintritt des Todes auch billigte. Dass das Landgericht seine Zweifel am Vorliegen des voluntativen Elements des bedingten Tötungsvorsatzes wegen u.a. des vor Ausführung der Schläge gezeigten Verhaltens des Angeklagten, dessen bisheriger Unbestraftheit und unauffälligen Lebenswandels, des Fehlens verbaler Drohungen und eines Tötungsmotivs sowie des Nachtatverhaltens nicht hat überwinden können, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Wenngleich einzelne der vom Landgericht als gegen einen bedingten Tötungsvorsatz sprechend gewerteten Umstände jeweils für sich genommen nicht von allein ausschlaggebendem Gewicht sein mögen, so ergibt doch die Gesamtbetrachtung aller vom Landgericht erwogenen Indizien eine ausreichende Grundlage für die rechtsfehlerfreie Annahme eines lediglich auf Körperverletzung gerichteten Vorsatzes.
9
2. Die Strafzumessung weist ebenfalls keinen Rechtsfehler auf. Angesichts aller Umstände in der Person des Angeklagten, in der Tat und in dem dieser vorangehenden Verhalten des Nebenklägers kann die Strafe nicht als zu einem gerechten Schuldausgleich nicht mehr geeignet bezeichnet werden.
Schäfer Pfister Mayer
Gericke Spaniol

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 442/14
vom
26. März 2015
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. März
2015, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Bender
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin – in der Verhandlung –,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof – bei der Verkündung –
als Vertreterinnen des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung –
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenkläger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Nebenkläger wird das Urteil des Landgerichts Hagen vom 3. April 2014, auch zugunsten der Angeklagten, mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Hiergegen wenden sich die Nebenkläger mit ihren zulässigen Revisionen und rügen die Verletzung sachlichen Rechts. Sie beanstanden insbesondere, dass die Angeklagte nicht wegen Körperverletzung mit Todesfolge im Sinne von § 227 StGB oder wegen eines Tötungsdelikts verurteilt worden ist. Die Rechtsmittel haben Erfolg, und zwar auch insoweit, als sie zugunsten der Angeklagten wirken (§ 301 StPO).

I.


2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Die aus schwierigen, von Gewalt und sexuellem Missbrauch geprägten familiären Verhältnissen stammende, zum Tatzeitpunkt 44 Jahre alte Ange- klagte ist seit ihrem 18. Lebensjahr verheiratet. Die Ehe gestaltete sich schon nach kurzer Zeit wegen starken Alkoholkonsums, Geldverschwendung und Gewalttätigkeiten des Ehemannes zunehmend problematisch. Zum Tatzeitpunkt war die Angeklagte, die bei der Bewältigung der wirtschaftlichen Krise von ihrem Ehemann kaum Unterstützung erfuhr, nicht mehr in der Lage, die laufenden Verbindlichkeiten der inzwischen hoch verschuldeten Familie zu bedienen.
4
Nach Eingang einer neuerlichen Mahnung, mit der sie zur Rückführung eines Bankkredits aufgefordert wurde, beschloss die Angeklagte erstmals, bei einer Person außerhalb ihrer Familie um Hilfe zu bitten. Am Tattag, dem 22. Oktober 2013, suchte sie die 88 Jahre alte, körperlich noch rüstige Geschädigte auf, die in der Nachbarschaft wohnte. Nachdem die Geschädigte die Angeklagte in ihre Wohnung eingelassen und beide sich eine gewisse Zeit unterhalten hatten, nahm die Angeklagte von ihrem ursprünglich gefassten Plan Abstand , die Geschädigte um Geld zu bitten, und wollte nach Hause zurückkehren. Die Geschädigte lud sie jedoch ein, noch gemeinsam in der Küche Kaffee zu trinken. Infolge der mittelschweren Demenzerkrankung der Geschädigten, deren Symptome und Auswirkungen der Angeklagten nicht bekannt waren, sprang die Geschädigte plötzlich vom Küchentisch auf, fing an zu schreien und beschimpfte die Angeklagte, die sie demenzbedingt nun nicht mehr erkannte, als „Miststück“. Da gutes Zureden durch die Angeklagte nicht half und die Ge- schädigte weiter schrie, befürchtete die Angeklagte, dass Nachbarn auf das Geschrei aufmerksam werden könnten. Daher hielt sie der Geschädigten von vorne mit einer Hand den Mund zu, um sie am Schreien zu hindern. Diese setzte sich jedoch in einer solchen Weise zur Wehr, dass es zu einem Gerangel kam, in dessen Verlauf beide zu Boden gingen. Einer plötzlichen Regung folgend setzte sich die Angeklagte auf den Oberkörper der auf dem Rücken lie- genden und noch lebenden, weiterhin schreienden Geschädigten und drückte ihr Mund und Nase ohne Tötungsvorsatz für mindestens zwanzig Sekunden fest zu, um die Geschädigte auf diese Weise zur Ruhe zu bringen, wobei der Angeklagten die Gefährlichkeit ihres Handelns bewusst war. Als sie daraufhin bei der Geschädigten keine Atemtätigkeit mehr feststellte, nahm sie an, diese getötet zu haben. Um ihre Täterschaft zu verdecken und die Tat wie einen Wohnungseinbruchsdiebstahl aussehen zu lassen, fesselte die Angeklagte die Geschädigte in Höhe der Unterschenkel und legte einen straffen Knebel um Kopf und Mund der Frau, den sie mit einem festen Doppelknoten im Mundbereich verschloss. Die Geschädigte verstarb infolge Erstickens, wobei die Strafkammer den genauen Zeitpunkt des Todeseintritts nicht feststellen konnte. Demzufolge hat sie offen gelassen, ob das Tatopfer, dessen Körper während der Knebelung noch Kreislauftätigkeit aufwies, zu diesem Zeitpunkt nur bewusstlos war, der Tod also erst durch die nachfolgende Knebelung eintrat, oder der Tod bereits zuvor infolge des Zuhaltens von Mund und Nase eingetreten war, es sich bei der nachfolgenden Kreislauftätigkeit also lediglich um ein „Nachschlagen des Herzens“ handelte. Das Landgericht hat ferner nicht aus- schließen können, dass die Angeklagte die Tat affektbedingt im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit beging.
5
2. Das Landgericht hat angenommen, dass die Angeklagte sich der gefährlichen Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB strafbar gemacht hat. Da nicht habe aufgeklärt werden können, ob die Geschädigte bereits durch das Zuhalten des Mundes für einen Zeitraum von etwa zwanzig Sekunden oder erst infolge der anschließenden Knebelung zu Tode kam, die Angeklagte aber unwiderlegbar davon ausgegangen sei, ihr Opfer schon durch die erste, ohne Tötungsvorsatz vorgenommene Handlung getötet zu haben, scheide in Anwendung des Zwei- felssatzes eine Verurteilung wegen Totschlags (§ 212 StGB) ebenso aus wie eine solche wegen Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB). Aus demselben Grund komme ein Schuldspruch wegen fahrlässiger Tötung (§ 222 StGB) nicht in Betracht.

II.


6
Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf die jeweils mit der Rüge der Verletzung sachlichen Rechts begründeten Revisionen der Nebenkläger führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht. Die Erwägungen der Strafkammer leiden an einem durchgreifenden Rechtsfehler, der die Verurteilung gleichermaßen zugunsten wie auch zu Ungunsten der Angeklagten beeinflusst haben kann (§ 301 StPO; st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 23. August 1995 – 2 StR 394/95, NStZ-RR 1996, 130 mwN).
7
1. Zur Begründung der subjektiven Tatseite der gefährlichen Körperverletzung sowie zur Abgrenzung vom bedingten Tötungsvorsatz stellt die Strafkammer maßgeblich auf das Bewusstsein der Angeklagten von der Gefährlichkeit des Zuhaltens von Mund und Nase des Opfers ab. Insoweit im Wesentlichen der Einlassung der Angeklagten folgend, gelangt sie einerseits zu der Feststellung, die Gefährlichkeit dieses Handelns sei der Angeklagten bewusst gewesen, ein bedingter Tötungsvorsatz lasse sich jedoch nicht feststellen. Die Verneinung des Tötungsvorsatzes stützt das Landgericht bei der Beweiswürdigung hingegen auf die Erwägung, das Verschließen der Atemwege eines Menschen sei zwar grundsätzlich als gefährliche Gewalthandlung anzusehen, die zum Tode führen könne, unter Berücksichtigung der Umstände des Falles sei hier jedoch nicht davon auszugehen, dass die Angeklagte die potentielle Lebensgefährlichkeit ihrer Handlungsweise erkannt und gebilligt habe. Den bedingten Vorsatz einer Körperverletzung im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StPO hält die Strafkammer schließlich für gegeben; der Angeklagten sei insbesondere die Gefährlichkeit ihres Handelns und der Umstand, dass es geeignet war, das Leben des Tatopfers zu gefährden, bewusst gewesen.
8
2. Diese Erwägungen begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die in ihnen enthaltenen Widersprüche können auch unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Urteilsgründe nicht aufgelöst werden.
9
a) Die Urteilsausführungen lassen zum einen besorgen, dass die Strafkammer das Vorliegen der Voraussetzungen eines bedingten Tötungsvorsatzes auf der Grundlage von zwei einander widersprechenden Begründungen verneint hat. Während die Strafkammer einerseits der Einlassung der Angeklagten folgt, ihr sei die Gefährlichkeit des Zuhaltens von Mund und Nase des Tatopfers bewusst gewesen, schließt sie an anderer Stelle aus, dass die Angeklagte die potentielle Lebensgefährlichkeit ihrer Handlungsweise erkannt haben könnte. Da die objektive Gefährlichkeit der Tathandlung nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf der Grundlage der dem Täter bekannten Umstände zu bestimmen und wesentlicher Indikator sowohl für das Wissensals auch für das Willenselement des bedingten Tötungsvorsatzes ist (vgl. nur Senatsurteil vom 23. Februar 2012 – 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443, 444; BGH, Urteil vom 4. April 2013 – 3 StR 37/13, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 64), kann der Senat auf der Grundlage dieser widersprüchlichen Erwägungen in den Urteilsgründen nicht überprüfen, ob das Landgericht einen bedingten Tötungsvorsatz rechtsfehlerfrei ausgeschlossen hat.
10
b) Zum anderen lassen die Ausführungen der Strafkammer besorgen, dass sie – rechtsfehlerhaft – den in-dubio-Grundsatz bereits auf die einzelnen Indizien angewandt hat (vgl. dazu Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 261 Rn. 26 mwN). Denn sie geht – ohne dies näher zu belegen – davon aus, dass „gegen einen Tötungsvorsatz“ das Nachtatgeschehen, also der Suizidver- such der Angeklagten, spreche, ferner, dass sie sich die Tat nicht zunutze gemacht habe und ein Tötungsmotiv nicht ersichtlich sei. All dies schließt indes einen bedingten Tötungsvorsatz nicht aus, zumal mit ihm handelnde Täter kein Tötungsmotiv haben, sondern einem anderen Handlungsantrieb nachgehen (vgl. Senatsurteil vom 23. Februar 2012 – 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443, 445). Der Zweifelssatz bedeutet auch nicht, dass von der dem Angeklagten jeweils (denkbar) günstigsten Fallgestaltung auch dann auszugehen ist, wenn hierfür keine Anhaltspunkte bestehen. Unterstellungen zugunsten des Täters sind vielmehr nur dann rechtsfehlerfrei, wenn der Tatrichter hierfür reale Anknüpfungspunkte hat (st. Rspr.; vgl. nur Senatsurteil vom 13. Dezember 2012 – 4 StR 177/12, NStZ-RR 2013, 117, 118; BGH, Urteil vom 20. Mai 2009 – 2 StR 576/08, NStZ 2009, 630).
11
c) Die nach § 301 StPO gebotene Nachprüfung des Urteils auf Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergibt ferner, dass die Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB aus Rechtsgründen ebenfalls keinen Bestand haben kann.
12
Für den Körperverletzungsvorsatz im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB ist neben dem zumindest bedingten Verletzungsvorsatz erforderlich, aber auch ausreichend, dass der Täter die Umstände erkennt, aus denen sich die allgemeine Gefährlichkeit des Tuns in der konkreten Situation für das Leben des Opfers ergibt, auch wenn er sie nicht als solche bewertet (BGH, Urteil vom 4. November 1988 – 1 StR 262/88, BGHSt 36, 1, 15). Die Ausführungen im Rahmen der Prüfung des bedingten Tötungsvorsatzes, wonach die Angeklagte die potentielle Lebensgefährlichkeit ihrer Handlungsweise weder erkannt noch gebilligt habe, stehen, wie bereits dargelegt, insoweit in einem unauflösbaren Widerspruch zu den Feststellungen und zur rechtlichen Würdigung.
Mutzbauer Roggenbuck Cierniak
Franke Bender

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 163/14
vom
14. August 2014
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. August
2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Franke,
Dr. Mutzbauer,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Richterin am Landgericht
als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten A. G. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger der Angeklagten B. G. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Detmold vom 17. Dezember 2013 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu Freiheitsstrafen von sechs Jahren und sechs Monaten (A. G. ) und vier Jahren (B. G. ) verurteilt. Außerdem hat es eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Mit ihren Revisionen rügen die Angeklagten die Verletzung materiellen Rechts und wenden sich insbesondere gegen die Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihren zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten und der Sachrüge begründeten Revisionen vor allem, dass diese nicht auch wegen schwerer Körperverletzung verurteilt wurden und ihnen verminderte Schuldfähigkeit zugebilligt wurde. Soweit die Staatsanwaltschaft eine Verurteilung der Angeklagten wegen schwerer Körperverletzung anstrebt, wird ihr Rechtsmittel vom Generalbundesanwalt nicht vertreten. Die Revisionen haben Erfolg.

I.


