Bundesgerichtshof Urteil, 22. Jan. 2014 - IV ZR 343/12

bei uns veröffentlicht am22.01.2014
vorgehend
Landgericht Hamburg, 306 O 19/12, 27.04.2012
Hanseatisches Oberlandesgericht, 9 U 87/12, 16.10.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 343/12 Verkündet am:
22. Januar 2014
Schick
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 2 Bk, Cl; AVB Warenkreditversicherung (hier:
§ 5 Nr. 2.1 AVB Warenkredit-M 2007)
Eine Klausel in einer Warenkreditversicherung, welche bestimmt, dass nach Beendigung
des - einen bestimmten Kunden betreffenden - Versicherungsschutzes sämtliche
beim Versicherungsnehmer eingehenden Zahlungen dieses Kunden in Ansehung
des Versicherungsverhältnisses auf die jeweils älteste offene Forderung des
Versicherungsnehmers gegenüber dem Kunden anzurechnen sind, ist unwirksam.
BGH, Urteil vom 22. Januar 2014 - IV ZR 343/12 - OLG Hamburg
LG Hamburg
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
Richterin Mayen, die Richter Wendt, Felsch, Lehmann und die Richterin
Dr. Brockmöller auf die mündliche Verhandlung vom 22. Januar 2014

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg - 9. Zivilsenat - vom 16. Oktober 2012 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin fordert eine Versicherungsleistung von 40.000 € aus der bei der Beklagten gehaltenen Warenkreditversicherung, welcher "Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Warenkreditversicherung-M AVB Warenkredit-M 2007 (Fassung 2008)" zugrunde liegen (im Folgenden : AVB).
2
Darin heißt es unter anderem: "§ 2 Der in die Versicherung eingeschlossene Kunde (…) 3. (…) Forderungen sind in der Reihenfolge ihres Entstehens versichert. Forderungen, die die Versicherungssumme übersteigen, rücken erst und insoweit in den Versicherungsschutz nach, als durch die Bezahlung versicherter Forderungen inner- halb der Versicherungssumme dafür Raum wird. (…) Ein Nachrücken von Forderungen ist ausgeschlossen, wenn der Versicherungsschutz gemäß § 2 Nr. 4 AVB endet. 4. Wann endet der Versicherungsschutz? Kann der Versicherungsschutz beschränkt werden? 4.1 Bei Gefahrerhöhung oder aus sonstigen wichtigen Gründen können wir den Versicherungsschutz für den Kunden oder für die Gesamtheit aller Kunden mit Sitz in einem Land beschränken oder aufheben. (…) § 5 Die Berechnung des versicherten Ausfalls (…) Grundlage für die Berechnung Ihrer Entschädigungsleistung sind Ihre offenen versicherten Forderungen zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles. Der versicherte Ausfall wird wie folgt berechnet: (…) 2.1 Beträge, die nach Beendigung des Versicherungsschutzes gemäß § 2 Nr. 4 AVB eingehen, werden, unabhängig von abweichenden Tilgungsbestimmungen, grundsätzlich auf die jeweils älteste offene Forderung angerechnet."
3
Im Rahmen dieses Versicherungsvertrages gewährte die Beklagte der Klägerin im Juli 2010 Versicherungsschutz für Forderungen gegenüber einer niederländischen Kundin. Die diesbezügliche Versicherungs- summe betrug 50.000 €, wovon die Beklagte eine Versicherungsquote von 80% übernahm. Nachfolgend trat unstreitig der Versicherungsfall ein, nachdem die Kundin drei Rechnungen der Klägerin vom 31. August sowie 11. und 13. September 2010 über insgesamt 51.491,39 € nicht bezahlt hatte. Auf die Schadenmeldung der Klägerin erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 22. September 2010 die "Aufhebung der Versicherungssumme" für die betreffende Kundin. Weiter heißt es zur Erläuterung : "(…) Im Rahmen unserer Risikoüberwachung hat sich unsere Bewertung geändert. (…) Bitte sorgen Sie für einen möglichst zügigen Abbau Ihrer Forderungen und teilen Sie uns das Ergebnis mit. (…). Jede vor Eintritt des Versicherungsfalles erhaltene Zahlung wird auf die jeweils älteste Forderung angerechnet. Diese Regelung gilt auch für Zahlungen auf solche Lieferungen , die Sie ggf. nach Aufhebung der Versicherungssumme ausführen. Hinweis: Ab Zugang dieses Schreibens sind auch Neulieferungen im Rahmen der Selbstprüfung (soweit vereinbart ) unversichert."
4
Leistungen an die Kundin erbrachte die Klägerin fortan nur noch gegen Vorkasse oder Barzahlung. So nahm sie im Zeitraum vom 7. Oktober 2010 bis 17. November 2010 insgesamt 78.711,87 € ein. Mit Schreiben vom 17. März 2011 lehnte die Beklagte Versicherungsleistungen unter Berufung auf § 5 Nr. 2.1 AVB ab, weil diese Zahlungen der Kundin die versicherte Forderung von 51.491,39 € überstiegen und somit keine Forderung mehr zur Entschädigung verbleibe.

5
Die Klägerin meint, diese Verrechnung sei ohne Rechtsgrund geschehen ; die Anrechnungsklausel des § 5 Nr. 2.1 AVB erfasse nur Kundenzahlungen während des versicherten Zeitraums. Anderenfalls sei die Klausel unwirksam, weil sie den Versicherungsnehmer unangemessen benachteilige.
6
Die Beklagte hält die Klausel für interessengerecht, weil sie das versicherte Risiko objektiv begrenze und insbesondere vermeide, dass ein Versicherungsnehmer den Umfang der zu entschädigenden Forderungen durch besondere Verrechnungsvereinbarungen mit seinem Kunden willkürlich aufrechterhalte. Die Vereinbarung von Bargeschäften könne sonst verhindern, dass verfügbares Vermögen des Kunden zur Tilgung versicherter Altschulden verwendet werde. Das widerspreche schutzwürdigen Belangen des Versicherers.
7
Die Vorinstanzen haben die Klage für begründet erachtet. Mit der Revision erstrebt die Beklagte weiterhin die Klagabweisung.

