Bundesgerichtshof Urteil, 10. Feb. 2015 - VI ZR 343/13

bei uns veröffentlicht am10.02.2015
vorgehend
Landgericht Berlin, 31 O 22/11, 02.09.2011
Kammergericht, 26 U 180/11, 19.06.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR343/13 Verkündet am:
10. Februar 2015
Holmes
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
1. Den Prozessgegner der primär darlegungsbelasteten Partei kann eine sekundäre
Darlegungslast treffen, wenn die nähere Darlegung der primär darlegungsbelasteten
Partei nicht möglich oder zumutbar ist, während der Prozessgegner
alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm zumutbar ist, nähere
Angaben zu machen.
2. Diese Grundsätze gelten auch bei Schadensersatzansprüchen wegen Verletzung
eines strafrechtlichen Schutzgesetzes. Dabei spielt keine Rolle, ob
ein entsprechender Auskunftsanspruch gegen den Schädiger besteht.
BGH, Urteil vom 10. Februar 2015 - VI ZR 343/13 - KG Berlin
LG Berlin
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 10. Februar 2015 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richterin
Diederichsen, den Richter Pauge, die Richterin von Pentz und den Richter
Offenloch

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 26. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 19. Juni 2013 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Beklagten sind Geschäftsführer der inzwischen insolventen W. N. Grundstücks- und Vermögensverwaltungen GmbH (im Folgenden: N-GmbH), die Kläger Rechtsnachfolger der im September 2006 verstorbenen D. S. (im Folgenden: Erblasserin). Von 1997 bis 2006 verwaltete die N-GmbH acht im Allein- beziehungsweise Miteigentum der Erblasserin stehende Grundstücke. Die N-GmbH überwies von den für die Erblasserin geführten Konten auf Veran- lassung der Beklagten in den Jahren 2003 bis 2007 insgesamt 300.528,66 € und führte bei ihr eingegangene Zahlungen von Mietern der Erblasserin in Höhe von weiteren 53.855,07 € nicht an die Erblasserin ab.
2
In zwei vorangegangenen Verfahren nahm die N-GmbH die Kläger erfolglos auf Ersatz von im Rahmen der Grundstücksverwaltung getätigten Aufwendungen in Anspruch.
3
Die Kläger machen geltend, bei den im Namen der N-GmbH überwiesenen bzw. einbehaltenen Geldbeträgen habe es sich um rechtswidrige Entnahmen bzw. Verrechnungen gehandelt. Mit ihrer Klage begehren sie Ersatz dieser Beträge sowie vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten.
4
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Kläger zurückgewiesen. Mit den vom erkennenden Senat zugelassenen Revisionen verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

5
Das Berufungsgericht hat - soweit im Revisionsverfahren von Interesse - ausgeführt:
6
Den Klägern stehe ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 Abs. 1 StGB nicht zu. Aus den unstreitigen Tatsachen ergebe sich nicht, dass die Beklagten als Geschäftsführer der N-GmbH die ihnen durch den Hausverwaltervertrag vom 26. August 1997 eingeräumte Vermögensbetreuungspflicht verletzt hätten. Auch treffe die Beklagten keine sekundäre Darlegungslast da- hingehend, im Einzelnen darzutun, welche zu erstattenden Aufwendungen die N-GmbH aus eigenen Mitteln getätigt habe. Anders als bei der Geltendmachung von Schadensersatz wegen der Verletzung vertraglicher Pflichten führe eine allgemeine sekundäre Darlegungslast bei einem Schadensersatzanspruch, der auf die Verletzung strafrechtlicher Normen gestützt werde, dazu, dass der mutmaßliche Schädiger letztlich einen Entlastungsbeweis zu führen habe. Bei nicht ausreichender Tatsachengrundlage obläge es ihm nämlich darzutun, dass ein Straftatbestand nicht verwirklicht sei. Die Geltendmachung eines deliktischen Schadensersatzanspruchs wegen Untreue diene aber nicht dazu, auf diese Weise letztlich eine Auskunft und Abrechnung über die Vermögensverwaltung zu erhalten und darauf dann etwaige deliktische Ansprüche zu stützen. Zudem setze ein auf die Verletzung von § 266 Abs. 1 StGB gestützter Schadensersatzanspruch voraus, dass die Beklagten - was von den Klägern zu beweisen sei - vorsätzlich gehandelt hätten. Der Umstand, dass die N-GmbH in den Vorverfahren Aufwendungen dargelegt habe, die sie aus eigenen Mitteln erbracht habe, spreche dafür, dass die Beklagten sich als berechtigt angesehen hätten, entsprechende Entnahmen und Einbehalte vorzunehmen. Schließlich fehle es am Nachweis eines konkret bezifferbaren Schadens. Ein solcher liege nämlich dann nicht vor, wenn die von der N-GmbH verrechneten Aufwendungen tatsächlich den Grundstücken der Erblasserin wirtschaftlich zugeflossen seien und deren Werterhalt gedient hätten.

