Bundesgerichtshof Urteil, 12. März 2015 - VII ZR 173/13

bei uns veröffentlicht am12.03.2015
vorgehend
Landgericht Schwerin, 3 O 111/08, 30.09.2010
Oberlandesgericht Rostock, 4 U 110/10, 28.05.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR173/13 Verkündet am:
12. März 2015
Seelinger-Schardt,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Verhinderung des Vorsitzenden im Sinne des § 21f Abs. 2 Satz 1 GVG ist nur eine
vorübergehende Verhinderung. Unzulässig ist deshalb die dauernde oder für eine unabsehbare
Zeit erfolgende Vertretung des ordentlichen Vorsitzenden (im Anschluss an
BGH, Urteil vom 13. September 2005 - VI ZR 137/04, BGHZ 164, 87).

b) Als ein die entsprechende Anwendung von § 21f Abs. 2 Satz 1 GVG rechtfertigender
Fall der Verhinderung des Vorsitzenden ist auch sein endgültiges Ausscheiden aus
dem Spruchkörper wegen Elternzeit und anschließender Beurlaubung (hier: insgesamt
zwei Jahre und vier Monate) anzusehen.

c) Eine dauernde Verhinderung des Vorsitzenden über einen Zeitraum von sieben Monaten
und 23 Tagen ist grundsätzlich nicht mit § 21f Abs. 2 Satz 1 GVG vereinbar.
BGH, Urteil vom 12. März 2015 - VII ZR 173/13 - OLG Rostock
LG Schwerin
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 5. Februar 2015 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Eick, die Richter
Dr. Kartzke und Prof. Dr. Jurgeleit, die Richterin Graßnack und den Richter
Dr. Feilcke

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten zu 1 wird das Grund- und TeilendUrteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 28. Mai 2013 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als eine Kürzung der Haftung der Beklagten zu 1 wegen eines der Klägerin zuzurechnenden Mitverschuldens der Stadt W. und des Projektsteuerers I. sowie eine Beschränkung der Haftung der Beklagten zu 1 gemäß § 9 Nr. 9.2 der Allgemeinen Vertragsbedingungen abgelehnt worden sind. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisions- und Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens einschließlich der durch die Nebeninterventionen verursachten Kosten, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin verfolgt gegenüber der Beklagten zu 1 (im Folgenden: Beklagte ) Schadensersatzansprüche wegen mangelhafter Ingenieurleistungen im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Bodenverbesserung einer Grundstücksfläche in einem Gewerbegebiet nahe der Stadt W.
2
Die Beklagte und die Stadt W. verbindet ein Ingenieurvertrag vom 16. Juni/2. Juli 1998, wonach die Beklagte Leistungen für die Baumaßnahme "Baureifmachung Gewerbegebiet H., Geländeregulierung" zu erbringen hatte. Gegenstand des Vertrags waren die Vor-, Entwurfs-, Genehmigungs- sowie Ausführungsplanung, die Vorbereitung und das Mitwirken bei der Vergabe sowie die Bauoberleitung und die örtliche Bauüberwachung. Gemäß § 2 Nr. 2.2.1 des Ingenieurvertrags waren bei den Leistungen der Beklagten die Hinweise eines Baugrundgutachtens zu berücksichtigen.
3
Die Allgemeinen Vertragsbedingungen (im Folgenden: AVB) zu dem Vertrag enthalten in § 9 folgende Regelung: "9.1. Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüche des Auftraggebers richten sich nach den gesetzlichen Vorschriften, soweit nachfolgend nichts anderes vereinbart ist. 9.2. Der Auftragnehmer hat dem Auftraggeber bei Verzug oder bei einem sonstigen schuldhaften Verstoß gegen seine Vertragspflichten die dadurch bedingten Mehrkosten der Baumaßnahme, den Schaden an der baulichen Anlage und die vorsätzlich oder grob fahrlässig verursachten anderen Schäden in voller Höhe zu ersetzen; für den übrigen Schaden haftet er je nach Schadensereignis bis zur Höhe der im Vertrag vereinbarten Deckungssumme der Haftpflichtversicherung."
4
Die Deckungssumme für Schäden, die nicht Personenschäden sind, beträgt nach § 7 des Ingenieurvertrags 500.000 DM.
5
Mit einem weiteren Ingenieurvertrag nebst Ergänzung beauftragte die Stadt W. unter dem 20./21. Juli/7. September 1998 das I. Ingenieurbüro (im Folgenden: Projektsteuerer I.) mit der Durchführung des Projektmanagements des Vorhabens "Industrie- und Gewerbegebiet H.".
6
Nummer 1.2 des Vertrags enthält u.a. folgende Regelung: "Der Auftragnehmer ist gegenüber anderen fachlich Beteiligten als Projektleiter des Auftraggebers weisungsberechtigt und entscheidungsbefugt , sofern nicht der Auftraggeber sich diese Weisungen oder Entscheidungen ausdrücklich vorbehält."
7
In Ausführung der ihr beauftragten Leistungen erstellte die Beklagte in der Folge ein Leistungsverzeichnis, welches Gegenstand des Vergabeverfahrens für die auf dem Grundstück durchzuführenden Maßnahmen war, und eine Ausführungsplanung, worin jeweils für den Bereich Baulos 1 (Baureifmachung Fläche B) eine Verdichtung des Bodens durch das Verfahren "dynamische Intensivverdichtung" (im Folgenden: DYNIV-Verfahren) vorgesehen war. Die Vorgaben in der Ausführungsplanung lauteten insoweit: "Auf der Teilfläche, auf der organogene Böden erkundet wurden, ist vorgesehen , mittels dynamischer Intensivverdichtung (DYNIV) eine Verbesserung des Baugrundes zu erreichen. Auf dieser Fläche steht das Grundwasser oberflächennah an. Ein Bodenaustausch der bis zu 8 m mächtigen organogenen Böden war daher auszuschließen. (…) Zur Erreichung besserer Tragfähigkeiten sind Schottersäulen bis in tragfähige Schichten hinabzubringen. (…) Die Baumaßnahme ist so durchzuführen, dass die Restsetzungen in fünf Jahren weniger als 10 cm betragen."
8
Zum Zeitpunkt der Erstellung der Ausführungsplanung lag der Beklagten das von dem Nebenintervenienten B. im Auftrag der Stadt W. erstellte Baugrundgutachten vor.
9
Mit der Ausführung der von der Beklagten geplanten Bodenverbesserungsmaßnahmen wurde eine ARGE beauftragt, die aus den zwischenzeitlich in Insolvenz gefallenen Unternehmen I. GmbH und I. W. B. mbH bestand.
10
Unter dem 22. Oktober 1998 reichte die I. W. B. mbH bei der Stadt W. ein Nachtragsangebot über 8.934.005,64 DM ein, in dem es u.a. heißt: "Aus den beiliegenden Voruntersuchungen unseres Nachunternehmers F. G. GmbH ergibt sich, dass die organogenen Weichschichten in Teilbe- reichen der zu verdichtenden Flächen über die in den Vertragstexten angegebenen Tiefen erheblich hinausgehen. (…) Aus unserem Technischen Erläuterungsbericht (…) ist zu entnehmen, dass dieses technische System am o.g. Bauvorhaben nur bis 8 m anwendbar ist. Die im Vertrag vereinbarten Setzungsdifferenzen von 1 cm und die Gesamtsetzungen sind mit dem beauftragten Verdichtungssystem bei organogenen Weichschichten in Tiefen größer als 8 m am o.g. Bauvorhaben in Teilflächen nicht realisierbar. (…) Zur Einhaltung der Vertragsparameter bieten wir Ihnen folgenden Nach- trag gemäß anliegendem Leistungsverzeichnis an (…)"
11
Dieses Nachtragsangebot zog die I. W. B. mbH auf Empfehlung des Projektsteuerers I. zurück, teilte aber mit Schreiben vom 19. November 1998 u.a. mit, "dass unseres Erachtens in den Bereichen organogener Bodenschichten , die bis unterhalb der Tiefe von 7,10 m HN reichen, erhebliche Setzungen in der nächsten Zeit auftreten werden. Diese Langzeitsetzungen scheinen uns für jede weiteren Bauvorhaben auf diesem Gelände unverträglich zu sein. Sollten zusätzliche Maßnahmen zur Verminderung der zu erwartenden Setzungen erforderlich sein, sind wir gerne bereit, Ihnen die Ausführung in einem Nachtrag nach Ihren technischen Vorgaben anzubieten."
12
Vom 26. November 1998 datiert ein an die Stadt W. adressiertes Schreiben der Beklagten, dem eine mit "Begründung für den Einsatz des DYNIV für die Bodenverbesserung" überschriebene Anlage beigefügt war, in der u.a. die Wirktiefe des DYNIV-Verfahrens mit 8,0 m angegeben wird und für Bereiche, in denen aufgrund von stattgefundenen Bohrungen tieferliegende organogene Schichten festgestellt wurden, Sondermaßnahmen als erforderlich beschrieben werden.
13
Die Klägerin, die die von den Bodenverbesserungsmaßnahmen betroffene Fläche von der Stadt W. erworben und dort ein Spanplattenfaserwerk errichtet hat, nimmt, soweit für die Revision noch von Interesse, die Beklagte auf Schadensersatz wegen aufgetretener Setzungen, deren Maß bis zu 69 cm beträgt , und der damit verbundenen Zerstörung von Erschließungsanlagen, insbesondere Straßen und Leitungen, in Anspruch.
14
Das Landgericht hat der Klage nach Beweisaufnahme durch Grundurteil zu einer Haftungsquote von 100 % stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht den Tenor des landgerichtlichen Urteils in ein Grund- und Feststellungsurteil abgeändert. Während das Landgericht die Beklagte verurteilt hat, weil der Klägerin Schadensersatzansprüche aus abgetretenem Recht der Stadt W. zuständen, hat das Berufungsgericht eigene Schadensersatzansprüche der Klägerin aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ausgeurteilt und auf dieser Grundlage die erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis bestätigt.
15
Mit der vom Berufungsgericht und vom Senat teilweise zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren in der Berufungsinstanz gestellten Antrag auf Abänderung des Grundurteils des Landgerichts und Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe:


16
Die Revision führt im tenorierten Umfang zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

17
Die Revision ist nur in beschränktem Umfang zugelassen.
18
1. Die vom Berufungsgericht ausgesprochene Zulassung der Revision ist wirksam auf die Frage beschränkt, ob die Haftung der Beklagten wegen eines der Stadt W. und damit auch der Klägerin zuzurechnenden Mitverschuldens des Projektsteuerers I. zu kürzen ist.
19
a) Der Entscheidungssatz des angefochtenen Urteils enthält zwar keinen Zusatz, der die dort zugelassene Revision entsprechend einschränkt. Die Beschränkung ergibt sich aber durch Auslegung der Urteilsgründe.
20
Hat das Berufungsgericht die Revision wegen einer Rechtsfrage zugelassen , die nur für einen eindeutig abgrenzbaren Teil des Streitstoffs von Bedeutung ist, kann die gebotene Auslegung der Entscheidungsgründe ergeben, dass die Zulassung der Revision auf diesen Teil des Streitstoffs beschränkt ist (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 2014 - VII ZR 189/13, juris Rn. 38; Urteil vom 1. Juli 2014 - XI ZR 247/12, NJW 2014, 3360 Rn. 13; Urteil vom 3. Juni 2014 - II ZR 100/13, WM 2014, 1546 Rn. 10; Beschluss vom 27. März 2014 - III ZR 387/13, juris Rn. 4; Urteil vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, NJW 2014, 2029 Rn. 60 - insoweit in BGHZ 199, 237 nicht abgedruckt; jeweils m.w.N.).
21
Das Berufungsgericht hat in den Gründen des Berufungsurteils ausgeführt , die Revision werde zugelassen, weil der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Gesamtschuldverhältnis zwischen Ingenieur und Projektentwickler anzunehmen sei, grundsätzliche Bedeutung zukomme. Erörtert wird diese Frage allein im Kontext des von der Beklagten erhobenen Einwands, die Stadt W. und damit auch die Klägerin, die ihre Rechte von der Stadt W. ableitet, müssten sich ein etwaiges Mitverschulden des Projektsteuerers I. nach § 254 Abs. 2 Satz 2, § 278 Satz 1 BGB zurechnen lassen. Damit hat das Berufungsgericht die Möglichkeit einer revisionsrechtlichen Nachprüfung erkennbar auf diesen Gesichtspunkt beschränkt und die übrigen zwischen den Parteien im Streit stehenden Fragen von der Zulassung ausgenommen.
22
b) Eine Beschränkung mit diesem Inhalt ist zulässig.
23
Die Zulassung der Revision kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffes beschränkt werden, der Gegenstand eines Teil- oder Zwischenurteils sein oder auf den der Revisionskläger selbst seine Revision beschränken könnte (BGH, Urteil vom 15. Oktober 2014 - XII ZR 111/12, WM 2014, 2280 Rn. 33; Urteil vom 10. Juli 2014 - VII ZR 189/13, juris Rn. 40).
24
Die vom Berufungsgerichtvorgenommene Beschränkung der Zulassung der Revision auf ein der Klägerin zurechenbares Mitverschulden des Projektsteuerers I. betrifft einen in diesem Sinn tatsächlich und rechtlichen selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs, der sich vom Grund der Haftung (schuldhafte Planungsfehler des in die Haftung genommenen Ingenieurs) trennen lässt (vgl. BGH, Urteile vom 20. Mai 2014 - VI ZR 187/13, NJW-RR 2014, 1118 Rn. 8; vom 19. April 2013 - V ZR 113/12, NJW 2013, 1948 Rn. 11; vom 21. Januar 2010 - I ZR 215/07, NJW-RR 2010, 909 Rn. 16). Dementsprechend hätte auch die Beklagte selbst ihre Revision auf die Frage einer Haftungskürzung wegen der Zurechnung eines Mitverschuldens des Projektsteuerers I. beschränken können.
25
2. Darüber hinaus hat der Senat die Revision auf die von der Beklagten vorsorglich eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde insoweit zugelassen, als das Berufungsgericht eine Haftungskürzung wegen eines eigenen Mitverschuldens der Stadt W. und eine summenmäßige Haftungsbeschränkung der Beklagten aufgrund § 9 Nr. 9.2 der AVB abgelehnt hat.

II.

26
Das Berufungsurteil ist im tenorierten Umfang bereits deshalb aufzuheben , weil das Berufungsgericht bei Erlass des angefochtenen Urteils nicht ordnungsgemäß besetzt war, § 547 Nr. 1 ZPO.
27
1. Bei nicht ordnungsgemäßer Besetzung des Gerichts ist der absolute Revisionsgrund des § 547 Nr. 1 ZPO gegeben. Ein Besetzungsmangel im Sinne dieser Bestimmung liegt insbesondere vor, wenn bei der Geschäftsverteilung gegen die Vorschriften der §§ 21e - 21g GVG verstoßen wurde (vgl. BGH, Urteil vom 13. September 2005 - VI ZR 137/04, BGHZ 164, 87; Beschluss vom 11. Juli 1985 - VII ZB 6/85, BGHZ 95, 246). Damit kann eine Revision gegen ein Berufungsurteil auf die Rüge gestützt werden, dass - wie die Beklagte erstmals nach der Entscheidung über ihre Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemacht hat - das Berufungsgericht mangels geschäftsplanmäßiger Einsetzung eines Vorsitzenden Richters nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen ist (BGH, Urteil vom 13. September 2005 - VI ZR 137/04, BGHZ 164, 87 ff.). Ob das Gericht ordnungsgemäß besetzt war, beurteilt sich nach dem Inhalt des Geschäftsverteilungsplans , der im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung galt (vgl. BGH, Beschluss vom 13. November 2008 - IX ZB 231/07, NJW-RR 2009, 210 Rn. 14; Urteil vom 13. September 2005 - VI ZR 137/04, BGHZ 164, 87, 90).
28
2. Ausgehend hiervon ist die von der Revision erhobene Verfahrensrüge begründet. Das Berufungsgericht war zum Zeitpunkt der dem angefochtenen Urteil zugrunde liegenden mündlichen Verhandlung vom 23. April 2013 nicht ordnungsgemäß besetzt, weil er entgegen den Regelungen in § 21f Abs. 1, § 115 GVG nicht in der Besetzung mit einem Vorsitzenden und zwei Berufsrichtern entschieden hat. Die als Vorsitzende tätig gewordene Richterin am Oberlandesgericht M. war nicht gemäß § 21f Abs. 2 Satz 1 GVG zur Vertretung des Vorsitzenden berufen, weil zu diesem Zeitpunkt keine "Verhinderung" im Sinne dieser Vorschrift mehr vorgelegen hat.
29
a) Im Zeitpunkt der dem angefochtenen Urteil zugrunde liegenden mündlichen Verhandlung vom 23. April 2013 war der als Berufungsgericht entscheidende 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts R. seit sieben Monaten und 23 Tagen ohne ordentlichen Vorsitzenden. Der vormalige Vorsitzende hatte nach der vom erkennenden Senat eingeholten dienstlichen Stellungnahme des Präsidenten des Oberlandesgerichts R. unter dem 30. Juni 2012 für die Zeit ab dem 1. September 2012 bis zum 31. August 2013 Elternzeit sowie für die Zeit ab dem 1. September 2013 bis zum 31. Dezember 2014 eine Beurlaubung aus familiären Gründen beantragt. Beide Anträge wurden am 17./18. Juli 2012 bewilligt.
30
Das Verfahren zur Wiederbesetzung der Vorsitzendenstelle wurde durch das Justizministerium des Landes M.-V. ausweislich der dienstlichen Stellungnahme des Präsidenten des Oberlandesgerichts R. im Dezember 2012 eingeleitet , nachdem der Neuausschreibung bis Ende November 2012 haushaltsrechtliche Bedenken entgegenstanden. Nach Eingang mehrerer Bewerbungen forderte das Justizministerium am 26. März 2013 die Beurteilungen für die Bewerberinnen und Bewerber an. Für eine noch im Juni 2013 eingegangene Bewerbung wurde die Beurteilung Anfang Juli 2013 angefordert. Ende August 2013 lag dem Justizministerium der Besetzungsbericht vor. Am 22. November 2013 stellte ein unterlegener Bewerber beim Verwaltungsgericht einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz mit dem Ziel der Untersagung der Besetzung der Stelle mit dem ausgewählten Bewerber.

31
Seit dem 1. September 2012 wurde der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts R. durchgehend von der Richterin am Oberlandesgericht M. als der vom Präsidium bestimmten Vertreterin gemäß § 21f Abs. 2 Satz 1 GVG geführt. In den von der Beklagten vorgelegten Geschäftsverteilungsplänen des Oberlandesgerichts R., Stand 17. Oktober 2012 und Stand 5. November 2013, ist für den 4. Zivilsenat als Vorsitzender "N.N." eingetragen. Erst zu Beginn des Geschäftsjahres 2014 wurde die Vakanz im Vorsitz durch die Aufteilung des Senats und die Bestellung von drei Interimsvorsitzenden beendet.
32
Ausweislich der im Revisionsverfahren eingeholten dienstlichen Stellungnahme des Präsidiums des Oberlandesgerichts R. wurde die durch den Weggang des vormaligen Vorsitzenden zum 1. September 2012 entstandene Situation erstmals in einer Sitzung am 15. August 2012 erörtert. Aufgrund einer Mitteilung des Präsidenten habe das Präsidium überwiegende Anhaltspunkte dafür gesehen, dass es zu einer Neuausschreibung der Stelle komme. Eine ungebührliche, die übliche Dauer übersteigende Verzögerung des Besetzungsverfahrens sei nicht erkennbar gewesen, weshalb zu diesem Zeitpunkt weder für eine Auflösung des Senats noch für eine Besetzung des Senats mit einem anderen Vorsitzenden Richter eine zwingende Veranlassung gesehen worden sei. Die Situation sei dann erneut in der Präsidiumssitzung vom 27. November 2012 anlässlich der Aufstellung des Geschäftsverteilungsplans 2013 erörtert worden. Aufgrund der Information durch den Präsidenten, die vakante Vorsitzendenstelle sei nunmehr zur Ausschreibung vorgesehen, sei das Präsidium zu der Einschätzung gelangt, dass mit einer Neubesetzung der Stelle nun in absehbarer Zeit gerechnet werden könne. Von der Möglichkeit, den Senatsvorsitz zusätzlich auf einen der anderen Senatsvorsitzenden des Oberlandesgerichts zu übertragen, sei wegen der allgemeinen Geschäftslage des Hauses abgesehen worden. Die alternativ erörterte Möglichkeit, den Senat aufzulösen und die dort behandelten Sachgebiete auf andere Senate des Oberlandesgerichts zu verteilen, sei wegen der zu erwartenden Neubesetzung der Stelle verworfen worden. Eine erneute Befassung des Präsidiums mit der Besetzung des Vorsitzes im 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts R. vor der maßgeblichen, dem angefochtenen Urteil zugrunde liegenden mündlichen Verhandlung vom 23. April 2013 hat nicht stattgefunden.
33
b) Unter Berücksichtigung dieser Umstände des Einzelfalls kann von einer zulässigen Vertretung des Vorsitzenden am 23. April 2013 in entsprechender Anwendung von § 21f Abs. 2 Satz 1 GVG nicht mehr gesprochen werden.
34
aa) Gemäß § 21f Abs. 1, § 115 GVG führen den Vorsitz in den Spruchkörpern beim Oberlandesgericht neben dem Präsidenten die Vorsitzenden Richter. Nur bei Verhinderung des Vorsitzenden führt stellvertretend nach § 21f Abs. 2 Satz 1 GVG das vom Präsidium bestimmte Mitglied des Spruchkörpers den Vorsitz. § 21f GVG hat zum Ziel, dass die Führung der Senate Richtern anvertraut wird, die vermöge ihrer besonderen Auswahl die Güte und die Einheitlichkeit der Rechtsprechung durch den Senat, dem sie vorsitzen, in besonderem Maße gewährleisten (vgl. BGH, Urteil vom 9. Februar 1955 - IV ZR 153/54, BGHZ 16, 254, 256; Beschluss vom 11. Juli 1985 - VII ZB 6/85, BGHZ 95, 246, 247). Dies zwingt dazu, die Vorschrift des § 21f Abs. 2 Satz 1 GVG eng auszulegen und als Verhinderung im Sinne dieser Vorschrift nur die vorübergehende tatsächliche oder rechtliche Unmöglichkeit, den Vorsitz zu führen , anzusehen (vgl. BGH, Urteil vom 29. Mai 1987 - 3 StR 242/86, BGHSt 34, 379, 381; Beschluss vom 11. Juli 1985 - VII ZB 6/85, BGHZ 95, 246, 247; Urteil vom 28. Mai 1974 - 4 StR 37/74, NJW 1974, 1572 f.; BVerwG, NJW 1986, 1366, 1367). Die dauernde oder für eine unabsehbare Zeit erfolgende Vertretung des ordentlichen Vorsitzenden ist dagegen unzulässig (vgl. BGH, Urteil vom 13. September 2005 - VI ZR 137/04, BGHZ 164, 87, 90; Urteil vom 29. Mai 1987 - 3 StR 242/86, BGHSt 34, 379, 381; Urteil vom 9. Februar 1955 - IV ZR 153/54, BGHZ 16, 254, 256; BVerwG, NJW 2001, 3493; NJW 1986, 1366, 1367). Eine dauernde "Verhinderung" erfordert gegebenenfalls eine Berücksichtigung im Geschäftsverteilungsplan des laufenden Geschäftsjahrs, § 21e Abs. 3 Satz 1 GVG (BGH, Urteil vom 13. September 2005 - VI ZR 137/04, BGHZ 164, 87, 90; BVerwG, NJW 1986, 1366, 1367).
35
bb) Als einen die entsprechende Anwendung von § 21f Abs. 2 Satz 1 GVG rechtfertigenden Fall der Verhinderung des Vorsitzenden wird nach der übereinstimmenden höchstrichterlichen Rechtsprechung auch das - durch Eintritt oder Versetzung in den Ruhestand, durch Abordnung oder durch Tod bedingte - endgültige Ausscheiden eines Vorsitzenden aus dem Spruchkörper angesehen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. März 2013 - 4 StR 556/12, NStZ-RR 2013, 259; Urteil vom 29. Mai 1987 - 3 StR 242/86, BGHSt 34, 379, 381 f.; Beschluss vom 11. Juli 1985 - VII ZB 6/85, BGHZ 95, 246, 247; BSG, NJW 2007, 2717 f.; BFHE 190, 47, 52 f.; 155, 470, 471; BVerwG, NJW 2001, 3493; NJW 1986, 1366, 1367). Da es sich bei dieser Vakanz aber tatsächlich um eine dauernde Verhinderung des Vorsitzenden handelt, kann dieser normwidrige Zustand bis zur Wiederbesetzung der Stelle nur für eine kurze Übergangszeit hingenommen werden (BVerwG, NJW 2001, 3493; NJW 1986, 1366, 1367; vgl. auch BVerfGE 18, 423, 426 und BSG, NJW 2007, 2717, 2718).
36
cc) Grundsätzlich ist bei der Prüfung der zur Behebung des normwidrigen Zustands gebotenen Maßnahmen zwischen der Wiederbesetzung einer frei gewordenen Planstelle durch die Justizverwaltung und der Zuweisung des Vorsitzes des Spruchkörpers an einen Vorsitzenden Richter durch das Präsidium des Gerichts im Rahmen der Geschäftsverteilung nach § 21e Abs. 1 Satz 2 GVG oder nach § 21e Abs. 3 Satz 1 GVG zu unterscheiden. Während eine Wiederbesetzung durch die Justizverwaltung in aller Regel mit einer Ausschreibung der Stelle, dem Treffen der Auswahlentscheidung, der Mitteilung der Ent- scheidung an die unterlegenen Bewerber unter Einräumung einer ausreichenden Rechtsschutzfrist und unter Umständen der Beteiligung von Mitwirkungsgremien wie Richterwahlausschüssen und Präsidialräten verbunden ist und damit mehrere Monate oder länger in Anspruch nehmen kann, besteht für die Neuverteilung der Geschäfte durch das Gerichtspräsidium eine schnellere Handlungsmöglichkeit und Handlungspflicht (BVerwG, NJW 2001, 3493; OLG Rostock, OLGR 2008, 254, 256). Wie lange das Präsidium im Falle der nicht nahtlosen Besetzung der Stelle eines Vorsitzenden mit der Entscheidung zuwarten darf, einen anderen Vorsitzenden zusätzlich mit dem vakant gewordenen Senatsvorsitz zu betrauen oder den Senat aufzulösen und seine Richter und Rechtssachen anderen Senaten zuzuschreiben, lässt sich nicht allgemeingültig und losgelöst vom Grund der Verhinderung beantworten (vgl. BGH, Beschluss vom 26. März 2013 - 4 StR 556/12, NStZ-RR 2013, 259; BSG, NJW 2007, 2717, 2718).
37
dd) Der vorliegende Fall zeichnet sich durch eine nicht langfristig vorhersehbare Vakanz im Vorsitz infolge eines Antrags auf Elternzeit mit anschließender Beurlaubung aus. Dies rechtfertigt es nicht, die für die Besetzungsrüge maßgebliche Vakanz von sieben Monaten und 23 Tagen als noch hinnehmbar einzustufen. Spätestens ab dem Zeitpunkt der Bewilligung der Anträge auf Elternzeit und Beurlaubung Mitte Juli 2012 war sowohl für das Justizministerium des Landes M.-V. als auch für das Präsidium des Oberlandesgerichts R. vorhersehbar , dass der bisherige ordentliche Vorsitzende des 4. Zivilsenats ab dem 1. September 2012 für einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren sein Amt nicht ausüben würde, mithin in seiner Person ein Fall der dauernden Verhinderung vorliegen würde, auf den sowohl die Justizverwaltung als auch das Präsidium im Rahmen ihrer Aufgaben und Kompetenzen in der gebotenen Weise zu reagieren hatten. Sowohl der Justizverwaltung als auch dem Präsidium sind insoweit Versäumnisse anzulasten.

38
Für die Justizverwaltung bestand Anlass, die Stelle umgehend nach Bewilligung der beantragten Elternzeit, spätestens aber zum 1. September 2012 neu auszuschreiben. Die Zeitspanne von sechs Wochen zwischen Kenntnis vom Bevorstehen der Vakanz und deren Eintritt musste ausreichen, um die Frage der Nachbesetzung der Stelle zu klären, denn eine den Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes widersprechende Besetzung eines Spruchkörpers lässt sich nicht mit haushaltsrechtlichen Gründen rechtfertigen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Juli 1985 - VII ZB 6/85, BGHZ 95, 246 ff.; BFHE 155, 470, 471). Stattdessen wurde das Verfahren zur Wiederbesetzung der Stelle erst im Dezember 2012 eingeleitet.
39
Auch das Präsidium des Oberlandesgerichts R. ist seiner Aufgabe, im Rahmen seiner Befugnisse zur Geschäftsverteilung für eine den Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes entsprechende Besetzungdes 4. Zivilsenats Sorge zu tragen, nicht gerecht geworden. Ausgehend von der Annahme, dass eine zeitnahe Neuausschreibung der freiwerdenden Stelle durch das Justizministerium erfolgen würde, mag es in der Präsidiumssitzung vom 15. August 2012 zunächst noch gerechtfertigt gewesen sein, von einer die entsprechende Anwendung des § 21f Abs. 2 Satz 1 GVG rechtfertigenden vorübergehenden Verhinderung des Vorsitzenden ab dem 1. September 2012 auszugehen. Bedenklich war es indes schon, an dieser Sichtweise auch in der Präsidiumssitzung vom 27. November 2012 noch festzuhalten. Denn bereits zu diesem Zeitpunkt war absehbar, dass das Besetzungsverfahren für die Stelle, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal ausgeschrieben war, nicht in angemessener Zeit abgeschlossen sein würde. Das Präsidium wäre daher bei der Beschlussfassung vom 27. November 2012 zumindest gehalten gewesen, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, sich zeitnah des Problems noch einmal anzunehmen. Angesichts der bereits seit dem 1. September 2012 andauernden Vakanz hätte sich das Präsidium spätestens im Februar 2013 mit der Angelegenheit erneut befassen müssen. Nachdem das Justizministerium Ende Februar 2013 noch nicht einmal die für die Besetzungsentscheidung notwendigen Beurteilungen der Bewerber angefordert hatte und die Neubesetzung auch nicht bis zu einem bestimmten Zeitpunkt in Aussicht gestellt war, bestand keine Rechtfertigung mehr dafür, den bestehenden Zustand noch für eine weitere ungewisse Zeitdauer fortbestehen zu lassen. Das Präsidium hätte spätestens für die Zeit ab 1. März 2013 Maßnahmen nach § 21e Abs. 3 Satz 1 GVG ergreifen können und müssen und entweder den Vorsitz zusätzlich auf einen oder mehrere der anderen Senatsvorsitzenden des Oberlandesgerichts übertragen oder aber den Senat auflösen und dessen Geschäfte auf die anderen Senate des Oberlandesgerichts umverteilen müssen. Die zu Beginn des Geschäftsjahres 2014 getroffenen Maßnahmen zeigen, dass dem Präsidium Handlungsoptionen zur Verfügung standen, die geeignet gewesen wären, den gesetzwidrigen Zustand im Vorsitz des 4. Zivilsenats zu beenden. Die gemäß § 21e Abs. 3 Satz 1 GVG gebotenen Maßnahmen waren bis zum 23. April 2013 nicht getroffen, obwohl die Zeit ausgereicht hätte, um sie zu treffen.

III.

