Bundesgerichtshof Urteil, 15. Dez. 2010 - IV ZR 24/10

bei uns veröffentlicht am15.12.2010
vorgehend
Landgericht Frankfurt (Oder), 14 O 238/08, 23.04.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 24/10 Verkündetam:
15.Dezember2010
Heinekamp
Justizhauptsekretär
alsUrkundsbeamter
derGeschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
AVB Unfallvers. § 7 I (AUB 88)
Bei Vereinbarung einer progressiven Invaliditätsstaffel, die § 7 I (2) und (3) AUB 88
entsprechende Bedingungen in Bezug nimmt, ist Grundlage für die Progression der
um die Vorinvalidität geminderte Invaliditätsgrad.
BGH, Urteil vom 15. Dezember 2010 - IV ZR 24/10 - OLG Brandenburg
LG Frankfurt (Oder)
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch die Richterin
Dr. Kessal-Wulf, den Richter Felsch, die Richterin Harsdorf-Gebhardt,
die Richter Dr. Karczewski und Lehmann auf die mündliche Verhandlung
vom 15. Dezember 2010

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 16. Dezember 2009 aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 23. April 2009 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger unterhält seit dem Jahre 1994 bei der Beklagten eine Unfallversicherung, der neben Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen (AUB 88) Besondere Bedingungen für die Unfallversicherung mit progressiver Invaliditätsstaffel (U 07/88) zugrunde liegen.
2
Auszugsweise lautet § 7 I AUB 88 (Invaliditätsleistung) wie folgt: "(1) Führt der Unfall zu einer dauernden Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit (Invalidität) des Versicherten, so entsteht Anspruch auf Kapitalleistung aus der für den Invaliditätsfall versicherten Summe. … (2) Die Höhe der Leistung richtet sich nach dem Grad der Invalidität.
a) Als feste Invaliditätsgrade gelten - unter Ausschluss des Nachweises einer höheren oder geringeren Invalidität - bei Verlust oder Funktionsunfähigkeit … eines Beines über der Mitte des Oberschenkels 70%
b) Bei Teilverlust oder Funktionsbeeinträchtigung eines dieser Körperteile oder Sinnesorgane wird der entsprechende Teil des Prozentsatzes nach a) angenommen. … (3) Wird durch den Unfall eine körperliche oder geistige Funktion betroffen, die schon vorher dauernd beeinträchtigt war, so wird ein Abzug in Höhe dieser Vorinvalidität vorgenommen. Diese ist nach (2) zu bemessen."
3
In den Besonderen Bedingungen wird § 7 I AUB 88 wie folgt erweitert : "Führt ein Unfall nach den Bemessungsgrundsätzen der Nummern (2) und (3) zu einer dauernden Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit, werden der Berechnung der Invaliditätsleistung folgende Versicherungssummen zugrunde gelegt:
a) für den 25% nicht übersteigenden Teil des Invaliditätsgrades die im Versicherungsschein festgelegte Invaliditätssumme ,
b) für den 25%, nicht aber 50% übersteigenden Teil des Invaliditätsgrades die doppelte Invaliditätssumme,
c) für den 50% übersteigenden Teil des Invaliditätsgrades die dreifache Invaliditätssumme."
4
Der Kläger erlitt zunächst am 27. Januar 2005 einen Skiunfall und am 8. Februar 2006 einen Glatteisunfall; durch beide Unfälle kam es zu Dauerschäden an seinem rechten Bein. Der von der Beklagten beauftragte Gutachter bemaß die Gesamtinvalidität des Klägers mit 6/10 von 70% und ordnete diese zu jeweils 3/10 dem ersten und dem zweiten Unfall zu. Die Beklagte zahlte an den Kläger unter Heranziehung der Gliedertaxe in § 7 I (2) a AUB 88 einen Gesamtbetrag von 55.296 €. Der Leistungsberechnung lag für den ersten Unfall eine Versicherungssumme von 122.880 € und für den zweiten Unfall von 138.240 € zugrunde, von der die Beklagte jeweils 21% (3/10 von 70%) ansetzte. Daraus errechneten sich 25.804,80 € für den ersten Unfall und 29.030,40 € für den zweiten Unfall, insgesamt 54.835,20 €. Die Überzahlung von 460,80 € verlangt die Beklagte nicht zurück.
5
Der Kläger vertritt die Ansicht, es sei eine Gesamtinvalidität von 42% Berechnungsgrundlage für die Invaliditätsleistung. Von der für den zweiten Unfall festgestellten Invalidität in Höhe von 21% seien 4% auf die einfache Invaliditätssumme, 17% hingegen auf die doppelte Invaliditätssumme zu beziehen. Das ergebe für den zweiten Unfall eine Invaliditätsleistung von 38%, was einem Betrag von 52.531,20 € entspreche. Für beide Unfälle zusammengerechnet seien 78.376 € zu entschädigen abzüglich bereits geleisteter 55.296 €.
6
Das Landgericht hat die auf 23.040 € zuzüglich Zinsen gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte in vollem Umfang Erfolg. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision.

Entscheidungsgründe:


7
Das Rechtsmittel ist begründet.
8
Das I. Berufungsgericht hat ausgeführt, die von der Beklagten verwendeten Versicherungsbedingungen seien unklar. Die sich bei einer Auslegung des § 7 I AUB 88 und der Besonderen Bedingungen ergebenden Zweifel gingen gemäß § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten der Beklagten. Die vom Kläger geltend gemachte Lesart der Bedingungen sei rechtlich vertretbar und stelle die für ihn günstigste Auslegungsmöglichkeit dar; sie sei daher der Berechnung der Invaliditätsleistung zugrunde zu legen. Erst in den AUB 99 - und nicht schon in den zwischen den Parteien vereinbarten AUB 88 - finde sich die klare Festlegung, dass zur Berücksichtigung einer Vorinvalidität "der Invaliditätsgrad" gemindert werden müsse.
9
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
10
1.Versicherungsbedingungensind aus sich heraus zu interpretieren ohne vergleichende Betrachtungen mit anderen Versicherungsbedingungen , die dem Versicherungsnehmer regelmäßig nicht bekannt sind und auch nicht bekannt sein müssen, so dass ihm eine bedingungsübergreifende Würdigung deshalb von vornherein verschlossen bleibt (vgl.
Senatsurteile vom 30. September 2009 - IV ZR 47/09, VersR 2009, 1622 Tz. 19; vom 17. Mai 2000 - IV ZR 113/99, VersR 2000, 1090 unter 2 a). Die Entstehungsgeschichte der Bedingungen - und erst recht ihre spätere Entwicklung in nachfolgenden Fassungen - hat daher außer Betracht zu bleiben. Es geht allein darum, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer die Klausel in § 7 I (3) AUB 88 in Verbindung mit der Zusatzklausel , wie sie in den Besonderen Bedingungen enthalten ist, bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss (Senatsurteil vom 23. Juni 1993 - IV ZR 135/92, BGHZ 123, 83, 85 m.w.N.). Dabei sind die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - seine Interessen entscheidend.
11
2. Ein solcher Versicherungsnehmer entnimmt zunächst § 7 I (1) AUB 88, dass die Beklagte als Versicherer ihm eine Invaliditätsleistung verspricht für den Fall, dass ein Unfall zu einer dauernden Beeinträchtigung seiner körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit (Invalidität) führt. Unter den in der Klausel weiter genannten Voraussetzungen entsteht ein Anspruch auf Kapitalleistung aus der für den Invaliditätsfall vereinbarten Versicherungssumme. Wie sich die Höhe der Leistung im Einzelnen bemisst, erfährt der Versicherungsnehmer aus § 7 I (2) AUB 88; danach richtet sich diese nach dem Grad der Invalidität. Unter Buchst. a werden feste Invaliditätsgrade genannt, wenn es - wie hier - zum Verlust oder zur Funktionsunfähigkeit von Körperteilen oder Sinnesorganen kommt. Das ist für den (völligen) Verlust oder die (völlige) Funktionsunfähigkeit eines Beines über der Mitte des Oberschenkels ein Invaliditätsgrad von 70%, wobei nach Buchst. b bei einem Teilverlust oder einer bloßen Funktionsbeeinträchtigung des betreffenden Körperteils nur ein entsprechender Teil des der Gliedertaxe zu entnehmenden Prozentsatzes in Ansatz gebracht wird. Für den ersten Unfall errechnet sich daraus - zwischen den Parteien unstreitig - ein Invaliditätsgrad von 21%, für den zweiten Unfall hingegen von insgesamt 42%.
12
3. Der Versicherungsnehmer erkennt bei weiterer Durchsicht der Versicherungsbedingungen, dass für die Versicherungsleistung wegen unfallbedingter Invalidität solche Ursachen außer Betracht zu bleiben haben, die sich für das aktuell zu entschädigende Unfallereignis als unfallfremd darstellen. Dieses kommt für ihn in § 7 I (3) AUB 88 zum Ausdruck. Er erkennt daraus, dass Krankheiten und Gebrechen, wenn und soweit sie als Folge eines früheren Unfalls - oder aus anderem Grunde - schon vorher vorhanden waren, nicht dem neuen Unfall zuzurechnen sind. Das bedeutet hier: Beide Unfallereignisse sind getrennt zu betrachten ; ferner ist die beim Kläger aufgrund des ersten Unfallereignisses vorhandene Vorschädigung bei der nach dem zweiten Unfallereignis bestehenden Invalidität und der daraus folgenden Versicherungsleistung mindernd zu berücksichtigen. Ein verständiger Versicherungsnehmer darf und wird nicht erwarten, dass der Versicherer ihm Versicherungsschutz auch insoweit bietet, als eine nach dem späteren Unfallereignis festgestellte Gesamtinvalidität eine Teilinvalidität einschließt, die sich auf ein früheres (Unfall-)Ereignis zurückführen lässt (Senatsurteil vom 3. Dezember 1997 - IV ZR 43/97, BGHZ 137, 247, 253). Eine daraus bedingte (Vor-)Invalidität geht zu seinen Lasten.
13
Dem 4. Versicherungsnehmer wird aus § 7 I (3) AUB 88 weiter deutlich, dass eine solche - hier auf einem früheren Unfallereignis beruhende - Vorinvalidität zu einem Abzug von der zuvor ermittelten Gesamtinvalidität führt. Der Versicherer verweist in § 7 I (3) AUB 88 darauf, dass sich die Höhe dieses Abzuges nach § 7 I (2) AUB 88 richtet, mithin auch hier der Invaliditätsgrad Maß gibt, der - soweit ein entsprechender Teil auf die Vorschädigung entfällt - zu einer Verminderung des vom Versicherer für den späteren Unfall zu entschädigenden Invaliditätsgrades führt.
14
5. Vor diesem Hintergrund wird der Versicherungsnehmer die Besonderen Bedingungen U 07/88 interpretieren; für eine Mehrdeutigkeit oder eine sonstige Unklarheit im Sinne des § 305c Abs. 2 BGB ist in diesem Zusammenhang nichts ersichtlich.
15
Durch a) die Besonderen Bedingungen wird § 7 I AUB 88 ausdrücklich "erweitert", so dass der Versicherungsnehmer die so in Bezug genommene Klausel und ihren Regelungsgehalt zum Ausgangspunkt nimmt. Bestätigt wird er in dieser Sichtweise durch den nachfolgenden Wortlaut der Besonderen Bedingungen, wonach ein Unfall "nach den Bemessungsgrundsätzen der Nummern (2) und (3)" zu einer dauernden Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit führen muss. Das bringt mit der gebotenen Deutlichkeit zum Ausdruck, dass von den Bemessungsgrundsätzen des § 7 I (2) und (3) AUB 88 nicht abgewichen werden soll, insbesondere soll es bei der Trennung zwischen dem vom Versicherer zu entschädigenden unfallbedingten Invaliditätsgrad und dem dem Versicherungsnehmer zuzurechnenden Vorinvaliditätsgrad - sei er auch seinerseits unfallbedingt - verbleiben. Dies gilt umso mehr, als die Besonderen Bedingungen keine eigenen Bemessungsgrundsätze enthalten, sondern ausdrücklich an die in § 7 I AUB 88 enthaltenen anknüpfen und diese lediglich insoweit fortschreiben, als bei Erreichen eines bestimmten Invaliditätsgrades sich die im Versicherungsschein festgelegte Invaliditätssumme verdoppelt oder sogar verdreifacht.
Dies ändert indes nichts daran, dass Basis für die Progression der um die Vorinvalidität bereinigte Invaliditätsgrad ist, der sich allein nach § 7 I (2) und (3) AUB 88 bestimmt.
16
b) Allein diese Auslegung der Versicherungsbedingungen der Beklagten , zu der bereits das Landgericht gelangt ist, erweist sich demnach als richtig. Sie folgt den Grundsätzen des Senatsurteils vom 24. Februar 1988 (IVa ZR 220/86, VersR 1988, 461 unter 1 zu AUB 61), an denen festzuhalten ist; für die AUB 88 ergeben sich insoweit keine Besonderheiten (vgl. auch Knappmann in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. § 8 AUB 94 Rdn. 3; Nr. 3 AUB 2008 Rdn. 9; Grimm, Unfallversicherung 4. Aufl. Nr. 3 AUB 99 Rdn. 6; Mangen in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts -Handbuch 2. Aufl. § 47 Rdn. 197; Rüffer in Rüffer/Halbach/ Schimikowski, VVG Ziff. 2 AUB 2008 Rdn. 34). Das Senatsurteil vom 15. Dezember 1999 (IV ZR 264/98, VersR 2000, 444 unter 2 b aa), in dem auf die Rechtsprechung des OLG Saarbrücken (VersR 1998, 836) Bezug genommen wird, steht dem nicht entgegen, denn im dortigen Zusammenhang ging es um eine Klausel, die § 8 AUB 88 entspricht.
17
c) Erst der nach § 7 I (2) und (3) AUB 88 ermittelte unfallbedingte Invaliditätsgrad versetzt den Versicherer nach alledem in den Stand, die ihm obliegende Berechnung der nach den Versicherungsbedingungen geschuldeten Entschädigungsleistung vorzunehmen. Die Beklagte hat in den Besonderen Bedingungen lediglich für Fälle, in denen die unfallbedingte Invalidität des Versicherten 25% übersteigt, die Anknüpfung an bewegliche, mit dem unfallbedingten Invaliditätsgrad progressiv steigende Versicherungssummen versprochen, nicht dagegen die Maßgeblichkeit anderer Invaliditätsgrade als der in den AUB vereinbarten (vgl. Senatsurteil vom 24. Februar 1988 aaO unter 2). Folgen zwei Unfälle auf- einander, kommt es auch für den zeitlich späteren Unfall nur auf den Invaliditätsgrad an, der letzterem zuzuordnen ist. Eine Zusammenrechnung oder eine sonstige übergreifende Betrachtung beider Unfälle, wie der Kläger sie geltend macht, scheidet für die progressive Invaliditätsstaffel aus. Einen Invaliditätsgrad, der 25% übersteigt, hat der Kläger allein mit dem zweiten Unfall nicht erreicht, so dass die Beklagte zu einer weiteren Versicherungsleistung nicht verpflichtet ist.
Dr. Kessal-Wulf Felsch Harsdorf-Gebhardt
Dr. Karczewski Lehmann

Vorinstanzen:
LG Frankfurt (Oder), Entscheidung vom 23.04.2009 - 14 O 238/08 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 16.12.2009 - 3 U 70/09 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 15. Dez. 2010 - IV ZR 24/10

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 15. Dez. 2010 - IV ZR 24/10

Referenzen - Gesetze

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Gesetz über den Versicherungsvertrag


Versicherungsvertragsgesetz - VVG

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 305c Überraschende und mehrdeutige Klauseln


(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nicht
Bundesgerichtshof Urteil, 15. Dez. 2010 - IV ZR 24/10 zitiert 3 §§.