II.

7
Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Annahme des Berufungsgerichts, ein Anspruch der Kläger gegen die Beklagten aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 Abs. 1 StGB scheide aus, beruht auf Rechtsfehlern.
8
1. Mit der Begründung des Berufungsgerichts lässt sich die Verletzung einer Vermögensbetreuungspflicht i.S.d. § 266 Abs. 1 StGB durch die Beklagten nicht verneinen.
9
a) Noch zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass die Beklagten eine Vermögensbetreuungspflicht i.S.d. § 266 Abs. 1 StGB traf. Dass der Hausverwaltervertrag nicht zwischen der Erblasserin und den Beklagten persönlich, sondern zwischen der Erblasserin und der N-GmbH bestand, ist dabei unerheblich. Denn nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB ist die Vorschrift des § 266 StGB in Ansehung der primär die N-GmbH treffenden Vermögensbetreuungspflicht auch auf die Beklagten als deren Geschäftsführer anzuwenden.
10
b) Zu Unrecht nimmt das Berufungsgericht allerdings an, die Beklagten treffe deshalb keine sekundäre Darlegungslast bezüglich der die einzelnen Entnahmen bzw. Verrechnungen rechtfertigenden Umstände, weil es sich bei § 266 StGB um eine strafrechtliche Norm handle.
11
Grundsätzlich muss zwar der Kläger alle Tatsachen behaupten und beweisen , aus denen sich sein Anspruch herleitet. Stützt er sich auf eine deliktische Haftung wegen Verletzung eines Schutzgesetzes, so hat er prinzipiell alle Umstände darzulegen und zu beweisen, aus denen sich die Verwirklichung der einzelnen Tatbestandsmerkmale des Schutzgesetzes ergibt (Senatsurteile vom 17. März 1987 - VI ZR 282/85, BGHZ 100, 190, 195 mwN; vom 19. Juli 2011 - VI ZR 367/09, VersR 2011, 1276 Rn. 13; vom 11. Dezember 2001 - VI ZR 350/00, VersR 2002, 321; vom 24. November 1998 - VI ZR 388/97, VersR 1999, 774, 775). In bestimmten Fällen ist es aber Sache der Gegenpartei, sich im Rahmen der ihr nach § 138 Abs. 2 ZPO obliegenden Erklärungspflicht zu den Behauptungen der beweispflichtigen Partei substantiiert zu äußern. Eine solche sekundäre Darlegungslast, die die Verteilung der Beweislast unberührt lässt, setzt voraus, dass die nähere Darlegung dem Behauptenden nicht möglich oder nicht zumutbar ist, während der Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen (z.B. Senatsurteile vom 17. März 1987 - VI ZR 282/85, aaO, 195 f.; vom 3. Juni 2014 - VI ZR 394/13, VersR 2014, 1018 Rn. 20; vom 11. Februar 2001 - VI ZR 350/00, aaO; vom 24. November 1998 - VI ZR 388/97, aaO; BGH, Urteil vom 7. Dezember 1998 - II ZR 266/97, BGHZ 140, 156, 158). Diese Grundsätze kommen insbesondere bei Schadensersatzansprüchen zur Geltung, die aus der Veruntreuung anvertrauter Gelder hergeleitet werden (Senatsurteile vom 24. November 1998 - VI ZR 388/97, aaO; vom 17. März 1987 - VI ZR 282/85, aaO). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts spielt dabei weder eine Rolle, dass es sich bei dem als verletzt in Rede stehenden Schutzgesetz des § 266 StGB um eine strafrechtliche Norm handelt, noch, ob ein entsprechender Auskunftsanspruch besteht (vgl. Senatsurteil vom 17. März 1987 - VI ZR 282/85, aaO).
12
2. Die angefochtene Entscheidung beruht auf dem dargestellten Fehler.
13
a) Der im Streitfall maßgeblichen Frage nach der Berechtigung der von den Beklagten im Namen der N-GmbH vorgenommenen Überweisungen bzw. Verrechnungen liegen auf der Grundlage der berufungsgerichtlichen Feststellungen Vorgänge zugrunde, die sich im Wahrnehmungsbereich beider Beklagten abgespielt haben. Dass die Voraussetzungen einer sekundären Darlegungslast insoweit erfüllt sind, liegt deshalb zumindest nicht fern. Ob und inwieweit die weitere Voraussetzung für die Annahme einer sekundären Darlegungslast , nämlich die Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit weiterer Darlegungen für die primär darlegungsbelasteten Kläger, ebenfalls gegeben ist oder ob und inwieweit die Kläger, etwa aus den der Erblasserin erteilten Abrechnungen oder aus dem Vorprozess, über die für den weiteren Vortrag notwendigen Erkenntnisse verfügen, wird das Berufungsgericht zu prüfen haben.
14
Bei Annahme einer sekundären Darlegungslast obliegt es den Beklagten hinsichtlich jeder einzelnen von der Darlegungslast betroffenen Überweisung bzw. Verrechnung - konkret und schlüssig - die Tatsachen vorzutragen, aus denen sie die Berechtigung der N-GmbH in der jeweiligen Höhe herleiten. Dies haben sie - entgegen der Annahme der Revisionserwiderung - jedenfalls im vorliegenden Verfahren bislang nicht getan.
15
b) Der dargestellte Fehler ist nicht deshalb unerheblich, weil sich das Berufungsgericht auch keine Überzeugung vom Vorliegen des für § 266 StGB erforderlichen Vorsatzes und des ebenfalls erforderlichen Vermögensschadens zu bilden vermochte. Den diesbezüglichen Darlegungen des Berufungsgerichts entziehen die vorstehenden Erwägungen nämlich ebenfalls die Grundlage. Ob die Überweisungen bzw. Verrechnungen zu einem im Rahmen des § 266 StGB relevanten Vermögensschaden geführt haben und ob die Beklagten auch bezüglich der - unterstellten - Pflichtverletzungen vorsätzlich gehandelt haben, lässt sich erst dann abschließend beurteilen, wenn die Beklagten entsprechend der sie ggf. treffenden sekundären Darlegungslast weiter vorgetragen haben und eine danach unter Umständen erforderlich werdende Beweisaufnahme durchgeführt worden ist.
16
3. Im Übrigen wird das Berufungsgericht im Rahmen der erneuten Befassung auch Gelegenheit haben, das weitere wechselseitige Vorbringen der Parteien in der Revisionsinstanz zu berücksichtigen. Galke Diederichsen Pauge von Pentz Offenloch
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 02.09.2011 - 31 O 22/11 -
KG Berlin, Entscheidung vom 19.06.2013 - 26 U 180/11 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 10. Feb. 2015 - VI ZR 343/13