Entscheidungsgründe:


8
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
9
I. Das Berufungsgericht hält die Anrechnungsklausel des § 5 Nr. 2.1 AVB für unwirksam, weil sie den Versicherungsnehmer unangemessen benachteilige (§ 307 BGB). Die Klausel erfasse ihrem Wortlaut nach alle beim Versicherungsnehmer eingehenden Beträge, ohne da- nach zu unterscheiden, ob es sich um Kundenzahlungen handele, auf die sich der Versicherungsschutz beziehe, ob die Zahlungen von Dritten herrührten , ob den Zahlungen Geschäftsbeziehungen zwischen dem Versicherungsnehmer und seinem Kunden zugrunde lägen oder Schadenersatzverpflichtungen aus unerlaubter Handlung. Sie unterscheide weiter auch nicht danach, ob eine Tilgungsbestimmung einseitig vom Kunden getroffen oder zwischen ihm und dem Versicherungsnehmer vereinbart sei. Anders als das Landgericht sieht das Berufungsgericht keinen Anhalt für eine einschränkende Auslegung der Klausel. Von einer solchen seien die Parteien auch nicht übereinstimmend ausgegangen, wie daran ersichtlich werde, dass jedenfalls die Beklagte sich auch im Rechtsstreit uneingeschränkt auf den Klauselwortlaut berufen habe.
10
In dieser weiten Auslegung verstoße die Anrechnungsklausel gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Das ergebe eine umfassende Abwägung der schützenswerten Interessen der Parteien. Auch wenn ein berechtigtes Interesse des Kreditversicherers an der Verhinderung eines kollusiven Zusammenwirkens von Versicherungsnehmer und Kunden zu seinem Nachteil anzuerkennen sei, seien berechtigte Belange des Versicherungsnehmers nicht hinreichend beachtet.
11
Einer Einschränkung der Anrechnungsklausel dahingehend, Fälle des Bargeschäfts, der einseitigen Tilgungsbestimmung des Kunden oder des von der Geschäftsbeziehung zwischen Versicherungsnehmer und Kunden unabhängigen Rechtsgrundes einer Forderung vom Anwendungsbereich auszunehmen, stehe das Verbot einer geltungserhaltenden Reduktion entgegen.
12
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.
13
1. Zutreffend hat das Berufungsgericht dargelegt, die Anrechnungsklausel des § 5 Nr. 2.1 AVB könne nicht einschränkend dahin ausgelegt werden, dass sie nur Kundenzahlungen erfasse, auf die sich der Versicherungsschutz beziehe und denen Geschäftsbeziehungen zwischen dem Versicherungsnehmer und seinem Kunden zugrunde lägen. Der Klausel kann ferner nicht entnommen werden, dass sie keine Geltung in Fällen beansprucht, in denen lediglich der Kunde des Versicherungsnehmers eine einseitige Tilgungsbestimmung trifft.
14
a) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs auszulegen. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an (Senatsurteile vom 23. Juni 1993 - IV ZR 135/92, BGHZ 123, 83, 85 m.w.N.; vom 25. Juli 2012 - IV ZR 201/10; BGHZ 194, 208 Rn. 21 m.w.N.). Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen sind aus sich heraus zu interpretieren (Senatsurteil vom 15. Dezember 2010 - IV ZR 24/10, VersR 2011, 202 Rn. 10 m.w.N.; HK-VVG/Brömmelmeyer, 2. Aufl. Einleitung Rn. 68). In erster Linie ist vom Wortlaut der Klausel auszugehen. Der mit ihr verfolgte Zweck und ihr Sinnzusammenhang sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (vgl. Senatsurteile vom 25. Juli 2012 aaO m.w.N.; vom 9. März 2011 - IV ZR 137/10, VersR 2011, 518 Rn. 16 f.).

