Bundesgerichtshof Urteil, 17. Apr. 2013 - VIII ZR 225/12
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung eines "Aktionsbonus" aus einem Stromlieferungsvertrag.
- 2
- Der Kläger bezog von der Beklagten Strom aufgrund eines Vertrages, der am 1. Mai 2010 begann. Die in das Vertragsverhältnis einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten (Stand: 2. Februar 2010) enthalten in Ziffer 7.3 folgende Regelung: "Wenn Sie als Neukunde einen Vertrag mit F. [Beklagte] schließen , gewährt Ihnen F. einen einmaligen Bonus. Dieser wird nach 12 Monaten Belieferungszeit fällig und spätestens mit der ersten Jahresrechnung verrechnet. Neukunde ist, wer in den letzten 6 Monaten vor Vertragsschluss in seinem Haushalt nicht von F. beliefert wurde. Der Bonus entfällt bei Kündigung innerhalb des ersten Belieferungsjahres , es sei denn die Kündigung wird erst nach Ablauf des ersten Belieferungsjahres wirksam."
- 3
- Das Vertragsverhältnis endete aufgrund fristgerechter Kündigung des Klägers nach einem Jahr Belieferung mit Ablauf des 30. April 2011. In der Schlussrechnung vom 19. September 2011 berücksichtigte die Beklagte nicht den der Höhe nach unstreitigen Bonus von 140 €.
- 4
- Mit seiner Klage begehrt der Kläger Zahlung des Bonus sowie weiterer 102,18 €, insgesamt 242,18 € nebst Zinsen. Das Amtsgericht hat der Klage - nach Anerkenntnis der Beklagten hinsichtlich des Teilbetrags von 102,18 € nebst Zinsen - stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und die Klage hinsichtlich der Bonuszahlung abgewiesen. Der Kläger begehrt mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
- 5
- Die Revision hat Erfolg.
I.
- 6
- Das Berufungsgericht hat, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse , im Wesentlichen ausgeführt:
- 7
- Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Zahlung des Aktionsbonus in Höhe von 140 € gegen die Beklagte nach deren Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht zu, weil er die Kündigung bereits zum Ablauf der Mindestvertragslaufzeit von einem Jahr ausgesprochen habe. Entgegen der Auffassung des Klägers sei die Klausel bereits nach ihrem Wortlaut eindeutig. Unter Zugrundelegung des Empfängerhorizonts eines rechtlich nicht vorgebildeten durchschnittlichen Vertragspartners ergebe die Auslegung der Klausel, dass der Kunde einen Anspruch auf Zahlung des Bonus erst dann erhalte, wenn er länger als zwölf Monate Strom von der Beklagten bezogen habe. Dies folge aus der einschränkenden Formulierung in Ziffer 7.3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten im Zusammenhang mit der Auswirkung einer Kündigung innerhalb des ersten Belieferungsjahres auf den Bonusanspruch: "… es sei denn, die Kündigung wird erst nach Ablauf des ersten Belieferungsjahres wirksam". Der eindeutige Wortlaut der Klausel besage, dass der Bonus bei einer Kündigung innerhalb des ersten Belieferungsjahres entfalle. Dies bedeute zunächst einmal, dass bei allen Kündigungen innerhalb des ersten Jahres der Bonus nicht gewährt werde. Anschließend werde eine Rückausnahme vom Entfallen des Bonus gemacht, wenn die - wie vorliegend - innerhalb des ersten Belieferungsjahres erklärte Kündigung erst nach und nicht zum Ablauf des ersten Belieferungsjahres wirksam werde. Entgegen der Auffassung des Klägers sei die unterschiedliche Bedeutung von "nach Ablauf" und "zum Ablauf" eindeutig erkennund begreifbar. Bei einem am 1. April beginnenden Vertrag bedeute "zum Ablauf" den 30. April des Folgejahres und "nach Ablauf" den 1. Mai des Folgejahres. Ebenso verhalte es sich mit dem Begriff der Wirksamkeit. Allein eine Mehrzahl unterschiedlicher Gerichtsentscheidungen vermöge den eindeutigen Wortlaut der Klausel nicht unklar zu machen.
II.
- 8
- Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
- 9
- 1. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Klauselauslegung unterliegt der uneingeschränkten revisionsrechtlichen Nachprüfung, da bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen ungeachtet der Frage, ob sie über den räumlichen Bezirk des Berufungsgerichts hinaus Verwendung finden, ein Bedürfnis nach einheitlicher Handhabung besteht (Senatsurteile vom 9. Februar 2011 - VIII ZR 295/09, NJW 2011, 1342 Rn. 29; vom 9. Juni 2010 - VIII ZR 294/09, NJW 2010, 2877 Rn. 11 mwN). Allgemeine Geschäftsbedingungen sind - ausgehend von den Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht vorgebildeten durchschnittlichen Vertragspartners - einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden werden (Senatsurteile vom 9. Februar 2011 - VIII ZR 295/09, aaO, und 9. Juni 2010 - VIII ZR 294/09, aaO Rn. 12). Dabei sind sie unabhängig von der Gestaltung des Einzelfalls sowie dem Willen und den Belangen der jeweils konkreten Vertragspartner nach ihrem typischen Sinn auszulegen. Ansatzpunkt für die bei einem Formularvertrag gebotene objektive, nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung ist in erster Linie der Vertragswortlaut (st. Rspr.; Senatsurteil vom 8. April 2009 - VIII ZR 233/08, NJW-RR 2009, 1021 Rn. 19 mwN).
- 10
- 2. Hieran gemessen hält die Auslegung der vorliegenden Klausel durch das Berufungsgericht, wie die Revision mit Recht rügt, der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der Senat teilt nicht die Auffassung des Berufungsgerichts und einiger Instanzgerichte (vgl. LG Berlin, Urteil vom 13. Januar 2012 - 56 S 58/11, juris; AG Coburg, Urteil vom 6. Oktober 2011 - 15 C 1176/11, juris; AG Linz, Urteil vom 14. Dezember 2010 - 21 C 640/10, juris), wonach der Wortlaut der Klausel eindeutig in dem Sinne sei, dass ein Anspruch auf den Bonus nur bestehe , wenn der Stromlieferungsvertrag länger als ein Jahr bestanden habe. Vielmehr kann die Formulierung der vorliegenden Klausel für einen juristisch nicht vorgebildeten Kunden ohne weiteres dahin verstanden werden, dass ein Anspruch auf den Bonus bereits dann besteht, wenn der Vertrag mindestens ein Jahr bestanden hat (vgl. LG Heidelberg, Urteil vom 29. Dezember 2010 - 12 O 76/10 KfH, juris; AG Tiergarten, Urteil vom 17. Januar 2011- 3 C 355/10, juris; AG Bonn, Urteil vom 30. April 2012 - 111 C 253/11, juris). Die Klausel ist deshalb nach § 305c Abs. 2 BGB in diesem Sinne auszulegen. Das Vorbringen der Beklagten in der Revisionserwiderung rechtfertigt keine andere Beurteilung. Die Auslegung, nach der für den Bonusanspruch erforderlich sei, dass der Vertrag länger als ein Jahr bestanden habe, mag auch möglich sein, beseitigt aber nicht die bestehenden Auslegungszweifel.
III.
- 11
- Da die Revision begründet ist, ist das Berufungsurteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat entscheidet in der Sache selbst, weil weitere Feststellungen nicht zu treffen sind (§ 563 Abs. 1 und 3 ZPO). Da der Stromlieferungsvertrag zwischen den Parteien - wie von Ziffer 7.3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten gefordert - ein volles Jahr bestand, hat der Kläger, wie das Amtsgericht zutreffend entschieden hat, Anspruch auf Zahlung des der Höhe nach unstreitigen Aktionsbonus. Die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des Amtsgerichts ist daher zurückzuweisen. Ball Dr. Frellesen Dr. Achilles Dr. Fetzer Dr. Bünger
AG Bad Waldsee, Entscheidung vom 24.01.2012 - 1 C 296/11 -
LG Ravensburg, Entscheidung vom 29.06.2012 - 1 S 31/12 -
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Annotations
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nicht Vertragsbestandteil.
(2) Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen zu Lasten des Verwenders.
(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.
(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.
(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.