2
Das Landgericht hat die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
1. Im Sommer 2011 ging die älteste Tochter der Angeklagten, die Zeugin M. G. , eine freundschaftliche Beziehung zu dem drei Jahre älteren Nebenkläger und späteren Tatopfer St. ein, aus der sich ein intimes Verhältnis entwickelte. Als die Angeklagten spätestens im Januar 2013 hiervon erfuhren, drängten sie auf ein Ende der Verbindung und erwirkten im März 2013 in Vertretung ihrer noch minderjährigen Tochter gegen St. eine einstweilige Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz. Als St. Ende April 2013 davon Kenntnis erlangte, dass gegen ihn nun auch ein Antrag auf Verhängung eines Ordnungsgeldes wegen eines Verstoßes gegen die Gewaltschutzanordnung gestellt worden war, gab er die zunächst fortgesetzte Beziehung zu M. G. auf und mied weiteren Kontakt.
4
Anfang Juni 2013 wurden im Internet intime und teilweise pornographische Fotos von M. G. veröffentlicht. Die Angeklagten waren deswegen zutiefst beschämt und sahen darin eine Bloßstellung ihrer gesamten Familie. Sie schliefen wenig, nahmen kaum Nahrung zu sich und zogen sich von ihren Mitmenschen zurück. Sie wollten den Urheber der Bilder zur Verantwortung ziehen und hatten dabei - zu Unrecht - St. in Verdacht. Als die Angeklagten das Gerücht erreichte, dass auch noch die Veröffentlichung eines Sex-Videos bevorstünde, begannen sie intensiv nach Indizien zu suchen, die ihren Verdacht zu stützen vermochten. Am 13. Juni 2013 berichtete die Zeugin J. Br. der Angeklagten B. G. , sie habe gehört, St. habe die Bilder aus Enttäuschung in Umlauf gebracht. Für die Angeklagten stand danach außer Zweifel, dass St. für die Bildveröffentlichungen verantwortlich war.
5
Am 14. Juni 2013 bat der Angeklagte A. G. den Zeugen A. Br. ein vermeintlich zufälliges Treffen mit St. herbeizuführen. A. Br. veranlasste daraufhin den gutgläubigen St. dazu, um 15.45 Uhr zum Taxistand vor dem Bahnhof von H. zu kommen und setzte den Angeklagten A. G. hiervon in Kenntnis. Die Angeklagten hatten die Absicht, St. als vermeintlichen Urheber der Bilder zur Rede zu stellen. Dabei waren sie auch zur Anwendung von Gewalt bereit. Einen gemeinschaftlichen Plan ihn zu töten gab es jedoch nicht.
6
Am vereinbarten Treffpunkt kam es zunächst zu einem Gespräch zwischen St. und A. Br. . Währenddessen näherten sich die Angeklagten von der gegenüberliegenden Straßenseite. Die Angeklagte B. G. verlor beim Anblick von St. „die Kontrolle über ihre Wut“. Sie rannte über die Straße auf St. zu und begann ihn laut schreiend mit ihren Fäusten zu misshandeln. St. schlug daraufhin zu seiner Verteidigung mit einer Glasflasche um sich, wobei er B. G. wenigstens einmal mit der bloßen Hand oder der Flasche im Gesicht traf. Als der noch auf der gegenüberliegenden Straßenseite zurückgebliebene A. G. sah, dass sich St. zu verteidigen begann, stürmte er „außer sich vor Wut“ seiner Ehefrau hinterher und zog ein schweres Taschenmesser mit Cutterklinge aus seiner Hosentasche. Als er den Nebenkläger und die Mitangeklagte erreichte , begann er sofort auf St. einzustechen und ihn mit schneidenden Bewegungen zu verletzen, wobei er in seinem Wunsch nach Vergel- tung „sogar dessen Tod billigte“. Vorzugsweise richtete A. G. das Messer gegen den Oberkörper, den Hals und den Kopf des Nebenklägers, wobei er ihm mehrere tiefe Schnittverletzungen beibrachte. Als B. G. sah, wie A. G. mit dem Messer auf St. einstach, war ihr klar, „dass es nun um Leben und Tod ging“. Sie billigte das Handeln ihres Ehemannes und er- kannte, dass die tiefen und kraftvollen Schnitte ernsthafte Verletzungen verursachten. Dabei fand auch sie sich mit einem möglichen Tod von St. ab und schlug weiter mit den Händen auf ihn ein. Einen Versuch des Zeugen A. Br. , A. G. am Arm zu packen, kommentierte B. G. mit dem Hinweis, er solle sich nicht einmischen, damit ihm nicht dasselbe passiere.
7
Als der Angeklagte A. G. realisierte, dass er in seiner Wut viel zu weit gegangen war und er St. möglicherweise tödlich verwundet hatte , ließ er von dem Geschädigten ab. Die Angeklagte B. G. unternahm noch kurzzeitig den Versuch, dem sich in Richtung eines Supermarkts davon schleppenden St. zu folgen, ehe ihr bewusst wurde, „dass der Kampf nun augenscheinlich zu Ende war“. Dabei ging auch sie davon aus, dass St. durch die Schnitte mit dem Messer möglicherweise bereits tödlich verletzt war. Der Zeuge A. Br. setzte sich in sein Fahrzeug und fuhr hinter St. her. Nachdem beide den Ort des Geschehens verlassen hatten, rief der Angeklagte A. G. mit seinem Mobiltelefon die Leitstelle der Polizei an und teilte mit, dass er gerade „jemanden zusammengeschlagen“ ha- be und dieser sterben werde. Die Polizei solle kommen und ihn festnehmen. Wo das Opfer sei, wisse er nicht. Auch solle man einen Krankenwagen vorbeischicken , weil auch er sich verletzt habe.
8
Als St. den mehrere Hundert Meter vom Tatort entfernten Supermarkt erreichte, brach er zusammen und verlor aufgrund des hohen Blutverlustes kurze Zeit später das Bewusstsein. Nachdem auch von dritter Seite mehrere Notrufe abgesetzt worden waren, trafen schon wenig später Rettungs- kräfte ein, die die Notfallversorgung des Nebenklägers einleiteten. St. überlebte, weil A. G. seine Hauptschlagader nur knapp verfehlt hatte. Er erlitt unter anderem eine 12 cm lange horizontal über die linke Wange bis auf die Ohrmuschel verlaufende Schnittverletzung, die eine deutlich sichtbare wenige Millimeter breite Narbe hinterlassen hat. Inwieweit eine kosmetischchirurgische Behandlung möglich ist, konnte nicht geklärt werden.
9
2. Das Landgericht hat den Sachverhalt bei beiden Angeklagten als versuchten Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in den Varianten des § 224 Abs. 1 Nr. 2, 4 und 5 StGB bewertet.
10
Es ist der Auffassung, dass der Angeklagte A. G. nicht nach § 24 Abs. 2 StGB strafbefreiend vom Versuch des Totschlags zurückgetreten sei, weil er mit dem Tod von St. gerechnet habe und sein Notruf nicht als ernsthaftes Bemühen um eine Verhinderung der Tatvollendung anerkannt werden könne.
11
Eine schwere Körperverletzung im Sinne von § 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB liege nicht vor, weil die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Entstellung nicht gegeben seien. Die Narbe auf der linken Wange sei zwar deutlich sichtbar und springe sofort ins Auge, doch fehle es an einer Beeinträchtigung des Gesamterscheinungsbildes. Auch habe die Dauerhaftigkeit der Beeinträchtigung nicht abschließend geklärt werden können.
12
Im Anschluss an den Sachverständigen Dr. S. ist das Landgericht hinsichtlich des Angeklagten A. G. davon ausgegangen, dass bei ihm im Zeitpunkt der Tatbegehung eine schwere andere seelische Abartigkeit in Form einer „Anpassungsstörung“ vorgelegen haben könne und deshalb zu seinen Gunsten von einer verminderten Schuldfähigkeit im Sinne von § 21 StGB auszugehen sei. Bei der Angeklagten B. G. sei das Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 StGB ebenfalls nicht auszuschließen, da auch sie im Tatzeitpunkt an einer „hinreichend schweren Anpassungsstörung“ gelitten habe.

II.


13
Die Rechtsmittel der Angeklagten haben Erfolg.
14
1. Die Erwägungen, mit denen das Landgericht bei beiden Angeklagten einen (bedingten) Tötungsvorsatz begründet hat, weisen durchgreifende Erörterungsmängel auf. Ihre Verurteilung wegen versuchten Totschlags hat daher keinen Bestand.
15
a) Bedingten Tötungsvorsatz hat, wer den Eintritt des Todes als mögliche , nicht ganz fernliegende Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und billigend in Kauf nimmt (Willenselement). Beide Elemente müssen getrennt voneinander geprüft und durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Ihre Bejahung oder Verneinung kann nur auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände erfolgen (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juni 2014 - 4 StR 439/13, Rn. 7; Urteil vom 23. Februar 2012 - 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443, 444; Urteil vom 27. Januar 2011 - 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699, 701 Rn. 34 f. mwN). In die Prüfung sind dabei neben der objektiven Gefährlichkeit der Tathandlung und der konkreten Angriffsweise des Täters auch seine psychische Verfassung bei Tatbegehung und seine Motivationslage einzubeziehen (BGH, Urteil vom 5. Juni 2014 - 4 StR 439/13, Rn. 7; Urteil vom 16. Mai 2013 - 3 StR 45/13, NStZ 2013, 581, 582 mwN).
16
b) Den sich daraus ergebenden Anforderungen werden die Darlegungen des Landgerichts zur inneren Tatseite bei beiden Angeklagten nicht gerecht.
17
aa) Das Landgericht hat seine Annahme, der Angeklagte A. G. habe um die objektive Lebensgefährlichkeit seines Tuns auch schon bei der Tatbegehung gewusst, aus den gezielt gegen Kopf, Hals und Nacken des Nebenklägers geführten Messerangriffen und seinen im Rahmen des Notrufes gemachten Äußerungen hergeleitet (UA 18). Damit ist jedoch nur das Wissenselement belegt. Dass bei ihm auch das voluntative Vorsatzelement gegeben ist, hat die Strafkammer dagegen nicht in ausreichender Weise begründet.
18
(1) Wird eine lebensgefährliche Gewalttat - wie hier - spontan, unüberlegt und in affektiver Erregung ausgeführt, kann aus dem Wissen um den möglichen Eintritt des Todes nicht ohne Berücksichtigung der sich aus der Tat und der Persönlichkeit des Täters ergebenden Besonderheiten auf eine billigende Inkaufnahme des Erfolgseintritts geschlossen werden (BGH, Urteil vom 17. Juli 2013 - 2 StR 139/13, NStZ-RR 2013, 343; Urteil vom 16. August 2012 - 3 StR 237/12, NStZ-RR 2012, 369, 370; Urteil vom 25. November 2010 - 3 StR 364/10, NStZ 2011, 338 f.; weitere Nachweise bei Fischer, StGB, 61. Aufl., § 212 Rn. 11).
19
(2) Danach hätte das Landgericht erkennbar in seine Erwägungen einbeziehen müssen, dass der Angeklagte von weiteren Tathandlungen absah, als er realisierte, „dass er in seiner Wut viel zu weit gegangen war und den Nebenklä- ger möglicherweise tödlich verwundet hatte“ (UA 11). Auch wäre an dieser Stelle der alsbald danach abgesetzte Notruf zu erörtern gewesen (zur Indizwirkung von Rettungsversuchen bei der Vorsatzfrage vgl. BGH, Urteil vom 23. Februar 2012 - 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443, 444; Urteil vom 18. Januar 2007 - 4 StR 489/06, NStZ 2007, 331 f. mwN). Schließlich durfte das Landgericht in diesem Zusammenhang auch die dem Angeklagten zugebilligte „Anpassungsstörung“ - unabhängig von deren Bewertung unter dem Gesichtspunkt des § 21 StGB - und seine affektive Erregung nicht unerwähnt lassen. Psychische Ausnahmesituationen oder Störungen können neben einer - hier fernliegenden - Beeinträchtigung der Erkenntnisfähigkeit dazu führen, dass der Täter die von seinem Handeln ausgehende Lebensgefahr für das Opfer unzutreffend beurteilt (zu den möglichen Schlüssen vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2013 - 2 StR 139/13, NStZ-RR 2013, 343 mwN). Dies ist in den schriftlichen Urteilsgründen zu erörtern (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September 2005 - 3 StR 324/05, NStZ 2006, 169; Beschluss vom 6. März 2002 - 4 StR 30/02, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 54; Beschluss vom 15. Januar 1987 - 1 StR 704/86, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 7).
20
bb) Bei der Angeklagten B. G. hat das Landgericht dieAnnahme eines bedingten Tötungsvorsatzes allein mit der Erwägung begründet, dass sie das Vorgehen ihres Mannes gegen den Nebenkläger sah und durch ihre weitere „Unterstützung“ billigte (UA 11 und 19). Dass auch sie an einer „Anpas- sungsstörung“ litt und schon vor dem Eingreifenihres Ehemannes unter einer so hohen affektiven Anspannung stand, dass sie „die Kontrolle über ihre Wut verlor“, hat es nicht berücksichtigt. Beides hätte aus den bereits dargelegten Gründen auch bei ihr ausdrücklicher Erörterung bedurft.
21
2. Die Sache bedarf daher bei beiden Angeklagten neuer Verhandlung und Entscheidung. Der aufgezeigte Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Urteils insgesamt, wenngleich die tateinheitliche Verurteilung beider Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2, 4 und 5 StGB an sich rechtsfehlerfrei erfolgt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2011 - 4 StR 465/11, NStZ-RR 2012, 51, 52 mwN).

III.


22
Auch die zu Ungunsten beider Angeklagten eingelegten Revisionen der Staatsanwaltschaft haben Erfolg. Darauf, dass Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft auch zu Gunsten der Angeklagten wirken (§ 301 StPO), kommt es nach dem Erfolg der Revisionen der Angeklagten nicht mehr an (BGH, Urteil vom 28. September 2011 - 2 StR 93/11, Rn. 29; Urteil vom 15. Juli 2008 - 1 StR 144/08, Rn. 3).
23
1. Das Urteil hat bei beiden Angeklagten keinen Bestand, weil anhand der Urteilsgründe nicht überprüft werden kann, ob die Qualifikation des § 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB vom Landgericht zu Recht abgelehnt worden ist.
24
a) Ein Verletzter ist im Sinne des § 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB in erheblicher Weise dauernd entstellt, wenn es durch die Tat zu einer Verunstaltung seiner Gesamterscheinung gekommen ist, die in ihren Auswirkungen dem Gewicht der geringsten Fälle des § 226 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB gleichkommt (BGH, Urteil vom 17. Juli 2013 - 2 StR 139/13, NStZ-RR 2013, 343; Urteil vom 20. April 2011 - 2 StR 29/11, BGHR StGB § 226 Abs. 1 Entstellung 3; Urteil vom 28. Juni 2007 - 3 StR 185/07, BGHR StGB § 226 Abs. 1 Entstellung 2 mwN). Dies kann grundsätzlich auch bei einzelnen besonders großen oder markanten Narben (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 2007 - 3 StR 185/07, BGHR StGB § 226 Abs. 1 Entstellung 2), ebenso wie bei einer Vielzahl von Narben in derselben Körperregion der Fall sein. Allein der Umstand, dass eine Narbe deutlich sichtbar ist, reicht dabei aber für die Annahme einer erheblichen Entstellung noch nicht aus.
Erst wenn im Einzelfall - etwa durch eine deutliche Verzerrung der Proportionen des Gesichts - ein Grad an Verunstaltung erreicht ist, der in einer Relation zu den anderen schweren Folgen im Sinne des § 226 Abs. 1 StGB steht, kommt die Annahme einer erheblichen Entstellung in Betracht (BGH, Urteil vom 28. Juni 2007 - 3 StR 185/07, BGHR StGB § 226 Abs. 1 Entstellung 2; Beschluss vom 2. Mai 2007 - 3 StR 126/07, BGHR StGB § 226 Abs. 1 Entstellung

1).