15
b) Der Wortlaut des § 5 Nr. 2.1 AVB bestimmt, dass die nach Beendigung des Versicherungsschutzes eingehenden Beträge ungeachtet etwa abweichender Tilgungsbestimmungen in Ansehung des Versicherungsverhältnisses auf die jeweils älteste offene Forderung des Versicherungsnehmers gegen seinen Kunden angerechnet werden. Soweit die Klausel zum Ausdruck bringt, dies sei "grundsätzlich" der Fall, lässt sie nicht erkennen, anhand welcher Umstände von diesem Grundsatz abgerückt werden soll oder kann. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird sie deshalb so verstehen, dass sie keinen Einschränkungen unterliegen soll. Da die anzurechnenden Beträge weder inhaltlich noch zeitlich oder nach der Person des Leistenden weiter eingegrenzt werden, sind nach dem Klauselwortlaut alle Leistungen an den Versicherungsnehmer aus seinen gesamten Rechtsbeziehungen zum betreffenden Kunden erfasst. Da sich die Klausel gerade auf diejenigen Beträge bezieht, die nach einer gemäß § 2 Nr. 4 AVB eingetretenen Beendigung des Versicherungsschutzes beim Versicherungsnehmer eingehen, findet Letzterer keinerlei Anhalt dafür, dass dennoch nur solche Kundenzahlungen von der Anrechnung erfasst werden sollen, deren Rechtsgrund in versicherter Zeit liegt.
16
Auch aus dem erkennbaren Zweck der Klausel und dem systematischen Zusammenhang, in den sie gestellt ist, ergibt sich für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer keine ihm günstige Einschränkung. Er erkennt, dass dem Versicherer daran gelegen ist, auch nach Beendigung des Versicherungsschutzes sämtliche beim Versicherungsnehmer eingehenden Leistungen des betroffenen Kunden ungeachtet ihres Zwecks oder Rechtsgrundes dafür heranzuziehen, versicherte Außenstände abzubauen und so die Versicherungsleistung zu kürzen. Den Re- gelungen in § 2 Nr. 4.1 und § 2 Nr. 3 AVB entnimmt er zudem, dass der Versicherer einerseits den Versicherungsfall zum Anlass nehmen kann, den Versicherungsschutz für künftige Forderungen gegen den säumigen Kunden zu beenden, andererseits aber dem Versicherungsnehmer infolge der Verrechnung entstehende neue - dann nicht mehr versicherte - Forderungsausfälle nicht in den geschützten Bestand nachrücken können. Das bestärkt ihn darin, dass der Versicherer auch alle unversicherten , aber vom Kunden ausgeglichenen Forderungen dazu heranziehen will, um seine Leistungspflicht aus dem Versicherungsverhältnis nachträglich zu verringern. Anhaltspunkte dafür, dass die Verrechnungsmöglichkeit auf in versicherter Zeit begründete Forderungen beschränkt bliebe , kann der Versicherungsnehmer auch auf diesem Wege nicht gewinnen.
17
c) Anders als bei der vom III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs zu einer ähnlich lautenden Verrechnungsklausel im Rahmen eines Ausfuhrgarantieversprechens getroffenen Entscheidung (vgl. BGH, Urteil vom 11. November 1982 - III ZR 67/81, WM 1983, 151 unter II 1) lässt sich im Streitfall nicht feststellen, dass die Parteien der streitgegenständlichen Anrechnungsklausel ungeachtet des weiten Wortlauts übereinstimmend einen nur eingeschränkten Regelungsgehalt beigemessen hätten. Vielmehr zeigt das Vorbringen der Beklagten, dass sie sich uneingeschränkt auf die nach dem Klauselwortlaut weit gefasste Anrechnungsmöglichkeit berufen hat.
18
2. In der dargelegten weiten Auslegung hält die Anrechnungsklausel des § 5 Nr. 2.1 AVB der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht stand. Die Klausel benachteiligt den Versicherungsnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen, weil der Versicherer mit ihr durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Versicherungsnehmers durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen (vgl. dazu Senatsurteil vom 25. Juli 2012 - IV ZR 201/10, BGHZ 194, 208 Rn. 31 m.w.N.). Zugleich werden wesentliche Rechte des Versicherungsnehmers, welche sich aus der Natur des Versicherungsvertrages ergeben, so weit eingeschränkt, dass der Vertragszweck gefährdet ist (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB).
19
a) Das ergibt die insoweit gebotene umfassende Abwägung der schützenswerten Interessen beider Parteien des Versicherungsvertrages (vgl. dazu BGH, Urteile vom 8. Dezember 2011 - VII ZR 111/11, NJW-RR 2012, 626 Rn. 15; vom 17. Dezember 2002 - X ZR 220/01, WM 2003, 448 unter 2 b cc m.w.N.; vom 3. November 1999 - VIII ZR 269/98, BGHZ 143, 103, 113 m.w.N.).
20
Allerdings ist das mit der Klausel verfolgte Interesse des Versicherers im Grundsatz anzuerkennen, den versicherten Schaden nach Möglichkeit zu begrenzen und insbesondere zu verhindern, dass der Versicherungsnehmer und sein Kunde den eingetretenen Forderungsausfall der Höhe nach in dem Bestreben aufrechterhalten, eine möglichst hohe Versicherungsleistung zu erlangen und verbleibende finanzielle Mittel des Kunden stattdessen anderweitig einzusetzen. Der Regelungsgehalt der Anrechnungsklausel geht jedoch in mehrfacher Hinsicht weit über diese Zielsetzung und den Rahmen verständiger Interessenwahrung hinaus und beachtet damit nicht ausreichend schützenswerte Belange des Versicherungsnehmers.