40
In der neu eröffneten Berufungsverhandlung wird sich das Berufungsgericht mit den von der Beklagten im Revisionsverfahren vorgebrachten weiteren Rügen zu beschäftigen haben, soweit sich diese auf die Beurteilung der Fragen eines eigenen Mitverschuldens der Stadt W., eines der Stadt W. zuzurechnenden Fremdverschuldens des Projektsteuerers I. sowie einer summenmäßigen Haftungsbeschränkung aufgrund § 9 Nr. 9.2 der Allgemeinen Vertragsbedingungen beziehen. Für die weitere Sachbehandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
41
1. Da die Rechte des in die Schutzwirkung des Vertrags einbezogenen Dritten nicht weiter reichen können als die des Vertragspartners selbst, muss es sich die Klägerin unmittelbar nach § 254 Abs. 1, 2 BGB haftungsmindernd entgegenhalten lassen, wenn bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden der Stadt W. mitgewirkt oder diese gegen ihre Pflicht zur Schadensminderung verstoßen hat (vgl. BGH, Urteil vom 7. November 1960 - VII ZR 148/59, BGHZ 33, 247, 250).
42
2. Soweit das Berufungsgericht jegliches eigenes Mitverschulden der Stadt W. an der Entstehung des Schadens verneint hat, begegnet die vom Berufungsgericht gegebene Begründung in Teilen Bedenken. Die bisherige rechtliche Würdigung berücksichtigt nicht hinreichend, dass die Stadt W. auf das ihr vor der Bauausführung durch die Schreiben der ARGE vom 22. Oktober/ 19. November 1998 sowie das Schreiben der Beklagten vom 26. November 1998 in gewissem Umfang bekannt gewordene Risiko von Setzungen bei Ausführung des DYNIV-Verfahrens in der ursprünglich vorgesehenen Weise keine Rücksicht genommen hat und darauf der von der Klägerin geltend gemachte Schaden beruht.
43
Nach der Rechtsprechung des Senats darf der Auftraggeber die Baumaßnahme nicht ohne Weiteres auf der Grundlage offenkundiger Risiken vornehmen lassen, denn der Auftraggeber, dem sich aufgrund der Kenntnis tatsächlicher Umstände eine bestimmte Gefahrenlage aufdrängen muss, verstößt regelmäßig gegen die in seinem eigenen Interesse gemäß § 254 Abs. 1 BGB bestehende Obliegenheit, sich selbst vor Schaden zu bewahren, wenn er die Augen vor der Gefahrenlage verschließt und das Bauvorhaben ohne Weiteres durchführt (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juni 2013 - VII ZR 4/12, BauR 2013, 1472 Rn. 29 = NZBau 2013, 515; Urteil vom 20. Dezember 2012 - VII ZR 209/11, BauR 2013, 624 Rn. 27 f. = NZBau 2013, 244; Urteil vom 19. Mai 2011 - VII ZR 24/08, BauR 2011, 1494 Rn. 30 = NZBau 2011, 483; Urteil vom 10. Februar 2011 - VII ZR 8/10, BauR 2011, 869 Rn. 43 ff. = NZBau 2011, 360).
44
Diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht bei der Würdigung der an die Stadt W. gerichteten Schreiben der ARGE vom 22. Oktober/19. November 1998 und der Beklagten vom 26. November 1998 nicht hinreichend Rechnung getragen. Zur Beurteilung steht die Frage, ob die Stadt W. gegen die in ihrem eigenen Interesse bestehende Obliegenheit, sich selbst vor Schaden zu bewahren , verstoßen hat, indem sie als Auftraggeberin trotz ihr bekannter Risiken auf der unveränderten Ausführung des DYNIV-Verfahrens bestanden hat und sich dadurch genau diejenigen Risiken - erhebliche Setzungen - verwirklicht haben, vor denen sie von den Baubeteiligten vor der Bauausführung in gewissem Umfang gewarnt worden war.
45
Sie durfte nicht die Augen vor der zu Tage getretenen Problematik verschließen und ohne angemessene Reaktion selbst oder durch den von ihr insoweit eingesetzten Projektsteuerer I. die Anweisung erteilen, das DYNIVVerfahren in der ursprünglich geplanten und beauftragten Weise ohne Zusatzmaßnahmen auszuführen.
46
3. In Bezug auf die Stellung und das Verhalten des Projektsteuerers I. weist der Senat darauf hin, dass sich die Klägerin nicht damit entlasten kann, nicht die Stadt W., sondern der Projektsteuerer I. habe unter Hintanstellung der in den Schreiben vom 22. Oktober/19. November 1998 der ARGE sowie dem Schreiben vom 26. November 1998 mitgeteilten Bedenken die Anweisung ge- troffen, das DYNIV-Verfahren in der ursprünglich beauftragten Weise ohne Zusatzmaßnahmen auszuführen. Soweit die Stadt W. im Rahmen der sie als Auftraggeberin treffenden Obliegenheit, sich selbst vor den Schäden offenkundiger oder bekannter Risiken der Bauausführung zu bewahren, an ihrer Stelle den Projektsteuerer I. als Ansprechpartner und Entscheidungsträger eingesetzt haben sollte, ist der Projektsteuerer I. im Verhältnis zu den anderen Baubeteiligten , auch der Beklagten, als Erfüllungsgehilfe der Stadt W. anzusehen, so dass sie für ein etwaiges Verschulden des Projektsteuerers nach § 254 Abs. 2 Satz 2, § 278 Satz 1 BGB einstehen muss (vgl. Locher/Koeble/Frik, HOAI, 9. Aufl., § 31 Rn. 22 und 12. Aufl., Einleitung, Rn. 430; Eschenbruch, Projektmanagement und Projektsteuerung, Rn. 1670, 1674; Korbion/Mantscheff/ Vygen, HOAI, 8. Aufl., Einführung Rn. 698; Korbion, Baurecht, Teil 14 Rn. 116; Schill, Der Projektsteuerungsvertrag, S. 104). Dies steht nicht im Widerspruch zu der ständigen Rechtsprechung des Senats zur begrenzten Mitverantwortung des Auftraggebers gegenüber Planern (vgl. BGH, Urteile vom 20. Juni 2013 - VII ZR 4/12, BauR 2013, 1472 Rn. 27 ff.; vom 4. Juli 2002 - VII ZR 66/01, BauR 2002, 1719, 1720 = NZBau 2002, 616; vom 10. Juli 2003 - VII ZR 329/02, BauR 2003, 1918, 1920 f. = NZBau 2003, 567; Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Aufl., Teil 12 Rn. 749 f.). Dass den Auftraggeber im Verhältnis zu seinem planenden Architekten oder Ingenieur ein Mitverschulden treffen kann, wenn sich ihm aufgrund der Kenntnis tatsächlicher Umstände eine bestimmte Gefahrenlage aufdrängen muss, er hiervor aber die Augen verschließt und das Bauvorhaben ohne Weiteres durchführt, hat der Senat mehrfach entschieden (vgl. BGH, Urteile vom 20. Juni 2013 - VII ZR 4/12, BauR 2013, 1472 Rn. 29 = NZBau 2013, 515; vom 20. Dezember 2012 - VII ZR 209/11, BauR 2013, 624 Rn. 27 f. = NZBau 2013, 244; vom 10. Februar 2011 - VII ZR8/10, BauR 2011, 869 Rn. 43 ff. = NZBau 2011, 360). Wenn der Auftraggeber sich zur Erfüllung seiner insoweit bestehenden Mitwirkungs-, Handlungs- und Entscheidungsobliegenheiten eines Dritten bedient, muss er sich dessen Verschulden zurechnen lassen.
47
4. Auch die Erwägungen des Berufungsgerichts zu der Frage der Haftungsbeschränkung der Beklagten aufgrund § 9 Nr. 9.2 AVB begegnen Bedenken.
48
Vorbehaltlich ergänzenden Sachvortrags der Parteien und der neu zu treffenden Feststellungen des Berufungsgerichts ist die Klausel wie folgt auszulegen , wenn das Berufungsgericht erneut zu dem Ergebnis gelangen sollte, dass es sich um eine von der Stadt W. verwendete Allgemeine Geschäftsbedingung handelt:
49
Nach dem Wortlaut von § 9 Nr. 9.2 AVB soll der Auftragnehmer dem Auftraggeber bei Verzug oder bei einem sonstigen schuldhaften Verstoß gegen seine Vertragspflichten für die dadurch bedingten Mehrkosten der Baumaßnahme , den Schaden an der baulichen Anlage und die vorsätzlich oder grob fahrlässig verursachten anderen Schäden in voller Höhe ersatzpflichtig sein; für den übrigen Schaden haftet er je nach Schadensereignis bis zur Höhe der im Vertrag vereinbarten Deckungssumme der Haftpflichtversicherung. Die mangelhaften Ingenieurleistungen der Beklagten, derentwegen die Klägerin Schadensersatz verlangt, sind aus der Sicht eines verständigen Auftragnehmers ein "sonstiger schuldhafter Verstoß gegen seine Vertragspflichten" im Sinne von § 9 Nr. 9.2 AVB, so dass die Beklagte der Höhe nach summenmäßig unbegrenzt haftet, soweit von ihr Ersatz der Mehrkosten der Baumaßnahme oder Ersatz für die Schäden an der baulichen Anlage oder aber Ersatz für solche Schäden gefordert wird, die auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit beruhen.

Unter die "übrigen Schäden", für die die Haftungsbegrenzung bis zur Höhe der im Vertrag vereinbarten Deckungssumme (500.000 DM) eingreifen soll, fallen im Umkehrschluss diejenigen Schäden, die nicht zur Gruppe "Schäden an der baulichen Anlage" gehören und die nur durch einfache oder leichte Fahrlässigkeit der Beklagten verursacht wurden. Bei zutreffendem Verständnis der Klausel müssen daher die von der Klägerin geltend gemachten Schäden in den Blick genommen werden und es muss geprüft werden, ob diese unter die Gruppe "Schäden an der baulichen Anlage" im Sinne von § 9 Nr. 9.2 AVB fallen oder - wenn nicht - ob der Beklagten Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden kann.
Eick Kartzke Jurgeleit Graßnack Feilcke

Vorinstanzen:
LG Schwerin, Entscheidung vom 30.09.2010 - 3 O 111/08 -
OLG Rostock, Entscheidung vom 28.05.2013 - 4 U 110/10 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 12. März 2015 - VII ZR 173/13

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 12. März 2015 - VII ZR 173/13

Referenzen - Gesetze

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 254 Mitverschulden


(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 278 Verantwortlichkeit des Schuldners für Dritte


Der Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Die Vorschrift des § 276 Abs. 3 findet keine Anwen
Bundesgerichtshof Urteil, 12. März 2015 - VII ZR 173/13 zitiert 10 §§.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 547 Absolute Revisionsgründe


Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,1.wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;2.wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Ges

Verordnung über die Honorare für Architekten- und Ingenieurleistungen


Honorarordnung für Architekten und Ingenieure - HOAI

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 21e


(1) Das Präsidium bestimmt die Besetzung der Spruchkörper, bestellt die Ermittlungsrichter, regelt die Vertretung und verteilt die Geschäfte. Es trifft diese Anordnungen vor dem Beginn des Geschäftsjahres für dessen Dauer. Der Präsident bestimmt, wel

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 21f


(1) Den Vorsitz in den Spruchkörpern bei den Landgerichten, bei den Oberlandesgerichten sowie bei dem Bundesgerichtshof führen der Präsident und die Vorsitzenden Richter. (2) Bei Verhinderung des Vorsitzenden führt den Vorsitz das vom Präsidium best

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 115


Die Oberlandesgerichte werden mit einem Präsidenten sowie mit Vorsitzenden Richtern und weiteren Richtern besetzt.

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Bundesgerichtshof Urteil, 12. März 2015 - VII ZR 173/13 zitiert oder wird zitiert von 20 Urteil(en).

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Bundesgerichtshof Urteil, 10. Juli 2014 - VII ZR 189/13

bei uns veröffentlicht am 10.07.2014

Tenor Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 16. Juli 2013 wird zurückgewiesen.

Bundesgerichtshof Urteil, 01. Juli 2014 - XI ZR 247/12

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Bundesgerichtshof Urteil, 03. Juni 2014 - II ZR 100/13

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I I ZR 1 0 0 / 1 3 Verkündet am: 3. Juni 2014 Vondrasek Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewer

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 201/17 Verkündet am: 27. Juni 2018 Heinekamp Amtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja VVG § 153 Abs.

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 5 StR 420/15 vom 10. November 2015 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen schwerer Körperverletzung u.a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. November 2015 beschlossen : Die Revisionen der Angeklagten g

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Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;
2.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs ohne Erfolg geltend gemacht ist;
3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war;
4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat;
5.
wenn die Entscheidung auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
6.
wenn die Entscheidung entgegen den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht mit Gründen versehen ist.

(1) Den Vorsitz in den Spruchkörpern bei den Landgerichten, bei den Oberlandesgerichten sowie bei dem Bundesgerichtshof führen der Präsident und die Vorsitzenden Richter.

(2) Bei Verhinderung des Vorsitzenden führt den Vorsitz das vom Präsidium bestimmte Mitglied des Spruchkörpers. Ist auch dieser Vertreter verhindert, führt das dienstälteste, bei gleichem Dienstalter das lebensälteste Mitglied des Spruchkörpers den Vorsitz.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 16. Juli 2013 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Zahlung eines Baukostenzuschusses für den Anschluss an das öffentliche Abwassersystem sowie die Erstattung der Kosten für die Herstellung des Grundstücksanschlusses (Anschlusskanal).

2

Die klagende GmbH ist gemäß § 3 Abs. 2 der Satzung des Zweckverbandes für Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung Leipzig-Land für die öffentliche Abwasserbeseitigung und für die Grundstücksentwässerung (Abwassersatzung - AbwS) vom 23. September 2010 (SächsABl. AAz. 2010, S. A 410 f.) Betreiber der dem Zweckverband übertragenen Aufgabe der Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung für Leipzig-Land. Nach § 3 Abs. 3 der im Jahr 2007 gültigen Abwassersatzung vom 23. November 2006 (SächsABl. AAz. 2007, S. A 130) (im Folgenden: Satzung oder AbwS) bestimmen sich der Anschluss an das öffentliche Abwassernetz und die Entsorgung des Abwassers nach den Allgemeinen Entsorgungsbedingungen für Abwasser (AEB-A).

3

§ 2 Abs. 1 AEB-A (2005) lautet:

"Der Anschlussnehmer hat bei Anschluss an die öffentlichen Entwässerungsanlagen oder bei einer wesentlichen Erhöhung seiner Leistungsanforderungen einen Zuschuss zu den Kosten der öffentlichen Entwässerungsanlagen (Baukostenzuschuss) an die Gesellschaft zu zahlen."

4

§ 3 AEB-A (2005) lautet:

"§ 3 Grundstücksanschlüsse (Anschlusskanal), Anschlusskanalkosten

(1) Grundstücksanschlüsse (Anschlusskanäle) nach § 2 Abs. 6 der Abwasserentsorgungssatzung gehören zu den Betriebsanlagen der Gesellschaft.

(2) Die Herstellung des Grundstücksanschlusses (Anschlusskanal) erfolgt durch die Gesellschaft. Die Gesellschaft kann sich eines Dritten bedienen.

(3) Der Grundstücksanschluss (Anschlusskanal) beginnt am öffentlichen Kanal oder Schacht und endet am Übergabeschacht auf dem Grundstück. Ist kein Übergabeschacht vorhanden, endet der Anschlusskanal an der Grundstücksgrenze.

(5) Der Anschlussnehmer zahlt der Gesellschaft die Kosten nach der jeweils zum Zeitpunkt der Leistungserbringung gültigen 'Regelung der Kostenerstattung durch Anschlussnehmer für Abwasser' für die Herstellung, Veränderung oder Beseitigung des Grundstücksanschlusses (Anschlusskanal), die durch eine Änderung oder Erweiterung seiner Anlage erforderlich sind oder aus anderen Gründen von ihm veranlasst werden. ..."

5

Der Beklagte ist Eigentümer zweier jeweils mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücke in S., und zwar in der P.-Straße und in der L.-Straße. Bis zur Durchführung der streitgegenständlichen Baumaßnahmen wurde das dort anfallende häusliche Schmutzwasser einer auf den jeweiligen Grundstücken befindlichen Kleinkläranlage zugeführt. Deren Überlauf war an einen öffentlichen Abwasserkanal angeschlossen.

6

Im Zuge eines größeren Erschließungsvorhabens errichtete die Klägerin eine neue öffentliche Schmutzwasserleitung und - soweit erforderlich - öffentliche Anschlusskanäle. Die Anlage wurde insgesamt an ein zentrales Klärwerk angeschlossen.

7

Das auf dem Grundstück in der P.-Straße anfallende Schmutzwasser wird nunmehr über einen neu hergestellten öffentlichen Anschlusskanal (Hausanschluss) vollständig in den ebenfalls neu hergestellten öffentlichen Abwasserkanal geleitet und von dort zu einer zentralen Kläranlage geführt. Das anfallende Niederschlagswasser wird über den alten vorhandenen öffentlichen Anschlusskanal abgeführt.

8

In der L.-Straße wird das anfallende Schmutz- und Niederschlagswasser über den weiterhin vorhandenen bisherigen öffentlichen Anschlusskanal (Hausanschluss) nunmehr vollständig in den öffentlichen Abwasserkanal mit integriertem Abschlagsbauwerk geleitet, dort getrennt und sodann einerseits zur zentralen Kläranlage und andererseits in ein Gewässer geleitet.

9

Hinsichtlich des Grundstücks in der L.-Straße informierte die Klägerin den Beklagten mit Schreiben vom 24. November 2005 über die Durchführung der Maßnahmen; zuvor hatte sie unter dem 13. Oktober 2005 bereits den Abschluss eines Nutzungsvertrags unter Übersendung der AEB-A (2005), eines Preisblattes und einer Kostenberechnung angeboten. Am 29. August 2008 erfolgte auf diesem Grundstück die Endreinigung und Stilllegung der Kleinkläranlage. Auch hinsichtlich des Grundstücks P.-Straße hatte die Klägerin dem Beklagten den Abschluss eines Nutzungsvertrags angeboten. Mit Schreiben vom 30. Januar 2006 informierte die Klägerin den Beklagten über die durchgeführte Maßnahme. Am 12. August 2008 erfolgte auf diesem Grundstück die Endreinigung und Stilllegung der Kleinkläranlage.

10

Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung von 7.336,16 € nebst Zinsen und vorgerichtliche Kosten verurteilt. Seine Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision möchte der Beklagte die Klageabweisung erreichen.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision des Beklagten hat keinen Erfolg.

I.

12

Das Berufungsgericht geht davon aus, dass zwischen den Parteien mit Beginn der Abwassereinleitung durch den Beklagten - sei es nach seinem Vortrag im Jahre 2007, sei es nach dem Vortrag der Klägerin im Jahre 2008 - jeweils ein wirksamer Abwasser-Entsorgungsvertrag mit gleichzeitiger Übernahme der Verpflichtung zur Baukostenzuschusszahlung unter Geltung der AEB-A (2005) zustande gekommen sei.

13

Bei den Baumaßnahmen der Klägerin handele es sich um einen Anschluss der Grundstücke des Beklagten an die öffentliche Entwässerungsanlage der Klägerin im Sinne des § 2 Abs. 1 AEB-A (2005). Der Begriff "Entwässerungsanlage" sei ebenso zu verstehen wie derjenige der öffentlichen "Abwasseranlage" in § 2 Nr. 2 AbwS. Hiernach seien als öffentliche Abwasseranlage definiert das öffentliche Abwassernetz und die öffentlichen Abwasserbehandlungsanlagen.

14

Die Verpflichtung zur Zahlung eines Baukostenzuschusses gemäß § 2 AEB-A (2005) beziehe sich nicht nur auf einen erstmaligen Anschluss an das öffentliche Abwassernetz, sondern auch auf den erstmaligen Anschluss an die öffentliche Abwasserbehandlungsanlage. Hierunter sei gemäß § 2 Nr. 4 AbwS die Anlage zur Behandlung des gesammelten Abwassers bzw. Abwasserschlamms einschließlich der Ableitung zum Gewässer zu verstehen. An diese öffentliche zentrale Abwasserbehandlungsanlage seien die Grundstücke des Beklagten durch die Errichtung des Trennsystems erstmals angeschlossen worden.

15

Die Höhe der separat geltend gemachten Forderungen sei jeweils schlüssig dargelegt und hinsichtlich ihrer Berechnungsparameter den Rechtsgrundlagen in nachvollziehbarer Weise entnommen. Die Baukostenzuschüsse betrügen hiernach jeweils die geforderten 3.160,29 € und der Erstattungsanspruch für die Herstellung des neuen grundstücksbezogenen öffentlichen Anschlusskanals in der P.-Straße 1.015,58 €.

16

Weitere von dem Beklagten erhobene Einwendungen seien von dem - wirksamen - Einwendungsausschluss des § 15 AEB-A (2005) erfasst, der dazu führe, dass sie in einem Rückforderungsprozess geltend gemacht werden müssten.

17

Die Forderungen der Klägerin seien auch nicht verjährt. Für die Fälligkeit der Forderungen sei nach § 271 BGB i.V.m. der Anlage 6 Abs. 7 AEB-A (2005) auf den Zeitpunkt der "Herstellung der Entwässerungsanlage" abzustellen. Diese läge jedoch nicht in dem bereits einige Jahre zurückliegenden Abschluss der Arbeiten an der Entwässerungsanlage der Klägerin. Vielmehr sei auf die tatsächliche Anbindung der Abwasserleitung des Beklagten an die neu geschaffenen Zuleitungen zum Abwassersystem der Klägerin abzustellen, weil erst zu diesem Zeitpunkt die neue Entwässerungsanlage im Verhältnis der Parteien zueinander hergestellt gewesen sei. Es könne zugunsten des Beklagten unterstellt werden, dass diese Arbeiten zur Umbindung des Hausanschlusses an beiden Grundstücken bereits im Jahre 2007 stattgefunden haben und gleichzeitig mit der Abwassereinleitung in die Anlagen der Klägerin begonnen worden sei. Nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB habe die Verjährung der streitgegenständlichen Ansprüche erst beginnen können, nachdem die Klägerin von der Annahme ihrer Realofferte durch den Beklagten als Folge der Einleitung des Abwassers von den streitgegenständlichen Grundstücken in ihre Abwasseranlage erfahren habe bzw. hätte erfahren müssen. Da der Beklagte dies zu keiner Zeit mitgeteilt habe, sei für die Klägerin die Aufnahme der Abwassereinleitung frühestens im Zusammenhang mit der Entleerung und Endreinigung der Kläranlagen auf den Grundstücken des Beklagten im Jahre 2008 erkennbar gewesen. Damit sei durch die Klageerhebung am 17. Juni 2011 der Eintritt der Verjährung rechtzeitig gehemmt worden.

II.

18

Das hält der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

19

1. Rechtsfehlerfrei und von der Revision auch nicht angegriffen geht das Berufungsgericht davon aus, dass zwischen den Parteien ein Abwasserentsorgungsvertrag unter Einbeziehung der Allgemeinen Entsorgungsbedingungen für Abwasser in der Fassung 2005 zustande gekommen ist.

20

2. Die Klägerin hat gegen den Beklagten aus dem Vertrag einen Anspruch auf Zahlung je eines Baukostenzuschusses für jedes Grundstück in der geltend gemachten Höhe gemäß § 2 Abs. 1 AEB-A (2005).

21

a) Die Auslegung dieser Vertragsklausel ist vom Revisionsgericht nach § 545 Abs. 1 ZPO uneingeschränkt vorzunehmen. Denn Allgemeine Geschäftsbedingungen sind wie revisible Rechtsnormen zu behandeln, da bei ihnen ungeachtet der Frage, ob sie über den räumlichen Bezirk eines Berufungsgerichts hinaus Verwendung finden, ein Bedürfnis nach einheitlicher Handhabung besteht (BGH, Urteile vom 13. November 2012 - XI ZR 500/11, BGHZ 195, 298 Rn. 15; vom 20. Juni 2013 - VII ZR 82/12, BauR 2013, 1673 Rn. 12 = NZBau 2013, 567, jeweils m.w.N.). Allgemeine Geschäftsbedingungen sind - ausgehend von den Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht vorgebildeten durchschnittlichen Vertragspartners - einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden werden (BGH, Urteil vom 20. Juni 2013 - VII ZR 82/12, aaO Rn. 12 m.w.N.; st. Rspr.).

22

b) Nach diesen Maßstäben fällt unter die öffentlichen Entwässerungsanlagen im Sinne von § 2 Abs. 1 AEB-A jedenfalls das öffentliche Abwassernetz.

23

Mangels einer näheren Definition in den Allgemeinen Entsorgungsbedingungen Abwasser hat das Berufungsgericht zu Recht zur Auslegung des Begriffs der öffentlichen Entwässerungsanlagen auf die zur Zeit des Vertragsabschlusses gültige Satzung des Zweckverbandes zurückgegriffen. Hiernach umfasst eine öffentliche Abwasseranlage das öffentliche Abwassernetz und die öffentlichen Abwasserbehandlungsanlagen (§ 2 Nr. 2 AbwS). Das öffentliche Abwassernetz (Kanalnetz) ist die leitungsgebundene Anlage zur Aufnahme und zum Transport von Abwasser ab Grundstücksgrenze bzw. ab Übergabeschacht auf dem Grundstück bis zu einer öffentlichen Abwasserbehandlungsanlage oder einem Vorfluter (Gewässer). Es umfasst die Abwasserkanäle und Anschlusskanäle (§ 2 Nr. 3 AbwS).

24

Es muss nicht entschieden werden, ob die Auffassung des Berufungsgerichts zutrifft, ein Anschluss an die öffentlichen Entwässerungsanlagen liege auch bei einem erstmaligen Anschluss an eine öffentliche (zentrale) Abwasserbehandlungsanlage vor, selbst wenn zuvor bereits ein Anschluss an das öffentliche Abwassernetz bestand. Denn die Grundstücke des Beklagten sind durch die in Rede stehenden Baumaßnahmen hinsichtlich der Schmutzwasserentsorgung erstmalig an das öffentliche Abwassernetz angeschlossen worden. Das reicht aus, um die Pflicht zur Zahlung eines Baukostenzuschusses auszulösen.

25

aa) Im Ansatz zutreffend geht die Revision zwar davon aus, dass von einem Anschluss an die öffentlichen Entwässerungsanlagen im Sinne von § 2 Abs. 1 AEB-A (2005) nur auszugehen ist, wenn das Grundstück nicht bereits zuvor an eine öffentliche Entwässerungsanlage angeschlossen war und der (neu hergestellte) Anschluss an eine öffentliche Entwässerungsanlage den bereits vorhandenen Anschluss nicht lediglich ersetzte. Denn der Anschlussnehmer geht bei verständiger Würdigung des Wortlautes und Sinnes von § 2 Abs. 1 AEB-A (2005) davon aus, dass er einen Baukostenzuschuss grundsätzlich nur einmal, nämlich dann zu leisten hat, wenn er erstmalig an die öffentlichen Entwässerungsanlagen angeschlossen wird. Insoweit gilt Vergleichbares wie zur Regelung des § 9 AVBWasserV. Hiernach kann ein Trinkwasserversorger lediglich bei einem Neuanschluss eines Objektes an die Trinkwasserverteilungsanlagen einen Baukostenzuschuss erheben. Dagegen hat er die Kosten für die Unterhaltung und etwaige spätere Erneuerung der Verteilungsanlagen über die Preise abzudecken (BGH, Urteil vom 23. November 2011 - VIII ZR 23/11, NJW-RR 2012, 351 Rn. 21 m.w.N.).

26

bb) Indes handelt es sich hier nicht um die bloße Erneuerung der Entwässerungsanlagen. Die Grundstücke des Beklagten waren vor den Baumaßnahmen noch nicht (voll) an das öffentliche Abwassernetz angeschlossen. Anders als bei der Trinkwasserversorgung, wo es lediglich um die Frage gehen kann, ob ein Objekt bereits an die einheitlichen Trinkwasserverteilungsanlagen angeschlossen ist, ist bei der Abwasserentsorgung zu differenzieren. Denn im Gegensatz zur Trinkwasserversorgung kommen hier mehrere verschiedene Leistungen der Abwasserentsorgung in Betracht. Es gibt unterschiedliche Arten von Abwasser. In § 2 Nr. 1 AbwS (2005) wird unterschieden zwischen Schmutzwasser, Niederschlagswasser und sonstigem in Abwasseranlagen mit Schmutzwasser oder Niederschlagswasser fließenden Wasser. Es ist deshalb möglich, nur hinsichtlich der Beseitigung bestimmter Abwässer an die öffentlichen Entwässerungsanlagen angeschlossen zu sein, hinsichtlich anderer jedoch (noch) nicht. So liegt der Fall hier.

27

Die neu errichtete Abwasserleitung in der P.-Straße ist zur Aufnahme von Schmutzwasser bestimmt. In der L.-Straße dient der bisherige Anschluss nunmehr erstmals der Aufnahme von Schmutzwasser und nicht nur wie bisher von vorgeklärtem Überlaufwasser aus der Kleinkläranlage und von Niederschlagswasser. Das Schmutzwasser des Beklagten war bis dahin auf beiden Grundstücken nicht über das öffentliche Abwassernetz entsorgt worden. Vielmehr war es den Kleinkläranlagen zugeführt und dort behandelt worden. § 2 Nr. 13 AbwS definiert solche Kleinkläranlagen (Grundstückskläranlagen) ausdrücklich als Abwasserbehandlungsanlage, die auf einem Grundstück betrieben wird. Der dort anfallende Abwasserschlamm, den die Klägerin regelmäßig abholte, wird als Entsorgungsgut bezeichnet (§ 2 Nr. 8 AbwS).

28

Auch aus § 5 Abs. 4 AbwS ergibt sich die Unterscheidung zwischen einer solchen Entsorgung über eine Kleinkläranlage und dem Anschluss an öffentliche Abwasseranlagen. Dort wird einerseits angeordnet, dass von Grundstücken, "die an die öffentliche Abwasseranlage angeschlossen sind", alles Abwasser dort einzuleiten ist. Demgegenüber ist auf Grundstücken mit Kleinkläranlagen das gesamte häusliche Schmutzwasser in diese einzuleiten. Hiernach stellt die Zuführung und Behandlung von Schmutzwasser in einer Kleinkläranlage gerade keinen Anschluss an die öffentliche Abwasseranlage hinsichtlich des anfallenden Schmutzwassers dar. Zugleich ist danach auch ein Verständnis dahin ausgeschlossen, dass bereits die Abfuhr der in der Kleinkläranlage aufgefangenen Feststoffe durch die Klägerin und die Weiterbehandlung in einer Abfallanlage der Klägerin einen Anschluss auch hinsichtlich dieser zu entsorgenden Stoffe (als Teil des Schmutzwassers) an die öffentlichen Abwasseranlagen und damit die öffentlichen Entwässerungsanlagen im Sinne der Allgemeinen Entsorgungsbedingungen begründet. Vielmehr bedarf es hierfür einer gegenständlichen, baulichen Verbindung des Grundstücks mit den Entwässerungsanlagen.

29

Eine solche lag hinsichtlich des Schmutzwassers nicht vor. Sie wird auch nicht dadurch begründet, dass der Überlauf der Kleinkläranlage an die öffentlichen Entwässerungsanlagen in Form eines öffentlichen Abwasserkanals angeschlossen war. Denn diese Leitung war nicht zur Aufnahme von Schmutzwasser, sondern - neben der Aufnahme von hier nicht interessierendem Niederschlagswasser - nur zur Aufnahme des überlaufenden Wassers aus der Kleinkläranlage bestimmt. Damit handelt es sich um sonstiges in Abwasseranlagen fließendes Wasser im Sinne von § 2 Nr. 1 AbwS. Das Schmutzwasser selbst dagegen war in der Kleinkläranlage zu entsorgen. Dieser Differenzierung folgt auch § 10 Abs. 1 AbwS, wonach der Errichtung einer Kleinkläranlage dann zugestimmt wird, wenn das häusliche Schmutzwasser keiner öffentlichen Abwasseranlage zugeführt werden kann.

30

Unerheblich ist, in welchem Grad das Schmutzwasser durch die Kleinkläranlage tatsächlich gereinigt wurde und ob das überlaufende Wasser den Anforderungen entsprach, wie sie jedenfalls heute nach der Anlage 7 zu den AEB-A (2013) erforderlich sind. Denn unabhängig von einer etwaigen Verpflichtung, bestimmte Qualitätsmerkmale einzuhalten, ergibt sich aus der Erlaubnis, Überlaufwasser aus einer Kleinkläranlage einzuleiten, erkennbar nicht die Erlaubnis, ungereinigtes Schmutzwasser einzuleiten. Der Betrieb einer auf dem Grundstück befindlichen Kleinkläranlage dient gerade dazu, dies zu vermeiden.

31

cc) Eine ebensolche differenzierte Betrachtungsweise mit der Unterscheidung verschiedenartiger Anschlüsse liegt auch der Beurteilung der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung zum Anschluss an Abwasseranlagen zu Grunde, was das dargestellte Verständnis ebenfalls bestätigt. In Fällen wie den vorliegenden ist auch ein Anschluss- und Benutzungszwang an die neu geschaffene öffentliche Abwasseranlage in Form einer Schmutzwasserkanalisation zulässig. Ein solcher so genannter Vollanschluss kann für Grundstücke verlangt werden, die über eine Kleinkläranlage verfügen. Das Eigentumsrecht eines Grundstückseigentümers, der auf seinem Grundstück eine private Kleinkläranlage betreibt, ist von vornherein dahin eingeschränkt, dass er seine Anlage nur solange benutzen darf, bis im öffentlichen Interesse ein Anschluss- und Benutzungszwang angeordnet wird. Zu dessen Durchsetzung ist auch die Bestimmung zulässig, eine vorhandene Kleinkläranlage außer Betrieb zu nehmen. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass das Grundstück vollständig an die öffentliche Abwasseranlage anzuschließen ist (vgl. SächsOVG, DVBl. 2013, 867 Rn. 27 m.w.N.). Unschädlich ist auch hierfür, dass das auf dem Grundstück anfallende Abwasser in der Kleinkläranlage nur vorgeklärt und sodann in einen Vorfluter eingeleitet wird (vgl. SächsOVG, aaO Rn. 2). Das Verlangen eines so genannten Vollanschlusses auch für solche Grundstücke, die über eine Kläranlage verfügen, dient neben dem Gewässerschutz im Übrigen auch einer gleichmäßigen Verteilung der entstehenden Kosten auf möglichst alle Grundstücke (SächsOVG, Urteil vom 16. Oktober 2007 - 4 B 507/05, juris Rn. 27; vgl. auch BVerwG, NVwZ 1998, 1080, 1081).

32

3. Die Klägerin kann darüber hinaus Erstattung der Kosten für die Herstellung des Grundstücksanschlusses in der P.-Straße nach § 3 Abs. 5 AEB-A (2005) verlangen. Aus denselben Erwägungen handelt es sich auch bei der Herstellung des Grundstücksanschlusses für das Schmutzwasser nicht lediglich um die Erneuerung oder den Ersatz eines bereits vorhandenen Grundstücksanschlusses.

33

4. Zutreffend hat das Berufungsgericht auch angenommen, dass die Forderungen der Klägerin auf Zahlung von Baukostenzuschüssen nicht verjährt sind.

34

Mit Recht ist es davon ausgegangen, dass die regelmäßige Verjährungsfrist gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres begonnen hat, in dem die Ansprüche entstanden sind und die Klägerin von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste. Dies war Ende 2008.

35

Ein Anspruch ist im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB entstanden, sobald er im Wege der Klage geltend gemacht werden kann, wofür grundsätzlich auch Fälligkeit des Anspruchs nach § 271 Abs. 1 BGB notwendig ist (BGH, Urteil vom 18. Juni 2009 - VII ZR 167/08, BGHZ 181, 310 Rn. 19; Palandt/Ellenberger, BGB, 73. Aufl., § 199 Rn. 3 m.w.N.). Die Voraussetzungen, unter denen die Ansprüche der Klägerin auf Zahlung eines Baukostenzuschusses entstehen, richten sich wie dargestellt (vgl. oben unter 2.b)) nach § 2 Abs. 1 AEB-A (2005). Sie setzen also den Anschluss an die öffentlichen Entwässerungsanlagen voraus. Die in § 2 Abs. 2 AEB-A (2005) in Bezug genommene Anlage 6, die nach ihrer Überschrift die Berechnung des Baukostenzuschusses regelt, ändert hieran nichts. Soweit sie in Abs. 7 Satz 1 regelt, dass der Baukostenzuschuss spätestens mit der Herstellung der Entwässerungsanlage zur Zahlung fällig wird, berührt dies schon nach ihrem Wortlaut nicht die Voraussetzungen des Anspruchs, sondern nur dessen Fälligkeit, § 271 Abs. 1 BGB. Solange die Voraussetzungen zur Entstehung eines Anspruchs nicht vorliegen, kann dieser auch nicht fällig werden. Deshalb können die Regelungen in Anlage 6 zur AEB-A (2005) nur so verstanden werden, dass sie das Bestehen eines Anspruchs voraussetzen. Die hierfür notwendigen Voraussetzungen lagen nach dem Vortrag des Beklagten im Jahr 2007 vor. Es muss daher nicht entschieden werden, was genau unter der Herstellung der Entwässerungsanlage in der Anlage 6 Abs. 7 zur AEB-A (2005) zu verstehen ist.

36

Von der Revision unangegriffen ist die weitere Feststellung des Berufungsgerichts, dass die Klägerin frühestens im Jahr 2008 von dem Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen Kenntnis erlangen konnte. Damit hat die Klageerhebung im Juni 2011 zur Hemmung der Verjährung geführt.

37

5. Soweit sich die Revision gegen die Auffassung des Berufungsgerichts wendet, die weiteren Einwendungen des Beklagten gegen Grund und Höhe des Baukostenzuschusses seien von dem Einwendungsausschluss des § 15 AEB-A erfasst, hat dies ebenfalls keinen Erfolg. Die Revision ist insoweit unzulässig, weil das Berufungsgericht sie nicht zugelassen hat.

38

Zwar hat das Berufungsgericht im Tenor die Revisionszulassung nicht eingeschränkt. Es entspricht jedoch ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass sich auch bei uneingeschränkter Zulassung des Rechtsmittels im Tenor eine wirksame Beschränkung aus den Entscheidungsgründen ergeben kann (BGH, Beschlüsse vom 10. Februar 2011 - VII ZR 71/10, NJW 2011, 1228 Rn. 10 ff.; vom 10. September 2009 - VII ZR 153/08, NJW-RR 2010, 572 Rn. 4 f.; vom 14. Mai 2008 - XII ZB 78/07, NJW 2008, 2351 Rn. 15 ff., jeweils m.w.N.). Das bedeutet allerdings nicht, dass stets allein aus der Begründung der Rechtsmittelzulassung eine Beschränkung auf den Bereich der mitgeteilten Gründe entnommen werden kann. Eine Zulassungsbeschränkung kann vielmehr nur angenommen werden, wenn aus den Gründen hinreichend klar hervorgeht, dass das Berufungsgericht die Möglichkeit einer Nachprüfung im Revisionsverfahren nur wegen eines abtrennbaren Teils seiner Entscheidung eröffnen wollte (BGH, Beschluss vom 14. Mai 2008 - XII ZB 78/07, NJW 2008, 2351 Rn. 16).