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ZPO: Zur sekundären Darlegungslast des Prozessgegners

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Den Prozessgegner kann eine sekundäre Darlegungslast treffen, wenn er alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen.
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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 823 Schadensersatzpflicht


(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. (2) Di

Zivilprozessordnung - ZPO | § 138 Erklärungspflicht über Tatsachen; Wahrheitspflicht


(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben. (2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären. (3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestrit

Strafgesetzbuch - StGB | § 266 Untreue


(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder ein

Strafgesetzbuch - StGB | § 14 Handeln für einen anderen


(1) Handelt jemand 1. als vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person oder als Mitglied eines solchen Organs,2. als vertretungsberechtigter Gesellschafter einer rechtsfähigen Personengesellschaft oder3. als gesetzlicher Vertreter eines an
Bundesgerichtshof Urteil, 10. Feb. 2015 - VI ZR 343/13 zitiert 5 §§.

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(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.

(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.

(3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.

(4) Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

(1) Handelt jemand

1.
als vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person oder als Mitglied eines solchen Organs,
2.
als vertretungsberechtigter Gesellschafter einer rechtsfähigen Personengesellschaft oder
3.
als gesetzlicher Vertreter eines anderen,
so ist ein Gesetz, nach dem besondere persönliche Eigenschaften, Verhältnisse oder Umstände (besondere persönliche Merkmale) die Strafbarkeit begründen, auch auf den Vertreter anzuwenden, wenn diese Merkmale zwar nicht bei ihm, aber bei dem Vertretenen vorliegen.