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(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nicht

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Urteil, 15. Dez. 2010 - IV ZR 24/10 zitiert oder wird zitiert von 7 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 15. Dez. 2010 - IV ZR 24/10 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 30. Sept. 2009 - IV ZR 47/09

bei uns veröffentlicht am 30.09.2009

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 47/09 Verkündetam: 30.September2009 Fritz Justizangestellte alsUrkundsbeamtin derGeschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja AVB

Bundesgerichtshof Urteil, 17. Mai 2000 - IV ZR 113/99

bei uns veröffentlicht am 17.05.2000

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 113/99 Verkündet am: 17. Mai 2000 Schick Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein ___________________
5 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 15. Dez. 2010 - IV ZR 24/10.

Bundesgerichtshof Urteil, 25. Juli 2012 - IV ZR 201/10

bei uns veröffentlicht am 25.07.2012

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 201/10 Verkündet am: 25. Juli 2012 Heinekamp Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja BGB § 307 B

Landgericht Nürnberg-Fürth Endurteil, 14. Dez. 2017 - 2 O 3404/16

bei uns veröffentlicht am 14.12.2017

Tenor 1. Die Beklagte hat dem Kläger rückständige Berufsunfähigkeitsrenten für den Zeitraum Februar 2016 bis inklusive Mai 2016 in Höhe von monatlich 204,00 €, mithin insgesamt 816,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5% Punkte

Oberlandesgericht Stuttgart Urteil, 19. Nov. 2015 - 2 U 75/15

bei uns veröffentlicht am 19.11.2015

Tenor 1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn vom 21. Mai 2015 (Az.: 6 O 50/15) wird z u r ü c k g e w i e s e n. 2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger. 3

Oberlandesgericht Stuttgart Urteil, 29. Okt. 2015 - 2 U 80/15

bei uns veröffentlicht am 29.10.2015

Tenor I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 22. Mai 2015 (Az. 11 0 15/15) im Kostenpunkt und in Ziffer 3. des Tenors a b g e ä n d e r t und wie folgt n e u g e f a s s t:

Referenzen

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nicht Vertragsbestandteil.

(2) Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen zu Lasten des Verwenders.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 47/09 Verkündetam:
30.September2009
Fritz
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtin
derGeschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
AVB f. Feuervers.; BGB §§ 305c, 307 Abs. 18 Bk
Eine Klausel in der Neuwertversicherung, wonach Versicherungswert der Zeitwert
der versicherten Sache ist, wenn dieser weniger als 40% des Neuwerts beträgt (sog.
Entwertungsgrenze), ist wirksam.
BGH, Urteil vom 30. September 2009 - IV ZR 47/09 - OLG Stuttgart
LG Hechingen
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Seiffert, Wendt, die Richterin Dr. Kessal-Wulf
und den Richter Felsch auf die mündliche Verhandlung vom 30. September
2009

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 17. Februar 2009 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
I. Der Kläger und sein Bruder, für den er Prozessstandschafter ist, unterhalten für ihren landwirtschaftlichen Betrieb bei der Beklagten eine Inhaltsversicherung gegen das Risiko "Feuer". Der Versicherungsschein weist eine Versicherung zum Neuwert aus.
2
Versicherungsverhältnis Dem liegen die Verbundenen Versicherungsbedingungen für die Sachversicherung landwirtschaftlicher Betriebe (VLS 2003) Teil A und B zugrunde. Teil B lautet auszugsweise wie folgt: § 1 Versicherte und nicht versicherte Sachen 1. Bewegliche Sachen
a) Versichert sind die im Versicherungsvertrag bezeichneten beweglichen Sachen, soweit der Versicherungsnehmer Eigentümer ist oder diese unter Eigentumsvorbehalt erworben hat.
b) Bewegliche Sachen sind aa) die kaufmännische Betriebseinrichtung und die technische Betriebseinrichtung (einschließlich dazu gehöriger Fundamente und Einmauerungen ) jedoch ohne Zugmaschinen, und selbstfahrende Arbeitsmaschinen, … § 12 Versicherungswert 1. Betriebseinrichtung Versicherungswert der kaufmännischen und technischen Betriebseinrichtung … ist
a) der Neuwert; Neuwert ist der Betrag, der aufzuwenden ist, um Sachen gleicher Art und Güte in neuwertigem Zustand wiederzubeschaffen oder sie neu herzustellen ; maßgebend ist der niedrigere Betrag;
b) der Zeitwert; falls er weniger als 40% des Neuwerts beträgt oder falls Versicherung nur zum Zeitwert vereinbart ist; der Zeitwert ergibt sich aus dem Neuwert der Sache durch einen Abzug entsprechend ihrem insbesondere durch den Abnutzungsgrad und das Alter bestimmten Zustand;
c) der gemeine Wert, soweit die Sache für ihren Zweck allgemein oder im Betrieb des Versicherungsnehmers nicht mehr zu verwenden ist; gemeiner Wert ist der für den Versicherungsnehmer erzielbare Verkaufspreis für die Sache oder für das Altmaterial.
§ 14 Entschädigungsberechnung, Versicherungssumme, Unterversicherung, Versicherung auf erstes Risiko 1. Entschädigungsberechnung
a) Ersetzt werden aa) bei zerstörten oder infolge eines Versicherungsfalles abhanden gekommenen Sachen der Versicherungswert (siehe § 12) unmittelbar vor Eintritt des Versicherungsfalles; bb) bei beschädigten Sachen die notwendigen Reparaturkosten zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalles zuzüglich einer durch den Versicherungsfall entstandenen und durch die Reparatur nicht auszugleichenden Wertminderung, höchstens jedoch der Versicherungswert unmittelbar vor Eintritt des Versicherungsfalles; die Reparaturkosten werden gekürzt, soweit durch die Reparatur der Versicherungswert der Sache gegenüber dem Versicherungswert unmittelbar vor Eintritt des Versicherungsfalles erhöht wird. … 5. Neuwertanteil
a) Ist der Neuwert (siehe § 12 Nr. 1 a) der Versicherungswert , so erwirbt der Versicherungsnehmer auf den Teil der Entschädigung, der den Zeitwertschaden (siehe b) übersteigt, einen Anspruch nur, soweit und sobald er innerhalb von drei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalles sichergestellt hat, dass er die Entschädigung verwenden wird …, um Sachen gleicher Art und Güte in neuwertigem Zustand wieder zu beschaffen oder um die beschädigten Sachen wieder herzustellen. …"
3
§ 12 VLS 2003 entspricht nach seinem hier wesentlichen Inhalt § 5 AFB 87; § 14 Nr. 1, 5 VLS 2003 dem § 11 Nr. 1, 5 AFB 87.
4
Am 9. März 2007 wurde ein Dosierladewagen (Baujahr 1978) infolge eines Brandes beschädigt und nachfolgend durch einen neuen landwirtschaftlichen Anhänger ersetzt. Die Beklagte erbrachte angesichts des Alters des Dosierladewagens auf Basis des Zeitwertes eine Versicherungsleistung in Höhe von 2.500 €. Der Kläger strebt eine Regulierung zum Neuwert an.
5
Landgericht Das hat die auf Zahlung von 19.500 € und weiterer 1.053,60 € wegen vorgerichtlicher Auslagen - jeweils zuzüglich Zinsen - gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte in Höhe von 18.442,53 € zuzüglich Zinsen und vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 807,20 € zuzüglich Zinsen Erfolg. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision.