21
aa) Wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, können diejenigen Forderungen, die mittels einer von der Anrechnungsregelung in § 5 Nr. 2.1 AVB abweichenden Bestimmung getilgt werden sollten, nicht gemäß § 2 Nr. 3 AVB in den Versicherungsschutz nachrücken. Waren sie bereits begründet worden, als noch Versicherungsschutz bestand , scheitert ihre Versicherung daran, dass sie infolge der vom Kunden bewirkten Tilgung objektiv nicht mehr bestehen. Wurden sie erst nach Beendigung des Versicherungsschutzes begründet, scheidet ein Nachrücken gemäß § 2 Nr. 3 letzter Satz AVB ohnehin aus.
22
Das führt vor allem dann zu einer dem Versicherungsnehmer nicht zumutbaren Härte und zugleich zu einer partiellen Aushöhlung des Vertragszwecks im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB, wenn der Versicherungsnehmer - wie im Streitfall - eine nach Eintritt eines Versicherungsfalls gemäß § 2 Nr. 4.1 AVB vom Versicherer erklärte Beendigung des Versicherungsschutzes für einen bestimmten Kunden zum Anlass nimmt, diesem Kunden gegenüber Leistungen nur noch Zug um Zug gegen Bezahlung zu erbringen oder mit ihm Bargeschäfte im Sinne von § 142 InsO zu vereinbaren. Auf das - gerade wegen des Wegfalls des Versicherungsschutzes - anerkennenswerte Interesse des Versicherungsnehmers , in einer solchen Situation durch besondere Vereinbarungen sicherzustellen , dass er künftige Leistungen bezahlt bekommt, ohne Gefahr zu laufen, lediglich neue, zudem unversicherte Forderungen gegen den Kunden zu erwerben, nimmt die Anrechnungsklausel keine Rücksicht. Werden - wie § 5 Nr. 2.1 AVB dies vorsieht - die auf solche Geschäfte entfallenden, nach Beendigung des Versicherungsschutzes vom Kunden geleisteten Beträge im Versicherungsverhältnis stattdessen auf die versicherte Forderung angerechnet, hat dies wirtschaftlich zur Folge, dass der Versicherungsnehmer mittels auf eigenes Risiko neu erbrachter Leistungen seinen Versicherungsschutz schrittweise selbst abbaut und die Leistungspflicht des Versicherers ausräumt (vgl. zur ähnlichen Sachlage bei einem Garantieversprechen: BGH, Urteil vom 11. November 1982 - III ZR 67/81, WM 1983, 151 unter II 1). Zudem kann er danach den Ausgleich der neu begründeten Forderungen weder von seinem Kunden, welcher diese Forderungen dann bereits im Rechtsverhältnis zum Versicherungsnehmer wirksam getilgt hat, verlangen, noch genießt er für diese Forderungen Versicherungsschutz. Die Gefahr, den zugesagten Versicherungsschutz auf die beschriebene Art und Weise wieder zu verlieren, wird zudem dadurch vergrößert, dass § 5 Nr. 2.1 AVB jegliche Zahlungen - gleichviel aus welchem Rechtsgrund sie erfolgen und ungeachtet der Frage, ob ein innerer Zusammenhang zu der ursprünglich versicherten Geschäftsbeziehung besteht - der Anrechnung anheimfallen lässt. Ein so weitgehendes Interesse des Versicherers, seine durch Prämienzahlungen des Versicherungsnehmers begründete Leistungspflicht nach Beendigung des Versicherungsschutzes mittelbar auf den Versicherungsnehmer abzuwälzen und auf dessen Kosten leistungsfrei zu werden , verdient keine Anerkennung (vgl. dazu auch ÖOGH VersR 2006, 1286). Das Berufungsgericht hat dazu zutreffend ausgeführt, in der geschilderten Situation eröffne sich im Regelfall nicht die Alternative, die wenigen liquiden Mittel des - regelmäßig in Zahlungsschwierigkeiten befindlichen - Kunden entweder für die Begleichung seiner Altschulden einzusetzen oder sie für die Vergabe neuer Aufträge an den Versicherungsnehmer zu verwenden, weil für den Kunden eine Fortführung seines Unternehmens ohne diese Geldbeträge oft nicht mehr möglich wäre. Zudem werden bei solchen Bargeschäften dem Vermögen des Kunden keine Werte zu Lasten des Versicherers entzogen, da den Zahlungen des Kun- den gleichwertige Leistungen des Versicherungsnehmers in zeitlich unmittelbarem Austausch gegenüberstehen.
23
bb) Will der Versicherungsnehmer der vorgenannten Konsequenz entgehen, lässt § 5 Nr. 2.1 AVB ihm nach der Beendigung des Versicherungsschutzes nur die Möglichkeit, die Geschäftsbeziehung zu dem betroffenen Kunden einzustellen und damit auch auf mögliche künftige Gewinne aus dieser Geschäftsverbindung zu verzichten. Die Anrechnungsklausel wirkt insoweit auf unternehmerische Entscheidungen des Versicherungsnehmers auch noch zu einer Zeit ein, zu der der Versicherer seinerseits nicht mehr bereit ist, Versicherungsschutz für die Geschäfte mit dem betroffenen Kunden zu gewähren. Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, dass derjenige, der für eine fremde Kreditschuld Sicherheiten gibt, vom Sicherungsnehmer nicht erwarten kann, dass dieser seinem Schuldner später keine weiteren Kredite mehr gewährt oder zumindest bei der Verrechnung von Teilleistungen des Schuldners unter Zurückstellung eigener Interessen auf die Interessen des Sicherungsgebers Rücksicht nimmt (BGH, Urteil vom 27. April 1993 - XI ZR 120/92, NJW 1993, 2043 unter II 3 m.w.N.). Das lässt sich auf den vorliegenden Fall übertragen.
24
Nach allem erscheint die Einflussnahme des Versicherers auf die unternehmerische Entscheidung des Versicherungsnehmers nicht mehr angemessen, zumal nicht erkennbar ist, inwieweit der Abbruch der Geschäftsbeziehung des Versicherungsnehmers zu seinem Kunden im Interesse des Versicherers liegt. Oftmals wird die Einstellung der Geschäfte die wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Kunden vertiefen und so zu einem endgültigen Ausfall der versicherten Forderung beitragen.
25
cc) Soweit die Revision darauf verweist, die in § 5 Nr. 2.1 AVB geregelte Verrechnung entspreche der dem Versicherungsnehmer nach § 82 Abs. 1 VVG obliegenden Pflicht zur Schadenminderung, trifft dies nicht zu. Allerdings bleibt es dem Versicherer auch bei Wegfall der beanstandeten Verrechnungsklausel unbenommen, Leistungsfreiheit wegen Verstoßes des Versicherungsnehmers gegen die in § 82 Abs. 1 VVG geregelte Schadenminderungsobliegenheit geltend zu machen. Das setzt allerdings - anders als die Verrechnung nach § 5 Nr. 2.1 AVB - voraus, dass eine versäumte Schadensminderung dem Versicherungsnehmer zumutbar (vgl. dazu MünchKomm-VVG/Looschelders, § 82 Rn. 34 ff.) gewesen wäre und er sie subjektiv vorwerfbar, nämlich grob fahrlässig oder vorsätzlich, unterlassen hat (§ 82 Abs. 3 VVG). Anders als die Revision meint, ist der Versicherer kollusiven Absprachen zwischen Versicherungsnehmer und seinem Kunden, die darauf zielen, den versicherten Schaden mutwillig hoch zu halten, damit keineswegs schutzlos ausgeliefert.

26
b) Eine lediglich mit Blick auf die dargelegte Unwirksamkeit der Anrechnungsklausel einschränkende Auslegung des § 5 Nr. 2.1 AVB hat das Berufungsgericht wegen des Verbots einer geltungserhaltenden Reduktion der Klausel zutreffend abgelehnt.
Mayen Wendt Felsch
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 27.04.2012- 306 O 19/12 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 16.10.2012- 9 U 87/12 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 22. Jan. 2014 - IV ZR 343/12

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 307 Inhaltskontrolle


(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben,

Gesetz über den Versicherungsvertrag


Versicherungsvertragsgesetz - VVG

Insolvenzordnung - InsO | § 142 Bargeschäft


(1) Eine Leistung des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt, ist nur anfechtbar, wenn die Voraussetzungen des § 133 Absatz 1 bis 3 gegeben sind und der andere Teil erkannt hat, dass der Schuldner un

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 82 Abwendung und Minderung des Schadens


(1) Der Versicherungsnehmer hat bei Eintritt des Versicherungsfalles nach Möglichkeit für die Abwendung und Minderung des Schadens zu sorgen. (2) Der Versicherungsnehmer hat Weisungen des Versicherers, soweit für ihn zumutbar, zu befolgen sowie Weis
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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 307 Inhaltskontrolle