(2) Ist jemand von dem Inhaber eines Betriebs oder einem sonst dazu Befugten

1.
beauftragt, den Betrieb ganz oder zum Teil zu leiten, oder
2.
ausdrücklich beauftragt, in eigener Verantwortung Aufgaben wahrzunehmen, die dem Inhaber des Betriebs obliegen,
und handelt er auf Grund dieses Auftrags, so ist ein Gesetz, nach dem besondere persönliche Merkmale die Strafbarkeit begründen, auch auf den Beauftragten anzuwenden, wenn diese Merkmale zwar nicht bei ihm, aber bei dem Inhaber des Betriebs vorliegen. Dem Betrieb im Sinne des Satzes 1 steht das Unternehmen gleich. Handelt jemand auf Grund eines entsprechenden Auftrags für eine Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt, so ist Satz 1 sinngemäß anzuwenden.

(3) Die Absätze 1 und 2 sind auch dann anzuwenden, wenn die Rechtshandlung, welche die Vertretungsbefugnis oder das Auftragsverhältnis begründen sollte, unwirksam ist.

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

13
Derjenige, der sich - wie der Kläger im Streitfall - auf eine deliktische Haftung wegen Verletzung eines Schutzgesetzes stützt, hat grundsätzlich alle Umstände darzulegen und zu beweisen, aus denen sich die Verwirklichung der einzelnen Tatbestandsmerkmale des Schutzgesetzes ergibt (vgl. Senatsurteile vom 11. Dezember 2001 - VI ZR 350/00, VersR 2002, 321 und vom 24. November 1998 - VI ZR 388/97, VersR 1999, 774, 775). Dies entspricht dem allgemeinen Grundsatz, dass der Anspruchsteller alle Tatsachen behaupten und beweisen muss, aus denen sich sein Anspruch herleitet. Danach trägt der Anspruchsteller , der bei einer Inanspruchnahme aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB die Verletzung einer Aufklärungs- oder Beratungspflicht behauptet, dafür die Darlegungs- und Beweislast. Die mit dem Nachweis einer negativen Tatsache verbundenen Schwierigkeiten werden dadurch ausgeglichen, dass die andere Partei die behauptete Fehlberatung substantiiert bestreiten und darlegen muss, wie im Einzelnen beraten bzw. aufgeklärt worden sein soll. Dem Anspruchsteller obliegt dann der Nachweis, dass diese Darstellung nicht zutrifft (vgl. BGH, Urteile vom 24. Januar 2006 - XI ZR 320/04, BGHZ 166, 56 Rn. 15; vom 9. Juni 1994 - IX ZR 125/93, BGHZ 126, 217, 225; vom 11. Mai 2006 - III ZR 205/05, VersR 2006, 1400 Rn. 7; vom 11. Oktober 2007 - IX ZR 105/06, VersR 2008, 556 Rn. 12 und vom 12. November 2010 - V ZR 181/09, NJW 2011, 1280 Rn. 12). Hat der Getäuschte den Beweis geführt, dass er durch einen Irrtum zum Vertragsschluss bestimmt worden ist, dann mag der - nach wie vor nicht beweispflichtige - Gegner den Gegenbeweis führen, in dem er die spätere Irrtumsbeseitigung dartut. Zur Führung eines solchen Gegenbeweises genügt aber bereits die Erschütterung der Überzeugung des Tatrichters, seine Überzeugung vom Gegenteil ist hingegen nicht erforderlich (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 1976 - V ZR 247/75, WM 1976, 1330, 1331 und vom 13. Juni 2008 - V ZR 114/07, NJW 2008, 2852 Rn. 16). Die Darlegungs- und Beweislast für die Täuschung durch fehlerhafte Beratung verbleibt weiterhin grundsätzlich beim Anspruchsteller (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Februar 2007 - V ZR 142/06, veröffentlicht in juris).

(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.

(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.

(3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.

(4) Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 15. August 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger macht gegen die Beklagte, eine Aktiengesellschaft nach türkischem Recht, deliktische Schadensersatzansprüche wegen des Erwerbs von Anteilen an der Beklagten geltend.