Entscheidungsgründe:


6
Die Revision hat Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
7
I. Dieses hat ausgeführt: Die Beklagte schulde aus dem Versicherungsverhältnis den Ersatz auf Neuwertbasis, ohne dass es auf weitere Parteiabsprachen ankomme. Die - kontrollfähige - Klausel in § 12 Nr. 1b VLS 2003, wonach auch bei einer zum Neuwert abgeschlossenen Versi- cherung der Zeitwert maßgeblich sei, wenn dieser - wie beim Dosierladewagen - weniger als 40% des Neuwerts betrage, sei aufgrund ihrer konkreten Stellung und Formulierung überraschend i.S. des § 305c BGB und zudem intransparent i.S. des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Der Kläger habe sich ausdrücklich für eine Neuwertversicherung entschieden, wobei der Alternative "zum Neuwert" als Versicherungswert im Versicherungsantrag die Alternative "zum Zeitwert" gegenübergestellt sei, so dass der Versicherungsnehmer insoweit wählen könne. Zwar könne eine Zeitwertklausel in einer Neuwertversicherung vereinbart werden und sei auch durchaus üblich, ohne dass der Versicherungsnehmer dadurch i.S. des § 307 Abs. 2 BGB unangemessen benachteiligt werde. Sie sei aber keineswegs zwingend, zumal § 55 VVG (a.F.) den Anspruch auf die Neuwertentschädigung nicht an eine Entwertungsgrenze binde. Das müsse dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer indes nicht bekannt sein. Er dürfe grundsätzlich davon ausgehen, dass die - mit einer höheren Prämie verbundene - Zusage des Neuwerts im Vertragstext auch grundsätzlich bedeute, dass der Neuwert geschuldet sei. Hier stelle sich die Struktur des § 12 VLS 2003 wegen des Überschriftcharakters des Begriffes "Neuwert" in § 12 Nr. 1a in Verbindung mit der dem Versicherungsnehmer zuvor eingeräumten Wahlmöglichkeit zwischen Neuwert und Zeitwert so dar, dass eine Person, die einen Neuwertvertrag geschlossen habe, keinen Anlass habe, nach Ende des Buchstabens a noch weiter zu lesen. Die Regelung zum letztlich doch auf den Zeitwert herabgestuften Neuwert in Nr. 1b befinde sich an einer Stelle, an der derjenige, der eine nach dem Vertragsformular uneingeschränkte Neuwertversicherung abgeschlossen habe, sie nicht erwarten müsse. Sie sei ihm gegenüber, weil der Buchstabe a der Klausel keinerlei textliche Verbindung zum Buchstaben b aufweise, versteckt. Er habe, auch wenn er grundsätzlich verpflichtet sei, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen insgesamt wahrzu- nehmen, keinen Grund, diesen Absatz zu lesen. Zudem verweise § 14 Nr. 5a für den Neuwert nur auf § 12 Nr. 1a und gerade nicht auch auf den Fall des § 12 Nr. 1b, der bei der Neuwertversicherung den Zeitwert zum Versicherungswert mache. Schließlich erweise sich die Klausel als intransparent, denn sie sei durch ihre konkrete Platzierung geeignet, einen Durchschnittskunden im Glauben an eine bessere Leistung zum Abschluss einer teureren Versicherung zu verleiten, obwohl er durch den Abschluss der günstigeren Zeitwertversicherung bei älteren Gegenständen von vornherein die gleiche Leistungspflicht der Versicherung erzielen könne.
8
Zahlungsverpflichtung Die der Beklagten richte sich damit ausschließlich nach § 12 Nr. 1a VLS 2003. Im Hinblick auf § 14 Nr. 1a bb seien dies die vom Sachverständigen ermittelten Reparaturkosten in Höhe von 20.942,53 € netto abzüglich bereits geleisteter 2.500 € netto.
9
II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
10
1. Der Kläger und sein Bruder haben bei der Beklagten grundsätzlich eine Versicherung zum Neuwert abgeschlossen. Die Versicherungsbedingungen sehen allerdings eine so genannte Entwertungsgrenze vor, und zwar dann, wenn der Zeitwert weniger als 40% des Neuwerts beträgt. In diesem Falle ist Versicherungswert ausschließlich der Zeitwert, ohne dass sich daraus die vom Berufungsgericht geäußerten Bedenken ergeben.
11
Das 2. Berufungsgericht hat im Ausgangspunkt richtig erkannt, dass der Neuwert als Versicherungswert vereinbart werden kann (vgl.
schon BGHZ 103, 228, 232 ff.). Ein Verstoß gegen das Bereicherungsverbot im Sinne eines allgemeinen und zwingenden, die Neuwertversicherung einschränkenden Rechtssatzes ist darin nicht zu sehen. Feste Entwertungsgrenzen oder Entwertungsgrenzen überhaupt lassen sich nicht aufstellen; diese sind insbesondere § 55 VVG a.F. nicht zu entnehmen (grundlegend Senat in BGHZ 137, 318, 323 ff.; 147, 212, 216; Senatsurteil vom 24. April 1996 - IV ZR 71/95 - VersR 1996, 845 unter II 2 b).
12
Maßgeblich ist vielmehr allein das konkrete Leistungsversprechen des Versicherers, das hier auf eine Versicherung zum Neuwert gerichtet ist und an dem er sich festhalten lassen muss. Das bedeutet indes nicht, dass der Versicherer bei einer solchen Versicherung seine Interessen , die vor allem in der Begrenzung des subjektiven Risikos liegen, nicht dennoch - wie seitens der Beklagten geschehen - durch die Vereinbarung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen mit bestimmten Entwertungsgrenzen und/oder Wiederherstellungsklauseln wahren kann (BGHZ 137 aaO, 327 f.).
13
Die 3. mit dem Kläger und seinem Bruder vereinbarte Entwertungsgrenze stellt dabei entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts keine überraschende Klausel dar und ist wirksam Vertragsbestandteil geworden. Eine überraschende Klausel i.S. des § 305c BGB ist allein dann anzunehmen, wenn ihr ein Überrumpelungseffekt innewohnt. Sie muss eine Regelung enthalten, die von den Erwartungen des Versicherungsnehmers in einer Art und Weise deutlich abweicht, mit der er nach den Umständen vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht (vgl. Senatsurteile vom 6. Dezember 1995 - IV ZR 363/94 - VersR 1996, 322 unter 2 a; vom 17. März 1999 - IV ZR 137/98 - VersR 1999, 745 unter II 3 a; vom 19. Mai 2004 - IV ZR 176/03 - juris unter II 3 a; vom 27. Oktober 2004 - IV ZR 141/03 - VersR 2005, 64 unter II 2 a; vom 18. Februar 2009 - IV ZR 11/07 - VersR 2009, 623 Tz. 18).
14
Davon ist für § 12 Nr. 1a VLS 2003 i.V. mit § 14 Nr. 1a VLS 2003 nicht auszugehen.
15
a) In § 1 Nr. 1a VLS 2003 verspricht die Beklagte zunächst Versicherungsschutz für alle beweglichen Sachen, soweit der Versicherungsnehmer Eigentümer ist oder diese unter Eigentumsvorbehalt erworben hat. Zu diesen beweglichen Sachen gehört nach § 1 Nr. 1b VLS 2003 neben der kaufmännischen Betriebseinrichtung auch die technische Betriebseinrichtung. Die Beklagte leistet für die danach versicherten Sachen eine Entschädigung, wenn diese durch die versicherte Gefahr "Feuer" zerstört oder beschädigt worden sind (Versicherungsfall), wie der Versicherungsnehmer § 3 Nr. 1a i.V. mit § 4 VLS 2003 entnehmen kann.
16
Wie b) sich nach Eintritt eines bedingungsgemäßen Versicherungsfalles die Entschädigung im Einzelnen berechnet, erfährt der Versicherungsnehmer aus § 14 Nr. 1 VLS 2003. Dabei wird zwischen zerstörten bzw. abhanden gekommenen und beschädigten Sachen unterschieden. Für zerstörte Sachen ist der Versicherungswert unmittelbar vor Eintritt des Versicherungsfalles maßgeblich, wobei in § 14 Nr. 1a aa auf § 12 VLS 2003 Bezug genommen wird, der mit "Versicherungswert" überschrieben ist. Bei beschädigten Sachen sind die notwendigen Reparaturkosten zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalles bestimmend; diese werden gekürzt, soweit durch die Reparatur der Versicherungswert gegenüber dem Versicherungswert unmittelbar vor Eintritt des Versicherungsfalles erhöht wird. Das ergibt sich aus § 14 Nr. 1a bb VLS 2003, wobei in der Klausel ebenfalls vom "Versicherungswert" die Rede ist, wenn auch nicht nochmals (ausdrücklich) auf § 12 VLS 2003 verwiesen wird, den der Versicherungsnehmer jedoch bei Durchsicht der Versicherungsbedingungen und in Verbindung mit der Lektüre des § 14 Nr. 1a aa VLS 2003 unmittelbar zuvor zur Kenntnis genommen hat. Er erkennt in jedem Fall, dass Ausgangspunkt bzw. Obergrenze der Entschädigung der "Versicherungswert" ist.