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(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

31
c) Ziff. 11 Abs. 2 Satz 1, 2 AVB-KLV verstößt ferner gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Eine unangemessene Benachteiligung liegt hiernach vor, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 - VII ZR 111/11, NJW-RR 2012, 626 Rn. 14 m.w.N.; Präve, Versicherungsbedingungen und AGB-Gesetz 1998 Rn. 407; Römer, NVersZ 1999, 97, 102 m.w.N.). Insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.
16
aa) Aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen, um Verständnis bemühten Versicherungsnehmers ergibt sich aus dem Wortlaut des § 1 (2) und (3) MB/KT nicht, dass es auf die Ursache der Krankheit, die zur Arbeitsunfähigkeit führt, ankommen soll. Insbesondere ist für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht erkennbar, dass psychische und physische Erkrankungen ausgeschlossen sein sollen, wenn sie durch so genanntes Mobbing ausgelöst oder begünstigt werden. Er kann der Regelung des § 1 (3) MB/KT nicht entnehmen, dass Arbeitsunfähigkeit nicht vorliegt, wenn eine Erkrankung durch Umstände an dem bisherigen Arbeitsplatz verursacht oder verstärkt worden ist. Der Wortlaut des Begriffs "berufliche Tätigkeit" lässt für ihn nicht offen, ob darunter die konkrete Tätigkeit der versicherten Person bei ihrem konkreten Arbeitgeber an einem konkreten Arbeitsplatz oder aber nur ein allgemeines Berufsbild zu verstehen ist (so Rogler aaO unter C 4, der den Wortlaut für mehrdeutig hält). Vielmehr wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer unter beruflicher Tätigkeit seine spezifische Tätigkeit verstehen und annehmen, dass damit auch sein Arbeitsplatz bei seinem bisherigen Arbeitgeber gemeint ist.

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

31
c) Ziff. 11 Abs. 2 Satz 1, 2 AVB-KLV verstößt ferner gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Eine unangemessene Benachteiligung liegt hiernach vor, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 - VII ZR 111/11, NJW-RR 2012, 626 Rn. 14 m.w.N.; Präve, Versicherungsbedingungen und AGB-Gesetz 1998 Rn. 407; Römer, NVersZ 1999, 97, 102 m.w.N.). Insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

15
Ob eine die Laufzeit eines Vertrages betreffende Klausel den Vertragspartner des Verwenders gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt, ist mit Hilfe einer umfassenden Abwägung der schützenswerten Interessen beider Parteien im Einzelfall festzustellen (BGH, Urteil vom 3. November 1999 - VIII ZR 269/98, BGHZ 143, 103, 113 m.w.N.). Bei dieser Abwägung sind nicht nur die auf Seiten des Verwenders getätigten Investitionen, sondern es ist der gesamte Vertragsinhalt zu berücksichtigen; notwendig ist eine Gegenüberstellung der insgesamt begründeten gegenseitigen Rechte und Pflichten (BGH, Urteil vom 17. Dezember 2002 - X ZR 220/01, NJW 2003, 886, 887 m.w.N.).
Berichtigt durch Beschluß
vom 21. Januar 2003
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 220/01 Verkündet am:
17. Dezember 2002
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk : ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
AGBG § 9 Abs. 1 Bg, Cl
Die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Miet-, Kauf-, Wartungsund
Schutzvertrages für eine Fernmeldeanlage enthaltene Klausel
"Dieser Wartungsvertrag läuft bis zum Ende des zehnten Jahres
, das auf die Betriebsbereitschaft – bzw. bei bereits in Betrieb
befindlichen Anlagen – auf das bei Vertragsschluß laufende
Kalenderjahr folgt. Werden infolge von Lohn- oder sonstigen
Kostenänderungen die listenmäßigen Wartungspreise
der ... erhöht oder ermäßigt, so kann die ... eine entsprechende
Änderung des Wartungspreises vornehmen, soweit dieser
noch nicht zur Zahlung fällig geworden ist"
ist auch bei Verwendung gegenüber einem Kaufmann bei Fehlen einer
sachlichen Rechtfertigung für die Dauer der Bindung unwirksam.
BGH, Urt. v. 17. Dezember 2002 – X ZR 220/01 – OLG Hamburg
LG Hamburg
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 1. Oktober 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis,
den Richter Keukenschijver, die Richterin Mühlens und die Richter Dr. MeierBeck
und Asendorf

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 12. Oktober 2001 aufgehoben.
Auf die Berufung der Beklagten zu 1 und unter Abweisung der Klageerweiterung zweiter Instanz wird das Urteil der 22. Zivilkammer des Landgerichts Hamburg vom 19. April 2000 teilweise abgeändert : Die Klage wird auch im übrigen abgewiesen.
Auf die Widerklage wird festgestellt, daß der Klägerin aus dem Wartungsvertrag vom 27. April 1994 Nr. 5141106 keine weiteren Zahlungsansprüche bis zum 31. Dezember 2005 gegen die Beklagten zustehen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin vertreibt, installiert und wartet Telefonanlagen. Sie schloß mit der Beklagten zu 1, die durch Umwandlung aus der C. P. B. mbH in H. hervorgegangen und deren persönlich haftende Gesellschafterin die Beklagte zu 2 ist, am 27. April 1995 einen als Miet-, Kauf-, Wartungs- und Schutzvertrag bezeichneten Vertrag. Zum Zeitpunkt der Übersendung des von der Klägerin vorformulierten Vertrages war noch nicht entschieden , ob die Beklagte zu 1 die Telefonanlage mieten oder kaufen werde. Mit der Unterzeichnung des Vertrages entschied sich die Beklagte für den Kauf der Anlage zum Preis von 27.772,50 DM. Außerdem wurde die Klägerin mit der Wartung der Anlage beauftragt. Bezüglich der Wartung heißt es in Nr. 3 des Vertrages unter anderem:
"Der Wartungspreis beträgt monatlich 204,-- DM zzgl. der bei Fälligkeit geltenden gesetzlichen Mehrwertsteuer und ausschließlich der an die DBP Telekom/Deutsche Post zu entrichtenden Gebühren.
Dieser Wartungsvertrag läuft bis zum Ende des zehnten Jahres, das auf die Betriebsbereitschaft - bzw. bei bereits in Betrieb befindlichen Anlagen - auf das bei Vertragsschluß laufende Kalenderjahr folgt.
Werden infolge von Lohn- oder sonstigen Kostenänderungen die listenmäßigen Wartungspreise der A. erhöht oder ermäßigt, so kann die A. eine entsprechende Änderung des Wartungspreises vornehmen , soweit dieser noch nicht zur Zahlung fällig geworden ist."