2

Die Beklagte hat ihren Sitz in Konya/Türkei. Der Kläger erwarb am 21. November 1999 im Inland Aktien der Beklagten für einen Betrag von 28.350 DM. In Anwesenheit des Zeugen S. übergab der Kläger den Kaufpreis an D. und erhielt dafür die Aktien und eine Einzahlungsquittung. Gegen Rückgabe dieser Quittung übergab D. an den Kläger am 3. April 2000 eine Beteiligungsübersicht, nach der er 360 Anteilsscheine der Beklagten besitzt. Mit anwaltlichem Schreiben vom 11. Mai 2010 kündigte der Kläger die Beteiligung. Sein Begehren auf Rückzahlung des Anlagebetrages blieb erfolglos.

3

Der Kläger behauptet, D. sei unter Vorlage einer Visitenkarte im Namen der Beklagten als deren Mitarbeiter aufgetreten. Im Beisein des Zeugen S. habe D. ihn darüber getäuscht, dass es sich um eine sichere Geldanlage mit einer Rückzahlungsgarantie der Beklagten auf Anforderung innerhalb von drei Monaten handle. Der Kläger verlangt, so gestellt zu werden, als hätte er die Kapitalanlage nicht getätigt.

4

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren auf Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

I.

5

Das Berufungsgericht hat die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für deliktische Ansprüche bejaht und unter Anwendung deutschen Rechts den vom Landgericht angenommenen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Schadensersatz gemäß § 831 BGB i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB, § 263 StGB Zug um Zug gegen Rückübertragung der Aktien bestätigt. Es hat dies wie folgt begründet:

6

Der Vermittler D. habe den Kläger vor dem Erwerb der Anteile an der Beklagten über die in Wahrheit nicht bestehende Rechtspflicht der Beklagten zur Rückgewähr des angelegten Geldes getäuscht und ihn dadurch zum Erwerb der Aktien veranlasst. D. sei ausdrücklich für die Beklagte aufgetreten und habe sich als deren Mitarbeiter ausgewiesen. Dies habe das Landgericht aufgrund der Durchführung einer Zeugenvernehmung für bewiesen gehalten. An diese Feststellungen sei der Senat gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden, denn konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen seien nicht gegeben. Insbesondere zeige die Beklagte nicht auf, woraus sich eine unrichtige Beweiswürdigung konkret ergeben solle. Der bloße Hinweis, der gehörte Zeuge sei unglaubwürdig, sei nicht ausreichend, um die Beweisaufnahme zu wiederholen. Der Zeuge D. habe den Kläger vor dem Erwerb der Aktien über eine in Wahrheit nicht bestehende Rechtspflicht der Beklagten zur Rückgewähr des angelegten Geldes getäuscht. Die Beklagte, der insoweit eine sekundäre Darlegungslast gemäß § 138 Abs. 2 ZPO zukomme, habe nichts vorgetragen, obwohl sie dazu in der Lage gewesen wäre, da nur sie Angaben über das Abhängigkeitsverhältnis machen könne, was Zweifel an der Eigenschaft des D. als Verrichtungsgehilfen begründen könnte. D. sei mit einer Visitenkarte der Beklagten ausgestattet gewesen und habe Formulare verwendet, die die Beklagte zur Verfügung gestellt habe. Die Beklagte habe anerkannt, dass D. für sie tätig geworden sei. Sie habe in erster Instanz unter Beweisantritt vorgetragen, D. habe als "selbständiger Vermittler" Handlungsvollmacht gehabt, Aktien zu veräußern, Gelder entgegenzunehmen sowie Interessenten grob zu informieren. Der hiervon abweichende Vortrag in der Berufungsinstanz, wonach D. eventuell ein ehemaliger Aktionär gewesen sei, der eigene Aktien verkauft habe, sei nicht nur rein spekulativ, sondern lasse auch seine Einbindung in die Organisationsstruktur der Beklagten unerklärt. Der Anspruch sei nicht verjährt. Er könne gemäß § 852 BGB immer noch mit Erfolg geltend gemacht werden.

II.

7

Die Revision ist begründet.

8

1. Die Revision wendet sich nicht dagegen, dass das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit dem Landgericht die Verjährungseinrede der Beklagten zurückgewiesen hat. Dagegen ist von Rechts wegen nichts zu erinnern.