39

Dies ist hier der Fall. Das Berufungsgericht hat eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache angenommen, weil die Klägerin aufgrund ihrer umfangreichen Erschließungstätigkeit in einer Vielzahl von Fällen Baukostenzuschüsse verlange, die sie bei durchschnittlich 20 % der Fälle gerichtlich geltend machen müsse. Dabei werde regelmäßig der Einwand erhoben, Baukostenzuschüsse könnten nicht erhoben werden, weil eine vorhandene Kleinkläranlage bereits einen Überlauf mit dem öffentlichen Abwassernetz gehabt habe und damit kein Neuanschluss vorliege. Außerdem diene die Zulassung auch der Fortbildung des Rechts zu der vom Bundesgerichtshof bereits in seinem Urteil vom 23. November 2011 (VIII ZR 23/11, NJW-RR 2012, 351) behandelten Frage, wann von einer erstmaligen Herstellung eines Anschlusses an ein Ver- bzw. Entsorgungsnetz auszugehen sei. Beide Zulassungsgründe betreffen ausschließlich das Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 AEB-A (2005) bzw. § 3 Abs. 5 AEB-A (2005).

40

Eine Beschränkung mit diesem Inhalt ist zulässig. Zwar ist eine Revisionszulassung hinsichtlich einer bestimmten Rechtsfrage unzulässig. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die Zulassung der Revision jedoch auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs beschränkt werden, der Gegenstand eines selbständig anfechtbaren Teil- oder Zwischenurteils sein könnte oder auf den der Revisionskläger selbst seine Revision beschränken könnte (BGH, Beschlüsse vom 10. Februar 2011 - VII ZR 71/10, NJW 2011, 1228 Rn. 11; vom 22. Juni 2010 - VIII ZR 192/09, WuM 2010, 565 Rn. 1 f.; vom 10. September 2009 - VII ZR 153/08, NJW-RR 2010, 572 Rn. 5; vom 14. Mai 2008 - XII ZB 78/07, NJW 2008, 2351 Rn. 21 ff., jeweils m.w.N.). Das ist hier der Fall. Weitere Einwendungen zur grundsätzlichen Berechtigung zur Erhebung eines Baukostenzuschusses macht der Beklagte nicht geltend. Er greift nur die Höhe in mehrfacher Hinsicht an und bestreitet die Zulässigkeit der konkret durchgeführten Baumaßnahmen, vor allem deren Erforderlichkeit. Dies sind abgrenzbare Teile des Streitgegenstandes, die sowohl rechtlich als auch tatsächlich selbständig sind.

III.

41

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Eick                           Safari Chabestari                           Halfmeier

            Jurgeleit                                          Graßnack

13
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann sich die Beschränkung der Revisionszulassung auch aus den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils ergeben. Hat das Berufungsgericht die Revision wegen einer Rechtsfrage zugelassen, die nur für einen eindeutig abgrenzbaren Teil des Streitstoffs von Bedeutung ist, kann die gebotene Auslegung der Entscheidungsgründe ergeben, dass die Zulassung der Revision auf diesen Teil des Streitstoffs beschränkt ist (vgl. nur Senatsbeschluss vom 15. Januar 2013 - XI ZR 400/11, juris Rn. 4 und Senatsurteil vom 4. März 2014 - XI ZR 178/12, BKR 2014, 245 Rn. 18, jeweils mwN). So verhält es sich hier.
10
II. Die Revision ist nur beschränkt auf den Hauptantrag und insoweit nur auf die Minderung des Anspruchs durch Anfechtungserlöse zugelassen. Zwar enthält die Entscheidungsformel des Berufungsurteils keinen Zusatz, der die dort ausgesprochene Zulassung der Revision einschränkt. Die Beschränkung der Rechtsmittelzulassung kann sich aber auch aus den Entscheidungsgründen ergeben. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass der Tenor im Licht der Entscheidungsgründe auszulegen und deshalb von einer beschränkten Revisionszulassung auszugehen ist, wenn sich dies aus den Gründen der Beschränkung klar ergibt. Das ist regelmäßig dann anzuneh- men, wenn sich die vom Berufungsgericht als zulassungsrelevant angesehene Frage nur für einen eindeutig abgrenzbaren selbständigen Teil des Streitstoffs stellt, auf den auch die Parteien die Revision beschränken könnten (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12, VersR 2014, 381 Rn. 60 m.w.N.; Urteil vom 13. November 2012 - XI ZR 334/11, ZIP 2013, 62 Rn. 9; Urteil vom 27. September 2011 - II ZR 221/09, ZIP 2011, 2491 Rn. 18).
60
b) Von einer derartigen beschränkten Revisionszulassung ist vorliegend auszugehen. Zwar enthält die Entscheidungsformel des Berufungsurteils keinen Zusatz, der die dort ausgesprochene Zulassung der Revision einschränkt. Die Beschränkung der Rechtsmittelzulassung kann sich aber auch aus den Entscheidungsgründen ergeben. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass der Tenor im Lichte der Entscheidungsgründe auszulegen und deshalb von einer beschränkten Revisionszulassung auszugehen ist, wenn sich dies aus den Gründen der Beschränkung klar ergibt. Das ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn sich die vom Berufungsgericht als zulassungsrelevant angesehene Frage nur für einen eindeutig abgrenzbaren selbständigen Teil des Streitstoffs stellt (vgl. etwa Senatsurteil vom 19. Oktober 2010 - VI ZR 237/09, NJW 2011, 155 Rn. 8; Senatsbeschluss vom 17. April 2012 - VI ZR 140/11, AfP 2012, 371 Rn. 4; BGH, Urteile vom 30. März 2007 - V ZR 179/06, VersR 2007, 1230 Rn. 7; vom 21. Januar 2010 - I ZR 215/07, NJW-RR 2010, 909 Rn. 13 f., jeweils mwN).

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

Der Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Die Vorschrift des § 276 Abs. 3 findet keine Anwendung.

33
Das Berufungsgericht hat die im Urteilsausspruch enthaltene Revisionszulassung nicht eingeschränkt. Zwar ist in den Entscheidungsgründen ausgeführt , die Revisionszulassung erfolge wegen der "verschiedenen vertrags-, insolvenz - und abgaberechtlichen Fragen". Sollte hierin aus der Sicht des Berufungsgerichts eine Beschränkung der Revisionszulassung auf eine bestimmte Rechtsfrage liegen, wäre diese unbeachtlich. Die Zulassung der Revision kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichthofs nur auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffes beschränkt werden , der Gegenstand eines Teilurteils sein oder auf den der Revisionskläger selbst seine Revision beschränken könnte. Unzulässig ist es, die Zulassung auf einzelne von mehreren Anspruchsgrundlagen oder auf bestimmte Rechtsfragen zu beschränken (Senatsurteil vom 30. April 2014 - XII ZR 146/12 - NJW 2014, 2102 Rn. 18 mwN).

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 16. Juli 2013 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Zahlung eines Baukostenzuschusses für den Anschluss an das öffentliche Abwassersystem sowie die Erstattung der Kosten für die Herstellung des Grundstücksanschlusses (Anschlusskanal).

2

Die klagende GmbH ist gemäß § 3 Abs. 2 der Satzung des Zweckverbandes für Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung Leipzig-Land für die öffentliche Abwasserbeseitigung und für die Grundstücksentwässerung (Abwassersatzung - AbwS) vom 23. September 2010 (SächsABl. AAz. 2010, S. A 410 f.) Betreiber der dem Zweckverband übertragenen Aufgabe der Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung für Leipzig-Land. Nach § 3 Abs. 3 der im Jahr 2007 gültigen Abwassersatzung vom 23. November 2006 (SächsABl. AAz. 2007, S. A 130) (im Folgenden: Satzung oder AbwS) bestimmen sich der Anschluss an das öffentliche Abwassernetz und die Entsorgung des Abwassers nach den Allgemeinen Entsorgungsbedingungen für Abwasser (AEB-A).

3

§ 2 Abs. 1 AEB-A (2005) lautet:

"Der Anschlussnehmer hat bei Anschluss an die öffentlichen Entwässerungsanlagen oder bei einer wesentlichen Erhöhung seiner Leistungsanforderungen einen Zuschuss zu den Kosten der öffentlichen Entwässerungsanlagen (Baukostenzuschuss) an die Gesellschaft zu zahlen."

4

§ 3 AEB-A (2005) lautet:

"§ 3 Grundstücksanschlüsse (Anschlusskanal), Anschlusskanalkosten

(1) Grundstücksanschlüsse (Anschlusskanäle) nach § 2 Abs. 6 der Abwasserentsorgungssatzung gehören zu den Betriebsanlagen der Gesellschaft.

(2) Die Herstellung des Grundstücksanschlusses (Anschlusskanal) erfolgt durch die Gesellschaft. Die Gesellschaft kann sich eines Dritten bedienen.

(3) Der Grundstücksanschluss (Anschlusskanal) beginnt am öffentlichen Kanal oder Schacht und endet am Übergabeschacht auf dem Grundstück. Ist kein Übergabeschacht vorhanden, endet der Anschlusskanal an der Grundstücksgrenze.

(5) Der Anschlussnehmer zahlt der Gesellschaft die Kosten nach der jeweils zum Zeitpunkt der Leistungserbringung gültigen 'Regelung der Kostenerstattung durch Anschlussnehmer für Abwasser' für die Herstellung, Veränderung oder Beseitigung des Grundstücksanschlusses (Anschlusskanal), die durch eine Änderung oder Erweiterung seiner Anlage erforderlich sind oder aus anderen Gründen von ihm veranlasst werden. ..."

5

Der Beklagte ist Eigentümer zweier jeweils mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücke in S., und zwar in der P.-Straße und in der L.-Straße. Bis zur Durchführung der streitgegenständlichen Baumaßnahmen wurde das dort anfallende häusliche Schmutzwasser einer auf den jeweiligen Grundstücken befindlichen Kleinkläranlage zugeführt. Deren Überlauf war an einen öffentlichen Abwasserkanal angeschlossen.

6

Im Zuge eines größeren Erschließungsvorhabens errichtete die Klägerin eine neue öffentliche Schmutzwasserleitung und - soweit erforderlich - öffentliche Anschlusskanäle. Die Anlage wurde insgesamt an ein zentrales Klärwerk angeschlossen.

7

Das auf dem Grundstück in der P.-Straße anfallende Schmutzwasser wird nunmehr über einen neu hergestellten öffentlichen Anschlusskanal (Hausanschluss) vollständig in den ebenfalls neu hergestellten öffentlichen Abwasserkanal geleitet und von dort zu einer zentralen Kläranlage geführt. Das anfallende Niederschlagswasser wird über den alten vorhandenen öffentlichen Anschlusskanal abgeführt.

8

In der L.-Straße wird das anfallende Schmutz- und Niederschlagswasser über den weiterhin vorhandenen bisherigen öffentlichen Anschlusskanal (Hausanschluss) nunmehr vollständig in den öffentlichen Abwasserkanal mit integriertem Abschlagsbauwerk geleitet, dort getrennt und sodann einerseits zur zentralen Kläranlage und andererseits in ein Gewässer geleitet.

9

Hinsichtlich des Grundstücks in der L.-Straße informierte die Klägerin den Beklagten mit Schreiben vom 24. November 2005 über die Durchführung der Maßnahmen; zuvor hatte sie unter dem 13. Oktober 2005 bereits den Abschluss eines Nutzungsvertrags unter Übersendung der AEB-A (2005), eines Preisblattes und einer Kostenberechnung angeboten. Am 29. August 2008 erfolgte auf diesem Grundstück die Endreinigung und Stilllegung der Kleinkläranlage. Auch hinsichtlich des Grundstücks P.-Straße hatte die Klägerin dem Beklagten den Abschluss eines Nutzungsvertrags angeboten. Mit Schreiben vom 30. Januar 2006 informierte die Klägerin den Beklagten über die durchgeführte Maßnahme. Am 12. August 2008 erfolgte auf diesem Grundstück die Endreinigung und Stilllegung der Kleinkläranlage.

10

Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung von 7.336,16 € nebst Zinsen und vorgerichtliche Kosten verurteilt. Seine Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision möchte der Beklagte die Klageabweisung erreichen.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision des Beklagten hat keinen Erfolg.

I.

12

Das Berufungsgericht geht davon aus, dass zwischen den Parteien mit Beginn der Abwassereinleitung durch den Beklagten - sei es nach seinem Vortrag im Jahre 2007, sei es nach dem Vortrag der Klägerin im Jahre 2008 - jeweils ein wirksamer Abwasser-Entsorgungsvertrag mit gleichzeitiger Übernahme der Verpflichtung zur Baukostenzuschusszahlung unter Geltung der AEB-A (2005) zustande gekommen sei.

13

Bei den Baumaßnahmen der Klägerin handele es sich um einen Anschluss der Grundstücke des Beklagten an die öffentliche Entwässerungsanlage der Klägerin im Sinne des § 2 Abs. 1 AEB-A (2005). Der Begriff "Entwässerungsanlage" sei ebenso zu verstehen wie derjenige der öffentlichen "Abwasseranlage" in § 2 Nr. 2 AbwS. Hiernach seien als öffentliche Abwasseranlage definiert das öffentliche Abwassernetz und die öffentlichen Abwasserbehandlungsanlagen.

14

Die Verpflichtung zur Zahlung eines Baukostenzuschusses gemäß § 2 AEB-A (2005) beziehe sich nicht nur auf einen erstmaligen Anschluss an das öffentliche Abwassernetz, sondern auch auf den erstmaligen Anschluss an die öffentliche Abwasserbehandlungsanlage. Hierunter sei gemäß § 2 Nr. 4 AbwS die Anlage zur Behandlung des gesammelten Abwassers bzw. Abwasserschlamms einschließlich der Ableitung zum Gewässer zu verstehen. An diese öffentliche zentrale Abwasserbehandlungsanlage seien die Grundstücke des Beklagten durch die Errichtung des Trennsystems erstmals angeschlossen worden.

15

Die Höhe der separat geltend gemachten Forderungen sei jeweils schlüssig dargelegt und hinsichtlich ihrer Berechnungsparameter den Rechtsgrundlagen in nachvollziehbarer Weise entnommen. Die Baukostenzuschüsse betrügen hiernach jeweils die geforderten 3.160,29 € und der Erstattungsanspruch für die Herstellung des neuen grundstücksbezogenen öffentlichen Anschlusskanals in der P.-Straße 1.015,58 €.

16

Weitere von dem Beklagten erhobene Einwendungen seien von dem - wirksamen - Einwendungsausschluss des § 15 AEB-A (2005) erfasst, der dazu führe, dass sie in einem Rückforderungsprozess geltend gemacht werden müssten.

17

Die Forderungen der Klägerin seien auch nicht verjährt. Für die Fälligkeit der Forderungen sei nach § 271 BGB i.V.m. der Anlage 6 Abs. 7 AEB-A (2005) auf den Zeitpunkt der "Herstellung der Entwässerungsanlage" abzustellen. Diese läge jedoch nicht in dem bereits einige Jahre zurückliegenden Abschluss der Arbeiten an der Entwässerungsanlage der Klägerin. Vielmehr sei auf die tatsächliche Anbindung der Abwasserleitung des Beklagten an die neu geschaffenen Zuleitungen zum Abwassersystem der Klägerin abzustellen, weil erst zu diesem Zeitpunkt die neue Entwässerungsanlage im Verhältnis der Parteien zueinander hergestellt gewesen sei. Es könne zugunsten des Beklagten unterstellt werden, dass diese Arbeiten zur Umbindung des Hausanschlusses an beiden Grundstücken bereits im Jahre 2007 stattgefunden haben und gleichzeitig mit der Abwassereinleitung in die Anlagen der Klägerin begonnen worden sei. Nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB habe die Verjährung der streitgegenständlichen Ansprüche erst beginnen können, nachdem die Klägerin von der Annahme ihrer Realofferte durch den Beklagten als Folge der Einleitung des Abwassers von den streitgegenständlichen Grundstücken in ihre Abwasseranlage erfahren habe bzw. hätte erfahren müssen. Da der Beklagte dies zu keiner Zeit mitgeteilt habe, sei für die Klägerin die Aufnahme der Abwassereinleitung frühestens im Zusammenhang mit der Entleerung und Endreinigung der Kläranlagen auf den Grundstücken des Beklagten im Jahre 2008 erkennbar gewesen. Damit sei durch die Klageerhebung am 17. Juni 2011 der Eintritt der Verjährung rechtzeitig gehemmt worden.

II.

18

Das hält der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

19

1. Rechtsfehlerfrei und von der Revision auch nicht angegriffen geht das Berufungsgericht davon aus, dass zwischen den Parteien ein Abwasserentsorgungsvertrag unter Einbeziehung der Allgemeinen Entsorgungsbedingungen für Abwasser in der Fassung 2005 zustande gekommen ist.

20

2. Die Klägerin hat gegen den Beklagten aus dem Vertrag einen Anspruch auf Zahlung je eines Baukostenzuschusses für jedes Grundstück in der geltend gemachten Höhe gemäß § 2 Abs. 1 AEB-A (2005).

21

a) Die Auslegung dieser Vertragsklausel ist vom Revisionsgericht nach § 545 Abs. 1 ZPO uneingeschränkt vorzunehmen. Denn Allgemeine Geschäftsbedingungen sind wie revisible Rechtsnormen zu behandeln, da bei ihnen ungeachtet der Frage, ob sie über den räumlichen Bezirk eines Berufungsgerichts hinaus Verwendung finden, ein Bedürfnis nach einheitlicher Handhabung besteht (BGH, Urteile vom 13. November 2012 - XI ZR 500/11, BGHZ 195, 298 Rn. 15; vom 20. Juni 2013 - VII ZR 82/12, BauR 2013, 1673 Rn. 12 = NZBau 2013, 567, jeweils m.w.N.). Allgemeine Geschäftsbedingungen sind - ausgehend von den Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht vorgebildeten durchschnittlichen Vertragspartners - einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden werden (BGH, Urteil vom 20. Juni 2013 - VII ZR 82/12, aaO Rn. 12 m.w.N.; st. Rspr.).

22

b) Nach diesen Maßstäben fällt unter die öffentlichen Entwässerungsanlagen im Sinne von § 2 Abs. 1 AEB-A jedenfalls das öffentliche Abwassernetz.

23

Mangels einer näheren Definition in den Allgemeinen Entsorgungsbedingungen Abwasser hat das Berufungsgericht zu Recht zur Auslegung des Begriffs der öffentlichen Entwässerungsanlagen auf die zur Zeit des Vertragsabschlusses gültige Satzung des Zweckverbandes zurückgegriffen. Hiernach umfasst eine öffentliche Abwasseranlage das öffentliche Abwassernetz und die öffentlichen Abwasserbehandlungsanlagen (§ 2 Nr. 2 AbwS). Das öffentliche Abwassernetz (Kanalnetz) ist die leitungsgebundene Anlage zur Aufnahme und zum Transport von Abwasser ab Grundstücksgrenze bzw. ab Übergabeschacht auf dem Grundstück bis zu einer öffentlichen Abwasserbehandlungsanlage oder einem Vorfluter (Gewässer). Es umfasst die Abwasserkanäle und Anschlusskanäle (§ 2 Nr. 3 AbwS).

24

Es muss nicht entschieden werden, ob die Auffassung des Berufungsgerichts zutrifft, ein Anschluss an die öffentlichen Entwässerungsanlagen liege auch bei einem erstmaligen Anschluss an eine öffentliche (zentrale) Abwasserbehandlungsanlage vor, selbst wenn zuvor bereits ein Anschluss an das öffentliche Abwassernetz bestand. Denn die Grundstücke des Beklagten sind durch die in Rede stehenden Baumaßnahmen hinsichtlich der Schmutzwasserentsorgung erstmalig an das öffentliche Abwassernetz angeschlossen worden. Das reicht aus, um die Pflicht zur Zahlung eines Baukostenzuschusses auszulösen.

25

aa) Im Ansatz zutreffend geht die Revision zwar davon aus, dass von einem Anschluss an die öffentlichen Entwässerungsanlagen im Sinne von § 2 Abs. 1 AEB-A (2005) nur auszugehen ist, wenn das Grundstück nicht bereits zuvor an eine öffentliche Entwässerungsanlage angeschlossen war und der (neu hergestellte) Anschluss an eine öffentliche Entwässerungsanlage den bereits vorhandenen Anschluss nicht lediglich ersetzte. Denn der Anschlussnehmer geht bei verständiger Würdigung des Wortlautes und Sinnes von § 2 Abs. 1 AEB-A (2005) davon aus, dass er einen Baukostenzuschuss grundsätzlich nur einmal, nämlich dann zu leisten hat, wenn er erstmalig an die öffentlichen Entwässerungsanlagen angeschlossen wird. Insoweit gilt Vergleichbares wie zur Regelung des § 9 AVBWasserV. Hiernach kann ein Trinkwasserversorger lediglich bei einem Neuanschluss eines Objektes an die Trinkwasserverteilungsanlagen einen Baukostenzuschuss erheben. Dagegen hat er die Kosten für die Unterhaltung und etwaige spätere Erneuerung der Verteilungsanlagen über die Preise abzudecken (BGH, Urteil vom 23. November 2011 - VIII ZR 23/11, NJW-RR 2012, 351 Rn. 21 m.w.N.).

26

bb) Indes handelt es sich hier nicht um die bloße Erneuerung der Entwässerungsanlagen. Die Grundstücke des Beklagten waren vor den Baumaßnahmen noch nicht (voll) an das öffentliche Abwassernetz angeschlossen. Anders als bei der Trinkwasserversorgung, wo es lediglich um die Frage gehen kann, ob ein Objekt bereits an die einheitlichen Trinkwasserverteilungsanlagen angeschlossen ist, ist bei der Abwasserentsorgung zu differenzieren. Denn im Gegensatz zur Trinkwasserversorgung kommen hier mehrere verschiedene Leistungen der Abwasserentsorgung in Betracht. Es gibt unterschiedliche Arten von Abwasser. In § 2 Nr. 1 AbwS (2005) wird unterschieden zwischen Schmutzwasser, Niederschlagswasser und sonstigem in Abwasseranlagen mit Schmutzwasser oder Niederschlagswasser fließenden Wasser. Es ist deshalb möglich, nur hinsichtlich der Beseitigung bestimmter Abwässer an die öffentlichen Entwässerungsanlagen angeschlossen zu sein, hinsichtlich anderer jedoch (noch) nicht. So liegt der Fall hier.

27

Die neu errichtete Abwasserleitung in der P.-Straße ist zur Aufnahme von Schmutzwasser bestimmt. In der L.-Straße dient der bisherige Anschluss nunmehr erstmals der Aufnahme von Schmutzwasser und nicht nur wie bisher von vorgeklärtem Überlaufwasser aus der Kleinkläranlage und von Niederschlagswasser. Das Schmutzwasser des Beklagten war bis dahin auf beiden Grundstücken nicht über das öffentliche Abwassernetz entsorgt worden. Vielmehr war es den Kleinkläranlagen zugeführt und dort behandelt worden. § 2 Nr. 13 AbwS definiert solche Kleinkläranlagen (Grundstückskläranlagen) ausdrücklich als Abwasserbehandlungsanlage, die auf einem Grundstück betrieben wird. Der dort anfallende Abwasserschlamm, den die Klägerin regelmäßig abholte, wird als Entsorgungsgut bezeichnet (§ 2 Nr. 8 AbwS).

28

Auch aus § 5 Abs. 4 AbwS ergibt sich die Unterscheidung zwischen einer solchen Entsorgung über eine Kleinkläranlage und dem Anschluss an öffentliche Abwasseranlagen. Dort wird einerseits angeordnet, dass von Grundstücken, "die an die öffentliche Abwasseranlage angeschlossen sind", alles Abwasser dort einzuleiten ist. Demgegenüber ist auf Grundstücken mit Kleinkläranlagen das gesamte häusliche Schmutzwasser in diese einzuleiten. Hiernach stellt die Zuführung und Behandlung von Schmutzwasser in einer Kleinkläranlage gerade keinen Anschluss an die öffentliche Abwasseranlage hinsichtlich des anfallenden Schmutzwassers dar. Zugleich ist danach auch ein Verständnis dahin ausgeschlossen, dass bereits die Abfuhr der in der Kleinkläranlage aufgefangenen Feststoffe durch die Klägerin und die Weiterbehandlung in einer Abfallanlage der Klägerin einen Anschluss auch hinsichtlich dieser zu entsorgenden Stoffe (als Teil des Schmutzwassers) an die öffentlichen Abwasseranlagen und damit die öffentlichen Entwässerungsanlagen im Sinne der Allgemeinen Entsorgungsbedingungen begründet. Vielmehr bedarf es hierfür einer gegenständlichen, baulichen Verbindung des Grundstücks mit den Entwässerungsanlagen.

29

Eine solche lag hinsichtlich des Schmutzwassers nicht vor. Sie wird auch nicht dadurch begründet, dass der Überlauf der Kleinkläranlage an die öffentlichen Entwässerungsanlagen in Form eines öffentlichen Abwasserkanals angeschlossen war. Denn diese Leitung war nicht zur Aufnahme von Schmutzwasser, sondern - neben der Aufnahme von hier nicht interessierendem Niederschlagswasser - nur zur Aufnahme des überlaufenden Wassers aus der Kleinkläranlage bestimmt. Damit handelt es sich um sonstiges in Abwasseranlagen fließendes Wasser im Sinne von § 2 Nr. 1 AbwS. Das Schmutzwasser selbst dagegen war in der Kleinkläranlage zu entsorgen. Dieser Differenzierung folgt auch § 10 Abs. 1 AbwS, wonach der Errichtung einer Kleinkläranlage dann zugestimmt wird, wenn das häusliche Schmutzwasser keiner öffentlichen Abwasseranlage zugeführt werden kann.

30

Unerheblich ist, in welchem Grad das Schmutzwasser durch die Kleinkläranlage tatsächlich gereinigt wurde und ob das überlaufende Wasser den Anforderungen entsprach, wie sie jedenfalls heute nach der Anlage 7 zu den AEB-A (2013) erforderlich sind. Denn unabhängig von einer etwaigen Verpflichtung, bestimmte Qualitätsmerkmale einzuhalten, ergibt sich aus der Erlaubnis, Überlaufwasser aus einer Kleinkläranlage einzuleiten, erkennbar nicht die Erlaubnis, ungereinigtes Schmutzwasser einzuleiten. Der Betrieb einer auf dem Grundstück befindlichen Kleinkläranlage dient gerade dazu, dies zu vermeiden.

31

cc) Eine ebensolche differenzierte Betrachtungsweise mit der Unterscheidung verschiedenartiger Anschlüsse liegt auch der Beurteilung der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung zum Anschluss an Abwasseranlagen zu Grunde, was das dargestellte Verständnis ebenfalls bestätigt. In Fällen wie den vorliegenden ist auch ein Anschluss- und Benutzungszwang an die neu geschaffene öffentliche Abwasseranlage in Form einer Schmutzwasserkanalisation zulässig. Ein solcher so genannter Vollanschluss kann für Grundstücke verlangt werden, die über eine Kleinkläranlage verfügen. Das Eigentumsrecht eines Grundstückseigentümers, der auf seinem Grundstück eine private Kleinkläranlage betreibt, ist von vornherein dahin eingeschränkt, dass er seine Anlage nur solange benutzen darf, bis im öffentlichen Interesse ein Anschluss- und Benutzungszwang angeordnet wird. Zu dessen Durchsetzung ist auch die Bestimmung zulässig, eine vorhandene Kleinkläranlage außer Betrieb zu nehmen. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass das Grundstück vollständig an die öffentliche Abwasseranlage anzuschließen ist (vgl. SächsOVG, DVBl. 2013, 867 Rn. 27 m.w.N.). Unschädlich ist auch hierfür, dass das auf dem Grundstück anfallende Abwasser in der Kleinkläranlage nur vorgeklärt und sodann in einen Vorfluter eingeleitet wird (vgl. SächsOVG, aaO Rn. 2). Das Verlangen eines so genannten Vollanschlusses auch für solche Grundstücke, die über eine Kläranlage verfügen, dient neben dem Gewässerschutz im Übrigen auch einer gleichmäßigen Verteilung der entstehenden Kosten auf möglichst alle Grundstücke (SächsOVG, Urteil vom 16. Oktober 2007 - 4 B 507/05, juris Rn. 27; vgl. auch BVerwG, NVwZ 1998, 1080, 1081).

32

3. Die Klägerin kann darüber hinaus Erstattung der Kosten für die Herstellung des Grundstücksanschlusses in der P.-Straße nach § 3 Abs. 5 AEB-A (2005) verlangen. Aus denselben Erwägungen handelt es sich auch bei der Herstellung des Grundstücksanschlusses für das Schmutzwasser nicht lediglich um die Erneuerung oder den Ersatz eines bereits vorhandenen Grundstücksanschlusses.

33

4. Zutreffend hat das Berufungsgericht auch angenommen, dass die Forderungen der Klägerin auf Zahlung von Baukostenzuschüssen nicht verjährt sind.

34

Mit Recht ist es davon ausgegangen, dass die regelmäßige Verjährungsfrist gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres begonnen hat, in dem die Ansprüche entstanden sind und die Klägerin von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste. Dies war Ende 2008.

35

Ein Anspruch ist im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB entstanden, sobald er im Wege der Klage geltend gemacht werden kann, wofür grundsätzlich auch Fälligkeit des Anspruchs nach § 271 Abs. 1 BGB notwendig ist (BGH, Urteil vom 18. Juni 2009 - VII ZR 167/08, BGHZ 181, 310 Rn. 19; Palandt/Ellenberger, BGB, 73. Aufl., § 199 Rn. 3 m.w.N.). Die Voraussetzungen, unter denen die Ansprüche der Klägerin auf Zahlung eines Baukostenzuschusses entstehen, richten sich wie dargestellt (vgl. oben unter 2.b)) nach § 2 Abs. 1 AEB-A (2005). Sie setzen also den Anschluss an die öffentlichen Entwässerungsanlagen voraus. Die in § 2 Abs. 2 AEB-A (2005) in Bezug genommene Anlage 6, die nach ihrer Überschrift die Berechnung des Baukostenzuschusses regelt, ändert hieran nichts. Soweit sie in Abs. 7 Satz 1 regelt, dass der Baukostenzuschuss spätestens mit der Herstellung der Entwässerungsanlage zur Zahlung fällig wird, berührt dies schon nach ihrem Wortlaut nicht die Voraussetzungen des Anspruchs, sondern nur dessen Fälligkeit, § 271 Abs. 1 BGB. Solange die Voraussetzungen zur Entstehung eines Anspruchs nicht vorliegen, kann dieser auch nicht fällig werden. Deshalb können die Regelungen in Anlage 6 zur AEB-A (2005) nur so verstanden werden, dass sie das Bestehen eines Anspruchs voraussetzen. Die hierfür notwendigen Voraussetzungen lagen nach dem Vortrag des Beklagten im Jahr 2007 vor. Es muss daher nicht entschieden werden, was genau unter der Herstellung der Entwässerungsanlage in der Anlage 6 Abs. 7 zur AEB-A (2005) zu verstehen ist.

36

Von der Revision unangegriffen ist die weitere Feststellung des Berufungsgerichts, dass die Klägerin frühestens im Jahr 2008 von dem Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen Kenntnis erlangen konnte. Damit hat die Klageerhebung im Juni 2011 zur Hemmung der Verjährung geführt.

37

5. Soweit sich die Revision gegen die Auffassung des Berufungsgerichts wendet, die weiteren Einwendungen des Beklagten gegen Grund und Höhe des Baukostenzuschusses seien von dem Einwendungsausschluss des § 15 AEB-A erfasst, hat dies ebenfalls keinen Erfolg. Die Revision ist insoweit unzulässig, weil das Berufungsgericht sie nicht zugelassen hat.

38

Zwar hat das Berufungsgericht im Tenor die Revisionszulassung nicht eingeschränkt. Es entspricht jedoch ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass sich auch bei uneingeschränkter Zulassung des Rechtsmittels im Tenor eine wirksame Beschränkung aus den Entscheidungsgründen ergeben kann (BGH, Beschlüsse vom 10. Februar 2011 - VII ZR 71/10, NJW 2011, 1228 Rn. 10 ff.; vom 10. September 2009 - VII ZR 153/08, NJW-RR 2010, 572 Rn. 4 f.; vom 14. Mai 2008 - XII ZB 78/07, NJW 2008, 2351 Rn. 15 ff., jeweils m.w.N.). Das bedeutet allerdings nicht, dass stets allein aus der Begründung der Rechtsmittelzulassung eine Beschränkung auf den Bereich der mitgeteilten Gründe entnommen werden kann. Eine Zulassungsbeschränkung kann vielmehr nur angenommen werden, wenn aus den Gründen hinreichend klar hervorgeht, dass das Berufungsgericht die Möglichkeit einer Nachprüfung im Revisionsverfahren nur wegen eines abtrennbaren Teils seiner Entscheidung eröffnen wollte (BGH, Beschluss vom 14. Mai 2008 - XII ZB 78/07, NJW 2008, 2351 Rn. 16).

39

Dies ist hier der Fall. Das Berufungsgericht hat eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache angenommen, weil die Klägerin aufgrund ihrer umfangreichen Erschließungstätigkeit in einer Vielzahl von Fällen Baukostenzuschüsse verlange, die sie bei durchschnittlich 20 % der Fälle gerichtlich geltend machen müsse. Dabei werde regelmäßig der Einwand erhoben, Baukostenzuschüsse könnten nicht erhoben werden, weil eine vorhandene Kleinkläranlage bereits einen Überlauf mit dem öffentlichen Abwassernetz gehabt habe und damit kein Neuanschluss vorliege. Außerdem diene die Zulassung auch der Fortbildung des Rechts zu der vom Bundesgerichtshof bereits in seinem Urteil vom 23. November 2011 (VIII ZR 23/11, NJW-RR 2012, 351) behandelten Frage, wann von einer erstmaligen Herstellung eines Anschlusses an ein Ver- bzw. Entsorgungsnetz auszugehen sei. Beide Zulassungsgründe betreffen ausschließlich das Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 AEB-A (2005) bzw. § 3 Abs. 5 AEB-A (2005).

40

Eine Beschränkung mit diesem Inhalt ist zulässig. Zwar ist eine Revisionszulassung hinsichtlich einer bestimmten Rechtsfrage unzulässig. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die Zulassung der Revision jedoch auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs beschränkt werden, der Gegenstand eines selbständig anfechtbaren Teil- oder Zwischenurteils sein könnte oder auf den der Revisionskläger selbst seine Revision beschränken könnte (BGH, Beschlüsse vom 10. Februar 2011 - VII ZR 71/10, NJW 2011, 1228 Rn. 11; vom 22. Juni 2010 - VIII ZR 192/09, WuM 2010, 565 Rn. 1 f.; vom 10. September 2009 - VII ZR 153/08, NJW-RR 2010, 572 Rn. 5; vom 14. Mai 2008 - XII ZB 78/07, NJW 2008, 2351 Rn. 21 ff., jeweils m.w.N.). Das ist hier der Fall. Weitere Einwendungen zur grundsätzlichen Berechtigung zur Erhebung eines Baukostenzuschusses macht der Beklagte nicht geltend. Er greift nur die Höhe in mehrfacher Hinsicht an und bestreitet die Zulässigkeit der konkret durchgeführten Baumaßnahmen, vor allem deren Erforderlichkeit. Dies sind abgrenzbare Teile des Streitgegenstandes, die sowohl rechtlich als auch tatsächlich selbständig sind.