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c) Für ihn rückt damit § 12 VLS 2003 in den Mittelpunkt der Betrachtung , der die Überschrift "Versicherungswert" trägt. Beschäftigt sich der Versicherungsnehmer mit dem Inhalt des § 12 VLS 2003, so erschließt sich ihm ohne Weiteres, dass als Versicherungswert für die kaufmännische und technische Betriebseinrichtung der Neuwert (Buchst. a), der Zeitwert (Buchst. b) oder der gemeine Wert (Buchst. c) in Betracht kommen kann. Gemeinsamer Oberbegriff, der in den weiteren Versicherungsbedingungen - so in § 14 VLS 2003 - in Bezug genommen wird, ist allein der "Versicherungswert" und nicht, wie das Berufungsgericht meint, der "Neuwert", der lediglich den Buchst. a schlagwortartig einleitet. Es besteht daher für den Versicherungsnehmer schon deshalb keine Veranlassung, die Lektüre des § 12 Nr. 1 VLS 2003 beim Buchst. a abzubrechen und den Rest der Klausel, die den "Versicherungswert" insgesamt näher erläutert, nicht mehr zur Kenntnis zu nehmen, und zwar auch dann nicht, wenn er - wie hier - mit dem Versicherer eine Neuwertversicherung vereinbart hat. Denn die Alternativen, die sich unter den Buchst. a, b und c zur Ausfüllung des Begriffes des "Versicherungswertes" finden, lassen für den verständigen Versicherungsnehmer erkennen, dass für den Versicherungswert, den die Entschädigungsberechnung zur Grundlage nimmt, zwar grundsätzlich der Neuwert maßgeblich ist, dies aber nicht ausnahmslos der Fall sein muss, anderenfalls der Begriff "Versicherungswert" als Oberbegriff für Neuwert, Zeitwert und gemeinen Wert keine eigenständige Bedeutung behielte. Der Versicherungsnehmer erhält entsprechend dem Versprechen des Versicherers, ihm eine Versicherung "zum Neuwert" zu bieten, regelmäßig den Neuwert oder die Reparaturkosten bis zur Höhe des Neuwertes ersetzt. Dem ist in Buchst. b lediglich insoweit eine Entwertungsgrenze gesetzt, als durch die zerstörte oder beschädigte Sache 40% des Neuwerts nicht erreicht werden; in diesem Fall kommt es auf den Zeitwert an. Der Versicherungsnehmer realisiert zudem spätestens an dieser Stelle, dass die Entwertungsgrenze sich ausschließlich auf eine vereinbarte Neuwertversicherung bezieht, denn im Anschluss an die Formulierung "falls er weniger als 40% des Neuwertes beträgt" heißt es "oder falls Versicherung nur zum Zeitwert vereinbart ist"; Neuwert und Zeitwert werden hier ausdrücklich einander gegenübergestellt.
18
d) Wenn das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang ausführt, Zeitwertregeln seien nur bei einer "entsprechenden räumlichen Struktur" der Versicherungsbedingungen anzuerkennen, und zur Veranschaulichung auf die Sonderbedingungen für die Neuwertversicherung von Industrie und Gewerbe (NwlG 80) verweist, so übersieht es dabei, dass die NwlG 80 in Entsprechung zu § 12 VLS 2003 aufgebaut sind. Auch hier ist der Versicherungswert von Gebäuden grundsätzlich der Neuwert, der Zeitwert aber dann, falls er weniger als 40% des Neuwerts beträgt. Dass die Nr. 1 bis 3 in der enumerativen Aufzählung des § 1 NwlG 80 abweichend von § 12 Nr. 1a bis c VLS 2003 durch ein "oder" voneinander getrennt sind, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Denn auch § 12 VLS 2003 ist für den verständigen Versicherungsnehmer erkennbar enumerativ gestaltet. Der Versicherungswert ist entweder als Neuwert, als Zeitwert oder als gemeiner Wert Grundlage der Entschädigungsberechnung, wobei unter den Buchst. a bis c die Voraussetzungen dafür im Einzelnen aufgeführt sind.
19
Überdies sind Versicherungsbedingungen aus sich heraus zu interpretieren ohne vergleichende Betrachtungen mit anderen Versicherungsbedingungen , die dem Versicherungsnehmer regelmäßig nicht bekannt sind und auch nicht bekannt sein müssen, so dass ihm eine bedingungsübergreifende Würdigung deshalb von vornherein verschlossen bleibt (vgl. Senatsurteil vom 17. Mai 2000 - IV ZR 113/99 - VersR 2000, 1090 unter 2 a).
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e) Weiter ist dem Berufungsgericht nicht darin zu folgen, dass § 14 Nr. 5 VLS 2003 ("Neuwertanteil") nur auf § 12 Nr. 1a und nicht auch auf § 12 Nr. 1b VLS 2003 verweist. Schon aus dem unmittelbaren Wortlaut ergibt sich ein anderes, weil in § 14 Nr. 5a die Bestimmung des § 12 Nr. 1a und in § 14 Nr. 5b die Regelung des § 12 Nr. 1b VLS 2003 Erwähnung findet; die Verknüpfung zwischen beiden Klauseln wird dadurch hergestellt, dass § 14 Nr. 5a VLS 2003 (Neuwert) ausdrücklich auf § 14 Nr. 1b VLS 2003 (Zeitwert) Bezug nimmt. Der Versicherungsnehmer wird auf diese Weise in der Interpretation bestärkt, die sich für ihn schon bei sorgfältiger Lektüre des § 12 VLS 2003 ergibt, dass nämlich der Versicherungswert gleichbedeutend mit dem Neuwert sein kann, es aber nicht in jedem Fall sein muss. Nur wenn der Neuwert als Versicherungswert zugrunde zu legen ist, was sich im Einzelnen aus § 12 VLS 2003 ergibt, erwirbt der Versicherungsnehmer gemäß § 14 Nr. 5 VLS 2003 auf den Teil der Entschädigung einen Anspruch, der den Zeitwertschaden übersteigt , soweit und sobald er innerhalb von drei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalles sichergestellt hat, dass er die Entschädigung verwenden wird, um Sachen gleicher Art und Güte in neuwertigem Zustand wieder zu beschaffen oder um die beschädigten Sachen wieder herzustellen.
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4. Die Klausel ist schließlich nicht als intransparent i.S. des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB einzuordnen. Die Beklagte hat nicht gegen ihre Verpflichtung verstoßen, den Klauselinhalt klar und deutlich zu formulieren.
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a) Dazu gehört es, dass die Klausel in ihrer Ausgestaltung für den Versicherungsnehmer verständlich ist; sie muss darüber hinaus die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen so weit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (BGHZ 141, 137, 143; 147 aaO 361 f.; Senatsurteile vom 18. Januar 2006 - IV ZR 244/04 - VersR 2006, 497 Tz. 12; vom 30. April 2008 - IV ZR 241/04 - VersR 2008, 816 Tz. 14 f.). Dabei kommt es auf den Horizont eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers an (vgl. BGHZ 123, 83, 85; 154, 154, 167 f.).
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b)DiesenAnforderungen hat die Beklagte genügt.
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verständigen Dem Versicherungsnehmer erschließt sich aus den bereits angeführten Gründen bei sorgfältiger und vollständiger Durchsicht der Versicherungsbedingungen, wie sich der Versicherungswert im Einzelfall bemisst. Er sieht, dass er zwar grundsätzlich Versicherungsschutz "zum Neuwert" erhält, dieser Neuwertentschädigung aber dann eine Grenze gesetzt ist, wenn der Zeitwert der beschädigten oder zerstörten Sache nicht mindestens 40% ihres Neuwerts beträgt. Es ist - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - auch nicht davon auszugehen , dass die Klausel in § 12 Nr. 1b VLS 2003 durch ihre konkrete Platzierung geeignet wäre, einen Durchschnittskunden im Glauben an eine bessere Leistung des Versicherers zum Abschluss einer "teureren", weil mit höheren Prämien verbundenen Versicherung zum Neuwert zu verleiten. Vielmehr kann sich bei der gebotenen verständigen, sorgfältigen und vollständigen Durchsicht der Versicherungsbedingungen das vom Berufungsgericht angenommene Missverständnis von vornherein nicht ergeben.
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5. Nach alledem liegen die versicherungsvertraglich festgelegten Voraussetzungen für einen Anspruch auf Entschädigung zum Neuwert nicht vor.
26
Von seinem Standpunkt aus folgerichtig hat sich das Berufungsgericht nicht mehr damit befasst, ob sich Ansprüche des Klägers aus einer Haftung der Beklagten gemäß § 43 VVG a.F. für ein Fehlverhalten ihres Versicherungsagenten ergeben können. Das betrifft zum einen die vom Kläger behauptete Zusage des Agenten, es werde "in jedem Fall" der Neuwert reguliert, was einer Abbedingung der in den Versicherungsbedingungen enthaltenen Entwertungsgrenze gleichkäme. Zum anderen ist zu klären, ob der Kläger und sein Bruder als künftige Versicherungsnehmer für den Agenten erkennbar von unrichtigen Vorstellungen über den angestrebten Versicherungsschutz ausgegangen sind, etwa weil angesichts einer dem Agenten offenbarten Überalterung sämtlicher landwirt- schaftlicher Geräte eine Neuwertversicherung mit Entwertungsgrenze wirtschaftlich keinen Sinn gemacht hätte. Die Prüfung dieser Fragen wird durch das Berufungsgericht nachzuholen sein.
Terno Seiffert Wendt
Dr. Kessal-Wulf Felsch