25
b) Ob das äußere Erscheinungsbild des Nebenklägers durch die verbliebenen Narben eine Verunstaltung erfahren hat, die diesen Vorgaben entspricht, kann auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht beurteilt werden. Das Landgericht teilt zwar ausführlich mit, welche Schnittverletzungen der Nebenkläger erlitten hat. Eine revisionsgerichtlicher Überprüfung zugängliche Beschreibung des verbliebenen Narbenbildes und seiner Auswirkungen auf die äußere Erscheinung des Nebenklägers fehlt jedoch. Den Urteilsgründen kann dazu lediglich entnommen werden, dass die Narbe auf der linken Wange lang ist und „sofort ins Auge springt“ (UA 25). Zu den anderen Narben und dem durch sie hervorgerufenen optischen Gesamteindruck verhält sich die Strafkammer dagegen nicht. In diesem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, dass sich ein Tatrichter die mitunter nicht einfache textliche Schilderung einer solchen verunstaltenden Wirkung durch eine nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO zulässige Bezugnahme auf Lichtbilder erleichtern kann.
26
2. Darüber hinaus begegnet auch die Annahme erheblich verminderter Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB bei beiden Angeklagten durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Urteilsgründe belegen nicht, dass bei ihnen zur Tatzeit eine schwere andere seelische Abartigkeit vorgelegen hat. Auch fehlt es an der erforderlichen tatbezogenen Beurteilung der Verminderung der Schuldfähigkeit.
27
a) Bei einer nicht pathologisch bedingten Persönlichkeitsstörung liegt eine andere schwere seelische Abartigkeit nur dann vor, wenn sie in ihrem Gewicht einer krankhaften seelischen Störung gleichkommt und Symptome aufweist, die in ihrer Gesamtheit das Leben des Täters vergleichbar schwer und mit ähnlichen Folgen stören, belasten oder einengen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 26. April 2007 - 4 StR 7/07, NStZ-RR 2008, 274; Beschluss vom 21. September 2004 - 3 StR 333/04, NStZ 2005, 326, 327 mwN). Auch müssen sich die defekten Muster im Denken, Fühlen oder Verhalten des Betroffenen als zeitstabil erwiesen haben (BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2012 - 4 StR 494/12, NStZ-RR 2013, 309, 310; Urteil vom 21. Januar 2004 - 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45, 52 f.).
28
Dass die von dem Sachverständigen bei beiden Angeklagten diagnostizierte Anpassungsstörung nach diesen Maßstäben zu einer schweren anderen seelischen Abartigkeit geführt hat, hat das Landgericht nicht dargetan. Bei den sog. Anpassungsstörungen (vgl. ICD-10 F 43.2) handelt es sich um eine Mischbzw. Sammelkategorie mit einer vielgestaltigen und unspezifischen Symptomatik , die zumeist nicht mit stärkeren psychopathologischen Auffälligkeiten einhergehen (Lau/Kröber in Kröber/Dölling/Leygraf/Sass, Handbuch der forensischen Psychiatrie, Bd. 2, S. 510). Ein die Annahme einer schweren anderen seelischen Abartigkeit rechtfertigender Beeinträchtigungsgrad wird dabei nur in Ausnahmefällen erreicht (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 2007 - 4 StR 7/07, NStZ-RR 2008, 274; Beschluss vom 4. November 2003 - 1 StR 384/03, NStZ-RR 2004, 70, 71). Dass die für beide Angeklagten beschriebenen - offenkundig passageren - Auffälligkeiten (gedankliche Einengung auf die Bilder im Internet, Schlaf- losigkeit, eingeschränkte Nahrungsaufnahme, sozialer Rückzug) ihr Leben ähnlich schwer belastet haben, wie die Folgen von anerkannten krankhaften seelischen Störungen, lässt sich den Gründen des angefochtenen Urteils nicht entnehmen und liegt eher fern. Die in diesem Zusammenhang gebrauchte Wendung , wonach die Angeklagten ihren Alltag nur noch „mehr schlecht als recht“ bewältigen konnten (UA 7), ist ohne Aussagekraft und kann die an dieser Stelle erforderliche umfassende wertende Betrachtung des Schweregrades der Störung und ihrer Tatrelevanz nicht ersetzen. Stattdessen ist zu besorgen, dass das Landgericht in rechtsfehlerhafter Weise davon ausgegangen ist, bereits die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung führe ohne weiteres zur Annahme einer schweren anderen seelischen Abartigkeit gemäß §§ 20, 21 StGB. Ob eine Störung den erforderlichen Schweregrad aufweist, ist eine Rechtsfrage, die der Tatrichter wertend zu entscheiden hat (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Mai 2014 - 5 StR 168/14, NStZ-RR 2014, 244, 245; Beschluss vom 19. Dezember 2012 - 4 StR 494/12, NStZ-RR 2013, 309, 310).
29
b) Auch die Frage, ob die Steuerungsfähigkeit bei der Tat infolge einer festgestellten schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert war, hat der Tatrichter ohne Bindung an Äußerungen von Sachverständigen zu beantworten. Hierbei fließen normative Gesichtspunkte ein. Entscheidend sind die Anforderungen, die die Rechtsordnung an jedermann stellt (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2012 - 4 StR 494/12, NStZ-RR 2013, 309, 310; Beschluss vom 28. Oktober 2009 - 2 StR 383/09, NStZ-RR 2010, 73, 74; weitere Nachweise bei Fischer, StGB, 61. Aufl., § 21 Rn. 7b). Angesichts des zielgerichteten Handelns der Angeklagten bei der Herbeiführung des Zusammentreffens mit St. hätte das Landgericht im Einzelnen darlegen müssen, in welcher Weise und in welchem Umfang das als Anpassungsstörung bezeichnete Zustandsbild die Steuerungs- fähigkeit der Angeklagten in dem von § 21 StGB vorausgesetzten erheblichen Maß beeinträchtigt haben kann. Das angefochtene Urteil enthält hierzu keinerlei Ausführungen.
30
3. Abschließend weist der Senat darauf hin, dass in den Urteilsgründen die für erwiesen erachteten Tatsachen (§ 267 Abs. 1 Satz 1 StPO) in sachlicher Form und mit möglichst eindeutigen Formulierungen dargestellt werden sollten. Der Umgangssprache entnommene Wendungen und Redensarten („mehr schlecht als recht“, „mit Vorwürfen bombardierend“, „kochte in ihr alles hoch“, „sodann war ihr alles egal“, „vergaß sich der Angeklagte komplett“) sind dabei - sofern nicht als Zitate unerlässlich - grundsätzlich zu vermeiden. Ihre Verwendung kann den Bestand des Urteils gefährden, wenn sie mehrdeutig sind oder Wertungen enthalten, die nicht durch Tatsachen belegt sind.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 502/10
vom
27. Januar 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Körperverletzung mit Todesfolge u.a. zu Ziff. 1
wegen Beihilfe zur Körperverletzung mit Todesfolge u.a. zu Ziff. 2
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27. Januar
2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
die Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Dr. Mutzbauer
als beisitzende Richter,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten S. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger für den Angeklagten A. ,
Rechtsanwälte
als Nebenkläger-Vertreter für Roswitha und Gerhard O. ,
Rechtsanwalt
als Nebenkläger-Vertreterin für Ronja A. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Kaiserslautern vom 4. Mai 2010 bezüglich des Angeklagten A. dahin abgeändert, dass die von diesem in Portugal erlittene Auslieferungshaft im Maßstab 1:1 auf die gegen ihn verhängte Freiheitsstrafe anzurechnen ist. 2. Die weiter gehende Revision der Staatsanwaltschaft bezüglich des Angeklagten A. , ihr Rechtsmittel bezüglich des Angeklagten S. sowie die Revisionen der Nebenkläger und der Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil werden verworfen. 3. Die Kosten der Revisionen der Staatsanwaltschaft sowie die den Angeklagten hierdurch und durch die Rechtsmittel der Nebenkläger entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt. Die Nebenkläger tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel. Die im Revisionsverfahren entstandenen gerichtlichen Auslagen tragen die Staatskasse und die Nebenkläger je zur Hälfte. Die Angeklagten haben die Kosten ihrer Rechtsmittel und die den Nebenklägern hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten A. wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit Nötigung und mit Beteiligung an einer Schlägerei zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten, den Angeklagten S. hat es wegen Beihilfe zur Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit Beihilfe zur Beteiligung an einer Schlägerei und mit Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Zudem hat es gegen beide Angeklagte Maßregeln nach §§ 69, 69a StGB angeordnet und bestimmt, dass die vom Angeklagten A. in dieser Sache in Portugal erlittene Freiheitsentziehung auf die verhängte Freiheitsstrafe in der Weise angerechnet wird, dass ein Tag Auslieferungshaft zwei Tagen inländischer Haft entspricht.
2
Gegen das Urteil richten sich die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft, der Nebenkläger und der Angeklagten. Die Staatsanwaltschaft und die Nebenkläger beanstanden das Verfahren und erheben die Sachrüge. Die Staatsanwaltschaft wendet sich insbesondere gegen die Feststellungen und die Beweiswürdigung zur subjektiven Tatseite; zudem bemängelt sie die fehlende Prüfung der Unterbringung des Angeklagten A. in der Sicherungsverwahrung. Die Nebenkläger begehren unter anderem eine Verurteilung der Angeklagten auch wegen (schweren) Raubes mit Todesfolge. Die Angeklagten rügen ebenfalls die Anwendung des sachlichen Rechts. Der Angeklagte A. beanstandet insbesondere den Schuldspruch wegen Körperverletzung mit Todesfolge sowie die Bewertung der Nötigung als besonders schweren Fall. Der Angeklagte S. meint, der Tatbestand des § 231 StGB sei nicht gegeben, weil es sich nicht um eine Schlägerei im Sinne dieser Vorschrift gehandelt habe; ferner beanstandet auch er die Annahme eines besonders schweren Falls der Nötigung.
3
Erfolg hat in geringem - aus dem Tenor ersichtlichem - Umfang lediglich das zum Nachteil des Angeklagten A. eingelegte Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft. Im Übrigen sind die Revisionen unbegründet.

I.


4
Das Schwurgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen :
5
Die beiden Angeklagten waren Mitglieder der "Hells Angels", der Angeklagte A. als Vollmitglied ("full member"), der Angeklagte S. als Unterstützer ("supporter"). Dirk O. - das Tatopfer - war Vollmitglied der "Outlaws" und Präsident des "Chapters" Donnersbergkreis.
6
Am 24. Juni 2009 hatte der Angeklagte S. in Bad Kreuznach aus ungeklärten Gründen eine körperliche Auseinandersetzung mit Tobias L. , einem Mitglied des dortigen neu gegründeten Outlaws-Chapters, an deren Ende er von Tobias L. darauf hingewiesen wurde, dass Bad Kreuznach "OutlawGebiet" sei.
7
Am Nachmittag des 26. Juni 2009 trafen sich die Angeklagten in Landstuhl unter anderem mit Björn Sch. , der ebenfalls - als Anwärter ("prospect") - den Hells Angels angehörte. Sie beschlossen, nach Bad Kreuznach zu fahren, um dort "Präsenz zu zeigen"; gegebenenfalls wollten sie auch einem Mitglied der Outlaws wegen des Vorfalls vom 24. Juni 2009 eine "Abreibung verpassen". Gegen 20.00 Uhr brachen die Angeklagten und Björn Sch. in einem angemieteten Pkw nach Bad Kreuznach auf. Dort sahen sie zwar einen Motorradfahrer in "Rockerkluft", konnten ihm aber nicht folgen. Sie beschlossen daher, nach Marnheim zur Gaststätte "I. " zu fahren, dem Treffpunkt der Outlaws in deren neu gegründetem Chapter im Donnersbergkreis , um diese auszukundschaften und - so das Vorhaben des Angeklagten A. und von Björn Sch. - eine nicht näher bestimmte "Aktion" gegen dieses Chapter durchzuführen.
8
Etwa um 23.00 Uhr verließen mehrere Mitglieder der Outlaws, unter anderem Dirk O. , das "I. " und fuhren nach Kirchheimbolanden. Die Angeklagten und Björn Sch. folgten ihnen. Während sich die Mitglieder der Outlaws in einer Gaststätte aufhielten, fassten der Angeklagte A. und Björn Sch. den Entschluss, dem - von ihnen als solchem erkannten - Vollmitglied der Outlaws bei sich bietender Gelegenheit die "Kutte", also die mit Aufnähern versehene Lederweste, abzunehmen, um hierdurch "ein Zeichen gegen die Outlaws zu setzen" sowie "Präsenz zu zeigen" und den Outlaws deutlich zu machen, dass deren Gebietsanspruch nicht akzeptiert werde. Den Angeklagten und Björn Sch. war dabei klar, dass es zu einer "harten körperlichen Auseinandersetzung" auch mit Waffen und Werkzeugen kommen kann. Ihnen war bewusst, dass ihr Handeln "auch den Tod des anzugreifenden Rockers nach sich ziehen könnte", sie vertrauten aber darauf, dass insbesondere wegen ihrer körperlichen und zahlenmäßigen Überlegenheit "ein lebensgefährliches Ausmaß der Gewaltanwendung nicht notwendig sein werde". Ein solcher tödlicher Ausgang war den Angeklagten unerwünscht; der Angeklagte A. fürchtete bei einem "tödlichen Zwischenfall" clubinterne Sanktionen, der Angeklagte S. , der als einziges Mitglied der Hells Angels im Donnersbergkreis wohnte, befürchtete eine "Retourkutsche" der Outlaws.
9
Nachdem die Outlaws die Gaststätte verlassen hatten, folgten die Angeklagten - der Angeklagte S. als Fahrer - und Björn Sch. mit ihrem Pkw zwei Motorrädern der Outlaws, wobei sie die Stellung deren Fahrer als "full member" bzw. "prospect" erkannten, das Vollmitglied aber nicht als Dirk O. und den dortigen Chapter-Präsidenten identifizierten. Nachdem der zweite Motorradfahrer abgebogen war, fuhren Dirk O. und hinter ihm die Angeklagten und Björn Sch. gegen 23.50 Uhr auf der Landstraße 386 in Richtung Stetten. Der Angeklagte A. und Björn Sch. beschlossen nunmehr, Dirk O. zu überholen und zum Anhalten zu bringen, um ihm die Kutte abnehmen zu können. Auf Weisung des Angeklagten A. überholte der Angeklagte S. das Motorrad und bremste den Pkw anschließend bis zum Stillstand stark ab, wobei er darauf achtete und darauf vertraute, dass es nicht zu einer Kollision kam und Dirk O. nicht stürzte. Dirk O. gelang es wenige Meter hinter dem Pkw anzuhalten, wobei die Strafkammer ungeachtet einer Blockierspur von 13,3 Metern Länge nicht festzustellen vermochte, dass dabei tatsächlich die Gefahr bestand, er werde mit dem Pkw kollidieren oder stürzen.
10
Während der Angeklagte S. - auch in der Folgezeit - in dem Pkw verblieb, sprangen der Angeklagte A. und Björn Sch. aus dem Fahrzeug , liefen auf Dirk O. zu und zogen diesen von seinem Motorrad herunter. Sodann schnitten sie mit einem Messer die rechte Hosentasche des Dirk O. auf, in der er - erkennbar - ein Messer mitführte, und warfen dieses Messer weg. Nachdem ein entgegenkommender Pkw vorbeigefahren war und Dirk O. das umgefallene Motorrad aufgerichtet hatte, um mit diesem zu fliehen, versetzte Björn Sch. Dirk O. sechs Stiche kurz unterhalb des Arms in die rechte Seite. Er handelte dabei aus Verärgerung darüber, dass "das gesamte Vorhaben" durch das zufällige Erscheinen des Pkws zu scheitern gedroht hatte, und wollte der "Aktion" endgültig und sicher zum Erfolg verhelfen. "Dass der Dirk O. dabei sterben könnte, war ihm klar, jedoch auch egal". Der Angeklagte A. sah diese nicht abgesprochene Messerattacke, konnte allerdings nicht mehr eingreifen; er ging - wie auch der Angeklagte S. - davon aus, dass das Opfer bereits tödlich verletzt sei und jede, auch eine sofort herbeigerufene Hilfe zu spät kommen werde. Er und Björn Sch. zogen Dirk O. die Kutte aus, um diese mitzunehmen. Welche Motivation dieser Wegnahme zugrunde lag, vermochte die Strafkammer nicht festzustellen, insbesondere konnte sie nicht ausschließen, dass der Tatplan von vorneherein vorsah, die Kutte "zu vernichten" bzw. "verschwinden" zu lassen, damit sie nicht in die Hände der Outlaws gelangt. Sodann versetzte Björn Sch. ebenfalls ohne Absprache mit dem Angeklagten A. Dirk O. einen weiteren Messerstich in den Rücken, der zu einer Querschnittlähmung führte.
11
Infolge der Stiche in die Seite und des dadurch eingetretenen Blutverlustes verstarb Dirk O. am 27. Juni 2009 um 2.17 Uhr.