III.

41

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Eick                           Safari Chabestari                           Halfmeier

            Jurgeleit                                          Graßnack

8
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Einwand des Mitverschuldens, auf die sich die Revisionserwiderungen der Beklagten zu 2 bis 4 berufen. Danach kann die Revisionszulassung zwar wirksam auf den Mitverschuldenseinwand beschränkt werden. Voraussetzung dafür ist aber, dass das Berufungsgericht befugt gewesen wäre, zunächst ein Grundurteil zu erlassen und die Frage des Mitverschuldens dem Betragsverfahren vorzubehalten (vgl. BGH, Urteile vom 18. April 1997 - V ZR 28/96, BGHZ 135, 235, 237; vom 19. April 2013 - V ZR 113/12, aaO Rn. 11, jeweils mwN). Innerhalb des Betragsverfahrens ist eine entsprechende Beschränkung der Revisionszulassung nicht zulässig.
11
c) Entgegen der Ansicht der Kläger hat das Berufungsgericht die Zulassung der Revision auch nicht wirksam auf den Grund des Klageanspruchs beschränkt mit der Folge, dass die Entscheidung, soweit sie sich zu einem Mitverschulden der Kläger verhält, keiner Überprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt. Zwar kann die Revisionszulassung wirksam auf den Mitverschuldenseinwand beschränkt werden; Voraussetzung dafür ist aber, dass das Berufungsgericht befugt gewesen wäre, zunächst ein Grundurteil (§ 304 ZPO) zu erlassen und die Frage des Mitverschuldens dem Betragsverfahren vorzubehalten (BGH, Urteil vom 15. November 2001 - I ZR 264/99, NJW-RR 2002, 1148, 1149 mwN). Diese Möglichkeit war hier nicht gegeben. Die Frage des mitwirkenden Verschuldens eines Klägers darf nämlich nicht dem Betragsverfahren vorbehalten bleiben, wenn sich der Einwand des Mitverschuldens nicht vom Grund der Haftung trennen lässt, weil sich beides aus einem einheitlich zu würdigenden Schadensereignis ableitet (BGH, Urteil vom 15. November 2001 - I ZR 264/99, aaO, mwN). So liegt der Fall hier. Die Beklagten werfen den Klägern vor, dass diese ihnen gegenüber keine Freistellungserklärung abgegeben und den im Fall der Ausübung des Vorkaufsrechts fälligen Kaufpreis nicht bereitgestellt haben. Der Einwand des Mitverschuldens erstreckt sich somit in erster Linie auf die Entstehung des Schadens (§ 254 Abs. 1 BGB) und berührt damit auch den Grund des Anspruchs und nicht nur dessen Höhe. Deshalb hätte das Berufungsgericht bereits bei dem Erlass eines Zwischenurteils über den Anspruchsgrund ein etwaiges Mitverschulden der Kläger berücksichtigen müssen.
16
b) Die vom Berufungsgericht vorgenommene Beschränkung der Zulassung der Revision auf die Frage des Mitverschuldens der Klägerin betrifft schon deshalb einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs und ist daher wirksam, weil das Berufungsgericht bei Erlass eines Grundurteils die Frage des Mitverschuldens nach § 254 Abs. 2 BGB dem Nachverfahren über den Betrag hätten vorbehalten können (BGHZ 76, 397, 399 f.). Dass es tatsächlich kein Grundurteil erlassen hat, ist unerheblich (BGHZ 76, 397, 399).

Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;
2.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs ohne Erfolg geltend gemacht ist;
3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war;
4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat;
5.
wenn die Entscheidung auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
6.
wenn die Entscheidung entgegen den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht mit Gründen versehen ist.

(1) Das Präsidium bestimmt die Besetzung der Spruchkörper, bestellt die Ermittlungsrichter, regelt die Vertretung und verteilt die Geschäfte. Es trifft diese Anordnungen vor dem Beginn des Geschäftsjahres für dessen Dauer. Der Präsident bestimmt, welche richterlichen Aufgaben er wahrnimmt. Jeder Richter kann mehreren Spruchkörpern angehören.

(2) Vor der Geschäftsverteilung ist den Richtern, die nicht Mitglied des Präsidiums sind, Gelegenheit zur Äußerung zu geben.

(3) Die Anordnungen nach Absatz 1 dürfen im Laufe des Geschäftsjahres nur geändert werden, wenn dies wegen Überlastung oder ungenügender Auslastung eines Richters oder Spruchkörpers oder infolge Wechsels oder dauernder Verhinderung einzelner Richter nötig wird. Vor der Änderung ist den Vorsitzenden Richtern, deren Spruchkörper von der Änderung der Geschäftsverteilung berührt wird, Gelegenheit zu einer Äußerung zu geben.

(4) Das Präsidium kann anordnen, daß ein Richter oder Spruchkörper, der in einer Sache tätig geworden ist, für diese nach einer Änderung der Geschäftsverteilung zuständig bleibt.

(5) Soll ein Richter einem anderen Spruchkörper zugeteilt oder soll sein Zuständigkeitsbereich geändert werden, so ist ihm, außer in Eilfällen, vorher Gelegenheit zu einer Äußerung zu geben.

(6) Soll ein Richter für Aufgaben der Justizverwaltung ganz oder teilweise freigestellt werden, so ist das Präsidium vorher zu hören.

(7) Das Präsidium entscheidet mit Stimmenmehrheit. § 21i Abs. 2 gilt entsprechend.

(8) Das Präsidium kann beschließen, dass Richter des Gerichts bei den Beratungen und Abstimmungen des Präsidiums für die gesamte Dauer oder zeitweise zugegen sein können. § 171b gilt entsprechend.

(9) Der Geschäftsverteilungsplan des Gerichts ist in der von dem Präsidenten oder aufsichtführenden Richter bestimmten Geschäftsstelle des Gerichts zur Einsichtnahme aufzulegen; einer Veröffentlichung bedarf es nicht.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 137/04 Verkündet am:
13. September 2005
Böhringer-Mangold,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
GVG § 21 f Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1

a) Verhinderung des Vorsitzenden im Sinne des § 21 f Abs. 2 Satz 1 GVG ist nur
eine vorübergehende Verhinderung. Unzulässig ist deshalb die dauernde oder für
eine unabsehbare Zeit erfolgende Vertretung des ordentlichen Vorsitzenden.

b) Wann aus der vorübergehenden Verhinderung bei längerer Erkrankung eine dauernde
wird, ist eine unter Berücksichtigung des Zwecks von § 21 f Abs. 1 GVG zu
beantwortende Frage des Einzelfalls. Jedenfalls dann, wenn der ordentliche Vorsitzende
über ein ganzes Geschäftsjahr wegen Krankheit dienstunfähig war, hat
das Präsidium vor der Aufstellung des Geschäftsverteilungsplans für das nächste
Geschäftsjahr die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu nutzen, um die
Frage nach der voraussichtlichen Fortdauer der Verhinderung zu klären. Kann
hiernach nicht mit einer Wiederherstellung der Dienstfähigkeit in absehbarer Zeit
gerechnet werden, muss das Präsidium von einer dauernden Verhinderung ausgehen
und dies bei der Aufstellung des Geschäftsverteilungsplans für das nächste
Geschäftsjahr berücksichtigen.
BGH, Urteil vom 13. September 2005 - VI ZR 137/04 - OLG Frankfurt a.M.
LG Frankfurt a.M.
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. September 2005 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller und die Richter
Dr. Greiner, Wellner, Pauge und Stöhr

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt a.M. vom 29. April 2004 aufgehoben , soweit es über die Klage entschieden hat. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der Gerichtskosten, von deren Erhebung abgesehen wird, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Rückzahlung von 70 Millionen DM, die sie an die Beklagte als Entschädigung für verlorene Aktien auf der Grundlage des Wertpapierbereinigungsschlussgesetzes gezahlt hat. Sie behauptet, die Beklagte habe den der Auszahlung zugrundeliegenden Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18. Dezember 1989 durch Täuschung des Gerichts erschlichen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ihr auf die Berufung der Klägerin stattgegeben und die Revision zugelassen, mit der die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiterverfolgt. Soweit das Berufungsgericht eine Widerklage abgewiesen hat, nimmt die Beklagte das Urteil hin.

Entscheidungsgründe:

1. Die von der Revision erhobene Rüge, das Berufungsgericht sei nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen (§ 547 Nr. 1 ZPO), hat Erfolg.
a) Vorsitzender des als Berufungsgericht entscheidenden 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main war nach dem Geschäftsverteilungsplan für das Jahr 2004 - wie auch schon in den Jahren zuvor - Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht B.. Als Vertreter des Vorsitzenden war Richter am Oberlandesgericht S. bestimmt. Gemäß Lit. C Ziff. 1 des Geschäftsverteilungsplans richtete sich die Vertretung der Vorsitzenden der Senate nach § 21 f Abs. 2 GVG. B. war seit Juli 2002 bis zu seinem Tod im April 2004 ohne Unterbrechung dienstunfähig erkrankt. Das Präsidium des Oberlandesgerichts hatte deshalb dem 16. Zivilsenat mit Wirkung vom 5. Juni 2003 eine Richterin
mit halber Arbeitskraft zugewiesen. Der Änderungsbeschl uss zur Geschäftsverteilung des Oberlandesgerichts für das Geschäftsjahr 2003 vom 5. Juni 2003 stellte hierzu einleitend fest: "Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht B. ist noch immer auf unabsehbare Zeit erkrankt, so dass sich die Notwendigkeit der Vertretung im Vorsitz des Senats durch Richter am Oberlandesgericht S. auch weiterhin stellt". Auf Anfrage des Prozessbevollmächtigten der Beklagten antwortete die Präsidentin des Oberlandesgerichts mit Schreiben vom 1. September 2004, dass sich aus den beigezogenen Personalakten des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht B. nichts Näheres über Art und Verlauf seiner Erkrankung ergebe. Die Dienstunfähigkeitsanzeigen und -atteste enthielten keine näheren Informationen. Auch dem Präsidium sei nur bekannt gewesen, dass B. wegen einer schweren Krankheit auf unabsehbare Zeit dienstunfähig gewesen sei. In zwei weiteren Schreiben teilte die Präsidentin des Oberlandesgerichts mit, soweit dies möglich gewesen sei, seien Informationen über den Gesundheitszustand von Herrn B. eingeholt und an das Präsidium weitergegeben worden. Lange Zeit habe Hoffnung auf eine Besserung des Krankheitsbildes bestanden. Weiteres hat sie dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten nicht bekannt gegeben. Die vom erkennenden Senat eingeholte amtliche Auskunft der Präsidentin des Oberlandesgerichts vom 31. Mai 2005 enthält gleichfalls keine näheren Angaben zur Krankheit des B. oder deren Verlauf. Auf das Schreiben vom 31. Mai 2005 wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.
b) Die Aufgaben des Vorsitzenden des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts sind nach dem Vortrag der Parteien und der Auskunft der Präsidentin des Oberlandesgerichts über einen Zeitraum von deutlich mehr als einem Geschäftsjahr (Juli 2002 bis April 2004) durch den geschäftsplanmäßig bestellten Vertreter wahrgenommen worden. Im Zeitpunkt der maßgeblichen, dem ange-
fochtenen Urteil zugrundeliegenden mündlichen Verhandlung vom 11. März 2004 war das Berufungsgericht ohne ordentlichen Vorsitzenden. aa) Gemäß § 21 f Abs. 1 GVG führen den Vorsitz in den Spruchkörpern bei den Oberlandesgerichten neben den Präsidenten die Vorsitzenden Richter. Ausschließlich bei Verhinderung des Vorsitzenden führt stellvertretend nach § 21 f Abs. 2 Satz 1 GVG das vom Präsidium bestimmte Mitglied des Spruchkörpers den Vorsitz. Unter Verhinderung im Sinne dieser Vorschrift ist jedoch lediglich eine vorübergehende Abhaltung von der Ausübung des Vorsitzes zu verstehen. Unzulässig ist demgegenüber die dauernde oder für eine unabsehbare Zeit erfolgende Vertretung des ordentlichen Vorsitzenden (st. Rspr., vgl. BGHZ 16, 254, 256; 37, 210, 214; 95, 246 f.; BGHSt 21, 131, 133; BGH, Urteile vom 13. Dezember 1960 - 5 StR 488/60 - Umdr. S. 4; vom 28. Mai 1974 - 4 StR 37/74 - NJW 1974, 1572, 1573; vom 27. September 1988 - 1 StR 187/88 - NJW 1989, 843, 844; BFHE 155, 470, 471; BVerwG, Urteil vom 25. Juli 1985 - 3 C 4/85 - NJW 1986, 1366, 1367; Beschluss vom 11. Juli 2001 - 1 DB 20/01 - NJW 2001, 3493, 3494; vgl. bereits RGZ 119, 280, 282 f.; ebenso Kissel/Mayer, GVG, 4. Aufl., § 59 Rdn. 7; MünchKomm-ZPO/Wolf, 2. Aufl., § 59 GVG Rdn. 9; Zöller/Gummer, ZPO, 25. Aufl., § 21 f GVG Rdn. 5; § 21 e GVG Rdn. 39). Eine solche dauernde "Verhinderung" erfordert gegebenenfalls eine Berücksichtigung im Geschäftsverteilungsplan des laufenden Geschäftsjahrs (vgl. § 21 e Abs. 3 Satz 1 GVG). bb) In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht Einigkeit darüber , dass die Frage, ob die Verhinderung des Vorsitzenden vorübergehend oder dauernd ist, nicht losgelöst von dem Grund der Verhinderung beantwortet werden kann. Für den Fall der Erkrankung gilt, dass eine nur vorübergehende Verhinderung anzunehmen ist, wenn nach menschlicher Voraussicht mit einer baldigen Wiederherstellung der Gesundheit gerechnet werden kann (vgl.
BGHZ 16, 254, 256; Kissel/Mayer, aaO, § 59 Rdn. 7; Zöller/Gummer, aaO, § 21 e GVG Rdn. 39 a), nach den ärztlichen Auskünften zu erwarten ist, dass der erkrankte Vorsitzende in absehbarer, nicht zu ferner Zeit seine Dienstgeschäfte wieder aufnehmen kann (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 1960 - 5 StR 488/60 - Umdr. S. 5) oder im Zeitpunkt der Feststellung des Vertretungsfalls die Rückkehr des Erkrankten erwartet werden konnte (vgl. BGH, Urteil vom 27. September 1988 - 1 StR 187/88 - aaO, 844; vgl. auch MünchKomm -ZPO/Wolf, aaO, § 21 f GVG Rdn. 4; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 551 Rdn. 4). Allerdings wird bei einer Erkrankung eine gewisse Unsicherheit über die Dauer der Verhinderung hinzunehmen sein, weil der Verlauf und die Dauer einer Krankheit nur in beschränktem Umfang durch ärztliche oder sonstige menschliche Maßnahmen beeinflusst werden können und weil keine Gefahr besteht, dass die Dauer der Verhinderung von menschlichen Entscheidungen abhängig gemacht wird, die die Belange der Rechtspflege nicht genügend berücksichtigen (vgl. BGH, BGHZ 16, 254, 256 und Urteile vom 13. Dezember 1960 - 5 StR 488/60 - Umdr. S. 4 f.; vom 27. September 1988 - 1 StR 187/88 - aaO; Kissel/Mayer, aaO; Löwe-Rosenberg/Breidling, StPO, 25. Aufl., § 21 f GVG Rdn. 25). Deshalb wird eine Erkrankung auch bei längerer Dauer zunächst als vorübergehende Verhinderung angesehen, da das Ende vorausschauend meist nicht, insbesondere in der Regel nicht für den für etwaige Maßnahmen zuständigen Dienstvorgesetzten feststellbar ist (BGH, BGHSt 21, 131, 133; Urteil vom 28. Mai 1974 - 4 StR 37/74 -; Urteil vom 27. September 1988 - 1 StR 187/88 - beide aaO; Löwe-Rosenberg/Breidling, aaO, § 21 f GVG Rdn. 25; Zöller/Gummer, aaO). cc) Wann aus einer vorübergehenden Verhinderung bei längerer Erkrankung eine dauernde Verhinderung wird, ist eine unter Berücksichtigung des Zwecks von § 21 f Abs. 1 GVG zu beantwortende Frage des Einzelfalls. Der Begriff der dauernden oder vorübergehenden Verhinderung ist zwar rechtlicher
Natur und unterliegt daher der Nachprüfung des Revisionsgerichts. Es hängt jedoch immer von der Würdigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls ab, ob dieser Rechtsbegriff ausgefüllt ist (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 1960 - 5 StR 488/60). Das Bundesverwaltungsgericht hat einen Fall dauernder Verhinderung bejaht, wenn bei länger dauernder Erkrankung des ordentlichen Vorsitzenden eines Spruchkörpers abzusehen ist, dass dieser den Vorsitz nicht wieder übernehmen werden wird, und seine demnächst zu erwartende dauernde Verhinderung durch seinen Antrag auf Versetzung in den Ruhestand bestätigt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juli 1985 - 3 C 4/85 - aaO; vgl. auch Zöller/Gummer, aaO, § 21 e GVG Rdn. 39 b). Häufig werden dem Präsidium solche konkreten Anhaltspunkte für eine Beurteilung zunächst nicht zur Verfügung stehen. Auch bei schweren längeren Krankheiten wird es oft so sein, dass als Information über Art und Dauer der Erkrankung lediglich jeweils für einzelne Zeitabschnitte geltende Dienstunfähigkeitsbescheinigungen und Atteste vorgelegt werden, die keine Angaben über die Art der Erkrankung enthalten und über deren Dauer eine gesicherte Prognose nicht zulassen. Es liegt indes auf der Hand, dass in einem solchen Fall die Frage, ob und wann die vorübergehende Verhinderung in eine dauernde übergeht, nicht unbegrenzte Zeit in der Schwebe bleiben kann (vgl. Löwe-Rosenberg/Breidling, aaO, § 21 f GVG Rdn. 19). Dies würde Sinn und Zweck des § 21 f Abs. 1 GVG, im Rahmen des Möglichen eine zusätzliche Gewähr für die Güte und Stetigkeit der Rechtsprechung innerhalb der Spruchkörper zu schaffen, widersprechen. Hierfür ist es erforderlich, dass der ordentliche Vorsitzende auch tatsächlich in der Lage ist, einen richtunggebenden Einfluss auf die Rechtsprechung des Spruchkörpers auszuüben, insbesondere die Kontinuität der Rechtsprechung zu gewährleisten (vgl. BGHZ [GS] 37, 210 ff.). Maßgebend ist daher in der Regel, ob im Fall einer Erkrankung des Vorsitzenden nach menschlicher Voraussicht in absehbarer Zeit mit der Wiederherstellung der Gesundheit gerechnet werden kann (vgl. BGH,
BGHZ 16, 256 und Urteil vom 13. Dezember 1960 - 5 StR 488/60 -). Auf die Klärung dieser Frage wird das Präsidium erforderlichenfalls bei längerer Dauer der Erkrankung vor einer Beschlussfassung hinzuwirken haben. 2. Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht lag nach diesen Grundsätzen ein Fall zulässiger Vertretung nicht vor, wobei der Sachverhalt nicht zu einer abschließenden Entscheidung nötigt, ob und wann das Präsidium bei längerer Krankheit mit nicht prognostizierbarem Ende bereits während des laufenden Geschäftsjahrs Maßnahmen nach § 21 e Abs. 3 GVG ergreifen und einen anderen ständigen Vorsitzenden bestellen muss (vgl. BGH, BGHZ 95, 246 f.; Urteil vom 27. September 1988 - 1 StR 187/88 - aaO; KKStPO /Diemer, 5. Aufl., § 21 f GVG Rdn. 3; Kissel/Mayer, aaO, § 21 f Rdn. 2; § 59 Rdn. 7; Löwe-Rosenberg/Breidling, aaO, § 21 e GVG Rdn. 16, § 21 f GVG Rdn. 19; MünchKomm-ZPO/Wolf, aaO, § 21 f GVG Rdn. 4 und 6; Zöller/Gummer, aaO, § 21 f GVG Rdn. 5). Jedenfalls dann, wenn der geschäftsplanmäßige Vorsitzende - wie hier - während eines ganzen Geschäftsjahrs krankheitsbedingt verhindert war, muss das Präsidium vor der Aufstellung des Geschäftsverteilungsplans für das nächste Geschäftsjahr die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nutzen, um die Frage nach der voraussichtlichen Fortdauer der Verhinderung zu klären (vgl. auch BGH, BGHZ 16, 254, 258 f. und Urteil vom 13. Dezember 1960 - 5 StR 488/60 - Umdr. S. 4, 6). Kann hiernach nicht mit einer Wiederherstellung der Dienstfähigkeit in absehbarer Zeit gerechnet werden, muss das Präsidium in einem solchen Fall von einer dauernden Verhinderung ausgehen und dies bei der Aufstellung des Geschäftsverteilungsplans für das nächste Geschäftsjahr berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juli 1985 - 3 C 4/85 - aaO). Das Präsidium ist im hier zu entscheidenden Fall im Beschluss über den Geschäftsverteilungsplan 2003 ohne erkennbare Anhaltspunkte etwa in ärztli-
chen Auskünften zunächst von einer nur vorübergehenden Verhinderung des Vorsitzenden Richters B. ausgegangen, obwohl dieser bei der Beschlussfassung schon seit Juli 2002 dienstunfähig war. In seinem Beschluss vom 5. Juni 2003 ist es dann wiederum ohne nachvollziehbare Kenntnisse über die Erkrankung und ihre voraussichtliche Dauer im Einzelfall von einer "immer noch" gegebenen Verhinderung "auf unabsehbare Zeit" ausgegangen. Bei Aufstellung des Geschäftsverteilungsplans für das Jahr 2004 am 17. Dezember 2003 schließlich war B. bereits seit etwa eineinhalb Jahren wegen Krankheit dienstunfähig. Nach der vom erkennenden Senat eingeholten amtlichen Auskunft der Präsidentin des Oberlandesgerichts, welche den Vortrag der Beklagten bestätigt , waren dem Präsidium des Oberlandesgerichts auch bei dieser Beschlussfassung keine tatsächlichen Umstände der Erkrankung bekannt, nach denen in absehbarer Zeit mit einer Wiederaufnahme der Dienstgeschäfte durch B. zu rechnen gewesen wäre. Dass B. im April 2004 verstarb, weist im Gegenteil darauf hin, dass mit einer alsbaldigen Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit zum damaligen Zeitpunkt nicht zu rechnen war. Das Präsidium hat B. dennoch erneut zum Vorsitzenden des 16. Zivilsenats auch für das Geschäftsjahr 2004 bestimmt, obwohl er nach den erwähnten Grundsätzen der Rechtsprechung dauernd verhindert war. Hiernach war der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt bei der Entscheidung über die Berufung der Klägerin nicht vorschriftsmäßig besetzt (§ 547 Nr. 1 ZPO, § 21 f Abs. 1 GVG). Das Berufungsurteil ist daher ohne Sachprüfung im Umfang der Anfechtung aufzuheben (§ 562 Abs. 2 ZPO). 3. Die Parteien werden Gelegenheit haben, in der neu eröffneten Berufungsverhandlung dem Berufungsgericht ihre im Revisionsverfahren vorgebrachten Einwände erneut vorzutragen. Im Hinblick auf die vom Berufungsgericht zur Begründung der Revisionszulassung aufgeworfenen Rechtsfragen
weist der erkennende Senat jedoch für den Fall, dass das Berufungsgericht erneut zu einer Haftung der Beklagten gelangen sollte, vorsorglich auf Folgendes hin:
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann demjenigen , der einen Vermögensschaden erlitten hat, weil ein anderer unter Irreführung des Gerichts arglistig eine unrichtige Entscheidung gegen ihn erschlichen hat, ungeachtet deren Rechtskraft unter strengen Voraussetzungen ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 826 BGB zustehen. Die Rechtskraft muss dann zurücktreten, wenn ihre Ausnutzung mit dem Gerechtigkeitsgedanken schlechthin unvereinbar wäre (Senatsurteile vom 15. Dezember 1964 - VI ZR 214/63 - WM 1965, 277, 278 und vom 15. November 1994 - VI ZR 2/94 - VersR 1995, 228, 229; ebenso BGHZ 40, 130, 132 f.; 50, 115, 117; 101, 380, 383 f.; für das Wertpapierbereinigungsverfahren vgl. BGH, Urteil vom 27. Juni 1968 - II ZR 29/67 - WM 1968, 969, 970). Dieser Schadensersatzanspruch kann gegenüber rechtskräftigen Zivilurteilen , aber auch gegenüber Urteilen der Arbeits- und Sozialgerichte geltend gemacht werden (vgl. BSGE 60, 251, 253 m.w.N. und BAGE 10, 88, 98 f.; Walker in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, Band III, S. 367, 373; zur Anwendung auf andere der Rechtskraft fähige Titel vgl. die Nachweise bei MünchKommBGB /Wagner, 4. Aufl., § 826 Rdn. 137; Soergel/Hönn/Dönneweg, BGB, 12. Aufl., § 826 Rdn. 238 f.; Staudinger/Oechsler, BGB, 13. Bearbeitung, § 826 Rdn. 541 f.). Gründe dafür, dass anderes zu gelten hätte, wenn sich der Anspruch aus § 826 BGB - wie im Streitfall - gegen ein Urteil richtet, das ein erfolgreiches Wiederaufnahmeverfahren abschließt, sind nicht ersichtlich. Die neue Hauptsacheentscheidung tritt an die Stelle der aufgehobenen. Für ihre Rechtskraft gelten die allgemeinen Regeln (vgl. Stein/Jonas/Grunsky, aaO, § 590 Rdn. 10 und 12; Zöller/Greger, aaO, vor § 578 Rdn. 26). Zudem hat der
Schadensersatzanspruch seine Grundlage, auch soweit damit die Rechtskraftwirkung einer gerichtlichen Entscheidung überwunden werden soll, im materiellen Recht. Die auf § 826 BGB gestützte Klage stellt (im Gegensatz etwa zur Restitutionsklage des Wiederaufnahmeverfahrens) den Bestand der gerichtlichen Entscheidung nicht in Frage. Sie ist vielmehr darauf gerichtet, die hierdurch verursachte Einbuße im Wege des Schadensersatzes auszugleichen, wobei zur Erreichung dieses Zweckes die (materielle) Rechtskraft der Entscheidung zurücktreten muss. Die Klage aus § 826 BGB ist daher kein "außerordentlicher Rechtsbehelf" gegen eine gerichtliche Entscheidung, sondern die Anwendung materiellen Zivilrechts (vgl. Senatsurteil vom 15. November 1994 - VI ZR 2/94 - aaO, 230; vgl. auch BGHZ 50, 115, 118 m.w.N.; RGZ 46, 75, 79 f.). Dessen Anwendung ist unabhängig von dem prozessualen Verfahren, in dem das Urteil gefällt wird, dessen Rechtskraft durchbrochen werden soll.
b) Der erkennende Senat hat auch keine durchgreifenden Bedenken dagegen , dass im Vorprozess im Rahmen einer Schriftvergleichung als echt berücksichtigte Vergleichsunterschriften aufgrund der im Schadensersatzprozess aufgestellten Behauptung ihrer Verfälschung erneut auf ihre Echtheit hin überprüft werden, sofern hierfür nach Lage des Falles Veranlassung besteht. aa) Das Gericht des Schadensersatzprozesses gemäß § 826 BGB ist grundsätzlich berechtigt und verpflichtet, im Vorprozess getroffene Feststellungen nachzuprüfen. Hierbei darf es auch die Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde abweichend beurteilen. Die Revision weist zwar zu Recht auf die besonderen Anforderungen an die Darlegungslast des Klägers bei einer Klage auf Schadensersatz wegen sittenwidriger vorsätzlicher Erschleichung eines rechtskräftigen Urteils hin (vgl. BGH, BGHZ 40, 130, 133 f.; 50, 115, 122 f. und Urteile vom 19. Juni 1964 - V ZR 37/63 - NJW 1964, 1672, 1673; vom 23. Januar 1974 - VIII ZR 131/72 - NJW 1974, 557; Baumgärtel/Strieder, Handbuch der Beweis-
last, 2. Aufl., § 826 Rdn. 8 f.; MünchKomm-BGB/Wagner, aaO, Rdn. 130; MünchKomm-ZPO/Gottwald, aaO, § 322 Rdn. 215; Staudinger/Oechsler, aaO, Rdn. 492). Die Anwendung des § 826 BGB auf rechtskräftige Titel muss auf besonders schwerwiegende, eng begrenzte Ausnahmefälle beschränkt bleiben, weil jede Ausdehnung das Institut der Rechtskraft aushöhlen, die Rechtssicherheit beeinträchtigen und den Eintritt des Rechtsfriedens in untragbarer Weise in Frage stellen würde (vgl. Senatsurteil BGHZ 103, 44, 46; sowie BGHZ 101, 380, 383 f. m. umfangr. Nachw.; 112, 54, 58). Andernfalls würde ein Anreiz geschaffen , rechtskräftig entschiedene Prozesse im Wege einer Klage auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung und Herausgabe des Titels neu aufzurollen (vgl. zu diesem Gesichtspunkt Senatsurteil BGHZ 103, 44, 50 sowie BGHZ 40, 130, 134 f.; 112, 54, 58; Stein/Jonas/Leipold, aaO, § 322 Rdn. 273). Ist der Kläger indes seiner Darlegungslast nachgekommen, steht der Weg für eine Überprüfung der Feststellungen des Vorprozesses durch das Gericht des Schadensersatzprozesses offen. Denn das Gericht hat im Falle der sittenwidrigen Herbeiführung des Titels unter anderem zu prüfen, ob das Urteil im Vorprozess auf einer wahrheitswidrigen Sachverhaltsschilderung oder verfälschten Beweismitteln und hier insbesondere auf verfälschten Urkunden beruht (vgl. Senatsurteil vom 30. September 1969 - VI ZR 54/68 - VersR 1969, 1045 f.; RG, HRR 1935 Nr. 665; BGB-RGRK/Steffen, 12. Aufl., 1989, § 826 Rdn. 76 m.w.N.; Soergel/Hönn/Dönneweg, aaO, Rdn. 118; MünchKomm-BGB/Wagner, aaO, Rdn. 131; MünchKomm-ZPO/Gottwald, aaO, Rdn. 213; MünchKommZPO /Braun, aaO, vor § 578 Rdn. 12; Staudinger/Oechsler, aaO, Rdn. 498). Zu diesem Zweck dürfen und müssen die den Feststellungen des Vorprozesses zugrundeliegenden Beweismittel und Beweisergebnisse neu gewürdigt werden. So kann etwa die Aussage eines Zeugen, auf die sich das Gericht des Vorprozesses gestützt hat, nunmehr als falsch gewertet werden. Urkunden, die im Vorprozess als Original vorgelegt und behandelt wurden, dürfen als im Beweis-
wert erheblich geminderte Abschriften oder Rekonstruktionen erkannt werden. Eine im Vorprozess beweiserhebliche Urkunde kann auf ihre Richtigkeit hin überprüft und ihre Verfälschung festgestellt werden (vgl. BGH, BGHZ 50, 115, 124 und Urteile vom 20. März 1957 - IV ZR 235/56 - LM Nr. 7 zu § 826 (Fa) BGB; vom 27. Juni 1968 - II ZR 29/67 - aaO, 971; RGZ 46, 75, 79; BSGE 60, 251, 256 f.; vgl. ferner BAG, Urteil vom 27. Januar 1970 - 1 AZR 198/69 - AP Nr. 14 zu § 826 BGB). bb) Der Überprüfung der Vergleichsunterschriften steht auch nicht die Geständnisfiktion der §§ 439 Abs. 3, 288 ZPO entgegen. Die Echtheit der unter eine Privaturkunde gesetzten Namensunterschrift unterliegt der freien Beweiswürdigung des Gerichts (§ 440 Abs. 1 ZPO; MünchKomm-ZPO/Schreiber, aaO § 440 Rdn. 2 m.w.N.). Erklärt sich allerdings der Prozessgegner nicht zur Echtheit der Namensunterschrift, gilt deren Echtheit mit der Wirkung eines Geständnisses als anerkannt (§§ 439 Abs. 2 und 3, 288 ZPO). Diese Regeln gelten auch für die im Rahmen einer Schriftvergleichung im Sinne des § 441 ZPO zu verwendenden Vergleichsunterschriften (MünchKomm-ZPO/Schreiber, aaO, § 441 Rdn. 6; Stein/Jonas/Leipold, aaO, § 441 Rdn. 3). Die Wirkung eines gerichtlichen Geständnisses beschränkt sich aber auf den Prozess, in dem es abgegeben wurde (vgl. BGH, Urteil vom 15. März 2004 - II ZR 136/02 - NJWRR 2004, 1001 m.w.N.; BAG, Urteil vom 9. Februar 1995 - 2 AZR 389/94 - NJW 1996, 1299, 1230; MünchKomm-ZPO/Prütting, aaO, § 288 Rdn. 33; Stein/Jonas/Leipold, aaO, § 288 Rdn. 13, 20), hier also auf den Vorprozess. Für den Schadensersatzprozess nach § 826 BGB gilt die Beschränkung des Rechts auf freie Beweiswürdigung daher nicht.
4. Der Senat hat von der Möglichkeit des § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG Gebrauch gemacht.
Müller Greiner Wellner Pauge Stöhr
14
a) Ob das Gericht ordnungsgemäß besetzt war, beurteilt sich allein nach dem Inhalt des Geschäftsverteilungsplans, der im Zeitpunkt des Erlasses der Sachentscheidung gegolten hat. Frühere Geschäftsverteilungspläne sind für diese rechtliche Würdigung ohne Bedeutung (BVerwG, DVBl. 1985, 574, 575). Demgemäß kommt es für den absoluten Revisionsgrund des § 547 Nr. 1 ZPO allein auf die letzte mündliche Verhandlung an, auf welche das Urteil ergangen ist. Die Besetzung des Gerichts im Rahmen früherer mündlicher Verhandlungen ist ebenso wenig entscheidend, wie diejenige bei der Beweisaufnahme oder der Urteilsverkündung (BGH, Urt. v. 4. November 1997 - VI ZR 348/96, NJW 1998, 377, 378).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 137/04 Verkündet am:
13. September 2005
Böhringer-Mangold,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
GVG § 21 f Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1

a) Verhinderung des Vorsitzenden im Sinne des § 21 f Abs. 2 Satz 1 GVG ist nur
eine vorübergehende Verhinderung. Unzulässig ist deshalb die dauernde oder für
eine unabsehbare Zeit erfolgende Vertretung des ordentlichen Vorsitzenden.

b) Wann aus der vorübergehenden Verhinderung bei längerer Erkrankung eine dauernde
wird, ist eine unter Berücksichtigung des Zwecks von § 21 f Abs. 1 GVG zu
beantwortende Frage des Einzelfalls. Jedenfalls dann, wenn der ordentliche Vorsitzende
über ein ganzes Geschäftsjahr wegen Krankheit dienstunfähig war, hat
das Präsidium vor der Aufstellung des Geschäftsverteilungsplans für das nächste
Geschäftsjahr die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu nutzen, um die
Frage nach der voraussichtlichen Fortdauer der Verhinderung zu klären. Kann
hiernach nicht mit einer Wiederherstellung der Dienstfähigkeit in absehbarer Zeit
gerechnet werden, muss das Präsidium von einer dauernden Verhinderung ausgehen
und dies bei der Aufstellung des Geschäftsverteilungsplans für das nächste
Geschäftsjahr berücksichtigen.
BGH, Urteil vom 13. September 2005 - VI ZR 137/04 - OLG Frankfurt a.M.
LG Frankfurt a.M.
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. September 2005 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller und die Richter
Dr. Greiner, Wellner, Pauge und Stöhr

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt a.M. vom 29. April 2004 aufgehoben , soweit es über die Klage entschieden hat. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der Gerichtskosten, von deren Erhebung abgesehen wird, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Rückzahlung von 70 Millionen DM, die sie an die Beklagte als Entschädigung für verlorene Aktien auf der Grundlage des Wertpapierbereinigungsschlussgesetzes gezahlt hat. Sie behauptet, die Beklagte habe den der Auszahlung zugrundeliegenden Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18. Dezember 1989 durch Täuschung des Gerichts erschlichen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ihr auf die Berufung der Klägerin stattgegeben und die Revision zugelassen, mit der die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiterverfolgt. Soweit das Berufungsgericht eine Widerklage abgewiesen hat, nimmt die Beklagte das Urteil hin.