Vorinstanzen:
LG Hechingen, Entscheidung vom 12.11.2007 - 1 O 168/07 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 17.02.2009 - 10 U 220/07 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 113/99 Verkündet am:
17. Mai 2000
Schick
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
_____________________
AUB 61 § 3 Abs. 4

a) Bei der Ermittlung des Zwecks einer Risikoausschlußklausel kommt es auf
deren - dem Versicherungsnehmer aus der Klausel selbst nicht erschließbare
- Entstehungsgeschichte auch dann nicht an, wenn deren Berücksichtigung
zu einem dem Versicherungsnehmer günstigeren Ergebnis führen könnte.

b) Zur Auslegung des Begriffs "Bewußtseinsstörung" im Sinne des § 3 Abs. 4
AUB 61.
BGH, Urteil vom 17. Mai 2000 - IV ZR 113/99 - OLG Karlsruhe
LG Karlsruhe
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Dr. Schmitz, die Richter Dr. Schlichting, Terno, Seiffert
und die Richterin Ambrosius auf die mündliche Verhandlung vom 17. Mai
2000

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Teil- und Grundurteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 15. April 1999 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger beansprucht eine Invaliditätsentschädigung aus einer Unfallversicherung, die er 1987 bei der Beklagten genommen hat. Dem Vertrag liegen die Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen (AUB 61 i.d.F. von 1984, VerBAV 1984 S. 10), die Besonderen Bedingungen für die Unfallversicherung mit planmäßiger Erhöhung von Leistung und

Beitrag und die Besonderen Bedingungen für die Unfallversicherung mit progressiver Invaliditätsstaffel zugrunde. Aufgrund der vereinbarten Dynamisierung belief sich die Versicherungssumme für Invalidität ab 1. Juni 1996 auf 240.000 DM.
Am 21. Juni 1996 befuhr der Kläger mit seinem PKW die Bundesstraße B 292 von L. kommend in Richtung Ö.. Kurz vor Ö. geriet er mit seinem Fahrzeug auf die Gegenfahrbahn und kollidierte mit zwei entgegenkommenden Fahrzeugen. Der Kläger erlitt bei dem Unfall eine offene Ellenbogenluxationsfraktur links mit Zertrümmerung des Olecranons, eine Kopfwunde und Prellungen; seit dem Unfall ist die Beweglichkeit seines linken Ellenbogens eingeschränkt. Er kann seinen Beruf als Schreiner nicht mehr ausüben.
Der Kläger, der eine Invaliditätsentschädigung in Höhe von 288.000 DM begehrt, hat behauptet, ihm sei nur für einen kurzen Moment "schwarz vor Augen" geworden. Dadurch habe er die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren und sei auf die Gegenfahrbahn geraten, wo es schließlich zum Unfall gekommen sei. Bei seinem Zustand habe es sich lediglich um eine vorübergehende Schwäche ohne krankhafte Ursache gehandelt, die weniger als zwei Sekunden gedauert habe.
Die Beklagte verweigert Versicherungsleistungen. Unfälle infolge von Geistes- oder Bewußtseinsstörungen seien nach den vereinbarten Bedingungen von der Versicherung ausgeschlossen. Eine Bewußtseinsstörung habe beim Kläger vorgelegen und zu dem Unfall geführt. Denn der vom Kläger als "schwarz vor Augen werden" beschriebene Zustand