9

2. Mit Recht rügt die Revision, dass das Berufungsgericht keine eigenen Feststellungen zu den Voraussetzungen für die Verrichtungsgehilfenschaft des M. getroffen hat, weil es irrigerweise gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO eine Bindung an die Feststellungen des Landgerichts zum Auftreten des D. angenommen hat (§ 286 ZPO).

10

a) Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist das Berufungsgericht an die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte, welche die Bindung des Berufungsgerichts an die vorinstanzlichen Feststellungen entfallen lassen, können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern ergeben, die dem Eingangsgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind (vgl. Senatsurteil vom 8. Juni 2004 - VI ZR 230/03, BGHZ 159, 254, 258 f. und BGH, Urteil vom 12. März 2004 - V ZR 257/03, BGHZ 158, 269, 272; Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses, BT-Drucks. 14/4722, S. 100; Rimmelspacher, NJW 2002, 1897, 1901; Stackmann, NJW 2003, 169, 171). Zweifel im Sinne der Regelung in § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO liegen schon dann vor, wenn aus der für das Berufungsgericht gebotenen Sicht eine gewisse - nicht notwendig überwiegende - Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Fall der Beweiserhebung die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt (vgl. Senatsurteil vom 15. Juli 2003 - VI ZR 361/02, NJW 2003, 3480, 3481; Begründung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 14/6036, S. 124). Ist dies der Fall, obliegt dem Berufungsgericht nach Maßgabe des § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO die Kontrolle der tatsächlichen Entscheidungsgrundlage des erstinstanzlichen Urteils im Fall eines zulässigen Rechtsmittels, wie es im Streitfall zweifellos gegeben ist, ungeachtet einer entsprechenden Berufungsrüge (vgl. BGH, Urteil vom 12. März 2004 - V ZR 257/03, BGHZ 158, 269, 278 f.)

11

b) Zutreffend weist die Revision darauf hin, dass die auf den Inhalt der Aussage des Zeugen S. gestützten Feststellungen des Landgerichts, D. sei als Mitarbeiter der Beklagten aufgetreten, von den im Protokoll über die Beweisaufnahme niedergelegten Wortlaut der Aussagen nicht gedeckt sind. Der Zeuge S. hat wie folgt zur Sache ausgesagt:

12

"Wir, d.h. ich und Herr K., sind zusammen in das Moscheelokal gegangen. Der, dem wir das Geld gegeben haben, war auch in der Moschee. Wir haben das Geld abgegeben. Wir haben gefragt, ob man das Geld jederzeit zurückbekommen kann. Sie haben nur gesagt, dass das geht."

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Auf Nachfrage des Gerichts:

14

"Sonst wurde eigentlich nichts besprochen. Herr K. hat Belege bekommen. Ich habe an dem Tag selbst nichts eingezahlt, ich hatte ein paar Monate vorher etwas eingezahlt. Als gefragt wurde, ob wir das Geld jederzeit zurückbekommen können, war ich dabei."

15

Danach ist der Zeuge S. vor dem Landgericht nicht dazu befragt worden, ob sich der Verkäufer der Aktien als Mitarbeiter der Beklagten durch Vorlage einer Visitenkarte ausgewiesen hatte. Die Feststellung des Landgerichts, dass der Zeuge D. ausdrücklich für die Beklagte aufgetreten sei und sich als deren Mitarbeiter, unter anderem unter Vorlage einer Visitenkarte, ausgewiesen habe, lässt sich weder mit den Angaben des Klägers selbst noch mit den Angaben des Zeugen S. im Termin vom 4. Dezember 2012 in Einklang bringen. Der Kläger hat im Rahmen seiner persönlichen Anhörung vor dem Landgericht am 4. Dezember 2012 angegeben, dass er zusammen mit Freunden in einen Laden oder ein Lokal der Moschee gegangen sei. Er habe Formalitäten durchgeführt und unterschrieben. Man habe ihm gesagt, es gebe kein Problem. Sie hätten gesagt: "Herzlichen Glückwunsch". Dann seien sie auseinandergegangen. Anhaltspunkte dafür, dass der Zeuge S. Angaben gemacht hat, die nicht im Protokoll festgehalten sind, sind nicht gegeben und werden auch von Seiten des Klägers nicht geltend gemacht. Soweit die Revisionserwiderung meint, dass sich die Beweiskraft des Protokolls gemäß § 165 ZPO nicht auf den Inhalt von Partei- und Zeugenaussagen erstreckt, trifft dies zu (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 1993 - XII ZR 133/92, FamRZ 1994, 300, 302; Urteil vom 14. Oktober 1981 - IVa ZR 152/80, NJW 1982, 1052, 1053 mwN). Allerdings genießt das Protokoll die allgemeine Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde (§ 415 ZPO). Der Widerspruch zwischen dem im Protokoll niedergelegten Inhalt der Beweisaufnahme und der Beweiswürdigung des Landgerichts musste danach Zweifel an der Richtigkeit der getroffenen Feststellungen begründen, die das Berufungsgericht hätte ausräumen müssen.