II.


12
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger haben keinen (Rechtsmittel der Nebenkläger) bzw. nur in geringem Umfang Erfolg (Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft).
13
1. Die von Staatsanwaltschaft und den Nebenklägern erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch.
14
Die Rügen, das Landgericht habe seine Aufklärungspflicht dadurch verletzt , dass es keinen "in so genannten Motorradclubs … szenekundigen, erfahrenen Ermittlungsbeamten eines Landeskriminalamts oder einer sonst überörtlich zuständigen Polizeidienststelle oder einen Kriminalwissenschaftler" zu deren "Herrschaftsgefüge, Befehlsstrukturen, Riten und Verhaltenskodizes" ange- hört hat, sind unzulässig. Denn die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger teilen nicht in einer § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Weise mit, warum sich eine solche Beweiserhebung entgegen und trotz der Ausführungen des Schwurgerichts zu einem nicht zu erwartenden weiteren Erkenntnisgewinn durch eine solche Beweisaufnahme (UA 80) aufgedrängt haben soll, nachdem das Gericht - neben einer Vielzahl weiterer Polizeibeamter sowie mehrerer Zeugen aus "Rockerkreisen" - auch die dem Polizeipräsidium Mainz angehörende Sachbearbeiterin vernommen und diese über die Informationen berichtet hat, die ihr "im Bereich der organisierten Kriminalität erfahrene Kollegen" unter anderem zum "Trophäenkult mit Kutten" gegeben hatten. So wird insbesondere die in den Revisionsbegründungen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger angesprochene polizeiliche Vernehmung des Angeklagten S. nicht vollständig mitgeteilt; die Staatsanwaltschaft hat es zudem unterlassen , den von ihr zitierten polizeilichen Abschlussbericht vollständig vorzutragen.
15
Soweit die Staatsanwaltschaft ferner einen Verstoß gegen § 261 StPO beanstandet und geltend macht, das Gericht habe in Zusammenhang mit dem Fluchtversuch des Dirk O. Feststellungen zu "inneren Vorgängen (Überlegungen )" beim Tatopfer getroffen, ohne hierfür über eine "äußere Grundlage" zu verfügen, fehlt es jedenfalls am Beruhen des Urteils auf einer etwaigen Gesetzesverletzung.
16
Erfolglos ist auch die von zwei Nebenklägern in Zusammenhang mit der Zurückweisung einer Frage an den Zeugen G. erhobene Aufklärungsrüge. Insofern verweist der Generalbundesanwalt zutreffend darauf, dass dem Zeugen G. das von ihm geltend gemachte Auskunftsverweigerungsrecht zustand.
17
2. Auch die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hin hat - abgesehen von der Entscheidung bezüglich des Angeklagten A. nach § 51 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 Satz 2 StGB aufgrund des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft - keinen Rechtsfehler zum Vorteil der Angeklagten ergeben.
18
a) Das Schwurgericht hat die Angeklagten auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen zu Recht nicht wegen besonders schweren Raubes (mit Todesfolge) oder besonders schwerer räuberischer Erpressung (mit Todesfolge) verurteilt.
19
aa) Ein besonders schwerer Raub (mit Todesfolge) liegt - wie ersichtlich auch der Generalbundesanwalt meint - nicht vor.
20
(1) Täter - auch Mittäter - kann beim Raub nur sein, wer bei der Wegnahme die Absicht hat, sich oder einem Dritten die fremde Sache rechtswidrig zuzueignen. Hierfür genügt, dass der Täter die fremde Sache unter Ausschließung des Eigentümers oder bisherigen Gewahrsamsinhabers körperlich oder wirtschaftlich für sich oder den Dritten haben und sie der Substanz oder dem Sachwert nach seinem Vermögen oder dem des Dritten “einverleiben” oder zuführen will. Dagegen ist nicht erforderlich, dass der Täter oder der Dritte die Sache auf Dauer behalten soll oder will (BGH, Urteil vom 26. September 1984 - 3 StR 367/84, NJW 1985, 812 mwN).
21
An der Voraussetzung, dass der Wille des Täters auf eine Änderung des Bestandes seines Vermögens oder das des Dritten gerichtet sein muss, fehlt es in Fällen, in denen er die fremde Sache nur wegnimmt, um sie „zu zerstören”, „zu vernichten”, „preiszugeben”, „wegzuwerfen”, „beiseitezuschaffen” oder „zu beschädigen” (BGH, Urteile vom 10. Mai 1977 - 1 StR 167/77, NJW 1977, 1460; vom 26. September 1984 - 3 StR 367/84, NJW 1985, 812 jeweils mwN). Der etwa auf Hass- und Rachegefühlen beruhende Schädigungswille ist zur Begründung der Zueignungsabsicht ebenso wenig geeignet wie der Wille, den Eigentümer durch bloßen Sachentzug zu ärgern (BGH, Urteil vom 26. September 1984 - 3 StR 367/84, NJW 1985, 812, 813 mwN; Beschluss vom 15. Juli 2010 - 4 StR 164/10). In solchen Fällen genügt es auch nicht, dass der Täter - was grundsätzlich ausreichen könnte (vgl. BGH, Urteil vom 2. Juli 1980 - 2 StR 224/80, NStZ 1981, 63) - für eine kurze Zeit den Besitz an der Sache erlangt.
22
(2) Hiervon ausgehend handelten die Angeklagten und Björn Sch. nach den vom Schwurgericht getroffenen Feststellungen in Bezug sowohl auf die Kutte von Dirk O. als auch dessen Messer ohne die für eine Verurteilung wegen Raubes erforderliche Zueignungsabsicht.
23
Zwar diente die Wegnahme der Kutte nach dem Tatplan "dem Ziel, diesem Outlaw im speziellen und den sich neuangesiedelten Outlaws im Allgemeinen gegenüber 'Präsenz zu zeigen' und ihnen klarzumachen, dass mit den in der Nähe angesiedelten Hells Angels stets zu rechnen ist". Eine über die Enteignung hinausgehende Zueignungsabsicht konnte die Strafkammer jedoch nicht feststellen (UA 17: "Ein weiteres Interesse an der zu erlangenden Kutte, etwa als Tauschobjekt, Arbeitsnachweis oder zum 'Angeben', war nicht feststellbar" ). Vielmehr vermochte sie nicht auszuschließen, "dass der Tatplan von vornherein vorsah, die Kutte zu vernichten." (UA 79). Entsprechendes gilt für das Dirk O. abgenommene Messer, das der Angeklagte A. und Björn Sch. sofort nach der Entwaffnung ihres Opfers wegwarfen (UA 20, 55).
24
Die diesen Feststellungen zugrunde liegende Beweiswürdigung ist - wie auch im Übrigen - aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die Aufgabe, sich auf der Grundlage der vorhandenen Beweismittel eine Überzeugung vom tatsächlichen Geschehen zu verschaffen, obliegt grundsätzlich allein dem Tatrichter. Seine Beweiswürdigung hat das Revisionsgericht regelmäßig hinzunehmen, es ist ihm verwehrt, sie durch eine eigene zu ersetzen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 20. Juni 2007 - 2 StR 161/07). Nach der durch § 261 und § 337 StPO vorgegebenen Aufgabenverteilung zwischen Tat- und Revisionsgericht kommt es nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Daran ändert sich nicht einmal dann etwas, wenn vom Tatrichter getroffene Feststellungen „lebensfremd“ erscheinen mögen (BGH, Urteile vom 27. Oktober 2010 - 5 StR 319/10; vom 28. Oktober 2010 - 4 StR 285/10 mwN). Denn der vom Gesetz verwendete "Begriff der Überzeugung schließt die Möglichkeit eines anderen, auch gegenteiligen Sachverhalts nicht aus; vielmehr gehört es gerade zu ihrem Wesen, dass sie sehr häufig dem objektiv möglichen Zweifel ausgesetzt bleibt. Denn im Bereich der vom Tatrichter zu würdigenden Tatsachen ist der menschlichen Erkenntnis bei ihrer Unvollkommenheit ein absolut sicheres Wissen über den Tathergang, demgegenüber andere Möglichkeiten seines Ablaufs unter allen Umständen ausscheiden müssten, verschlossen. Es ist also die für die Schuldfrage entscheidende , ihm allein übertragene Aufgabe des Tatrichters, ohne Bindung an gesetzliche Beweisregeln und nur seinem Gewissen verantwortlich zu prüfen, ob er die an sich möglichen Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt überzeugen kann oder nicht“ (so bereits BGH, Urteil vom 9. Februar 1957 - 2 StR 508/56, BGHSt 10, 208, 209; zuletzt BGH, Urteil vom 9. November 2010 - 5 StR 297/10). Ist das Tatgericht – wie vorliegend – ausgehend von einer lückenlosen Tatsachengrundlage im Rahmen einer Bewertung der erhobenen Beweise im Einzelnen (UA 79 ff.) sowie in einer Gesamtschau (UA 82) zu der möglichen - hier sogar plausiblen - Schlussfolgerung gelangt, die erhobenen Beweise seien mangels nachgewiesener Zueignungsabsicht nicht geeignet, eine Verurteilung der Angeklagten wegen (schweren) Raubes mit Todesfolge zu tragen, hat dies – nicht anders als in gegenteiligen Verurteilungsfällen – als möglicher Schluss des Tatgerichts in der Revisionsinstanz Bestand. Die vom Revisionsgericht nicht mehr hinzunehmende, einen Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten begründende Grenze der Denkfehlerhaftigkeit wird vom Schwurgericht nirgendwo überschritten (zu diesen Maßstäben: BGH, Urteil vom 27. Oktober 2010 - 5 StR 319/10).
25
bb) Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts liegt nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen aber auch eine besonders schwere räuberische Erpressung (mit Todesfolge) nicht vor.
26
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann eine (besonders schwere) räuberische Erpressung zwar auch derjenige begehen, der das Opfer mit Gewalt dazu zwingt, die Wegnahme einer Sache zu dulden (BGH, Urteil vom 30. August 1973 - 4 StR 410/73, BGHSt 25, 224, 228 mwN), eine Verurteilung wegen Raubes aber daran scheitert, dass die dafür erforderliche Zueignungsabsicht nicht vorliegt bzw. nicht nachweisbar ist (BGH, Urteile vom 5. Juli 1960 - 5 StR 80/60, BGHSt 14, 386, 388, 390 f.; vom 6. August 1991 - 1 StR 430/91, BGHR StGB § 255 Konkurrenzen 2; Beschluss vom 12. Januar 1999 - 4 StR 685/98, NStZ-RR 1999, 103).
27
Eine Verurteilung wegen räuberischer Erpressung erfordert jedoch die Absicht, sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern. Diese Tatbestandsvoraussetzung des § 253 StGB deckt sich inhaltlich mit der beim Betrug vorausgesetzten Bereicherungsabsicht (BGH, Urteile vom 3. Mai 1988 - 1 StR 148/88, NJW 1988, 2623; vom 3. März 1999 - 2 StR 598/99, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Bereicherungsabsicht 9). Sie setzt nach dem in der höchstrichterlichen Rechtsprechung vertretenen wirtschaftlichen Vermögensbegriff deshalb voraus, dass der erstrebte Vorteil zu einer objektiv günstigeren Gestaltung der Vermögenslage für den Täter oder den Dritten führen soll (BGH, Urteil vom 3. März 1999 - 2 StR 598/99, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Bereicherungsabsicht 9 mwN; ähnlich: BGH, Urteil vom 4. April 1995 - 1 StR 772/94, NStZ 1996, 39; Beschluss vom 2. Mai 2001 - 2 StR 128/01, NStZ 2001, 534), also eine Erhöhung des wirtschaftlichen Wertes des Vermögens angestrebt wird (BGH, Urteile vom 3. Mai 1988 - 1 StR 148/88, NJW 1988, 2623; vom 3. März 1999 - 2 StR 598/99, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Bereicherungsabsicht 9 mwN).
28
Als ein solcher Vermögenszuwachs kann auch die Erlangung des Besitzes an einer Sache bewertet werden und zwar selbst bei einem nur vorübergehenden Besitzwechsel (BGH, Urteil vom 5. Juli 1960 - 5 StR 80/60, BGHSt 14, 386, 388 f.). Jedoch ist der bloße Besitz in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur in den Fällen als Vermögensvorteil anerkannt, in denen ihm ein eigenständiger wirtschaftlicher Wert zukommt (BGH, Urteil vom 17. August 2001 - 2 StR 159/01, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Vermögenswert 2), was regelmäßig lediglich dann zu bejahen ist, wenn mit dem Besitz wirtschaftlich messbare Gebrauchsvorteile verbunden sind, die der Täter oder der Dritte nutzen will (vgl. BGH, Urteil vom 16. August 1995 - 2 StR 303/95, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Vermögenswert 1 mwN; SSW-StGB/Satzger, § 263 Rdn. 98; zum Besitz an einem Kraftfahrzeug: BGH, Urteil vom 5. Juli 1960 - 5 StR 80/60, BGHSt 14, 386, 388 f.; Beschluss vom 24. April 1990 - 5 StR 111/90, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Vermögensschaden 7; Urteil vom 4. April 1995 - 1 StR 772/94, NStZ 1996, 39; Beschluss vom 12. Januar 1999 - 4 StR 685/98, NStZ-RR 1999, 103; ähnlich für den Betrug: BGH, Beschluss vom 27. Mai 2008 - 4 StR 58/08, NStZ 2008, 627).
29
Dagegen genügt - wie beim Raub - nicht, wenn der Täter zwar kurzzeitigen Besitz begründen will, die Sache aber unmittelbar nach der Erlangung vernichtet werden soll (BGH, Beschluss vom 27. Juli 2004 - 3 StR 71/04, NStZ 2005, 155 mwN; Vogel in Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 253 Rn. 29; Eser/Bosch in Schönke/Schröder, 28. Aufl., § 253 Rn. 17). Ebenso wenig reicht es aus, wenn der Täter den mit seiner Tat verbundenen Vermögensvorteil nur als notwendige oder mögliche Folge seines ausschließlich auf einen anderen Zweck gerichteten Verhaltens hinnimmt (BGH, Urteil vom 3. Mai 1988 - 1 StR 148/88, NJW 1988, 2623; ähnlich BGH, Beschluss vom 19. August 1987 - 2 StR 394/87, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Bereicherungsabsicht 1) und allein einen anderen als einen wirtschaftlichen Vorteil erstrebt (BGH, Beschluss vom 14. Oktober 1971 - 4 StR 397/71).
30