Entscheidungsgründe:

1. Die von der Revision erhobene Rüge, das Berufungsgericht sei nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen (§ 547 Nr. 1 ZPO), hat Erfolg.
a) Vorsitzender des als Berufungsgericht entscheidenden 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main war nach dem Geschäftsverteilungsplan für das Jahr 2004 - wie auch schon in den Jahren zuvor - Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht B.. Als Vertreter des Vorsitzenden war Richter am Oberlandesgericht S. bestimmt. Gemäß Lit. C Ziff. 1 des Geschäftsverteilungsplans richtete sich die Vertretung der Vorsitzenden der Senate nach § 21 f Abs. 2 GVG. B. war seit Juli 2002 bis zu seinem Tod im April 2004 ohne Unterbrechung dienstunfähig erkrankt. Das Präsidium des Oberlandesgerichts hatte deshalb dem 16. Zivilsenat mit Wirkung vom 5. Juni 2003 eine Richterin
mit halber Arbeitskraft zugewiesen. Der Änderungsbeschl uss zur Geschäftsverteilung des Oberlandesgerichts für das Geschäftsjahr 2003 vom 5. Juni 2003 stellte hierzu einleitend fest: "Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht B. ist noch immer auf unabsehbare Zeit erkrankt, so dass sich die Notwendigkeit der Vertretung im Vorsitz des Senats durch Richter am Oberlandesgericht S. auch weiterhin stellt". Auf Anfrage des Prozessbevollmächtigten der Beklagten antwortete die Präsidentin des Oberlandesgerichts mit Schreiben vom 1. September 2004, dass sich aus den beigezogenen Personalakten des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht B. nichts Näheres über Art und Verlauf seiner Erkrankung ergebe. Die Dienstunfähigkeitsanzeigen und -atteste enthielten keine näheren Informationen. Auch dem Präsidium sei nur bekannt gewesen, dass B. wegen einer schweren Krankheit auf unabsehbare Zeit dienstunfähig gewesen sei. In zwei weiteren Schreiben teilte die Präsidentin des Oberlandesgerichts mit, soweit dies möglich gewesen sei, seien Informationen über den Gesundheitszustand von Herrn B. eingeholt und an das Präsidium weitergegeben worden. Lange Zeit habe Hoffnung auf eine Besserung des Krankheitsbildes bestanden. Weiteres hat sie dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten nicht bekannt gegeben. Die vom erkennenden Senat eingeholte amtliche Auskunft der Präsidentin des Oberlandesgerichts vom 31. Mai 2005 enthält gleichfalls keine näheren Angaben zur Krankheit des B. oder deren Verlauf. Auf das Schreiben vom 31. Mai 2005 wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.
b) Die Aufgaben des Vorsitzenden des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts sind nach dem Vortrag der Parteien und der Auskunft der Präsidentin des Oberlandesgerichts über einen Zeitraum von deutlich mehr als einem Geschäftsjahr (Juli 2002 bis April 2004) durch den geschäftsplanmäßig bestellten Vertreter wahrgenommen worden. Im Zeitpunkt der maßgeblichen, dem ange-
fochtenen Urteil zugrundeliegenden mündlichen Verhandlung vom 11. März 2004 war das Berufungsgericht ohne ordentlichen Vorsitzenden. aa) Gemäß § 21 f Abs. 1 GVG führen den Vorsitz in den Spruchkörpern bei den Oberlandesgerichten neben den Präsidenten die Vorsitzenden Richter. Ausschließlich bei Verhinderung des Vorsitzenden führt stellvertretend nach § 21 f Abs. 2 Satz 1 GVG das vom Präsidium bestimmte Mitglied des Spruchkörpers den Vorsitz. Unter Verhinderung im Sinne dieser Vorschrift ist jedoch lediglich eine vorübergehende Abhaltung von der Ausübung des Vorsitzes zu verstehen. Unzulässig ist demgegenüber die dauernde oder für eine unabsehbare Zeit erfolgende Vertretung des ordentlichen Vorsitzenden (st. Rspr., vgl. BGHZ 16, 254, 256; 37, 210, 214; 95, 246 f.; BGHSt 21, 131, 133; BGH, Urteile vom 13. Dezember 1960 - 5 StR 488/60 - Umdr. S. 4; vom 28. Mai 1974 - 4 StR 37/74 - NJW 1974, 1572, 1573; vom 27. September 1988 - 1 StR 187/88 - NJW 1989, 843, 844; BFHE 155, 470, 471; BVerwG, Urteil vom 25. Juli 1985 - 3 C 4/85 - NJW 1986, 1366, 1367; Beschluss vom 11. Juli 2001 - 1 DB 20/01 - NJW 2001, 3493, 3494; vgl. bereits RGZ 119, 280, 282 f.; ebenso Kissel/Mayer, GVG, 4. Aufl., § 59 Rdn. 7; MünchKomm-ZPO/Wolf, 2. Aufl., § 59 GVG Rdn. 9; Zöller/Gummer, ZPO, 25. Aufl., § 21 f GVG Rdn. 5; § 21 e GVG Rdn. 39). Eine solche dauernde "Verhinderung" erfordert gegebenenfalls eine Berücksichtigung im Geschäftsverteilungsplan des laufenden Geschäftsjahrs (vgl. § 21 e Abs. 3 Satz 1 GVG). bb) In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht Einigkeit darüber , dass die Frage, ob die Verhinderung des Vorsitzenden vorübergehend oder dauernd ist, nicht losgelöst von dem Grund der Verhinderung beantwortet werden kann. Für den Fall der Erkrankung gilt, dass eine nur vorübergehende Verhinderung anzunehmen ist, wenn nach menschlicher Voraussicht mit einer baldigen Wiederherstellung der Gesundheit gerechnet werden kann (vgl.
BGHZ 16, 254, 256; Kissel/Mayer, aaO, § 59 Rdn. 7; Zöller/Gummer, aaO, § 21 e GVG Rdn. 39 a), nach den ärztlichen Auskünften zu erwarten ist, dass der erkrankte Vorsitzende in absehbarer, nicht zu ferner Zeit seine Dienstgeschäfte wieder aufnehmen kann (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 1960 - 5 StR 488/60 - Umdr. S. 5) oder im Zeitpunkt der Feststellung des Vertretungsfalls die Rückkehr des Erkrankten erwartet werden konnte (vgl. BGH, Urteil vom 27. September 1988 - 1 StR 187/88 - aaO, 844; vgl. auch MünchKomm -ZPO/Wolf, aaO, § 21 f GVG Rdn. 4; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 551 Rdn. 4). Allerdings wird bei einer Erkrankung eine gewisse Unsicherheit über die Dauer der Verhinderung hinzunehmen sein, weil der Verlauf und die Dauer einer Krankheit nur in beschränktem Umfang durch ärztliche oder sonstige menschliche Maßnahmen beeinflusst werden können und weil keine Gefahr besteht, dass die Dauer der Verhinderung von menschlichen Entscheidungen abhängig gemacht wird, die die Belange der Rechtspflege nicht genügend berücksichtigen (vgl. BGH, BGHZ 16, 254, 256 und Urteile vom 13. Dezember 1960 - 5 StR 488/60 - Umdr. S. 4 f.; vom 27. September 1988 - 1 StR 187/88 - aaO; Kissel/Mayer, aaO; Löwe-Rosenberg/Breidling, StPO, 25. Aufl., § 21 f GVG Rdn. 25). Deshalb wird eine Erkrankung auch bei längerer Dauer zunächst als vorübergehende Verhinderung angesehen, da das Ende vorausschauend meist nicht, insbesondere in der Regel nicht für den für etwaige Maßnahmen zuständigen Dienstvorgesetzten feststellbar ist (BGH, BGHSt 21, 131, 133; Urteil vom 28. Mai 1974 - 4 StR 37/74 -; Urteil vom 27. September 1988 - 1 StR 187/88 - beide aaO; Löwe-Rosenberg/Breidling, aaO, § 21 f GVG Rdn. 25; Zöller/Gummer, aaO). cc) Wann aus einer vorübergehenden Verhinderung bei längerer Erkrankung eine dauernde Verhinderung wird, ist eine unter Berücksichtigung des Zwecks von § 21 f Abs. 1 GVG zu beantwortende Frage des Einzelfalls. Der Begriff der dauernden oder vorübergehenden Verhinderung ist zwar rechtlicher
Natur und unterliegt daher der Nachprüfung des Revisionsgerichts. Es hängt jedoch immer von der Würdigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls ab, ob dieser Rechtsbegriff ausgefüllt ist (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 1960 - 5 StR 488/60). Das Bundesverwaltungsgericht hat einen Fall dauernder Verhinderung bejaht, wenn bei länger dauernder Erkrankung des ordentlichen Vorsitzenden eines Spruchkörpers abzusehen ist, dass dieser den Vorsitz nicht wieder übernehmen werden wird, und seine demnächst zu erwartende dauernde Verhinderung durch seinen Antrag auf Versetzung in den Ruhestand bestätigt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juli 1985 - 3 C 4/85 - aaO; vgl. auch Zöller/Gummer, aaO, § 21 e GVG Rdn. 39 b). Häufig werden dem Präsidium solche konkreten Anhaltspunkte für eine Beurteilung zunächst nicht zur Verfügung stehen. Auch bei schweren längeren Krankheiten wird es oft so sein, dass als Information über Art und Dauer der Erkrankung lediglich jeweils für einzelne Zeitabschnitte geltende Dienstunfähigkeitsbescheinigungen und Atteste vorgelegt werden, die keine Angaben über die Art der Erkrankung enthalten und über deren Dauer eine gesicherte Prognose nicht zulassen. Es liegt indes auf der Hand, dass in einem solchen Fall die Frage, ob und wann die vorübergehende Verhinderung in eine dauernde übergeht, nicht unbegrenzte Zeit in der Schwebe bleiben kann (vgl. Löwe-Rosenberg/Breidling, aaO, § 21 f GVG Rdn. 19). Dies würde Sinn und Zweck des § 21 f Abs. 1 GVG, im Rahmen des Möglichen eine zusätzliche Gewähr für die Güte und Stetigkeit der Rechtsprechung innerhalb der Spruchkörper zu schaffen, widersprechen. Hierfür ist es erforderlich, dass der ordentliche Vorsitzende auch tatsächlich in der Lage ist, einen richtunggebenden Einfluss auf die Rechtsprechung des Spruchkörpers auszuüben, insbesondere die Kontinuität der Rechtsprechung zu gewährleisten (vgl. BGHZ [GS] 37, 210 ff.). Maßgebend ist daher in der Regel, ob im Fall einer Erkrankung des Vorsitzenden nach menschlicher Voraussicht in absehbarer Zeit mit der Wiederherstellung der Gesundheit gerechnet werden kann (vgl. BGH,
BGHZ 16, 256 und Urteil vom 13. Dezember 1960 - 5 StR 488/60 -). Auf die Klärung dieser Frage wird das Präsidium erforderlichenfalls bei längerer Dauer der Erkrankung vor einer Beschlussfassung hinzuwirken haben. 2. Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht lag nach diesen Grundsätzen ein Fall zulässiger Vertretung nicht vor, wobei der Sachverhalt nicht zu einer abschließenden Entscheidung nötigt, ob und wann das Präsidium bei längerer Krankheit mit nicht prognostizierbarem Ende bereits während des laufenden Geschäftsjahrs Maßnahmen nach § 21 e Abs. 3 GVG ergreifen und einen anderen ständigen Vorsitzenden bestellen muss (vgl. BGH, BGHZ 95, 246 f.; Urteil vom 27. September 1988 - 1 StR 187/88 - aaO; KKStPO /Diemer, 5. Aufl., § 21 f GVG Rdn. 3; Kissel/Mayer, aaO, § 21 f Rdn. 2; § 59 Rdn. 7; Löwe-Rosenberg/Breidling, aaO, § 21 e GVG Rdn. 16, § 21 f GVG Rdn. 19; MünchKomm-ZPO/Wolf, aaO, § 21 f GVG Rdn. 4 und 6; Zöller/Gummer, aaO, § 21 f GVG Rdn. 5). Jedenfalls dann, wenn der geschäftsplanmäßige Vorsitzende - wie hier - während eines ganzen Geschäftsjahrs krankheitsbedingt verhindert war, muss das Präsidium vor der Aufstellung des Geschäftsverteilungsplans für das nächste Geschäftsjahr die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nutzen, um die Frage nach der voraussichtlichen Fortdauer der Verhinderung zu klären (vgl. auch BGH, BGHZ 16, 254, 258 f. und Urteil vom 13. Dezember 1960 - 5 StR 488/60 - Umdr. S. 4, 6). Kann hiernach nicht mit einer Wiederherstellung der Dienstfähigkeit in absehbarer Zeit gerechnet werden, muss das Präsidium in einem solchen Fall von einer dauernden Verhinderung ausgehen und dies bei der Aufstellung des Geschäftsverteilungsplans für das nächste Geschäftsjahr berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juli 1985 - 3 C 4/85 - aaO). Das Präsidium ist im hier zu entscheidenden Fall im Beschluss über den Geschäftsverteilungsplan 2003 ohne erkennbare Anhaltspunkte etwa in ärztli-
chen Auskünften zunächst von einer nur vorübergehenden Verhinderung des Vorsitzenden Richters B. ausgegangen, obwohl dieser bei der Beschlussfassung schon seit Juli 2002 dienstunfähig war. In seinem Beschluss vom 5. Juni 2003 ist es dann wiederum ohne nachvollziehbare Kenntnisse über die Erkrankung und ihre voraussichtliche Dauer im Einzelfall von einer "immer noch" gegebenen Verhinderung "auf unabsehbare Zeit" ausgegangen. Bei Aufstellung des Geschäftsverteilungsplans für das Jahr 2004 am 17. Dezember 2003 schließlich war B. bereits seit etwa eineinhalb Jahren wegen Krankheit dienstunfähig. Nach der vom erkennenden Senat eingeholten amtlichen Auskunft der Präsidentin des Oberlandesgerichts, welche den Vortrag der Beklagten bestätigt , waren dem Präsidium des Oberlandesgerichts auch bei dieser Beschlussfassung keine tatsächlichen Umstände der Erkrankung bekannt, nach denen in absehbarer Zeit mit einer Wiederaufnahme der Dienstgeschäfte durch B. zu rechnen gewesen wäre. Dass B. im April 2004 verstarb, weist im Gegenteil darauf hin, dass mit einer alsbaldigen Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit zum damaligen Zeitpunkt nicht zu rechnen war. Das Präsidium hat B. dennoch erneut zum Vorsitzenden des 16. Zivilsenats auch für das Geschäftsjahr 2004 bestimmt, obwohl er nach den erwähnten Grundsätzen der Rechtsprechung dauernd verhindert war. Hiernach war der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt bei der Entscheidung über die Berufung der Klägerin nicht vorschriftsmäßig besetzt (§ 547 Nr. 1 ZPO, § 21 f Abs. 1 GVG). Das Berufungsurteil ist daher ohne Sachprüfung im Umfang der Anfechtung aufzuheben (§ 562 Abs. 2 ZPO). 3. Die Parteien werden Gelegenheit haben, in der neu eröffneten Berufungsverhandlung dem Berufungsgericht ihre im Revisionsverfahren vorgebrachten Einwände erneut vorzutragen. Im Hinblick auf die vom Berufungsgericht zur Begründung der Revisionszulassung aufgeworfenen Rechtsfragen
weist der erkennende Senat jedoch für den Fall, dass das Berufungsgericht erneut zu einer Haftung der Beklagten gelangen sollte, vorsorglich auf Folgendes hin:
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann demjenigen , der einen Vermögensschaden erlitten hat, weil ein anderer unter Irreführung des Gerichts arglistig eine unrichtige Entscheidung gegen ihn erschlichen hat, ungeachtet deren Rechtskraft unter strengen Voraussetzungen ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 826 BGB zustehen. Die Rechtskraft muss dann zurücktreten, wenn ihre Ausnutzung mit dem Gerechtigkeitsgedanken schlechthin unvereinbar wäre (Senatsurteile vom 15. Dezember 1964 - VI ZR 214/63 - WM 1965, 277, 278 und vom 15. November 1994 - VI ZR 2/94 - VersR 1995, 228, 229; ebenso BGHZ 40, 130, 132 f.; 50, 115, 117; 101, 380, 383 f.; für das Wertpapierbereinigungsverfahren vgl. BGH, Urteil vom 27. Juni 1968 - II ZR 29/67 - WM 1968, 969, 970). Dieser Schadensersatzanspruch kann gegenüber rechtskräftigen Zivilurteilen , aber auch gegenüber Urteilen der Arbeits- und Sozialgerichte geltend gemacht werden (vgl. BSGE 60, 251, 253 m.w.N. und BAGE 10, 88, 98 f.; Walker in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, Band III, S. 367, 373; zur Anwendung auf andere der Rechtskraft fähige Titel vgl. die Nachweise bei MünchKommBGB /Wagner, 4. Aufl., § 826 Rdn. 137; Soergel/Hönn/Dönneweg, BGB, 12. Aufl., § 826 Rdn. 238 f.; Staudinger/Oechsler, BGB, 13. Bearbeitung, § 826 Rdn. 541 f.). Gründe dafür, dass anderes zu gelten hätte, wenn sich der Anspruch aus § 826 BGB - wie im Streitfall - gegen ein Urteil richtet, das ein erfolgreiches Wiederaufnahmeverfahren abschließt, sind nicht ersichtlich. Die neue Hauptsacheentscheidung tritt an die Stelle der aufgehobenen. Für ihre Rechtskraft gelten die allgemeinen Regeln (vgl. Stein/Jonas/Grunsky, aaO, § 590 Rdn. 10 und 12; Zöller/Greger, aaO, vor § 578 Rdn. 26). Zudem hat der
Schadensersatzanspruch seine Grundlage, auch soweit damit die Rechtskraftwirkung einer gerichtlichen Entscheidung überwunden werden soll, im materiellen Recht. Die auf § 826 BGB gestützte Klage stellt (im Gegensatz etwa zur Restitutionsklage des Wiederaufnahmeverfahrens) den Bestand der gerichtlichen Entscheidung nicht in Frage. Sie ist vielmehr darauf gerichtet, die hierdurch verursachte Einbuße im Wege des Schadensersatzes auszugleichen, wobei zur Erreichung dieses Zweckes die (materielle) Rechtskraft der Entscheidung zurücktreten muss. Die Klage aus § 826 BGB ist daher kein "außerordentlicher Rechtsbehelf" gegen eine gerichtliche Entscheidung, sondern die Anwendung materiellen Zivilrechts (vgl. Senatsurteil vom 15. November 1994 - VI ZR 2/94 - aaO, 230; vgl. auch BGHZ 50, 115, 118 m.w.N.; RGZ 46, 75, 79 f.). Dessen Anwendung ist unabhängig von dem prozessualen Verfahren, in dem das Urteil gefällt wird, dessen Rechtskraft durchbrochen werden soll.
b) Der erkennende Senat hat auch keine durchgreifenden Bedenken dagegen , dass im Vorprozess im Rahmen einer Schriftvergleichung als echt berücksichtigte Vergleichsunterschriften aufgrund der im Schadensersatzprozess aufgestellten Behauptung ihrer Verfälschung erneut auf ihre Echtheit hin überprüft werden, sofern hierfür nach Lage des Falles Veranlassung besteht. aa) Das Gericht des Schadensersatzprozesses gemäß § 826 BGB ist grundsätzlich berechtigt und verpflichtet, im Vorprozess getroffene Feststellungen nachzuprüfen. Hierbei darf es auch die Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde abweichend beurteilen. Die Revision weist zwar zu Recht auf die besonderen Anforderungen an die Darlegungslast des Klägers bei einer Klage auf Schadensersatz wegen sittenwidriger vorsätzlicher Erschleichung eines rechtskräftigen Urteils hin (vgl. BGH, BGHZ 40, 130, 133 f.; 50, 115, 122 f. und Urteile vom 19. Juni 1964 - V ZR 37/63 - NJW 1964, 1672, 1673; vom 23. Januar 1974 - VIII ZR 131/72 - NJW 1974, 557; Baumgärtel/Strieder, Handbuch der Beweis-
last, 2. Aufl., § 826 Rdn. 8 f.; MünchKomm-BGB/Wagner, aaO, Rdn. 130; MünchKomm-ZPO/Gottwald, aaO, § 322 Rdn. 215; Staudinger/Oechsler, aaO, Rdn. 492). Die Anwendung des § 826 BGB auf rechtskräftige Titel muss auf besonders schwerwiegende, eng begrenzte Ausnahmefälle beschränkt bleiben, weil jede Ausdehnung das Institut der Rechtskraft aushöhlen, die Rechtssicherheit beeinträchtigen und den Eintritt des Rechtsfriedens in untragbarer Weise in Frage stellen würde (vgl. Senatsurteil BGHZ 103, 44, 46; sowie BGHZ 101, 380, 383 f. m. umfangr. Nachw.; 112, 54, 58). Andernfalls würde ein Anreiz geschaffen , rechtskräftig entschiedene Prozesse im Wege einer Klage auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung und Herausgabe des Titels neu aufzurollen (vgl. zu diesem Gesichtspunkt Senatsurteil BGHZ 103, 44, 50 sowie BGHZ 40, 130, 134 f.; 112, 54, 58; Stein/Jonas/Leipold, aaO, § 322 Rdn. 273). Ist der Kläger indes seiner Darlegungslast nachgekommen, steht der Weg für eine Überprüfung der Feststellungen des Vorprozesses durch das Gericht des Schadensersatzprozesses offen. Denn das Gericht hat im Falle der sittenwidrigen Herbeiführung des Titels unter anderem zu prüfen, ob das Urteil im Vorprozess auf einer wahrheitswidrigen Sachverhaltsschilderung oder verfälschten Beweismitteln und hier insbesondere auf verfälschten Urkunden beruht (vgl. Senatsurteil vom 30. September 1969 - VI ZR 54/68 - VersR 1969, 1045 f.; RG, HRR 1935 Nr. 665; BGB-RGRK/Steffen, 12. Aufl., 1989, § 826 Rdn. 76 m.w.N.; Soergel/Hönn/Dönneweg, aaO, Rdn. 118; MünchKomm-BGB/Wagner, aaO, Rdn. 131; MünchKomm-ZPO/Gottwald, aaO, Rdn. 213; MünchKommZPO /Braun, aaO, vor § 578 Rdn. 12; Staudinger/Oechsler, aaO, Rdn. 498). Zu diesem Zweck dürfen und müssen die den Feststellungen des Vorprozesses zugrundeliegenden Beweismittel und Beweisergebnisse neu gewürdigt werden. So kann etwa die Aussage eines Zeugen, auf die sich das Gericht des Vorprozesses gestützt hat, nunmehr als falsch gewertet werden. Urkunden, die im Vorprozess als Original vorgelegt und behandelt wurden, dürfen als im Beweis-
wert erheblich geminderte Abschriften oder Rekonstruktionen erkannt werden. Eine im Vorprozess beweiserhebliche Urkunde kann auf ihre Richtigkeit hin überprüft und ihre Verfälschung festgestellt werden (vgl. BGH, BGHZ 50, 115, 124 und Urteile vom 20. März 1957 - IV ZR 235/56 - LM Nr. 7 zu § 826 (Fa) BGB; vom 27. Juni 1968 - II ZR 29/67 - aaO, 971; RGZ 46, 75, 79; BSGE 60, 251, 256 f.; vgl. ferner BAG, Urteil vom 27. Januar 1970 - 1 AZR 198/69 - AP Nr. 14 zu § 826 BGB). bb) Der Überprüfung der Vergleichsunterschriften steht auch nicht die Geständnisfiktion der §§ 439 Abs. 3, 288 ZPO entgegen. Die Echtheit der unter eine Privaturkunde gesetzten Namensunterschrift unterliegt der freien Beweiswürdigung des Gerichts (§ 440 Abs. 1 ZPO; MünchKomm-ZPO/Schreiber, aaO § 440 Rdn. 2 m.w.N.). Erklärt sich allerdings der Prozessgegner nicht zur Echtheit der Namensunterschrift, gilt deren Echtheit mit der Wirkung eines Geständnisses als anerkannt (§§ 439 Abs. 2 und 3, 288 ZPO). Diese Regeln gelten auch für die im Rahmen einer Schriftvergleichung im Sinne des § 441 ZPO zu verwendenden Vergleichsunterschriften (MünchKomm-ZPO/Schreiber, aaO, § 441 Rdn. 6; Stein/Jonas/Leipold, aaO, § 441 Rdn. 3). Die Wirkung eines gerichtlichen Geständnisses beschränkt sich aber auf den Prozess, in dem es abgegeben wurde (vgl. BGH, Urteil vom 15. März 2004 - II ZR 136/02 - NJWRR 2004, 1001 m.w.N.; BAG, Urteil vom 9. Februar 1995 - 2 AZR 389/94 - NJW 1996, 1299, 1230; MünchKomm-ZPO/Prütting, aaO, § 288 Rdn. 33; Stein/Jonas/Leipold, aaO, § 288 Rdn. 13, 20), hier also auf den Vorprozess. Für den Schadensersatzprozess nach § 826 BGB gilt die Beschränkung des Rechts auf freie Beweiswürdigung daher nicht.
4. Der Senat hat von der Möglichkeit des § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG Gebrauch gemacht.
Müller Greiner Wellner Pauge Stöhr

(1) Den Vorsitz in den Spruchkörpern bei den Landgerichten, bei den Oberlandesgerichten sowie bei dem Bundesgerichtshof führen der Präsident und die Vorsitzenden Richter.

(2) Bei Verhinderung des Vorsitzenden führt den Vorsitz das vom Präsidium bestimmte Mitglied des Spruchkörpers. Ist auch dieser Vertreter verhindert, führt das dienstälteste, bei gleichem Dienstalter das lebensälteste Mitglied des Spruchkörpers den Vorsitz.

Die Oberlandesgerichte werden mit einem Präsidenten sowie mit Vorsitzenden Richtern und weiteren Richtern besetzt.

(1) Den Vorsitz in den Spruchkörpern bei den Landgerichten, bei den Oberlandesgerichten sowie bei dem Bundesgerichtshof führen der Präsident und die Vorsitzenden Richter.

(2) Bei Verhinderung des Vorsitzenden führt den Vorsitz das vom Präsidium bestimmte Mitglied des Spruchkörpers. Ist auch dieser Vertreter verhindert, führt das dienstälteste, bei gleichem Dienstalter das lebensälteste Mitglied des Spruchkörpers den Vorsitz.

Die Oberlandesgerichte werden mit einem Präsidenten sowie mit Vorsitzenden Richtern und weiteren Richtern besetzt.

(1) Den Vorsitz in den Spruchkörpern bei den Landgerichten, bei den Oberlandesgerichten sowie bei dem Bundesgerichtshof führen der Präsident und die Vorsitzenden Richter.

(2) Bei Verhinderung des Vorsitzenden führt den Vorsitz das vom Präsidium bestimmte Mitglied des Spruchkörpers. Ist auch dieser Vertreter verhindert, führt das dienstälteste, bei gleichem Dienstalter das lebensälteste Mitglied des Spruchkörpers den Vorsitz.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 137/04 Verkündet am:
13. September 2005
Böhringer-Mangold,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
GVG § 21 f Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1

a) Verhinderung des Vorsitzenden im Sinne des § 21 f Abs. 2 Satz 1 GVG ist nur
eine vorübergehende Verhinderung. Unzulässig ist deshalb die dauernde oder für
eine unabsehbare Zeit erfolgende Vertretung des ordentlichen Vorsitzenden.

b) Wann aus der vorübergehenden Verhinderung bei längerer Erkrankung eine dauernde
wird, ist eine unter Berücksichtigung des Zwecks von § 21 f Abs. 1 GVG zu
beantwortende Frage des Einzelfalls. Jedenfalls dann, wenn der ordentliche Vorsitzende
über ein ganzes Geschäftsjahr wegen Krankheit dienstunfähig war, hat
das Präsidium vor der Aufstellung des Geschäftsverteilungsplans für das nächste
Geschäftsjahr die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu nutzen, um die
Frage nach der voraussichtlichen Fortdauer der Verhinderung zu klären. Kann
hiernach nicht mit einer Wiederherstellung der Dienstfähigkeit in absehbarer Zeit
gerechnet werden, muss das Präsidium von einer dauernden Verhinderung ausgehen
und dies bei der Aufstellung des Geschäftsverteilungsplans für das nächste
Geschäftsjahr berücksichtigen.
BGH, Urteil vom 13. September 2005 - VI ZR 137/04 - OLG Frankfurt a.M.
LG Frankfurt a.M.
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. September 2005 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller und die Richter
Dr. Greiner, Wellner, Pauge und Stöhr

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt a.M. vom 29. April 2004 aufgehoben , soweit es über die Klage entschieden hat. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der Gerichtskosten, von deren Erhebung abgesehen wird, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Rückzahlung von 70 Millionen DM, die sie an die Beklagte als Entschädigung für verlorene Aktien auf der Grundlage des Wertpapierbereinigungsschlussgesetzes gezahlt hat. Sie behauptet, die Beklagte habe den der Auszahlung zugrundeliegenden Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18. Dezember 1989 durch Täuschung des Gerichts erschlichen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ihr auf die Berufung der Klägerin stattgegeben und die Revision zugelassen, mit der die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiterverfolgt. Soweit das Berufungsgericht eine Widerklage abgewiesen hat, nimmt die Beklagte das Urteil hin.

Entscheidungsgründe:

1. Die von der Revision erhobene Rüge, das Berufungsgericht sei nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen (§ 547 Nr. 1 ZPO), hat Erfolg.
a) Vorsitzender des als Berufungsgericht entscheidenden 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main war nach dem Geschäftsverteilungsplan für das Jahr 2004 - wie auch schon in den Jahren zuvor - Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht B.. Als Vertreter des Vorsitzenden war Richter am Oberlandesgericht S. bestimmt. Gemäß Lit. C Ziff. 1 des Geschäftsverteilungsplans richtete sich die Vertretung der Vorsitzenden der Senate nach § 21 f Abs. 2 GVG. B. war seit Juli 2002 bis zu seinem Tod im April 2004 ohne Unterbrechung dienstunfähig erkrankt. Das Präsidium des Oberlandesgerichts hatte deshalb dem 16. Zivilsenat mit Wirkung vom 5. Juni 2003 eine Richterin
mit halber Arbeitskraft zugewiesen. Der Änderungsbeschl uss zur Geschäftsverteilung des Oberlandesgerichts für das Geschäftsjahr 2003 vom 5. Juni 2003 stellte hierzu einleitend fest: "Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht B. ist noch immer auf unabsehbare Zeit erkrankt, so dass sich die Notwendigkeit der Vertretung im Vorsitz des Senats durch Richter am Oberlandesgericht S. auch weiterhin stellt". Auf Anfrage des Prozessbevollmächtigten der Beklagten antwortete die Präsidentin des Oberlandesgerichts mit Schreiben vom 1. September 2004, dass sich aus den beigezogenen Personalakten des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht B. nichts Näheres über Art und Verlauf seiner Erkrankung ergebe. Die Dienstunfähigkeitsanzeigen und -atteste enthielten keine näheren Informationen. Auch dem Präsidium sei nur bekannt gewesen, dass B. wegen einer schweren Krankheit auf unabsehbare Zeit dienstunfähig gewesen sei. In zwei weiteren Schreiben teilte die Präsidentin des Oberlandesgerichts mit, soweit dies möglich gewesen sei, seien Informationen über den Gesundheitszustand von Herrn B. eingeholt und an das Präsidium weitergegeben worden. Lange Zeit habe Hoffnung auf eine Besserung des Krankheitsbildes bestanden. Weiteres hat sie dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten nicht bekannt gegeben. Die vom erkennenden Senat eingeholte amtliche Auskunft der Präsidentin des Oberlandesgerichts vom 31. Mai 2005 enthält gleichfalls keine näheren Angaben zur Krankheit des B. oder deren Verlauf. Auf das Schreiben vom 31. Mai 2005 wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.
b) Die Aufgaben des Vorsitzenden des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts sind nach dem Vortrag der Parteien und der Auskunft der Präsidentin des Oberlandesgerichts über einen Zeitraum von deutlich mehr als einem Geschäftsjahr (Juli 2002 bis April 2004) durch den geschäftsplanmäßig bestellten Vertreter wahrgenommen worden. Im Zeitpunkt der maßgeblichen, dem ange-
fochtenen Urteil zugrundeliegenden mündlichen Verhandlung vom 11. März 2004 war das Berufungsgericht ohne ordentlichen Vorsitzenden. aa) Gemäß § 21 f Abs. 1 GVG führen den Vorsitz in den Spruchkörpern bei den Oberlandesgerichten neben den Präsidenten die Vorsitzenden Richter. Ausschließlich bei Verhinderung des Vorsitzenden führt stellvertretend nach § 21 f Abs. 2 Satz 1 GVG das vom Präsidium bestimmte Mitglied des Spruchkörpers den Vorsitz. Unter Verhinderung im Sinne dieser Vorschrift ist jedoch lediglich eine vorübergehende Abhaltung von der Ausübung des Vorsitzes zu verstehen. Unzulässig ist demgegenüber die dauernde oder für eine unabsehbare Zeit erfolgende Vertretung des ordentlichen Vorsitzenden (st. Rspr., vgl. BGHZ 16, 254, 256; 37, 210, 214; 95, 246 f.; BGHSt 21, 131, 133; BGH, Urteile vom 13. Dezember 1960 - 5 StR 488/60 - Umdr. S. 4; vom 28. Mai 1974 - 4 StR 37/74 - NJW 1974, 1572, 1573; vom 27. September 1988 - 1 StR 187/88 - NJW 1989, 843, 844; BFHE 155, 470, 471; BVerwG, Urteil vom 25. Juli 1985 - 3 C 4/85 - NJW 1986, 1366, 1367; Beschluss vom 11. Juli 2001 - 1 DB 20/01 - NJW 2001, 3493, 3494; vgl. bereits RGZ 119, 280, 282 f.; ebenso Kissel/Mayer, GVG, 4. Aufl., § 59 Rdn. 7; MünchKomm-ZPO/Wolf, 2. Aufl., § 59 GVG Rdn. 9; Zöller/Gummer, ZPO, 25. Aufl., § 21 f GVG Rdn. 5; § 21 e GVG Rdn. 39). Eine solche dauernde "Verhinderung" erfordert gegebenenfalls eine Berücksichtigung im Geschäftsverteilungsplan des laufenden Geschäftsjahrs (vgl. § 21 e Abs. 3 Satz 1 GVG). bb) In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht Einigkeit darüber , dass die Frage, ob die Verhinderung des Vorsitzenden vorübergehend oder dauernd ist, nicht losgelöst von dem Grund der Verhinderung beantwortet werden kann. Für den Fall der Erkrankung gilt, dass eine nur vorübergehende Verhinderung anzunehmen ist, wenn nach menschlicher Voraussicht mit einer baldigen Wiederherstellung der Gesundheit gerechnet werden kann (vgl.
BGHZ 16, 254, 256; Kissel/Mayer, aaO, § 59 Rdn. 7; Zöller/Gummer, aaO, § 21 e GVG Rdn. 39 a), nach den ärztlichen Auskünften zu erwarten ist, dass der erkrankte Vorsitzende in absehbarer, nicht zu ferner Zeit seine Dienstgeschäfte wieder aufnehmen kann (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 1960 - 5 StR 488/60 - Umdr. S. 5) oder im Zeitpunkt der Feststellung des Vertretungsfalls die Rückkehr des Erkrankten erwartet werden konnte (vgl. BGH, Urteil vom 27. September 1988 - 1 StR 187/88 - aaO, 844; vgl. auch MünchKomm -ZPO/Wolf, aaO, § 21 f GVG Rdn. 4; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 551 Rdn. 4). Allerdings wird bei einer Erkrankung eine gewisse Unsicherheit über die Dauer der Verhinderung hinzunehmen sein, weil der Verlauf und die Dauer einer Krankheit nur in beschränktem Umfang durch ärztliche oder sonstige menschliche Maßnahmen beeinflusst werden können und weil keine Gefahr besteht, dass die Dauer der Verhinderung von menschlichen Entscheidungen abhängig gemacht wird, die die Belange der Rechtspflege nicht genügend berücksichtigen (vgl. BGH, BGHZ 16, 254, 256 und Urteile vom 13. Dezember 1960 - 5 StR 488/60 - Umdr. S. 4 f.; vom 27. September 1988 - 1 StR 187/88 - aaO; Kissel/Mayer, aaO; Löwe-Rosenberg/Breidling, StPO, 25. Aufl., § 21 f GVG Rdn. 25). Deshalb wird eine Erkrankung auch bei längerer Dauer zunächst als vorübergehende Verhinderung angesehen, da das Ende vorausschauend meist nicht, insbesondere in der Regel nicht für den für etwaige Maßnahmen zuständigen Dienstvorgesetzten feststellbar ist (BGH, BGHSt 21, 131, 133; Urteil vom 28. Mai 1974 - 4 StR 37/74 -; Urteil vom 27. September 1988 - 1 StR 187/88 - beide aaO; Löwe-Rosenberg/Breidling, aaO, § 21 f GVG Rdn. 25; Zöller/Gummer, aaO). cc) Wann aus einer vorübergehenden Verhinderung bei längerer Erkrankung eine dauernde Verhinderung wird, ist eine unter Berücksichtigung des Zwecks von § 21 f Abs. 1 GVG zu beantwortende Frage des Einzelfalls. Der Begriff der dauernden oder vorübergehenden Verhinderung ist zwar rechtlicher
Natur und unterliegt daher der Nachprüfung des Revisionsgerichts. Es hängt jedoch immer von der Würdigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls ab, ob dieser Rechtsbegriff ausgefüllt ist (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 1960 - 5 StR 488/60). Das Bundesverwaltungsgericht hat einen Fall dauernder Verhinderung bejaht, wenn bei länger dauernder Erkrankung des ordentlichen Vorsitzenden eines Spruchkörpers abzusehen ist, dass dieser den Vorsitz nicht wieder übernehmen werden wird, und seine demnächst zu erwartende dauernde Verhinderung durch seinen Antrag auf Versetzung in den Ruhestand bestätigt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juli 1985 - 3 C 4/85 - aaO; vgl. auch Zöller/Gummer, aaO, § 21 e GVG Rdn. 39 b). Häufig werden dem Präsidium solche konkreten Anhaltspunkte für eine Beurteilung zunächst nicht zur Verfügung stehen. Auch bei schweren längeren Krankheiten wird es oft so sein, dass als Information über Art und Dauer der Erkrankung lediglich jeweils für einzelne Zeitabschnitte geltende Dienstunfähigkeitsbescheinigungen und Atteste vorgelegt werden, die keine Angaben über die Art der Erkrankung enthalten und über deren Dauer eine gesicherte Prognose nicht zulassen. Es liegt indes auf der Hand, dass in einem solchen Fall die Frage, ob und wann die vorübergehende Verhinderung in eine dauernde übergeht, nicht unbegrenzte Zeit in der Schwebe bleiben kann (vgl. Löwe-Rosenberg/Breidling, aaO, § 21 f GVG Rdn. 19). Dies würde Sinn und Zweck des § 21 f Abs. 1 GVG, im Rahmen des Möglichen eine zusätzliche Gewähr für die Güte und Stetigkeit der Rechtsprechung innerhalb der Spruchkörper zu schaffen, widersprechen. Hierfür ist es erforderlich, dass der ordentliche Vorsitzende auch tatsächlich in der Lage ist, einen richtunggebenden Einfluss auf die Rechtsprechung des Spruchkörpers auszuüben, insbesondere die Kontinuität der Rechtsprechung zu gewährleisten (vgl. BGHZ [GS] 37, 210 ff.). Maßgebend ist daher in der Regel, ob im Fall einer Erkrankung des Vorsitzenden nach menschlicher Voraussicht in absehbarer Zeit mit der Wiederherstellung der Gesundheit gerechnet werden kann (vgl. BGH,
BGHZ 16, 256 und Urteil vom 13. Dezember 1960 - 5 StR 488/60 -). Auf die Klärung dieser Frage wird das Präsidium erforderlichenfalls bei längerer Dauer der Erkrankung vor einer Beschlussfassung hinzuwirken haben. 2. Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht lag nach diesen Grundsätzen ein Fall zulässiger Vertretung nicht vor, wobei der Sachverhalt nicht zu einer abschließenden Entscheidung nötigt, ob und wann das Präsidium bei längerer Krankheit mit nicht prognostizierbarem Ende bereits während des laufenden Geschäftsjahrs Maßnahmen nach § 21 e Abs. 3 GVG ergreifen und einen anderen ständigen Vorsitzenden bestellen muss (vgl. BGH, BGHZ 95, 246 f.; Urteil vom 27. September 1988 - 1 StR 187/88 - aaO; KKStPO /Diemer, 5. Aufl., § 21 f GVG Rdn. 3; Kissel/Mayer, aaO, § 21 f Rdn. 2; § 59 Rdn. 7; Löwe-Rosenberg/Breidling, aaO, § 21 e GVG Rdn. 16, § 21 f GVG Rdn. 19; MünchKomm-ZPO/Wolf, aaO, § 21 f GVG Rdn. 4 und 6; Zöller/Gummer, aaO, § 21 f GVG Rdn. 5). Jedenfalls dann, wenn der geschäftsplanmäßige Vorsitzende - wie hier - während eines ganzen Geschäftsjahrs krankheitsbedingt verhindert war, muss das Präsidium vor der Aufstellung des Geschäftsverteilungsplans für das nächste Geschäftsjahr die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nutzen, um die Frage nach der voraussichtlichen Fortdauer der Verhinderung zu klären (vgl. auch BGH, BGHZ 16, 254, 258 f. und Urteil vom 13. Dezember 1960 - 5 StR 488/60 - Umdr. S. 4, 6). Kann hiernach nicht mit einer Wiederherstellung der Dienstfähigkeit in absehbarer Zeit gerechnet werden, muss das Präsidium in einem solchen Fall von einer dauernden Verhinderung ausgehen und dies bei der Aufstellung des Geschäftsverteilungsplans für das nächste Geschäftsjahr berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juli 1985 - 3 C 4/85 - aaO). Das Präsidium ist im hier zu entscheidenden Fall im Beschluss über den Geschäftsverteilungsplan 2003 ohne erkennbare Anhaltspunkte etwa in ärztli-
chen Auskünften zunächst von einer nur vorübergehenden Verhinderung des Vorsitzenden Richters B. ausgegangen, obwohl dieser bei der Beschlussfassung schon seit Juli 2002 dienstunfähig war. In seinem Beschluss vom 5. Juni 2003 ist es dann wiederum ohne nachvollziehbare Kenntnisse über die Erkrankung und ihre voraussichtliche Dauer im Einzelfall von einer "immer noch" gegebenen Verhinderung "auf unabsehbare Zeit" ausgegangen. Bei Aufstellung des Geschäftsverteilungsplans für das Jahr 2004 am 17. Dezember 2003 schließlich war B. bereits seit etwa eineinhalb Jahren wegen Krankheit dienstunfähig. Nach der vom erkennenden Senat eingeholten amtlichen Auskunft der Präsidentin des Oberlandesgerichts, welche den Vortrag der Beklagten bestätigt , waren dem Präsidium des Oberlandesgerichts auch bei dieser Beschlussfassung keine tatsächlichen Umstände der Erkrankung bekannt, nach denen in absehbarer Zeit mit einer Wiederaufnahme der Dienstgeschäfte durch B. zu rechnen gewesen wäre. Dass B. im April 2004 verstarb, weist im Gegenteil darauf hin, dass mit einer alsbaldigen Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit zum damaligen Zeitpunkt nicht zu rechnen war. Das Präsidium hat B. dennoch erneut zum Vorsitzenden des 16. Zivilsenats auch für das Geschäftsjahr 2004 bestimmt, obwohl er nach den erwähnten Grundsätzen der Rechtsprechung dauernd verhindert war. Hiernach war der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt bei der Entscheidung über die Berufung der Klägerin nicht vorschriftsmäßig besetzt (§ 547 Nr. 1 ZPO, § 21 f Abs. 1 GVG). Das Berufungsurteil ist daher ohne Sachprüfung im Umfang der Anfechtung aufzuheben (§ 562 Abs. 2 ZPO). 3. Die Parteien werden Gelegenheit haben, in der neu eröffneten Berufungsverhandlung dem Berufungsgericht ihre im Revisionsverfahren vorgebrachten Einwände erneut vorzutragen. Im Hinblick auf die vom Berufungsgericht zur Begründung der Revisionszulassung aufgeworfenen Rechtsfragen
weist der erkennende Senat jedoch für den Fall, dass das Berufungsgericht erneut zu einer Haftung der Beklagten gelangen sollte, vorsorglich auf Folgendes hin:
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann demjenigen , der einen Vermögensschaden erlitten hat, weil ein anderer unter Irreführung des Gerichts arglistig eine unrichtige Entscheidung gegen ihn erschlichen hat, ungeachtet deren Rechtskraft unter strengen Voraussetzungen ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 826 BGB zustehen. Die Rechtskraft muss dann zurücktreten, wenn ihre Ausnutzung mit dem Gerechtigkeitsgedanken schlechthin unvereinbar wäre (Senatsurteile vom 15. Dezember 1964 - VI ZR 214/63 - WM 1965, 277, 278 und vom 15. November 1994 - VI ZR 2/94 - VersR 1995, 228, 229; ebenso BGHZ 40, 130, 132 f.; 50, 115, 117; 101, 380, 383 f.; für das Wertpapierbereinigungsverfahren vgl. BGH, Urteil vom 27. Juni 1968 - II ZR 29/67 - WM 1968, 969, 970). Dieser Schadensersatzanspruch kann gegenüber rechtskräftigen Zivilurteilen , aber auch gegenüber Urteilen der Arbeits- und Sozialgerichte geltend gemacht werden (vgl. BSGE 60, 251, 253 m.w.N. und BAGE 10, 88, 98 f.; Walker in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, Band III, S. 367, 373; zur Anwendung auf andere der Rechtskraft fähige Titel vgl. die Nachweise bei MünchKommBGB /Wagner, 4. Aufl., § 826 Rdn. 137; Soergel/Hönn/Dönneweg, BGB, 12. Aufl., § 826 Rdn. 238 f.; Staudinger/Oechsler, BGB, 13. Bearbeitung, § 826 Rdn. 541 f.). Gründe dafür, dass anderes zu gelten hätte, wenn sich der Anspruch aus § 826 BGB - wie im Streitfall - gegen ein Urteil richtet, das ein erfolgreiches Wiederaufnahmeverfahren abschließt, sind nicht ersichtlich. Die neue Hauptsacheentscheidung tritt an die Stelle der aufgehobenen. Für ihre Rechtskraft gelten die allgemeinen Regeln (vgl. Stein/Jonas/Grunsky, aaO, § 590 Rdn. 10 und 12; Zöller/Greger, aaO, vor § 578 Rdn. 26). Zudem hat der
Schadensersatzanspruch seine Grundlage, auch soweit damit die Rechtskraftwirkung einer gerichtlichen Entscheidung überwunden werden soll, im materiellen Recht. Die auf § 826 BGB gestützte Klage stellt (im Gegensatz etwa zur Restitutionsklage des Wiederaufnahmeverfahrens) den Bestand der gerichtlichen Entscheidung nicht in Frage. Sie ist vielmehr darauf gerichtet, die hierdurch verursachte Einbuße im Wege des Schadensersatzes auszugleichen, wobei zur Erreichung dieses Zweckes die (materielle) Rechtskraft der Entscheidung zurücktreten muss. Die Klage aus § 826 BGB ist daher kein "außerordentlicher Rechtsbehelf" gegen eine gerichtliche Entscheidung, sondern die Anwendung materiellen Zivilrechts (vgl. Senatsurteil vom 15. November 1994 - VI ZR 2/94 - aaO, 230; vgl. auch BGHZ 50, 115, 118 m.w.N.; RGZ 46, 75, 79 f.). Dessen Anwendung ist unabhängig von dem prozessualen Verfahren, in dem das Urteil gefällt wird, dessen Rechtskraft durchbrochen werden soll.
b) Der erkennende Senat hat auch keine durchgreifenden Bedenken dagegen , dass im Vorprozess im Rahmen einer Schriftvergleichung als echt berücksichtigte Vergleichsunterschriften aufgrund der im Schadensersatzprozess aufgestellten Behauptung ihrer Verfälschung erneut auf ihre Echtheit hin überprüft werden, sofern hierfür nach Lage des Falles Veranlassung besteht. aa) Das Gericht des Schadensersatzprozesses gemäß § 826 BGB ist grundsätzlich berechtigt und verpflichtet, im Vorprozess getroffene Feststellungen nachzuprüfen. Hierbei darf es auch die Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde abweichend beurteilen. Die Revision weist zwar zu Recht auf die besonderen Anforderungen an die Darlegungslast des Klägers bei einer Klage auf Schadensersatz wegen sittenwidriger vorsätzlicher Erschleichung eines rechtskräftigen Urteils hin (vgl. BGH, BGHZ 40, 130, 133 f.; 50, 115, 122 f. und Urteile vom 19. Juni 1964 - V ZR 37/63 - NJW 1964, 1672, 1673; vom 23. Januar 1974 - VIII ZR 131/72 - NJW 1974, 557; Baumgärtel/Strieder, Handbuch der Beweis-
last, 2. Aufl., § 826 Rdn. 8 f.; MünchKomm-BGB/Wagner, aaO, Rdn. 130; MünchKomm-ZPO/Gottwald, aaO, § 322 Rdn. 215; Staudinger/Oechsler, aaO, Rdn. 492). Die Anwendung des § 826 BGB auf rechtskräftige Titel muss auf besonders schwerwiegende, eng begrenzte Ausnahmefälle beschränkt bleiben, weil jede Ausdehnung das Institut der Rechtskraft aushöhlen, die Rechtssicherheit beeinträchtigen und den Eintritt des Rechtsfriedens in untragbarer Weise in Frage stellen würde (vgl. Senatsurteil BGHZ 103, 44, 46; sowie BGHZ 101, 380, 383 f. m. umfangr. Nachw.; 112, 54, 58). Andernfalls würde ein Anreiz geschaffen , rechtskräftig entschiedene Prozesse im Wege einer Klage auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung und Herausgabe des Titels neu aufzurollen (vgl. zu diesem Gesichtspunkt Senatsurteil BGHZ 103, 44, 50 sowie BGHZ 40, 130, 134 f.; 112, 54, 58; Stein/Jonas/Leipold, aaO, § 322 Rdn. 273). Ist der Kläger indes seiner Darlegungslast nachgekommen, steht der Weg für eine Überprüfung der Feststellungen des Vorprozesses durch das Gericht des Schadensersatzprozesses offen. Denn das Gericht hat im Falle der sittenwidrigen Herbeiführung des Titels unter anderem zu prüfen, ob das Urteil im Vorprozess auf einer wahrheitswidrigen Sachverhaltsschilderung oder verfälschten Beweismitteln und hier insbesondere auf verfälschten Urkunden beruht (vgl. Senatsurteil vom 30. September 1969 - VI ZR 54/68 - VersR 1969, 1045 f.; RG, HRR 1935 Nr. 665; BGB-RGRK/Steffen, 12. Aufl., 1989, § 826 Rdn. 76 m.w.N.; Soergel/Hönn/Dönneweg, aaO, Rdn. 118; MünchKomm-BGB/Wagner, aaO, Rdn. 131; MünchKomm-ZPO/Gottwald, aaO, Rdn. 213; MünchKommZPO /Braun, aaO, vor § 578 Rdn. 12; Staudinger/Oechsler, aaO, Rdn. 498). Zu diesem Zweck dürfen und müssen die den Feststellungen des Vorprozesses zugrundeliegenden Beweismittel und Beweisergebnisse neu gewürdigt werden. So kann etwa die Aussage eines Zeugen, auf die sich das Gericht des Vorprozesses gestützt hat, nunmehr als falsch gewertet werden. Urkunden, die im Vorprozess als Original vorgelegt und behandelt wurden, dürfen als im Beweis-
wert erheblich geminderte Abschriften oder Rekonstruktionen erkannt werden. Eine im Vorprozess beweiserhebliche Urkunde kann auf ihre Richtigkeit hin überprüft und ihre Verfälschung festgestellt werden (vgl. BGH, BGHZ 50, 115, 124 und Urteile vom 20. März 1957 - IV ZR 235/56 - LM Nr. 7 zu § 826 (Fa) BGB; vom 27. Juni 1968 - II ZR 29/67 - aaO, 971; RGZ 46, 75, 79; BSGE 60, 251, 256 f.; vgl. ferner BAG, Urteil vom 27. Januar 1970 - 1 AZR 198/69 - AP Nr. 14 zu § 826 BGB). bb) Der Überprüfung der Vergleichsunterschriften steht auch nicht die Geständnisfiktion der §§ 439 Abs. 3, 288 ZPO entgegen. Die Echtheit der unter eine Privaturkunde gesetzten Namensunterschrift unterliegt der freien Beweiswürdigung des Gerichts (§ 440 Abs. 1 ZPO; MünchKomm-ZPO/Schreiber, aaO § 440 Rdn. 2 m.w.N.). Erklärt sich allerdings der Prozessgegner nicht zur Echtheit der Namensunterschrift, gilt deren Echtheit mit der Wirkung eines Geständnisses als anerkannt (§§ 439 Abs. 2 und 3, 288 ZPO). Diese Regeln gelten auch für die im Rahmen einer Schriftvergleichung im Sinne des § 441 ZPO zu verwendenden Vergleichsunterschriften (MünchKomm-ZPO/Schreiber, aaO, § 441 Rdn. 6; Stein/Jonas/Leipold, aaO, § 441 Rdn. 3). Die Wirkung eines gerichtlichen Geständnisses beschränkt sich aber auf den Prozess, in dem es abgegeben wurde (vgl. BGH, Urteil vom 15. März 2004 - II ZR 136/02 - NJWRR 2004, 1001 m.w.N.; BAG, Urteil vom 9. Februar 1995 - 2 AZR 389/94 - NJW 1996, 1299, 1230; MünchKomm-ZPO/Prütting, aaO, § 288 Rdn. 33; Stein/Jonas/Leipold, aaO, § 288 Rdn. 13, 20), hier also auf den Vorprozess. Für den Schadensersatzprozess nach § 826 BGB gilt die Beschränkung des Rechts auf freie Beweiswürdigung daher nicht.
4. Der Senat hat von der Möglichkeit des § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG Gebrauch gemacht.
Müller Greiner Wellner Pauge Stöhr

(1) Das Präsidium bestimmt die Besetzung der Spruchkörper, bestellt die Ermittlungsrichter, regelt die Vertretung und verteilt die Geschäfte. Es trifft diese Anordnungen vor dem Beginn des Geschäftsjahres für dessen Dauer. Der Präsident bestimmt, welche richterlichen Aufgaben er wahrnimmt. Jeder Richter kann mehreren Spruchkörpern angehören.

(2) Vor der Geschäftsverteilung ist den Richtern, die nicht Mitglied des Präsidiums sind, Gelegenheit zur Äußerung zu geben.

(3) Die Anordnungen nach Absatz 1 dürfen im Laufe des Geschäftsjahres nur geändert werden, wenn dies wegen Überlastung oder ungenügender Auslastung eines Richters oder Spruchkörpers oder infolge Wechsels oder dauernder Verhinderung einzelner Richter nötig wird. Vor der Änderung ist den Vorsitzenden Richtern, deren Spruchkörper von der Änderung der Geschäftsverteilung berührt wird, Gelegenheit zu einer Äußerung zu geben.

(4) Das Präsidium kann anordnen, daß ein Richter oder Spruchkörper, der in einer Sache tätig geworden ist, für diese nach einer Änderung der Geschäftsverteilung zuständig bleibt.

(5) Soll ein Richter einem anderen Spruchkörper zugeteilt oder soll sein Zuständigkeitsbereich geändert werden, so ist ihm, außer in Eilfällen, vorher Gelegenheit zu einer Äußerung zu geben.

(6) Soll ein Richter für Aufgaben der Justizverwaltung ganz oder teilweise freigestellt werden, so ist das Präsidium vorher zu hören.

(7) Das Präsidium entscheidet mit Stimmenmehrheit. § 21i Abs. 2 gilt entsprechend.

(8) Das Präsidium kann beschließen, dass Richter des Gerichts bei den Beratungen und Abstimmungen des Präsidiums für die gesamte Dauer oder zeitweise zugegen sein können. § 171b gilt entsprechend.

(9) Der Geschäftsverteilungsplan des Gerichts ist in der von dem Präsidenten oder aufsichtführenden Richter bestimmten Geschäftsstelle des Gerichts zur Einsichtnahme aufzulegen; einer Veröffentlichung bedarf es nicht.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 137/04 Verkündet am:
13. September 2005
Böhringer-Mangold,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
GVG § 21 f Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1

a) Verhinderung des Vorsitzenden im Sinne des § 21 f Abs. 2 Satz 1 GVG ist nur
eine vorübergehende Verhinderung. Unzulässig ist deshalb die dauernde oder für
eine unabsehbare Zeit erfolgende Vertretung des ordentlichen Vorsitzenden.

b) Wann aus der vorübergehenden Verhinderung bei längerer Erkrankung eine dauernde
wird, ist eine unter Berücksichtigung des Zwecks von § 21 f Abs. 1 GVG zu
beantwortende Frage des Einzelfalls. Jedenfalls dann, wenn der ordentliche Vorsitzende
über ein ganzes Geschäftsjahr wegen Krankheit dienstunfähig war, hat
das Präsidium vor der Aufstellung des Geschäftsverteilungsplans für das nächste
Geschäftsjahr die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu nutzen, um die
Frage nach der voraussichtlichen Fortdauer der Verhinderung zu klären. Kann
hiernach nicht mit einer Wiederherstellung der Dienstfähigkeit in absehbarer Zeit
gerechnet werden, muss das Präsidium von einer dauernden Verhinderung ausgehen
und dies bei der Aufstellung des Geschäftsverteilungsplans für das nächste
Geschäftsjahr berücksichtigen.
BGH, Urteil vom 13. September 2005 - VI ZR 137/04 - OLG Frankfurt a.M.
LG Frankfurt a.M.
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. September 2005 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller und die Richter
Dr. Greiner, Wellner, Pauge und Stöhr

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt a.M. vom 29. April 2004 aufgehoben , soweit es über die Klage entschieden hat. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der Gerichtskosten, von deren Erhebung abgesehen wird, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Rückzahlung von 70 Millionen DM, die sie an die Beklagte als Entschädigung für verlorene Aktien auf der Grundlage des Wertpapierbereinigungsschlussgesetzes gezahlt hat. Sie behauptet, die Beklagte habe den der Auszahlung zugrundeliegenden Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18. Dezember 1989 durch Täuschung des Gerichts erschlichen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ihr auf die Berufung der Klägerin stattgegeben und die Revision zugelassen, mit der die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiterverfolgt. Soweit das Berufungsgericht eine Widerklage abgewiesen hat, nimmt die Beklagte das Urteil hin.

Entscheidungsgründe:

1. Die von der Revision erhobene Rüge, das Berufungsgericht sei nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen (§ 547 Nr. 1 ZPO), hat Erfolg.
a) Vorsitzender des als Berufungsgericht entscheidenden 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main war nach dem Geschäftsverteilungsplan für das Jahr 2004 - wie auch schon in den Jahren zuvor - Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht B.. Als Vertreter des Vorsitzenden war Richter am Oberlandesgericht S. bestimmt. Gemäß Lit. C Ziff. 1 des Geschäftsverteilungsplans richtete sich die Vertretung der Vorsitzenden der Senate nach § 21 f Abs. 2 GVG. B. war seit Juli 2002 bis zu seinem Tod im April 2004 ohne Unterbrechung dienstunfähig erkrankt. Das Präsidium des Oberlandesgerichts hatte deshalb dem 16. Zivilsenat mit Wirkung vom 5. Juni 2003 eine Richterin
mit halber Arbeitskraft zugewiesen. Der Änderungsbeschl uss zur Geschäftsverteilung des Oberlandesgerichts für das Geschäftsjahr 2003 vom 5. Juni 2003 stellte hierzu einleitend fest: "Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht B. ist noch immer auf unabsehbare Zeit erkrankt, so dass sich die Notwendigkeit der Vertretung im Vorsitz des Senats durch Richter am Oberlandesgericht S. auch weiterhin stellt". Auf Anfrage des Prozessbevollmächtigten der Beklagten antwortete die Präsidentin des Oberlandesgerichts mit Schreiben vom 1. September 2004, dass sich aus den beigezogenen Personalakten des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht B. nichts Näheres über Art und Verlauf seiner Erkrankung ergebe. Die Dienstunfähigkeitsanzeigen und -atteste enthielten keine näheren Informationen. Auch dem Präsidium sei nur bekannt gewesen, dass B. wegen einer schweren Krankheit auf unabsehbare Zeit dienstunfähig gewesen sei. In zwei weiteren Schreiben teilte die Präsidentin des Oberlandesgerichts mit, soweit dies möglich gewesen sei, seien Informationen über den Gesundheitszustand von Herrn B. eingeholt und an das Präsidium weitergegeben worden. Lange Zeit habe Hoffnung auf eine Besserung des Krankheitsbildes bestanden. Weiteres hat sie dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten nicht bekannt gegeben. Die vom erkennenden Senat eingeholte amtliche Auskunft der Präsidentin des Oberlandesgerichts vom 31. Mai 2005 enthält gleichfalls keine näheren Angaben zur Krankheit des B. oder deren Verlauf. Auf das Schreiben vom 31. Mai 2005 wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.
b) Die Aufgaben des Vorsitzenden des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts sind nach dem Vortrag der Parteien und der Auskunft der Präsidentin des Oberlandesgerichts über einen Zeitraum von deutlich mehr als einem Geschäftsjahr (Juli 2002 bis April 2004) durch den geschäftsplanmäßig bestellten Vertreter wahrgenommen worden. Im Zeitpunkt der maßgeblichen, dem ange-
fochtenen Urteil zugrundeliegenden mündlichen Verhandlung vom 11. März 2004 war das Berufungsgericht ohne ordentlichen Vorsitzenden. aa) Gemäß § 21 f Abs. 1 GVG führen den Vorsitz in den Spruchkörpern bei den Oberlandesgerichten neben den Präsidenten die Vorsitzenden Richter. Ausschließlich bei Verhinderung des Vorsitzenden führt stellvertretend nach § 21 f Abs. 2 Satz 1 GVG das vom Präsidium bestimmte Mitglied des Spruchkörpers den Vorsitz. Unter Verhinderung im Sinne dieser Vorschrift ist jedoch lediglich eine vorübergehende Abhaltung von der Ausübung des Vorsitzes zu verstehen. Unzulässig ist demgegenüber die dauernde oder für eine unabsehbare Zeit erfolgende Vertretung des ordentlichen Vorsitzenden (st. Rspr., vgl. BGHZ 16, 254, 256; 37, 210, 214; 95, 246 f.; BGHSt 21, 131, 133; BGH, Urteile vom 13. Dezember 1960 - 5 StR 488/60 - Umdr. S. 4; vom 28. Mai 1974 - 4 StR 37/74 - NJW 1974, 1572, 1573; vom 27. September 1988 - 1 StR 187/88 - NJW 1989, 843, 844; BFHE 155, 470, 471; BVerwG, Urteil vom 25. Juli 1985 - 3 C 4/85 - NJW 1986, 1366, 1367; Beschluss vom 11. Juli 2001 - 1 DB 20/01 - NJW 2001, 3493, 3494; vgl. bereits RGZ 119, 280, 282 f.; ebenso Kissel/Mayer, GVG, 4. Aufl., § 59 Rdn. 7; MünchKomm-ZPO/Wolf, 2. Aufl., § 59 GVG Rdn. 9; Zöller/Gummer, ZPO, 25. Aufl., § 21 f GVG Rdn. 5; § 21 e GVG Rdn. 39). Eine solche dauernde "Verhinderung" erfordert gegebenenfalls eine Berücksichtigung im Geschäftsverteilungsplan des laufenden Geschäftsjahrs (vgl. § 21 e Abs. 3 Satz 1 GVG). bb) In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht Einigkeit darüber , dass die Frage, ob die Verhinderung des Vorsitzenden vorübergehend oder dauernd ist, nicht losgelöst von dem Grund der Verhinderung beantwortet werden kann. Für den Fall der Erkrankung gilt, dass eine nur vorübergehende Verhinderung anzunehmen ist, wenn nach menschlicher Voraussicht mit einer baldigen Wiederherstellung der Gesundheit gerechnet werden kann (vgl.
BGHZ 16, 254, 256; Kissel/Mayer, aaO, § 59 Rdn. 7; Zöller/Gummer, aaO, § 21 e GVG Rdn. 39 a), nach den ärztlichen Auskünften zu erwarten ist, dass der erkrankte Vorsitzende in absehbarer, nicht zu ferner Zeit seine Dienstgeschäfte wieder aufnehmen kann (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 1960 - 5 StR 488/60 - Umdr. S. 5) oder im Zeitpunkt der Feststellung des Vertretungsfalls die Rückkehr des Erkrankten erwartet werden konnte (vgl. BGH, Urteil vom 27. September 1988 - 1 StR 187/88 - aaO, 844; vgl. auch MünchKomm -ZPO/Wolf, aaO, § 21 f GVG Rdn. 4; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 551 Rdn. 4). Allerdings wird bei einer Erkrankung eine gewisse Unsicherheit über die Dauer der Verhinderung hinzunehmen sein, weil der Verlauf und die Dauer einer Krankheit nur in beschränktem Umfang durch ärztliche oder sonstige menschliche Maßnahmen beeinflusst werden können und weil keine Gefahr besteht, dass die Dauer der Verhinderung von menschlichen Entscheidungen abhängig gemacht wird, die die Belange der Rechtspflege nicht genügend berücksichtigen (vgl. BGH, BGHZ 16, 254, 256 und Urteile vom 13. Dezember 1960 - 5 StR 488/60 - Umdr. S. 4 f.; vom 27. September 1988 - 1 StR 187/88 - aaO; Kissel/Mayer, aaO; Löwe-Rosenberg/Breidling, StPO, 25. Aufl., § 21 f GVG Rdn. 25). Deshalb wird eine Erkrankung auch bei längerer Dauer zunächst als vorübergehende Verhinderung angesehen, da das Ende vorausschauend meist nicht, insbesondere in der Regel nicht für den für etwaige Maßnahmen zuständigen Dienstvorgesetzten feststellbar ist (BGH, BGHSt 21, 131, 133; Urteil vom 28. Mai 1974 - 4 StR 37/74 -; Urteil vom 27. September 1988 - 1 StR 187/88 - beide aaO; Löwe-Rosenberg/Breidling, aaO, § 21 f GVG Rdn. 25; Zöller/Gummer, aaO). cc) Wann aus einer vorübergehenden Verhinderung bei längerer Erkrankung eine dauernde Verhinderung wird, ist eine unter Berücksichtigung des Zwecks von § 21 f Abs. 1 GVG zu beantwortende Frage des Einzelfalls. Der Begriff der dauernden oder vorübergehenden Verhinderung ist zwar rechtlicher
Natur und unterliegt daher der Nachprüfung des Revisionsgerichts. Es hängt jedoch immer von der Würdigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls ab, ob dieser Rechtsbegriff ausgefüllt ist (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 1960 - 5 StR 488/60). Das Bundesverwaltungsgericht hat einen Fall dauernder Verhinderung bejaht, wenn bei länger dauernder Erkrankung des ordentlichen Vorsitzenden eines Spruchkörpers abzusehen ist, dass dieser den Vorsitz nicht wieder übernehmen werden wird, und seine demnächst zu erwartende dauernde Verhinderung durch seinen Antrag auf Versetzung in den Ruhestand bestätigt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juli 1985 - 3 C 4/85 - aaO; vgl. auch Zöller/Gummer, aaO, § 21 e GVG Rdn. 39 b). Häufig werden dem Präsidium solche konkreten Anhaltspunkte für eine Beurteilung zunächst nicht zur Verfügung stehen. Auch bei schweren längeren Krankheiten wird es oft so sein, dass als Information über Art und Dauer der Erkrankung lediglich jeweils für einzelne Zeitabschnitte geltende Dienstunfähigkeitsbescheinigungen und Atteste vorgelegt werden, die keine Angaben über die Art der Erkrankung enthalten und über deren Dauer eine gesicherte Prognose nicht zulassen. Es liegt indes auf der Hand, dass in einem solchen Fall die Frage, ob und wann die vorübergehende Verhinderung in eine dauernde übergeht, nicht unbegrenzte Zeit in der Schwebe bleiben kann (vgl. Löwe-Rosenberg/Breidling, aaO, § 21 f GVG Rdn. 19). Dies würde Sinn und Zweck des § 21 f Abs. 1 GVG, im Rahmen des Möglichen eine zusätzliche Gewähr für die Güte und Stetigkeit der Rechtsprechung innerhalb der Spruchkörper zu schaffen, widersprechen. Hierfür ist es erforderlich, dass der ordentliche Vorsitzende auch tatsächlich in der Lage ist, einen richtunggebenden Einfluss auf die Rechtsprechung des Spruchkörpers auszuüben, insbesondere die Kontinuität der Rechtsprechung zu gewährleisten (vgl. BGHZ [GS] 37, 210 ff.). Maßgebend ist daher in der Regel, ob im Fall einer Erkrankung des Vorsitzenden nach menschlicher Voraussicht in absehbarer Zeit mit der Wiederherstellung der Gesundheit gerechnet werden kann (vgl. BGH,
BGHZ 16, 256 und Urteil vom 13. Dezember 1960 - 5 StR 488/60 -). Auf die Klärung dieser Frage wird das Präsidium erforderlichenfalls bei längerer Dauer der Erkrankung vor einer Beschlussfassung hinzuwirken haben. 2. Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht lag nach diesen Grundsätzen ein Fall zulässiger Vertretung nicht vor, wobei der Sachverhalt nicht zu einer abschließenden Entscheidung nötigt, ob und wann das Präsidium bei längerer Krankheit mit nicht prognostizierbarem Ende bereits während des laufenden Geschäftsjahrs Maßnahmen nach § 21 e Abs. 3 GVG ergreifen und einen anderen ständigen Vorsitzenden bestellen muss (vgl. BGH, BGHZ 95, 246 f.; Urteil vom 27. September 1988 - 1 StR 187/88 - aaO; KKStPO /Diemer, 5. Aufl., § 21 f GVG Rdn. 3; Kissel/Mayer, aaO, § 21 f Rdn. 2; § 59 Rdn. 7; Löwe-Rosenberg/Breidling, aaO, § 21 e GVG Rdn. 16, § 21 f GVG Rdn. 19; MünchKomm-ZPO/Wolf, aaO, § 21 f GVG Rdn. 4 und 6; Zöller/Gummer, aaO, § 21 f GVG Rdn. 5). Jedenfalls dann, wenn der geschäftsplanmäßige Vorsitzende - wie hier - während eines ganzen Geschäftsjahrs krankheitsbedingt verhindert war, muss das Präsidium vor der Aufstellung des Geschäftsverteilungsplans für das nächste Geschäftsjahr die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nutzen, um die Frage nach der voraussichtlichen Fortdauer der Verhinderung zu klären (vgl. auch BGH, BGHZ 16, 254, 258 f. und Urteil vom 13. Dezember 1960 - 5 StR 488/60 - Umdr. S. 4, 6). Kann hiernach nicht mit einer Wiederherstellung der Dienstfähigkeit in absehbarer Zeit gerechnet werden, muss das Präsidium in einem solchen Fall von einer dauernden Verhinderung ausgehen und dies bei der Aufstellung des Geschäftsverteilungsplans für das nächste Geschäftsjahr berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juli 1985 - 3 C 4/85 - aaO). Das Präsidium ist im hier zu entscheidenden Fall im Beschluss über den Geschäftsverteilungsplan 2003 ohne erkennbare Anhaltspunkte etwa in ärztli-
chen Auskünften zunächst von einer nur vorübergehenden Verhinderung des Vorsitzenden Richters B. ausgegangen, obwohl dieser bei der Beschlussfassung schon seit Juli 2002 dienstunfähig war. In seinem Beschluss vom 5. Juni 2003 ist es dann wiederum ohne nachvollziehbare Kenntnisse über die Erkrankung und ihre voraussichtliche Dauer im Einzelfall von einer "immer noch" gegebenen Verhinderung "auf unabsehbare Zeit" ausgegangen. Bei Aufstellung des Geschäftsverteilungsplans für das Jahr 2004 am 17. Dezember 2003 schließlich war B. bereits seit etwa eineinhalb Jahren wegen Krankheit dienstunfähig. Nach der vom erkennenden Senat eingeholten amtlichen Auskunft der Präsidentin des Oberlandesgerichts, welche den Vortrag der Beklagten bestätigt , waren dem Präsidium des Oberlandesgerichts auch bei dieser Beschlussfassung keine tatsächlichen Umstände der Erkrankung bekannt, nach denen in absehbarer Zeit mit einer Wiederaufnahme der Dienstgeschäfte durch B. zu rechnen gewesen wäre. Dass B. im April 2004 verstarb, weist im Gegenteil darauf hin, dass mit einer alsbaldigen Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit zum damaligen Zeitpunkt nicht zu rechnen war. Das Präsidium hat B. dennoch erneut zum Vorsitzenden des 16. Zivilsenats auch für das Geschäftsjahr 2004 bestimmt, obwohl er nach den erwähnten Grundsätzen der Rechtsprechung dauernd verhindert war. Hiernach war der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt bei der Entscheidung über die Berufung der Klägerin nicht vorschriftsmäßig besetzt (§ 547 Nr. 1 ZPO, § 21 f Abs. 1 GVG). Das Berufungsurteil ist daher ohne Sachprüfung im Umfang der Anfechtung aufzuheben (§ 562 Abs. 2 ZPO). 3. Die Parteien werden Gelegenheit haben, in der neu eröffneten Berufungsverhandlung dem Berufungsgericht ihre im Revisionsverfahren vorgebrachten Einwände erneut vorzutragen. Im Hinblick auf die vom Berufungsgericht zur Begründung der Revisionszulassung aufgeworfenen Rechtsfragen
weist der erkennende Senat jedoch für den Fall, dass das Berufungsgericht erneut zu einer Haftung der Beklagten gelangen sollte, vorsorglich auf Folgendes hin:
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann demjenigen , der einen Vermögensschaden erlitten hat, weil ein anderer unter Irreführung des Gerichts arglistig eine unrichtige Entscheidung gegen ihn erschlichen hat, ungeachtet deren Rechtskraft unter strengen Voraussetzungen ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 826 BGB zustehen. Die Rechtskraft muss dann zurücktreten, wenn ihre Ausnutzung mit dem Gerechtigkeitsgedanken schlechthin unvereinbar wäre (Senatsurteile vom 15. Dezember 1964 - VI ZR 214/63 - WM 1965, 277, 278 und vom 15. November 1994 - VI ZR 2/94 - VersR 1995, 228, 229; ebenso BGHZ 40, 130, 132 f.; 50, 115, 117; 101, 380, 383 f.; für das Wertpapierbereinigungsverfahren vgl. BGH, Urteil vom 27. Juni 1968 - II ZR 29/67 - WM 1968, 969, 970). Dieser Schadensersatzanspruch kann gegenüber rechtskräftigen Zivilurteilen , aber auch gegenüber Urteilen der Arbeits- und Sozialgerichte geltend gemacht werden (vgl. BSGE 60, 251, 253 m.w.N. und BAGE 10, 88, 98 f.; Walker in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, Band III, S. 367, 373; zur Anwendung auf andere der Rechtskraft fähige Titel vgl. die Nachweise bei MünchKommBGB /Wagner, 4. Aufl., § 826 Rdn. 137; Soergel/Hönn/Dönneweg, BGB, 12. Aufl., § 826 Rdn. 238 f.; Staudinger/Oechsler, BGB, 13. Bearbeitung, § 826 Rdn. 541 f.). Gründe dafür, dass anderes zu gelten hätte, wenn sich der Anspruch aus § 826 BGB - wie im Streitfall - gegen ein Urteil richtet, das ein erfolgreiches Wiederaufnahmeverfahren abschließt, sind nicht ersichtlich. Die neue Hauptsacheentscheidung tritt an die Stelle der aufgehobenen. Für ihre Rechtskraft gelten die allgemeinen Regeln (vgl. Stein/Jonas/Grunsky, aaO, § 590 Rdn. 10 und 12; Zöller/Greger, aaO, vor § 578 Rdn. 26). Zudem hat der
Schadensersatzanspruch seine Grundlage, auch soweit damit die Rechtskraftwirkung einer gerichtlichen Entscheidung überwunden werden soll, im materiellen Recht. Die auf § 826 BGB gestützte Klage stellt (im Gegensatz etwa zur Restitutionsklage des Wiederaufnahmeverfahrens) den Bestand der gerichtlichen Entscheidung nicht in Frage. Sie ist vielmehr darauf gerichtet, die hierdurch verursachte Einbuße im Wege des Schadensersatzes auszugleichen, wobei zur Erreichung dieses Zweckes die (materielle) Rechtskraft der Entscheidung zurücktreten muss. Die Klage aus § 826 BGB ist daher kein "außerordentlicher Rechtsbehelf" gegen eine gerichtliche Entscheidung, sondern die Anwendung materiellen Zivilrechts (vgl. Senatsurteil vom 15. November 1994 - VI ZR 2/94 - aaO, 230; vgl. auch BGHZ 50, 115, 118 m.w.N.; RGZ 46, 75, 79 f.). Dessen Anwendung ist unabhängig von dem prozessualen Verfahren, in dem das Urteil gefällt wird, dessen Rechtskraft durchbrochen werden soll.
b) Der erkennende Senat hat auch keine durchgreifenden Bedenken dagegen , dass im Vorprozess im Rahmen einer Schriftvergleichung als echt berücksichtigte Vergleichsunterschriften aufgrund der im Schadensersatzprozess aufgestellten Behauptung ihrer Verfälschung erneut auf ihre Echtheit hin überprüft werden, sofern hierfür nach Lage des Falles Veranlassung besteht. aa) Das Gericht des Schadensersatzprozesses gemäß § 826 BGB ist grundsätzlich berechtigt und verpflichtet, im Vorprozess getroffene Feststellungen nachzuprüfen. Hierbei darf es auch die Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde abweichend beurteilen. Die Revision weist zwar zu Recht auf die besonderen Anforderungen an die Darlegungslast des Klägers bei einer Klage auf Schadensersatz wegen sittenwidriger vorsätzlicher Erschleichung eines rechtskräftigen Urteils hin (vgl. BGH, BGHZ 40, 130, 133 f.; 50, 115, 122 f. und Urteile vom 19. Juni 1964 - V ZR 37/63 - NJW 1964, 1672, 1673; vom 23. Januar 1974 - VIII ZR 131/72 - NJW 1974, 557; Baumgärtel/Strieder, Handbuch der Beweis-
last, 2. Aufl., § 826 Rdn. 8 f.; MünchKomm-BGB/Wagner, aaO, Rdn. 130; MünchKomm-ZPO/Gottwald, aaO, § 322 Rdn. 215; Staudinger/Oechsler, aaO, Rdn. 492). Die Anwendung des § 826 BGB auf rechtskräftige Titel muss auf besonders schwerwiegende, eng begrenzte Ausnahmefälle beschränkt bleiben, weil jede Ausdehnung das Institut der Rechtskraft aushöhlen, die Rechtssicherheit beeinträchtigen und den Eintritt des Rechtsfriedens in untragbarer Weise in Frage stellen würde (vgl. Senatsurteil BGHZ 103, 44, 46; sowie BGHZ 101, 380, 383 f. m. umfangr. Nachw.; 112, 54, 58). Andernfalls würde ein Anreiz geschaffen , rechtskräftig entschiedene Prozesse im Wege einer Klage auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung und Herausgabe des Titels neu aufzurollen (vgl. zu diesem Gesichtspunkt Senatsurteil BGHZ 103, 44, 50 sowie BGHZ 40, 130, 134 f.; 112, 54, 58; Stein/Jonas/Leipold, aaO, § 322 Rdn. 273). Ist der Kläger indes seiner Darlegungslast nachgekommen, steht der Weg für eine Überprüfung der Feststellungen des Vorprozesses durch das Gericht des Schadensersatzprozesses offen. Denn das Gericht hat im Falle der sittenwidrigen Herbeiführung des Titels unter anderem zu prüfen, ob das Urteil im Vorprozess auf einer wahrheitswidrigen Sachverhaltsschilderung oder verfälschten Beweismitteln und hier insbesondere auf verfälschten Urkunden beruht (vgl. Senatsurteil vom 30. September 1969 - VI ZR 54/68 - VersR 1969, 1045 f.; RG, HRR 1935 Nr. 665; BGB-RGRK/Steffen, 12. Aufl., 1989, § 826 Rdn. 76 m.w.N.; Soergel/Hönn/Dönneweg, aaO, Rdn. 118; MünchKomm-BGB/Wagner, aaO, Rdn. 131; MünchKomm-ZPO/Gottwald, aaO, Rdn. 213; MünchKommZPO /Braun, aaO, vor § 578 Rdn. 12; Staudinger/Oechsler, aaO, Rdn. 498). Zu diesem Zweck dürfen und müssen die den Feststellungen des Vorprozesses zugrundeliegenden Beweismittel und Beweisergebnisse neu gewürdigt werden. So kann etwa die Aussage eines Zeugen, auf die sich das Gericht des Vorprozesses gestützt hat, nunmehr als falsch gewertet werden. Urkunden, die im Vorprozess als Original vorgelegt und behandelt wurden, dürfen als im Beweis-
wert erheblich geminderte Abschriften oder Rekonstruktionen erkannt werden. Eine im Vorprozess beweiserhebliche Urkunde kann auf ihre Richtigkeit hin überprüft und ihre Verfälschung festgestellt werden (vgl. BGH, BGHZ 50, 115, 124 und Urteile vom 20. März 1957 - IV ZR 235/56 - LM Nr. 7 zu § 826 (Fa) BGB; vom 27. Juni 1968 - II ZR 29/67 - aaO, 971; RGZ 46, 75, 79; BSGE 60, 251, 256 f.; vgl. ferner BAG, Urteil vom 27. Januar 1970 - 1 AZR 198/69 - AP Nr. 14 zu § 826 BGB). bb) Der Überprüfung der Vergleichsunterschriften steht auch nicht die Geständnisfiktion der §§ 439 Abs. 3, 288 ZPO entgegen. Die Echtheit der unter eine Privaturkunde gesetzten Namensunterschrift unterliegt der freien Beweiswürdigung des Gerichts (§ 440 Abs. 1 ZPO; MünchKomm-ZPO/Schreiber, aaO § 440 Rdn. 2 m.w.N.). Erklärt sich allerdings der Prozessgegner nicht zur Echtheit der Namensunterschrift, gilt deren Echtheit mit der Wirkung eines Geständnisses als anerkannt (§§ 439 Abs. 2 und 3, 288 ZPO). Diese Regeln gelten auch für die im Rahmen einer Schriftvergleichung im Sinne des § 441 ZPO zu verwendenden Vergleichsunterschriften (MünchKomm-ZPO/Schreiber, aaO, § 441 Rdn. 6; Stein/Jonas/Leipold, aaO, § 441 Rdn. 3). Die Wirkung eines gerichtlichen Geständnisses beschränkt sich aber auf den Prozess, in dem es abgegeben wurde (vgl. BGH, Urteil vom 15. März 2004 - II ZR 136/02 - NJWRR 2004, 1001 m.w.N.; BAG, Urteil vom 9. Februar 1995 - 2 AZR 389/94 - NJW 1996, 1299, 1230; MünchKomm-ZPO/Prütting, aaO, § 288 Rdn. 33; Stein/Jonas/Leipold, aaO, § 288 Rdn. 13, 20), hier also auf den Vorprozess. Für den Schadensersatzprozess nach § 826 BGB gilt die Beschränkung des Rechts auf freie Beweiswürdigung daher nicht.
4. Der Senat hat von der Möglichkeit des § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG Gebrauch gemacht.
Müller Greiner Wellner Pauge Stöhr

(1) Den Vorsitz in den Spruchkörpern bei den Landgerichten, bei den Oberlandesgerichten sowie bei dem Bundesgerichtshof führen der Präsident und die Vorsitzenden Richter.

(2) Bei Verhinderung des Vorsitzenden führt den Vorsitz das vom Präsidium bestimmte Mitglied des Spruchkörpers. Ist auch dieser Vertreter verhindert, führt das dienstälteste, bei gleichem Dienstalter das lebensälteste Mitglied des Spruchkörpers den Vorsitz.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 556/12
vom
26. März 2013
in der Strafsache
gegen
alias
alias
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 26. März 2013 gemäß
§ 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Halle vom 9. August 2012 wird mit der Maßgabe verworfen, dass in Ziff. 5 des landgerichtlichen Tenors auf erweiterten Verfall erkannt ist. 2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 21 Fällen, wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es den Verfall von Wertersatz in Höhe von 2.450,00 € und den erweiterten Verfall von Wertersatz in Höhe von 39.385,00 € angeordnet. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Darüber hinaus beanstandet er die Besetzung des erkennenden Senats.
2
Das Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Es führt lediglich zu einer Klarstellung hinsichtlich der Verfallsentscheidung.

I.


3
Der Senat ist ordnungsgemäß besetzt. Dem steht nicht entgegen, dass er seit dem 1. Juli 2012 keinen planmäßigen Vorsitzenden hat.
4
1. Der frühere Vorsitzende des 4. Strafsenats, Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann, ist mit Ablauf des 30. Juni 2012 wegen Erreichens der Altersgrenze in den Ruhestand getreten. Seitdem ist diese Stelle vakant, und der 4. Strafsenat wird von Richter am Bundesgerichtshof Dr. Mutzbauer als dem vom Präsidium bestimmten Vertreter gemäß § 21f Abs. 2 Satz 1 GVG geführt. Daran hat das Präsidium des Bundesgerichtshofs auch bei der Aufstellung des Geschäftsverteilungsplans für das Jahr 2013 (§ 21e Abs. 1 Satz 2 GVG) nichts geändert.
5
2. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung besteht Einigkeit darüber, dass im Falle des endgültigen Ausscheidens eines Vorsitzenden aus dem Spruchkörper § 21f Abs. 2 Satz 1 GVG entsprechend anzuwenden ist, sofern und solange die Wiederbesetzung lediglich „vorübergehend“ unterbleibt, also einen angemessenen Zeitraum nicht überschreitet (vgl. BVerfGE 18, 423, 426 f.; BVerfG, NJW 1983, 1541; BGH, Urteil vom 9. Februar 1955 – IV ZR153/54, BGHZ 16, 254; Urteil vom 21. Juni 1955 – 5 StR 177/55, BGHSt 8, 17, 19 ff.; Beschluss vom 11. Juli 1985 – VII ZB 6/85, NJW 1985, 2337; BSG, NJW 2007, 2717, 2718; BFHE 190, 47, 52 f.; BVerwG, NJW 1986, 1366, 1367; vgl. auch Breidling in LR-StPO, 26. Aufl., § 21f GVG Rn. 27). Es sei nicht in allen Fällen und ungeachtet der Dauer der mutmaßlichen Vakanz zu verlangen, dass das Präsidium den frei gewordenen Vorsitz dem Vorsitzenden eines anderen Spruchkörpers zusätzlich übertrage (BSG, NJW 2007, 2717, 2718; BFHE 190, 47, 53 f.). Wie lange das Präsidium im Falle der nicht nahtlosen Besetzung der Stelle eines Vorsitzenden mit der Entscheidung zuwarten darf, einen anderen Vorsitzenden zusätzlich mit dem vakant gewordenen Senatsvorsitz zu betrauen, lässt sich nicht „allgemeingültig“ und losgelöst von dem Grund der Verhinderung beantworten (BGH, Urteil vom 13. September 2005 – VI ZR 137/04, NJW 2006, 154, 155; vgl. auch Breidling in LR-StPO, 26. Aufl., § 21f GVG Rn. 25, 27; Kissel/Mayer, GVG, 7. Aufl., § 59 Rn. 13; Zöller/Lückemann, ZPO, 29. Aufl., § 21e GVG Rn. 39d).
6
Für den Fall der länger dauernden Erkrankung hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass es auf die tatsächlichen Umstände des Einzelfalls ankommt , die umfassend zu würdigen sind. Jedenfalls dann, wenn der ordentliche Vorsitzende über ein ganzes Geschäftsjahr wegen Krankheit dienstunfähig gewesen sei, habe das Präsidium vor der Aufstellung des Geschäftsverteilungsplans für das nächste Geschäftsjahr die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu nutzen, um die Frage nach der voraussichtlichen Fortdauer der Verhinderung zu klären. Könne hiernach nicht mit einer Wiederherstellung der Dienstfähigkeit in absehbarer Zeit gerechnet werden, müsse das Präsidium von einer dauernden Verhinderung ausgehen (BGH, Urteil vom 13. September 2005 – VI ZR 137/04, NJW 2006, 154). In einem Fall, in dem der Vorsitzende planmäßig mit Erreichung der Altersgrenze ausgeschieden war und die Ausschreibung der Stelle erst im Monat seines Ausscheidens erfolgte, ist das Bundes- sozialgericht davon ausgegangen, dass „zumindest im Regelfall“ der Vorsitzin einem Spruchkörper nicht länger als sechs Monate durch den vom Präsidium bestimmten stellvertretenden Vorsitzenden geführt werden darf (BSG, NJW 2007, 2717, 2718). Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs ist § 21f Abs. 2 Satz 1 GVG nach dem endgültigen Ausscheiden eines Vorsitzenden solange anwendbar, wie durch die Vakanz im Vorsitz keine wesentlich gewichtigere Beeinträchtigung der bei ordnungsgemäßer Besetzung des Spruchkörpers zu erwartenden Arbeitsweise zu erwarten ist als bei einem längeren Urlaub oder einer „länger dauernden Erkrankung“ (BFHE 190, 47, 55). Nach der Rechtspre- chung des Bundesverwaltungsgerichts ist eine ruhestandsbedingte Vakanz im Vorsitz „praktisch unvermeidbar“; allgemeingültige Fristen ließen sich weder für den Fall einer Verhinderung durch längere Krankheit noch für den Fall der dauernden Verhinderung des Vorsitzenden infolge einer Vakanz festlegen (BVerwG, NJW 1986, 1366, 1367; vgl. auch BVerwG, NJW 2001, 3493 für den besonders gelagerten Fall der geplanten Auflösung des Bundesdisziplinargerichts

).


7
3. Der Senat hat keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Auf ihrer Grundlage bestehen keine Bedenken gegen die ordnungsgemäße Besetzung des 4. Strafsenats.
8
a) Das frühzeitig eingeleitete Verfahren zur Wiederbesetzung der Stelle des Vorsitzenden Richters ist noch nicht abgeschlossen, weil das Verwaltungsgericht Karlsruhe im Rahmen eines anhängigen Konkurrentenstreitverfahrens mit (nicht rechtskräftigem) Beschluss vom 17. Januar 2013 der Bundesrepublik Deutschland im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt hat, die beabsichtigte Ernennung auszusprechen, bevor über die Bewerbung des klagenden Konkurrenten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts eine neue Auswahlentscheidung getroffen worden ist (Verwaltungsgericht Karlsruhe, Beschluss vom 17. Januar 2013 – 1 K 2614/12).
9
b) Nach dem „Vermerk über die wesentlichen Erwägungen des Präsidiums des Bundesgerichtshofs zur Entscheidung über die Besetzung der Vor- sitzendenstellen in den Strafsenaten“ (Anlage 6zum Protokoll über die Präsidiumssitzung vom 13. Dezember 2012) hat das Präsidium für das Geschäftsjahr 2013 selbst bei Ausschöpfung aller Ressourcen und nach Abwägung aller denkbaren Geschäftsverteilungsmodelle keine Möglichkeit gesehen, jedem Strafsenat einen Vorsitzenden Richter zuzuweisen. Der Doppelvorsitz durch gleichzeitige Leitung des 2. und 3. Strafsenats könne infolge Überlastung des mit dieser Aufgabe betrauten Vorsitzenden nicht mehr aufrechterhalten werden, so dass im Geschäftsjahr 2013 der Präsident den Vorsitz im 3. Strafsenat wahrnehme (§ 21e Abs. 1 Satz 3 GVG). Die Übertragung eines Doppelvorsitzes an einen anderen Vorsitzenden eines Strafsenats komme nicht in Betracht, da der Vorsitzende des 1. Strafsenats mit Ablauf des 30. April 2013 altersbedingt in den Ruhestand treten werde und der Vorsitzende des 5. – Leipziger – Strafsenats schon auf Grund der örtlichen Gegebenheiten nicht parallel den Vorsitz in einem Karlsruher Strafsenat übernehmen könne. Die Heranziehung der Vorsitzenden der Zivilsenate für Interimslösungen scheide ebenfalls aus. Sie seien mit den Rechtsmaterien der Strafsenate nicht in einem Maße vertraut, dass sie ohne ins Gewicht fallende Einarbeitungszeit die Funktion eines Vorsitzenden in einem zusätzlich zu übernehmenden Strafsenat erfüllen könnten.
10
c) Da das Beförderungsverfahren zügig betrieben wurde und das Präsidium des Bundesgerichtshofs alle sinnvollen Ressourcen zur Besetzung der Vorsitzendenstellen in den Strafsenaten ausgeschöpft hat, liegen besondere Umstände vor, die es rechtfertigen, dass der 4. Strafsenat jedenfalls derzeit durch den vom Präsidium bestimmten stellvertretenden Vorsitzenden geleitet wird.

II.


11
Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
12
Zu der Verfallsentscheidung bemerkt der Senat:
13
Das Landgericht hat sich rechtsfehlerfrei die Überzeugung davon verschafft , dass das beim Angeklagten sichergestellte Geld (39.385,00 €) aus nicht verfahrensgegenständlichen Verkäufen von Betäubungsmitteln oder sonstigen Teilnahmehandlungen zu solchen Geschäften stammte (UA S. 58). Entsprechend war hinsichtlich dieses Geldes – vom Landgericht ersichtlich gemeint – nicht auf erweiterten Verfall von Wertersatz, sondern auf erweiterten Verfall zu erkennen (§ 73d Abs. 1 StGB).
Mutzbauer Roggenbuck Franke RiBGH Bender ist infolge Urlaubs ortsabwesend und daher an der Unterschriftsleistung gehindert. Mutzbauer Reiter

(1) Das Präsidium bestimmt die Besetzung der Spruchkörper, bestellt die Ermittlungsrichter, regelt die Vertretung und verteilt die Geschäfte. Es trifft diese Anordnungen vor dem Beginn des Geschäftsjahres für dessen Dauer. Der Präsident bestimmt, welche richterlichen Aufgaben er wahrnimmt. Jeder Richter kann mehreren Spruchkörpern angehören.

(2) Vor der Geschäftsverteilung ist den Richtern, die nicht Mitglied des Präsidiums sind, Gelegenheit zur Äußerung zu geben.

(3) Die Anordnungen nach Absatz 1 dürfen im Laufe des Geschäftsjahres nur geändert werden, wenn dies wegen Überlastung oder ungenügender Auslastung eines Richters oder Spruchkörpers oder infolge Wechsels oder dauernder Verhinderung einzelner Richter nötig wird. Vor der Änderung ist den Vorsitzenden Richtern, deren Spruchkörper von der Änderung der Geschäftsverteilung berührt wird, Gelegenheit zu einer Äußerung zu geben.

(4) Das Präsidium kann anordnen, daß ein Richter oder Spruchkörper, der in einer Sache tätig geworden ist, für diese nach einer Änderung der Geschäftsverteilung zuständig bleibt.

(5) Soll ein Richter einem anderen Spruchkörper zugeteilt oder soll sein Zuständigkeitsbereich geändert werden, so ist ihm, außer in Eilfällen, vorher Gelegenheit zu einer Äußerung zu geben.

(6) Soll ein Richter für Aufgaben der Justizverwaltung ganz oder teilweise freigestellt werden, so ist das Präsidium vorher zu hören.

(7) Das Präsidium entscheidet mit Stimmenmehrheit. § 21i Abs. 2 gilt entsprechend.

(8) Das Präsidium kann beschließen, dass Richter des Gerichts bei den Beratungen und Abstimmungen des Präsidiums für die gesamte Dauer oder zeitweise zugegen sein können. § 171b gilt entsprechend.

(9) Der Geschäftsverteilungsplan des Gerichts ist in der von dem Präsidenten oder aufsichtführenden Richter bestimmten Geschäftsstelle des Gerichts zur Einsichtnahme aufzulegen; einer Veröffentlichung bedarf es nicht.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 556/12
vom
26. März 2013
in der Strafsache
gegen
alias
alias
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 26. März 2013 gemäß
§ 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Halle vom 9. August 2012 wird mit der Maßgabe verworfen, dass in Ziff. 5 des landgerichtlichen Tenors auf erweiterten Verfall erkannt ist. 2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 21 Fällen, wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es den Verfall von Wertersatz in Höhe von 2.450,00 € und den erweiterten Verfall von Wertersatz in Höhe von 39.385,00 € angeordnet. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Darüber hinaus beanstandet er die Besetzung des erkennenden Senats.
2
Das Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Es führt lediglich zu einer Klarstellung hinsichtlich der Verfallsentscheidung.

I.


3
Der Senat ist ordnungsgemäß besetzt. Dem steht nicht entgegen, dass er seit dem 1. Juli 2012 keinen planmäßigen Vorsitzenden hat.
4
1. Der frühere Vorsitzende des 4. Strafsenats, Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann, ist mit Ablauf des 30. Juni 2012 wegen Erreichens der Altersgrenze in den Ruhestand getreten. Seitdem ist diese Stelle vakant, und der 4. Strafsenat wird von Richter am Bundesgerichtshof Dr. Mutzbauer als dem vom Präsidium bestimmten Vertreter gemäß § 21f Abs. 2 Satz 1 GVG geführt. Daran hat das Präsidium des Bundesgerichtshofs auch bei der Aufstellung des Geschäftsverteilungsplans für das Jahr 2013 (§ 21e Abs. 1 Satz 2 GVG) nichts geändert.
5
2. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung besteht Einigkeit darüber, dass im Falle des endgültigen Ausscheidens eines Vorsitzenden aus dem Spruchkörper § 21f Abs. 2 Satz 1 GVG entsprechend anzuwenden ist, sofern und solange die Wiederbesetzung lediglich „vorübergehend“ unterbleibt, also einen angemessenen Zeitraum nicht überschreitet (vgl. BVerfGE 18, 423, 426 f.; BVerfG, NJW 1983, 1541; BGH, Urteil vom 9. Februar 1955 – IV ZR153/54, BGHZ 16, 254; Urteil vom 21. Juni 1955 – 5 StR 177/55, BGHSt 8, 17, 19 ff.; Beschluss vom 11. Juli 1985 – VII ZB 6/85, NJW 1985, 2337; BSG, NJW 2007, 2717, 2718; BFHE 190, 47, 52 f.; BVerwG, NJW 1986, 1366, 1367; vgl. auch Breidling in LR-StPO, 26. Aufl., § 21f GVG Rn. 27). Es sei nicht in allen Fällen und ungeachtet der Dauer der mutmaßlichen Vakanz zu verlangen, dass das Präsidium den frei gewordenen Vorsitz dem Vorsitzenden eines anderen Spruchkörpers zusätzlich übertrage (BSG, NJW 2007, 2717, 2718; BFHE 190, 47, 53 f.). Wie lange das Präsidium im Falle der nicht nahtlosen Besetzung der Stelle eines Vorsitzenden mit der Entscheidung zuwarten darf, einen anderen Vorsitzenden zusätzlich mit dem vakant gewordenen Senatsvorsitz zu betrauen, lässt sich nicht „allgemeingültig“ und losgelöst von dem Grund der Verhinderung beantworten (BGH, Urteil vom 13. September 2005 – VI ZR 137/04, NJW 2006, 154, 155; vgl. auch Breidling in LR-StPO, 26. Aufl., § 21f GVG Rn. 25, 27; Kissel/Mayer, GVG, 7. Aufl., § 59 Rn. 13; Zöller/Lückemann, ZPO, 29. Aufl., § 21e GVG Rn. 39d).
6
Für den Fall der länger dauernden Erkrankung hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass es auf die tatsächlichen Umstände des Einzelfalls ankommt , die umfassend zu würdigen sind. Jedenfalls dann, wenn der ordentliche Vorsitzende über ein ganzes Geschäftsjahr wegen Krankheit dienstunfähig gewesen sei, habe das Präsidium vor der Aufstellung des Geschäftsverteilungsplans für das nächste Geschäftsjahr die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu nutzen, um die Frage nach der voraussichtlichen Fortdauer der Verhinderung zu klären. Könne hiernach nicht mit einer Wiederherstellung der Dienstfähigkeit in absehbarer Zeit gerechnet werden, müsse das Präsidium von einer dauernden Verhinderung ausgehen (BGH, Urteil vom 13. September 2005 – VI ZR 137/04, NJW 2006, 154). In einem Fall, in dem der Vorsitzende planmäßig mit Erreichung der Altersgrenze ausgeschieden war und die Ausschreibung der Stelle erst im Monat seines Ausscheidens erfolgte, ist das Bundes- sozialgericht davon ausgegangen, dass „zumindest im Regelfall“ der Vorsitzin einem Spruchkörper nicht länger als sechs Monate durch den vom Präsidium bestimmten stellvertretenden Vorsitzenden geführt werden darf (BSG, NJW 2007, 2717, 2718). Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs ist § 21f Abs. 2 Satz 1 GVG nach dem endgültigen Ausscheiden eines Vorsitzenden solange anwendbar, wie durch die Vakanz im Vorsitz keine wesentlich gewichtigere Beeinträchtigung der bei ordnungsgemäßer Besetzung des Spruchkörpers zu erwartenden Arbeitsweise zu erwarten ist als bei einem längeren Urlaub oder einer „länger dauernden Erkrankung“ (BFHE 190, 47, 55). Nach der Rechtspre- chung des Bundesverwaltungsgerichts ist eine ruhestandsbedingte Vakanz im Vorsitz „praktisch unvermeidbar“; allgemeingültige Fristen ließen sich weder für den Fall einer Verhinderung durch längere Krankheit noch für den Fall der dauernden Verhinderung des Vorsitzenden infolge einer Vakanz festlegen (BVerwG, NJW 1986, 1366, 1367; vgl. auch BVerwG, NJW 2001, 3493 für den besonders gelagerten Fall der geplanten Auflösung des Bundesdisziplinargerichts

).


7
3. Der Senat hat keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Auf ihrer Grundlage bestehen keine Bedenken gegen die ordnungsgemäße Besetzung des 4. Strafsenats.
8
a) Das frühzeitig eingeleitete Verfahren zur Wiederbesetzung der Stelle des Vorsitzenden Richters ist noch nicht abgeschlossen, weil das Verwaltungsgericht Karlsruhe im Rahmen eines anhängigen Konkurrentenstreitverfahrens mit (nicht rechtskräftigem) Beschluss vom 17. Januar 2013 der Bundesrepublik Deutschland im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt hat, die beabsichtigte Ernennung auszusprechen, bevor über die Bewerbung des klagenden Konkurrenten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts eine neue Auswahlentscheidung getroffen worden ist (Verwaltungsgericht Karlsruhe, Beschluss vom 17. Januar 2013 – 1 K 2614/12).
9
b) Nach dem „Vermerk über die wesentlichen Erwägungen des Präsidiums des Bundesgerichtshofs zur Entscheidung über die Besetzung der Vor- sitzendenstellen in den Strafsenaten“ (Anlage 6zum Protokoll über die Präsidiumssitzung vom 13. Dezember 2012) hat das Präsidium für das Geschäftsjahr 2013 selbst bei Ausschöpfung aller Ressourcen und nach Abwägung aller denkbaren Geschäftsverteilungsmodelle keine Möglichkeit gesehen, jedem Strafsenat einen Vorsitzenden Richter zuzuweisen. Der Doppelvorsitz durch gleichzeitige Leitung des 2. und 3. Strafsenats könne infolge Überlastung des mit dieser Aufgabe betrauten Vorsitzenden nicht mehr aufrechterhalten werden, so dass im Geschäftsjahr 2013 der Präsident den Vorsitz im 3. Strafsenat wahrnehme (§ 21e Abs. 1 Satz 3 GVG). Die Übertragung eines Doppelvorsitzes an einen anderen Vorsitzenden eines Strafsenats komme nicht in Betracht, da der Vorsitzende des 1. Strafsenats mit Ablauf des 30. April 2013 altersbedingt in den Ruhestand treten werde und der Vorsitzende des 5. – Leipziger – Strafsenats schon auf Grund der örtlichen Gegebenheiten nicht parallel den Vorsitz in einem Karlsruher Strafsenat übernehmen könne. Die Heranziehung der Vorsitzenden der Zivilsenate für Interimslösungen scheide ebenfalls aus. Sie seien mit den Rechtsmaterien der Strafsenate nicht in einem Maße vertraut, dass sie ohne ins Gewicht fallende Einarbeitungszeit die Funktion eines Vorsitzenden in einem zusätzlich zu übernehmenden Strafsenat erfüllen könnten.
10
c) Da das Beförderungsverfahren zügig betrieben wurde und das Präsidium des Bundesgerichtshofs alle sinnvollen Ressourcen zur Besetzung der Vorsitzendenstellen in den Strafsenaten ausgeschöpft hat, liegen besondere Umstände vor, die es rechtfertigen, dass der 4. Strafsenat jedenfalls derzeit durch den vom Präsidium bestimmten stellvertretenden Vorsitzenden geleitet wird.

II.


11
Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
12
Zu der Verfallsentscheidung bemerkt der Senat:
13
Das Landgericht hat sich rechtsfehlerfrei die Überzeugung davon verschafft , dass das beim Angeklagten sichergestellte Geld (39.385,00 €) aus nicht verfahrensgegenständlichen Verkäufen von Betäubungsmitteln oder sonstigen Teilnahmehandlungen zu solchen Geschäften stammte (UA S. 58). Entsprechend war hinsichtlich dieses Geldes – vom Landgericht ersichtlich gemeint – nicht auf erweiterten Verfall von Wertersatz, sondern auf erweiterten Verfall zu erkennen (§ 73d Abs. 1 StGB).
Mutzbauer Roggenbuck Franke RiBGH Bender ist infolge Urlaubs ortsabwesend und daher an der Unterschriftsleistung gehindert. Mutzbauer Reiter

(1) Den Vorsitz in den Spruchkörpern bei den Landgerichten, bei den Oberlandesgerichten sowie bei dem Bundesgerichtshof führen der Präsident und die Vorsitzenden Richter.

(2) Bei Verhinderung des Vorsitzenden führt den Vorsitz das vom Präsidium bestimmte Mitglied des Spruchkörpers. Ist auch dieser Vertreter verhindert, führt das dienstälteste, bei gleichem Dienstalter das lebensälteste Mitglied des Spruchkörpers den Vorsitz.

(1) Das Präsidium bestimmt die Besetzung der Spruchkörper, bestellt die Ermittlungsrichter, regelt die Vertretung und verteilt die Geschäfte. Es trifft diese Anordnungen vor dem Beginn des Geschäftsjahres für dessen Dauer. Der Präsident bestimmt, welche richterlichen Aufgaben er wahrnimmt. Jeder Richter kann mehreren Spruchkörpern angehören.

(2) Vor der Geschäftsverteilung ist den Richtern, die nicht Mitglied des Präsidiums sind, Gelegenheit zur Äußerung zu geben.

(3) Die Anordnungen nach Absatz 1 dürfen im Laufe des Geschäftsjahres nur geändert werden, wenn dies wegen Überlastung oder ungenügender Auslastung eines Richters oder Spruchkörpers oder infolge Wechsels oder dauernder Verhinderung einzelner Richter nötig wird. Vor der Änderung ist den Vorsitzenden Richtern, deren Spruchkörper von der Änderung der Geschäftsverteilung berührt wird, Gelegenheit zu einer Äußerung zu geben.

(4) Das Präsidium kann anordnen, daß ein Richter oder Spruchkörper, der in einer Sache tätig geworden ist, für diese nach einer Änderung der Geschäftsverteilung zuständig bleibt.

(5) Soll ein Richter einem anderen Spruchkörper zugeteilt oder soll sein Zuständigkeitsbereich geändert werden, so ist ihm, außer in Eilfällen, vorher Gelegenheit zu einer Äußerung zu geben.

(6) Soll ein Richter für Aufgaben der Justizverwaltung ganz oder teilweise freigestellt werden, so ist das Präsidium vorher zu hören.

(7) Das Präsidium entscheidet mit Stimmenmehrheit. § 21i Abs. 2 gilt entsprechend.

(8) Das Präsidium kann beschließen, dass Richter des Gerichts bei den Beratungen und Abstimmungen des Präsidiums für die gesamte Dauer oder zeitweise zugegen sein können. § 171b gilt entsprechend.

(9) Der Geschäftsverteilungsplan des Gerichts ist in der von dem Präsidenten oder aufsichtführenden Richter bestimmten Geschäftsstelle des Gerichts zur Einsichtnahme aufzulegen; einer Veröffentlichung bedarf es nicht.

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

29
b) Dem Berufungsurteil liegen rechtlich unzulässige Erwägungen zugrunde. Der Auftraggeber darf die Baumaßnahme nicht ohne Weiteres auf der Grundlage offenkundiger Risiken vornehmen lassen (vgl. BGH, Urteile vom 20. Dezember 2012 - VII ZR 209/11, BauR 2013, 624 = NZBau 2013, 244 Rn. 27 f.; vom 19. Mai 2011 - VII ZR 24/08, BauR 2011, 1494 = NZBau 2011, 483 Rn. 30; vom 10. Februar 2011 - VII ZR 8/10 aaO, Rn. 43). Das Berufungsgericht hat nicht beachtet, dass der hier geltend gemachte Schaden auch darauf beruht, dass auch die Klägerin auf das ihr in gewissem Umfang bekannte Risiko für die Standsicherheit des Altbaus keine Rücksicht genommen hat. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wusste die Klägerin insbesondere aufgrund des von ihr selbst eingeholten Gutachtens des Streithelfers zu 1 vom 31. März 1998, dass der Altbau in einem von Bebauung freizuhaltenden Sicherheitskorridor lag. Das Gutachten war nach den Feststellungen des Landgerichts , auf welche das Berufungsgericht Bezug genommen hat, für die Klägerin verständlich. Der Befund des Gutachters wurde in der Folgezeit bekräftigt. Der auf die Bauvoranfrage erteilte Ablehnungsbescheid vom 11. November 1999 stellte unter anderem darauf ab, dass die Standsicherheit des Steilhanges nicht gewährleistet sei. Die Baugenehmigung wurde am 19. Oktober 2001 zwar erteilt und ging davon aus, dass die Standsicherheit des Gebäudes an sich nicht gefährdet sei; die Baugenehmigung enthielt sich jedoch ausdrücklich einer verbindlichen Aussage. Vor diesen Umständen durfte die Klägerin nicht die Augen verschließen, ohne dadurch gegen die ihrem eigenen Interesse dienende Obliegenheit, sich selbst vor Schäden zu bewahren, zu verstoßen , § 254 Abs. 1 BGB.
43
bb) Das Berufungsgericht hat jedoch nicht berücksichtigt, dass der hier geltend gemachte Schaden auch darauf beruht, dass die Kläger von der rechtswidrig erteilten Baugenehmigung Gebrauch gemacht haben, ohne auf die sich aufdrängende Frage Rücksicht zu nehmen, ob die beeinträchtigten Nachbarn sich hiergegen wehren würden und welche Konsequenzen dies haben könnte. Indem die Kläger, bevor sie mit den erheblichen Investitionen in das Bauvorhaben begannen, die jetzt Grundlage des begehrten Ersatzes für Folgeschäden der mangelhaften Architektenleistung sind, diese Frage nicht abklärten , verstießen sie gegen die ihrem eigenen Interesse dienende Obliegenheit, sich selbst vor Schäden zu bewahren, § 254 Abs. 1 BGB.

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

Der Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Die Vorschrift des § 276 Abs. 3 findet keine Anwendung.

29
b) Dem Berufungsurteil liegen rechtlich unzulässige Erwägungen zugrunde. Der Auftraggeber darf die Baumaßnahme nicht ohne Weiteres auf der Grundlage offenkundiger Risiken vornehmen lassen (vgl. BGH, Urteile vom 20. Dezember 2012 - VII ZR 209/11, BauR 2013, 624 = NZBau 2013, 244 Rn. 27 f.; vom 19. Mai 2011 - VII ZR 24/08, BauR 2011, 1494 = NZBau 2011, 483 Rn. 30; vom 10. Februar 2011 - VII ZR 8/10 aaO, Rn. 43). Das Berufungsgericht hat nicht beachtet, dass der hier geltend gemachte Schaden auch darauf beruht, dass auch die Klägerin auf das ihr in gewissem Umfang bekannte Risiko für die Standsicherheit des Altbaus keine Rücksicht genommen hat. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wusste die Klägerin insbesondere aufgrund des von ihr selbst eingeholten Gutachtens des Streithelfers zu 1 vom 31. März 1998, dass der Altbau in einem von Bebauung freizuhaltenden Sicherheitskorridor lag. Das Gutachten war nach den Feststellungen des Landgerichts , auf welche das Berufungsgericht Bezug genommen hat, für die Klägerin verständlich. Der Befund des Gutachters wurde in der Folgezeit bekräftigt. Der auf die Bauvoranfrage erteilte Ablehnungsbescheid vom 11. November 1999 stellte unter anderem darauf ab, dass die Standsicherheit des Steilhanges nicht gewährleistet sei. Die Baugenehmigung wurde am 19. Oktober 2001 zwar erteilt und ging davon aus, dass die Standsicherheit des Gebäudes an sich nicht gefährdet sei; die Baugenehmigung enthielt sich jedoch ausdrücklich einer verbindlichen Aussage. Vor diesen Umständen durfte die Klägerin nicht die Augen verschließen, ohne dadurch gegen die ihrem eigenen Interesse dienende Obliegenheit, sich selbst vor Schäden zu bewahren, zu verstoßen , § 254 Abs. 1 BGB.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 66/01 Verkündet am:
4. Juli 2002
Heinzelmann,
Justizangestellte
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Beauftragt ein Bauherr in selbständigen Verträgen einen Architekten und einen
Statiker mit Planungsleistungen, so ist der Statiker regelmäßig nicht Erfüllungsgehilfe
des Bauherrn in dessen Vertragsverhältnis mit dem Architekten.
BGH, Urteil vom 4. Juli 2002 – VII ZR 66/01 - OLG Frankfurt am Main
LG Frankfurt am Main
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 4. Juli 2002 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die
Richter Hausmann, Dr. Wiebel, Dr. Kuffer und Prof. Dr. Kniffka

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Streithelfers der Klägerin wird das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 13. Dezember 2000 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von dem beklagten Landschaftsarchitekten Schadensersatz. Sie beauftragte den Beklagten 1991 im Zuge der Dachbegrünung eines Bürgergemeinschaftshauses mit der Planung, der Auftragsvergabe und der Bauüberwachung. 1992 traten Schäden an den DSB-Trägern (Dreieckstrebenbau -Träger) im Dachbereich über dem Foyer und dem Jugendraum auf. Die Klägerin beauftragte den Streithelfer mit statischen Untersuchungen. Dieser stellte fest, die Dachkonstruktion sei in allen Bereichen überlastet und die Be-
grünung müsse reduziert werden. Im Rahmen seiner Untersuchungen trug er in einen Plan für die verschiedenen Bereiche des Daches handschriftlich die nach seiner Berechnung jeweils zulässige Zusatzlast ein, die er für den Bereich über dem Saal mit 114 kp/qm ermittelte. Die Klägerin leitete diesen Plan an den Beklagten weiter. Dieser errechnete daraus die nach seiner Ansicht zulässige Substrathöhe für die Begrünung und trug sie in den Plan ein. Anhand dieser Angaben wurde die Dachbegrünung reduziert. Im Bereich über dem Saal fehlte eine Angabe, weil der Beklagte meinte, eine Reduzierung sei dort aufgrund der Angaben des Streithelfers nicht erforderlich. Anfang 1996 kam es zu einem weiteren Schaden an einem Brettschichtholzbalken im Saal. Die Klägerin hat den Beklagten wegen beider Schäden auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Nach rechtskräftig gewordenem Teilurteil streiten die Parteien jetzt noch um den Ersatz des Schadens aus dem zweiten Schadensfall in Höhe von 66.787,21 DM. Der Statiker ist dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin beigetreten. Das Landgericht hat der Klage insoweit stattgegeben; das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision des Streithelfers der Klägerin.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Auf das Schuldverhältnis ist das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung anzuwenden (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).

I.

Das Berufungsgericht führt aus, nach den Feststellungen des Sachverständigen H. betrage die statisch zulässige Traglast des Daches 150 kp/qm. Da sie durch das Eigengewicht des Dachaufbaus und die Schneelast bereits erreicht sei, führe jede weitere Belastung zu einer Überschreitung der statischen Belastungsgrenze. Die in den Plan eingetragene Angabe des Streithelfers für den Saalbereich von zusätzlichen 114 kp/qm überschreite die statisch zulässige Traglast um 76 %. Der Beklagte habe diese Angabe als verbindliche Vorgabe ansehen dürfen. Er hafte nicht deshalb, weil er die Vorgaben des Streithelfers seinerseits nicht korrekt umgesetzt habe. Eine Mitverursachung aufgrund der vom Sachverständigen H. festgestellten Überschreitung um weitere 13 % könne wegen der im Holz und in den Verbindungsmitteln vorhandenen Sicherheit ausgeschlossen werden. Selbst wenn man eine gewisse Mitverursachung unterstelle, treffe den Beklagten kein Verschulden; es trete jedenfalls hinter dem völlig überwiegenden Verschulden des Streithelfers zurück.

II.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Revision rügt zu Recht, die Beurteilung des Berufungsgerichts über den Verursachungsbeitrag des Beklagten beruhe auf nicht tragfähigen Feststellungen. Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Berufungsgericht von der Feststellung des Sachverständigen H. aus, daß auf dem Dach des Bürgergemeinschaftshauses aus statischen Gründen keine Zusatzlast und damit keine Begrünung aufgebracht werden durfte. Infolge dessen hat die Angabe des Streit-
helfers der Klägerin, das Dach über dem Saal könne mit zusätzlichen 114 kp/qm belastet werden, zu einer Überschreitung der Belastbarkeit um 76 % geführt. Dabei ist der Sachverständige H. in seinem Gutachten für jeden Zentimeter Schütthöhe von einer Belastung von zusätzlich 14,1 kp/qm ausgegangen, so daß die Schütthöhe auf dem Dach über dem Saal nach der, wenn auch schon im Ansatz fehlerhaften, Berechnung des Streithelfers höchstens 8,1 cm hätte betragen dürfen. Die weitere Feststellung des Berufungsgerichts, die Berechnung des Sachverständigen H., wonach die vom Beklagten nicht reduzierte Schüttung auf dem Saaldach zu einer die Berechnung des Streithelfers der Klägerin um höchstens 13 % übersteigenden Menge geführt habe, beruht auf Verfahrensfehlern. Die Revision rügt zu Recht, die Klägerin und ihr Streithelfer hätten eine tatsächlich vorhandene Schütthöhe von 12 cm auf diesem Dachteil behauptet und zu Beweis gestellt; die Zeugen hätten dies bestätigt. Mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts ist daher zugunsten der Revision von einer Schütthöhe von 12 cm über dem Saal auszugehen. Dann betrug die Belastung des Saaldachs in diesem Bereich 12 x 14,1 kp/qm = 169,2 kp/qm statt 114 kp/qm. Unter Berücksichtigung der zulässigen Traglast von insgesamt 150 kp/qm ergab sich eine Gesamtbelastung von nicht nur 264 kp/qm, sondern von 319,2 kp/qm und damit eine Überschreitung von nicht bloß 76 %, sondern von 112,8 %. Diese Mehrbelastung kann unter Berücksichtigung der Größe des Saaldachs für die Beurteilung der Mitursächlichkeit des Beklagten für den eingetretenen Schaden entscheidungserheblich sein. Mit dieser verfahrensfehlerhaft getroffenen Feststellung zur Mitursächlichkeit des Beklagten ist daher zugleich die Auffassung des Berufungsgerichts, den Beklagten treffe an der durch ihn verursachten Überschreitung kein Verschulden, ohne tragfähige Grundlage.

III.

Danach kann das Berufungsurteil nicht bestehen bleiben. Es ist aufzuhe- ben. Nach Zurückverweisung der Sache wird das Berufungsgericht zunächst festzustellen haben, ob die mangelhafte Umsetzung der Angaben des Streithelfers der Klägerin durch den Beklagten für den 1996 eingetretenen Schaden mitursächlich geworden ist. Es wird dabei auch die weiteren Rügen der Revision zur Beweiswürdigung zu beachten haben. Sollte das Berufungsgericht eine Mitursächlichkeit des Beklagten feststellen , so wird dieser darzulegen und zu beweisen haben, daß ihn daran kein Verschulden trifft (§ 282 BGB). Soweit das Berufungsgericht anzunehmen scheint, die Klägerin müsse sich ein Mitverschulden ihres Streithelfers anrechnen lassen, ist dies nach den bisherigen Feststellungen nicht zutreffend. Der vom Bauherrn beauftragte Statiker ist regelmäßig nicht Erfüllungsgehilfe des Bauherrn in dessen Vertragsverhältnis mit dem Architekten (vgl. BGH, Urteil vom 4. März 1971 - VII ZR 204/69, BauR 1971, 265, 267, 269). Hat die Klägerin
mit dem Statiker und mit dem Architekten selbständige Verträge abgeschlossen , so haftet jeder von beiden nur für die Erfüllung der von ihm in seinem Vertrag übernommenen Verpflichtungen. Bislang fehlen Feststellungen des Berufungsgerichts , daß der Streithelfer der Klägerin ausnahmsweise als deren Erfüllungsgehilfe gehandelt habe. Ullmann Hausmann Wiebel Kuffer Kniffka

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 329/02 Verkündet am:
10. Juli 2003
Werner
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
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Beauftragt ein Bauherr in selbständigen Verträgen einen Architekten und einen Sonderfachmann
(hier: Bodengutachter), so ist der Sonderfachmann regelmäßig nicht Erfüllungsgehilfe
des Bauherrn in dessen Vertragsverhältnis mit dem Architekten. Entsprechendes
gilt für den Architekten im Vertragsverhältnis zwischen Bauherrn und
Sonderfachmann.
Der Architekt muß die Fachkenntnisse aufweisen, die für die Durchführung seiner Aufgaben
erforderlich sind. Ein Architekt kann sich nicht darauf berufen, daß ihm an der
Universität die für die Erfüllung der Aufgaben notwendigen Fachkenntnisse nicht vermittelt
worden sind.
BGH, Urteil vom 10. Juli 2003 - VII ZR 329/02 - Thüringer OLG in Jena
LG Erfurt
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 10. Juli 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die Richter
Prof. Dr. Thode, Dr. Kuffer, Prof. Dr. Kniffka und Bauner

für Recht erkannt:
Die Revisionen des Beklagten zu 2 und der Beklagten zu 3 gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 21. August 2002 werden zurückgewiesen. Die Beklagten tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Kläger verlangen vom Beklagten zu 2 als Baugrundgutachter und von der Beklagten zu 3 als Architektengesellschaft bürgerlichen Rechts Schadensersatz wegen Feuchtigkeitsschäden. Die Kläger beauftragten im Zuge der Errichtung eines Bürogebäudes die Beklagte zu 3 mit Leistungen der Phasen 1 bis 4 des § 15 Abs. 2 HOAI und teilweise mit solchen der Phasen 5 bis 8. Die Beklagte zu 1 war Generalunternehmerin. Der Beklagte zu 2 erstellte ein Baugrundgutachten. Der Umfang des ihm von den Klägern erteilten Auftrags ist streitig. Das Gutachten enthält einen Hinweis auf eine in einer Tiefe von 2,7 m liegende Schicht aus Tonstein. Ferner heißt es:
"Schwierigkeiten infolge Grundwassers sind nicht zu erwarten. Besonders sorgfältig sind jedoch die Arbeitsräume lagenweise zu verfüllen und zu verdichten, um das Eindringen von Niederschlagswasser und damit eine Durchfeuchtung der Kellerwände zu verhindern."
Eine Abdichtung des Kellermauerwerks gegen drückendes Wasser wurde weder geplant noch ausgeführt. Nach Fertigstellung des Gebäudes kam es nach starken Regenfällen zu zwei Wassereinbrüchen im Keller. Die Kläger leiteten ein selbständiges Beweisverfahren ein. Der Sachverständige führte die Wassereinbrüche auf die fehlende Abdichtung des Kellermauerwerks gegen drückendes Wasser zurück. Hinsichtlich der Beklagten zu 1 ist das Verfahren gemäß § 240 ZPO unterbrochen. Hinsichtlich der Beklagten zu 2 und 3 hat das Landgericht die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Berufungen sind erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen. Es sei die rechtsgrundsätzliche Frage zu klären, ob der Bauherr, der Architekt und Sonderfachmann in Anspruch nimmt, sich jeweils das Verschulden des einen als seines Erfüllungsgehilfen im Verhältnis zum anderen gemäß §§ 254, 278 BGB anrechnen lassen müsse. Mit ihren Revisionen erstreben die Beklagten weiterhin die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe:

Die Revisionen sind unbegründet. Die Beurteilung richtet sich nach dem bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Bürgerlichen Gesetzbuch (Art. 229 § 5 EGBGB).
A. Revision des Beklagten zu 2

I.

Das Berufungsgericht führt aus, den Klägern stehe gegen den Beklagten zu 2 ein Schadensersatzanspruch nach § 635 BGB zu. Das Baugrundgutachten sei mangelhaft. Der dem Beklagten zu 2 erteilte Auftrag sei nicht auf die Beurteilung der Tragfähigkeit des Baugrundes beschränkt gewesen, sondern habe sämtliche Leistungen des § 92 Abs. 1 HOAI umfaßt. Der Beklagte zu 2 hätte daher darauf hinweisen müssen, daß aufgrund des tonigen/bindigen Baugrundes auf der Gründungsebene des Kellers Schichtenwasser oder anstauendes Niederschlagswasser mit Sicherheit zu zeitweise drückendem Wasser führen werde und deshalb entsprechende Abdichtungsmaßnahmen notwendig seien. Dieses Versäumnis sei ursächlich für den eingetretenen Schaden und vom Beklagten zu 2 zu vertreten. Die Kläger müßten sich kein Mitverschulden der Beklagten zu 3 anrechnen lassen. Denn diese sei nicht Erfüllungsgehilfin der Kläger in deren Vertragsverhältnis zum Beklagten zu 2.

II.

Das hält der rechtlichen Überprüfung stand. 1. Die Verfahrensrügen hat der Senat geprüft und nicht für durchgreifend erachtet (§ 564 ZPO). 2. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts liegen die Voraussetzungen des § 635 BGB vor.

a) Die Ansicht des Berufungsgerichts, das Werk des Beklagten zu 2 sei mangelhaft, weil er von ihm geschuldete Hinweise auf notwendige Abdich- tungsmaßnahmen gegen drückendes Wasser nicht gegeben habe, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Revision zeigt keine Rechtsfehler zum Nachteil des Beklagten zu 2 auf. aa) Das Berufungsgericht bestimmt den Umfang des dem Beklagten zu 2 erteilten Auftrags durch Auslegung von Angebot und Annahme. Es entnimmt ihn entgegen der Ansicht der Revision nicht unmittelbar dem § 92 Abs. 1 HOAI. Es hat nicht verkannt, daß die HOAI öffentliches Preisrecht enthält und keine normativen Leitbilder für den Inhalt von Architekten- und Ingenieurverträgen (vgl. BGH, Urteile vom 24. Oktober 1996 - VII ZR 283/95, BGHZ 133, 399, 402 und vom 22. Oktober 1998 - VII ZR 91/97, BauR 1999, 187, 188 = ZfBR 1999,

92).

bb) Unbegründet ist die Rüge, das Berufungsgericht lege den Vertrag fehlerhaft dahin aus, daß der Beklagte zu 2 alle in § 92 Abs. 1 HOAI genannten Leistungen zu erbringen und daher auch Hinweise zur Trockenhaltung des Bauwerks zu geben hatte. Diese in der Revision nur eingeschränkt nachprüfbare tatrichterliche Auslegung ist möglich. Ohne Rechtsfehler durfte das Berufungsgericht bei der Auslegung insbesondere berücksichtigen, daß der Beklagte zu 2 in seinem Gutachten tatsächlich Hinweise zu Grund- und Niederschlagswasser gegeben hat und daß er in seinem Angebot und seiner Rechnung sein Honorar nicht gemäß § 92 Abs. 4 HOAI auf Teilleistungen beschränkt , sondern gemäß § 92 Abs. 2 HOAI in Verbindung mit der Honorartafel in § 94 HOAI den vollen Satz verrechnet hat. cc) Zutreffend stellt das Berufungsgericht weiter fest, daß der Beklagte zu 2 die von ihm geschuldeten Hinweise zur Trockenhaltung des Bauwerks nur
unvollständig gegeben hat. Er hat nicht darauf hingewiesen, daß wegen des von ihm festgestellten tonigen Bodens auf der Gründungsebene des Kellers Schichten- und Niederschlagswasser zu zeitweise drückendem Wasser führen mußte. Zudem war die Empfehlung, die Arbeitsräume besonders sorgfältig zu verfüllen und zu verdichten, unzureichend. Der Sachverständige hat ausgeführt, daß durch diese Maßnahmen das Eindringen von Niederschlagswasser nicht verhindert werden kann.
b) Dieser vom Beklagten zu 2 zu vertretende Mangel seines Werks war ursächlich für den eingetretenen Schaden. Für die Ansicht der Revision, aus den Feststellungen des Berufungsgerichts folge, daß auch bei einem ausdrücklichen Hinweis auf die Gefahr drückenden Wassers entsprechende Abdichtungsmaßnahmen unterblieben wären, fehlt jeder Anhaltspunkt. 3. Ein Mitverschulden der Beklagten zu 3 müssen sich die Kläger nicht zurechnen lassen. Das käme gemäß §§ 254, 278 BGB nur dann in Betracht, wenn sich die Kläger der Beklagten zu 3 zur Erfüllung von gegenüber dem Beklagten zu 2 bestehenden Verbindlichkeiten bedient hätten. Das ist nicht der Fall. Die Kläger schuldeten dem Beklagten zu 2 weder die Planung einer Abdichtung gegen drückendes Wasser noch eine Überprüfung des Gutachtens.
B. Revision der Beklagten zu 3

I.

Das Berufungsgericht bejaht eine Schadensersatzpflicht der Beklagten zu 3 nach § 635 BGB. Die von der Beklagten zu 1 erstellte und von der Beklagten zu 3 zu prüfende Baubeschreibung sei mangelhaft gewesen. Unter
Punkt 3.3 sei ausgeführt, daß gemäß Bodengutachten eine Drainage nicht erforderlich sei. Hinweise zur Gebäudeabdichtung fehlten völlig. Im Rahmen der Leistungsphase 5 habe für die Beklagte zu 3 wegen der aus dem Bodengutachten zu ersehenden Bodenverhältnisse ein "Planungszwang" hinsichtlich einer ausreichenden Abdichtung bestanden. Im Rahmen der Leistungsphase 8 hätte sich die Beklagte zu 3 Gewißheit über eine ordnungsgemäße Abdichtung verschaffen müssen. Diese von ihr zu vertretenden Versäumnisse seien ursächlich für den eingetretenen Schaden. Zwar habe die Beklagte zu 1 die Zisterne , die bestimmt gewesen sei, das Regenwasser vom Dach aufzunehmen, fehlerhaft erstellt. Dieser Umstand habe das Problem des drückenden Wassers aber nur unwesentlich vergrößert. Ein Verschulden des Beklagten zu 2 müßten sich die Kläger nicht zurechnen lassen. Der Beklagte zu 2 und die Beklagte zu 3 hafteten als Gesamtschuldner.

II.

Das hält der rechtlichen Überprüfung stand. 1. Der Senat hat die Verfahrensrügen aus den §§ 286, 412 ZPO geprüft und nicht für durchgreifend erachtet (§ 564 ZPO). 2. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts liegen die Voraussetzungen des § 635 BGB vor.
a) Das Werk der Beklagten zu 3 war schon deshalb mangelhaft, weil das vom Berufungsgericht als Baubeschreibung bezeichnete Generalunternehmerleistungsverzeichnis trotz der Gefahr zeitweise drückenden Wassers sich zu Abdichtungsmaßnahmen nicht äußerte, vielmehr eine Drainage als entbehrlich
bezeichnete. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wurde dieses Leistungsverzeichnis von der Beklagten zu 1 erstellt und war von der Beklagten zu 3 zu überprüfen. Hierzu gehörte jedenfalls die Überprüfung, ob die dem Lei- stungsverzeichnis zugrundeliegende Planung keine grundlegenden Mängel hinsichtlich der Abdichtung aufwies. In diesem Fall besteht der Werkmangel darin, daß die Beklagte zu 3 ihre Prüfungspflicht verletzt hat. Aus dem vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Sachvortrag ergibt sich außerdem, daß sie selbst das fehlerhafte Leistungsverzeichnis erstellt hat.
b) Der Mangel war ursächlich für den eingetretenen Schaden. Die Ansicht des sachverständig beratenen Berufungsgerichts, die wegen der fehlerhaften Zisterne zusätzlich in den Boden gelangten Regenmengen hätten keine wesentliche Rolle gespielt, ist nicht zu beanstanden. Die Revision versucht erfolglos , diese Wertung durch ihre eigene zu ersetzen.
c) Die Beklagte zu 3 hat ihre Pflichtverletzung zu vertreten. Das Berufungsgericht stellt rechtsfehlerfrei fest, daß ein Architekt aufgrund seines allgemeinen Kenntnis- und Erfahrungsstandes bei den im Baugrundgutachten beschriebenen Bodenverhältnissen mit drückendem Wasser rechnen muß. Daß der Gesellschafter W. der Beklagten zu 3 vor Jahrzehnten nicht in den Fächern Bodengeologie und Bodenkunde geprüft wurde, ist entgegen der Ansicht der Revision unerheblich. Die Anforderungen an die Fachkenntnisse des Architekten richten sich nicht allein danach, welche Ausbildung der Architekt an der Universität erfahren hat. Vielmehr muß der Architekt die Fachkenntnisse aufweisen, die für die Durchführung seiner Aufgaben erforderlich sind. Ein Architekt kann sich nicht darauf berufen, daß ihm an der Universität die für die Erfüllung der Aufgaben notwendigen Fachkenntnisse nicht vermittelt worden sind.
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung durch Bezugnahme auf das Sachverständigengutachten ausreichend begründet. Der von der Revision gerügte Verstoß gegen § 547 Nr. 6 ZPO liegt nicht vor. 3. Die Kläger müssen sich das Verschulden der Beklagten zu 1 und des Beklagten zu 2 nicht zurechnen lassen.
a) Die Kläger waren der Beklagten zu 3 gegenüber nicht verpflichtet, für eine ordnungsgemäße Beschaffenheit der Zisterne und ihres Überlaufs zu sorgen. Woraus sich eine solche Verpflichtung ergeben soll, legt die Revision nicht dar.
b) Der Beklagte zu 2 ist nicht Erfüllungsgehilfe der Kläger in ihrem Vertragsverhältnis zu der Beklagten zu 3. Der vom Bauherrn beauftragte Sonderfachmann ist regelmäßig nicht Erfüllungsgehilfe des Bauherrn in dessen Vertragsverhältnis zum Architekten. Schließt der Bauherr mit beiden selbständige Verträge ab, haftet jeder von beiden nur für die Erfüllung der von ihm in seinem Vertrag übernommenen Verpflichtungen (vgl. BGH, Urteile vom 4. März 1971 - VII ZR 204/69, BauR 1971, 265, 267, 269 und vom 4. Juli 2002 - VII ZR 66/01, BauR 2002, 1719, 1720 = ZfBR 2002, 786 = NZBau 2002, 616). Ob der Sonderfachmann ausnahmsweise als Erfüllungsgehilfe des Bauherrn gehandelt hat, ist jeweils im Einzelfall anhand der konkreten vertraglichen Beziehungen zwischen den Beteiligten zu beurteilen. Danach war der Beklagte zu 2 nicht Erfüllungsgehilfe der Kläger in ihrem Vertragsverhältnis zu der Beklagten zu 3. Er war von den Klägern durch selbständigen Vertrag mit der Erstellung des Baugrundgutachtens beauftragt worden. Im Rahmen dieser Vertragsbeziehung wurde er tätig. Allein der Umstand,
daß sein Gutachten Hinweise zur Trockenhaltung des Bauwerks enthalten mußte und daher für die Abdichtung des Kellermauerwerks von Bedeutung war, führt zu keiner anderen Beurteilung. 4. Der Beklagte zu 2 und die Beklagte zu 3 haften als Gesamtschuldner (vgl. BGH, Urteil vom 4. März 1971 - VII ZR 204/69 aaO).

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97, 100 Abs. 4 ZPO.
Dressler Thode Kuffer
Kniffka Bauner
29
b) Dem Berufungsurteil liegen rechtlich unzulässige Erwägungen zugrunde. Der Auftraggeber darf die Baumaßnahme nicht ohne Weiteres auf der Grundlage offenkundiger Risiken vornehmen lassen (vgl. BGH, Urteile vom 20. Dezember 2012 - VII ZR 209/11, BauR 2013, 624 = NZBau 2013, 244 Rn. 27 f.; vom 19. Mai 2011 - VII ZR 24/08, BauR 2011, 1494 = NZBau 2011, 483 Rn. 30; vom 10. Februar 2011 - VII ZR 8/10 aaO, Rn. 43). Das Berufungsgericht hat nicht beachtet, dass der hier geltend gemachte Schaden auch darauf beruht, dass auch die Klägerin auf das ihr in gewissem Umfang bekannte Risiko für die Standsicherheit des Altbaus keine Rücksicht genommen hat. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wusste die Klägerin insbesondere aufgrund des von ihr selbst eingeholten Gutachtens des Streithelfers zu 1 vom 31. März 1998, dass der Altbau in einem von Bebauung freizuhaltenden Sicherheitskorridor lag. Das Gutachten war nach den Feststellungen des Landgerichts , auf welche das Berufungsgericht Bezug genommen hat, für die Klägerin verständlich. Der Befund des Gutachters wurde in der Folgezeit bekräftigt. Der auf die Bauvoranfrage erteilte Ablehnungsbescheid vom 11. November 1999 stellte unter anderem darauf ab, dass die Standsicherheit des Steilhanges nicht gewährleistet sei. Die Baugenehmigung wurde am 19. Oktober 2001 zwar erteilt und ging davon aus, dass die Standsicherheit des Gebäudes an sich nicht gefährdet sei; die Baugenehmigung enthielt sich jedoch ausdrücklich einer verbindlichen Aussage. Vor diesen Umständen durfte die Klägerin nicht die Augen verschließen, ohne dadurch gegen die ihrem eigenen Interesse dienende Obliegenheit, sich selbst vor Schäden zu bewahren, zu verstoßen , § 254 Abs. 1 BGB.