16

Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen des Eingangsgerichts waren außerdem aufgrund der von der Beklagten in der Berufungsbegründung vorgebrachten Bedenken gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen S. gegeben. Die Beklagte hat mit der Berufung geltend gemacht, der Zeuge S. sei unglaubwürdig, da er seine Aussage auf die für eine Verurteilung wichtige Aussage beschränkt habe, dass eine jederzeitige Rückzahlung möglich sei. Das Landgericht bildete sich seine Überzeugung aufgrund der "glaubhaften Bekundungen des Zeugen S.". Herkömmlich werden bei der Beurteilung von Zeugenaussagen die Begriffe "Glaubhaftigkeit der Aussage" und "Glaubwürdigkeit des Zeugen" unterschieden. Es besteht Einigkeit darüber, den Begriff "Glaubhaftigkeit" auf die Sachdarstellung und den Begriff "Glaubwürdigkeit" auf die Persönlichkeit des Zeugen zu beziehen (Schneider, Beweis und Beweiswürdigung, 5. Aufl. Rn. 905; Reinecke, MDR 1986, 630, 632, 635; BGH, Urteil vom 13. März 1991 - IV ZR 74/90, NJW 1991, 3284). Auf Darlegungen zur Glaubwürdigkeit des Zeugen S. hat das Landgericht verzichtet. Schon danach hätte das Berufungsgericht Veranlassung gehabt, den Zeugen S. erneut zu vernehmen (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 1999 - III ZR 295/98, VersR 2000, 227, 228; Musielak/Ball, aaO, § 529 Rn. 16). Hat die erste Instanz von der Würdigung der von ihr vernommenen Zeugenaussagen und der Erörterung der Glaubwürdigkeit der Zeugen ganz abgesehen, muss eine Wiederholung der Beweisaufnahme erfolgen, wenn es für die Glaubwürdigkeit der Zeugen auf deren persönlichen Eindruck ankommt und diese sich nicht aus dem Vernehmungsprotokoll ergibt und auch nicht sonst in die Verhandlung eingeführt worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 1999 - III ZR 295/98 aaO).

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c) Feststellungen zum Auftreten des D. gegenüber dem Kläger sind - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - nicht schon deshalb entbehrlich, weil die Beklagte erstinstanzlich unstreitig gestellt hätte, dass D. ihr weisungsgebundener Mitarbeiter gewesen ist. Die Beklagte hat in der Erwiderung auf die Klage bestritten, dass der Vermittler ihr Mitarbeiter gewesen ist. Im Schriftsatz vom 21. März 2011 hat die Beklagte betont, dass der Vermittler selbständig tätig und kein Mitarbeiter der Beklagten gewesen sei. Er habe Handlungsvollmacht besessen, Aktien zu veräußern, Gelder entgegenzunehmen und die Interessenten grob zu informieren. In der Berufungsbegründung hat die Beklagte erneut geltend gemacht, dass der Verkäufer der Aktien nicht für sie gehandelt habe. Stets hat die Beklagte bestritten, dass der Verkäufer von ihr abhängig war.