Auf dieser Grundlage fehlt es an einer Bereicherungsabsicht der Angeklagten bzw. des Björn Sch. in Bezug auf die Kutte des Dirk O. und dessen Messer. Denn das Landgericht vermochte - wie oben ausgeführt - nicht auszuschließen, dass der Tatplan von vornherein vorsah, die Kutte zu vernichten und das Messer sofort wegzuwerfen.
31
b) Da die Angeklagten sowie Björn Sch. weder einen Raub noch eine räuberische Erpressung beabsichtigt haben, kommt auch eine Verurteilung wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer gemäß § 316a StGB nicht in Betracht.
32
c) Das Schwurgericht hat auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen die Angeklagten zu Recht nicht wegen Täterschaft oder Teilnahme an der vorsätzlichen Tötung des Dirk O. verurteilt.
33
aa) Einen Tötungsvorsatz der Angeklagten hat es rechtsfehlerfrei als nicht erwiesen erachtet.
34
(1) Das Willenselement des bedingten Vorsatzes ist bei Tötungsdelikten nur gegeben, wenn der Täter den von ihm als möglich erkannten Eintritt des Todes billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen damit abfindet. Bewusste Fahrlässigkeit liegt hingegen dann vor, wenn er mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und ernsthaft - nicht nur vage - darauf vertraut, der Tod werde nicht eintreten (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 2007 - 3 StR 226/07, NStZ 2008, 93 mwN). Dabei genügt für eine vorsätzliche Tatbegehung, dass der Täter den konkreten Erfolgseintritt akzeptiert und er sich innerlich mit ihm abgefunden hat (vgl. BGH, Beschluss vom 5. März 2008 - 2 StR 50/08, NStZ 2008, 451 mwN), mag er auch seinen Wünschen nicht entsprochen haben (vgl. BGH, Urteil vom 27. August 2009 - 3 StR 246/09, NStZ-RR 2009, 372, 373; ähnlich zum unerwünschten Erfolg bereits BGH, Urteil vom 22. April 1955 - 5 StR 35/55, BGHSt 7, 363, 369). Hatte der Täter dagegen begründeten Anlass darauf zu vertrauen und vertraute er darauf, es werde nicht zum Erfolgseintritt kommen, kann bedingter Vorsatz nicht angenommen werden (BGH, Beschluss vom 5. März 2008 - 2 StR 50/08, NStZ 2008, 451).
35
Da beide Schuldformen im Grenzbereich eng beieinander liegen, ist bei der Prüfung, ob der Täter vorsätzlich gehandelt hat, eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände geboten (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 2007 - 3 StR 226/07, NStZ 2008, 93 mwN); sowohl das Wissens - als auch das Willenselement muss grundsätzlich in jedem Einzelfall geprüft und durch tatsächliche Feststellungen belegt werden (BGH, Urteil vom 18. Oktober 2006 - 2 StR 340/06, NStZ 2007, 150, 151; Beschluss vom 8. Mai 2008 - 3 StR 142/08, NStZ 2009, 91 jeweils mwN). Insbesondere bei der Würdigung des voluntativen Vorsatzelements ist es regelmäßig erforderlich, dass sich der Tatrichter mit der Persönlichkeit des Täters auseinandersetzt und seine psychische Verfassung bei der Tatbegehung sowie seine Motivation und die zum Tatgeschehen bedeutsamen Umstände - insbesondere die konkrete Angriffsweise - mit in Betracht zieht (BGH, Beschluss vom 1. Juni 2007 - 2 StR 133/07, NStZ-RR 2007, 267; Urteil vom 27. August 2009 - 3 StR 246/09, NStZRR 2009, 372 jeweils mwN). Dabei liegt zwar die Annahme einer Billigung des Todes des Opfers nahe, wenn der Täter sein Vorhaben trotz erkannter Lebensgefährlichkeit durchführt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 18. Oktober 2006 - 2 StR 340/06, NStZ 2007, 150, 151; vom 18. Oktober 2007 - 3 StR 226/07, NStZ 2008, 93 f.; vom 27. August 2009 - 3 StR 246/09, NStZ-RR 2009, 372 jeweils mwN). Allein aus dem Wissen um den möglichen Erfolgseintritt oder die Gefährlichkeit des Verhaltens kann aber nicht ohne Berücksichtigung etwaiger sich aus der Tat und der Persönlichkeit des Täters ergebender Besonderheiten geschlossen werden, dass auch das Willenselement des Vorsatzes gegeben ist (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Mai 2008 - 3 StR 142/08, NStZ 2009, 91 mwN).
36
(2) Den sich hieraus ergebenden Anforderungen wird das landgerichtliche Urteil gerecht. Die Strafkammer hat die rechtlichen Grundlagen für die Ab- grenzung des bedingten Tötungsvorsatzes von bewusster Fahrlässigkeit zutreffend gesehen und beachtet. Ihre Bewertung, Tötungsvorsatz bei den Angeklagten sei nicht erwiesen, weist keinen Rechtsfehler auf.
37
Nach den Feststellungen des Schwurgerichts wussten die Angeklagten, "dass es zur Erlangung der symbolträchtigen Kutte zu einer möglicherweise auch harten körperlichen Auseinandersetzung mit dem gegnerischen Rocker" und "auch zum Einsatz von Waffen und Werkzeugen - wie etwa Schlaghölzern, Reizgas, Schlagstöcken, Motocrosshandschuhen und evtl. auch Messern - kommen könnte". Ihnen war "bewusst …, dass derartige Aktionen … ein hohes, unter Umständen auch tödliches, Gewaltpotential in sich tragen" und ihr Handeln "aufgrund der Art der ggf. einzusetzenden Tatmittel auch den Tod des anzugreifenden Rockers nach sich ziehen könnte". Gleichwohl vermochte sich das Landgericht - rechtsfehlerfrei - nicht davon zu überzeugen, dass das Willenselement des bedingten Tötungsvorsatzes gegeben ist. Denn die Angeklagten vertrauten - wie das Schwurgericht ausführlich belegt - "im Hinblick auf ihre körperliche und auch zahlenmäßige Überlegenheit … darauf, dass ein lebensgefährliches Ausmaß der Gewaltanwendung nicht notwendig sein werde"; auch war ihnen aus unterschiedlichen Gründen ein tödlicher Ausgang unerwünscht.
38
bb) Der Generalbundesanwalt meint auf der Grundlage seiner rechtlichen Bewertung des Tatgeschehens als besonders schwere räuberische Erpressung mit Todesfolge unter Hinweis auf das Urteil des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 18. Dezember 2007 (1 StR 301/07, NStZ 2008, 280, 281 und Walter, NStZ 2008, 548), der Angeklagte A. sei Gehilfe des vorsätzlichen Tötungsdelikts, weil sich "durch das gemeinsame Ausziehen und Ansichnehmen der Kutte des dann zurückgelassenen tödlich Verletzten … sein Vorsatz sukzessive auf die zum Tod führende Gewalthandlung des Mittäters Sch. erstreckt" habe. Der Senat lässt offen, ob dem bei Vorliegen einer räuberischen Erpressung zu folgen wäre. Ein solcher Fall ist vorliegend nicht gegeben, da weder der Angeklagte A. noch Björn Sch. den Tatbestand des Raubes bzw. der räuberischen Erpressung (mit Todesfolge) verwirklicht haben. Kann bei mehreren nacheinander aktiv werdenden Tätern der Hinzutretende die weitere Tatausführung nicht mehr fördern, weil für die Herbeiführung des tatbestandsmäßigen Erfolges schon alles getan ist und bleibt deshalb sein eigenes Handeln ohne Einfluss auf den späteren Tod des Geschädigten, kommt eine Zurechnung nach den Grundsätzen der (sukzessiven) Mittäterschaft trotz Kenntnis, Billigung und Ausnutzung der durch einen anderen geschaffenen Lage nicht in Betracht (BGH, Beschluss vom 9. Juni 2009 - 4 StR 164/09, NStZ 2009, 631, 632). Allein eine nachträgliche Billigung der tödlichen Gewalt kann deshalb jedenfalls im vorliegenden Fall eine strafbare Verantwortlichkeit des Angeklagten A. für die bereits abgeschlossene Tötungshandlung nicht begründen (vgl. BGH, Urteil vom 8. November 1984 - 4 StR 526/84 mwN). Dies gilt auch für die vom Generalbundesanwalt bejahte Beihilfe zum Mord und bezieht sich in gleicher Weise auf den Angeklagten S. .
39
d) Nach den vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ist den Angeklagten auch der zur Querschnittlähmung des Opfers führende (letzte) Messerstich des Björn Sch. nicht zuzurechnen.
40
Eine solche Zurechnung scheidet aus, wenn der unmittelbare Täter dem Opfer den weiteren Stich nicht mehr im Rahmen verabredeter Gewaltanwendung beibrachte, der Dritte die (weitere) Gewaltanwendung weder gebilligt noch zu ihr gefahrerhöhend beigetragen hat und er deren Folgen auch nicht dazu ausnutzen wollte, den Besitz von durch die Tat erlangten Vermögenswerten zu erhalten (vgl. BGH, Beschluss vom 16. September 2009 - 2 StR 259/09, NStZ 2010, 33, 34). So verhält es sich hier. Der Messerstich erfolgte nach der Wegnahme der Kutte, er entsprach nicht dem Tatplan, sondern wurde "ohne weitere Absprache" mit dem Angeklagten A. von Björn Sch. ausgeführt, um (nicht ausschließbar) "ganz sicher zu gehen, dass dieser [also Dirk O. ] versterbe" (UA 63).
41
e) Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts haben sich die Angeklagten auch nicht der Täterschaft oder Teilnahme an einem versuchten vorsätzlichen Tötungsverbrechen durch Unterlassen schuldig gemacht.
42
Denn eine Handlungspflicht des Garanten für das Leben eines anderen entfällt, wenn die gebotenen Rettungsbemühungen sicher erfolglos geblieben wären (BGH, Urteil vom 16. Februar 2000 - 2 StR 582/99, NStZ 2000, 414, 415; Weigend in Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 13 Rdn. 63). Das ist nach den von der Strafkammer rechtsfehlerfrei getroffenen und tragfähig begründeten Feststellungen der Fall. Danach ging der Angeklagte A. - der objektiven Lage entsprechend (UA 78 f.) - nach der ersten Messerattacke des Björn Sch. davon aus, "dass der Outlaw durch die Messerstiche bereits tödlich verletzt sei" und selbst "bei sofort herbeigerufener Hilfe sterben" werde. Dasselbe hat das Landgericht bezüglich des Angeklagten S. festgestellt.
43
Da es durch das Sichentfernen der Angeklagten nicht zu einer Steigerung der für Dirk O. bestehenden Gefahr kam, haben sich die Angeklagten auch nicht nach § 221 StGB strafbar gemacht (vgl. SSW-StGB/Momsen, § 221 Rn. 10, 11).
44
f) Nach den getroffenen Feststellungen hat das Schwurgericht die Angeklagten zu Recht auch nicht des (versuchten) gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gemäß § 315b StGB schuldig gesprochen.
45
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats erfasst § 315b StGB ein vorschriftswidriges Verkehrsverhalten eines Fahrzeugführers nur dann, wenn dieser das von ihm gesteuerte Kraftfahrzeug in verkehrsfeindlicher Einstellung bewusst zweckwidrig einsetzt, er mithin in der Absicht handelt, den Verkehrsvorgang zu einem Eingriff in den Straßenverkehr zu "pervertieren" und er dabei mit zumindest bedingtem Schädigungsvorsatz handelt (Beschluss vom 16. März 2010 - 4 StR 82/10 mwN; vgl. auch SSW-StGB/Ernemann, § 315b StGB Rn. 18). Einen solchen, mit dem Eingriff in den Straßenverkehr verbundenen Schädigungsvorsatz vermochte das Landgericht jedoch nicht festzustellen. Es kam vielmehr - rechtsfehlerfrei - zu der Erkenntnis, dass der Angeklagte S. darauf vertraute, dass Dirk O. weder zu Fall kommt, noch auf den Pkw auffährt und dass eine solche Gefahr auch objektiv nicht bestand. Eine versuchte Anstiftung durch den Angeklagten A. (§ 30 Abs. 1, § 315b Abs. 1, 3, § 315 Abs. 3 StGB) liegt nach den getroffenen Feststellungen nicht vor.
46
g) Soweit eine Verurteilung der Angeklagten nach § 323c StGB in Betracht kam (vgl. BGH, Urteil vom 16. Februar 2000 - 2 StR 582/99, NStZ 2000, 414, 415; Fischer, StGB, 58. Aufl., § 323c Rn. 18), hat der Senat das Verfahren in der Hauptverhandlung gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt.
47
h) Auch die Rechtsfolgenaussprüche weisen - abgesehen von der den Angeklagten A. betreffenden Entscheidung nach § 51 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 Satz 2 StGB - keinen die Angeklagten begünstigenden Rechtsfehler auf.
48
aa) Dies gilt auch, soweit der Generalbundesanwalt und die revisionsführende Staatsanwaltschaft beim Angeklagten A. die Prüfung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vermissen.
49
Denn es fehlt nach der vom Senat gemäß Art. 316e Abs. 2 EGStGB, § 354a StPO zu beachtenden, am 1. Januar 2011 in Kraft getretenen Neufassung des § 66 StGB an Vorstrafen, die die dort geforderten Voraussetzungen erfüllen (vgl. BT-Drucks. 17/3403 S. 50). Insbesondere die im Jahr 2005 erfolgte Verurteilung wegen Wohnungseinbruchdiebstahls und anderem ist nicht mehr geeignet, die Anordnung der Sicherungsverwahrung zu begründen.
50
bb) Die Revision der Staatsanwaltschaft führt jedoch zur Abänderung des Maßstabs für die Anrechung der in Portugal beim Angeklagten A. vollzogenen Auslieferungshaft, den das Landgericht mit 2:1 bestimmt hat.
51
Besondere Erschwernisse, die diesen Anrechnungsmaßstab rechtfertigen könnten, hat die Strafkammer - ersichtlich aufgrund des Schweigens des Angeklagten A. zur Person und zur Sache (UA 25) - nicht festgestellt. Im Hinblick darauf, dass in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union - auch in Portugal (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Juli 2010 - 5 StR 251/10) - grundsätzlich Anhaltspunkte für eine andere Anrechnung als im Verhältnis 1:1 nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen sind, hat der Senat gemäß § 354 Abs. 1 StPO den Anrechnungsmaßstab selbst entsprechend bestimmt (BGH, Beschlüsse vom 4. Juni 2003 - 5 StR 124/03, BGHR StGB § 51 Abs. 4 Anrechnung 3; vom 4. Juli 2007 - 1 StR 298/07; vgl. dazu auch BVerfG, Beschluss vom 5. Mai 2005 - 2 BvR 1593/03).