sei krankhafter Natur gewesen und habe nicht nur einen kurzen Moment, vielmehr über eine längere Fahrstrecke hinweg, jedenfalls für einige Sekunden angedauert.
Das Landgericht hat die Klage - mit der neben dem Zahlungsanspruch auch ein Feststellungsantrag verfolgt worden ist - abgewiesen. Das Berufungsgericht hat - unter Zurückweisung des Rechtsmittels des Klägers im übrigen - ausgesprochen, daß die Leistungsklage dem Grunde nach gerechtfertigt ist, und hat den Rechtsstreit zur Höhe an das Landgericht zurückverwiesen. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die vollständige Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung , soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist, und in diesem Umfang zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. a) Das Berufungsgericht erachtet den Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Zahlung einer Invaliditätsentschädigung für dem Grunde nach gerechtfertigt. Nach seiner Auffassung ist die Beklagte nicht gemäß § 3 Abs. 4 Satz 1 AUB 61 von der Leistung frei, weil sich der Unfall nicht infolge einer Bewußtseinsstörung im Sinne dieser Klausel ereignet habe.

§ 3 Abs. 4 AUB 61 lautet: "§ 3 - Ausschlüsse Ausgeschlossen von der Versicherung sind: ... (4) Unfälle infolge von Schlaganfällen, epileptischen Anfällen und solchen Krampfanfällen, die den ganzen Körper des Versicherten ergreifen, von Geistes- oder Bewußtseinsstörungen , auch soweit diese durch Trunkenheit verursacht sind. Die Ausschlüsse gelten nicht, wenn diese Anfälle oder Störungen durch ein unter die Versicherung fallendes Unfallereignis hervorgerufen waren."
b) Zur Begründung seiner Auffassung führt das Berufungsgericht im wesentlichen aus: Zwischen den Parteien sei unstreitig, daß es zu dem Unfall gekommen sei, weil dem Kläger "schwarz vor Augen" geworden sei und er deshalb die Gewalt über das Fahrzeug verloren habe. Streitig sei lediglich, ob dieser Zustand beim Kläger nur einen kurzen Moment oder - wie die Beklagte geltend mache - über eine längere Fahrstrecke hinweg, jedenfalls einige Sekunden, gedauert habe. Selbst wenn man aber von der Behauptung der Beklagten ausgehe, habe beim Kläger eine Bewußtseinsstörung im Sinne des § 3 Abs. 4 Satz 1 AUB 61nicht vorgelegen. "Schwarz vor Augen werden" sei eine typische Schwindelempfindung. Die Frage, ob auch ein so gekennzeichneter Schwindelanfall eine Bewußtseinsstörung im Sinne dieser Klausel darstelle, sei in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Sie sei aber jedenfalls für kurzzeitige Schwindelanfälle, die nicht länger als einige Sekunden andauerten , verneinend zu beantworten.
Es sei anerkannt, daß Klauseln, welche die vom Versicherer übernommene Gefahr beschränkten, nicht weiter ausgelegt werden dürften,

als es ihr Zweck erfordere. Dabei sei - ohne daß es auf das Verständnis des Versicherungsnehmers ankomme - bei der Ermittlung des Zwecks einer Risikobegrenzung auch die Entstehungsgeschichte der Klausel zu berücksichtigen, wenn das zu einem für den Versicherungsnehmer günstigeren Ergebnis führe. Hier zeige die Entstehungsgeschichte des § 3 Abs. 4 AUB 61, daß jedenfalls kurzzeitige Schwindelanfälle nicht zu den dort genannten Bewußtseinsstörungen gehören sollten. Denn in den vor den AUB 61 geltenden Unfallversicherungs-Bedingungen seien Schwindelanfälle noch ausdrücklich neben den Geistes- und Bewußtseinsstörungen angeführt worden. Daraus folge, daß der Bedingungsgeber damals in Schwindelanfällen etwas anderes als eine Geistes- oder Bewußtseinsstörung gesehen habe. Schwindelanfälle seien in § 3 Abs. 4 AUB 61 auch keineswegs nur aus redaktionellen Gründen nicht mehr genannt worden. Es sei vielmehr beabsichtigt gewesen, diese Fallgruppe nicht mehr in den Ausschlußtatbestand aufzunehmen und den Versicherungsschutz insoweit zu verbessern. Es verbiete sich deshalb, kurzzeitige Schwindelanfälle unter den Begriff der Bewußtseinsstörung in § 3 Abs. 4 Satz 1 AUB 61 zu subsumieren und darauf beruhende Unfälle vom Versicherungsschutz auszunehmen.
Der Senat folgt dieser Auslegung schon in ihrem Ansatz nicht.
2. a) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind Allgemeine Geschäftsbedingungen des Versicherers im Sinne des § 1 AGBG. Dieser Charakter der Versicherungsbedingungen bestimmt die bei ihrer Auslegung anzuwendenden Maßstäbe; er hindert es, sie "gesetzesähnlich" auszulegen. Vielmehr sind - nach der gefestigten Rechtsprechung des

Bundesgerichtshofs - Allgemeine Versicherungsbedingungen so auszulegen , wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhanges verstehen muß (BGHZ 123, 83, 85 m.w.N.). Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an. Für eine an diesen Grundsätzen orientierte Auslegung ist nicht maßgeblich, was sich der Verfasser der Bedingungen bei ihrer Abfassung vorstellte (Senatsurteil vom 2. Oktober 1985 - IVa ZR 184/83 - VersR 1986, 177, 178). Die Entstehungsgeschichte der Bedingungen, die der Versicherungsnehmer typischerweise nicht kennt, hat bei der Auslegung - wie auch sonst bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen (vgl. Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, AGBGesetz , 8. Aufl. § 5 Rdn. 22) - außer Betracht zu bleiben; versicherungswirtschaftliche Überlegungen können allenfalls insoweit Berücksichtigung finden, wie sie sich aus dem Wortlaut der Bedingungen für den verständigen Versicherungsnehmer unmittelbar erschließen (st. Rspr., vgl. Senatsurteile vom 9. Dezember 1987 - IVa ZR 151/86 - VersR 1988, 282 unter II; vom 18. Dezember 1991 - IV ZR 204/90 - VersR 1992, 349 unter 3; vom 6. März 1996 - IV ZR 275/95 - VersR 1996, 622 unter 3 b).