In der Klausel sind der Betrag des Entgelts für die Wartung und das Wort "zehnten" von der Klägerin maschinenschriftlich in den vorgedruckten Vertragstext eingesetzt worden, bevor dieser der Beklagten zu 1 zur Unterschrift übersandt wurde.
In den Folgejahren erhöhte die Klägerin den Wartungspreis zweimal auf zuletzt 233,-- DM monatlich, ohne daß dies von der Beklagten zu 1 beanstandet wurde. Die Beklagte zu 1 hat mit Schreiben vom 31. März 1999 die Kündigung des Vertragsverhältnisses zum 30. Juni 1999 erklärt und das Wartungsentgelt für das 3. und 4. Quartal nicht mehr entrichtet. Die Klägerin hat die Beklagte zu 1 deshalb auf Zahlung des Wartungsentgelts für das 3. und 4. Quartal 1999 in Höhe von 1.621,68 DM nebst Zinsen in Anspruch genommen, weil sie die Kündigung für unberechtigt und die Klausel über die Laufzeit des Wartungsvertrages für wirksam hält. Außerdem hat sie die Klage in zweiter Instanz nach der Umwandlung der Beklagten zu 1 in eine Kommanditgesellschaft auf die Beklagte zu 2 erweitert. Die Beklagten haben unter anderem in der Laufzeitregelung einen Verstoß gegen § 9 AGBG gesehen und deshalb ihre Kündigung für berechtigt gehalten. Sie haben Widerklage erhoben und beantragt festzustellen, daß der Klägerin gegen sie aus dem Wartungsvertrag vom 27. April 1995 keine weiteren Zahlungsansprüche bis zum 31. Dezember 2005 zustehen.
Das Landgericht hat der Klage bis auf einen Teil der begehrten Zinsen stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Beklagte zu 2 wie einen Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 1.621,68 DM nebst Zinsen zu zahlen.
Die Beklagten verfolgen mit der zugelassenen Revision ihr zweitinstanz- liches Begehren weiter. Die Klägerin tritt der Revision entgegen.

Entscheidungsgründe:


Die Revision führt zur Abweisung der Klage und Verurteilung der Klägerin nach dem Widerklageantrag. Die Klage ist unbegründet und die Widerklage begründet, weil die in Nr. 3 des Vertrages vom 27. April 1995 enthaltene Laufzeitregelung für den Wartungsvertrag unwirksam ist (§ 9 Abs. 1 AGBG). Die Beklagte zu 1 hat den Vertrag deshalb wirksam zum 30. Juni 1999 gekündigt.
1. Das Berufungsgericht hat in den in Nr. 3 des Vertrages vom 27. April 1995 enthaltenen Bestimmungen Allgemeine Geschäftsbedingungen gesehen, die von der Klägerin gestellt wurden. Dies wird von der Revision nicht beanstandet und unterliegt auch keinen rechtlichen Bedenken. Auf die Inhaltskontrolle der umstrittenen Klausel ist § 9 AGBG in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung auch weiterhin anzuwenden (Art. 229 § 5 EGBGB).
Das Berufungsgericht ist weiter zutreffend davon ausgegangen, daß die in der umstrittenen Klausel vereinbarte zehnjährige Dauer des Wartungsvertrages nicht schon nach § 11 Nr. 12 a AGBG unwirksam ist, weil die Beklagte Kaufmann ist. § 11 AGBG findet deshalb keine Anwendung (§ 24 Satz 1 Nr. 1 AGBG). § 11 Nr. 12 a AGBG enthält auch kein Indiz dafür, daß entsprechende Allgemeine Geschäftsbedingungen im kaufmännischen Verkehr unwirksam seien (Sen.Urt. v. 8.4.1997 - X ZR 62/95, WM 1997, 1624, 1625). Daher ist im Einzelfall zu prüfen, ob die als Allgemeine Geschäftsbedingung vereinbarte Laufzeit den Anforderungen der Generalklausel des § 9 Abs. 1 AGBG genügt (Sen.Urt. v. 8.4.1997, aaO m.w.N.).

2. a) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Laufzeitregelung in Nr. 3 des Kauf- und Wartungsvertrages halte einer Nachprüfung nach § 9 AGBG stand. Von einem Kaufmann müsse erwartet werden, daß er bei Abschluß eines zehnjährigen Wartungsvertrages in etwa abschätzen könne, ob die Anlage während der gesamten Laufzeit seinen Bedürfnissen genügen werde. Ein Wartungsvertrag mit langer Laufzeit habe auch erhebliche Vorteile für den Auftraggeber. Das Serviceunternehmen wiederum habe wegen der erforderlichen Personaldispositionen und Lagerhaltung ein berechtigtes Interesse an längerfristigen Verträgen.