III.


52
Die Revisionen der Angeklagten haben keinen Erfolg.
53
1. Das Rechtsmittel des Angeklagten A. ist unbegründet.
54
a) Seine Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
55
Zwar kann einem Mittäter das Handeln eines anderen Mittäters, das über das gemeinsam Gewollte hinausgeht, grundsätzlich nicht zugerechnet werden (BGH, Urteil vom 5. August 2010 - 3 StR 210/10 Rn. 15 mwN). Handelt ein Mittäter aber mit zumindest bedingtem Tötungsvorsatz, ein anderer dagegen nur mit Verletzungsvorsatz, so ist letzterer - wenn er den tödlichen Ausgang für das Opfer vorhersehen konnte - zwar nicht wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts , aber wegen Körperverletzung mit Todesfolge strafbar (BGH, Urteil vom 19. August 2004 - 5 StR 218/04, NStZ 2005, 93 m. Anm. Heinrich). Wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung kann für deren Todesfolge, die ein anderer unmittelbar herbeigeführt hat, mithin auch derjenige bestraft werden, der die Verletzung nicht mit eigener Hand ausgeführt, jedoch aufgrund eines gemeinschaftlichen Tatentschlusses mit dem Willen zur Tatherrschaft zum Verletzungserfolg beigetragen hat, sofern die Handlung des anderen im Rahmen des beiderseitigen ausdrücklichen oder stillschweigenden Einverständnisses lag und dem Täter hinsichtlich des Erfolges Fahrlässigkeit zur Last fällt (BGH, Beschluss vom 9. Juni 2009 - 4 StR 164/09, NStZ 2009, 631, 632). Dies gilt jedenfalls dann, wenn bei dem Mittäter das Wissenselement des Tötungsvorsatzes vorlag und dieser allein deshalb fehlte, weil es am Willenselement mangelte (vgl. auch BGH, Urteile vom 15. September 2004 - 2 StR 242/04, NStZ 2005, 261, 262; vom 5. August 2010 - 3 StR 210/10 mwN).
56
So verhält es sich hier. Beide Angeklagten rechneten - wie ausgeführt - mit Körperverletzungen unter Einsatz von Waffen und Werkzeugen, auch eines Messers, und billigten diese. Ihnen war ferner bewusst, dass "die Aktion aufgrund der Art der ggf. einzusetzenden Tatmittel auch den Tod des anzugreifenden Rockers nach sich ziehen könnte". Die damit gegebene Vorhersehbarkeit des Todes von Dirk O. reicht für die Erfüllung der subjektiven Fahrlässigkeitskomponente des § 227 StGB aus; einer Voraussehbarkeit aller Einzelheiten des zum Tode führenden Geschehensablaufs bedarf es nicht (BGH, Urteil vom 10. Juni 2009 - 2 StR 103/09, NStZ-RR 2009, 309, 310 mwN).
57
b) Auch die Verurteilung des Angeklagten A. wegen mit der Körperverletzung mit Todesfolge und der Nötigung in Tateinheit stehenden Beteiligung an einer Schlägerei begegnet keinen Bedenken. Sie entspricht sowohl hinsichtlich der Bejahung des Tatbestandes des § 231 StGB als auch bezüglich der Konkurrenzen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Oktober 2008 - 3 StR 236/08; Urteil vom 10. Juni 2009 - 2 StR 103/09, NStZ-RR 2009, 309, 310 mwN)
58
c) Entsprechendes gilt für den Schuldspruch wegen Nötigung. Diese wird hinsichtlich des Ausbremsens vom Verteidiger des Angeklagten A. nicht in Frage gestellt. Sie liegt aber auch hinsichtlich der Wegnahme der Kutte vor, bezüglich derer der Einsatz des Messers von Anfang an vom Vorsatz des Angeklagten A. umfasst war (vgl. auch UA 79).
59
d) Die Strafzumessung weist ebenfalls keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf. Dies gilt insbesondere für die Bewertung des Schwurgerichts, bei der vom Angeklagten A. begangenen Nötigung handle es sich um einen (unbenannten) besonders schweren Fall im Sinne des § 240 Abs. 4 Satz 1 StGB. Sie wird vom Tatgericht zutreffend auf das "besonders grobe" Missverhältnis zwischen Mittel und Zweck gestützt.
60
e) Auch der Maßregelausspruch hält der Überprüfung stand. Zwar war der Angeklagte A. "nur" Beifahrer in dem vom Angeklagten S. gesteuerten Pkw. Indes hat der Angeklagte A. an der ihm zu Recht angelasteten Nötigung des Dirk O. durch das Ausbremsen nicht nur dadurch mitgewirkt, dass er den Angeklagten S. hierzu "verbal gedrängt" hat, sondern auch dadurch, dass er die "Weisung" für den Beginn des Überholmanövers gab. Dies rechtfertigt die Maßregel nach §§ 69, 69a StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Februar 2004 - 4 StR 585/03, NStZ 2004, 617; Tepperwien in Festschrift Nehm, 2006, S. 427, 430).
61
2. Die Revision des Angeklagten S. ist ebenfalls unbegründet.
62
a) Die Verurteilung wegen Beihilfe zur Körperverletzung mit Todesfolge und zur Beteiligung an einer Schlägerei sowie wegen Nötigung ist nicht zu beanstanden. Rechtsfehlerfrei ist - wie ausgeführt - auch die Annahme von Tateinheit zwischen diesen Straftatbeständen.
63
b) Der Strafausspruch hält im Ergebnis ebenfalls der Überprüfung stand.
64
Zwar hat es das Schwurgericht unterlassen, beim Angeklagten S. trotz Vorliegens zweier vertypter Milderungsgründe (§ 27 Abs. 2, § 46b StGB) zu prüfen, ob ein minder schwerer Fall der Körperverletzung mit Todesfolge vorliegt. Der Senat schließt aufgrund der Besonderheiten des Falles jedoch aus, dass der Strafausspruch hierauf beruht. Denn es lag im Hinblick auf die vom Landgericht zutreffend dargelegten Strafschärfungsgründe (u.a. Bewährungsversagen ) fern, einen minder schweren Fall gemäß § 227 Abs. 2 StGB ohne "Verbrauch" mindestens eines der vertypten Milderungsgründe anzunehmen. Wäre aber der Strafrahmen des § 227 Abs. 2 StGB einmal nach § 49 Abs. 1 StGB gemindert worden, so wäre - bei nur geringfügig niedrigerer Strafrahmenobergrenze - die Strafrahmenuntergrenze höher gewesen als nach der vom Schwurgericht vorgenommenen doppelten Minderung des Strafrahmens des § 227 Abs. 1 StGB.
65
Die Annahme eines besonders schweren Falls der Nötigung begegnet beim Angeklagten S. auch angesichts der nur eingeschränkten Überprüfbarkeit dieser Bewertung in der Revision (vgl. Fischer aaO § 46 Rn. 85 mwN) keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

IV.


66
Das nur geringfügige Obsiegen der Staatsanwaltschaft rechtfertigt keine Kostenteilung. Da mithin sowohl die Revisionen der Staatsanwaltschaft als auch die der Nebenkläger erfolglos geblieben bzw. entsprechend zu behandeln sind, haben die Nebenkläger außer der Revisionsgebühr auch die Hälfte der gerichtlichen Auslagen zu tragen. Die durch diese Revisionen verursachten notwendigen Auslagen des Angeklagten hat allein die Staatskasse zu tragen (§ 473 Abs. 2 Satz 1 StPO); eine Auferlegung der notwendigen Auslagen des Angeklagten auf den Nebenkläger erfolgt nur dann, wenn dieser allein erfolglos Revision eingelegt hat, nicht dagegen, wenn auch die Staatsanwaltschaft Rechtsmittelführe- rin ist (§ 473 Abs. 1 Satz 3 StPO; vgl. aber BGH, Urteil vom 9. Dezember 2010 - 5 StR 405/10). Die Kosten- und Auslagenentscheidung hinsichtlich der Revisionen der Angeklagten beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 und 2 StPO. Zwar sind auch die Revision der Nebenkläger erfolglos geblieben, dies rechtfertigt es jedoch nicht, von einer Auslagenerstattung zu ihren Gunsten abzusehen (§ 473 Abs. 1 Satz 2 StPO; zum Ganzen: BGH, Urteil vom 30. November 2005 - 2 StR 402/05).
Ernemann Solin-Stojanović Cierniak
Franke Mutzbauer
29
bb) Die Annahme einer Billigung liegt nahe, wenn der Täter sein Vorhaben trotz erkannter Lebensgefährlichkeit durchführt (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 28. Juli 2005 – 4 StR 109/05, NStZ-RR 2005, 372; Urteil vom 18. Oktober 2007 – 3 StR 226/07, NStZ 2008, 93 f.). Hierbei sind die zum Tatgeschehen bedeutsamen Umstände – insbesondere die konkrete Angriffsweise –, die psychische Verfassung des Täters bei der Tatbegehung sowie seine Mo- tivation in die Beweiswürdigung mit einzubeziehen (vgl. BGH, Urteile vom 27. August 2009 – 3 StR 246/09, NStZ-RR 2009, 372, und vom 27. Januar 2011 – 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699, 702). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist das Vertrauen auf ein Ausbleiben des tödlichen Erfolgs regelmäßig dann zu verneinen, wenn der vorgestellte Ablauf des Geschehens einem tödlichen Ausgang so nahe kommt, dass nur noch ein glücklicher Zufall diesen verhindern kann (BGH, Urteile vom 16. September 2004 – 1 StR 233/04, NStZ 2005, 92, vom 23. Juni 2009 – 1 StR 191/09, NStZ 2009, 629, 630, und vom 1. Dezember 2011 - 5 StR 360/11).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR435/14
vom
13. Januar 2015
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen versuchten Mordes
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 13. Januar
2015, an der teilgenommen haben:
Richter Prof. Dr. Sander
als Vorsitzender,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Dölp,
Richter Dr. Berger,
Richter Bellay
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin F.
als Verteidigerin des Angeklagten K. ,
Rechtsanwalt R.
als Verteidiger des Angeklagten L. ,
Rechtsanwältin G.
als Vertreterin des Nebenklägers,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen des Nebenklägers wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 18. März 2014 mit den Feststellungen, mit Ausnahme derjenigen zum äußeren Tatgeschehen, aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Mit seinen auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revisionen beanstandet der Nebenkläger, dass das Landgericht bedingten Tötungsvorsatz der Angeklagten nicht festgestellt hat. Die Rechtsmittel haben Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts hielten sich die aus Polen stammenden, alkoholisierten und unter dem Einfluss von Cannabis stehenden, zur Tatzeit 23 Jahre (K. ) und 33 Jahre (L. ) alten Angeklagten am Nachmittag des 9. Juli 2013 auf dem Platz am Neptunbrunnen nahe dem Berliner Alexanderplatz auf und baten andere Personen um Zigaretten. Dabei trat der Angeklagte L. bedrohlich dicht an einen Zeugen heran. Der Angeklagte K. zog L. beiseite.
3
Wenig später ging der muskulöse K. – bewusst in einem bedrohlich geringen Abstand – an dem auf einer Parkbank sitzenden schmächtigen , dunkelhäutigen Nebenkläger vorbei, dem er körperlich deutlich überlegen war. Dabei strahlte K. eine solche Aggressivität aus, dass er einem Zeugen auffiel, der eine Bank vom Nebenkläger entfernt saß und den Angeklagten als „potentielle Gefahr“ im Auge behielt. K. , der nach eigener Aussage „keine Neger mag“, störte sich an der dunklen Hautfarbe des Neben- klägers. Im Vorbeigehen beleidigte er ihn mit einem dem deutschen Wort „Ne- ger“ vergleichbaren Wort in polnischer Sprache. Der Nebenkläger, der der russischen Sprache mächtig ist, verstand dieses Wort. Er reagierte, indem er K. auf Russisch fragte, was er getan habe. K. blieb ruckartig stehen und wandte sich dem Nebenkläger zu; er ergriff ihn, zog ihn von der Parkbank hoch und begann, ihn zu schubsen. Auf erfolglose Versuche des Nebenklägers , den Angeklagten K. abzuwehren, schlug dieser den Nebenkläger mit drei wuchtigen Faustschlägen ins Gesicht zu Boden. K. versuchte, den benommen am Boden liegenden – sehr leichten – Nebenkläger an dessen Gürtel in die Luft zu heben und zu Boden fallen zu lassen. Dies verhinderte der Nebenkläger zunächst, indem er sich an der Hose des Angeklagten festkrallte. Als er jedoch das Bewusstsein verlor, nutzte K. dies aus, um den Nebenkläger an seinem Gürtel aufzuheben, sein Knie in das Gesicht des Nebenklägers zu stoßen und ihn schließlich mit dem Gesicht voran auf den Steinboden des Platzes fallen zu lassen. K. versetzte dem bewusstlos auf dem Boden liegenden Nebenkläger noch mindestens einen Faustschlag ins Gesicht, ließ dann aber von ihm ab, als L. eingriff und gegen den Kopf des Nebenklägers trat. L. erkannte, dass der Nebenklä- ger nicht unerheblich verletzt, ohne Bewusstsein und deshalb wehrlos war, trat aber aus fremdenfeindlicher Verachtung ein zweites Mal gegen dessen Kopf. Bevor er dem Nebenkläger einen weiteren Tritt versetzen konnte, näherten sich von verschiedenen Seiten Passanten und forderten die Angeklagten lautstark auf, vom Nebenkläger abzulassen. Daraufhin entfernten sich die Angeklagten vom Tatort.
4
Passanten kümmerten sich um den verletzten Nebenkläger und sorgten dafür, dass er in eine Klinik gebracht wurde, in der er bis zum 23. Juli 2013 stationär behandelt wurde. Er hatte unter anderem einen Bruch der rechten Augenhöhlenwand und des Nasenbeins, ein Schädelhirntrauma sowie eine dünne Blutung unter die weiche Hirnhaut (Subarachnoidalblutung) und eine minimale Einblutung ins Hirngewebe (Kontusionsblutung) erlitten. Seine Verletzungen waren potentiell, nicht aber konkret lebensgefährlich.
5
2. Das Landgericht hat die Tat als gefährliche Körperverletzung – mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung sowie gemeinschaftlich begangen – gewürdigt und ausgeführt, es habe sich nicht die Überzeugung verschaffen können, dass die Angeklagten den Tod des Nebenklägers billigend in Kauf nahmen. Dagegen spreche, dass es sich um eine „spontane, unüberlegte und sehr kurz andauernde Tat“ gehandelt habe. Die Angeklagten hätten aufgrund einer mehrjährigen Erfahrung als Kickboxer (K. ) beziehungsweise aufgrund verschiedener Schlägereien als Fußballfan (L. ) möglicherweise ihre Kräfte besser als andere Täter einschätzen können, so dass der Nebenkläger nicht noch schwerer verletzt worden sei. Zudem hätten die Angeklagten in einer „(gruppen-)dynamischen Situation“ gestanden sowie unter erheblichem Einfluss von Alkohol und Cannabis, deren Wirkung sie möglicherweise leichtfertig darauf vertrauen ließ, ein tödlicher Erfolg werde nicht eintreten. Die Gewalthandlungen der Angeklagten hätten „keine schwersten Kopfverletzungen, insbesondere keinen Bruch des Schädels,“ herbeigeführt. Der Umstand, dass die Tat auf öffent- lichem Straßenland vor zahlreichen Zeugen stattgefunden habe, weise darauf hin, „dass eine Schlägerei – auffür den Geschädigten schreckliche Art – ‚aus dem Ruder lief', die Angeklagten aber den Tod des Nebenklägers jedenfalls nicht billigend in Kauf nahmen“ (UA S. 25). Dass ihre tatmotivierende Fremden- feindlichkeit so weit gegangen sei, auch den Tod eines Menschen billigend in Kauf zu nehmen, lasse sich nicht mit der erforderlichen Gewissheit feststellen. Die Strafkammer hat nicht ausschließen können, dass sich die Angeklagten bei Tatbegehung in einem Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB) befanden.
6
3. Die Beweiswürdigung des Landgerichts zum Tötungsvorsatz hält – auch eingedenk des beschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsumfangs (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 2008 – 5 StR 224/08, NStZ 2009, 401) – sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand, da sie lückenhaft ist.
7
a) Das Landgericht hat im Ausgangspunkt nicht verkannt, dass die auf der Grundlage der dem Täter bekannten Umstände zu bestimmende objektive Gefährlichkeit der Tathandlung ein wesentlicher Indikator für das Vorliegen eines bedingten Vorsatzes ist (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 23. Februar 2012 – 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443). Bei dessen Prüfung ist es aus revisionsrechtlicher Sicht erforderlich, aber auch ausreichend, sämtliche objektiven und subjektiven, für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände des Einzelfalles in eine individuelle Gesamtschau einzubeziehen und zu bewerten. Dem genügt die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht, da mehrere wesentlich für einen bedingten Tötungsvorsatz der Angeklagten sprechende tatsächliche Umstände nicht bedacht werden.
8
b) Soweit die Strafkammer gegen das Vorliegen des voluntativen Ele- ments eines Tötungsvorsatzes ausführt, es habe sich um eine „spontane, unüberlegte und sehr kurz andauernde“ Tat gehandelt, berücksichtigt sie nicht, dass beide Angeklagte gegen den bereits bewusstlosen Nebenkläger mehrere gefährliche Gewalthandlungen ausführten und mit diesen erst aufhörten, als sich Passanten näherten und sie lautstark aufforderten, vom Nebenkläger abzulassen. Der Tatsache, dass die Angeklagten nicht freiwillig mit der Misshandlung des Nebenklägers aufhörten, kann ein hoher Indizwert für ihre innere Einstellung gegenüber einer möglichen Tötung des Nebenklägers zukommen (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2007 – 1 StR 126/07, NStZ 2007, 639, 640). Das gewollte weitere Tun kann den Schluss nahelegen, dass ihnen die Folgen ihrer Tat bis hin zum möglichen Tod des Nebenklägers gleichgültig waren. Dies würde für die Annahme von bedingtem Tötungsvorsatz genügen und war mithin erörterungsbedürftig.
9
Zudem sprechen die Urteilsfeststellungen zum Verhalten der – berauschten – Angeklagten vor der Tat gegen ein spontanes und unüberlegtes Handeln, sondern eher dafür, dass sie bewusst Streit suchten. Dass es sich bei der Misshandlung des Nebenklägers um eine aus dem Ruder gelaufene „Schlägerei“ (UA S. 25)gehandelt haben könnte, wird durch die Feststellungen widerlegt. Danach beschränkte sich der zunächst vom Angeklagten K. – grundlos – körperlich angegriffene Nebenkläger auf Schutzwehr, zu der er wegen eintretender Bewusstlosigkeit alsbald schon nicht mehr in der Lage war. Er hatte in keiner Weise zu einer Eskalation des Geschehens über ein von den Angeklagten möglicherweise ursprünglich gewolltes begrenztes Maß hinaus beigetragen. Es ist auch nicht belegt oder sonst ersichtlich, dass eine von der Schwurgerichtskammer angenommene „gruppendynamische Situation“ vorlag, bei der sich die Entstehung oder zumindest das Ausmaß der Gewalttätigkeit der Angeklagten ausschließlich aus ihrer Interaktion untereinander oder mit dem Nebenkläger oder den Umstehenden ergab. Abgesehen davon stünden stattgehabte gruppendynamische Prozesse der Entwicklung eines – anfangs nicht vorhandenen – bedingten Tötungsvorsatzes in ihrem Verlauf auch keineswegs entgegen, sondern könnten sie im Gegenteil gerade gefördert haben.
10
c) Soweit die Strafkammer meint, aus der – rechtsfehlerfrei festgestellten – fremdenfeindlichen Motivation der Angeklagten keinen Tötungsvorsatz schlussfolgern zu können, berücksichtigt sie nicht, dass die Angeklagten noch in der Hauptverhandlung ihre anhaltende Missachtung für den anwesenden Nebenkläger durch höhnisches Lachen über ein Foto des schwer im Gesicht Verletzten sowie „demonstratives Gähnen, Lümmeln und Lachen“ während der Beweisaufnahme (UA S. 14) zum Ausdruck gebracht haben. Dieses Verhalten kann darauf schließen lassen, dass sie das Leiden des – in ihren Augen „min- derwertigen“ (UA S. 11) – Nebenklägers und die ihm zugefügtenerheblichen Verletzungen bagatellisierten. Dieses auf einer „tief dissozialen Prägung“ beru- hende Verhalten (UA S. 14) der Angeklagten kann ein Indiz dafür sein, dass sie auch weitergehende Verletzungen des Nebenklägers bis hin zu seinem Tod billigend in Kauf genommen hätten, und wäre mithin zu erörtern gewesen.
11
d) Wenn die Strafkammer eine gefährliche Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung bejaht, so geht sie davon aus, dass die Tat in der Vorstellung der Angeklagten auf eine Lebensgefährdung „angelegt” war (vgl. BGH, Urteil vom 12. Oktober 1989 – 4 StR 318/89, BGHSt 36, 262, 265). Demnach erkannten die Angeklagten trotz ihrer Beeinflussung durch Alkohol und Cannabis die Lebensgefährlichkeit ihrer Gewalthandlungen. Tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass sie dennoch darauf vertraut haben könnten, der Nebenkläger werde nicht zu Tode kommen, hat das Landgericht nicht festge- stellt. Soweit es zugunsten der Angeklagten davon ausgeht, dass sie aufgrund ihrer Gewalterfahrenheit die Wirkung ihrer Verletzungshandlungen möglicherweise besser als andere Täter einschätzen konnten, weist die Revision zu Recht darauf hin, dass es nach Vornahme einer potentiell lebensgefährlichen Handlung grundsätzlich dem Zufall anheim gegeben bleibt, ob die Lebensgefahr sich konkretisiert und letztlich zum Tod führt.
12
4. Der aufgezeigte Rechtsmangel führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils mit den Feststellungen; jedoch können die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen bestehen bleiben. Ergänzende, ihnen nicht widersprechende Feststellungen durch das neue Tatgericht sind zulässig.
Sander Schneider Dölp
Berger Bellay