18

Entscheidend für die Verrichtungsgehilfeneigenschaft ist aber, dass die Tätigkeit in einer abhängigen Stellung vorgenommen wird und der Geschäftsherr die Tätigkeit des Handelnden jederzeit beschränken oder entziehen oder nach Zeit und Umfang bestimmen kann (vgl. Senatsurteile vom 10. Dezember 2013 - VI ZR 534/12, VersR 2014, 466 Rn. 12; vom 6. November 2012 - VI ZR 174/11, VersR 2013, 203 Rn. 15; vom 10. März 2009 - VI ZR 39/08, VersR 2009, 784 Rn. 11; BGH, Urteile vom 30. Juni 1966 - VII ZR 23/65, BGHZ 45, 311, 313 und vom 12. Juni 1997 - I ZR 36/95, VersR 1998, 862, 863). Die Qualifikation als Verrichtungsgehilfe setzt Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit voraus (vgl. BGH, Urteil vom 25. Februar 1988 - VII ZR 348/86, BGHZ 103, 298, 303; MünchKommBGB-Wagner, 6. Aufl., § 831 Rn. 14). Der Geschäftsherr haftet für einen Verrichtungsgehilfen deshalb, weil er aufgrund eines objektiven Abhängigkeitsverhältnisses befugt ist, auf das Verhalten des Dritten tatsächlich Einfluss zu nehmen und gegebenenfalls auch das Verhältnis zu diesem zu beenden. Bestehende Zweifel gehen zu Lasten des Anspruchstellers, dem grundsätzlich der Beweis dafür obliegt, dass ihm der geltend gemachte Schaden von einem Verrichtungsgehilfen des Geschäftsherrn zugefügt worden ist (vgl. Senatsurteile vom 10. Dezember 2013 - VI ZR 534/12, aaO und vom 21. Juni 1994 - VI ZR 215/93, VersR 1994, 1202, 1203).

19

d) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts oblag der Beklagten nicht eine sekundäre Darlegungslast für Umstände, aus denen sich ergibt, dass D. nicht ihr Verrichtungsgehilfe war.

20

Die Annahme einer sekundären Darlegungslast setzt voraus, dass die nähere Darlegung dem Behauptenden nicht möglich oder nicht zumutbar ist, während der Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen (vgl. Senatsurteile vom 10. Dezember 2013 - VI ZR 534/12, aaO Rn. 17 und vom 17. März 1987 - VI ZR 282/85, BGHZ 100, 190, 195 f.; BGH, Urteil vom 7. Dezember 1998 - II ZR 266/97, BGHZ 140, 156, 158; Senatsbeschluss vom 25. März 2014 - VI ZR 271/13, juris Rn. 7). Ob und inwieweit die nicht darlegungsbelastete Partei ihren Sachvortrag substantiieren muss, lässt sich nur aus dem Wechselspiel von Vortrag und Gegenvortrag bestimmen, wobei die Ergänzung und Aufgliederung des Sachvortrags bei hinreichendem Gegenvortrag immer zunächst Sache der darlegungs- und beweispflichtigen Partei ist (vgl. BGH, Urteile vom 1. April 1993 - VII ZR 22/92, DtZ 1993, 278, 280 und vom 30. September 1993 - VII ZR 178/91, NJW 1993, 3196; jeweils mwN; vom 3. Februar 1999 - VIII ZR 14/98, NJW 1999, 1404, 1405). Eine darüber hinausgehende Substantiierungslast trifft die nicht beweisbelastete Partei nur ausnahmsweise dann, wenn der darlegungspflichtige Gegner außerhalb des von ihm darzulegenden Geschehensablaufs steht und die maßgebenden Tatsachen nicht näher kennt, während sie der anderen Partei bekannt und ihr ergänzende Angaben zuzumuten sind (st. Rspr., vgl. z.B. BGH, Urteil vom 11. Juni 1990 - II ZR 159/89, WM 1990, 1844, 1846; vom 17. Oktober 1996 - IX ZR 293/95, WM 1996, 2253, 2254).

21

Dies ist für die Beklagte entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht anzunehmen. War derjenige, von dem der Kläger Aktien erworben hat, nicht Mitarbeiter der Beklagten, ist eine dem Kläger verschlossene Kenntnis der Beklagten von den näheren Umständen des Auftretens bei Vertragsschluss am 21. November 1999 nicht gegeben, zumal der Kläger die Aktien im Inland gekauft und die Beklagte ihren Sitz in der Türkei hat.

III.

22

Das Berufungsurteil war aufzuheben und die Sache zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die gebotenen Feststellungen nachgeholt werden können. Die rechtliche Prüfung, ob und inwieweit eine Haftung der Beklagten überhaupt in Betracht kommt, ist nur auf der Grundlage von Feststellungen der näheren Umstände des jeweiligen Einzelfalls, insbesondere unter Berücksichtigung des Inhalts eines gegebenenfalls bei dem Erwerb der Aktien mit dem Kläger geführten Gespräches, möglich.

Galke                    Diederichsen                      Stöhr

           v. Pentz                          Offenloch

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.