b) Dies hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
aa) Die Darlegungen des Berufungsgerichts zur Wirksamkeit der beanstandeten Klausel sind in der Revisionsinstanz uneingeschränkt überprüfbar, weil es um die Inhaltskontrolle einer Vertragsklausel und damit um die Anwendung des dem Bundesrecht angehörenden § 9 AGBG auf den festgestellten Sachverhalt geht. Diese rechtliche Bewertung ist ohne Einschränkung revisibel (BGH, Urt. v. 4.7.1997 - V ZR 405/96, NJW 1997, 3022, 3023 m.w.N.).
bb) Die Frage, ob eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgesehene und im kaufmännischen Verkehr verwendete Klausel, die eine zehnjährige oder längere Bindung des Vertragspartners an einen Wartungsvertrag über Fernmeldeanlagen vorsieht, der Inhaltskontrolle nach § 9 Abs. 1 AGBG standhält , ist im Schrifttum umstritten (vgl. einerseits Strauß, NJW 1995, 697; andererseits Löwe, NJW 1995, 1726). Der Streitfall nötigt nicht zu einer generellen Entscheidung dieser Frage. Denn die Revision macht zu Recht geltend, daß die im Rahmen der Angemessenheitskontrolle des § 9 Abs. 1 AGBG vorzuneh-
mende Gesamtabwägung aller für und gegen die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin vorgesehene Laufzeitenregelung sprechenden Umstände im Streitfall dazu führt, daß die in dem Vertrag vorgesehene Laufzeitenregelung unwirksam ist.
cc) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellt eine Klausel, in der der Verwender mißbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein die Interessen seines Partners hinreichend zu berücksichtigen und ohne ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen, eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Klauselverwenders im Sinne von § 9 Abs. 1 AGBG dar (BGHZ 147, 279, 282; 120, 108, 118; 90, 280, 284; 74, 383, 390; BGH Urt. v. 10.2.1993 - XII ZR 74/91, NJW 1993, 1133, 1134; Urt. v. 13.2.1985 - VIII ZR 154/84, NJW 1985, 2328). Ob eine die Laufzeit eines Vertrages betreffende Klausel den Vertragspartner des Verwenders in diesem Sinne entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt, ist mit Hilfe einer umfassenden Abwägung der schützenswerten Interessen beider Parteien im Einzelfall festzustellen. Bei dieser Abwägung sind nicht nur die auf Seiten des Verwenders getätigten Investitionen, sondern der gesamte Vertragsinhalt zu berücksichtigen; notwendig ist eine Gegenüberstellung der insgesamt begründeten gegenseitigen Rechte und Pflichten (BGHZ 143, 103, 114; 106, 259, 263; 101, 357, 366; 82, 238, 240 f.; 65, 107, 111 f. m.w.N.; Ulmer /Brandner/Hensen, AGBG, 9. Aufl., § 9, Rdn. 85). Dabei kann von einem Kaufmann bei Abschluß eines Wartungsvertrages über eine technische Anlage erwartet werden, daß er abschätzen kann, ob die Anlage während der gesamten Laufzeit des Vertrages seinen Bedürfnissen genügt. Bei der Vereinbarung von Laufzeiten von zehn Jahren und mehr ist andererseits zu berücksichtigen, daß es auf Seiten des Klauselverwenders in der Regel besonderer Umstände
bedarf, die eine Laufzeit von 10 Jahren und mehr rechtfertigen können. Die Unangemessenheit einer derart langfristigen Bindung kann deshalb dann zu bejahen sein, wenn durch sie allein oder ihre Ausgestaltung die persönliche Selbständigkeit und Freiheit sowie ein Mindestmaß an wirtschaftlichem Bewegungsspielraum eines Vertragspartners so beschränkt werden, daß er dem Gegenüber auf Gedeih und Verderb ausgeliefert ist (Sen.Urt. v. 8.4.1997 - X ZR 62/95, aaO).
Bei der danach vorzunehmenden Gesamtabwägung der Interessen ist bei der Beurteilung der umstrittenen Klausel zunächst zu berücksichtigen, daß die Beklagte zu 1 die zu wartende Anlage nicht von der Klägerin gemietet, sondern käuflich erwoben hat.
Einerseits kann von einer kaufmännischen Erwerberin wie der Beklagten zu 1 erwartet werden, daß sie beim Erwerb der Anlage nicht nur ihren gegenwärtigen , sondern auch ihren künftigen Bedarf abschätzt, so daß allein aus dem Umstand, daß sie sich im Wartungsvertrag für die von ihr erworbene Anlage einer Bindung von gut zehn Jahren unterworfen hat, nicht bereits darauf geschlossen werden kann, sie werde durch die Dauer ihrer Bindung an den Wartungsvertrag unangemessen benachteiligt. Das gilt auch, soweit sich die Beklagte zu 1 durch die Dauer der Bindung gehindert sehen sollte, die käuflich erworbene Anlage durch eine andere zu ersetzen. Die Bindung an den Wartungsvertrag mag wirtschaftliche Nachteile für den Fall mit sich bringen, daß die Beklagten die Anlage vor Ablauf der Bindungsfrist durch eine andere und modernere Anlage ersetzen wollen; auch insoweit gilt jedoch, daß es der Beklagten zu 1 oblag, nicht nur ihren gegenwärtigen, sondern auch ihren zukünftigen Bedarf, sowohl was die Anlage selbst als auch was deren Wartung betrifft, ab-
zuschätzen und einen auch hinsichtlich der Bindungsdauer entsprechenden Vertrag zu schließen.
Andererseits ist in der Rechtsprechung anerkannt, daß das höchstzulässige Maß der Bindung an einen Vertrag davon abhängt, wie erheblich die Gegenleistungen sind, die der bindende Teil nach dem Vertrag zu erbringen hat. Die höchstzulässige Dauer der Vertragslaufzeit ist demzufolge davon abhängig, welcher Kapitalaufwand dem die Vertragslaufzeit vorgebenden Vertragsteil für die Erfüllung des Vertrages entsteht. Hohe Entwicklungs- oder Vorhaltekosten, die sich nur bei längerer Vertragsdauer amortisieren, rechtfertigen daher regelmäßig eine längerfristige Bindung des anderen Teils an den Vertrag (BGH, Urt. v. 3.11.1999 - VIII ZR 269/98, NJW 2000, 1110, 1113 m.w.N.). Daher ist in der Rechtsprechung auch anerkannt, daß die formularmäßige Vereinbarung einer zehnjährigen Laufzeit eines Mietvertrages über eine Fernsprechnebenstellenanlage rechtlich nicht zu beanstanden ist, wenn ihr entsprechende Vorhaltekosten des bindenden Teils gegenüberstehen (BGH, Urt. v. 10.2.1985 - VIII ZR 154/84, NJW 1985, 2328). Beim käuflichen Erwerb einer Telefonanlage trägt der Erwerber die Anschaffungskosten. Der Klauselverwender ist daher nicht darauf angewiesen, daß sich über eine längere Vertragsdauer wesentlich durch die Anschaffungskosten und den Kapitalaufwand hierfür mitbestimmte hohe Anfangsinvestitionen in die zu wartende Anlage amortisieren.
Es stellt hiernach jedenfalls dann eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners dar, wenn Nr. 3 des Wartungsvertrages nicht nur eine zehnjährige Bindung an den Wartungsvertrag enthält, sondern die Klausel der Klägerin darüber hinaus ein Recht zur Preisanpassung gibt, ohne dem Vertragspartner im Falle von Preiserhöhungen ein Lösungsrecht vom Vertrag einzuräumen. Denn infolgedessen bietet die zehnjährige Bindung dem Vertrags-
partner nicht den Vorteil der Preissicherheit, der den Nachteil der langjährigen Bindung ausgleichen könnte.
Bei dieser Sachlage kann die formularmäßig gestellte Bindungsfrist von 10 Jahren nicht mit der Erwägung gerechtfertigt werden, daß zur Erfüllung des Wartungsvertrages durch die Klägerin Vorhaltekosten für Gerät, Ersatzteile und Personal anfallen; daß diese Vorhaltekosten - soweit sie überhaupt anfallen - eine Bindung in diesem Umfang erfordern, ist durch die Klägerin nicht dargelegt worden. Hinzu kommt, daß sich nicht zwangsläufig erschließt, daß diese Kosten im Falle einer Vermietung wie im Falle eines Verkaufs, zwischen denen die Klausel nicht differenziert, in gleicher Weise entstehen.
Daraus folgt, daß die Klausel Vertragspartner der Klägerin, die wie die Beklagte zu 1 die Anlage käuflich erworben haben, ohne Rücksicht auf die Übernahme der Investitionskosten für die zu wartende Anlage und ohne Rücksicht auf die Möglichkeit einseitiger Preiserhöhungen ohne gleichzeitige Möglichkeit für den Vertragspartner, sich im Falle der Preiserhöhung vom Vertrag zu lösen, einer zehnjährigen Bindung unterwirft. Eine solche als Allgemeine Geschäftsbedingung gestellte Laufzeitregelung stellt im Gesamtzusammenhang des Vertrages eine unangemessene Benachteiligung jedenfalls der Vertragspartner dar, die - wie die Beklagte zu 1 - die zu wartende Anlage von der Klägerin kaufen. Die umstrittene Klausel ist daher gemäß § 9 Abs. 1 AGBG unwirksam. Sie stellt vor dem Hintergrund der Interessenlage der Parteien eines mit einem Vertrag über die Vermietung oder den Verkauf technischer Anlagen verbundenen Wartungsvertrages eine im allgemeinen unbillige und ungerechte Regelung dar, die das Gleichgewicht der Rechte und Pflichten zum Nachteil des Käufers einer technischen Anlage erheblich stört.
3. Daraus folgt, daß die von den Beklagten ausgesprochene Kündigung wirksam war (§ 621 BGB in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung , vgl. Sen.Urt. v. 8.4.1997 - X ZR 62/95, aaO). Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben, die Klage auf die Berufung der Beklagten abzuweisen und die mit der Widerklage begehrte Feststellung zu treffen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Melullis Keukenschrijver Mühlens
Meier-Beck Asendorf BESCHLUSS X ZR 220/01 vom 21. Januar 2003 in dem Rechtsstreit den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter Keukenschrijver, die Richte- rin Mühlens und die Richter Dr. Meier-Beck und Asendorf
beschlossen:
Der Tenor des Senatsurteils vom 17. Dezember 2002 wird wegen eines Schreibfehlers in der auf die Widerklage getroffenen Feststellung dahin berichtigt, daß der Klägerin aus dem Wartungsvertrag vom 27. April 1995 Nr. 5141106 keine weiteren Zahlungsansprüche bis zum 31. Dezember 2005 gegen die Beklagten zustehen.
Melullis Keukenschrijver Mühlens
Meier-Beck Asendorf

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

(1) Eine Leistung des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt, ist nur anfechtbar, wenn die Voraussetzungen des § 133 Absatz 1 bis 3 gegeben sind und der andere Teil erkannt hat, dass der Schuldner unlauter handelte.

(2) Der Austausch von Leistung und Gegenleistung ist unmittelbar, wenn er nach Art der ausgetauschten Leistungen und unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs in einem engen zeitlichen Zusammenhang erfolgt. Gewährt der Schuldner seinem Arbeitnehmer Arbeitsentgelt, ist ein enger zeitlicher Zusammenhang gegeben, wenn der Zeitraum zwischen Arbeitsleistung und Gewährung des Arbeitsentgelts drei Monate nicht übersteigt. Der Gewährung des Arbeitsentgelts durch den Schuldner steht die Gewährung dieses Arbeitsentgelts durch einen Dritten nach § 267 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gleich, wenn für den Arbeitnehmer nicht erkennbar war, dass ein Dritter die Leistung bewirkt hat.

(1) Der Versicherungsnehmer hat bei Eintritt des Versicherungsfalles nach Möglichkeit für die Abwendung und Minderung des Schadens zu sorgen.

(2) Der Versicherungsnehmer hat Weisungen des Versicherers, soweit für ihn zumutbar, zu befolgen sowie Weisungen einzuholen, wenn die Umstände dies gestatten. Erteilen mehrere an dem Versicherungsvertrag beteiligte Versicherer unterschiedliche Weisungen, hat der Versicherungsnehmer nach pflichtgemäßem Ermessen zu handeln.

(3) Bei Verletzung einer Obliegenheit nach den Absätzen 1 und 2 ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit vorsätzlich verletzt hat. Im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen; die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit trägt der Versicherungsnehmer.

(4) Abweichend von Absatz 3 ist der Versicherer zur Leistung verpflichtet, soweit die Verletzung der Obliegenheit weder für die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht ursächlich ist. Satz 1 gilt nicht, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit arglistig verletzt hat.