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 84/15
vom
14. Januar 2016
in der Strafsache
gegen
wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:140116U4STR84.15.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. Januar 2016, an der teilgenommen haben: Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck, Richter am Bundesgerichtshof Dr. Franke, Dr. Mutzbauer, Dr. Quentin als beisitzende Richter,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof – in der Verhandlung –, Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof – bei der Verkündung – als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger,
Rechtsanwalt als Nebenklägervertreter,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 8. Juli 2014 mit den Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung und mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis verurteilt wurde sowie
b) in den Aussprüchen über die Gesamtstrafe und die Maßregel.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung und mit fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs, sowie wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Ferner hat es eine Maßregel nach § 69a StGB angeordnet und Adhäsionsentscheidungen getroffen. Gegen das Urteil richtet sich die auf eine ver- fahrensrechtliche Beanstandung und die Sachrüge gestützte, zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte und vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft, mit der sie eine Verurteilung des Angeklagten insbesondere wegen vorsätzlicher Körperverletzungs- und Tötungsdelikte erstrebt. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.


2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen :
3
Am Nachmittag des 4. September 2013 fuhr der Angeklagte mit einem Pkw auf einer öffentlichen Straße in B. , obwohl er – wie er wusste – nicht im Besitz der hierfür erforderlichen Fahrerlaubnis war. Als er E. und S. M. sowie Sa. R. am Straßenrand sah, hielt er das Fahrzeug an, stieg aus und fragte E. M. nach dem Aufenthaltsort von En. Si. , der – nach Ansicht des Angeklagten – einem in Serbien inhaftierten Bruder des Angeklagten in Zusammenhang mit gemeinsam begangenen Straftaten und der Verurteilung nur des Bruders des Angeklagten Geld schuldete. E. M. verwies den Angeklagten auf den neben ihm stehenden Sa. R. , einen Bruder von En. Si. . S. M. riet dem Angeklagten indes, Sa. R. nicht zu fragen, sondern nach Hause zu gehen. Der Angeklagte, der die Reaktionen von E. und S. M. als „unangemessen und herabsetzend“ empfand, stieg daraufhin „wutentbrannt“ in den Pkw, fuhr davon und unterrichtete seinen Vater telefonisch davon, dass er sich von E. und S. M. „unangemessen behandelt“ fühle. Der Vater des Angeklagten rief daraufhin den mit ihm befreundeten N. Br. anund fragte ihn, was es mit dem Streit auf sich habe. N. Br. , ein Cousin von E. und S. M. , erklärte sich bereit, die Angelegenheit zu klären.
4
Nach weiteren Telefonaten trafen schließlich auf dem Parkplatz eines Supermarktes in B. einerseits der Vater des Angeklagten mit seinen Söhnen D. und K. I. sowie Ke. A. als deren Fahrer und der Angeklagte mit seinem Beifahrer Ne. O. sowie andererseits E. M. , N. Br. und Sa. R. sowie S. M. , En. Si. und An. R. mit ihrer zweijährigen Tochter ein. Ke. A. stellte sein Fahrzeug auf der rechten Seite einer nach Einfahren auf den Parkplatz in 58 Meter Entfernung direkt vor ihm liegenden Parkbucht für drei Fahrzeuge ab. Nachdem die Insassen ausgestiegen waren, kam der nicht alkoholisierte, aber unter Einfluss von Cannabis stehende, in seinem Steuerungsvermögen indes nicht erheblich beeinträchtigte Angeklagte hinzu und besprach mit seinem Vater und seinen Brüdern, wie weiter zu verfahren sei. Hierbei wies der Vater des Angeklagten – um einer Eskalation vorzubeugen – diesen an, den Parkplatz mit seinem Fahrzeug zu verlassen. Dem leistete der Angeklagte Folge, bemerkte dabei jedoch das Eintreffen des mit E. M. , N. Br. und Sa. R. besetzten Pkws, den E. M. in der Nähe des Pkws von Ke. A. abstellte. E. M. , N. Br. und Sa. R. stiegen sodann aus dem Pkw aus und gingen zu dem freien mittleren Parkplatz der Parkbucht, in der der Vater des Angeklagten und dessen Brüder standen. Ferner sah der Angeklagte, dass En. Si. und S. M. zu Fuß von der Einfahrt des Parkplatzes in Richtung der Parkbucht gingen, in der Ke. A. sein Fahrzeug geparkt hatte. Daraufhin bog der Angeklagte – möglicherweise aus Angst um seinen Vater und seine Brüder „in Anbetracht der Überzahl der gegnerischen Seite“, möglicher- weise weil er den von ihm gesuchten En. Si. sah – mit dem von ihm ge- steuerten Pkw mit einer Geschwindigkeit von etwa 30 km/h und „quietschenden Reifen“ wieder auf den Parkplatz des Supermarktes ein und fuhr auf die Park- bucht zu, in der die Personengruppe stand. Dabei hätte er – so die Strafkammer – erkennen können, dass er infolge vorangegangenen Cannabiskonsums nicht mehr in der Lage war, ein Fahrzeug sicher im Verkehr zu führen, was er aber vor Aufregung sorgfaltswidrig nicht bedachte. Nach etwa 30 Metern erfasste der Pkw des Angeklagten mit einer Geschwindigkeit von 20 bis 60 km/h den auf dem Weg zu der Parkbucht befindlichen S. M. , der dabei mit seinem rechten Unterarm gegen die Frontscheibe des Pkws stieß, die zersplitterte. S. M. zog sich hierbei neben einem Bluterguss am Knie und Schürfwunden am Arm einen Kreuzbandriss zu. An. R. , die mit ihrer Tochter hinter den nebeneinander laufenden S. M. und En. Si. ging, wurde von einem Passanten „gerade noch rechtzeitig ... ehe auch sie von dem Fahrzeug des Angeklagten erfasst werden konnte“ zur Seite gestoßen. Sodann wollte der Angeklagte „nicht ausschließbar“ in einer Linkskurve an der Parkbucht und den dort befindlichen Personen vorbeifahren, schlug das Lenk- rad aber „aufgrund des durch den Aufprall verursachten Schrecks und seiner infolge des vorangegangenen Cannabiskonsums verlängerten Reaktionszeit“ zu spät ein und fuhr mit einer Geschwindigkeit von 40 bis 50 km/h in die Parkbucht. Dabei schrammte er mit seiner linken Fahrzeugseite an der rechten Seite des auf dem linken Parkplatz abgestellten Pkws einer Zeugin entlang und erfasste den auf dem freien mittleren Parkplatz stehenden E. M. , der hierdurch hinter die Parkbucht geschleudert wurde und schwer verletzt liegen blieb; er erlitt unter anderem Brüche am Sprunggelenk und am Oberschenkel sowie am Waden- und Schlüsselbein. N. Br. und Sa. R. konnten sich durch einen Sprung auf die Seite bzw. auf und über den Pkw des Angeklagten in Sicherheit bringen, wurden aber, weil sie hierbei zu Fall kamen, ebenfalls verletzt. Nach der Kollision stieg der Angeklagte aus dem von ihm gesteuerten Pkw aus, „schüttelte“ An. R. , die ihn festhalten wollte, ab und rannte davon.
5
2. Vom vorsätzlichen Herbeiführen „der Kollision“ durch den Angeklagten vermochte sich das Landgericht nicht zu überzeugen. In ihren Rechtsausführungen begründet die Strafkammer dies damit, dass ein (bedingter) Vorsatz aufgrund der Spontaneität des Tatentschlusses und der affektiven Erregung des Angeklagten nicht nachweisbar sei.

II.