b) Für die Auslegung des § 3 Abs. 4 Satz 1 AUB 61 - einer Risikoausschlußklausel - gilt nichts anderes. Das Berufungsgericht entnimmt der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs insoweit zwar zutreffend, daß solche Klauseln grundsätzlich eng auszulegen sind und nicht weiter ausgelegt werden dürfen, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirt-

schaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise erfordert (Senatsurteile vom 23. November 1994 - IV ZR 48/94 - VersR 1995, 162 unter 3 b; vom 17. März 1999 - IV ZR 89/98 - NVersZ 1999, 394 unter 2 a). Entgegen seiner Auffassung kommt es aber auch in diesem Rahmen bei der Ermittlung des Zwecks der Ausschlußklausel auf deren - dem Versicherungsnehmer aus der Klausel selbst nicht erschließbare - Entstehungsgeschichte auch dann nicht an, wenn deren Berücksichtigung zu einem dem Versicherungsnehmer günstigeren Ergebnis führen könnte. Denn auch die für Risikoausschlußklauseln geltende Auslegungsregel beruht weder auf einer die Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte ermöglichenden "gesetzesähnlichen" Auslegung gerade solcher Klauseln, noch setzt sie eine solche voraus. Vielmehr erfährt diese Regel gerade durch eine Auslegung, die auf die Verständnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers abstellt, Rechtfertigung und Sinn (vgl. Senatsurteil vom 17. März 1999, aaO). Die dem Versicherungsnehmer unbekannte Entstehungsgeschichte der Ausschlußklausel kann in diesem Rahmen keine Berücksichtigung finden, gleichviel ob sie für eine Auslegung zugunsten des Versicherungsnehmers oder zugunsten des Versicherers von Bedeutung sein könnte. Für die Auslegung von Risikoausschlußklauseln insoweit zur gesetzesmäßigen Auslegung zurückzukehren, besteht kein Anlaß (Senatsurteil vom 17. März 1999, aaO).

c) Demgemäß erweist sich bereits der Auslegungsansatz des Berufungsgerichts als nicht rechtsfehlerfrei. Denn für die Frage, ob der Begriff Bewußtseinsstörung in § 3 Abs. 4 Satz 1 AUB 61 auch kurzzeitige Schwindelanfälle erfaßt, kommt es nicht darauf an, daß Schwindelanfälle

in früheren Unfallversicherungsbedingungen noch neben Bewußtseinsstörungen angeführt waren und daß - aus welchen Gründen auch immer - bei Abfassung der AUB 61 davon Abstand genommen worden ist. Das vom Berufungsgericht unter Berücksichtigung dieser Umstände gewonnene Auslegungsergebnis trägt daher die angefochtene Entscheidung nicht.
3. a) Bei einer Auslegung des § 3 Abs. 4 Satz 1 AUB 61, die sich an den Verständnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers orientiert, nimmt der Begriff "Bewußtseinsstörung" einen Zustand, bei dem dem Versicherten "schwarz vor Augen" wird und in dessen Folge es zu einem Unfall kommt, nicht von vornherein vom Anwendungsbereich der Klausel aus.
Der - auch dem verständigen Versicherungsnehmer erkennbare - Sinn der Ausschlußklausel liegt darin, vom Versicherungsschutz solche Unfälle auszunehmen, die sich als Folge einer schon vor dem Unfall vorhandenen - gefahrerhöhenden - gesundheitlichen Beeinträchtigung beim Versicherten darstellen. Dabei muß diese Beeinträchtigung so beschaffen sein, daß sie eine den Unfall vermeidende Reaktion des Versicherten nicht zuläßt ("Unfälle infolge von ..."). Das gilt gleichermaßen für die angeführten Anfalleiden wie für die mit einem Sammelbegriff umschriebenen Bewußtseins- oder Geistesstörungen. Auch diese Störungen können zwar - wie der Zusammenhang verdeutlicht - von nur kurzzeitiger Dauer sein, müssen aber dennoch so beschaffen sein, daß es in ihrer Folge zu einem Unfall kommt. Eine Bewußtseinsstörung im Sinne der Klausel setzt danach nicht den Eintritt völliger Bewußtlosigkeit vor-

aus, es genügen vielmehr solche gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit des Versicherten, die die gebotene und erforderliche Reaktion auf die vorhandene Gefahrenlage nicht mehr zulassen, die also den Versicherten außerstande setzen, den Sicherheitsanforderungen seiner Umwelt zu genügen (Senatsurteile vom 27. Februar 1985 - IVa ZR 96/83 - VersR 1985, 583 unter II 1; vom 7. Juni 1989 - IVa ZR 137/88 - VersR 1989, 902, 903 li. Sp. unten; vom 10. Oktober 1990 - IV ZR 231/89 - r+s 1991, 35 = VVGE § 3 AUB Nr. 8). Eine solche Störung liegt mithin dann vor, wenn die dem Versicherten bei normaler Verfassung innewohnende Fähigkeit, Sinneseindrücke schnell und genau zu erfassen, sie geistig zu verarbeiten und auf sie angemessen zu reagieren, ernstlich beeinträchtigt ist (Senatsurteil vom 7. Juni 1989, aaO); sie muß einen Grad erreicht haben, bei dem die Gefahrenlage nicht mehr beherrscht werden kann (Senatsurteil vom 10. Oktober 1990, aaO).
Ob eine Bewußtseinsstörung in diesem Sinne vorliegt, hängt damit sowohl vom Ausmaß der gesundheitlichen Beeinträchtigung der Aufnahme - und Reaktionsfähigkeit als auch von der konkreten Gefahrenlage ab, in der sich der Versicherte befindet. Das macht - wie der Senat wiederholt klargestellt hat (zuletzt Senatsurteil vom 10. Oktober 1990, aaO) - eine fallbezogene Betrachtung erforderlich. An einer solchen hat es das Berufungsgericht fehlen lassen.

b) Für diese Betrachtung ist nicht entscheidend, ob sich der vom Kläger beschriebene Zustand, ihm sei vor dem Unfall "schwarz vor Augen" geworden, als ein Schwindelanfall einordnen läßt. Denn eine sol-

che Einordnung allein gibt keinen ausreichenden Anhalt für die Beantwortung der Frage, ob mit diesem Zustand eine gesundheitliche Beeinträchtigung der Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit in einem Ausmaß vorgelegen hat, daß die konkrete Gefahrenlage, in der sich der Kläger befand, nicht mehr beherrscht werden konnte.
Eine solche Beeinträchtigung - und damit eine Bewußtseinsstörung im Sinne des § 3 Abs. 4 Satz 1 AUB 61 - wird auch nicht von vornherein dadurch ausgeschlossen, daß der vom Kläger beschriebene Zustand - wie vom Berufungsgericht unterstellt - einige Sekunden gedauert hat. Denn auch eine solche nur kurzzeitige gesundheitsbedingte Störung der Aufnahme- und Gegenwirkungsmöglichkeit kann geeignet sein, dem Versicherten die Fähigkeit zu nehmen, die konkrete Gefahrenlage, in der er sich befindet, zu beherrschen.
Das Berufungsgericht hat Feststellungen zur konkreten Gefahrenlage und zum Ausmaß der Beeinträchtigung des Klägers - seiner Auslegung der Ausschlußklausel folgend - bislang nicht getroffen. Die danach notwendige Aufhebung seiner Entscheidung gibt den Parteien Gelegenheit , zu den tatsächlichen Voraussetzungen des Risikoausschlusses unter Beachtung seiner Auslegung durch den Senat gegebenenfalls ergänzend vorzutragen. Auf der Grundlage der danach zu treffenden Feststellungen wird vom Berufungsgericht zu beurteilen sein, ob beim Kläger eine Bewußtseinsstörung im Sinne des § 3 Abs. 4 Satz 1 AUB 61 vorlag.
Dr. Schmitz Dr. Schlichting Terno

Seiffert Ambrosius

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nicht Vertragsbestandteil.

(2) Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen zu Lasten des Verwenders.