6
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist jedenfalls im Hinblick auf die Besonderheiten des vorliegenden Falls (vgl. auch OLG Oldenburg, Beschluss vom 11. September 2008 – Ss 309/08 I 157, Blutalkohol 45, 392 f.) wirksam auf die landgerichtlichen Feststellungen und Wertungen zu den beiden Kollisionen auf dem Parkplatz des Supermarkts beschränkt.
7
Zwar hat die Staatsanwaltschaft unbeschränkt Revision eingelegt und auch einen unbeschränkten Aufhebungsantrag gestellt. In der Begründung des Rechtsmittels stellt die Revisionsführerin aber klar, dass sich dieses allein da- gegen richte, dass der Angeklagte nur „wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung und fahrlässiger Körperverletzung“ und nicht wegen „tateinheitlich begangenen versuchten Mordes, gefährlicher Körperverletzung, vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs und Sachbeschädigung“ verurteilt worden sei.

III.


8
Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft hat bereits mit der Sachrüge Erfolg. Denn die Beweiswürdigung zum fehlenden Vorsatz des Angeklagten bei der Herbeiführung der Kollisionen und der durch sie eingetretenen Verletzung und Gefährdung mehrerer Personen, mithin zu den Vorwürfen versuchter und vollendeter vorsätzlicher Körperverletzungs - und versuchter vorsätzlicher Tötungsdelikte sowie des vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr, leidet an durchgreifenden Rechtsfehlern. Eines Eingehens auf die von der Staatsanwaltschaft ebenfalls erhobene Verfahrensrüge bedarf es daher nicht.
9
1. Die Beweiswürdigung ist in wesentlichen Teilen lückenhaft.
10
a) Eine einen Rechtsfehler im Sinn des § 337 Abs. 1 StPO darstellende Lücke liegt insbesondere vor, wenn die Beweiswürdigung wesentliche Feststellungen nicht erörtert (vgl. etwa BGH, Urteil vom 5. November 2015 – 4 StR 183/15) oder nur eine von mehreren gleich naheliegenden Möglichkeiten prüft (vgl. BGH, Urteil vom 11. Januar 2005 – 1 StR 478/04, NStZ-RR 2005, 147 f.).
11
b) Das ist hier der Fall.
12
aa) Bedingter Vorsatz und bewusste Fahrlässigkeit unterscheiden sich darin, dass der bewusst fahrlässig Handelnde mit der als möglich erkannten Folge nicht einverstanden ist und deshalb auf ihren Nichteintritt vertraut, während der bedingt vorsätzlich Handelnde mit dem Eintreten des schädlichen Erfolgs in der Weise einverstanden ist, dass er ihn billigend in Kauf nimmt oder dass er sich wenigstens mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet (BGH, Beschluss vom 5. März 2008 – 2 StR 50/08, NStZ 2008, 451 mwN). Die Prüfung, ob Vorsatz oder (bewusste) Fahrlässigkeit vorliegt, erfordert insbesondere bei Tötungs- oder Körperverletzungsdelikten eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände, wobei es vor allem bei der Würdigung des voluntativen Vorsatzelements regelmäßig erforderlich ist, dass sich der Tatrichter mit der Persönlichkeit des Täters auseinandersetzt und seine psychische Verfassung bei der Tatbegehung sowie seine Motivation und die zum Tatgeschehen bedeutsamen Umstände – insbesondere die konkrete Angriffsweise – mit in Betracht zieht (BGH, Urteile vom 18. Oktober 2007 – 3 StR 226/07, NStZ 2008, 93 f.; vom 27. Januar 2011 – 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699, 702; vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 186 f.; vom 13. Januar 2015 – 5 StR 435/14, NStZ 2015, 216 jeweils mwN). Diese Gesamtschau ist insbesondere dann notwendig, wenn der Tatrichter allein oder im Wesentlichen aus äußeren Umständen auf die innere Einstellung eines Angeklagten zur Tat schließen muss (vgl. etwa BGH, Urteil vom 13. Dezember 2005 – 1 StR 410/05, NJW 2006, 386 f.). Sie ist lückenhaft, wenn der Tatrichter sich mit wesentlichen, den Angeklagten belastenden Umständen nicht auseinandersetzt, die für die subjektive Tatseite bedeutsam sind (BGH, Urteil vom 8. September 2011 – 1 StR 38/11, NZWiSt 2012, 71 f.).
13
bb) Eine solche Gesamtschau hat die Strafkammer nicht in der gebotenen Vollständigkeit vorgenommen.
14
Zwar verweist die Strafkammer in ihren Rechtsausführungen darauf, dass ein (bedingter) Vorsatz aufgrund der Spontaneität des Tatentschlusses und der affektiven Erregung des Angeklagten nicht nachweisbar sei. Im Zusammenhang mit den Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen verweist sie hierzu aber allein auf die „durchaus denkbare“ Verlängerung der Reaktionszeit infolge des Cannabiskonsums, das Fehlen eines nachvollziehbaren Motivs sowie darauf, dass der Vater des Angeklagten und seine beiden Brüder ebenfalls in der Parkbucht standen und er bei vorsätzlichem Handeln nicht nur seine Gesundheit und sein Fahrzeug, sondern auch Leben und Gesundheit seines Vaters gefährdet hätte. Bei der Darstellung der Ausführungen des Sachverständigen für Unfallrekonstruktion legt die Strafkammer dagegen dar, dass sich aufgrund dieser ein vorsätzliches Handeln des Angeklagten nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Wahrscheinlichkeit nachweisen lasse.
15
Letzteres trifft zwar für sich genommen zu, jedoch stünden die Ausführungen des Sachverständigen auch der Bejahung eines vorsätzlichen Handelns des Angeklagten nicht entgegen. Im Übrigen ist trotz dieser Sammlung vorsatzkritischer Umstände jedenfalls nicht ohne weitere – indes fehlende – Erläuterungen nachvollziehbar, dass und inwieweit diese Umstände bereits im ersten Tatkomplex (Anfahren von S. M. ) Bedeutung erlangt haben könnten. Die Strafkammer setzt die von ihr aufgeführten Umstände zudem nicht in Beziehung zueinander und erläutert auch nicht, ob sie schon zu Zweifeln am Vorsatz hinsichtlich der Handlungen (als solcher) oder dazu geführt haben, dass ungewiss bleibt, ob der Angeklagte bei vom Vorsatz getragenen Handlungen den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkannt oder er ihn nur nicht gebilligt hat. Hierzu bestand hinsichtlich des ersten Tatkomplexes jedoch schon deshalb Anlass, weil der Angeklagte von der Einfahrt des Parkplatzes „direkt“ in Richtung der Parkbucht steuerte, er mithin auf gerader Strecke über etwa 30 Meter auf die vor ihm gehenden Fußgänger zufuhr. Dass er dies in Bezug auf seine Handlung (als solche) und das „Tatobjekt“ lediglich fahrlässig tat, liegt fern, zumal nach den Ausführungen des Sachverständigen Cannabiskonsum lediglich den peripheren Bereich des Sichtfelds vergrößert, dieses nicht aber einschränkt, und er S. M. und En. Si. schon zuvor identifiziert hatte. Auch die vom Landgericht angeführte überhöhte Geschwindigkeit infolge Cannabisintoxikation sowie der zu geringe Seitenabstand zu den Fußgängern widerstreiten unter den hier gegebenen Umständen nicht ohne weiteres der Annahme einer vorsätzlichen Tathandlung. Vor diesem Hintergrund hätte sich die Strafkammer bei der Prüfung des Vorsatzes in Bezug auf den Handlungserfolg zumindest auch mit der objektiven Gefährlichkeit der Tathandlung auseinandersetzen müssen (vgl. zum Zufahren auf Fußgänger: Senat, Urteile vom 29. Januar 2015 – 4 StR 433/14, NStZ 2015, 392, 394; vom 25. Oktober 2012 – 4 StR 346/12), der als wesentlichem Indikator sowohl für das Wissens- als auch für das Willenselement des bedingten Vorsatzes gewichtige Bedeutung zukommt (vgl. hierzu etwa BGH, Urteil vom 16. Mai 2013 – 3 StR 45/13, NStZ-RR 2013, 242 f.).
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Hinsichtlich des zweiten Tatkomplexes (Einfahren in die Parkbucht) liegt eine Lücke schon darin, dass die Strafkammer in die Prüfung eines vorsätzlichen Handelns des Angeklagten nicht einbezogen hat, dass dieser nicht nur eine, sondern in engem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang zwei Kollisionen herbeigeführt hat, mithin eine Häufung an Verhaltensweisen vorliegt, die vor allem bei auf Gefährdungen oder Schädigungen von Personen der „gegnerischen Seite“ abzielendenund diese zumindest in Kauf nehmenden Handlungen plausibel ist. Zudem hat das Landgericht unberücksichtigt gelassen, dass der Angeklagte den von ihm gesteuerten Pkw zwischen der Einfahrt auf den Parkplatz („mit etwa 30 km/h“) und der zweiten Kollision („zwischen 40 und 50 km/h“) beschleunigt und dabei eine Geschwindigkeit erreicht hat, die in Bezug auf die Handlung (als solcher) ein lediglich fahrlässiges Verhalten – zumal auf dem Parkplatz eines Supermarktes – nicht nahelegt. Hierin liegt auch des- halb eine Lücke, weil die Strafkammer das von ihr dem Angeklagten unterstellte beabsichtigte Durchfahren einer Linkskurve vor der Parkbucht nur deshalb als misslungen ansieht, weil seine Reaktionszeit aufgrund des durch den vorangegangenen Aufprall verursachten Schrecks und des Cannabiskonsums verlängert gewesen sei. Sie erörtert dabei aber nicht, dass der Angeklagte die Grenzgeschwindigkeit , mit der die Kurve hätte durchfahren werden können, infolge der Beschleunigung zumindest nahezu erreicht hatte, und er nach einer von der Strafkammer als glaubhaft bewerteten Zeugenaussage ungebremst in die Personengruppe gefahren ist. Dies wurde vom Sachverständigen insofern bestätigt , als er keine Hinweise auf eine Bremsung festgestellt und jedenfalls eine starke Bremsung vor der Kollision mit dem parkenden Pkw ausgeschlossen hat. Soweit das Landgericht den – ersichtlich auf den Handlungserfolg bezogenen – Vorsatz mit der Erwägung in Frage gestellt hat, dass durch ein Einfahren in die Parkbucht auch das Leben und die Gesundheit seines Vaters und seiner Brüder gefährdet worden wäre, hätte sich die Strafkammer schließlich auch damit aus- einandersetzen müssen, dass das „Entlangschrammen“ an dem auf der linken Seite der Parkbucht abgestellten Fahrzeug dazu gedient haben kann, die tatsächlich von der Strafkammer nicht festgestellte Gefährdung seiner Familienangehörigen auszuschließen oder wenigstens zu verringern (vgl. dazu auch nachfolgend 2.).
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2. Die Beweiswürdigung ist zudem widersprüchlich.
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Denn die Strafkammer legt einerseits dar, dass nach der glaubhaften Aussage des Zeugen E. M. der Vater des Angeklagten imZeitpunkt der zweiten Kollision auf dem freien Parkplatz zwischen den in der Parkbucht abgestellten Pkws stand, während sich die Brüder des Angeklagten „auf der anderen Seite“ des rechts abgestellten Fahrzeugs des Zeugen A. aufhiel- ten. Sie stellt jedoch andererseits ausdrücklich fest, dass sich alle sechs Personen – einschließlich der Brüder des Angeklagten – in der freien mittleren Parklücke der Parkbucht befanden. Dieser Widerspruch ist erheblich, da das Landgericht eine – von der Strafkammer nicht festgestellte – Gefährdung des Vaters und der Brüder als dem Vorsatz widerstreitendes Indiz bewertet hat. Eine Gefährdung der Brüder des Angeklagten durch das Einfahren des Angeklagten in die Parkbucht hätte aber nicht bestanden, wenn man der Aussage des Zeugen E. M. folgt. Auch die Gefährdung des Vaters des Angeklagten, der nach den Angaben des Zeugen E. M. neben dem Kofferraum desin der Parkbucht rechts abgestellten Fahrzeugs stand, wäre durch ein gezieltes Einfahren („Schrammen“) des auf der linken Seite der Parklücke stehenden Pkws zumindest verringert worden.
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3. Hinzu kommt, dass die Erwägung, das Fehlen eines nachvollziehbaren Tatmotivs spreche gegen ein vorsätzliches Herbeiführen der Kollisionen, durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet.
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Diese nicht näher begründete Annahme lässt schon außer Betracht, dass der Angeklagte das Verhalten zweier Tatopfer, nämlich von E. und S. M. , kurz zuvor als „unangemessen und herabsetzend“ empfunden hatte , er „wutentbrannt“ davongefahren war und ihn sein Vater, nachdem der Angeklagte ihn von der „unangemessenen“ Behandlung durch E. und S. M. unterrichtet hatte, „um einer Eskalation vorzubeugen“ von dem Parkplatz weggeschickt hatte. Auch hat der Angeklagte selbst eingeräumt, dass er zurückgekehrt sei, da er sich verpflichtet gefühlt habe, seinem Vater und seinen Brüdern angesichts der hinzugekommenen Personen Hilfe leisten zu können , und er seinen Vater nicht im Stich lassen wollte.
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Neben dieser Lücke hat die Strafkammer aber auch unbeachtet gelassen , dass mit bedingten Tötungsvorsatz handelnde Täter kein Tötungsmotiv haben, sondern einem anderen Handlungsantrieb nachgehen (BGH, Urteile vom 19. Dezember 2013 – 4 StR 347/13; vom 26. März 2015 – 4 StR 442/14, NStZ-RR 2015, 172 f.) und selbst ein unerwünschter Erfolg dessen billigender Inkaufnahme nicht entgegensteht (BGH, Urteil vom 14. Januar 2015 – 5 StR 494/14, NStZ 2015, 460; vgl. ferner BGH, Urteile vom 18. Oktober 2007 – 3 StR 226/07, NStZ 2008, 93; vom 27. Januar 2011 – 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699, 701 f. mwN; zu hochgradig interessenwidrigen Tatfolgen allerdings: BGH, Urteile vom 27. August 2009 – 3 StR 246/09, NStZ-RR 2009, 372 f.; vom 30. November 2005 – 5 StR 344/05, NStZ-RR 2006, 317, 318).
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4. Die Rechtsfehler führen zur Aufhebung des Urteils, soweit der Angeklagte wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung und mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis verurteilt wurde. Dies zieht die Aufhebung des Gesamtstrafen- und des Maßregelausspruchs nach sich. Einer Aufhebung der Adhäsionsentscheidung durch den Senat bedarf es dagegen nicht (BGH, Urteil vom 28. November 2007 – 2 StR 477/07, BGHSt 52, 96, 98).
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Die – teilweise – Aufhebung des Urteils führt zur Aufhebung der zugehörigen Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO). Der Senat sieht insbesondere im Hinblick auf die oben dargelegten Widersprüche und Lücken in der Beweis- würdigung davon ab, die zum äußeren Ablauf des Geschehens auf dem Parkplatz getroffenen Feststellungen bestehen zu lassen.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin