Bundesgerichtshof Urteil, 24. Juli 2012 - X ZR 51/11

bei uns veröffentlicht am24.07.2012
vorgehend
Landgericht Frankfurt am Main, 6 O 464/10, 07.07.2010
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, 6 U 136/10, 31.03.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 51/11 Verkündet am:
24. Juli 2012
Wermes
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Flaschenträger

a) Der Schutzrechtsverletzer ist verpflichtet, den durch die Verletzungshandlungen
erzielten Gewinn vollständig insoweit, aber auch nur insoweit herauszugeben, als
er auf der Benutzung des immateriellen Schutzguts beruht.

b) Für die Bestimmung des Anteils des herauszugebenden Verletzergewinns ist bei
einer Patentverletzung wertend zu bestimmen, ob und in welchem Umfang der erzielte
Gewinn auf den durch die Benutzung der Erfindung vermittelten technischen
Eigenschaften des Produkts oder anderen für die Kaufentscheidung der Abneh-
mer erheblichen Faktoren beruht. Die Höhe des herauszugebenden Verletzerge
winns ist insoweit vom Tatrichter unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls
nach freier Überzeugung zu schätzen.

c) Der Einwand des Verletzers, er hätte den Gewinn auch bei einem nicht das
Schutzrecht verletzenden Verhalten erzielen können, ist bei Bestimmung des herauszugebenden
Verletzergewinns unbeachtlich. Eine nichtverletzende Produktgestaltung
, die im Verletzungszeitraum tatsächlich nicht zur Verfügung stand, ist für
die Beurteilung der mit der Benutzung des Schutzrechts verbundenen Marktchancen
in diesem Zeitraum und damit für die Bestimmung des herauszugebenden
Verletzergewinns unerheblich.
BGH, Urteil vom 24. Juli 2012 - X ZR 51/11 - OLG Frankfurt am Main
LG Frankfurt am Main
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 24. Juli 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, den
Richter Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die Richter Gröning und
Dr. Bacher

für Recht erkannt:
Die Revisionen gegen das am 31. März 2011 verkündete Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadenersatz wegen Patentverletzung.
2
Die Klägerin ist Inhaberin des unter anderem für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 931 003 (Klage- patents). Es betrifft einen Gegenstandsträger und einen Zuschnitt hierfür. Gegenstandsträger sind korbartige Gebilde, die einen Handgriff aufweisen und in denen beispielsweise mehrere Behälter, z.B. Flaschen, transportiert werden können. Sie werden aus flächigem Material, vorzugsweise Pappe, hergestellt und erhalten durch Falten und bereichsweises Verbinden, z.B. Verkleben, der durch Schnitte getrennten Teile ihre dreidimensionale Form.
3
Eine von der Beklagten erhobene Patentnichtigkeitsklage wies der Senat mit Urteil vom 22. April 2008 (X ZR 84/06; juris) insoweit ab, als die Klägerin das Klagepatent im Berufungsverfahren beschränkt verteidigt hat. Die hiernach geltende Fassung des Patentanspruchs 1 lautet in der Verfahrenssprache wie folgt: "A blank for an article carrier, comprising a pair of side panels (14, 18) and a pair of end panels (12, 16) interconnected at their side edges along respective fold lines (20, 22, 24), each of said end panels (12, 16) having a second upper edge, a pair of handle panels (58, 86, 72, 92) each comprising an inner handle panel (86, 92) and an outer handle panel (58, 72), each inner handle panel being connected to a respective outer handle panel along a fold line (88, 94) and provided with a glue flap (130, 110, 134, 126), each outer handle panel (58, 72) being disposed adjacent a portion of a respective side panel (14, 18) along said first upper edge thereof and adjacent a portion of a respective end panel (12, 16) along said second upper edge thereof, each outer handle panel (58, 72) being separated from said respective side panel by a first cut line (60, 74) extending along said first upper edge, and being partially separated from said respective end panel by a second cut line (62, 76) extending along a portion of said second upper edge, wherein said second cut line (62, 76) terminates at a point spaced from a side edge of the outer handle panel and defining a connection portion (66, 78) there between."
4
Die Beklagte lieferte von April 2002 bis Ende Januar 2005 nach der Lehre des Klagepatents gefertigte Flaschenträger an die R. , die zuvor jahrelang von der Klägerin mit erfindungsgemäßen Trägern beliefert wor- den war. Sie erzielte hiermit einen Gewinn in Höhe von 88.092,29 €. Durch rechtskräftiges Urteil vom 11. Februar 2009 stellte das Landgericht Frankfurt am Main die Verpflichtung der Beklagten fest, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der durch Herstellung und Vertrieb von Gegenstandsträgern mit dem erfindungsgemäßen Zuschnitt seit dem 9. Februar 2002 entstanden ist.
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Im vorliegenden Verfahren begehrt die Klägerin die Herausgabe des Verletzergewinns. Das Landgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - der Klägerin den gesamten erzielten Gewinn zuerkannt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht den herauszugebenden Gewinnanteil mit 50% bemessen. Hiergegen wenden sich Klägerin und Beklagte mit der durch das Berufungsgericht zugelassenen Revision. Die Klägerin strebt die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 88.092,29 € an, die Beklagte will die vollständige Klageabweisung erreichen.

Entscheidungsgründe:


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Die zulässigen Revisionen haben keinen Erfolg.
7
I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Der Beklagten stehe ein Schadenersatzanspruch unter dem Gesichtspunkt der Herausgabe des Verletzergewinns in Höhe von 50% des um die Verpackungsund Frachtkosten bereinigten Klagebetrags zu. Es sei als Verletzergewinn nur derjenige Gewinn herauszugeben, der gerade durch die rechtswidrige Benutzung des fremden Schutzrechts erzielt worden sei, wobei es nicht alleine um die Frage der haftungsausfüllenden Kausalität gehe, sondern auch darum, einen "billigen" Ausgleich dafür zu schaffen, dass der Verletzer sich durch die widerrechtliche Ausnutzung des Patents an die Stelle des Rechtsinhabers gesetzt und die diesem zustehenden Vorteile gezogen habe. Ansatzpunkt der Ermittlung des Verletzergewinns sei daher die Frage, in welchem Maß die widerrechtliche Nutzung der Erfindung die Kaufentscheidung verursacht oder mitverursacht habe. Das Gericht müsse feststellen, welche Faktoren den Kaufentschluss beeinflusst hätten und diese Faktoren wertend bei der Schadensschätzung gewichten. Bei Verletzung von Patentrechten durch den Verkauf verletzender Gegenstände bestehe in der Regel kein Anhalt dafür, dass der Verletzergewinn in vollem Umfang auf der Nutzung des Patents beruhe. Lediglich in Ausnahmefällen komme dies in Betracht, wenn z.B. die Erfindung einen völlig neuen Gebrauchsgegenstand hervorgebracht habe, der neue Einsatzgebiete erschließe und für den es keine äquivalenten, nicht schutzrechtsverletzenden Ausweichmöglichkeiten gebe. Häufig gehe es jedoch nur um Detailverbesserungen vorbekannter, tauglicher Vorrichtungen, weswegen sich ein demzufolge begrenzter Schutzumfang des Patents und seine Umgehungsmöglichkeit auch in begrenzender Weise auf den Kaufentschluss auswirkten.
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So liege der Fall hier. Zwar sei zu berücksichtigen, dass sich der Patentanspruch auf das ganze Erzeugnis und nicht nur eine Komponente eines komplexen Produkts beziehe. Dies besage aber nicht, dass die Erfindung einen völlig neuen Gebrauchsgegentand hervorgebracht und neue Absatzmärkte eröffnet habe. Zuschnitte für Gegenstandsträger seien vorbekannt gewesen. Die Erfindung habe lediglich eine Detailverbesserung bewirkt. Aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Nichtigkeitsverfahren ergebe sich, dass es Aufgabe des Patents gewesen sei, einen der bekannten Zuschnitte so zu verbessern , dass er (der Optik wegen) symmetrische Außenwände habe, die sich außerdem problemlos bedrucken ließen. In der Lösung dieser beiden Aufgaben liege der erfinderische Schritt. Die den Erfindungsgegenstand damit ausmachende Detailverbesserung schränke den Wert des Klagepatents erheblich ein, so dass es von einem "revolutionären" Schutzrecht mit entsprechenden Absatzmöglichkeiten weit entfernt sei.
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Es könne aber nicht angenommen werden, dass das von der Beklagten verletzte Schutzrecht keinen Einfluss auf die Kaufentscheidung gehabt habe. Denn der patentgemäße Zuschnitt ermögliche es, alle späteren Außenwände einerseits symmetrisch und andererseits ungeteilt zu erhalten. Diese optischen Vorteile seien wegen der von den Brauereien erwünschten großformatigen Werbeaufdrucke als wesentlicher Gesichtspunkt der Kaufentscheidung anzusehen.
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Der Einwand der Beklagten, sie habe die Geschäftsbeziehungen mit der R. dadurch fortsetzen können, dass sie diese nach dem 31. Januar 2005 mit einem nicht patentverletzenden Flaschenträger bei verminderten Gestehungskosten habe beliefern können, sei unbeachtlich. Denn die Beklagte habe nicht dargelegt, dass diese Produktionsmöglichkeit bereits im patentverletzenden Zeitraum von April 2002 bis Januar 2005 bestanden habe. Zudem komme es bei der Bewertung der Faktoren für den Kaufentschluss bei der Billigkeitsabwägung nicht auf hypothetische Einwände an. Es sei auch nicht ersichtlich, welche anderen wertbildenden Faktoren bestanden hätten, die neben dem durch die Patentverletzung ermöglichten "kundenorientierten" Zuschnitt und dem durch die Patentverletzung ermöglichten günstigeren Preis die Kaufentscheidung der Kundin hätten beeinflussen können.
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Im Rahmen der wertenden Abwägung sei daher die Hälfte des Verletzergewinns der Benutzung des Schutzrechts zuzurechnen. Dies lasse sich durch die Kontrollüberlegung verifizieren, dass eine Schadensberechnung nach der Lizenzanalogie zu einem Betrag in vergleichbarer Höhe führen würde, da der zuerkannte Verletzergewinn einer Lizenzgebühr von ca. 8% und damit den üblichen Lizenzgebühren im Maschinenbau und der Werkzeugindustrie entspreche.
12
II. Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
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1. Durch das im Vorprozess ergangene rechtskräftige Urteil steht die Schadenersatzpflicht der Beklagten für die Verletzung des Klagepatents fest (§ 139 Abs. 2 PatG aF).
14
2. Rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Klägerin ein Schadenersatzanspruch in Höhe von 44.046,15 € zusteht.
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a) Der durch die Verletzung eines gewerblichen Schutzrechts zu kompensierende Schaden ist nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bereits in der Beeinträchtigung des absoluten Rechts und der mit diesem verbundenen, allein dem Inhaber zugewiesenen Nutzungsmöglichkeiten zu sehen (BGH, Urteil vom 25. September 2007 - X ZR 60/06, BGHZ 173, 374 = GRUR 2008, 93 - Zerkleinerungsvorrichtung; Urteil vom 14. Mai 2009 - I ZR 98/06, BGHZ 181, 98 = GRUR 2009, 856 = WRP 2009, 1129 - TrippTrapp -Stuhl; Urteil vom 20. Mai 2009 - I ZR 239/06, GRUR 2009, 864 = WRP 2009, 1143 - CAD-Software; Urteil vom 29. Juli 2009 - I ZR 169/07, GRUR 2010, 239 = WRP 2010, 384 - BTK). Der Schaden besteht darin, dass der Verletzer die von dem immateriellen Schutzgut vermittelten konkreten Marktchancen für sich nutzt und sie damit zugleich der Nutzung durch den Schutzrechtsinhaber entzieht.
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b) Zutreffend ist der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, wonach der Verletzte zur Kompensation dieses Schadens zwischen drei methodischen Ansätzen wählen kann: der konkreten, den entgangenen Gewinn einschließenden Schadensberechnung sowie der Geltendmachung einer angemessen Lizenzgebühr und der Herausgabe des Verletzergewinns. Dies gilt, auch wenn es nach den Feststellungen des Berufungsgerichts um Rechtsverletzungen von April 2002 bis Januar 2005 und damit in einem Zeitraum geht, der sowohl vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums vom 7. Juli 2008 am 1. September 2008 als auch vor dem 29. April 2006 liegt, dem Datum, bis zu dem die Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (ABl. EU Nr. L 157/45, berichtigt ABl. EU Nr. L 195/16 und ABl. EU Nr. L 351/44 - Durchsetzungsrichtlinie) spätestens von den Mitgliedstaaten umzusetzen war. Denn bereits vor diesem Zeitraum war in der höchstrichterlichen Rechtsprechung die Möglichkeit des Schutzrechtsinhabers, zwischen diesen drei Berechnungsweisen zu wählen, seit langem anerkannt (s. nur BGH, Urteil vom 13. März 1962 - I ZR 18/61, GRUR 1962, 401 - Kreuzbodenventilsäcke III; Urteil vom 29. Mai 1962 - I ZR 132/60, NJW 1962, 509 - Dia-Rähmchen II; Urteil vom 17. Juni 1992 - I ZR 107/90, BGHZ 119, 20 = GRUR 1993, 55 = WRP 1992, 700 - Tchibo/Rolex II). Bei diesen drei Bemessungsarten handelt es sich um Variationen bei der Ermittlung des gleichen einheitlichen Schadens (BGHZ 173, 374 Rn. 16 - Zerkleinerungsvorrichtung; BGHZ 119, 20, 23 - Tchibo/Rolex II). Ziel der Methoden ist die Ermittlung desjenigen Betrags, der zum Ausgleich des erlittenen Schadens erforderlich und angemessen ist (Melullis, GRUR Int. 2008, 679) und damit um die Ermittlung des wirtschaftlichen Werts des Schutzrechts, der in ihm verkörperten Marktchance, die durch den erwarteten, aber entgangenen Gewinn des Schutzrechtsinhabers, durch den tatsächlichen Gewinn des Verletzers oder aber die Gewinnerwartung erfasst wird, die vernünftige Vertragsparteien mit dem Abschluss eines Lizenzvertrages über die Nutzung des Schutzrechts verbunden hätten.
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c) Das Berufungsgericht hat weiter zu Recht angenommen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den durch die Verletzungshandlungen erzielten Gewinn vollständig insoweit, aber auch nur insoweit herauszugeben, als er auf der Benutzung des Klagepatents beruht. Denn der Schaden, den die Beklagte auszugleichen verpflichtet ist, besteht nach dem Vorstehenden nicht in den wirtschaftlichen Folgen der Lieferung von Gegenstandsträgern an R. , sondern ergibt sich aus dem Umstand, dass hierbei die technische Lehre des Klagepatents benutzt worden ist.
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aa) Dass ermittelt werden muss, inwieweit der Verletzergewinn auf der Rechtsverletzung beruht, ist in denjenigen Fällen offensichtlich, in denen der geschützte Gegenstand nur eine Einzelheit des in den Verkehr gebrachten größeren Gegenstands betrifft. In einem solchen Fall kann regelmäßig jedenfalls nicht ohne weiteres angenommen werden, dass der erzielte Gesamtgewinn gerade auf der Benutzung des Schutzrechts beruht. Aber auch wenn der in den Verkehr gebrachte Gegenstand insgesamt vom Schutzrecht erfasst und durch dieses jedenfalls mitgeprägt wird, beruht der erzielte Gewinn nicht notwendigerweise nur auf der Benutzung des verletzten Immaterialgüterrechts. So ist für die Entscheidung zum Kauf eines Gebrauchsgegenstandes regelmäßig nicht nur die ästhetische Gestaltung, sondern auch die technische Funktionalität von Bedeutung. Es kann daher nicht ohne weiteres angenommen werden, dass der durch die identische Nachahmung eines urheberrechtlich geschützten Gebrauchsgegenstandes erzielte Gewinn in vollem Umfang darauf beruht, dass jeder Kaufentschluss und damit der gesamte Gewinn allein durch das imitierte Aussehen und nicht durch andere wesentliche Umstände wie etwa die technische Funktionalität oder den niedrigen Preis verursacht worden ist (BGHZ 181, 98 Rn. 45 - Tripp-Trapp-Stuhl). Entsprechendes gilt für die Benutzung einer patentgeschützten technischen Lehre: Neben den technischen Vorteilen der erfindungsgemäßen Lösung können hier die Formgestaltung des Produkts, sein Hersteller oder die verwendete Marke und damit verbundene Qualitätserwartungen , der Preis und andere vom Patent unabhängige Faktoren die Marktchancen beeinflussen.
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Auch im Streitfall lässt sich zwar nicht sagen, dass der von der Beklagten vertriebene Gegenstand nicht insgesamt vom Klagepatent erfasst wäre oder teilweise als nicht mehr durch die technische Lehre des Klagepatents mitgeprägt angesehen werden müsste. Gleichwohl hat das Berufungsgericht allein hieraus zu Recht noch nicht gefolgert, dass der mit den Gegenstandsträgern erzielte Gewinn in vollem Umfang auf der Benutzung der Erfindung beruht.
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bb) In welchem Umfang der erzielte Gewinn auf die Schutzrechtsverletzung zurückzuführen ist, lässt sich regelmäßig - zumindest mit praktisch vertretbarem Aufwand - nicht genau ermitteln, sondern nur abschätzen. Der erforderliche ursächliche Zusammenhang zwischen der Schutzrechtsverletzung und dem erzielten Gewinn ist daher nicht im Sinne adäquater Kausalität zu verstehen. Vielmehr ist wertend zu bestimmen, ob und in welchem Umfang der erziel- te Gewinn auf mit dem verletzten Schutzrecht zusammenhängenden Eigenschaften des veräußerten Gegenstandes oder anderen Faktoren beruht (BGHZ 181, 98 Rn. 41 - Tripp-Trapp-Stuhl). Die Höhe des herauszugebenden Verletzergewinns lässt sich insoweit daher nicht berechnen. Der Tatrichter hat vielmehr gemäß § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls (BGH, Urteil vom 21. September 2006 - I ZR 6/04, GRUR 2007, 431 = WRP 2007, 533 - Steckverbindergehäuse) nach freier Überzeugung darüber zu entscheiden , ob zwischen der Schutzrechtsverletzung und dem erzielten Gewinn der ursächliche Zusammenhang im Rechtssinne besteht und wie hoch der danach herauszugebende Gewinnanteil zu beziffern ist (BGHZ 119, 20, 30 - Tchibo/Rolex II; BGHZ 181, 98 Rn. 42 - Tripp-Trapp-Stuhl). Die Grundlagen dieser Schätzung sind - soweit möglich - objektiv zu ermitteln, und über bestrittene Ausgangs- bzw. Anknüpfungstatsachen ist Beweis zu erheben (BGH, Urteil vom 30. Mai 1995 - X ZR 54/93, GRUR 1995, 578 - Steuereinrichtung II). Die Gesamtheit aller Umstände ist sodann abzuwägen und zu gewichten (vgl. BGHZ 119, 20, 30 - Tchibo/Rolex II). Eine Überprüfung der Schätzung durch das Revisionsgericht erfolgt nur auf - ordnungsgemäß gerügte - Verfahrensfehler sowie daraufhin, ob bei der Ermittlung des auf die Schutzrechtsverletzung zurückzuführenden Gewinns alle wesentlichen, schätzungsbegründenden Tatsachen , die sich aus der Natur der Sache ergeben oder von den Parteien vorgetragen wurden, berücksichtigt wurden und keinem Umstand ein ihm offensichtlich nicht zukommendes Gewicht beigemessen wurde, keine sachwidrigen Erwägungen angestellt und Denkgesetze und Erfahrungssätze beachtet wurden (BGHZ 181, 98 Rn. 42 - Tripp-Trapp-Stuhl; BGH, GRUR 2007, 431 Rn. 38 - Steckverbindergehäuse).
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cc) Diese Maßstäbe stehen entgegen der Auffassung der Revision der Klägerin im Einklang mit Art. 13 Abs. 1 der Durchsetzungsrichtlinie. Die Vor- schrift sieht bei der Bemessung des zur Kompensation der Rechtsverletzung erforderlichen Betrags die Berücksichtigung aller in Frage kommenden Aspekte wie der negativen wirtschaftlichen Auswirkungen, einschließlich der Gewinneinbußen für die geschädigte Partei und der zu Unrecht erzielten Gewinne des Verletzers, vor. Dies gebietet die Einordnung der Herausgabe des Verletzergewinns in den Zusammenhang der wirtschaftlichen Auswirkungen des Eingriffs in das dem Schutzrechtsinhaber zugewiesene Ausschließlichkeitsrecht. Die nach Erwägungsgrund 26 der Durchsetzungsrichtlinie bezweckte Ermittlung einer Ausgleichsentschädigung für den Rechtsinhaber auf objektiver Grundlage unter Berücksichtigung der ihm entstandenen Kosten wird durch die beschriebene wertende Beurteilung des der Rechtsverletzung zuzurechnenden Teils des Verletzergewinns gerade erreicht.
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d) Ausgehend hiervon ist die Bestimmung der für den erzielten Gewinn ursächlichen Faktoren, deren Gewichtung und die hierauf beruhende Schätzung des Berufungsgerichts, dass die Hälfte des erzielten Gewinns auf der Patentverletzung beruhe, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
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aa) Das Berufungsgericht hat zunächst den Abstand der durch das Klagepatent geschützten Erfindung zum relevanten Stand der Technik ermittelt. Hierbei hat es durch Bezugnahme auf das Urteil des Senats vom 22. April 2008 zugrunde gelegt, dass der durch den - als rechtsbeständig beurteilten - Patentanspruch 1 geschützte Gegenstandsträger folgende Merkmale aufweist: 1. ein Paar Seitenwandflächen, 2. ein Paar Endwandflächen; 3. alle diese Flächen
a) haben jeweils eine Oberkante,
b) sind an ihren Seitenkanten entlang entsprechender Faltlinien miteinander verbunden; 4. ein Paar Griffwandflächen,
a) jeweils bestehend aus einer inneren und einer äußeren Griffwandfläche,
b) die entlang einer Faltlinie miteinander verbunden sind; 5. jede äußere Griffwandfläche
a) hat (mindestens) eine Seitenkante,
b) grenzt jeweils an einen Abschnitt einer Seitenwand- und einer Endwandfläche entlang deren Oberkante an,
c) ist jeweils durch entlang der Oberkante verlaufende Stanzlinien hiervon getrennt; 6. jede Stanzlinie zwischen äußerer Griffwandfläche und Endwandfläche endet im Abstand zu einer Seitenkante der äußeren Griffwandfläche , so dass zwischen äußerer Griffwandfläche und Endwandfläche jeweils ein Verbindungsabschnitt verbleibt und diese beiden Wandflächen durch die Stanzlinie (nur) teilweise getrennt sind: 7. jede innere Griffwandfläche ist mit einer Klebelasche versehen.
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Merkmal 3 bringt dabei, wie der Senat im genannten Urteil (X ZR 84/06, juris) ausgeführt hat, zum Ausdruck, dass das Klagepatent einen Zuschnitt lehrt, bei dem die beiden Endwandflächen und die beiden Seitenwandflächen nicht im Abstand von einander angeordnet sind, sondern nur durch Faltlinien voneinander abgegrenzt nebeneinander liegen. Dies macht es möglich, - was im Hinblick auf etwaige Werbeaufdrucke erwünscht ist - alle späteren Außenwände ungeteilt zu erhalten, nämlich indem - wie in den Figuren des Klagepatents gezeigt - an einer Seitenkante eine Klebelasche vorgesehen wird, so dass die notwendige Verbindungsstelle im Bereich der späteren Außenwände sich (nur) über diese Seitenkante erstreckt. Symmetrische Endwände sind patentgemäß hingegen möglich, weil der Zuschnitt die Herstellung (Faltung) einer mehrlagigen Griffwand erlaubt und deren dauerhafte Verbindung zu den beiden Endwänden über (mindestens) eine Klebelasche an den inneren Griffwandflächen erfolgen kann, wenn diese - wie ebenfalls in den Figuren des Klagepatents gezeigt - über die Kontur der äußeren Griffwand hinausragt (Verlängerung des Zuschnitts nach oben). Die Wandflächen, welche die späteren Griffe bilden , können deshalb durch Stanzlinien von den übrigen Wandflächen getrennt sein (Merkmal 5c). Damit die Klebelasche ortsgenau an den übrigen Wänden befestigt werden kann, ist es allerdings vorteilhaft, eine vollständige Loslösung zunächst zu verhindern. Das wird durch Merkmal 6 sichergestellt. Da die innere Grifflasche bis zur Höhe der späteren Seitenwand über die äußere Griffwandfläche hinausragen kann, ist es schließlich auch möglich, aus einer entsprechenden verlängerten Fläche Trennwände zu schaffen, die sich weit in den Gegenstandsträger hinein erstrecken.
25
Wenn das Berufungsgericht hieraus abgeleitet hat, dass das Klagepatent es erlaube, bekannte Zuschnitte so zu verbessern, dass sie aus optischen Gründen erwünschte symmetrische Außenwände aufweisen und sich gleichzeitig problemlos bedrucken lassen, ist dies aus Rechtsgründen ebenso wenig zu beanstanden wie die weitere Annahme, dass es sich bei diesen Vorteilen um eine Detailverbesserung handele, die aber im Hinblick auf die von Brauereien gewünschten großflächigen Werbeaufdrucke als wesentlicher Gesichtspunkt für die Kaufentscheidung anzusehen sei.
26
bb) Die hiergegen gerichteten weiteren Angriffe der Revision der Klägerin gehen fehl.
27
(1) Es ist nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht annimmt, der herauszugebende Verletzergewinn sei deshalb nicht höher anzusetzen, weil die patentgemäße Erfindung lediglich eine Detailverbesserung eines bereits bekannten Produkts darstellte. Der Revision der Klägerin kann nicht gefolgt werden, wenn sie ausführt, die vom Berufungsgericht vorgenommene Differenzierung von Patenten nach den Kriterien "Detailverbesserung" einerseits und "revolutionäres Schutzrecht" andererseits, sei eine generalisierende sachfremde Einordnung in Patentqualitätskriterien, die die im Einzelfall für die Nachfrage maßgeblichen Faktoren ausblende. Die Ermittlung des Abstands der geschützten Erfindung gegenüber dem Stand der Technik lässt Schlüsse darauf zu, in welchem Maß die Nachfrage des Produkts auf die mit der Verwendung des Patents zusammenhängenden technischen Eigenschaften des veräußerten Gegenstands zurückzuführen ist. Sie spiegelt wider, dass die Verkaufs- und Erlösaussichten des erfindungsgemäßen Produkts davon abhängen, ob und in welchem Umfang gleichwertige Alternativen und damit Umgehungsmöglichkeiten des Patents im Verletzungszeitraum zur Verfügung standen (vgl. BGH, Urteil vom 30. Mai 1995 - X ZR 54/93, GRUR 1995, 578 - Steuereinrichtung II). Ergibt sich, dass gegenüber dem erfindungsgemäßen Produkt im Wesentlichen gleichwertige Alternativen existieren, da es sich lediglich um eine Detailverbesserung eines bereits bekannten Produkts handelt, ist eher anzunehmen, dass der Kaufentschluss nicht allein auf der Verwendung der technischen Lehre, sondern auf weiteren Faktoren beruht (vgl. BGHZ 181, 98 Rn. 52 - Tripp-TrappStuhl ). Handelt es sich demgegenüber um ein neues Produkt, das neue Einsatzgebiete erschlossen hat und zu dem es keine solchen Alternativen gab, kann eher angenommen werden, dass der Kaufentschluss gerade auf die Verwendung des Patents zurückzuführen ist.
28
(2) Entgegen dem Vorbringen der Revision der Klägerin sind die Feststellungen des Berufungsgerichts zur Bedeutung der patentgemäßen Erfindung für den Gesamtgegenstand nicht unvollständig. Das Berufungsgericht hat angenommen , dass die im relevanten Stand der Technik vorbekannten Gegenstandsträger mit Ausnahme des patentgemäßen Vorteils, der es erlaube, alle späteren Außenwände aus optischen Gründen einerseits symmetrisch und andererseits ungeteilt zu erhalten, grundsätzlich konkurrenzfähige Ausweichmöglichkeiten darstellten. Die vorteilhafte symmetrische Ausgestaltung hat das Berufungsgericht berücksichtigt und angenommen, dass diese im Hinblick auf die hierdurch möglichen und von den Kunden gewünschten großformatigen Werbeaufdrucke für die Kaufentscheidung und damit den erzielten Gewinn wesentlich gewesen seien. Die Revision der Klägerin gewichtet diese Vorteile lediglich stärker, wenn sie ausführt, die Annahme, die erfindungsgemäße Ausgestaltung sei wesentlich für die Kaufentscheidung gewesen, lasse nur den Schluss zu, dass allein der klagepatentgemäße Zuschnitt für den Kaufentschluss und damit den Gewinn ursächlich gewesen sei. Einen nach den obigen Grundsätzen zur Schätzung des Verletzungsgewinns revisionsrechtlich relevanten Fehler zeigt sie damit nicht auf.
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(3) Die Revision der Klägerin hat auch keinen Erfolg, soweit sie rügt, das Berufungsgericht habe ihren unbestrittenen Vortrag übergangen, die Beklagte habe sie - die Klägerin - nur deshalb aus der Lieferbeziehung mit der R. verdrängen können, weil sie unter massiver Preisunterbietung mit den schutzrechtsverletzenden Gegenstandsträgern in die Geschäftsbeziehung eingedrungen sei. Die Beklagte habe hierbei ein Produkt angeboten, dass mit dem der Klägerin identisch gewesen sei und mit dem deshalb die Verarbeitung der bislang von ihr - der Klägerin - bezogenen Träger ohne Änderung oder Anpassung der maschinellen Ausrüstung nahtlos und damit ohne das Risiko von Funktionsstörungen bei den Verpackungsmaschinen habe fortgesetzt werden können. Die Möglichkeit, identische Produkte preisgünstiger erwerben zu können , sei einziger Beweggrund des Erwerbs der patentverletzenden Produkte gewesen.
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Es kann offen bleiben, ob bei der Bestimmung des herauszugebenden Verletzergewinns - nicht anders als bei der Geltendmachung eines entgangenen Gewinns - schon diejenige Marktchance zugunsten des Schutzrechtsinhabers geschützt ist, die sich daraus ergibt, dass der Schutzrechtsinhaber aufgrund seines Ausschließlichkeitsrechts jeden Dritten daran hindern kann, ein mit seinem schutzrechtsgemäßen Erzeugnis (technisch) identisches Produkt auf den Markt zu bringen, und dies einmal vom Schutzrechtsinhaber gewonnene Abnehmer veranlassen kann, im Interesse der Kontinuität ihrer betrieblichen Abläufe oder ihres Angebots von einem Lieferantenwechsel abzusehen, oder ob dies nur dann bei Bestimmung des herauszugebenden Verletzergewinns zu berücksichtigen ist, wenn es die technischen Vorteile der Erfindung waren, die den Abnehmer (mit-)veranlasst haben, Produkte des Verletzers anstelle der Produkte des Patentinhabers zu beziehen. Denn das Berufungsgericht musste entsprechenden Vortrag der Klägerin jedenfalls deshalb nicht berücksichtigen, weil dieser Vortrag der Klägerin von der Beklagten bereits in der Klageerwiderung vom 29. Januar 2010 bestritten wurde, ohne dass von der Revision der Klägerin geltend gemacht wird, dass das Berufungsgericht einen von der Klägerin angebotenen (Zeugen-)Beweis für ihre Behauptung verfahrensfehlerhaft übergangen hätte.
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cc) Auch die Angriffe der Revision der Beklagten greifen nicht durch.
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(1) Die Revision der Beklagten meint, das Berufungsgericht sei zwar zutreffend davon ausgegangen, dass die Erfindung lediglich eine Detailverbesserung darstelle, die den Wert des Klagepatents erheblich einschränke. Das Berufungsgericht habe aber weiteren unter Beweis gestellten Vortrag der Beklagten fehlerhaft nicht berücksichtigt, aus dem sich ergebe, dass die Kaufentscheidung nicht auf der Patentverletzung beruhe. Das Schnittmuster des patentgemäßen Verletzungsgegenstands habe sich von dem nicht patentverletzenden Zuschnitt, den sie, die Beklagte, ab 1. Februar 2005 an die R. geliefert habe, nur dadurch unterschieden, dass der patentgemäße Verletzungsgegenstand eine geringfügige "Aufbauhilfe" anlässlich des Verklebens aufgewiesen habe, was sich aber lediglich bei dem Lieferanten der Beklagten , der für sie das Verkleben vorgenommen habe, ausgewirkt habe. Aus Sicht des Abnehmers, der R. , die lediglich das Aufrichten und Befüllen des bereits verklebten Gegenstandsträgers vorgenommen habe, habe sich das patentverletzende von dem später gelieferten patentfreien Produkt in dem Zustand, in dem es dem Abnehmer geliefert worden sei, auch optisch nicht unterschieden. Auch das später gelieferte patentfreie Produkt habe großformatige Werbeaufdrucke ermöglicht und problemlos in der Schnellverpackungsmaschine des Abnehmers verwendet werden können. Der Abnehmer habe die Produktänderung gar nicht bemerkt, so dass ein Einfluss der Patentverletzung auf die Kaufentscheidung denkgesetzlich ausgeschlossen sei.
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Zu Recht hat das Berufungsgericht diesen Vortrag bei Bemessung des Verletzergewinns nicht berücksichtigt. Soweit es um die Feststellung der Faktoren geht, auf denen die gewinnverursachende Kaufentscheidung beruhte, ist der Verweis auf die erst ab dem 1. Februar 2005 hergestellten und vertriebenen nicht schutzrechtsverletzenden Gegenstandsträger unbeachtlich, weil es hierbei alleine um die Frage geht, ob sich bei den konkreten Umsatzgeschäften im Ver- letzungszeitraum die schutzrechtsverletzende Gestaltung auswirkte (vgl. BGHZ 119, 20, 29 - Tchibo/Rolex II). Eine andere Betrachtung ist auch nicht deshalb geboten, weil das Klagepatent nach dem Verletzungszeitraum durch Urteil des Senats teilweise für nichtig erklärt wurde. Dies hat lediglich zur Folge, dass als den Kaufentschluss beeinflussender Faktor die erfindungsgemäße Ausgestaltung zu berücksichtigen ist, wie sie sich aus dem rechtsbeständigen Patent ergibt.
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(2) Die Revision der Beklagten hat auch keinen Erfolg, soweit sie geltend macht, das Berufungsgericht habe berücksichtigen müssen, dass sie bereits im Verletzungszeitraum die ab 1. Februar 2005 tatsächlich gelieferten Alternativprodukte hätte produzieren können und damit ebenfalls den Gewinn erzielt hätte. Soweit das Berufungsgericht dies mit dem Argument nicht berücksichtigt habe, dass entsprechender Vortrag fehle, hätte es entsprechende Bedenken vor der Entscheidung in Form eines Hinweises zum Ausdruck bringen müssen.
35
Auf das Vorbringen der Beklagten, mit dem sie rechtmäßiges Alternativverhalten einwendet, kommt es nicht an. Rechtmäßiges Alternativverhalten stellt eine hypothetisch gebliebene Schadensursache dar, so dass die Frage seiner Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung eine am Schutzzweck der verletzten Norm ausgerichteten Wertung erfordert (BGH, Urteil vom 20. Juli 2006 - IX ZR 94/03, BGHZ 168, 352). Hiernach ergibt sich, dass dieser Einwand bei Bestimmung des herauszugebenden Verletzergewinns unbeachtlich ist. Eine technische Lösung, die im Verletzungszeitraum tatsächlich nicht zur Verfügung gestanden hat, ist für die Beurteilung der Marktchancen der Erfindung in diesem Zeitraum und damit auch für die Bestimmung des herauszugebenden Verletzergewinns unerheblich. Die Herausgabe des Verletzergewinns zielt auf eine Kompensation des Umstands, dass sich der Verletzer bei Um- satzgeschäften die erfindungsgemäße Lehre zu Nutze gemacht und damit die von der Rechtsordnung dem Schutzrechtsinhaber zugewiesene Marktchance für sich genutzt hat. Ausgangspunkt ist daher die Verletzung des Schutzrechts. Die Berücksichtigung des genannten Einwands des Verletzers stünde im Widerspruch zu Sinn und Zweck der Kompensation der Rechtsbeeinträchtigung in der Form der Herausgabe des Verletzergewinns und insbesondere zu dem Gedanken , dass der Verletzte durch die Herausgabe des Verletzergewinns so zu stellen ist, als hätte er ohne die Rechtsverletzung den gleichen Gewinn wie der Verletzer erzielt.
36
dd) Soweit die Revisionen außerdem - mit gegenläufigen Zielrichtungen - rügen, aus den Erwägungen des Berufungsgerichts sei die Bezifferung des herauszugebenden Gewinns mit 50% nicht nachvollziehbar, tritt ebenfalls kein revisionsrechtlich relevanter Fehler zutage.
37
Es ist der Gewichtung einzelner Faktoren und der darauf fußenden Schätzung immanent, dass sie zu keinem rechnerisch nachprüfbaren Ergebnis führen. Die Revisionen zeigen, wie ausgeführt, nicht auf, dass das Berufungsgericht wesentliche Umstände außer Acht gelassen, einem Umstand ein ihm offensichtlich nicht zukommendes Gewicht beigemessen oder sachwidrige Erwägungen angestellt hat. Das Berufungsgericht hat in nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass die Erfindung einerseits nur zu einer Verbesserung des Flaschenträgers in einem Detail führt, andererseits gleichwohl eine Ausgestaltung des Erzeugnisses ermöglicht, die für die Kaufentscheidung der Abnehmer wesentlich ist. Das Berufungsgericht hat damit der Schätzung des herauszugebenden Verletzergewinns die Einordnung der Erfindung als Detailverbesserung zugrunde gelegt, die jedoch nicht lediglich einen Teil des Flaschenträgers , sondern das Produkt als Ganzes betrifft und mitprägt und wegen der damit verbundenen Bedeutung für dessen Marktchancen den Zugriff auf einen höheren Anteil des Verletzergewinns eröffnet. Die Schätzung der Quote des herauszugebenden Verletzergewinns mit 50% hält sich insoweit im Rahmen tatrichterlichen Ermessens und ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
38
ee) Ohne Erfolg rügen die Revisionen der Klägerin und der Beklagten schließlich - wiederum mit gegenläufiger Zielrichtung - die Erwägung des Berufungsgerichts als rechtsfehlerhaft, die quotale Schätzung des herauszugebenden Verletzergewinns werde durch die Kontrollüberlegung bestätigt, dass eine Ermittlung des Schadenersatzbetrages nach der Methode der Lizenzanalogie zu einem Betrag in vergleichbarer Höhe führe. Zu Unrecht meinen die Revisionen , dass das Berufungsgericht hierdurch die verschiedenen Berechnungsarten des Schadenersatzes unzulässig vermenge und bei einer solchen Kontrollüberlegung jedenfalls der Behauptung eines höheren üblichen Lizenzsatzes seitens der Klägerin bzw. der Behauptung eines niedrigen üblichen Lizenzsatzes seitens der Beklagten hätte nachgehen müssen.
39
Da die verschiedenen Methoden zur Bemessung des zu leistenden Schadenersatzes der Kompensation ein und desselben, vom Schutzrechtsinhaber durch die rechtsverletzende Handlung erlittenen Schadens dienen, sollen sie für den Regelfall nach ihrem grundsätzlichen Ansatz zu im Wesentlichen ähnlichen Ergebnissen führen, auch wenn tatsächlich aufgrund der jeweils der Berechnung zugrunde liegenden unterschiedlichen Parameter Abweichungen nicht ausbleiben können (Melullis aaO, S. 684). Damit ist eine Kontrollüberlegung , wie sie das Berufungsgericht angestellt hat, nicht per se unzulässig, sondern kann die tatrichterliche Bemessung des herauszugebenden Gewinnanteils etwa in Fällen, in denen die angemessene Bewertung der für die Bemessung des Gewinnanteils maßgeblichen Faktoren Schwierigkeiten bereitet, zusätzlich absichern. Eine derartige Erwägung ist jedoch dann nicht geeignet, die vom Tatrichter vorgenommene Schätzung des Schadenersatzanspruchs auf der Grundlage des Verletzergewinns zu verifizieren, wenn über die zugrunde zu legenden Parameter für die Berechnung auf der Grundlage der Lizenzanalogie, wie die Höhe des Lizenzsatzes, Streit besteht. Der Tatrichter ist nicht gehalten, im Zuge von Kontrollüberlegungen entsprechendem streitigem Parteivortrag nachzugehen, wenn er zuvor auf der Grundlage der Herausgabe des Verletzergewinns den erforderlichen und angemessenen Betrag zur Kompensation der Schutzrechtsverletzung ermittelt hat.
40
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 1 ZPO.
Meier-Beck Mühlens
Gröning Die Richter Keukenschrijver und Dr. Bacher können wegen Urlaubs nicht unterschreiben. Meier-Beck Vorinstanzen:
LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 07.07.2010 - 2-6 O 464/10 -
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 31.03.2011 - 6 U 136/10 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 24. Juli 2012 - X ZR 51/11

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 24. Juli 2012 - X ZR 51/11

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 92 Kosten bei teilweisem Obsiegen


(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last. (2) Das Ger

Zivilprozessordnung - ZPO | § 287 Schadensermittlung; Höhe der Forderung


(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit e

Patentgesetz - PatG | § 139


(1) Wer entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Verletzten bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht. Der Anspruch
Bundesgerichtshof Urteil, 24. Juli 2012 - X ZR 51/11 zitiert 5 §§.

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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

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Bundesgerichtshof Urteil, 14. Mai 2009 - I ZR 98/06

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 98/06 Verkündet am: 14. Mai 2009 Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR:

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Bundesgerichtshof Urteil, 25. Sept. 2007 - X ZR 60/06

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Bundesgerichtshof Urteil, 22. Apr. 2008 - X ZR 84/06

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 84/06 Verkündet am: 22. April 2008 Wermes Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtsh

Bundesgerichtshof Urteil, 20. Juli 2006 - IX ZR 94/03

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Berichtigt durch Beschluss vom 5. Februar 2015 Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DESVOLKES URTEIL I ZR 27/ 1 3 Verkündet am: 24. Juli 2014 Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der.

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS X ZR 130/12 vom 3. September 2013 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja Kabelschloss PatG § 139 Abs. 2 Bei der Bestimmung des herauszugebenden Anteils des Verletzergewinns, der du

Bundesgerichtshof Urteil, 24. Juli 2014 - I ZR 27/13

bei uns veröffentlicht am 24.07.2014

Tenor Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 24. Januar 2013 aufgehoben.

Referenzen

(1) Wer entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Verletzten bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht. Der Anspruch ist ausgeschlossen, soweit die Inanspruchnahme aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls und der Gebote von Treu und Glauben für den Verletzer oder Dritte zu einer unverhältnismäßigen, durch das Ausschließlichkeitsrecht nicht gerechtfertigten Härte führen würde. In diesem Fall ist dem Verletzten ein angemessener Ausgleich in Geld zu gewähren. Der Schadensersatzanspruch nach Absatz 2 bleibt hiervon unberührt.

(2) Wer die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, ist dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Bei der Bemessung des Schadensersatzes kann auch der Gewinn, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat, berücksichtigt werden. Der Schadensersatzanspruch kann auch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Benutzung der Erfindung eingeholt hätte.

(3) Ist Gegenstand des Patents ein Verfahren zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses, so gilt bis zum Beweis des Gegenteils das gleiche Erzeugnis, das von einem anderen hergestellt worden ist, als nach dem patentierten Verfahren hergestellt. Bei der Erhebung des Beweises des Gegenteils sind die berechtigten Interessen des Beklagten an der Wahrung seiner Herstellungs- und Betriebsgeheimnisse zu berücksichtigen.

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 84/06 Verkündet am:
22. April 2008
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 22. April 2008 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter
Scharen, die Richterin Mühlens und die Richter Prof. Dr. Meier-Beck und
Gröning

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 31. Januar 2006 verkündete Urteil des 1. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst: Das europäische Patent 0 931 003 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt, soweit es über folgende Fassung der Patentansprüche hinausgeht: 1. A blank for an article carrier, comprising a pair of side panels (14, 18) and a pair of end panels (12, 16) interconnected at their side edges along respective fold lines (20, 22, 24), each of said end panels (12, 16) having a second upper edge, a pair of handle panels (58, 86, 72, 92) each comprising an inner handle panel (86, 92) and an outer handle panel (58, 72), each inner handle panel being connected to a respective outer handle panel along a fold line (88, 94) and provided with a glue flap (130, 110, 134, 126), each outer handle panel (58, 72) being disposed adjacent a portion of a respective side panel (14, 18) along said first upper edge thereof and adjacent a portion of a respective end panel (12, 16) along said second upper edge thereof, each outer handle panel (58, 72) being separated from said respective side panel by a first cut line (60, 74) extending along said first upper edge, and being partially separated from said respective end panel by a second cut line (62, 76) extending along a portion of said second upper edge, wherein said second cut line (62, 76) terminates at a point spaced from a side edge of the outer handle panel and defining a connection portion (66, 78) therebetween.
2. The blank as defined in claim 1, wherein said connecting portion has a width of approximately 1.0 to 5.0 millimeters.
3. The blank as defined in claim 1 or claim 2, wherein said side edge of each outer handle panel and said second upper edge of each end panel intersect substantially adjacent but spaced from the termination of said second cut line (62, 76).
4. The blank as defined in claim 3, wherein said side edge of each outer handle panel (58, 72) and said second upper edge of each end panel (12, 16) intersect substantially along a radius curvature (64, 80).
5. An article comprising a pair of side panels (14, 18) and a pair of end panels (12, 16) interconnected at their side edges along respective fold lines (20, 22, 24), each of said side panels (14, 18) having a first upper edge and each of said end panels (12, 16) having a second upper edge, a pair of handle panels (58, 86, 72, 92) each comprising an inner handle panel (86, 92) and an outer handle panel (58, 72), each inner handle panel being connected to a respective outer handle panel along a fold line (88, 94) and provided with a glue flap (130, 110, 134, 126), each outer handle panel (58, 72) being separated from a respective side panel by a first cut line (60, 74) extending along said first upper edge and spaced therefrom, and being partially separated from a respective end panel by a second cut line (62, 76) extending along a portion of said second upper edge, wherein said second cut line (62, 76) terminates at a point spaced from a side edge of the outer handle panel and defining a connection portion (66, 78) therebetween.
6. An article carrier as defined in claim 5 wherein said connecting portion has a width of approximately 1.0 to 5.0 millimeters.
7. An article carrier as defined in claim 5 or 6, wherein said side edge of each outer handle panel (58, 72) and said second upper edge of each end panel (12, 16) intersect substantially adjacent but spaced from the termination of said second cut line (62, 76).
8. An article carrier as defined in claim 7, wherein said side edge of each outer handle panel (58, 72) and said second upper edge of each end panel (12, 16) intersect substantially along a radius of curvature.
Im Übrigen wird die Nichtigkeitsklage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 30/100 und die Beklagte 70/100 zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des unter anderem für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 931 003, das einen Gegenstandsträger und Zuschnitt dafür betrifft und auf einer Anmeldung vom 9. Oktober 1997 beruht, mit der die Priorität einer USamerikanischen Patentanmeldung vom 11. Oktober 1996 in Anspruch genommen worden ist.
2
Die Patentansprüche 1 und 5 des in englischer Sprache veröffentlichten Streitpatents lauten: 1. A blank for an article carrier, comprising a side panel (14) having a first upper edge and a side edge; an end panel (12) having a second upper edge and a side edge, said end panel and said side panel being interconnected at said side edges along a fold line (20); a handle panel (58) disposed adjacent a portion of said side panel along said first upper edge thereof and adjacent a portion of said end panel along said second upper edge thereof; said handle panel being separated from said side panel by a first cut line (60) extending along said first upper edge, and being partially separated from said end panel by a second cut line (62) extending along a portion of said second upper edge, characterised in that said second cut line (62) terminates at a point spaced from a side edge (64) of said handle panel and defining a connecting portion (66) therebetween.
5. An article carrier comprising a side panel (14) having a first upper edge and a side edge; an end panel (12) having a second upper edge and a side edge, said end panel and said side panel being interconnected at said side edges along a fold line (20); a handle panel (58) being separated from said side panel by a first cut line (60) extending along said first upper edge and spaced therefrom, and being partially separated from said end panel by a second cut line (62) extending along a portion of said second upper edge, characterized in that said second cut line (62) terminates at a point spaced from a side edge (64) of said handle panel and defining a connecting portion (66) therebetween.
3
Wegen der unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 1 zurückbezogenen Patentansprüche 2 bis 4 und der unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 5 zurückbezogenen Patentansprüche 6 bis 8 wird auf die Streitpatentschrift bzw. das angefochtene Urteil verwiesen.
4
Die Klägerin hat Nichtigkeitsklage erhoben, weil sie die erteilten Patentansprüche für nicht patentfähig hält. Die Ansprüche 1 und 5 seien im Stand der Technik neuheitsschädlich vorweggenommen.
5
Die Beklagte hat das Streitpatent in der erteilten Fassung und hilfsweise in geänderter Fassung verteidigt.
6
Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt. Dessen Lehre beruhe jedenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit, weil sie sich ausgehend von der Offenbarung in dem US-Patent 2 543 821 (Arneson II), das den nächstliegenden Stand der Technik wiedergebe, für den Fachmann - einen DiplomIngenieur (FH) für Papierverarbeitung mit mehrjähriger beruflicher Erfahrung im Entwurf und in der Herstellung von Faltschachtelkartons - in naheliegender Weise ergeben habe.
7
Die Beklagte hat Berufung eingelegt und das Streitpatent nur noch mit geänderten Patentansprüchen verteidigt. Sie beantragt, unter entsprechender Abänderung des angefochtenen Urteils die Nichtigkeitsklage mit der Maßgabe abzuweisen, dass die Patentansprüche wie folgt lauten: 1. A blank for an article carrier, comprising a pair of side panels (14, 18) and a pair of end panels (12, 16) interconnected at their side edges along respective fold lines (20, 22, 24), each of said end panels (12, 16) having a second upper edge, a pair of handle panels (58, 86, 72, 92) each comprising an inner handle panel (86, 92) and an outer handle panel (58, 72), each inner handle panel being connected to a respective outer handle panel along a fold line (88, 94) and provided with a glue flap (130, 110, 134, 126), each outer handle panel (58, 72) being disposed adjacent a portion of a respective side panel (14, 18) along said first upper edge thereof and adjacent a portion of a respective end panel (12, 16) along said second upper edge thereof, each outer handle panel (58, 72) being separated from said respective side panel by a first cut line (60, 74) extending along said first upper edge, and being partially separated from said respective end panel by a second cut line (62, 76) extending along a portion of said second upper edge, wherein said second cut line (62, 76) terminates at a point spaced from a side edge of the outer handle panel and defining a connection portion (66, 78) therebetween.
2. The blank as defined in claim 1, wherein said connecting portion has a width of approximately 1.0 to 5.0 millimeters.
3. The blank as defined in claim 1 or claim 2, wherein said side edge of each outer handle panel and said second upper edge of each end panel intersect substantially adjacent but spaced from the termination of said second cut line (62, 76).
4. The blank as defined in claim 3, wherein said side edge of each outer handle panel (58, 72) and said second upper edge of each end panel (12, 16) intersect substantially along a radius curvature (64, 80).
5. An article comprising a pair of side panels (14, 18) and a pair of end panels (12, 16) interconnected at their side edges along respective fold lines (20, 22, 24), each of said side panels (14, 18) having a first upper edge and each of said end panels (12, 16) having a second upper edge, a pair of handle panels (58, 86, 72, 92) each comprising an inner handle panel (86, 92) and an outer handle panel (58, 72), each inner handle panel being
connected to a respective outer handle panel along a fold line (88, 94) and provided with a glue flap (130, 110, 134, 126), each outer handle panel (58, 72) being separated from a respective side panel by a first cut line (60, 74) extending along said first upper edge and spaced therefrom, and being partially separated from a respective end panel by a second cut line (62, 76) extending along a portion of said second upper edge, wherein said second cut line (62, 76) terminates at a point spaced from a side edge of the outer handle panel and defining a connection portion (66, 78) therebetween.
6. An article carrier as defined in claim 5 wherein said connecting portion has a width of approximately 1.0 to 5.0 millimeters.
7. An article carrier as defined in claim 5 or 6, wherein said side edge of each outer handle panel (58, 72) and said second upper edge of each end panel (12, 16) intersect substantially adjacent but spaced from the termination of said second cut line (62, 76).
8. An article carrier as defined in claim 7, wherein said side edge of each outer handle panel (58, 72) and said second upper edge of each end panel (12, 16) intersect substantially along a radius of curvature.
8
Die Klägerin tritt diesem Begehren entgegen.

Entscheidungsgründe:


9
Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg, weil bezüglich der zuletzt noch verteidigten Patentansprüche 1 und 5 und damit auch bezüglich der hierauf zurückbezogenen Unteransprüche keiner der geltend gemachten Nichtigkeitsgründe besteht.
10
1. Das Streitpatent betrifft sogenannte Gegenstandsträger. Das sind bevorzugt aus Pappe hergestellte korbartige Gebilde, die einen Handgriff aufweisen und in denen beispielsweise mehrere Behälter, z.B. Flaschen, transportiert werden können. Sie werden aus flächigem Material (vorzugsweise Pappe) geschnitten und erhalten durch Falten und bereichsweises Verbinden (vorzugsweise durch Verkleben) durch Schnitte getrennter Teile ihre dreidimensionale Form.
11
Die Streitpatentschrift bezeichnet es als vorteilhaft, wenn die im aufgefalteten Zustand aufrecht stehenden Außenwände nicht durch Nähte, Faltlinien oder dergleichen unterbrochen sind, weil diese Flächen üblicherweise mit Werbung bedruckt werden. Deshalb waren Zuschnitte bekannt, bei denen diejenigen späteren Außenwände, zwischen denen die Griffwand verläuft und die das Streitpatent als Endwände bezeichnet, sowie die späteren Seitenwände zusammenhängend nebeneinander liegen, so dass beim Auffalten sich allenfalls auf einer Endwand eine Naht ergibt. Die Streitpatentschrift benennt als Beispiel für diesen Typ von Gegenstandsträger bzw. Zuschnitt hierfür denjenigen der US-PS 2 733 832 (Newton).
12
An diesem Vorbild wird jedoch bemängelt, dass beide Endwände unsymmetrisch sind. Dies könne als ästhetisch störend angesehen werden. Ein weiterer Nachteil liege außerdem darin, dass Trennwände nur geringerer Höhe möglich seien.
13
Die Streitpatentschrift folgert hieraus einen Bedarf, einen Gegenstandsträger mit symmetrischen Endwänden und der Möglichkeit von Trennwänden zu schaffen, die sich relativ tief in den Gegenstandsträger hinein erstrecken.
14
2. Patentanspruch 1 in der vor dem Senat zuletzt verteidigten Fassung betrifft den Zuschnitt für einen Gegenstandsträger. Er soll folgende Merkmale aufweisen: 1. Ein Paar Seitenwandflächen. 2. Ein Paar Endwandflächen. 3. Alle diese Flächen
a) haben jeweils eine Oberkante,
b) sind an ihren Seitenkanten entlang entsprechender Faltlinien miteinander verbunden. 4. Ein Paar Griffwandflächen
a) jeweils bestehend aus einer inneren und einer äußeren Griffwandfläche,
b) die entlang einer Faltlinie miteinander verbunden sind. 5. Jede äußere Griffwandfläche
a) hat (mindestens) eine Seitenkante,
b) grenzt jeweils an einen Abschnitt einer Seitenwand- und einer Endwandfläche entlang deren Oberkante an,
c) ist jeweils durch entlang der Oberkante verlaufende Stanzlinien hiervon getrennt.
6. Jede Stanzlinie zwischen äußerer Griffwandfläche und Endwandfläche endet im Abstand zu einer Seitenkante der äußeren Griffwandfläche, so dass zwischen äußerer Griffwandfläche und Endwandfläche jeweils ein Verbindungsabschnitt verbleibt und diese beiden Wandflächen durch die Stanzlinie (nur) teilweise getrennt sind. 7. Jede innere Griffwandfläche ist mit einer Klebelasche versehen.
15
Die obige Formulierung des Merkmals 3 ist Folge der Auslegung des verteidigten Patentanspruchs durch den Senat. Nach der Erläuterung durch die Beschreibung und die Zeichnungen wird durch die Angabe "interconnected at their side edges along respective fold lines" und den im verteidigten Patentanspruch ferner enthaltenen Hinweis, dass jede der zunächst genannten Wandflächen eine Oberkante hat, ausgedrückt, dass das Streitpatent einen Zuschnitt lehrt, bei dem die beiden Endwandflächen und die beiden Seitenwandflächen nicht im Abstand voneinander angeordnet sind, sondern nur durch Faltlinien voneinander abgegrenzt nebeneinander liegen. Dies macht es - wie es im Hinblick auf etwaige Werbeaufdrucke erwünscht ist - möglich, alle späteren Außenwände ungeteilt zu erhalten, nämlich indem - wie in den Figuren der Streitpatents gezeigt - an einer Seitenkante eine Klebelasche (28) vorgesehen wird, so dass die notwendige Verbindungsstelle im Bereich der späteren Außenwände sich (nur) über diese Seitenkante erstreckt. Symmetrische Endwände sind patentgemäß hingegen möglich, weil der Zuschnitt die Herstellung (Faltung) einer mehrlagigen Griffwand erlaubt und deren dauerhafte Verbindung zu den beiden Endwänden über (mindestens) eine Klebelasche an den inneren Griffwandflächen erfolgen kann, wenn diese - wie ebenfalls in den Figuren des Streitpatents gezeigt - über die Kontur der äußeren Griffwandflächen hinausragt (Verlängerung des Zuschnitts nach oben). Die Wandflächen, welche die spätere Griffwand bilden, können deshalb durch Stanzlinien von den übrigen Wandflächen getrennt sein (Merkmal 5c). Damit die Klebelasche ortsgenau an den übrigen Wänden befestigt werden kann, ist es allerdings vorteilhaft, eine vollständige Loslösung zunächst zu verhindern. Das wird durch Merkmal 6 sichergestellt. Da die innere Griffwandfläche bis zur Höhe der späteren Seitenwand über die äußere Griffwandfläche hinausragen kann, ist es schließlich auch möglich, aus einer entsprechend verlängerten Fläche Trennwände zu schaffen, die sich weit in den Gegenstandsträger hinein erstrecken.
16
3. Die geänderte Fassung des Patentanspruchs 1, mit der das Streitpatent nunmehr verteidigt wird, erweitert weder die dem erteilten Patent zu Grunde liegende Anmeldung noch dessen Schutzbereich. Die zuletzt beanspruchte Gestaltung war durch die Beschreibung und die Zeichnungen der ursprünglichen Anmeldung vom 9. Oktober 1997 bereits offenbart und gegenüber dem erteilten Patentanspruch 1 bedeutet sie nur eine Einschränkung. Denn die Änderung beschränkt sich auf zusätzliche Angaben, welche die Ausführungsform beschreiben , die in den Figuren sowohl der ursprünglichen Anmeldung als auch des erteilten Patents als zur Erfindung gehörend dargestellt und in der Beschreibung erläutert ist.
17
4. Patentanspruch 1 in der zuletzt verteidigten Fassung ist neu. Von den Zuschnitten nach der US-PS 4 032 007 (Graser), der US-PS 2 754 028 (Bergstein ), der US-PS 3 130 861 (Arneson I) und der US-PS 2 354 369 (Gilbert) unterscheidet er sich jedenfalls dadurch, dass bei diesen vorbekannten Zuschnitten Merkmal 3 b nicht verwirklicht ist. Von den dieses Merkmal bereits aufweisenden Zuschnitten nach der US-PS 3 158 286 (Phillips), US-PS 2 543 821 (Arneson II) und US-PS 2 733 832 (Newton) unterscheidet sich Patentanspruch 1 in der zuletzt verteidigten Fassung jedenfalls durch die Anweisung, für die spätere Griffwand vier Wandflächen vorzusehen (Merkmal 4).

18
5. Die deshalb für die Nichtigerklärung des Streitpatents (auch) im Umfang des zuletzt verteidigten Patentanspruchs 1 erforderliche Wertung, dass dessen Lehre zum technischen Handeln sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergeben hat, kann der Senat nicht treffen.
19
a) Wie die Erörterung mit den Parteien in der mündlichen Verhandlung ergeben und auch bereits das Bundespatentgericht angenommen hat, ist bei der Beantwortung der Frage, ob es an einer auf erfinderischer Tätigkeit beruhenden Leistung fehlt, die Sicht eines an einer Fachhochschule ausgebildeten Mitarbeiters in einem Pappkartons oder dergleichen herstellenden Unternehmen zu berücksichtigen, der sich langjährig mit Zuschnitten für verschiedene Behältnisse beschäftigt hat und die hierbei bestehenden Notwendigkeiten und Möglichkeiten gut kennt.
20
b) Wenn ein solcher Fachmann die Aufgabe erhält oder sich stellt, der Optik wegen einen Zuschnitt für einen Gegenstandsträger mit symmetrischen Außenwänden zu schaffen, die sich zudem problemlos bedrucken lassen, wird ihm vor allem der Zuschnitt nach der US-PS 2 543 821 (Arneson II) als Vorbild erscheinen, von dem aus eine entsprechende Weiterentwicklung möglich sein könnte. Denn dieser Zuschnitt weist nicht nur jeweils zwei durch Faltlinien verbundene und damit ansonsten ununterbrochen durchgehende End- und Seitenwandflächen (Merkmale 1, 2) mit Oberkanten (Merkmal 3) auf, so dass dort Werbeaufdrucke nicht durch Nähte oder dergleichen erschwert sind; vorhanden ist auch je eine jeweils an eine Seitenwandfläche und eine Endwandfläche angrenzende mit einer Seitenkante versehene Wandfläche (Bezugszeichen 33 und 37 nebst Befestigungslaschen 35 und 39), die als Griffwand dienen und die im Sprachgebrauch des Streitpatents als äußere Griffwandfläche bezeichnet werden kann (Merkmal 4 teilweise, Merkmal 5 a und b). Diese Flächen sind zudem von den Seitenwandflächen ganz und von den Endwandflächen teilweise durch entlang deren Oberkanten verlaufende Stanzlinien getrennt (Merkmal 5 c).
21
Um zu dem Zuschnitt zu gelangen, der dem Streitpatent nach Patentanspruch 1 in der zuletzt verteidigten Fassung zu Grunde liegt und in den Zeichnungen dargestellt ist, muss an der Gestaltung des Zuschnitts nach der USPS 2 543 821 (Arneson II) aber jeweils der obere Teil der rechten Endwandhälfte entfallen. Denn anders können insbesondere nach Maßgabe der Schnittführung , die jeweils die linke Hälfte einer Endwandfläche von der (äußeren) Griffwandfläche trennt, nicht jeweils symmetrische Endwände entstehen. Diese oberen Bereiche der Endwandflächen sind bei dem Vorbild jedoch unverzichtbar, weil sie die Faltlinie (Bezugszeichen 34, 38) und damit die benötigte Verbindung der Endwände zu den sich als (äußere) Griffwand eignenden Flächen jeweils auf einer Seite derselben herstellen. Deshalb mag es zwar sein, dass, wie das Bundespatentgericht angenommen hat, die zum Entfall dieser Bereiche führende Schnittführung als solche den Fachmann nicht vor Probleme stellte, die er nicht bereits mit seinem Fachkönnen meistern kann. Es verbleiben aber Zweifel, ob ein derartiger Eingriff in im wahrsten Sinne des Wortes tragende Elemente der bekannten Gestaltung nahegelegt war. Denn auch die beiden anderen Entgegenhaltungen , die ebenfalls auf nebeneinander liegende End- und Seitenwandflächen setzen (US-PS 2 733 832, US-PS 3 158 286), verzichten nicht auf diese Bereiche und die Verbindung zur Griffwandfläche mittels der dadurch möglichen Faltlinie. Darüber wie die benötigte Verbindung zwischen Endwänden und der Griffwand stattdessen zu bewerkstelligen sein könnte, ist mithin dem einschlägigen Stand der Technik eine Anregung nicht zu entnehmen. Auch die Zuschnitte der weiteren Entgegenhaltungen sind insoweit unergiebig, weil sie je eine End- und Seitenwandfläche durch andere Wandflächen getrennt voneinan- der anordnen und sie damit einem anderen Grundprinzip mit anderer Faltung folgen. Es kommt hinzu, dass auch im Weiteren nur durch mehrere Gedankenschritte zu der zuletzt verteidigten Lehre des Streitpatents zu gelangen ist. Als erstes ist die Erkenntnis notwendig, dass die benötigte Verbindung an oder über andere Wandflächen als die der späteren Endwände zu erfolgen hat. Sodann muss erkannt werden, dass es die sich als Griffwand eignenden Flächen sind, an denen andere Wandflächen vorzusehen sind, welche die Verbindung zu den Endwänden herstellen können. Ferner muss überlegt werden, wo diese vorgesehen werden können, und insoweit eine bestimmte Entscheidung getroffen werden. Diese muss weiter dahin lauten, dass die sich als Griffwand eignenden Flächen nach oben hin verlängert werden müssen, was einen erhöhten Materialbedarf mit sich bringen kann, der aus ohne weiteres einleuchtenden wirtschaftlichen Gründen nach Möglichkeit vermieden werden sollte. Sodann muss erkannt werden, dass die Verlängerung nach oben so weit reichen muss, dass über eine oder mehrere Klebelaschen im Bereich des oberen Endes die Verbindung zu den Endwänden hergestellt werden kann, wenn die Verlängerung über eine Faltlinie nach innen (innere Griffwandfläche) gefaltet ist. Schließlich muss noch das hinzutreten, was durch Merkmal 6 beansprucht ist und möglicherweise bei dem erteilten Patentanspruch 1 im Vordergrund stand, nämlich dass für eine Übergangszeit ein Verbindungsabschnitt verbleibt, damit ein ortsgenaues Verkleben über die Klebeflächen erfolgen kann. Den einzelnen Gedankenschritten mag jeweils für sich und in der jeweiligen Abfolge des vorhergehenden zu dem nächsten Gedankenschritt eine Konsequenz eigen sein, die zu erkennen der Fachmann angesichts seiner Qualifikation eigentlich befähigt sein sollte; angesichts der Vielzahl der nötigen Gedankenschritte kann der Senat jedoch nicht ausschließen, dass sie in Gesamtheit dem Fachmann allein auf Grund seines allgemeinen Fachwissens nicht zu Gebote standen. Auch die mündliche Verhandlung hat nichts ergeben, was die verbliebenen Zweifel hätte ausräumen können. Die Argumentation der Klägerin hat sich auf Einzelaspekte der notwen- digen Weiterentwicklung des Zuschnitts nach der US-PS 2 543 821 (Arneson II), etwa darauf beschränkt, dass die sich bei einer zur Gestaltung des zuletzt verteidigten Patentanspruchs 1 führenden Vorgehensweise ergebende Vierlagigkeit der Griffwand als solche Vorbilder im Stand der Technik habe.
22
c) Die vorstehenden Ausführungen beantworten auch die Frage, ob der mit der zuletzt verteidigten Fassung des Patentanspruchs 1 beanspruchte Zuschnitt in naheliegender Weise aus dem zu entwickeln war, was aus der US-PS 2 733 832 (Newton) und/oder der US-PS 3 158 286 (Phillips) bekannt war. Denn der Offenbarungsgehalt dieser Entgegenhaltungen geht insoweit keinesfalls weiter als derjenige der US-PS 2 543 821 (Arneson II). Das entspricht ersichtlich auch der Auffassung der Parteien. Denn ihr Vorbringen in der mündlichen Verhandlung hat sich im Wesentlichen auf Ausführungen zu letzterer Entgegenhaltung beschränkt, die auch das Bundespatentgericht als nächstliegende Offenbarung im Stand der Technik angesehen hat.
23
d) Da die weiteren Entgegenhaltungen - wie ausgeführt - eine andere Anordnung der End- und Seitenwandflächen zueinander und eine andere Faltung voraussetzen, können schließlich auch sie nicht als Vorbilder angesehen werden , die dem Fachmann zweifelsfrei erlaubten, sich in naheliegender Weise die Lehre des Patentanspruchs 1 in der zuletzt verteidigten Fassung zu erschließen.
24
6. Die Unteransprüche 2 bis 4 in der zuletzt verteidigten Fassung haben angesichts des vorstehend Erörterten ebenfalls Bestand.
25
7. Patentanspruch 5 in der zuletzt verteidigten Fassung betrifft den Gegenstandsträger selbst, der folgende Merkmale aufweisen soll: 1. Ein Paar Seitenwände. 2. Ein Paar Endwände. 3. Alle diese Wände
a) haben jeweils eine Oberkante,
b) sind an ihren Seitenkanten entlang entsprechender Faltlinien miteinander verbunden. 4. Ein Paar Griffwände
a) jeweils bestehend aus einer inneren und einer äußeren Griffwand,
b) die miteinander entlang einer Faltlinie verbunden sind. 5. Jede äußere Griffwand
a) hat (mindestens) eine Seitenkante,
b) ist jeweils durch entlang der Oberkante verlaufende Stanzlinien von einer Seitenwand und einer Endwand getrennt. 6. Jede Stanzlinie zwischen äußerer Griffwand und Endwand endet im Abstand zu einer Seitenkante der äußeren Griffwand, so dass zwischen äußerer Griffwand und Endwand jeweils ein Verbindungsabschnitt verbleibt und diese Wände durch die Stanzlinie (nur) teilweise getrennt sind. 7. Jede innere Griffwand ist mit einer Klebelasche versehen.
26
Aus den bereits genannten Gründen kann das Streitpatent auch mit diesem Patentanspruch und den auf ihn zurückbezogenen Patentansprüchen 6 bis 8 in der zuletzt verteidigten Fassung Bestand haben.
27
8. Die Nichtigkeitsklage hat deshalb nur Erfolg, soweit die Beklagte das Streitpatent nicht mehr verteidigt.
28
9. Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Abs. 2 Satz 1 PatG i.V. mit §§ 92 Abs. 1, 516 Abs. 3 ZPO.
Melullis Scharen Mühlens
Meier-Beck Gröning
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 31.01.2006 - 1 Ni 23/04 (EU) -

(1) Wer entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Verletzten bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht. Der Anspruch ist ausgeschlossen, soweit die Inanspruchnahme aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls und der Gebote von Treu und Glauben für den Verletzer oder Dritte zu einer unverhältnismäßigen, durch das Ausschließlichkeitsrecht nicht gerechtfertigten Härte führen würde. In diesem Fall ist dem Verletzten ein angemessener Ausgleich in Geld zu gewähren. Der Schadensersatzanspruch nach Absatz 2 bleibt hiervon unberührt.

(2) Wer die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, ist dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Bei der Bemessung des Schadensersatzes kann auch der Gewinn, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat, berücksichtigt werden. Der Schadensersatzanspruch kann auch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Benutzung der Erfindung eingeholt hätte.

(3) Ist Gegenstand des Patents ein Verfahren zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses, so gilt bis zum Beweis des Gegenteils das gleiche Erzeugnis, das von einem anderen hergestellt worden ist, als nach dem patentierten Verfahren hergestellt. Bei der Erhebung des Beweises des Gegenteils sind die berechtigten Interessen des Beklagten an der Wahrung seiner Herstellungs- und Betriebsgeheimnisse zu berücksichtigen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 60/06 Verkündet am:
25. September 2007
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ ja
BGHR ja

a) Wird die Berufung nach Ablauf der Berufungsfrist zurückgenommen, tritt die
Rechtskraft des angefochtenen Urteils mit der Rücknahme ein.

b) Der Grundsatz, dass bei Verletzung eines immateriellen Schutzrechts bis
zur rechtskräftigen Entscheidung über den Schadensersatzanspruch zwischen
einer der drei möglichen Berechnungsarten gewählt werden kann, ist
dahin eingrenzend zu konkretisieren, dass der Verletzte dieses Wahlrecht
dann verliert, wenn über seinen Schadensersatzanspruch bereits für ihn
selbst unangreifbar nach einer Berechnungsart entschieden worden ist.
BGH, Urt. v. 25. September 2007 - X ZR 60/06 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. Juni 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis und die
Richter Scharen, Prof. Dr. Meier-Beck, Asendorf und Gröning

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das am 4. Mai 2006 verkündete Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf und das am 3. Mai 2005 verkündete Zwischenurteil der Zivilkammer 4b des Landgerichts Düsseldorf aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Parteien streiten um die Zulässigkeit einer Klage, mit der die Klägerin die Beklagte wegen Verletzung des europäischen Patents 529 221 und des deutschen Gebrauchsmusters 91 10 457 auf Zahlung weiteren Schadensersatzes in Anspruch nimmt. Die Schutzrechte betreffen Zerkleinerungsvorrichtun- gen. Solche Geräte produzierte und vertrieb auch die Beklagte. Die Klägerin sah darin eine Verletzung ihrer Klageschutzrechte und erstritt das - rechtskräftige - Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 7. April 1998 (4 O 29/97), durch welches die Beklagte antragsgemäß u. a. zur Rechnungslegung verurteilt und in dem ihre Verpflichtung festgestellt wurde, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der ihr bzw. den vormaligen Schutzrechtsinhabern durch die Verletzungshandlungen entstanden ist. Die Beklagte erteilte daraufhin Auskunft über die Verkäufe und Vermietungen der von ihr hergestellten Vorrichtungen und bezifferte ihren aus der Verletzung erzielten Gewinn unter Abzug näher spezifizierter Kosten auf 242.829,17 DM.
2
Nachdem die Parteien sich anschließend nicht außergerichtlich einigen konnten, nahm die Klägerin die Beklagte in dem Verfahren 4 O 288/99 LG Düsseldorf auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch, den sie zunächst nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie, auf der Grundlage eines umsatzbezogenen Lizenzsatzes von 6 %, auf 333.367,-- DM nebst Zinsen bezifferte. Durch Urteil vom 30. März 2000 verurteilte das Landgericht Düsseldorf die Beklagte unter Abweisung der weitergehenden Klage zur Zahlung von 280.473,60 DM. Gegen das Urteil legte die Beklagte Berufung ein (2 U 69/00 OLG Düsseldorf). Die Klägerin schloss sich dem Rechtsmittel nach Ablauf der Berufungsfrist an, wobei sie sich zunächst gegen die vom Landgericht ausgesprochene Teilabweisung wandte. Im weiteren Verlauf des Berufungsverfahrens erklärte die Klägerin , die mittlerweile die Gewinnrechnung der Beklagten anzweifelte, dass sie als Schaden nunmehr die Herausgabe des Verletzergewinns geltend mache und deshalb die ursprünglich erhobene Klage als Teilklage und das erstinstanzliche Urteil als Teilurteil verstanden wissen wolle. Auf der Grundlage der geänderten Berechnung bezifferte sie ihren Schaden unter entsprechender Erweiterung der Klage auf insgesamt 410.569,73 €. Daraufhin nahm die Beklagte ihre Berufung zurück und leistete nach Aufforderung eine Zahlung in Höhe von 119.419,-- €.
3
Im vorliegenden - weiteren - Rechtsstreit hat die Klägerin vor dem Landgericht unter Einbeziehung weiterer Schadenspositionen beantragt, die Beklagte über den im Vorprozess ausgeurteilten Betrag hinaus zur Zahlung von 405.235,51 € nebst Zinsen zu verurteilen. Sie schätzt den Gewinn der Beklagten aus der Schutzrechtsverletzung als deutlich höher ein, als aus den erteilten Auskünften ersichtlich, und sieht sich nicht gehindert, den auf der Basis des Verletzergewinns berechneten Schaden zu verlangen, weil sie den Übergang zu dieser Berechnungsmethode rechtzeitig im Vorprozess erklärt habe. Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Durch Zwischenurteil vom 3. Mai 2005 hat das Landgericht Düsseldorf die Klage für zulässig erklärt. Die dagegen eingelegte Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, begehrt die Beklagte die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe:


4
Die nach § 280 Abs. 2, § 542 Abs. 1 ZPO statthafte und auch sonst zulässige Revision hat in der Sache Erfolg und führt zur Abweisung der Klage als unzulässig.
5
I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage auf Zahlung weiteren, nach den Grundsätzen der Herausgabe des Verletzergewinns berechneten Schadensersatzes sei zu- lässig. Die im Vorprozess erhobene Klage stelle sich als Teilklage dar, die der Geltendmachung eines weitergehenden Schadensersatzanspruchs ebenso wenig entgegenstehe, wie die Rechtskraft des dortigen landgerichtlichen Urteils vom 30. März 2000. Die materielle Rechtskraft dieses Urteils, in dem das Landgericht allein über das Bestehen bzw. Nichtbestehen eines Anspruchs der Klägerin auf Schadensersatz nach der Berechnungsmethode der Lizenzanalogie entschieden habe, stehe der neuen Klage nicht entgegen, weil die Klägerin während der Rechtshängigkeit des Vorprozesses - und im Übrigen auch vor Erfüllung des ausgeurteilten Schadensersatzanspruchs - in zulässiger Weise von dessen Berechnung nach der Methode der Lizenzanalogie auf diejenige nach der Herausgabe des Verletzergewinns übergegangen sei.
6
II. Dagegen wendet sich die Revision mit Recht.
7
1. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist seit langem anerkannt, dass für die Berechnung des aus der Verletzung eines immateriellen Schutzrechts entstandenen Schadens zwischen drei Berechnungsweisen gewählt werden kann: der konkreten, den entgangenen Gewinn einschließenden Schadensberechnung sowie den so genannten objektiven Berechnungsarten der Geltendmachung einer angemessenen Lizenzgebühr und der Herausgabe des Verletzergewinns (RGZ 156, 65 ff.; BGH, Urt. v. 13.3.1962 - I ZR 18/61, GRUR 1962, 401 ff. - Kreuzbodenventilsäcke III; Urt. v. 12.1.1966 - Ib ZR 5/64, GRUR 1966, 375, 379 - Meßmer-Tee II, insoweit nicht in BGHZ 44, 372 ff.; BGHZ 82, 299, 305 - Kunststoffhohlprofil II; BGHZ 119, 20, 22 ff. - Tchibo/Rolex II; Urt. v. 22.9.1999 - I ZR 48/97, GRUR 2000, 226 f. - Planungsmappe). Bei den drei Bemessungsarten handelt es sich lediglich um Variationen bei der Ermittlung des gleichen einheitlichen Schadens und nicht um verschiedene Ansprüche mit unterschiedlichen Rechtsgrundlagen, so dass kein Wahlschuldverhältnis vor- liegt (BGHZ 42, 372, 378 - Meßmer-Tee II; 119, 19, 23 - Tchibo/Rolex II; Gloy/ Loschelder/Melullis, Hdb. WettbewerbsR, 3. Aufl., § 23 Rdn. 51; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl., Kap. 34 Rdn. 25).
8
Anerkannt ist in Rechtsprechung und Literatur des Weiteren, dass das Wahlrecht unter diesen Berechnungsformen noch während eines laufenden Zahlungsklageverfahrens ausgeübt werden kann. Dem Gläubiger soll ermöglicht werden, ggfs. auf Änderungen der Sach- und Beweislage zu reagieren, die sich oft überhaupt erst im Laufe eines Verfahrens, dort besonders aus dem Prozessvorbringen des Schuldners, ergeben (BGHZ 119, 20, 24 f. - Tchibo/ Rolex II). Dementsprechend erlischt die Auswahlmöglichkeit des Verletzten, wie in st. Rspr. des Bundesgerichtshofs formuliert, dann, wenn der nach einer bestimmten Berechnungsweise geltend gemachte Anspruch - abgesehen von dem hier nicht interessierenden Erlöschensgrund der Erfüllung - rechtskräftig zuerkannt worden ist (BGH, Urt. v. 13.7.1973 - I ZR 101/72, GRUR 1974, 53, 54 - Nebelscheinwerfer; BGHZ 82, 299, 305 - Kunststoffhohlprofil II, 119, 20, 23 f. - Tchibo/Rolex II; GRUR 2000, 226 f. - Planungsmappe).
9
2. Diese Rechtsprechung geht, soweit es die prozessuale Durchsetzbarkeit des unterschiedlich berechneten Anspruchs betrifft, davon aus, dass es ohnehin um die Durchsetzung eines einheitlichen Begehrens geht, bei dem der Verletzte in erster Linie die der Hauptbegründung seines Begehrens zugrunde liegende Berechnungsart verfolgt, ohne auf die anderen völlig zu verzichten, die gedanklich etwa nach Art von Hilfsbegehren in den Rechtsstreit einbezogen sind (vgl. BGH GRUR 1966, 372, 379 - Meßmer-Tee II). Das impliziert, dass über das Begehren in ein- und demselben Zahlungsrechtsstreit entschieden wird. Dem entsprach, soweit ersichtlich, die bisherige Handhabung in der Praxis (vgl. RG, Urt. v. 13.5.1938 - I 217/37, GRUR 1938, 836, 839 - Rußbläser; BGH, Urt. v. 29.5.1962 - I ZR 132/60, GRUR 1962, 509, 512 - Diarähmchen II; BGHZ 77, 16 f. - Tolbutamid; 119, 20, 25 - Tchibo/Rolex II; im Falle BGH, Urt. v. 2.2.1995 - I ZR 16/93, GRUR 1995, 349 ff. - objektive Schadensberechnung gilt nichts anderes, weil das Landgericht dort zwar die bezifferte, eine bestimmte Schadensposition betreffende Schadensersatzklage rechtskräftig abgewiesen, daneben aber die uneingeschränkte Schadensersatzpflicht der Beklagten festgestellt hatte).
10
3. Die prozessuale Vorgehensweise der Klägerin weicht von diesem Schema grundlegend ab. Entscheidend ist dabei zwar noch nicht, dass sie ihr Begehren im Vorprozess nicht im Wege eines Haupt- und Hilfsantrags verfolgt hat. Auch hat die Klägerin die Erklärung, für den Schadensersatzanspruch nunmehr auf den Verletzergewinn abzustellen, noch vor Eintritt der Rechtskraft des landgerichtlichen Urteils vom 30. März 2000 abgegeben. Diese wird durch rechtzeitige Einlegung des Rechtsmittels gehemmt (§ 705 Satz 2 ZPO) und tritt, wenn das Rechtsmittel nach Ablauf der Rechtsmittelfrist zurückgenommen wird, nicht rückwirkend ein, sondern mit dem Zeitpunkt der Rücknahme (vgl. Zöller/ Stöber, Komm. z. ZPO, 26. Aufl., § 705 Rdn. 10). Der wesentliche Unterschied zu den Fällen, in denen die Auswahl unter den Berechnungsmöglichkeiten im laufenden Verfahren zugelassen worden ist, liegt vorliegend jedoch darin, dass die Klägerin ihr derzeitiges weitergehendes Begehren nicht mehr in dem gleichen Rechtsstreit verfolgen kann, sondern darauf angewiesen ist, eine neue Klage zu erheben. Dies ist aber erst geschehen, nachdem - im Vorprozess - über den geltend gemachten Schadensersatzanspruch in dem Urteil des Landgerichts in einer für die Klägerin mit Rechtsmitteln nicht mehr angreifbaren Weise über den zuerkannten Betrag hinaus durch Abweisung der weitergehenden Klage entschieden worden war.
11
4. a) Infolge dieses Umstands ist die Klägerin daran gehindert, ihren Schadensersatzanspruch in einem weiteren Rechtsstreit, gestützt auf eine andere Berechnungsart, geltend zu machen. Sie hat selbst nicht gegen das im Vorprozess ergangene landgerichtliche Urteil Rechtsmittel eingelegt, obwohl sie durch die anteilige Abweisung ihres auf Lizenzanalogiebasis berechneten Schadensersatzanspruchs beschwert war. Die von ihr später eingelegte Anschlussberufung ist kein Rechtsmittel im eigentlichen Sinne, sondern ein im Rahmen des fremden Rechtsmittels angriffsweise wirkender Antrag (BGHZ 80, 146, 148; BGH, Urt. v. 10.11.1983 - VII ZR 72/83, MDR 1984, 569). Hätte nicht die Beklagte Berufung gegen das Urteil des Landgerichts eingelegt, wäre dieses mit Ablauf der Berufungsfrist rechtskräftig geworden und die Klägerin hätte von ihrem - tatsächlich erst geraume Zeit später ausgeübten - Wahlrecht keinen Gebrauch mehr machen können.
12
b) Der Klägerin für die "Überbrückung" des Erfordernisses einer rechtzeitigen Ausübung des Wahlrechts die vorübergehende Hemmung der Rechtskraft durch die alleinige Rechtsmitteleinlegung seitens der Beklagten zugute kommen zu lassen, wäre schon mit dem den gesamten Zivilprozess beherrschenden Beschleunigungsgrundsatz (vgl. § 272 Abs. 1 und 3, §§ 282 und 296 ZPO) schwerlich zu vereinbaren. Die Wahlmöglichkeit setzte vor allem aber voraus, dass die Abwicklung seines Ersatzanspruchs aus der Sicht des Berechtigten noch offen ist, was sich schon daran zeigt, dass sie nicht nur nach einer rechtskräftigen Entscheidung, sondern auch dann entfällt, wenn der aufgrund der gewählten Methode ermittelte Schadensersatz geleistet ist. In diesem Sinne offen ist die Abwicklung dann nicht mehr, wenn über den Schadensersatzanspruch in einer von dem Verletzten nicht mehr angreifbaren Weise entschieden ist. Dabei mag es dem Verletzten zunächst noch zugute kommen, wenn sein Gegner eine Verurteilung mit Rechtsmitteln angreift und so die Sache seinerseits offenhält.
Endet die Rechtshängigkeit des Schadensersatzanspruchs jedoch mit der Rücknahme des Rechtsmittels und wird damit ein ergangenes Urteil für alle Seiten unangreifbar, wird mit dieser Entscheidung die abschließende Abwicklung festgelegt, neben der für den Übergang auf andere Berechnungsformen kein Raum mehr ist. Nur so werden im Übrigen die schützenswerten Interessen beider Parteien in angemessenem Umfang berücksichtigt. Auch wenn es dem Verletzten grundsätzlich unbenommen ist, bis zur abschließenden Abwicklung unter den verschiedenen Berechnungsformen die für ihn Günstigste herauszusuchen , müssen die Belange des Verletzers angemessene Berücksichtigung jedenfalls dann finden, wenn eine solche Abwicklung erfolgt ist. Nachdem - infolge einer Einigung unter den Beteiligten oder einer das prozessuale Begehren des Verletzten erledigenden und für ihn unangreifbaren gerichtlichen Entscheidung - für den Schuldner eine aus seiner Sicht abschließende Regelung getroffen worden ist, darf und muss er sich in seinem Unternehmen auf die auf ihn zukommende Schadensersatzforderung einstellen; spätestens jetzt hat er zudem wirtschaftlich entsprechend zu disponieren, zumal er dazu handelsrechtlich - durch Bildung von Rückstellungen - verpflichtet ist (§ 249 Abs. 1 HGB). Dies verdient umso mehr dann Berücksichtigung, wenn der Verletzte, wie im Streitfall , eine Teilabweisung des nach einer bestimmten Berechnungsart eingeklagten Schadensersatzanspruchs hinnimmt und damit zum Ausdruck bringt, sich mit der zugesprochenen Kompensation des Schadens zufrieden geben zu wollen. Infolge der vom Gesetz vorgesehenen Akzessorietät der Anschlussberufung (§ 522 Abs. 1 ZPO a. F., § 524 Abs. 4 ZPO n. F.) hat es fortan prozessual allein der Verletzer in der Hand, eine Ergebniskorrektur zu bewirken. Erwächst das von ihm zunächst angefochtene Urteil durch Rechtsmittelrücknahme in Rechtskraft, muss es dabei sein Bewenden haben und der nach Abstandsnahme des Verletzten von einem eigenen Rechtsmittel und Rücknahme der Beru-
fung des Verletzers beigelegte Streit darf nicht durch Erhebung einer weiteren Klage wiederaufleben können.
13
c) Dagegen lässt sich nicht mit Erfolg einwenden, der Verletzte könne die Umstände, die ihn zur abweichenden Ausübung seines Wahlrechts bewogen haben, unter Umständen erst geraume Zeit nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils in Erfahrung gebracht haben, wie es nach dem Vorbringen der Klägerin im Streitfall gewesen sein soll. Insoweit ist bereits zu bedenken, dass der Verletzte gerade auch dann an der Verwertung solcher später erlangten Kenntnisse im Rechtsmittelverfahren gehindert sein kann, wenn das erstinstanzliche Verfahren voll zu seinen Gunsten ausgegangen ist. Hat er nämlich voll obsiegt, ist ihm mangels Beschwer ohnehin grundsätzlich verwehrt, das Berufungsverfahren dazu zu nutzen, sich nachträglich in Erfahrung gebrachte Anknüpfungstatsachen für eine höhere Schadenskompensation nach einer anderen Berechnungsart zunutze zu machen, es sei denn, der voll unterlegene Verletzer greift das Urteil mit der Berufung an und hält diese aufrecht, auch wenn der Geschädigte noch rechtzeitig Anschlussberufung zum Zwecke der Erstreitung einer höheren Urteilssumme einlegt.
14
d) Der Grundsatz, dass der Verletzte sein Wahlrecht so lange ausüben kann, bis darüber rechtskräftig entschieden ist, ist demzufolge dahin eingrenzend zu konkretisieren, dass der Verletzte dieses Wahlrecht dann verliert, wenn über seinen Schadensersatzanspruch bereits für ihn selbst unangreifbar nach einer Berechnungsart entschieden worden ist. Dagegen, so zu entscheiden, bestehen seitens des I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs, wie dieser Senat auf Anfrage mitgeteilt hat, keine Bedenken.
15
5. Unabhängig von dem vorstehend Ausgeführten steht der Abweisung der Klage als unzulässig auch nicht der Einwand entgegen, bei dem rechtskräftig entschiedenen Vorprozess habe es sich lediglich um eine (verdeckte) Teilklage gehandelt. Es entspricht allerdings der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs , dass die eine neue Verhandlung und Entscheidung über denselben Anspruch ausschließende materielle Rechtskraft eines Urteils nur so weit reicht, wie über den durch die Klage erhobenen Anspruch entschieden worden ist (vgl. BGHZ 93, 330 ff.; 135, 178 ff.). Hat ein Kläger im vorangegangenen Prozess nur einen Teilanspruch geltend gemacht, so erfasst die Rechtskraft des Urteils nur diesen Teil des Anspruchs und erstreckt sich nicht auf den nicht eingeklagten restlichen Anspruch. Diese Grundsätze gelten unabhängig davon, ob der Kläger für das Gericht und den Beklagten erkennbar zum Ausdruck bringt, dass sein bezifferter Antrag nur einen Teil des Anspruchs erfasst, so dass Nachforderungen vorbehalten bleiben oder ob es sich um eine "verdeckte" Teilklage handelt (BGHZ 135, 178, 181). Nach dieser Entscheidung steht etwa die rechtskräftige Zuerkennung von Versicherungsleistungen zur Wiederherstellung eines durch Diebstahl von Fahrzeugteilen beschädigten wertvollen Pkw einer neuerlichen Klage, mit der Ersatz für zusätzliche, nach Abschluss des ersten Rechtsstreits fortgesetzte Restaurierungsarbeiten verlangt wurde, nicht entgegen. Um einen vergleichbaren Fall der Geltendmachung zusätzlicher, im Vorprozess nicht eingeklagter einzelner Schadenspositionen aus einem einheitlichen Schadensfall geht es vorliegend indes nicht; hier handelt es sich nicht um Teile eines Anspruchs in diesem Sinne. Gegenstand des Begehrens ist vielmehr immer der gleiche Anspruch, der lediglich in unterschiedlicher Weise berechnet wird.
16
Macht der Kläger ferner mit beziffertem Zahlungsantrag einen Schadensersatzanspruch aus bestimmten Schadensposten geltend, so steht die Rechtskraft eines der Klage stattgebenden Urteils der Nachforderung weiterer Beträge aus denselben Positionen in einem späteren Prozess nicht entgegen (BGH, Urt. v. 15.7.1997 - VI ZR 142/95, NJW 1997, 3019 f.). Auch um eine solche Sachverhaltsgestaltung handelt es sich im Streitfall nicht, sondern darum, dass die Klägerin im Erstprozess ihren gesamten Schaden einheitlich zunächst auf der Berechnungsgrundlage der Lizenzanalogie eingeklagt hat, um den identischen vollen Schaden später nach einer anderen Berechnungsart zu verlangen. Geht der Verletzte in dieser Weise zu einer anderen Berechnungsweise über, erweist sich die ursprüngliche Klage nicht nachträglich als verdeckte Teilklage , auch wenn der Übergang zur neuen Bemessungsgrundlage - naturgemäß - mit einer Antragsänderung, nämlich einer Erhöhung der Klagesumme einhergeht. Der Verletzte schätzt nicht, wie in dem vom VI. Zivilsenat entschiedenen Fall, einzelne Schadenspositionen nachträglich wertmäßig anders ein und stellt deshalb diesbezügliche Nachforderungen, sondern er berechnet den gleichen Schaden jeweils in einer unterschiedlichen, der Sache nach aber gleichwertigen Weise. Verlangt wird in jedem Fall die volle Kompensation des identischen Schadens, der in der Verletzung des Rechtes besteht. In diesem von den Besonderheiten des Schadensausgleichs bei Immaterialgüterrechtsverletzungen geprägten Fall liegt in der vollen Geltendmachung des auf Lizenzanalogiebasis berechneten Gesamtschadens schon begrifflich keine Teilklage. Der Übergang zu einer anderen Berechnungsart ist dementsprechend wegen der Einheitlichkeit des Schadensersatzanspruchs keine Änderung des Klagegrundes (BGHZ 119, 20, 23 - Tchibo/Rolex II). Insoweit ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch außerhalb des Immaterialgüterrechts anerkannt, dass die verschiedenen Berechnungsgrundlagen innerhalb des identischen Schadens lediglich unselbstständige Faktoren eines einheitlichen Schadens und Ersatzanspruchs darstellen, die im Rahmen des geltend gemachten Gesamtbetrags austauschbar sind (BGH, Urt. v. 24.10.2005 - II ZR 339/03, ZIP 2006, 778 ff.). Handelt es sich aber bei der Geltendmachung desselben Schadens einmal auf der Grundlage der Lizenzanalogie und einmal auf der Basis des Verletzergewinns um einen einheitlichen Streitgegenstand, so kann dies nicht ohne Folgen auf die Reichweite der Rechtskraft des diesen Anspruch einheitlich bescheidenden, teilweise zusprechenden und zudem die Schadensersatzklage im Übrigen abweisenden landgerichtlichen Urteils vom 20. März 2000 bleiben.
17
Die Klage ist daher auf die Revision der Beklagten als unzulässig abzuweisen. Der Senat kann dies selbst aussprechen, auch wenn das Rechtsmittelverfahren sich nur auf das Zwischenurteil des Landgerichts über die Zulässigkeitsfrage bezieht. Gelangt das erstinstanzliche Gericht im Zwischenstreit zu der Auffassung, dass die Klage unzulässig ist, ist diese durch Prozessurteil abzuweisen (Zöller/Greger, aaO, § 280 Rdn. 6). Schon aus Gründen der Prozessökonomie und unter Kostengesichtspunkten kann nichts anderes gelten, wenn das Rechtsmittelgericht zu diesem Ergebnis gelangt.
18
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Melullis Scharen Meier-Beck
Asendorf Gröning
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 03.05.2005 - 4b O 247/04 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 04.05.2006 - I-2 U 60/05 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 98/06 Verkündet am:
14. Mai 2009
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Tripp-Trapp-Stuhl

a) Der Verletzergewinn ist nach einer Verletzung urheberrechtlicher Nutzungsrechte
nach § 97 Abs. 1 UrhG nur insoweit herauszugeben, als er auf der
Rechtsverletzung beruht. Beim urheberrechtsverletzenden Verkauf einer unfreien
Bearbeitung kommt es insoweit maßgeblich darauf an, inwieweit der
Entschluss der Käufer zum Erwerb der angegriffenen Ausführung gerade
darauf zurückzuführen ist, dass diese die Züge erkennen lässt, auf denen der
Urheberrechtsschutz des benutzten Werkes beruht. Jedenfalls dann, wenn
es um die Verletzung des Urheberrechts an einem Werk der angewandten
Kunst geht, kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass der
Verletzergewinn im Falle einer identischen Nachahmung vollständig auf der
Verletzung beruht. Vielmehr sind in einem solchen Fall regelmäßig auch andere
Faktoren wie die Funktionalität oder der günstige Preis der unfreien Bearbeitung
für die Kaufentscheidung maßgeblich.

b) Haben innerhalb einer Lieferkette mehrere Lieferanten nacheinander urheberrechtliche
Nutzungsrechte verletzt, ist der Verletzte zwar grundsätzlich
berechtigt, von jedem Verletzer innerhalb der Verletzerkette die Herausgabe
des von diesem erzielten Gewinns als Schadensersatz zu fordern. Der vom
Lieferanten an den Verletzten herauszugebende Gewinn wird aber durch Ersatzzahlungen
gemindert, die der Lieferant seinen Abnehmern wegen deren
Inanspruchnahme durch den Verletzten erbringt.
BGH, Urteil vom 14. Mai 2009 - I ZR 98/06 - OLG Hamburg
LG Hamburg
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. Dezember 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr. Bornkamm und die Richter Pokrant, Prof. Dr. Büscher, Dr. Bergmann und
Dr. Koch

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Parteien wird das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 5. Zivilsenat, vom 24. April 2006 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels der Klägerin im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als in Höhe von 357.253,52 € nebst Zinsen zum Nachteil der Beklagten und in Höhe von 253.701,05 € nebst Zinsen zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin ist Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an dem von ihr hergestellten und vertriebenen Kinderhochstuhl „Tripp-Trapp“. Die Be- klagte vertrieb in den Jahren 1997 bis 2002 den Kinderhochstuhl „Alpha“, der dem Tripp-Trapp-Stuhl im Aussehen ähnlich ist. Die Alpha-Stühle hatte die Beklagte von der Hauck Ltd. Hong Kong und der Hauck GmbH & Co. KG bezogen. Die beiden Stühle sind nachfolgend abgebildet: Tripp-Trapp Alpha
2
Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte habe durch den Vertrieb der Alpha-Stühle ihre Nutzungsrechte an dem Tripp-Trapp-Stuhl verletzt. Sie hat in einem Vorprozess die Hauck GmbH & Co. KG und deren Komplementärin sowie die Geschäftsführer der Komplementärin auf Unterlassung, die Hauck GmbH & Co. KG darüber hinaus auf Auskunftserteilung und Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht – weitgehend erfolgreich – in Anspruch genommen (OLG Hamburg ZUM-RD 2002, 181). In einem gesonderten Rechtsstreit – in dem der Senat heute gleichfalls eine Entscheidung getroffen hat (BGH, Urt. v. 14.5.2009 – I ZR 99/06), – verlangt sie von ihnen die Zahlung von Schadensersatz. Im vorliegenden Rechtstreit beansprucht sie von der Beklagten Schadensersatz in Form der Herausgabe des Verletzergewinns.
3
In erster Instanz hat die Klägerin die Zahlung von 576.053,75 € beansprucht. Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 567.208,31 € stattgegeben. Die Beklagte hat mit ihrer Berufung die vollständige Abweisung der Klage beantragt , während die Klägerin mit ihrer Anschlussberufung ihren Klageantrag in voller Höhe weiterverfolgt hat. Nach Ablauf der Anschlussberufungsfrist hat die Klägerin ihre Klage auf 679.114,15 € erhöht. Das Berufungsgericht hat die Klageerweiterung als unzulässig erachtet und die Verurteilung in Höhe von 357.253,52 € aufrechterhalten. Dagegen haben beide Parteien die vom Berufungsgericht zugelassene Revision eingelegt. Die Beklagte erstrebt die vollständige Abweisung der Klage, während die Klägerin ihren Zahlungsantrag auch insoweit weiterverfolgt, als die Klage in den Vorinstanzen abgewiesen worden ist. Die Parteien beantragen jeweils, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


4
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klageerweiterung in der Berufungsinstanz sei unzulässig. Die Beklagte habe der Klägerin wegen der Verletzung ihrer Nutzungsrechte gemäß § 97 Abs. 1 UrhG (a.F.) Schadensersatz nach der von ihr gewählten Berechnungsmethode der Herausgabe des Verletzergewinns in Höhe von 357.253,52 € zu leisten. Hierzu hat das Berufungsgericht ausgeführt:
5
Der Tripp-Trapp-Stuhl genieße als Werk der angewandten Kunst nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG Urheberrechtsschutz. Der Alpha-Stuhl sei eine rechtsverletzende Nachbildung des geschützten Tripp-Trapp-Stuhls in Form einer unfreien Bearbeitung im Sinne von § 23 UrhG.
6
Wegen des Vertriebs der von der Hauck Hong Kong Ltd. gelieferten 44.013 Alpha-Stühle könne die Klägerin von der Beklagten Schadensersatz in Höhe von 357.253,52 € beanspruchen. Der von der Beklagten aus dem Vertrieb dieser Stühle erzielte Gewinn betrage – ohne Berücksichtigung der Klageerweiterung – 445.851,69 €. Der Klägerin stehe allerdings nur derjenige Anteil an dem Verletzergewinn zu, der gerade mit der Rechtsverletzung in Zusammenhang stehe. Die Beklagte könne sich nicht mit Erfolg darauf berufen, die Klägerin könne den Verletzergewinn nur anteilig beanspruchen, weil der Tripp-TrappStuhl auf vorbekannten Formenschatz zurückgreife. Es komme entscheidend auf den Gesamteindruck des Tripp-Trapp-Stuhls an, der Bezugnahmen auf vorbekannten Formenschatz in der Wahrnehmung der angesprochenen Verkehrskreise in den Hintergrund treten lasse. Den besonderen gestalterischen „Witz“ des Tripp-Trapp-Stuhls, der darin bestehe, dass der Stuhl durch die „L“-Form einen frei schwebenden bzw. ungestützten Charakter vermittele, habe der Alpha -Stuhl durch die eher willkürlich hinzugefügten Stützbalken nicht übernommen. Wegen des abweichenden optischen Eindrucks sei ein prozentualer Abschlag in Höhe von 10% von dem nicht um die weiteren Gemeinkosten bereinigten Verletzergewinn angemessen, aber auch ausreichend. Eine Quotierung des Gewinns der Beklagten nach dem Maß der technischen bzw. gestalterischen Anteile komme nicht in Betracht. Insoweit fehle es an einem hinreichend konkreten Sachvortrag der Beklagten dazu, wie entsprechende Gewinnanteile zu berechnen oder zu schätzen seien. Der sich hieraus ergebende Gewinnanteil von 401.266,52 € sei um die der Beklagten erwachsenen Gemeinkosten zu kürzen. Die Beklagte könne höhere Abzugspositionen als die von der Klägerin selbst eingeräumten 1 € pro Stuhl (44.013 €) nicht geltend machen. Dieser Betrag sei allerdings selbst dann zugrunde zu legen, wenn die Klägerin ihn in prozessualer Hinsicht nicht zugestanden habe und sich hieran nicht mehr festhalten lassen wolle. Danach ergebe sich ein an die Klägerin herauszugebender Schadensersatzbetrag von 357.253,52 €.
7
Wegen des Vertriebs der von der Hauck GmbH & Co. KG gelieferten 22.531 Alpha-Stühle stehe der Klägerin dagegen kein Schadensersatzanspruch in Form der Herausgabe des Verletzergewinns zu, weil sie bereits die Hauck GmbH & Co. KG in einem gesonderten Rechtsstreit erfolgreich auf Schadensersatz in Form der Herausgabe des dieser aus dem Inverkehrbringen der Stühle zugeflossenen Gewinns in Anspruch genommen habe. Der Verletzte sei nicht berechtigt, den Verletzergewinn auf allen Stufen der Verletzerkette einer gestuften Handelsbeziehung abzuschöpfen.
8
II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Beklagten hat Erfolg , die Revision der Klägerin ist teilweise begründet.
9
1. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht die Erhöhung des ursprünglichen Zahlungsantrags von 576.053,75 € um 103.060,40 € auf einen Betrag von 679.114,15 € als in der Berufungsinstanz unzulässig und deshalb in diesem Rechtsstreit nicht mehr berücksichtigungsfähig erachtet.
10
a) Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei der Erhöhung des Zahlungsantrags um eine Klageerweiterung im Sinne des § 264 Nr. 2 ZPO gehandelt hat. Die Klägerin hat damit den Klageantrag in der Hauptsache erweitert, ohne den Klagegrund zu ändern. Sie hat mit der Klageerhöhung geltend gemacht, ihr stehe wegen der Urheberrechtsverletzung der Beklagten ein weitergehender Schadensersatzanspruch in Form der Herausgabe des Verletzergewinns zu. Bei der Ermittlung des herauszugebenden Verletzergewinns sei der von der Beklagten durch den Verkauf der Alpha -Stühle erzielte Gewinn lediglich um die von der Beklagten für den Erwerb dieser Stühle tatsächlich gezahlten Netto-Einkaufspreise und nicht um die – der Berechnung der Klageforderung irrtümlich zugrunde gelegten – höheren BruttoEinkaufspreise zu vermindern.
11
b) Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass sich aus der Bestimmung des § 533 ZPO, die die Zulässigkeit einer Klageänderung in der Berufungsinstanz regelt, keine Anforderungen an die Zulässigkeit der Klageerweiterung ergeben, weil eine Klageerweiterung nach der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung des § 264 Nr. 2 ZPO nicht als eine Klageänderung anzusehen ist (BGHZ 158, 295, 305 f.). Die Zulässigkeit der Klageerweiterung hängt demnach weder davon ab, dass der Gegner einwilligt oder das Gericht sie für sachdienlich hält, noch setzt sie voraus, dass sie auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht bei seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat.
12
c) Das Berufungsgericht ist weiter zutreffend davon ausgegangen, dass eine zulässige Klageerweiterung in der Berufungsinstanz ein zulässiges Rechtsmittel voraussetzt und dass ein zulässiges Rechtsmittel nur vorliegt, wenn der Rechtsmittelführer – noch bei Schluss der mündlichen Verhandlung – die aus dem erstinstanzlichen Urteil folgende Beschwer beseitigen will und den in erster Instanz erhobenen Klageanspruch wenigstens teilweise weiterverfolgt (BGHZ 155, 21, 26; BGH, Urt. v. 30.11.2005 – XII ZR 112/03, NJW-RR 2006, 442, 443, jeweils m.w.N.).
13
Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Die Klägerin hat eine fristgerechte und auch im Übrigen zulässige Anschlussberufung eingelegt. Mit dieser wendet sie sich dagegen, dass das Landgericht ihr nicht wie beantragt 576.053,75 €, sondern nur 567.208,31 € als Schadensersatz zuerkannt hat, und verfolgt insoweit ihren erstinstanzlichen Klageantrag weiter. Die Zulässigkeit der Anschlussberufung ist auch nicht etwa entfallen. Die Klägerin hat die Beseitigung der Beschwer aus dem erstinstanzlichen Urteil noch bei Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht verfolgt (vgl. dazu BGH, Urt. v. 15.3.2002 – V ZR 39/01, NJW-RR 2002, 1435, 1436; BGH NJW-RR 2006, 442, 443).
14
d) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts scheitert die Zulässigkeit der Klageerweiterung nicht daran, dass diese außerhalb der zulässigen Anschlussberufung der Klägerin liegt.
15
aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, Anträge dürften in der Berufungsinstanz grundsätzlich nur innerhalb der Beschwer bis zum Ablauf der Begründungsfrist erweitert werden, sofern der Berufungskläger sich im Rahmen der ursprünglichen Berufungsbegründung halte und nicht neue Gründe nachschieben müsse, die nach § 533 i.V.mit § 529 ZPO nicht eingeführt werden könnten. Danach sei die Antragserweiterung im Streitfall unzulässig. Die Klägerin verfolge mit ihrer zulässigen Anschlussberufung zwar ihr Klagebegehren in zweiter Instanz insoweit weiter, als das Landgericht die Klage abgewiesen habe. Dieses Begehren habe aber nichts mit der Klageerweiterung zu tun, mit der die Klägerin einen abweichenden Sachverhalt zur Entscheidung stelle. Insoweit sei die Klägerin durch die erstinstanzliche Entscheidung nicht beschwert, so dass die Klageerweiterung außerhalb der zulässigen Anschlussberufung liege.
16
bb) Damit hat das Berufungsgericht die von ihm zur Begründung seiner Auffassung herangezogene Kommentierung (Zöller/Heßler, ZPO, 27. Aufl., § 520 Rdn. 31) missverstanden und die Anforderungen an die Zulässigkeit einer Klageerweiterung in der Berufungsinstanz überspannt. Die Erweiterung eines Rechtsmittels ist allerdings nach dem Ablauf der Begründungsfrist nur insoweit zulässig, als sich der erweiterte Antrag noch im Rahmen der mit der Rechtsmittelbegründung vorgebrachten Anfechtungsgründe hält. Nach dem Ablauf der Begründungsfrist kann die Zielrichtung des Rechtsmittels nicht mehr in der Weise geändert werden, dass nunmehr eine sich aus dem angefochtenen Urteil ergebende, innerhalb der Begründungsfrist aber nicht geltend gemachte Beschwer bekämpft wird. Von diesem Fall der eingeschränkten Rechtsmitteleinlegung , die nach dem Ablauf der Begründungsfrist im Sinne einer weitergehenden Anfechtung des erstinstanzlichen Urteils erweitert wird, ist jedoch die hier vorliegende Fallgestaltung zu unterscheiden, dass die Klage vor dem Berufungsgericht erweitert wird, indem ein Anspruch in den Rechtsstreit eingeführt wird, mit dem das erstinstanzliche Gericht nicht befasst war. Wenn der abgewiesene Kläger – wie hier – erst Berufung einlegt und sodann die Klage erweitert , hängt die Zulässigkeit der Klageerweiterung nicht davon ab, dass diese sich innerhalb der Beschwer oder im Rahmen der Berufungsbegründung hält (vgl. BGH, Urt. v. 24.2.1988 – IVb ZR 45/87, NJW-RR 1988, 1465 m.w.N.).
17
e) Die Zulässigkeit der Klageerweiterung in der Berufungsinstanz scheitert entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch nicht daran, dass die Klägerin sämtliche für die Klageerweiterung maßgeblichen Tatsachen bereits vor Einleitung des Rechtsstreits kannte und die mit der Klageerweiterung in zweiter Instanz geltend gemachten Beträge daher bereits in erster Instanz hätte geltend machen können.
18
Eine derart weitgehende Einschränkung der Möglichkeit, die Klage noch in der Berufungsinstanz zu erweitern, ergibt sich weder aus dem Gesetz noch aus den vom Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl I, S. 1887) hinsichtlich des Berufungsverfahrens verfolgten Zielen. Die Möglichkeit der Klageerweiterung in der Berufungsinstanz dient der http://www.juris.de/jportal/portal/t/28gw/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=8&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR308210994BJNE001801140&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 10 - Prozessökonomie und damit dem Ziel der Zivilprozessreform, die Effizienz innerhalb der Ziviljustiz zu steigern (vgl. BGHZ 158, 295, 306 f.). Neuer Tatsachenvortrag in der Berufungsinstanz ist zwar, auch soweit er zur Begründung einer Klageerweiterung dient, nur unter den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen (vgl. BGH, Urt. v. 8.12.2005 – VII ZR 191/04, NJW-RR 2006, 390). Eine Klageerweiterung, die allein auf neuen und nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassenden Tatsachenvortrag gestützt ist, ist daher – insoweit nicht anders als eine Klageänderung (§ 533 Nr. 2, § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) – unzulässig. Die Tatsachen, auf die die Klägerin ihre Klageerweiterung stützt, sind jedoch nicht neu im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO. Die Anlagen K 17 und K 19, mit denen die Klägerin die Neuberechnung ihres Schadensersatzanspruchs begründet, lagen bereits in der ersten Instanz vor. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung der Beklagten stellt es keinen neuen Tatsachenvortrag dar, dass die Klägerin aus diesen Anlagen erstmals in der Berufungsinstanz rechtliche Schlussfolgerungen gezogen hat, die zu einer neuen Berechnung führen.
19
2. Die Beklagte ist der Klägerin, wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat, nach § 97 Abs. 1 UrhG a.F. zum Schadensersatz verpflichtet, weil sie deren ausschließliches Nutzungsrecht an dem urheberrechtlich geschützten Tripp-Trapp-Stuhl widerrechtlich und schuldhaft verletzt hat.
20
a) Die Frage, inwieweit der Klägerin Schadensersatzansprüche zustehen , richtet sich nach dem zur Zeit der beanstandeten Handlung geltenden Recht. Das vorliegende Verfahren hat nur rechtsverletzende Handlungen aus den Jahren 1997 bis 2002 zum Gegenstand. Auf den in Rede stehenden Schadensersatzanspruch ist danach ausschließlich § 97 Abs. 1 UrhG a.F. anwendbar.
21
b) Die Revision der Beklagten hat die Beurteilung des Berufungsgerichts hingenommen, dass der Tripp-Trapp-Stuhl als Werk der angewandten Kunst gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG Urheberrechtsschutz genießt.
22
c) Die Beklagte hat das ausschließliche Nutzungsrecht der Klägerin am urheberrechtlich geschützten Tripp-Trapp-Stuhl dadurch widerrechtlich verletzt, dass sie den Alpha-Stuhl ohne Einwilligung des Urhebers des Tripp-TrappStuhls in Verkehr gebracht hat. Bei dem Alpha-Stuhl handelt es sich, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, um eine Bearbeitung des TrippTrapp -Stuhls, die gemäß § 23 Satz 1 UrhG nur mit Einwilligung des Urhebers des bearbeiteten Werkes verwertet werden darf. Zur Begründung seiner Auffassung hat das Berufungsgericht auf die Ausführungen des Oberlandesgerichts Hamburg in dem von der Klägerin mit der Herstellerin des Alpha-Stuhls und Lieferantin der Beklagten geführten Vorprozess verwiesen, denen es sich insoweit uneingeschränkt angeschlossen hat. Die Revision der Beklagten macht geltend, die – im Verhältnis zur hiesigen Beklagten nicht bindenden – Feststellungen des Oberlandesgerichts Hamburg in diesem Vorprozess seien rechtsfehlerhaft; bei dem Alpha-Stuhl handele es sich nicht um eine unzulässige unfreie Bearbeitung (§ 23 Satz 1 UrhG), sondern um eine zulässige freie Benutzung (§ 24 Abs. 1 UrhG) des Tripp-Trapp-Stuhls. Damit hat sie keinen Erfolg.
23
aa) Eine unzulässige unfreie Bearbeitung (§ 23 Satz 1 UrhG) ist gegeben , wenn diejenigen künstlerischen Züge eines Werkes nachgeahmt worden sind, die diesem insgesamt seine schutzfähige eigenpersönliche Prägung verleihen (BGH, Urt. v. 27.5.1981 – I ZR 102/79, GRUR 1981, 820, 823 – Stahlrohrstuhl II). Eine zulässige freie Benutzung (§ 24 Abs. 1 UrhG) liegt dagegen vor, wenn die dem geschützten älteren Werk entlehnten Züge in dem neuen Werk zurücktreten, so dass die Benutzung des älteren Werkes durch das neue- re Werk nur noch als Anregung zu einem neuen, selbständigen Werkschaffen erscheint (BGHZ 122, 53, 60 – Alcolix; 154, 260, 267 – Gies-Adler, m.w.N.). Bei der Beurteilung, ob eine unfreie Bearbeitung oder eine freie Benutzung vorliegt, ist durch Vergleich der einander gegenüberstehenden Werke zu ermitteln, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang eigenschöpferische Züge des älteren Werkes übernommen worden sind; maßgebend für die Entscheidung ist letztlich ein Vergleich des jeweiligen Gesamteindrucks der Gestaltungen, in dessen Rahmen sämtliche übernommenen schöpferischen Züge in einer Gesamtschau zu berücksichtigen sind (BGH, Urt. v. 8.7.2004 – I ZR 25/02, GRUR 2004, 855, 857 = WRP 2004, 1293 – Hundefigur, m.w.N.).
24
bb) Das Oberlandesgericht Hamburg ist in seiner Entscheidung im Vorprozess , auf die das Berufungsgericht verwiesen hat, von diesen Grundsätzen ausgegangen und hat näher ausgeführt, dass es sich danach bei dem AlphaStuhl nicht um eine freie Benutzung, sondern um eine abhängige Bearbeitung des Tripp-Trapp-Stuhls handele. Bei der Ausgestaltung des Alpha-Stuhls seien gerade die Formelemente nachgeahmt worden, in denen die schöpferische Eigenart und künstlerische Gestaltung des Tripp-Trapp-Stuhls zum Ausdruck kämen. Ein außerhalb des Schutzbereichs des Tripp-Trapp-Stuhls liegender Gesamteindruck werde durch den Alpha-Stuhl nicht vermittelt. Trotz eines gewissen Bemühens um die Herausarbeitung von Unterschieden sei der erforderliche Abstand nicht eingehalten, weil die Wesenszüge des Tripp-Trapp-Stuhls gegenüber dem Alpha-Stuhl nicht verblassten bzw. völlig zurückträten.
25
(1) Die Revision der Beklagten setzt dem ohne Erfolg entgegen, die eigenpersönlichen Züge des Tripp-Trapp-Stuhls lägen vor allem in dessen „L“Form , dabei handele es sich um das entscheidende gestalterische Merkmal, das den optischen Gesamteindruck präge. Von einer unfreien Bearbeitung des Tripp-Trapp-Stuhls ließe sich daher nur sprechen, wenn auch für den Alpha- Stuhl die „L“-Form aus der Seitenansicht charakteristisch wäre. Das sei aber angesichts des Einflusses, den die zusätzliche hintere Stützstrebe zwischen den Kufen und den Seitenholmen bei dem Alpha-Stuhl habe, nicht der Fall. Die Seitenansicht der beiden Stühle zeige, dass gerade die Elemente des Freischwebenden und Ungestützten, die bei dem Tripp-Trapp-Stuhl die urheberrechtlich maßgebenden Elemente seien, bei dem Alpha-Stuhl fehlten, da dieser wegen der eingebauten Stützen eine nach hinten nicht mehr offene Dreiecksform aufweise, die insgesamt zu einem kompakten und stabilen Eindruck führe.
26
Mit dieser Beurteilung versucht die Revision der Beklagten lediglich, die Beurteilung des Tatrichters durch ihre eigene zu ersetzen, ohne dabei einen Rechtsfehler des Berufungsgerichts aufzuzeigen. Das Oberlandesgericht Hamburg hat in seiner vom Berufungsgericht insoweit in Bezug genommenen Entscheidung durchaus berücksichtigt, dass der Tripp-Trapp-Stuhl vor allem durch die „L“-Form geprägt wird und bei dem Alpha-Stuhl aufgrund der Stützstreben in der Seitenansicht der Eindruck einer Dreiecksform entstehen könnte; seine Beurteilung , der Alpha-Stuhl stelle dennoch nur eine unfreie Nachbildung des Tripp-Trapp-Stuhls dar, ist frei von Rechtsfehlern.
27
Das Oberlandesgericht Hamburg hat ausgeführt, der Tripp-Trapp-Stuhl werde maßgeblich, aber keineswegs ausschließlich durch die markante „L“Form der parallelen Seitenstreben geprägt; in der Gesamtbetrachtung stehe die „L“-Form im Vordergrund, weil der Stuhl damit im rückwärtigen Bereich in gewissem Umfang freischwebend bzw. ungestützt wirke. Der Alpha-Stuhl habe die wesentlichen Gestaltungsmerkmale des Tripp-Trapp-Stuhls so weitgehend übernommen, dass sich dem Betrachter ein optischer Gesamteindruck biete, der demjenigen des geschützten Werkes in seiner die schöpferische Eigenart prägenden Gestaltung weitgehend entspreche. Gerade die typischen Formelemente seien auch beim Alpha-Stuhl vorhanden, dieser entspreche in Grund- form, Aufbau und Abmessungen dem Tripp-Trapp-Stuhl praktisch nahezu vollständig. Der Betrachter erkenne auf den ersten Blick, dass es sich bei dem Alpha -Stuhl nicht um ein eigenständig entwickeltes Möbelstück, sondern um eine gezielte Kopie des Tripp-Trapp-Stuhls handele.
28
Die vorhandenen Unterschiede seien nicht geeignet, dem Alpha-Stuhl einen eigenen Gesamteindruck zu vermitteln, hinter dem die individuellen Züge des Tripp-Trapp-Stuhls verblassten. Dabei komme es allein auf die nach hinten verschobene Querverbindung zwischen den Kufen sowie auf die zusätzlichen Stützstreben an. Bei isolierter Betrachtung könnten diese Abweichungen in der Seitenansicht den etwas stabileren und kompakteren Eindruck eines geschlossenen Dreiecks vermitteln. Eine solche isolierte Betrachtung sei jedoch nicht entscheidungsrelevant, da davon auszugehen sei, dass der kunstinteressierte Betrachter das geschützte Werk ebenfalls kenne. In einer solchen Situation gewönnen Übereinstimmungen ein erheblich höheres Gewicht als Abweichungen. Kenne der Betrachter die markante „L“-Form des Tripp-Trapp-Stuhls, so finde er sie trotz der Veränderungen (Stützstreben) auf den ersten Blick im AlphaStuhl wieder. Das „L“ sei im Alpha-Stuhl vollkommen unverändert enthalten. Die zusätzlichen Stützstreben wirkten offensichtlich als nachträglich eingefügter Zusatz, der etwa die Stabilität des Sitzmöbels verstärken solle, hingegen nicht als gestalterischer Gegenpunkt, der die charakteristischen Wesenszüge des Originalwerks verblassen ließe. Trotz dieser durchaus markanten Stützstreben, scheine die markante „L“-Form des geschützten Werks unverändert durch.
29
(2) Die Revision der Beklagten rügt vergeblich, das Berufungsgericht hätte nicht den Beweisantrag der Beklagten zu der Frage übergehen dürfen, ob der Alpha-Stuhl ein an dem Tripp-Trapp-Stuhl bestehendes Urheberrecht verletze. Die Beklagte habe sich hierzu auf den Sachverständigen Prof. L. und das von diesem erstattete Gutachten berufen, aus dem sich ergebe, dass http://www.juris.de/jportal/portal/t/f9l/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE041778007&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/glp/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=9&fromdoctodoc=yes&doc.id=BORE106588300&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/glp/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=9&fromdoctodoc=yes&doc.id=BORE106588300&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint - 15 - der Alpha-Stuhl keine rechtsverletzende Nachbildung des Tripp-Trapp-Stuhls sei, und habe ergänzend die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens beantragt.
30
Für die Beurteilung, ob eine unfreie Bearbeitung oder eine freie Benutzung eines Werkes der angewandten Kunst vorliegt, ist – wie unter II 2 c aa ausgeführt – letztlich ein Vergleich des jeweiligen Gesamteindrucks der Gestaltungen maßgeblich (BGH GRUR 2004, 855, 857 – Hundefigur, m.w.N.). Für die Ermittlung des jeweiligen Gesamteindrucks und den Vergleich kommt es auf das ästhetische Urteil des für Kunst empfänglichen und mit Kunstfragen einigermaßen vertrauten Menschen an (vgl. BGHZ 62, 331, 336 f. – Schulerweiterung ; BGH, Urt. v. 8.2.1980 – I ZR 32/78, GRUR 1980, 853, 854 – Architektenwechsel ; Urt. v. 2.10.1981 – I ZR 137/79, GRUR 1982, 107, 110 – KirchenInnenraumgestaltung ; Urt. v. 19.3.2008 – I ZR 166/05, GRUR 2008, 984 Tz. 20 = WRP 2008, 1440 – St. Gottfried). Da das Berufungsgericht nach seinen, von der Revision der Beklagten unangegriffenen Feststellungen insoweit – nicht zuletzt infolge seiner Spezialzuständigkeit im Urheberrecht – über ausreichende eigene Sachkunde verfügt, musste es weder dem von der Beklagten vorgelegten Gutachten von Prof. L. folgen noch ein gerichtliches Sachverständigengutachten einholen.
31
d) Gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe bei der Verletzung der Rechte der Klägerin schuldhaft gehandelt, wendet sich die Revision der Beklagten nicht.
32
3. Der Klägerin steht gegen die Beklagte wegen des ihre ausschließlichen Nutzungsrechte am Tripp-Trapp-Stuhl verletzenden Vertriebs der von der Hauck Ltd. Hong Kong bezogenen Alpha-Stühle gemäß § 97 Abs. 1 Satz 2 UrhG a.F. ein Anspruch auf Schadensersatz nach der von ihr gewählten Be- rechnungsmethode der Herausgabe des Verletzergewinns in Höhe von – ohne Berücksichtigung der Klageerweiterung – bis zu 361.654,82 € zu.
33
Das Berufungsgericht hat der Berechnung des Verletzergewinns den von der Beklagten aus dem Vertrieb von 44.013 Alpha-Stühlen aus den Lieferungen der Hauck Hong Kong Ltd. in dem hier interessierenden Zeitraum von 1997 bis 2002 erzielten Gewinn von – ohne Berücksichtigung der Klageerweiterung – 445.851,69 € zugrunde gelegt. Dagegen haben die Revisionen der Parteien keine Einwände erhoben. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen , dass die Klägerin nicht diesen Gesamtgewinn als Verletzergewinn herausverlangen kann. Der Gesamtgewinn ist zum einen um sämtliche Kosten zu bereinigen , die – ebenso wie die Einkaufs- und Materialkosten – dem Vertrieb der das Nutzungsrecht der Klägerin verletzenden Alpha-Stühle unmittelbar zugerechnet werden können. Der Verletzergewinn ist zum anderen nur insoweit herauszugeben , als er auf der Urheberrechtsverletzung beruht.
34
Die Revision der Klägerin beanstandet ohne Erfolg, dass das Berufungsgericht vom Gesamtgewinn Vertriebskosten von 1 € pro Stuhl abgezogen hat (dazu unter II 3 a). Die Beurteilung des Berufungsgerichts, wegen fehlender Kausalität der Urheberrechtsverletzung für den Verletzergewinn sei ein Abschlag von 10% angemessen, ist dagegen nicht frei von Rechtsfehlern (dazu unter II 3 b). Bei der Berechnung des Schadensersatzanspruchs hat das Berufungsgericht zu Unrecht zunächst den Kausalitätsabschlag vorgenommen und erst danach die Vertriebskosten abgezogen; bei zutreffender Berechnung ist der Schadensersatzanspruch in Höhe von bis zu 361.654,82 € begründet (dazu unter II 3 c).
35
a) Das Berufungsgericht hat den Gesamtgewinn mit Recht lediglich um die von der Klägerin selbst unterstellten Kosten von 44.013 € (1 € pro verkauftem Stuhl) gekürzt.
36
aa) Zur Ermittlung des Verletzergewinns ist der Gesamtgewinn um sämtliche Kosten zu bereinigen, die der Herstellung und dem Vertrieb der schutzrechtsverletzenden Gegenstände unmittelbar zugerechnet werden können (vgl. BGHZ 145, 366, 372 f. – Gemeinkostenanteil; BGH, Urt. v. 21.9.2006 – I ZR 6/04, GRUR 2007, 431 Tz. 24 = WRP 2007, 533 – Steckverbindergehäuse ; vgl. zur Anwendung dieser Grundsätze im Urheberrecht OLG Düsseldorf GRUR 2004, 53; OLG Köln GRUR-RR 2005, 247).
37
bb) Das Berufungsgericht hat von dem erzielten Gewinn einen pauschalen Betrag von 1 € pro verkauftem Stuhl abgezogen. Bei diesen – vom Berufungsgericht missverständlich als Gemeinkosten bezeichneten – Aufwendungen handelt es sich unstreitig um pauschale Kosten für die Fracht bzw. den Vertrieb eines Alpha-Stuhles. Derartige Kosten sind den die Nutzungsrechte der Klägerin verletzenden Alpha-Stühlen unmittelbar zurechenbar und daher grundsätzlich abzugsfähig. Die gegen die Höhe dieses Abzugsbetrages gerichteten Einwände der Revision der Klägerin haben keinen Erfolg.
38
Die Revision der Klägerin macht vergeblich geltend, das Berufungsgericht habe rechtsfehlerhaft angenommen, der von der Klägerin unterstellte Abzugsbetrag von 1 € pro Stuhl sei der Entscheidung des Rechtsstreits zugrunde zu legen, selbst wenn die Klägerin diesen in prozessualer Hinsicht nicht zugestanden habe und sich hieran nicht mehr bindend festhalten lassen wolle. Die Klägerin habe bei der Bezifferung des jedenfalls von ihr beanspruchten Klagebetrages von 576.053,75 € bzw. – nach der Klageerweiterung – von 679.114,15 € einen Abzug vom Gewinn der Beklagten von 66.544 € für denkbar und akzeptabel erachtet. Sie habe zum Ausdruck gebracht, dass sie für die Berechnung des Schadensersatzanspruchs großzügig einen Vertriebskostenanteil von 1 € pro Stuhl (66.544 € für 44.013 von der Hauck Hong Kong Ltd. und 22.531 von der Hauck GmbH & Co. KG bezogene Stühle) unterstelle, ohne diesen zuzugestehen. Sie habe einen Vertriebskostenanteil von 1 € pro Stuhl demnach nicht etwa zugestanden und erst recht nicht neben weiteren Abzugsbeträgen. Sollte daher – entgegen der Auffassung der Klägerin – von dem Verletzergewinn ein Kausalitätsabschlag von 10% vorzunehmen sein, könne der Betrag von 66.544 € nicht erneut im Rahmen der Vertriebskosten abgezogen werden; jedenfalls müsse dieser Betrag dann auf den Kausalitätsabschlag angerechnet werden. Damit dringt die Revision der Klägerin nicht durch.
39
Es kann dahinstehen, ob die Klägerin sich an der Abzugsposition von 1 € pro Stuhl – die sie nicht zugestanden hat und an der sie sich nicht mehr festhalten lassen will – festhalten lassen muss, weil sie – wie das Berufungsgericht angenommen hat – auf dieser Grundlage ihren Schadensersatzanspruch berechnet und den Klageantrag formuliert und damit die Angemessenheit dieses Abzugsbetrages zum Gegenstand ihres eigenen Sachvortrags gemacht hat. Darauf kommt es nicht an. Das Berufungsgericht hat – von der Revision der Klägerin unangegriffen – festgestellt, dass der Beklagten abzugsfähige Vertriebskosten für jeden einzelnen Stuhl entstanden sind. Es hat weiter ausgeführt , es widerspreche jeder Lebenserfahrung, dass der Betrag von 1 € pro verkauftem Stuhl die Vertriebskosten der Beklagten abdecke. Das Berufungsgericht hat demnach angenommen, dass der Beklagten zumindest Vertriebskosten von 1 € pro Stuhl entstanden sind. Diese Beurteilung liegt im Rahmen des tatrichterlichen Schätzungsermessens und lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
40
b) Die Beurteilung des Berufungsgerichts, wegen fehlender Kausalität der Urheberrechtsverletzung für den Verletzergewinn sei ein Abschlag von 10% angemessen, ist dagegen nicht frei von Rechtsfehlern.
41
aa) Mit Recht ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass der Verletzergewinn nur insoweit herauszugeben ist, als er auf der Rechtsverletzung beruht (vgl. für das Urheberrecht BGH, Urt. v. 30.1.1959 – I ZR 82/57, GRUR 1959, 379, 380 – Gasparone; Urt. v. 10.7.1986 – I ZR 102/84, GRUR 1987, 37, 39 f. – Videolizenzvertrag; BGHZ 150, 32, 42 – Unikatrahmen; für das Markenrecht BGH, Urt. v. 6.10.2005 – I ZR 322/02, GRUR 2006, 419 Tz. 15 = WRP 2006, 587 – Noblesse; für das Geschmacksmusterrecht BGH, Urt. v. 13.7.1973 – I ZR 101/72, GRUR 1974, 53, 54 – Nebelscheinwerfer ; BGHZ 145, 366, 375 – Gemeinkostenanteil; für den wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz BGHZ 119, 20, 29 – Tchibo/Rolex II; BGH GRUR 2007, 431 Tz. 37 – Steckverbindergehäuse). Bei der urheberrechtsverletzenden Verwertung einer Bearbeitung kommt es insoweit maßgeblich darauf an, inwieweit der Entschluss der Käufer zum Erwerb der Bearbeitung gerade darauf zurückzuführen ist, dass diese die Züge erkennen lässt, auf denen der Urheberrechtsschutz des benutzten Werkes beruht. Dabei ist dies nicht im Sinne einer adäquaten Kausalität, sondern – vergleichbar mit der Bemessung der Mitverschuldensanteile im Rahmen des § 254 BGB – im Sinne einer wertenden Zurechnung zu verstehen (BGH GRUR 2007, 431 Tz. 37 – Steckverbindergehäuse ; vgl. OLG Frankfurt GRUR-RR 2003, 274, 278). Für diese ist nicht allein der quantitative Umfang, sondern mehr noch der qualitative Wert des Entnommenen von Bedeutung (BGH GRUR 1959, 379, 382 – Gasparone).
42
Die Höhe des Anteils, zu dem der erzielte Gewinn auf der Rechtsverletzung beruht, ist vom Tatrichter gemäß § 287 ZPO nach seinem Ermessen zu schätzen, wenn nicht ausnahmsweise jeglicher Anhaltspunkt für eine Schät- zung fehlt (vgl. für das Urheberrecht BGHZ 150, 32, 43 – Unikatrahmen; für das Markenrecht BGH GRUR 2006, 419 Tz. 16 – Noblesse; für den wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz BGHZ 119, 20, 30 f. – Tchibo/Rolex II; BGH GRUR 2007, 431 Tz. 38 – Steckverbindergehäuse). Vom Revisionsgericht ist nur zu prüfen, ob die tatrichterliche Schätzung auf grundsätzlich falschen oder offenbar unsachlichen Erwägungen beruht oder ob wesentliche Tatsachen außer Acht gelassen worden sind, insbesondere ob schätzungsbegründende Tatsachen, die von den Parteien vorgebracht worden sind oder sich aus der Natur der Sache ergeben, nicht gewürdigt wurden (vgl. BGH, Urt. v. 6.10.2005 – I ZR 266/02, GRUR 2006, 136 Tz. 24 = WRP 2006, 274 – Pressefotos; GRUR 2007, 431 Tz. 38 – Steckverbindergehäuse). Dies ist hier der Fall.
43
bb) Die Revision der Beklagten macht zutreffend geltend, dass die Annahme des Berufungsgerichts, eine Quotierung des Gewinns der Beklagten nach dem Maß der technischen bzw. gestalterischen Anteile komme im Streitfall nicht in Betracht, auf Rechtsfehlern beruht.
44
(1) Das Berufungsgericht hat im Hinblick darauf, dass es sich bei dem Alpha-Stuhl zwar um eine sehr weitgehende, aber nicht identische Nachbildung des Tripp-Trapp-Stuhls handele, einen Abschlag von 10% vom vollen Verletzergewinn für angemessen erachtet. Es ist demnach erkennbar davon ausgegangen , dass bei einer identischen Nachahmung des Tripp-Trapp-Stuhls der gesamte mit dem Verkauf des Alpha-Stuhls erzielte Gewinn auf der Urheberrechtsverletzung beruhen würde. Davon kann aber jedenfalls bei einer – hier gegebenen – Verletzung der an einem Werk der angewandten Kunst bestehenden urheberrechtlichen Nutzungsrechte nicht ohne weiteres ausgegangen werden.
45
(2) Werke der angewandten Kunst unterscheiden sich von Werken der „reinen“ (zweckfreien) Kunst darin, dass sie einem Gebrauchszweck dienen (vgl. BGH, Urt. v. 22.6.1995, I ZR 119/93, GRUR 1995, 581, 582 = WRP 1995, 908 – Silberdistel). Für die Entscheidung zum Kauf eines Gebrauchsgegenstandes – wie hier eines Kinderhochstuhls – ist, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, regelmäßig nicht nur die ästhetische Gestaltung, sondern auch die technische Funktionalität von Bedeutung. Es kann daher nicht ohne weiteres angenommen werden, dass der durch die identische Nachahmung eines urheberrechtlich geschützten Gebrauchsgegenstandes erzielte Gewinn in vollem Umfang darauf beruht, dass jeder Kaufentschluss – und damit der gesamte Gewinn – allein durch das imitierte Aussehen und nicht durch andere wesentliche Umstände wie etwa die technische Funktionalität oder den niedrigen Preis verursacht worden ist (vgl. zum wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz BGHZ 119, 20, 29 – Tchibo/Rolex II). Es bedarf daher einer besonderen Begründung , weshalb die Entscheidung zum Kauf der unfreien Bearbeitung eines urheberrechtlich geschützten Werkes der angewandten Kunst allein oder auch nur überwiegend davon bestimmt sein soll, dass diese Bearbeitung die Züge erkennen lässt, auf denen der Urheberrechtsschutz des benutzten Werkes beruht. Das Berufungsgericht hat – von seinem Standpunkt aus folgerichtig – hierzu keine Feststellungen getroffen. Es ist Sache der Klägerin, die die Darlegungs - und Beweislast dafür trägt, dass der Verletzergewinn auf der Urheberrechtsverletzung beruht, dazu vorzutragen.
46
Anhaltspunkte für eine Gewichtung der für den Kaufentschluss maßgeblichen ästhetischen und funktionalen Merkmale können sich insbesondere aus der Art des Gebrauchsgegenstandes ergeben. So wird der Funktionalität bei Möbeln erfahrungsgemäß eine größere Bedeutung für die Kaufentscheidung zukommen als bei Schmuck. Das Berufungsgericht wird sich daher auch mit dem von der Revision der Beklagten als übergangen gerügten Vorbringen der Beklagten in der Berufungsinstanz zu beschäftigen haben, dass das gestalterische Element eines Kinderstuhls keinesfalls die einzige und nicht einmal die wesentliche Motivation zum Kauf eines bestimmten Stuhles darstelle, vielmehr für um das Wohl ihres Kindes besorgte Eltern die Funktionalität und Sicherheit des Stuhles im Vordergrund stünden und auch der Hauptgrund für den Kauf eines Tripp-Trapp- bzw. Alpha-Hochstuhls seien.
47
cc) Die vom Berufungsgericht bislang gegebene Begründung trägt nicht dessen Annahme, wegen des abweichenden optischen Eindrucks des AlphaStuhls erscheine ein Kausalitätsabschlag in Höhe von 10% ausreichend.
48
(1) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der besondere gestalterische „Witz“ des Tripp-Trapp-Stuhls bestehe darin, dass dieser durch die „L“-Form einen frei schwebenden bzw. ungestützten Charakter vermittele. Dieses Merkmal habe der Alpha-Stuhl durch die eher willkürlich hinzugefügten Stützbalken nicht übernommen. Wegen des abweichenden optischen Eindrucks des AlphaStuhls erscheine ein Abschlag von 10% auf den nicht um die weiteren Gemeinkosten bereinigten Verletzergewinn angemessen, aber auch ausreichend, um den Umsatz- bzw. Gewinnauswirkungen Rechnung zu tragen, die sich aus den – insbesondere gestalterischen – Unterschieden der beiden Stühle ergäben. Hinsichtlich der für diesen Abschlag maßgeblichen gestalterischen Umstände und deren Gewichtung könne auf die Ausführungen des Oberlandesgerichts Hamburg im Vorprozess Bezug genommen werden.
49
(2) Diese Ausführungen des Berufungsgerichts lassen nicht hinreichend deutlich erkennen, weshalb ein Kausalitätsabschlag von nur 10% ausreichen soll, um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der Alpha-Stuhl nicht die „L“Form des Tripp-Trapp-Stuhls übernommen hat. Das Berufungsgericht hat in der „L“-Form den gestalterischen „Witz“ des Tripp-Trapp-Stuhls gesehen, die die- sem demnach in besonderem Maße schöpferische Eigenart und damit urheberrechtlichen Schutz verleiht. Es bedarf daher näherer Begründung, weshalb die fehlende Übernahme gerade dieses charakteristischen Merkmals des TrippTrapp -Stuhls keinen höheren Kausalitätsabschlag rechtfertigt. Die Bezugnahme auf die Feststellungen des Oberlandesgerichts Hamburg im Vorprozess vermag insoweit eine eigene Begründung des Berufungsgerichts nicht zu ersetzen.
50
Das Oberlandesgericht Hamburg hat sich in seinem Urteil nicht mit der Frage befasst, inwieweit sich die gestalterischen Unterschiede der beiden Stühle auf die Ursächlichkeit der Urheberrechtsverletzung für den Verletzergewinn auswirken. Es hat sich in den im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Passagen seines Urteils vielmehr allein mit der Frage auseinandergesetzt, ob der Alpha-Stuhl einen so großen Abstand zu den eigenpersönlichen Zügen des Tripp-Trapp-Stuhls einhält, dass es sich bei ihm nicht um eine (unzulässige) unfreie Bearbeitung, sondern um eine (zulässige) freie Benutzung des TrippTrapp -Stuhls handelt. Dabei ist das Oberlandesgericht zutreffend davon ausgegangen , dass zur Beurteilung dieser Frage vor allem auf die Übereinstimmungen und nicht auf die Unterschiede zwischen den Stühlen abzustellen ist (vgl. BGH, Urt. v. 26.9.1980 – I ZR 17/78, GRUR 1981, 267, 269 – Dirlada; Urt. v. 11.3.1993 – I ZR 264/91 – GRUR 1994, 191, 193 – Asterix-Persiflagen). Es hat zwar auch Feststellungen zu den Unterschieden in der Gestaltung der Stühle getroffen, die der Beurteilung, inwieweit der Verletzergewinn auf der Urheberrechtsverletzung beruht, zugrunde gelegt werden können. Da das Oberlandesgericht sich im Vorprozess mit dieser Frage jedoch nicht selbst auseinandergesetzt hat, sind hierzu eigene Ausführungen des Berufungsgerichts erforderlich.
51
dd) Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, die Beklagten könnten nicht mit Erfolg geltend machen, der Klägerin stehe ein Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns nur anteilig zu, weil der Tripp-Trapp-Stuhl zum Teil auf vorbekannten Formenschatz zurückgreife. Ein Verletzergewinn, der allein darauf zurückzuführen wäre, dass der Alpha-Stuhl ebenso wie der Tripp-Trapp-Stuhl auf einen vorbekannten Formenschatz zurückgreift, würde allerdings, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, nicht auf der Urheberrechtsverletzung beruhen. Die Klägerin kann für Gestaltungselemente des Tripp-Trapp-Stuhls, die einem vorbekannten Formenschatz zum Zeitpunkt der Schöpfung zuzurechnen sind, keinen urheberrechtlichen Schutz beanspruchen. Die Revision der Beklagten macht vergeblich geltend, das Berufungsgericht hätte danach einen prozentualen Abschlag auf den herauszugebenden Verletzergewinn vornehmen müssen.
52
(1) Die Revision der Beklagten beruft sich ohne Erfolg darauf, das Oberlandesgericht Hamburg habe in seinem Urteil im Vorprozess festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Werkschöpfung des Tripp-Trapp-Stuhls verschiedene Kinderhochstühle bekannt gewesen seien, in denen bereits Stilmittel – insbesondere die „L“-Grundform der Seitenholme in Verbindung mit am Boden verlaufenden Kufen – Verwendung gefunden hätten, die auch im Tripp-Trapp-Stuhl wiederkehrten. Die Revision der Beklagten berücksichtigt nicht, dass das Oberlandesgericht Hamburg – im Zusammenhang mit der Erörterung der Frage, ob dem beanspruchten Urheberrechtsschutz des Tripp-Trapp-Stuhls ein vorbekannter Formenschatz entgegengehalten werden kann – weiter festgestellt hat, dass gerade die Gestaltungsmerkmale, die die ästhetische Wirkung des TrippTrapp -Stuhls bestimmten, durch keine der Entgegenhaltungen vorweggenommen worden sei und dass der Tripp-Trapp-Stuhl in seinem ästhetischen Gesamteindruck von allen vorbekannten Formen abweiche.
53
(2) Die Revision der Beklagten macht ferner ohne Erfolg geltend, der Umstand, dass urheberrechtlicher Schutz aufgrund eines Gesamteindrucks bejaht werde, führe – wie sich der „Gasparone“-Entscheidung des Senats (GRUR 1959, 379, 380) entnehmen lasse – nicht ohne weiteres dazu, dass der Verletzergewinn in ungekürzter Höhe herauszugeben sei; vielmehr gelte der Grundsatz , dass der Verletzergewinn nur in der Höhe herauszugeben sei, in welcher er gerade auf der Rechtsverletzung beruhe. Das Berufungsgericht hat angenommen , der dominierende Gesamteindruck des Tripp-Trapp-Stuhls lasse Bezugnahmen auf den vorbekannten Formenschatz in der Wahrnehmung der angesprochenen Verkehrskreise in den Hintergrund treten. Es hat demnach nicht feststellen können, dass Bezugnahmen des Tripp-Trapp-Stuhls auf den vorbekannten Formenschatz für die Kaufentscheidung der angesprochenen Verkehrskreise von Bedeutung waren. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht unter diesem Gesichtspunkt keinen Abschlag vom Verletzergewinn vorgenommen hat.
54
ee) Die Revision der Beklagten macht schließlich ohne Erfolg geltend, das Berufungsgericht hätte bei der Frage, in welcher Höhe die Beklagte zur Herausgabe des erzielten Verletzergewinns verpflichtet ist, den geringen Grad des Verschuldens der Beklagten berücksichtigen müssen. Es kann dahinstehen , ob – wie das Berufungsgericht angenommen hat – der Verschuldensgrad für die Haftung auf Herausgabe des Verletzergewinns im Urheberrecht ohne Bedeutung ist (vgl. dazu v. Ungern-Sternberg, GRUR 2008, 291, 298 f.; ders., GRUR 2009, 460, 465). Das Berufungsgericht hat jedenfalls mit Recht angenommen , dass der Beklagten kein geringes Verschulden zur Last fällt.
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Die Revision der Beklagten macht insoweit vergeblich geltend, die Beklagte hätte sich als Abnehmerin auf die rechtmäßige Herstellung des Stuhls durch die Lieferantin verlassen dürfen. Die Händlerin treffe keine umfassende Prüfungspflicht und ohnehin grundsätzlich ein geringeres Verschulden als den Hersteller. Das Berufungsgericht hat diese Einwände der Beklagten mit Recht für unbeachtlich gehalten. Das Berufungsgericht hat – von der Revision der Be- klagten unangegriffen – festgestellt, der Tripp-Trapp-Stuhl sei bereits im Jahre 1997 ein weithin bekanntes Möbelstück und „Trendsetter“ bei der Gestaltung von Kinderhochstühlen gewesen. Es sei als völlig lebensfremd auszuschließen, dass die auf den Vertrieb von Gebrauchsgegenständen für Kinder spezialisierte Beklagte bei Aufnahme der Geschäftsbeziehungen über eine Lieferung des Alpha -Stuhls keine gesicherte Kenntnis von der Existenz des Tripp-Trapp-Stuhls und dessen konkreter Formgebung gehabt haben könnte. Angesichts der augenfälligen Übereinstimmungen zwischen beiden Stühlen bis in viele kleinste Details habe die Möglichkeit einer urheberrechtsverletzenden Gestaltung bei objektiver Betrachtung auf der Hand gelegen. Wenn sich die Beklagte derartigen Bedenken verschlossen und gegebenenfalls auf gegenteilige Versicherungen ihrer Lieferanten vertraut habe, könne nicht von einer lediglich leichten Fahrlässigkeit ausgegangen werden. Diese Ausführungen lassen keinen Rechtsfehler erkennen.
56
c) Die Revision der Klägerin beanstandet mit Recht, dass das Berufungsgericht zunächst den Kausalitätsabschlag vorgenommen und erst danach die Vertriebskosten abgezogen hat.
57
aa) Das Berufungsgericht hat insoweit ausgeführt: Weil der Gesamtgewinn von 445.851,69 € nicht vollständig auf der Urheberrechtsverletzung beruhe , seien davon 10% (44.585,17 €) abzuziehen, so dass der Klägerin ein Gewinnanteil von 401.266,52 € zustehe. Dieser Gewinnanteil sei weiter um die der Beklagten erwachsenen Gemeinkosten von 1 € pro verkauftem Stuhl (44.013 €) zu kürzen, so dass sich ein Schadensersatzbetrag von 357.253,52 € errechne.
58
bb) Die vom Berufungsgericht gewählte Berechnungsreihenfolge ist nicht richtig, weil sie dazu führt, dass sich der Kausalitätsabschlag auf die Vertriebskosten erstreckt. Richtigerweise ist der Kausalitätsabschlag auf den Verletzer- gewinn zu beschränken. Von dem Gesamtgewinn sind daher zunächst die Vertriebskosten abzuziehen; erst danach ist der Verletzergewinn um den Kausalitätsabschlag zu vermindern. Damit ergibt sich folgende Berechnung: Der Gesamtgewinn von 445.851,69 € ist um die Vertriebskosten von 1 € pro verkauftem Stuhl (44.013 €) zu kürzen, so dass sich ein Verletzergewinn von 401.838,69 € errechnet. Hiervon ist zumindest ein Kausalitätsabschlag von 10% (40.183,87 €) vorzunehmen, so dass der Schadensersatzanspruch bis zu 361.654,82 € beträgt.
59
4. Der von der Klägerin gegen die Beklagte wegen des Vertriebs der von der Hauck GmbH & Co. KG gelieferten Alpha-Stühle geltend gemachte Schadensersatzanspruch aus § 97 Abs. 1 Satz 2 UrhG a.F. kann entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht mit der Begründung verneint werden, die Klägerin habe bereits die Hauck GmbH & Co. KG als Lieferantin erfolgreich auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Der Klägerin steht gegen die Beklagte insoweit ein Anspruch auf Schadensersatz nach der von ihr gewählten Berechnungsmethode der Herausgabe des Verletzergewinns in Höhe von – ohne Berücksichtigung der Klageerweiterung – bis zu 156.545,39 € zu.
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a) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, die Beklagte habe im Zeitraum von 1997 bis 2002 insgesamt 22.531 der von der Herstellerin Hauck GmbH & Co. KG bezogenen Alpha-Stühle in Deutschland verkauft und habe damit – ohne Berücksichtigung der Klageerweiterung – einen Gewinn von 196.470,32 € erzielt. Dagegen haben die Revisionen der Parteien keine Einwände erhoben. Der Verletzergewinn ist entsprechend den unter II 3 dargestellten Grundsätzen zu berechnen: Danach ist der Gesamtgewinn von 196.470,32 € zunächst um die Vertriebskosten von 1 € pro verkauftem Stuhl (22.531 €) zu kürzen, so dass sich ein Verletzergewinn von 173.939,32 € errechnet. Dieser ist sodann um einen Kausalitätsabschlag von zumindest 10% (17.393,93 €) zu vermindern, so dass der Schadensersatzanspruch bis zu 156.545,39 € beträgt.
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b) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klägerin könne nicht die Herausgabe dieses Verletzergewinns verlangen, weil sie insoweit bereits die Hauck GmbH & Co. KG in einem gesonderten Rechtsstreit – in dem der Senat heute gleichfalls eine Entscheidung getroffen hat (BGH, Urt. v. 14.5.2009 – I ZR 99/06) – erfolgreich auf Schadensersatz durch Herausgabe des dieser aus dem Inverkehrbringen der Stühle zugeflossenen Gewinns in Anspruch genommen habe. Der Verletzte sei nicht berechtigt, den Verletzergewinn auf allen Stufen der Verletzerkette einer gestuften Handelsbeziehung abzuschöpfen. Aus dem Wesen der Gesamtschuld und der Lehre von der Erschöpfung sei zu schließen, dass der Verletzte bei stufenmäßig aufeinanderfolgenden Benutzungshandlungen an derselben Sache im Ergebnis nicht besser gestellt sein könne als bei nur einer Benutzungshandlung und er daher, wenn er von dem Hersteller des schutzrechtsverletzenden Gegenstandes Schadensersatz verlangt und erhalten habe, nicht auch noch dessen Abnehmer auf Unterlassung oder Schadensersatz in Anspruch nehmen könne (OLG Düsseldorf GRUR 1989, 365, 367; Rogge/Grabinski in Benkard, Patentgesetz, 10. Aufl., § 139 Rdn. 20). Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision der Klägerin mit Erfolg. Der Verletzte ist grundsätzlich berechtigt, von jedem Verletzer innerhalb einer Verletzerkette die Herausgabe des von diesem erzielten Gewinns als Schadensersatz zu fordern.
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aa) Unter dem Gesichtspunkt der Erschöpfung sind, wie das Berufungsgericht selbst zutreffend angenommen hat, Ausgleichsansprüche eines Verletzten gegen nachfolgende Verletzer in einer Verletzerkette (hier die Beklagte) nicht ausgeschlossen, wenn der vorangehende Verletzer in der Verletzerkette (hier die Hauck GmbH & Co. KG) Schadensersatz geleistet hat. Schadenser- satzleistungen eines Verletzers in einer Verletzerkette führen nicht zu einer Erschöpfung des Verbreitungsrechts.
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(1) Sind das Original oder Vervielfältigungsstücke eines Werkes mit Zustimmung des zur Verbreitung Berechtigten im Gebiet der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum im Wege der Veräußerung in den Verkehr gebracht worden, so ist nach § 17 Abs. 2 UrhG ihre Weiterverbreitung mit Ausnahme der Vermietung zulässig. Das ausschließliche Recht des Urhebers nach § 17 Abs. 1 UrhG, das Original oder Vervielfältigungsstücke seines Werkes der Öffentlichkeit anzubieten oder in Verkehr zu bringen, ist dann insoweit erschöpft.
64
(2) Die für eine Erschöpfung des Verbreitungsrechts erforderliche Zustimmung des Berechtigten zum Inverkehrbringen des Werkstücks kann nicht nur im Voraus (als Einwilligung), sondern auch im Nachhinein (als Genehmigung ) erteilt werden. Allein in der Geltendmachung und Entgegennahme von Schadensersatz wegen einer Verletzung des Verbreitungsrechts ist jedoch grundsätzlich keine Genehmigung des unbefugten Inverkehrbringens zu sehen (vgl. BGHZ 148, 221, 232 – Spiegel-CD-ROM; Götz, GRUR 2001, 295, 297; Allekotte, Mitt. 2004, 1, 5 f.). Anders kann es möglicherweise zu bewerten sein, wenn der Berechtigte von dem Verletzer vollen Schadensersatz ausdrücklich auch für die unbefugte Nutzung durch die Abnehmer des Verletzers fordert und entgegennimmt (vgl. zum Patentrecht OLG Hamburg, Urt. v. 16.7.1998 – 3 U 192/97, juris Tz. 36, m.w.N.). Dies ist hier jedoch nicht der Fall.
65
(3) Eine entsprechende Anwendung des Erschöpfungsgrundsatzes auf Rechtsverletzungen in Verletzerketten verbietet sich, wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat, auch deshalb, weil sie im Hinblick darauf zu unstimmigen Ergebnissen führen kann, dass die Erschöpfung die Freiheit des Ver- triebs nur in nachfolgenden und nicht in vorangehenden Vertriebsstufen bewirkt (Götz, GRUR 2001, 295, 297). Leistet ein in der Verletzerkette vorangehender Verletzer Schadensersatz, wären danach Schadensersatzansprüche gegen nachfolgende Verletzer ausgeschlossen; leistet ein in der Verletzerkette nachfolgender Verletzer Schadensersatz, bestünden hingegen Schadensersatzansprüche gegen vorangehende Verletzer fort.
66
bb) Auch unter dem Gesichtspunkt der Gesamtschuld können, anders als das Berufungsgericht angenommen hat, Schadensersatzleistungen eines Verletzers in einer Verletzerkette andere Verletzer in der Verletzerkette grundsätzlich nicht von ihrer Schadensersatzpflicht befreien.
67
(1) Die Erfüllung durch einen Gesamtschuldner wirkt zwar nach § 422 Abs. 1 Satz 1 BGB auch für die übrigen Schuldner. Mehrere Verletzer innerhalb einer Verletzerkette haften jedoch nur dann als Gesamtschuldner, wenn sie durch eine gemeinschaftlich begangene unerlaubte Handlung einen Schaden verursacht haben (§ 830 Abs. 1 Satz 1 BGB) oder für den aus einer unerlaubten Handlung entstehenden Schaden nebeneinander verantwortlich sind (§ 840 Abs. 1 BGB). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
68
(2) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass jeder Verletzer innerhalb einer Verletzerkette das Verbreitungsrecht des Berechtigten verletzt und dem Rechtsinhaber daher nach § 97 Abs. 1 UrhG a.F. bei Verschulden zum Schadensersatz verpflichtet ist. Das Berufungsgericht hat auch nicht verkannt, dass mehrere Schädiger nur dann nach § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB oder § 840 Abs. 1 BGB als Gesamtschuldner haften, wenn sie für denselben Schaden verantwortlich sind. Beide Vorschriften setzen schon nach ihrem Wortlaut („den Schaden“) die Entstehung eines einheitlichen Schadens voraus. Nur dann, wenn mehrere Personen – sei es als Beteiligte im Sinne des § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB oder als Nebentäter im Sinne des § 840 Abs. 1 BGB – durch deliktisch zurechenbares Verhalten für denselben Schaden (oder Schadensteil) verantwortlich sind, besteht die für eine Gesamtschuld erforderliche innere Verbundenheit der Schadensersatzforderungen des Geschädigten, die die Täter zu einer Tilgungsgemeinschaft im Rahmen des Leistungsinteresses des Geschädigten zusammenfasst. Weder § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB noch § 840 Abs. 1 BGB können jedoch Anwendung finden, wenn von mehreren Schädigern jeder für sich einen (getrennten) Schaden verursacht (BGH, Urt. v. 22.1.1985 – VI ZR 28/83, GRUR 1985, 398, 400 – Nacktfoto). So verhält es sich hier.
69
Bei einer Verletzung von Nutzungsrechten führt bereits der Eingriff in die allein dem Rechtsinhaber zugewiesene Nutzungsmöglichkeit als solcher zu einem Schaden im Sinne des Schadensersatzrechts (vgl. BGHZ 166, 253, 266 – Markenparfümverkäufe; 173, 374, 383 – Zerkleinerungsvorrichtung, Melullis, GRUR Int. 2008, 679, 682; v. Ungern-Sternberg, GRUR 2009, 460, 462 m.w.N.). Jeder Verletzer innerhalb einer Verletzerkette greift durch das unbefugte Inverkehrbringen des Schutzgegenstandes erneut in das ausschließlich dem Rechtsinhaber zugewiesene Verbreitungsrecht ein (vgl. Tilmann, GRUR 2003, 647, 653). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die hier vorliegende Fallgestaltung nicht deshalb anders zu beurteilen, weil die Verletzungshandlungen auf allen Vertriebsstufen nach Art und Umfang insofern inhaltsgleich sind, als sowohl die Hauck GmbH & Co. KG als Hersteller und Lieferant als auch die Beklagte als Abnehmer und Veräußerer die Stühle jeweils zum Zwecke des Inverkehrbringens handeln (vgl. aber Götz, GRUR 2001, 295, 298 f.; Allekotte, Mitt. 2004, 1, 8 ff.; Gärtner/Bosse, Mitt. 2008, 492, 497). Für die gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Verletzer in einer Verletzerkette kommt es nicht darauf an, ob die Verletzungshandlungen gleichartig oder gleichgerichtet sind, sondern allein darauf, ob sie denselben Schaden verursachen.
70
cc) Die Inanspruchnahme sämtlicher Verletzer innerhalb einer Verletzerkette erscheint entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch im Hinblick auf den der Bestimmung des § 816 Abs. 1 Satz 1 BGB zugrunde liegenden Rechtsgedanken nicht systemwidrig.
71
Der Berechtigte hat im Falle einer ihm gegenüber unwirksamen Verfügung eines Nichtberechtigten über einen Gegenstand zwar nur die Wahl, entweder vom Empfänger die Herausgabe des Gegenstands zu verlangen oder die Verfügung zu genehmigen und von dem Verfügenden nach § 816 Abs. 1 Satz 1 BGB die Herausgabe des Veräußerungserlöses zu fordern.
72
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts müssen entsprechende Grundsätze jedoch nicht etwa deshalb im hier vorliegenden Fall gelten, weil der Geschädigte durch sein Vorgehen gegen den Erstverletzer zum Ausdruck bringt, dass er den aus der rechtsverletzenden Handlung erzielten Gewinn „an der Quelle“ abschöpfen will. Diese Betrachtungsweise berücksichtigt nicht, dass es im Streitfall an einer vergleichbaren Interessenlage fehlt, weil die Klägerin nicht die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, sondern Schadensersatz beansprucht und das Verlangen und Entgegennehmen von Schadensersatz nicht zu einer Genehmigung des unbefugten Inverkehrbringens führt (vgl. oben unter II 4 b aa).
73
dd) Die Herausgabe des Verletzergewinns auf allen Handelsstufen führt entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung der Beklagten zwar nicht stets, wohl aber dann zu einer ungerechtfertigten Besserstellung des Verletzten, soweit ein Verletzer, der – wie hier die Hauck GmbH & Co. KG als Hersteller und Lieferant der Alpha-Stühle – in der Verletzerkette weiter oben platziert ist, von Verletzern, die – wie hier die Beklagte als Abnehmer und Veräußerer der AlphaStühle – in der Verletzerkette weiter unten stehen, wegen deren Inanspruch- nahme durch den Verletzten mit Erfolg in Regress genommen wird. In einem solchen Fall mindert die Ersatzzahlung des Lieferanten an seine Abnehmer dessen an den Verletzten herauszugebenden Gewinn. Die – hier in Rede stehende – Verpflichtung des Abnehmers zur Herausgabe seines Verletzergewinns an den Verletzten, bleibt davon jedoch unberührt.
74
(1) Bei der Bemessung des Schadensersatzanspruchs des Verletzten gegen den Hersteller der rechtsverletzenden Gegenstände auf Herausgabe des Verletzergewinns sind allerdings Ersatzzahlungen, die der Hersteller deshalb an seine Abnehmer leistet, weil diese am Weitervertrieb der rechtsverletzenden Gegenstände gehindert sind, nicht abzuziehen. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass bei der Bemessung des Schadensersatzes anhand des Verletzergewinns fingiert wird, der Rechtsinhaber hätte ohne die Rechtsverletzung durch Verwertung seines Schutzrechts den gleichen Gewinn wie der Verletzer erzielt. Ein Gewinn des Rechtsinhabers wäre jedoch nicht durch Schadensersatzzahlungen an seine Abnehmer geschmälert worden (BGHZ 150, 32, 44 – Unikatrahmen).
75
(2) Anders verhält es sich bei Ersatzzahlungen, die der Hersteller deshalb an seine Abnehmer leistet, weil der Rechtsinhaber die Abnehmer wegen des Weitervertriebs der rechtsverletzenden Gegenstände auf Schadensersatz in Anspruch genommen hat. Hat der Rechtsinhaber nicht nur von den Abnehmern , sondern auch vom Hersteller Schadensersatz in Form der Herausgabe des Verletzergewinns verlangt und erhalten, erzielt er infolge der unbefugten Verwertung seines Schutzrechts einen höheren Gewinn, als er ohne diese Rechtsverletzungen erzielt hätte.
76
(a) Diese Besserstellung des Verletzten ist grundsätzlich nicht zu beanstanden. Der Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns ist kein Anspruch auf Ersatz des konkret entstandenen Schadens, sondern zielt in anderer Weise auf einen billigen Ausgleich des Vermögensnachteils, den der verletzte Rechtsinhaber erlitten hat. Es wäre unbillig, dem Verletzer einen Gewinn zu belassen, der auf der unbefugten Nutzung des Ausschließlichkeitsrechts beruht. Die Abschöpfung des Verletzergewinns dient zudem der Sanktionierung des schädigenden Verhaltens und auf diese Weise der Prävention gegen eine Verletzung der besonders schutzbedürftigen Immaterialgüterrechte (BGHZ 145, 366, 371 f. – Gemeinkostenanteil, m.w.N.).
77
Es stünde im Widerspruch zu diesem, dem Schadensausgleich durch Herausgabe des Verletzergewinns zugrunde liegenden Rechtsgedanken, wenn einzelne Verletzer innerhalb einer Verletzerkette ihren durch widerrechtliche und schuldhafte Verletzung eines Schutzrechts erzielten Gewinn behalten dürften , soweit der Verletzte bereits von anderen Verletzern deren Verletzergewinn herausverlangt hat. Der Verletzer eines Schutzrechts hat keinen schützenswerten Anspruch auf Erzielung oder Einbehalt eines Gewinns aus einer schutzrechtsverletzenden Handlung. Jeder Verletzer muss daher seinen gesamten Gewinn auskehren, unabhängig davon, ob der Verletzte den von den Verletzern erzielten Gewinn selbst hätte erzielen können (vgl. BGHZ 145, 366, 375 – Gemeinkostenanteil , m.w.N.).
78
(b) Die Besserstellung des Verletzten ist allerdings nicht gerechtfertigt, wenn der Hersteller seinen Abnehmern wegen deren Inanspruchnahme durch den Rechtsinhaber Schadensersatz leistet. Nehmen die Abnehmer den Hersteller mit Erfolg in Regress, lässt sich eine Berechtigung des Verletzten, den vollen Verletzergewinn sowohl der Abnehmer als auch des Herstellers zu verlangen und zu behalten, nicht mit der Erwägung rechtfertigen, dass es unbillig wäre , dem Verletzer einen Gewinn zu lassen, der auf der unbefugten Nutzung eines Schutzrechts beruht. Denn der auf der unbefugten Nutzung des Schutz- rechts beruhende Gewinn des Herstellers wird aufgezehrt, soweit er seinen Abnehmern wegen deren Inanspruchnahme durch den Verletzten Schadensersatz leistet. Die Haftung des Herstellers wird daher – wenn der Schaden nach dem Verletzergewinn berechnet wird – durch den von ihm erwirtschafteten Gewinn nicht nur begründet, sondern auch begrenzt. Daraus folgt:
79
Hat der Hersteller seinen Abnehmern wegen deren Inanspruchnahme durch den Rechtsinhaber Schadensersatz geleistet, bevor er vom Rechtsinhaber auf Herausgabe des Verletzergewinns in Anspruch genommen wird, ist der von dem Hersteller an den Rechtsinhaber als Schadensersatz herauszugebende Verletzergewinn von vornherein um den an die Abnehmer gezahlten Schadensersatz gemindert. Hat der Hersteller dem Rechtsinhaber den Verletzergewinn herausgegeben, bevor er seinen Abnehmern wegen deren Inanspruchnahme durch den Rechtsinhaber Schadensersatz leistet, kann er vom Rechtsinhaber wegen späteren Wegfalls des rechtlichen Grundes für die Leistung gemäß § 812 Abs. 1 Satz 2 Fall 1 BGB die Herausgabe des überzahlten Verletzergewinns beanspruchen. Dieser Bereicherungsanspruch des Herstellers entsteht mit der Erfüllung der Regressforderung der Abnehmer; er ist, soweit erforderlich , in einem gesonderten Prozess – gegebenenfalls im Wege der Vollstreckungsgegenklage – geltend zu machen.
80
III. Auf die Revisionen der Parteien ist danach das Berufungsurteil unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels der Klägerin insoweit aufzuheben , als das Berufungsgericht die Beklagte zur Zahlung von 357.253,52 € verurteilt und die mit der Anschlussberufung einschließlich der Klageerweiterung verfolgten Klageansprüche in Höhe von 253.701,05 € nebst Zinsen abgewiesen hat. Der Klägerin stehen Schadensersatzansprüche von bis zu 610.954,57 € zu. Sie kann wegen des Vertriebs der von der Hauck Hong Kong Ltd. gelieferten Alpha-Stühle bis zu 361.654,82 € und wegen des Vertriebs der von der Hauck GmbH & Co. KG gelieferten Alpha-Stühle bis zu 156.545,39 € als Schadensersatz beanspruchen. Darüber hinaus sind die mit der Klageerweiterung verfolgten Schadensersatzansprüche bis zu 92.754,36 € begründet (Erhöhung des Gewinns der Beklagten um bis zu 103.060,40 € abzüglich eines Kausalitätsabschlags von zumindest 10%). Im Umfang der Aufhebung ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Bornkamm Pokrant Büscher
Koch Bergmann
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 14.05.2004 - 308 O 485/03 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 24.04.2006 - 5 U 103/04 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 239/06 Verkündet am:
20. Mai 2009
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
CAD-Software
UrhG § 97 Abs. 1 (F: 23.6.1995)
Wer ein fremdes, urheberrechtlich geschütztes Computerprogramm zum Herunterladen
ins Internet einstellt, darf sich nicht darauf verlassen, dass es sich dabei
mangels entgegenstehender Anhaltspunkte um ein Programm handelt, mit
dessen öffentlicher Zugänglichmachung der Berechtigte einverstanden ist. Er
muss vielmehr zuvor sorgfältig prüfen, ob der Berechtigte das Programm zur
öffentlichen Zugänglichmachung freigegeben hat.
BGH, Urteil vom 20. Mai 2009 - I ZR 239/06 - OLG Zweibrücken
LG Frankenthal
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 20. Mai 2009 durch die Richter Dr. Bergmann, Pokrant,
Prof. Dr. Büscher, Dr. Schaffert und Dr. Koch

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 28. September 2006 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin verlangt von dem beklagten Land Schadensersatz wegen Verletzung urheberrechtlicher Nutzungsrechte an einem Computerprogramm.
2
Die Klägerin ist Herstellerin der CAD-Software Eagle, mit der Platinen für elektronische Schaltungen entworfen werden können. Sie bietet eine kostenpflichtige Vollversion für Lizenznehmer an und stellt daneben im Internet eine kostenlose „Lightversion“ mit eingeschränktem Funktionsumfang zur Verfügung, die jedermann herunterladen, nutzen und weiterverbreiten darf. Beide Versionen enthalten dieselben Programmdateien. Zur Nutzung der Vollversion muss in eine zusätzliche Datei mit dem Namen „License.Key“ ein Registrierungscode eingegeben werden. Diesen Code liefert die Klägerin ihren Lizenznehmern nur in Papierform aus. Die Lizenznehmer der Klägerin erhalten darüber hinaus eine weitere Datei mit der Bezeichnung „License.Doc“, die allgemeine CopyrightInformationen enthält.
3
Das beklagte Bundesland Rheinland-Pfalz ist Dienstherrin des Fachhochschulprofessors für Elektrotechnik an der Fachhochschule Koblenz Dr. A. . Dieser betreute von Ende 1998 bis April 1999 die Studenten G. und J. bei der Anfertigung ihrer Diplomarbeiten. Als einer der beiden Studenten seine Arbeitsergebnisse Dr. A. auf dessen Computer an der Fachhochschule präsentieren wollte, traten beim Herunterladen der „Lightversion“ des hierfür benötigten Programms der Klägerin aus dem Internet Schwierigkeiten auf. Deshalb stellte der Student J. eine Vollversion des Programms zur Verfügung, die ihm die F. GmbH, bei der er damals arbeitete, überlassen hatte. Die Klägerin hatte der F. GmbH die Software im Sommer 1998 verkauft und lizenziert. Das Programm wurde von einer CD auf den PC überspielt. Dadurch wurde das Programm der Klägerin in der „Lightversion“ auf dem Rechner Dr. A. zum Laufen gebracht.
4
Am 14. Juni 1999 übertrug Dr. A. die auf seinem PC befindliche Version der Software zusammen mit den Dateien „License.Key“ und „License.Doc“ auf den öffentlichen Downloadbereich des Servers der Fachhochschule. In der Datei „License.Key“ war die F. GmbH als Lizenznehmer einer Vollversion aufgeführt. Die Datei „License.Doc“ war um eine Zeile erweitert, in die der Registrierungscode eingegeben war. Dadurch konnte das Programm über das In- ternet von jedermann aufgerufen, heruntergeladen und als Vollversion genutzt werden. Im August 1999 informierte ein Mitarbeiter des Rechenzentrums der Fachhochschule Koblenz die Klägerin, dass auf dem Server der Fachhochschule eine Raubkopie der Vollversion ihrer Software Eagle zum Herunterladen für jedermann bereitstehe und zumindest 92-mal heruntergeladen worden sei.
5
Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung ihrer urheberrechtlichen Nutzungsrechte auf Zahlung eines nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie berechneten Schadensersatzes von 129.456 € nebst Zinsen in Anspruch.
6
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:


7
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe kein Schadensersatzanspruch zu. Es sei zwar rechtswidrig, dass Dr. A. eine Vollversion des Programms der Klägerin auf den Server der Fachhochschule geladen habe. Es sei jedoch nicht bewiesen, dass Dr. A. dabei schuldhaft gehandelt habe. Hierzu hat das Berufungsgericht ausgeführt:
8
Vor dem Heraufladen eines Computerprogramms auf den allgemein zugänglichen Teil eines Servers müsse nur dann untersucht werden, welche Version des Programms auf dem eigenen PC vorhanden sei, wenn es zumindest irgendwelche Anhaltspunkte für eine insofern unklare Situation gebe. Eine solche Situation habe hier nicht vorgelegen. Es habe für Dr. A. keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass es sich um eine Vollversion des Programms ge- handelt habe und die Datei „License.Doc“ manipuliert worden sei. Der Student J. habe seine Datei zur Verfügung gestellt, weil die „Lightversion“ des Programms nicht gelaufen sei. Nur diese Version habe aufgerufen werden sollen und sei dann auch nach dem Überspielen der Datei des Studenten J. auf den PC Dr. A. gelaufen. Dr. A. habe sich zudem bei der Klägerin zuvor nach dem Unterschied zwischen der „Lightversion“ und der Vollversion erkundigt. Ihm sei mitgeteilt worden, die Vollversion sei nur durch Eingabe des Registrierungscodes lauffähig. Dr. A. habe keinen Registrierungscode eingegeben und auch nicht damit rechnen müssen, dass ein Diplomand ihm eine derart manipulierte Datei überlasse.
9
II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Klägerin hat Erfolg.
10
1. Die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht einen Anspruch der Klägerin gegen das beklagte Land auf Schadensersatz aus § 839 Abs. 1 BGB i.V. mit Art. 34 Satz 1 GG verneint hat, halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
11
a) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten nach § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Dabei trifft die Verantwortlichkeit nach Art. 34 Satz 1 GG grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft , in deren Diensten er steht, wenn jemand die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes verletzt.
12
b) Die Vorinstanzen haben den Fachhochschulprofessor an der Fachhochschule Koblenz Dr. A. zutreffend als Beamten im staatsrechtlichen Sinne angesehen. Er stand zum Zeitpunkt der Verletzungshandlung als Hoch- schulbediensteter nach § 43 Abs. 1 HochSchG Rheinland-Pfalz im unmittelbaren Dienst des beklagten Landes.
13
c) Das Berufungsgericht ist auch mit Recht davon ausgegangen, dass Dr. A. eine ihm der Klägerin gegenüber obliegende Amtspflicht verletzt hat.
14
aa) Zu den Amtspflichten Dr. A. bei der Wahrnehmung seiner hoheitlichen Lehrtätigkeit gehörte auch die Pflicht, sich aller Eingriffe in fremde Rechte zu enthalten, die eine unerlaubte Handlung im Sinne des bürgerlichen Rechts darstellen. Dazu zählen auch Eingriffe in die durch das Urheberrechtsgesetz geschützten Rechte. Ein Beamter, der in Ausübung seines öffentlichen Amtes eine unerlaubte Handlung in diesem Sinn begeht, verletzt dadurch zugleich eine ihm dem Träger des Rechts oder Rechtsguts gegenüber obliegende Amtspflicht (BGH, Urt. v. 16.1.1992 - I ZR 36/90, GRUR 1993, 37, 38 = WRP 1992, 373 - Seminarkopien, m.w.N.).
15
bb) Dr. A. hat das ausschließliche Nutzungsrecht der Klägerin an dem Computerprogramm (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG) verletzt.
16
(1) Für die Beurteilung des hier in Rede stehenden Schadensersatzanspruchs ist die Rechtslage maßgeblich, die zum Zeitpunkt der ihm zugrunde gelegten Verhaltensweise am 14. Juni 1999 gegolten hat. Nach § 15 Abs. 2 UrhG a.F. hat der Urheber das ausschließliche Recht, sein Werk in unkörperlicher Form öffentlich wiederzugeben. In entsprechender Anwendung dieser Vorschrift hat der Urheber darüber hinaus ein Recht an der Bereithaltung seines Werkes zum Abruf durch eine Öffentlichkeit. Dieses Recht der öffentlichen Zugänglichmachung ist zwar erst mit Wirkung zum 13. September 2003 allgemein in § 15 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 i.V. mit § 19a UrhG und speziell für Computerprogramme in § 69c Nr. 4 UrhG ausdrücklich geregelt worden; es hat aber schon zuvor bestanden (vgl. Schricker/v. Ungern-Sternberg, Urheberrecht, 3. Aufl., § 19a UrhG Rdn. 34 ff.; Schricker/Loewenheim aaO § 69c UrhG Rdn. 40; vgl. auch BGHZ 156, 1, 13 f. - Paperboy).
17
(2) Nach dem von der Beklagten nicht bestrittenen Vorbringen der Klägerin ist davon auszugehen, dass der CAD-Software Eagle Urheberrechtsschutz zukommt (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG) und der Klägerin insoweit ausschließliche Nutzungsrechte zustehen. Diese ausschließlichen Rechte der Klägerin hat Dr. A. verletzt, indem er die CAD-Software Eagle zusammen mit den Dateien „License.Key“ und „License.Doc“ auf den öffentlichen Downloadbereich des Servers der Fachhochschule übertragen und damit für jedermann jederzeit den Internetzugriff auf das Programm eröffnet und dessen Nutzung als Vollversion ermöglicht hat.
18
Dr. A. hat dabei, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, rechtswidrig gehandelt. Die Klägerin hatte in eine öffentliche Zugänglichmachung dieses Programms nicht eingewilligt. Sie war zwar mit einer kostenlosen Nutzung und Verbreitung der „Lightversion“ ihres Programms einverstanden. Bei dem von Dr. A. auf den Server der Fachhochschule übertragenen Programm handelte es sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts jedoch nicht um eine solche „Lightversion“, sondern um eine Vollversion, die die Klägerin der F. GmbH im Sommer 1998 verkauft und lizenziert hatte. Diese Version umfasste - anders als die „Lightversion“ - die Datei „License.Key“, die die F. GmbH als Lizenznehmer einer Vollversion aufführte, und die Datei „License.Doc“, die den für eine Nutzung als Vollversion erforderlichen Registrierungscode enthielt. Da sich die Einwilligung der Klägerin auf diese konkrete Version nicht bezog, kommt es entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung auch nicht darauf an, auf welche Art und Weise bei ihr die Vollversion aufgerufen werden konnte.
19
d) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts scheitert ein Schadensersatzanspruch jedoch nicht am mangelnden Verschulden Dr. A. .
20
aa) Der Annahme eines Verschuldens steht nicht der Grundsatz entgegen , dass einen Beamten in der Regel kein Verschulden trifft, wenn ein mit mehreren Rechtskundigen besetztes Kollegialgericht die Amtstätigkeit als objektiv rechtmäßig angesehen hat (vgl. dazu BGHZ 97, 97, 107; 117, 240, 250; BGH, Urt. v. 18.11.2004 - III ZR 347/03, VersR 2005, 1582, 1583 m.w.N.). Landgericht und Berufungsgericht haben das Verhalten Dr. A. zutreffend nicht als objektiv rechtmäßig, sondern als rechtswidrig angesehen.
21
bb) Das Berufungsgericht hat gemeint, vor dem Heraufladen eines Computerprogramms auf den allgemein zugänglichen Teil eines Servers müsse nur dann untersucht werden, welche Version auf dem eigenen PC vorhanden sei, wenn es zumindest irgendwelche Anhaltspunkte für eine insofern unklare Situation gebe. Es hat angenommen, im Streitfall sei eine solche Situation nicht gegeben. Damit hat das Berufungsgericht, wie die Revision mit Recht rügt, die im Urheberrecht geltenden Sorgfaltsanforderungen verkannt.
22
(1) Im Urheberrecht gelten generell hohe Sorgfaltsanforderungen und begründet daher bereits leichte Fahrlässigkeit den Vorwurf einer Sorgfaltspflichtverletzung (vgl. BGH, Urt. v. 10.10.1991 - I ZR 147/89, GRUR 1993, 34, 36 = WRP 1992, 160 - Bedienungsanweisung). Die Revision macht mit Recht geltend, dass besonders hohe Sorgfaltsanforderungen zu stellen sind, wenn - wie hier - ein Computerprogramm zum Herunterladen ins Internet eingestellt wird. Eine solche Verhaltensweise führt zu einer hochgradigen Gefährdung der Verwertungsrechte des Urhebers, weil ein ohne Einschränkungen im Internet zum Download bereitgestelltes Computerprogramm jederzeit von jedermann heruntergeladen und weiterverbreitet werden kann. Wer ein fremdes, urheber- rechtlich geschütztes Computerprogramm zum Herunterladen ins Internet einstellt , darf sich nicht darauf verlassen, dass es sich dabei mangels entgegenstehender Anhaltspunkte um ein Programm handelt, mit dessen öffentlicher Zugänglichmachung der Berechtigte einverstanden ist. Er muss vielmehr zuvor sorgfältig prüfen, ob der Berechtigte das Programm zur öffentlichen Zugänglichmachung freigegeben hat.
23
(2) Nach diesen Maßstäben hat Dr. A. fahrlässig gehandelt.
24
Insoweit kommt es nicht darauf an, ob Dr. A. - wie das Berufungsgericht gemeint hat - keine Anhaltspunkte dafür hatte, dass es sich um eine Vollversion des Programms handelte und die Datei „License.Doc“ manipuliert war. Selbst wenn Dr. A. nicht wusste, dass die Datei „License.Doc“ um eine Zeile erweitert und dort der zur Nutzung des Programms als Vollversion erforderliche Registrierungscode eingefügt war, handelte er fahrlässig, als er das Programm der Klägerin zusammen mit den Dateien „License.Key“ und „License.Doc“ auf den Server der Fachhochschule übertrug.
25
Entscheidend ist, dass Dr. A. sich vor der Übertragung des Programms einschließlich der Dateien „License.Key“ und „License.Doc“ von seinem PC auf den Server der Fachhochschule nicht vergewisserte, dass es sich bei dem auf seinem PC befindlichen Programm tatsächlich nur um die „Lightversion“ des Programms der Klägerin handelte. Eine solche Überprüfung war insbesondere deshalb geboten, weil das auf dem Rechner Dr. A. befindliche Programm erst durch das Überspielen der von dem Studenten J. zur Verfügung gestellten Vollversion des Programms, das die Klägerin der F. GmbH verkauft und lizenziert hatte, zum Laufen gebracht worden war.
26
Bei der gebotenen sorgfältigen Überprüfung hätte Dr. A. festgestellt, dass es sich bei dem auf seinem Rechner befindlichen Programm nicht um die von der Klägerin freigegebene „Lightversion“, sondern um die an die F. GmbH verkaufte und lizenzierte Vollversion handelte. Er hätte insbesondere auch festgestellt, dass in der Datei „License.Key“ die F. GmbH als Lizenznehmer einer Vollversion aufgeführt und in der Datei „License.Doc“ der zur Nutzung des Programms als Vollversion erforderliche Registrierungscode eingetragen war. Hätte er sich zu einer solchen Überprüfung nicht in der Lage gesehen, hätte er vor einer Veröffentlichung des Programms bei der Klägerin nachfragen müssen, ob er dazu befugt ist. Statt dessen hätte er auf dem Server der Fachhochschule auch einfach einen Hyperlink auf die Internet-Seite der Klägerin setzen und seinen Studenten damit auf vollkommen unverfängliche Weise zu einem rechtmäßigen Download der neuesten „Lightversion“ dieses Programms verhelfen können.
27
2. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen kann ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen das beklagte Land aus § 839 Abs. 1 BGB i.V. mit Art. 34 Satz 1 GG nicht verneint werden.
28
a) Der Klägerin ist aus der Amtspflichtverletzung ein Schaden entstanden.
29
Bei einer Verletzung von Nutzungsrechten führt bereits der Eingriff in die allein dem Rechtsinhaber zugewiesene Nutzungsmöglichkeit als solcher zu einem Schaden im Sinne des Schadensersatzrechts (vgl. BGH, Urt. v. 14.5.2009 - I ZR 98/06 Tz. 69 - Tripp-Trapp-Stuhl, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt, m.w.N.). Der Klägerin ist daher bereits dadurch ein Schaden entstanden, dass Dr. A. die CAD-Software Eagle unbefugt auf den öffentlichen Downloadbereich des Servers der Fachhochschule hochgeladen und damit in das aus- schließliche Recht der Klägerin zur öffentlichen Zugänglichmachung ihres Computerprogramms eingegriffen hat.
30
b) Fällt dem Beamten - wie hier - lediglich Fahrlässigkeit zu Last, so kann er nach § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB zwar nur in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag. Die Klägerin kann jedoch nicht auf anderweitige Ersatzmöglichkeiten verwiesen werden.
31
Es kann dahinstehen, ob - wie die Revision geltend macht - eine Verweisung des Verletzten auf andere Ersatzmöglichkeiten bei Urheberrechtsverletzungen in gleicher Weise wie bei bestimmten Verletzungen allgemeiner Verkehrssicherungspflichten (vgl. BGHZ 118, 368, 370 ff.) von vornherein ausscheidet. Derartige anderweitige Ersatzmöglichkeiten gibt es im Streitfall jedenfalls nicht. Gegen die beiden Studenten bestehen schon deshalb keine Ersatzansprüche , weil sie für das Heraufladen des Programms auf den Server der Fachhochschule nicht verantwortlich sind. Ersatzansprüche wegen des Herunterladens des Programms vom Server kommen als anderweitige Ersatzmöglichkeit nicht in Betracht, weil es sich dabei um eine gegenüber dem unbefugten Heraufladen des Programms weitere, eigenständige Verletzung der ausschließlichen Nutzungsrechte der Klägerin handelt.
32
c) Für den der Klägerin infolge der Amtspflichtverletzung entstandenen Schaden hat nach Art. 34 Satz 1 GG das beklagte Land als Dienstherr Dr. A. einzustehen, da Dr. A. beim Übertragen des Programms auf den Server in Ausübung seines ihm anvertrauten öffentlichen Lehramtes gehandelt hat.
33
Ob ein bestimmtes Verhalten einer Person als Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes anzusehen ist, bestimmt sich danach, ob die ei- http://www.juris.de/jportal/portal/t/co1/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE300542001&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint - 12 - gentliche Zielsetzung, in deren Sinn die Person tätig wurde, hoheitlicher Tätigkeit zuzurechnen ist und - falls dies zutrifft - ob zwischen dieser Zielsetzung und der schädigenden Handlung ein so enger äußerer und innerer Zusammenhang besteht, dass die Handlung ebenfalls als noch dem Bereich hoheitlicher Betätigung angehörend angesehen werden muss (st. Rspr.; vgl. nur BGHZ 147, 169, 171; 118, 304, 305 m.w.N.; BGH GRUR 1993, 37, 38 - Seminarkopien, m.w.N.). So verhält es sich hier.
34
Dr. A. hat das Programm der Klägerin auf den Server der Fachhochschule übertragen, um es seinen Studenten im Rahmen ihres Studiums zum Herunterladen zur Verfügung zu stellen. Es besteht damit ein unmittelbarer sachlicher Zusammenhang mit der ihm übertragenen Lehrtätigkeit als Fachhochschulprofessor für Elektrotechnik an der Fachhochschule Koblenz.
35
3. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, da diese noch nicht zur Endentscheidung reif ist (vgl. § 561 Abs. 3 ZPO).
36
Das Berufungsgericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - bislang keine Feststellungen zur Höhe des Schadensersatzanspruchs der Klägerin getroffen.
37
III. Danach ist auf die Revision der Klägerin das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
38
Für das weitere Verfahren wird auf Folgendes hingewiesen:
39
Die Klägerin kann ihren Schaden nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie berechnen und als Schadensersatz danach eine angemessene und übliche Lizenzgebühr beanspruchen (vgl. BGH, Urt. v. 22.3.1990 - I ZR 59/88, GRUR 1990, 1008, 1009 - Lizenzanalogie, m.w.N.). Soweit sich für das öffentli- che Zugänglichmachen der Software keine übliche Lizenzgebühr ermitteln lässt, kann die angemessene Lizenzgebühr geschätzt werden. Im Rahmen dieser Schätzung können die Zahl der Abrufe des Programms vom Server der Fachhochschule und die von der Klägerin im Jahre 1999 für die Vollversion des Programms geforderte Lizenzgebühr von 1.392 € Anhaltspunkte bieten.
Bergmann Pokrant Büscher
Schaffert Koch
Vorinstanzen:
LG Frankenthal, Entscheidung vom 30.11.2004 - 6 O 437/02 -
OLG Zweibrücken, Entscheidung vom 28.09.2006 - 4 U 299/04 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 169/07 Verkündet am:
29. Juli 2009
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BTK

a) In die Beurteilung, welcher Lizenzsatz einer Umsatzlizenz bei der Verletzung
eines Kennzeichenrechts angemessen ist, ist die in der Branche übliche Umsatzrendite
regelmäßig einzubeziehen.

b) Kann ein wegen einer Kennzeichenverletzung zur Auskunft Verpflichteter
nicht zweifelsfrei beurteilen, ob das Kennzeichenrecht des Gläubigers durch
bestimmte Geschäfte verletzt worden ist, und führt er die Geschäfte deshalb
im Rahmen der Auskunft auf, handelt er nicht widersprüchlich, wenn er im
nachfolgenden Betragsverfahren den Standpunkt einnimmt, diese Geschäftsvorfälle
seien in die Bemessung des Schadensersatzes nicht einzubeziehen.
BGH, Urteil vom 29. Juli 2009 - I ZR 169/07 - OLG München
LG München I
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 29. Juli 2009 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und
die Richter Prof. Dr. Büscher, Dr. Schaffert, Dr. Bergmann und Dr. Kirchhoff

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 29. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 2. August 2007 unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beklagten zur Zahlung von 448.000 € nebst Zinsen verurteilt worden sind (I 1 der Urteilsformel).
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Parteien streiten um die Höhe des dem Grunde nach bereits rechtskräftig festgestellten Schadensersatzanspruchs wegen Verletzung des Unternehmenskennzeichens der Klägerin.
2
Die Klägerin, ein Speditions- und Logistikunternehmen, firmiert seit mehreren Jahrzehnten unter "BTK Befrachtungs- und Transportkontor GmbH". Ihr Geschäftsführer war zunächst der Beklagte zu 1 (nachstehend: Beklagter).
3
1995 wurde die Klägerin Teil eines schwedischen Konzerns. Im Zuge eines geplanten Erwerbs der Geschäftsanteile der Klägerin durch ihre leitenden Angestellten gründete der Beklagte zusammen mit vier Angestellten der Klägerin 1997 die Beklagte zu 2 (nachstehend: Beklagte), die "BEG Spedition GmbH", um die Anteile an der Klägerin zu übernehmen. Zu der Anteilsübernahme kam es in der Folgezeit nicht. Der Beklagte übernahm bei der Beklagten die Geschäftsführung, die er bis zum 31. Juli 2005 ausübte. Im April 1998 gründete er gemeinsam mit Angestellten der BTK S.A., einer Tochtergesellschaft der Klägerin, die BTK Finance S.A. als Aktiengesellschaft belgischen Rechts.
4
Auf der Grundlage eines Vertrags von März/April 1998 zwischen der Klägerin und der BTK S.A. wurde die Niederlassung der Klägerin in Kehl auf die BTK S.A. übergeleitet und als deren selbständige Niederlassung im Handelsregister eingetragen. Vertragsgemäß firmierte die Niederlassung anschließend unter "BTK Spedition, Niederlassung der BTK S.A., B 4460 Grâce - Hollogne". Mit Vertrag vom 25. September 1998 verkaufte die Klägerin ihre Anteile an der BTK S.A. an die BTK Finance S.A. Ende September 1998 endete die Tätigkeit des Beklagten als Geschäftsführer der Klägerin.
5
Am 11. Januar 2002 übernahm die Beklagte den Betrieb der Niederlassung in Kehl und änderte ihre Firmierung in "BTK Spedition GmbH". Unter der neuen Firma betrieb sie eine Spedition.
6
Die Klägerin nahm die Beklagten in einem vorausgegangenen Rechtsstreit wegen Verletzung ihres Unternehmenskennzeichens auf Schadensersatz in Anspruch. In diesem Verfahren verurteilte das Berufungsgericht die Beklagten zur Rechnungslegung und stellte fest, dass sie gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin jeden Schaden zu ersetzen, der ihr aus der Verwendung der Bezeichnung "BTK Spedition GmbH" und/oder "BTK Spedition" seit dem 11. Januar 2002 entstanden ist und noch entstehen wird. Am 1. März 2006 änderte die Beklagte ihre Firmierung in "F. GmbH".
7
Nach einem vorausgegangenen Zwangsmittelverfahren bezifferten die Beklagten die Umsätze im fraglichen Zeitraum auf 22.124.106,06 €. Davon entfielen auf Geschäfte mit inländischen Kunden Umsätze in Höhe von 7.629.861,53 € und auf von Deutschland ausgehende oder in Deutschland eingehende Geschäfte mit ausländischen Kunden Umsätze von 14.494.244,53 €.
8
Die Klägerin hat ihren Schaden nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie berechnet. Sie hat die Auffassung vertreten, in die Schadensberechnung sei der gesamte Umsatz in Höhe von 22.124.106,06 € einzubeziehen. Unter Zugrundelegung eines angemessenen Lizenzsatzes von 4% ergebe sich jedenfalls die Klageforderung von 448.000 €. Hilfsweise hat die Klägerin den Anspruch auf eine Pauschallizenz gestützt und die Zinsen als eigenständigen Schadensersatzanspruch bis zur Höhe des eingeklagten Betrags geltend gemacht.
9
Die Klägerin hat zuletzt beantragt, die Beklagten zu verurteilen, 1. als Gesamtschuldner an die Klägerin 448.000 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 12. Juni 2006 und 2. für die Klägerin an die Anwaltskanzlei L. 6.612 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten , über dem Basiszinssatz seit dem 12. Juni 2006 aus einem Betrag von 4.120 € sowie weiterer Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19. Juli 2007 aus 2.492 € zu zahlen.
10
Die Beklagten sind der Klage entgegengetreten. Sie haben behauptet, die Umsätze mit inländischen Auftraggebern und Rechnungsempfängern hätten im Zeitraum von Juli 2002 bis Dezember 2005 lediglich 7.235.786,18 € ausge- macht. In der nach dem gerichtlichen Zwangsmittelbeschluss erteilten Auskunft seien auch Umsätze enthalten, auf die sich die Auskunftspflicht nicht erstreckt habe. Die Umsatzrendite betrage im Transportgewerbe lediglich ein Prozent, so dass allenfalls eine Lizenz in Höhe von 0,3% des Umsatzes angemessen sei.
11
Das Landgericht hat der Klage mit dem Klageantrag zu 1 in Höhe von 225.000 € sowie dem Klageantrag zu 2 in Höhe des in erster Instanz beanspruchten Betrags von 4.120 € stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht der Klage mit den im Berufungsrechtszug gestellten Anträgen in vollem Umfang stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.
12
Mit ihrer (vom Senat zugelassenen) Revision verfolgen die Beklagten ihren Antrag auf Klageabweisung weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


13
I. Das Berufungsgericht hat der Klägerin auf der Grundlage der Berechnungsmethode der Lizenzanalogie einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 448.000 € gemäß § 15 Abs. 5 MarkenG a.F. zuerkannt. Außerdem hat es die Beklagten zur Zahlung der geltend gemachten Abmahnkosten verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt:
14
Die Klägerin könne den Schadensersatzanspruch nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie berechnen. Die Überlassung von Unternehmenskennzeichen zur Benutzung durch Dritte gegen Entgelt sei im Allgemeinen rechtlich möglich und verkehrsüblich. Für die Frage der Verkehrsüblichkeit komme es auf die Verhältnisse in der Branche der Beteiligten nicht an. Auszugehen sei von einem Lizenzsatz von mindestens zwei Prozent des Umsatzes, der im Zusammenhang mit der Kennzeichenverletzung erwirtschaftet worden sei. Der Verkehrswert des verletzten Unternehmenskennzeichens sei nicht unerheblich. Bei der Berechnung des Lizenzsatzes sei auch der Marktverwirrungsschaden zu berücksichtigen. Die von der Beklagten behaupteten geringen Umsatzrenditen in der Transportbranche seien für die Bemessung der fiktiven Lizenzgebühr nicht maßgeblich. Auch ein Abschlag wegen der Benutzung des Zeichens BTK durch andere Unternehmen sei nicht veranlasst, da eine solche Benutzung nicht in nennenswertem Umfang dargetan sei.
15
Entsprechend den während des Berufungsverfahrens erteilten Auskünften der Beklagten sei von lizenzpflichtigen Umsätzen in Höhe von 22.124.106,06 € auszugehen. Die Beklagten handelten widersprüchlich und treuwidrig, wenn sie behaupteten, ihre im Rahmen der Auskunft selbst gemachten Angaben enthielten auch Geschäfte, die keine Verletzungshandlungen darstellten. Die fiktive Lizenz in Höhe von 442.282,12 € sei verzugsunabhängig um einen Zinsanteil seit Beginn der Verletzungshandlungen zu erhöhen. Auch ohne nähere Bezifferung des Zinsanteils werde damit die Klageforderung in Höhe von 448.000 € erreicht.
16
Die Klägerin habe außerdem einen Anspruch auf Befreiung von der Gebührenforderung ihrer Rechtsanwälte in der geltend gemachten Höhe.
17
II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Beklagten ist begründet und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, soweit es einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 448.000 € bejaht hat.
Die Revision hat dagegen keinen Erfolg, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Zahlung von Abmahnkosten in Höhe von 6.612 € nebst Zinsen wendet.
18
1. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stünde der dem Grunde nach bereits rechtskräftig festgestellte Schadensersatzanspruch wegen unberechtigter Benutzung des Unternehmenskennzeichens auch in der geltend gemachten Höhe von 448.000 € gemäß § 15 Abs. 5 MarkenG a.F. nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie zu. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
19
a) Im Streitfall geht es nach den Feststellungen des Berufungsgerichts um Rechtsverletzungen im Zeitraum vom 11. Januar 2002 bis zum 1. März 2006. Dieser Zeitraum liegt sowohl vor dem Inkrafttreten des Durchsetzungsgesetzes am 1. September 2008 als auch vor dem 29. April 2006, dem Datum, bis zu dem die Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums nach ihrem Art. 20 Satz 1 spätestens von den Mitgliedstaaten umzusetzen war. Für den in Rede stehenden Schadensersatzanspruch ist deshalb § 15 Abs. 5 MarkenG a.F. einschlägig.
20
b) Bei der - von der Klägerin gewählten - Schadensberechnung nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie ist maßgeblich, was vernünftige Vertragspartner bei Abschluss eines Lizenzvertrags als Vergütung für die Benutzung des Kennzeichens vereinbart hätten. Hierfür ist der objektive Wert der angemaßten Benutzungsberechtigung zu ermitteln. Dieser besteht in der angemessenen und üblichen Lizenzgebühr (BGH, Urt. v. 29.5.1962 - I ZR 132/60, GRUR 1962, 509, 513 - Dia-Rähmchen II; Urt. v. 6.10.2005 - I ZR 266/02, GRUR 2006, 136 Tz. 23 = WRP 2006, 274 - Pressefotos). Von diesen Grundsätzen ist auch das Berufungsgericht ausgegangen.
21
c) Die Höhe der danach zu zahlenden Lizenzgebühr ist vom Tatrichter gemäß § 287 ZPO unter Würdigung der besonderen Umstände des Streitfalls nach seiner freien Überzeugung zu bemessen. Vom Revisionsgericht ist nur zu prüfen, ob die Schadensschätzung auf grundsätzlich falschen oder offenbar unsachlichen Überlegungen beruht oder ob wesentliche Tatsachen außer acht gelassen worden sind, insbesondere, ob schätzungsbegründende Tatsachen, die von den Parteien vorgebracht worden sind oder sich aus der Natur der Sache ergeben, nicht gewürdigt worden sind (BGH GRUR 2006, 136 Tz. 24 - Pressefotos; BGH, Urt. v. 2.10.2008 - I ZR 6/06, GRUR 2009, 407 Tz. 23 = WRP 2009, 319 - Whistling for a train, m.w.N.). Dieser Nachprüfung hält das Berufungsurteil nicht in allen Punkten stand.
22
aa) Die Revision beanstandet allerdings ohne Erfolg, das Berufungsurteil enthalte keine Feststellungen dazu, ob nach der Lebenserfahrung überhaupt von einem Schadenseintritt bei der Klägerin auszugehen sei. Das Berufungsgericht habe den unter Beweis gestellten Vortrag der Beklagten nicht hinreichend gewürdigt, wonach die Beklagte auf einem anderen Markt als die Klägerin tätig sei. Die Beklagte bediene nahezu ausschließlich den Verkehrsmarkt nach Frankreich, während die Klägerin schwerpunktmäßig auf dem innerdeutschen Verkehrsmarkt tätig sei.
23
Für die Frage des Vermögensnachteils kommt es nicht darauf an, ob die Parteien unmittelbar austauschbare Leistungen anbieten. Der Eintritt eines Schadens ergibt sich schon daraus, dass der Kennzeicheninhaber den Eingriff in sein Kennzeichenrecht als vermögenswertes Recht nicht hinnehmen muss und jedenfalls Schadensersatz in Höhe einer angemessenen Lizenzgebühr beanspruchen kann (vgl. BGHZ 166, 253 Tz. 45 - Markenparfümverkäufe; 173, 269 Tz. 22 - Windsor Estate). Entscheidend ist, dass der Verletzte die Nutzung nicht ohne Gegenleistung gestattet hätte (vgl. BGH, Urt. v. 2.2.1995 - I ZR 16/93, GRUR 1995, 349, 351 = WRP 1995, 393 - Objektive Schadensberechnung ). Der Schadensausgleich besteht in der Zahlung einer angemessenen Vergütung unter Zugrundelegung einer fingierten Lizenzerteilung. Dabei ist eine abstrakte Betrachtungsweise geboten. Die Schadensberechnung nach der Lizenzanalogie trägt gerade dem Umstand Rechnung, dass bei Schutzrechtsverletzungen eine konkrete Vermögenseinbuße meist nicht hinreichend dargelegt werden kann. Der Feststellung eines konkret entstandenen Schadens bedurfte es deshalb nicht. Erforderlich ist nur, dass bei einem Schutzrecht der in Rede stehenden Art ganz allgemein die Erteilung von Lizenzen verkehrsüblich ist. Auf die Verhältnisse in der Branche, in der die Beteiligten tätig sind, kommt es nicht an (BGH, Urt. v. 23.6.2005 - I ZR 263/02, GRUR 2006, 143, 145 = WRP 2006, 117 - Catwalk; a.A. Fritze, Festschrift für Erdmann, 2002, 291, 294 f.). Bei Unternehmenskennzeichen ist - wie das Berufungsgericht zutreffend festgestellt hat - die Erteilung von Lizenzen verkehrsüblich (vgl. BGHZ 60, 206, 211 - Miss Petite). Weitere Feststellungen zum Schadenseintritt sind nicht erforderlich.
24
bb) Die Revision beanstandet auch ohne Erfolg, das Berufungsgericht habe bei seiner Beurteilung rechtsfehlerhaft Lizenzsätze als Vergleichsmaßstab herangezogen, die allenfalls für Markenverletzungen als üblich angesehen werden könnten. Bei der Verletzung von Unternehmenskennzeichen müsse von deutlich niedrigeren Lizenzsätzen ausgegangen werden.
25
(1) Zur Beurteilung der Frage, welcher Lizenzsatz bei der Verletzung eines Kennzeichenrechts angemessen ist, ist auf die verkehrsübliche Lizenzgebühr abzustellen, die für die Erteilung des Rechts zur Benutzung des Kennzeichens zu zahlen wäre (vgl. BGH GRUR 2006, 143, 146 - Catwalk). Bei Kennzeichen spielen als wertbildender Faktor der Bekanntheitsgrad und der Ruf des Zeichens eine maßgebliche Rolle. Außerdem kommt es auf das Maß der Ver- wechslungsgefahr an (BGHZ 44, 372, 381 - Meßmer-Tee II; BGH, Urt. v. 3.7.1974 - I ZR 65/73, GRUR 1975, 85, 87 - Clarissa). Dabei ist es unbedenklich , als Ausgangspunkt der Beurteilung die Bandbreite marktüblicher Lizenzsätze für die in Rede stehende Kennzeichenart heranzuziehen (vgl. BGHZ 119, 20, 26 - Tchibo/Rolex II; Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz, Urheberrecht, Medienrecht, § 14 MarkenG Rdn. 530 f.; Lange, Marken- und Kennzeichenrecht, Rdn. 3216 ff.).
26
(2) Von diesen Grundsätzen ist auch das Berufungsgericht ausgegangen. Es hat festgestellt, der übliche Rahmen für Kennzeichenlizenzen liege bei Umsatzlizenzen zwischen einem Prozent und fünf Prozent, wobei zwischen Marken und Unternehmenskennzeichen kein Unterschied bestehe. Die Revision zeigt schon keinen Vortrag auf, aus dem sich ergibt, dass für die Lizenzierung von Unternehmenskennzeichen üblicherweise von einem niedrigeren Lizenzrahmen auszugehen ist als bei Marken. Selbst wenn dies der Fall wäre, ist die Heranziehung des für Marken üblichen Lizenzrahmens jedenfalls im Streitfall als Ausgangspunkt nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht hat angenommen , dass in der Transportbranche die Kennzeichnung der Dienstleistungen mit Marken nicht unmittelbar und ohne weiteres möglich ist, so dass der Verkehr in höherem Maße auf das Unternehmenskennzeichen achtet. Diese Überlegung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats, wonach der Verkehr bei Dienstleistungen daran gewöhnt ist, dass diese häufiger als Waren mit der Unternehmensbezeichnung gekennzeichnet werden (vgl. BGH, Urt. v. 18.10.2007 - I ZR 162/04, GRUR 2008, 616 Tz. 16 = WRP 2008, 802 - AKZENTA).
27
Das Berufungsgericht hat den festgestellten Lizenzrahmen lediglich als groben Maßstab zugrunde gelegt. Es hat nicht verkannt, dass nach den Umständen des Einzelfalls Abweichungen möglich sind. Bei der Feststellung des Verkehrswerts des verletzten Kennzeichenrechts hat das Berufungsgericht zutreffend berücksichtigt, dass das Unternehmenskennzeichen "BTK" von der Klägerin seit mehreren Jahrzehnten unter Erzielung beträchtlicher Umsätze benutzt wurde. Dem Umstand, dass die Beklagten das Unternehmenskennzeichen nicht durch ein identisches Zeichen verletzt haben, hat das Berufungsgericht zu Recht keine den Lizenzsatz reduzierende Bedeutung beigemessen. Die gegenüber dem Bestandteil "BTK" weiteren Zeichenbestandteile "Spedition GmbH" und "Spedition" sind rein beschreibend und ändern an der hochgradigen Ähnlichkeit der kollidierenden Zeichen nichts.
28
cc) Die Revision beanstandet auch ohne Erfolg, das Berufungsurteil habe die Berechnungsarten der Herausgabe des Verletzergewinns und der Lizenzanalogie unzulässig vermengt, indem es bei der Bemessung der Lizenzgebühr auch einen durch die Kennzeichenverletzung verursachten Marktverwirrungsschaden berücksichtigt habe.
29
Von einem bezifferten Marktverwirrungsschaden, der zusätzlich zur fiktiven Lizenzgebühr beansprucht werden kann (vgl. BGHZ 44, 372, 382 - Meßmer-Tee II; BGH GRUR 1973, 375, 378 - Miss Petite, insoweit nicht in BGHZ 60, 211 abgedruckt), ist das Berufungsgericht nicht ausgegangen. Es hat allerdings angenommen, dass bei der Verletzung eines Unternehmenskennzeichens durch ein nahezu identisches Unternehmenskennzeichen ein Marktverwirrungsschaden naheliegend und deshalb in die Bemessung der Lizenzgebühr einzubeziehen ist. Diese Annahme ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Vernünftige Lizenzvertragsparteien würden in ihren Überlegungen zur angemessenen Lizenzgebühr berücksichtigen, ob durch die Benutzungshandlungen des Lizenznehmers ein Marktverwirrungsschaden eintritt (vgl. Ahrens/ Loewenheim, Der Wettbewerbsprozess, 6. Aufl., Kap. 69 Rdn. 7; Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy aaO § 14 MarkenG Rdn. 542; Fezer, Markenrecht, 4. Aufl., § 14 MarkenG Rdn. 1032; v. Schultz/Schweyer, Markenrecht, 2. Aufl., § 14 Rdn. 270).
30
dd) Entgegen der Ansicht der Revision ist auch keine Minderung eines ansonsten angemessenen Lizenzsatzes geboten, weil das Zeichen "BTK" im Verletzungszeitraum von anderen Unternehmen der Transportbranche benutzt wurde.
31
(1) Grundsätzlich kann angenommen werden, dass Parteien eines Lizenzvertrags bei der Bemessung der Lizenzgebühr berücksichtigen, ob die in Rede stehende Bezeichnung von Drittunternehmen in nennenswertem Umfang benutzt wird. Durch Benutzungshandlungen, zu denen Dritte aufgrund vertraglicher Vereinbarungen mit dem Kennzeicheninhaber befugt sind, oder durch tolerierte Verletzungshandlungen wird der Verkehrswert des Rechts beeinflusst (BGHZ 119, 20, 28 - Tchibo/Rolex II; BGH GRUR 2006, 136 Tz. 26 - Pressefotos

).


32
(2) Davon ist auch das Berufungsgericht ausgegangen. Es hat jedoch angenommen, dass der behauptete Inlandsumsatz der BTK S.A. von 300.000 bis 360.000 € jährlich im Vergleich zu den Umsätzen der Klägerin und der Beklagten zu gering ist, um den Wert des Klagekennzeichens zu verringern, und dass der Umfang der Benutzung des Zeichens durch weitere Drittunternehmen nicht dargelegt ist.
33
Dagegen wendet sich die Revision mit der Begründung, vom Kennzeicheninhaber geduldete Verletzungshandlungen hätten unabhängig von ihrem Umfang Einfluss auf den zu schätzenden Lizenzsatz. Dem kann nicht beigetreten werden. Es entspricht der Rechtsprechung des Senats, dass eine Minderung des Verkehrswerts des Klagekennzeichens allenfalls in Betracht kommt, wenn die Benutzungshandlungen einen Umfang erreicht haben, der geeignet ist, die Kennzeichnungskraft des Zeichens zu schmälern (BGH GRUR 1993, 55, 58 - Tchibo/Rolex II, insoweit nicht in BGHZ 119, 20).
34
Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe dadurch gegen § 139 ZPO verstoßen, dass es die Beklagten auf einen unzureichenden Vortrag zum Umfang der Benutzung der Bezeichnung "BTK" durch Drittunternehmen nicht hingewiesen habe. Die Rüge ist nicht ordnungsgemäß ausgeführt. Die Revision hat nicht dargelegt, was die Beklagten auf einen entsprechenden Hinweis vorgetragen hätten (vgl. BGH, Urt. v. 3.3.1998 - X ZR 14/95, NJW-RR 1998, 1268, 1270).
35
ee) Entgegen der Ansicht der Revision kommt es nicht darauf an, ob die Beklagten bei einer anderen Konzernstruktur zur Führung der Bezeichnung "BTK" berechtigt gewesen wären. Die Beklagten haben hierzu vorgetragen, der Geschäftsbetrieb hätte weiterhin als Niederlassung der BTK S.A. geführt werden können, die aufgrund des Vertrags von März/April 1998 zur Benutzung der Abkürzung "BTK" berechtigt gewesen sei. Wäre der Verlust des Rechts zur Benutzung der Bezeichnung "BTK" bedacht worden, hätten die Beteiligten auf die Übertragung des Geschäfts auf die Beklagte verzichtet. Angesichts dieser Umstände wäre entweder ein Lizenzvertrag gar nicht geschlossen oder nur ein ganz geringer Lizenzsatz vereinbart worden.
36
Mit diesem Einwand können die Beklagten nicht gehört werden. Bei der Lizenzanalogie kommt es nicht auf den konkreten Schaden, sondern auf den objektiven Wert der Benutzungsberechtigung an. Ein Lizenzvertrag der im Verkehr üblichen Art wird fingiert. Nicht maßgeblich ist, ob die Parteien aufgrund ihrer persönlichen Verhältnisse überhaupt einen Lizenzvertrag abgeschlossen hätten (vgl. BGHZ 44, 372, 379 f. - Meßmer-Tee II; 119, 20, 26 - Tchibo/ Rolex II; BGH GRUR 2006, 143, 145 - Catwalk) oder ob der Verletzer bereit gewesen wäre, für seine Nutzungshandlungen eine Vergütung in dieser Höhe zu zahlen (vgl. BGH GRUR 2009, 407 Tz. 22 - Whistling for a train, m.w.N.).
37
ff) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, bei der Schadensberechnung müsse der Umsatz außer Betracht bleiben, der mit Altkunden der Niederlassung zustande gekommen sei. Für diese sei nur die Kontinuität des Erbringers der Dienstleistungen und nicht das Unternehmenskennzeichen "BTK" von Bedeutung gewesen.
38
Es kann nicht angenommen werden, dass vernünftige Lizenzvertragsparteien bei einer nach den Umsätzen zu berechnenden Lizenz eine entsprechende Differenzierung vorgenommen hätten. Die Aufteilung von Umsätzen unter Kausalitätsüberlegungen ist bei der Bemessung des Lizenzentgelts wenig praktikabel und trägt bereits den Grund für Streitigkeiten zwischen den Parteien über die Höhe der Lizenzvergütung in sich. Gegen die von der Revision befürwortete Aufteilung spricht bei der Umsatzlizenz auch der Umstand, dass diese Art der Lizenz eine Vergütung für die Benutzung des Kennzeichens und nicht für deren wirtschaftlichen Erfolg darstellt. Wer ein fremdes Kennzeichenrecht benutzt, zeigt damit, dass er dem Kennzeichen einen Wert beimisst. Entgegen der Ansicht der Revision lässt sich Abweichendes auch nicht der Senatsentscheidung "Tchibo/Rolex II" entnehmen. Dort hat der Senat ausgeführt, es sei zu berücksichtigen, ob für die Kaufentschlüsse allein die Gestaltung als Imitat oder auch andere Umstände eine wesentliche Rolle spielten (vgl. BGHZ 119, 20, 29 - Tchibo/Rolex II). Diese Ausführungen beziehen sich auf die Berechnung des Schadens nach den Grundsätzen der Herausgabe des Verletzergewinns. Der Verletzergewinn ist aber nur insoweit herauszugeben, als er auf der Rechtsverletzung beruht (BGH, Urt. v. 14.5.2009 - I ZR 98/06, GRUR 2009, 856 Tz. 41 = WRP 2009, 1129 - Tripp-Trapp-Stuhl, zur Veröffentl. in BGHZ 181, 98 bestimmt). Diese Erwägungen sind auf die Berechnungsmethode nach der Lizenzanalogie nicht übertragbar.
39
Entgegen der Ansicht der Revision musste das Berufungsgericht bei der Schätzung des angemessenen Lizenzsatzes auch nicht die von der Beklagten im Jahre 2006 durchgeführte Kundenbefragung berücksichtigen, nach der die in Rede stehende Unternehmensbezeichnung für die meisten Geschäftsbeziehungen nicht von Bedeutung gewesen sein soll. Die Kundenbefragung lässt - wenn überhaupt - nur Rückschlüsse auf den tatsächlichen Erfolg der Kennzeichenbenutzung zu. Auf diese kommt es aber nicht an, weil für die Bemessung des Lizenzentgelts die zum Zeitpunkt des Lizenzvertragsschlusses zu prognostizierenden Gewinnaussichten maßgebend sind (vgl. BGH, Urt. v. 14.3.2000 - X ZR 115/98, GRUR 2000, 685, 688 - Formunwirksamer Lizenzvertrag).
40
Ohne Erfolg macht die Revision geltend, das Berufungsgericht habe den Vortrag der Beklagten nicht berücksichtigt, wonach in der Transportbranche nicht die jeweilige Unternehmensbezeichnung, sondern der persönliche Kontakt zum Kunden entscheidend sei. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass dieser Umstand bei freien Lizenzvertragsverhandlungen einen das Lizenzentgelt reduzierenden Einfluss gehabt hätte. Das Unternehmenskennzeichen verkörpert den guten Ruf des Unternehmens auch in Fällen, in denen der Kundenstamm auf persönlichen Kontakten beruht.
41
gg) Im Ergebnis ohne Erfolg wendet sich die Revision dagegen, dass das Berufungsgericht seiner Beurteilung den von der Klägerin behaupteten Gesamtumsatz aus schadensersatzpflichtigen Handlungen von 22.124.106,06 € zugrunde gelegt hat.
42
(1) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagten hätten sich mit dem Bestreiten der Umsätze widersprüchlich und treuwidrig verhalten. Die Beklagten hätten der Klägerin zur Erfüllung ihrer Rechnungslegungspflicht am 16. April 1997 eine CD-ROM mit zwei Excel-Dateien übersandt. Die eine Datei habe Geschäfte mit deutschen Kunden in einer Umsatzhöhe von 7.629.861,53 € zum Gegenstand gehabt. In der zweiten Datei seien Geschäfte mit ausländischen Kunden und einem Umsatzvolumen von 14.494.244,53 € angeführt, bei denen der Absende- oder Empfangsort in Deutschland gelegen habe. Die Beklagten hätten zwar geltend gemacht, die Auslandsumsätze beträfen keine zum Schadensersatz verpflichtenden Handlungen. Die Beklagten könnten aber im Betragsverfahren nicht den Standpunkt einnehmen, die von ihnen selbst erteilten Auskünfte enthielten auch Angaben zu Geschäften, die keine Verletzungshandlungen seien.
43
(2) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts liegt ein widersprüchliches Verhalten der Beklagten nicht vor. Diese behaupten nicht, ihre Auskunft sei falsch gewesen. Sie haben vielmehr bereits bei der Auskunftserteilung angegeben , dass sich die Umsätze der zweiten Datei auf Geschäfte mit ausländischen Auftraggebern beziehen, bei denen lediglich der Absende- oder Empfangsort im Inland liegt. Die Beklagten konnten zum Zeitpunkt der Auskunftserteilung nicht zweifelsfrei beurteilen, ob diese Geschäfte Handlungen darstellten, die das Kennzeichenrecht der Klägerin verletzten. Es stellt kein widersprüchliches Verhalten dar, wenn die Beklagten auch diese Umsätze im Rahmen der Erfüllung des Auskunftsverlangens angegeben haben, um in jedem Fall eine vollständige Auskunft zu erteilen, im Schadensersatzprozess jedoch den Standpunkt einnehmen, die Umsätze seien mangels Inlandsbezug für die Lizenzbemessung nicht maßgeblich.
44
(3) Die Berücksichtigung der mit Auslandskunden getätigten Umsätze erweist sich jedoch im Ergebnis als zutreffend. Nach dem Territorialitätsprinzip, das auf Unternehmenskennzeichen anwendbar ist, beschränkt sich der Schutzbereich eines inländischen Kennzeichens auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (BGH, Urt. v. 13.10.2004 - I ZR 163/02, GRUR 2005, 431, 432 = WRP 2005, 493 - HOTEL MARITIME). Die Benutzung des Unternehmenskennzeichens ohne jeden Inlandsbezug stellt deshalb keine Verletzung eines inländischen Kennzeichenrechts dar. Mangels gegenteiliger Feststellungen ist aber davon auszugehen, dass die in Deutschland ansässige Beklagte ihren ausländischen Kunden ihre Leistungen von Deutschland aus angeboten und in Rechnung gestellt hat. Gegenteiliges hätten die Beklagten darlegen müssen. Entsprechenden Vortrag zeigt die Revision nicht auf. Damit besteht ein ausreichender Inlandsbezug. Das Angebot der Dienstleistungen der Beklagten aus dem Inland stellt einen selbständigen zeichenrechtlichen Verletzungstatbestand dar. Dies ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung der markenrechtlichen Bestimmung des § 14 Abs. 3 Nr. 3 Fall 1 MarkenG auf Unternehmenskennzeichen. Die Voraussetzungen dieser Bestimmung sind auch erfüllt, wenn eine Ware oder Dienstleistung bestimmungsgemäß lediglich im Ausland in Verkehr gebracht oder erbracht werden soll (vgl. BGH, Urt. v. 19.1.1989 - I ZR 217/86, GRUR 1990, 361, 363 - Kronenthaler; Fezer aaO § 14 MarkenG Rdn. 857). Erst recht besteht ein hinreichender Inlandsbezug, wenn im Inland angebotene Dienstleistungen - wie hier - zumindest teilweise im Inland erbracht werden sollen. Für den Tatbestand des Anbietens kommt es nicht darauf an, ob das Klagekennzeichen auch bei der Leistungserbringung i.S. des § 14 Abs. 3 Nr. 3 Fall 2 MarkenG benutzt worden ist. Ebenso ist die Benutzung des Zeichens in Geschäftspapieren einschließlich Rechnungen ein selbständiger zeichenrechtlicher Verletzungstatbestand (hierzu § 14 Abs. 3 Nr. 5 MarkenG).
45
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts bedarf es keiner Feststellungen , ob der Inlandsbezug eine bestimmte wirtschaftliche Relevanz aufweist. Eine entsprechende Beschränkung ist nur in besonderen Fallkonstellationen erforderlich, in denen einer uferlosen Ausdehnung des nationalen Kennzeichenrechts entgegengewirkt werden muss, wie dies etwa bei Kennzeichenverletzungen im Internet in Betracht kommt (vgl. BGH GRUR 2005, 431, 432 - HOTEL MARITIME). Eine vergleichbare Interessenlage ist hier nicht gegeben, weil die Leistungen vom Inland aus angeboten und bestimmungsgemäß zumindest teilweise auch im Inland erbracht wurden.
46
hh) Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg gegen die Annahme eines fiktiven Lizenzsatzes von 2%. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft dem Vortrag der Beklagten keine Bedeutung beigemessen, nach dem die Rendite im gesamten Transport- und Speditionsgewerbe bei maximal 1% des Umsatzes liegt.
47
(1) Das Berufungsgericht hat angenommen, geringe Umsatzrenditen erlaubten nicht den Schluss, dass beim Abschluss eines entsprechenden Lizenzvertrages vernünftige Vertragspartner auch geringere Lizenzsätze vereinbart hätten. Eine ansonsten angemessene Lizenz werde nicht dadurch unangemessen , dass bei deren Vereinbarung kein Gewinn mehr erwirtschaftet werde. Bei der Ermittlung des Lizenzsatzes sei deshalb die niedrige im Transportgewerbe zu erzielende Umsatzrendite nicht zu berücksichtigen.
48
(2) Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
49
Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen zu der im Transportgewerbe üblicherweise zu erzielenden Umsatzrendite getroffen. Zugunsten der Beklagten ist im Revisionsverfahren daher davon auszugehen, dass - wie von den Beklagten vorgetragen - die übliche Umsatzrendite im Transportgewerbe lediglich 1% beträgt. Dieser Umstand kann bei der Bestimmung des angemessenen Lizenzentgelts nicht außer Betracht bleiben. Während es für die Frage der Verkehrsüblichkeit einer Lizenzierung nur auf eine abstrakte Betrachtungsweise ankommt und nicht danach zu fragen ist, ob Zeichenlizenzierungen in der jeweiligen Branchen üblich sind, sind bei der Bestimmung der Höhe des Lizenzsatzes alle Umstände zu berücksichtigen, die auch bei freien Lizenzverhandlungen Einfluss auf die Höhe der Vergütung gehabt hätten (vgl. BGH GRUR 2006, 143, 146 - Catwalk). Hierzu gehören auch die in der Branche üblichen Umsatzerlöse. Ein vernünftiger Lizenznehmer wird regelmäßig kein Lizenzentgelt vereinbaren, das doppelt so hoch ist, wie der zu erwartende Gewinn. Zwar wird sich dem Lizenznehmer aufgrund der Benutzung eines wertvollen Unternehmenskennzeichens häufig die Chance eröffnen, mit höheren Preisen kalkulieren zu können. Je geringer jedoch die branchenübliche Umsatzrendite und je umkämpfter damit der Markt ist, desto weniger wird es dem Lizenznehmer möglich sein, höhere Preise am Markt durchzusetzen. Die branchenübliche Umsatzrendite hat deshalb Einfluss auf den objektiven Wert der Nutzungsberechtigung. Die wirtschaftliche Bedeutung des geschützten Lizenzrechts wirkt sich auch in den Gewinnaussichten aus, die sich unter Verwendung des Schutzrechts erzielen lassen (vgl. BGH GRUR 2000, 685, 688 - Formunwirksamer Lizenzvertrag). Das Berufungsgericht hätte deshalb die behauptete geringe Umsatzrendite bei der Schätzung der angemessenen Lizenzgebühr berücksichtigen müssen.
50
Die Berücksichtigung der Umsatzrendite verstößt nicht gegen das Verbot der Verquickung der verschiedenen Berechnungsmethoden bei der Bemessung des Schadensersatzes. Zwar ist bei der Schadensberechnung nach der Lizenzanalogie nicht zu berücksichtigen, ob und gegebenenfalls welchen Gewinn der Verletzer bei der rechtswidrigen Benutzung gemacht hat, weil der Verletzer nicht schlechter, aber auch nicht besser stehen soll als ein Lizenznehmer, bei dem im Falle der Vereinbarung einer Umsatzlizenz der später tatsächlich erzielte Gewinn keine Rolle spielt (vgl. BGHZ 119, 20, 27 - Tchibo/Rolex II). Zu berücksichtigen ist jedoch, welchen Gewinn vernünftige Vertragsparteien bei Abschluss des Lizenzvertrages prognostiziert hätten, sofern es - wie im Streitfall nach Behauptung der Beklagten - dafür Anhaltspunkte gibt.
51
2. Die Revision ist unbegründet, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Zahlung von Abmahnkosten in Höhe von 6.612 € nebst Zinsen richtet. Zum Schadensersatz gehört auch die Erstattung von Rechtsverfolgungskosten, die der Klägerin bei der Geltendmachung ihres Schadensersatzanspruchs entstanden sind. Die Klägerin macht für die Einschaltung ihres Rechtsanwalts eine 2,0-fache Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 RVG-VV aus einem Streitwert von 560.000 € geltend. Die Beurteilung der Angemessenheit von Abmahnkosten liegt im Ermessen des Tatrichters (BGH, Urt. v. 16.3.2000 - I ZR 229/97, GRUR 2002, 187, 190 = WRP 2000, 1131 - Lieferstörung). Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der von der Klägerin zugrunde gelegte Geschäftswert von 560.000 € sei zum Zeitpunkt der Entstehung des Gebührenanspruchs aufgrund der damaligen Umsatzangaben der Beklagten angemessen gewesen. Diese Ausführungen, gegen die die Revision keine Rügen erhebt, lassen keinen Rechtsfehler erkennen. Eine höhere als die 1,3-fache Gebühr kann allerdings nach Nr. 2300 RVG-VV nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Das Berufungsgericht hat hierzu ausgeführt, die zweifache Gebühr rechtfertige sich aus Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem Verletzungszeitraum , der Vielzahl von Verletzungshandlungen und dem Fehlen gefestigter Lizenzsätze. Diese Ausführungen sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
52
3. Das Berufungsurteil kann deshalb hinsichtlich der Verurteilung zu I 1 keinen Bestand haben. Es ist auf die Revision der Beklagten aufzuheben. Da noch weitere Feststellungen zur Höhe der angemessenen Lizenzvergütung zu treffen sind, ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
53
III. Für das weitere Verfahren wird auf Folgendes hingewiesen:
54
1. Aufgrund des Tätigkeitszuschnitts der Beklagten kommt in Betracht, dass ein erheblicher Teil ihrer Dienstleistungen nur einen geringen Inlandsbezug aufweist. Das Angebot dieser Leistungen betrifft den territorialen Geltungsbereich des Unternehmenskennzeichens der Klägerin nur insoweit, als der Absende - oder Empfangsort in Deutschland liegt oder das Angebot oder die Rechnungsstellung vom Inland aus erfolgt sind. Bei freien Lizenzverhandlungen hätten vernünftige Lizenzvertragsparteien diesem Umstand bei der Bemessung der Lizenzvergütung Rechnung getragen. Die Verletzung des Schutzbereichs des Kennzeichenrechts wiegt weniger schwer, wenn der territoriale Geltungsbereich durch die Dienstleistungen nur zum Teil betroffen ist.
55
2. Unterschreitet der unter Berücksichtigung der noch zu treffenden Feststellungen zu schätzende Schaden nach der Lizenzanalogie den eingeklagten Betrag, ist er um einen verzugsunabhängigen Zinsschaden zu erhöhen, wenn bei freien Lizenzverhandlungen üblicherweise eine Fälligkeitsabrede getroffen worden wäre. Der Verletzer zahlt nicht - wie regelmäßig ein vertraglicher Lizenznehmer - in kurzen zeitlichen Abständen, sondern erheblich später. Da der Verletzer nicht besser stehen darf als ein vertraglicher Lizenznehmer, muss in einem solchen Fall die Zinspflicht auch für den Verletzer gelten (vgl. BGHZ 82, 299, 309 - Kunststoffhohlprofil II; 82, 310, 322 - Fersenabstützvorrichtung; OLG Düsseldorf GRUR-RR 2003, 209, 211; Kochendörfer, ZUM 2009, 389, 393).
Bornkamm Büscher Schaffert
Bergmann Kirchhoff
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 09.11.2006 - 17 HKO 9587/06 -
OLG München, Entscheidung vom 02.08.2007 - 29 U 5626/06 -

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 84/06 Verkündet am:
22. April 2008
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 22. April 2008 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter
Scharen, die Richterin Mühlens und die Richter Prof. Dr. Meier-Beck und
Gröning

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 31. Januar 2006 verkündete Urteil des 1. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst: Das europäische Patent 0 931 003 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt, soweit es über folgende Fassung der Patentansprüche hinausgeht: 1. A blank for an article carrier, comprising a pair of side panels (14, 18) and a pair of end panels (12, 16) interconnected at their side edges along respective fold lines (20, 22, 24), each of said end panels (12, 16) having a second upper edge, a pair of handle panels (58, 86, 72, 92) each comprising an inner handle panel (86, 92) and an outer handle panel (58, 72), each inner handle panel being connected to a respective outer handle panel along a fold line (88, 94) and provided with a glue flap (130, 110, 134, 126), each outer handle panel (58, 72) being disposed adjacent a portion of a respective side panel (14, 18) along said first upper edge thereof and adjacent a portion of a respective end panel (12, 16) along said second upper edge thereof, each outer handle panel (58, 72) being separated from said respective side panel by a first cut line (60, 74) extending along said first upper edge, and being partially separated from said respective end panel by a second cut line (62, 76) extending along a portion of said second upper edge, wherein said second cut line (62, 76) terminates at a point spaced from a side edge of the outer handle panel and defining a connection portion (66, 78) therebetween.
2. The blank as defined in claim 1, wherein said connecting portion has a width of approximately 1.0 to 5.0 millimeters.
3. The blank as defined in claim 1 or claim 2, wherein said side edge of each outer handle panel and said second upper edge of each end panel intersect substantially adjacent but spaced from the termination of said second cut line (62, 76).
4. The blank as defined in claim 3, wherein said side edge of each outer handle panel (58, 72) and said second upper edge of each end panel (12, 16) intersect substantially along a radius curvature (64, 80).
5. An article comprising a pair of side panels (14, 18) and a pair of end panels (12, 16) interconnected at their side edges along respective fold lines (20, 22, 24), each of said side panels (14, 18) having a first upper edge and each of said end panels (12, 16) having a second upper edge, a pair of handle panels (58, 86, 72, 92) each comprising an inner handle panel (86, 92) and an outer handle panel (58, 72), each inner handle panel being connected to a respective outer handle panel along a fold line (88, 94) and provided with a glue flap (130, 110, 134, 126), each outer handle panel (58, 72) being separated from a respective side panel by a first cut line (60, 74) extending along said first upper edge and spaced therefrom, and being partially separated from a respective end panel by a second cut line (62, 76) extending along a portion of said second upper edge, wherein said second cut line (62, 76) terminates at a point spaced from a side edge of the outer handle panel and defining a connection portion (66, 78) therebetween.
6. An article carrier as defined in claim 5 wherein said connecting portion has a width of approximately 1.0 to 5.0 millimeters.
7. An article carrier as defined in claim 5 or 6, wherein said side edge of each outer handle panel (58, 72) and said second upper edge of each end panel (12, 16) intersect substantially adjacent but spaced from the termination of said second cut line (62, 76).
8. An article carrier as defined in claim 7, wherein said side edge of each outer handle panel (58, 72) and said second upper edge of each end panel (12, 16) intersect substantially along a radius of curvature.
Im Übrigen wird die Nichtigkeitsklage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 30/100 und die Beklagte 70/100 zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des unter anderem für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 931 003, das einen Gegenstandsträger und Zuschnitt dafür betrifft und auf einer Anmeldung vom 9. Oktober 1997 beruht, mit der die Priorität einer USamerikanischen Patentanmeldung vom 11. Oktober 1996 in Anspruch genommen worden ist.
2
Die Patentansprüche 1 und 5 des in englischer Sprache veröffentlichten Streitpatents lauten: 1. A blank for an article carrier, comprising a side panel (14) having a first upper edge and a side edge; an end panel (12) having a second upper edge and a side edge, said end panel and said side panel being interconnected at said side edges along a fold line (20); a handle panel (58) disposed adjacent a portion of said side panel along said first upper edge thereof and adjacent a portion of said end panel along said second upper edge thereof; said handle panel being separated from said side panel by a first cut line (60) extending along said first upper edge, and being partially separated from said end panel by a second cut line (62) extending along a portion of said second upper edge, characterised in that said second cut line (62) terminates at a point spaced from a side edge (64) of said handle panel and defining a connecting portion (66) therebetween.
5. An article carrier comprising a side panel (14) having a first upper edge and a side edge; an end panel (12) having a second upper edge and a side edge, said end panel and said side panel being interconnected at said side edges along a fold line (20); a handle panel (58) being separated from said side panel by a first cut line (60) extending along said first upper edge and spaced therefrom, and being partially separated from said end panel by a second cut line (62) extending along a portion of said second upper edge, characterized in that said second cut line (62) terminates at a point spaced from a side edge (64) of said handle panel and defining a connecting portion (66) therebetween.
3
Wegen der unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 1 zurückbezogenen Patentansprüche 2 bis 4 und der unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 5 zurückbezogenen Patentansprüche 6 bis 8 wird auf die Streitpatentschrift bzw. das angefochtene Urteil verwiesen.
4
Die Klägerin hat Nichtigkeitsklage erhoben, weil sie die erteilten Patentansprüche für nicht patentfähig hält. Die Ansprüche 1 und 5 seien im Stand der Technik neuheitsschädlich vorweggenommen.
5
Die Beklagte hat das Streitpatent in der erteilten Fassung und hilfsweise in geänderter Fassung verteidigt.
6
Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt. Dessen Lehre beruhe jedenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit, weil sie sich ausgehend von der Offenbarung in dem US-Patent 2 543 821 (Arneson II), das den nächstliegenden Stand der Technik wiedergebe, für den Fachmann - einen DiplomIngenieur (FH) für Papierverarbeitung mit mehrjähriger beruflicher Erfahrung im Entwurf und in der Herstellung von Faltschachtelkartons - in naheliegender Weise ergeben habe.
7
Die Beklagte hat Berufung eingelegt und das Streitpatent nur noch mit geänderten Patentansprüchen verteidigt. Sie beantragt, unter entsprechender Abänderung des angefochtenen Urteils die Nichtigkeitsklage mit der Maßgabe abzuweisen, dass die Patentansprüche wie folgt lauten: 1. A blank for an article carrier, comprising a pair of side panels (14, 18) and a pair of end panels (12, 16) interconnected at their side edges along respective fold lines (20, 22, 24), each of said end panels (12, 16) having a second upper edge, a pair of handle panels (58, 86, 72, 92) each comprising an inner handle panel (86, 92) and an outer handle panel (58, 72), each inner handle panel being connected to a respective outer handle panel along a fold line (88, 94) and provided with a glue flap (130, 110, 134, 126), each outer handle panel (58, 72) being disposed adjacent a portion of a respective side panel (14, 18) along said first upper edge thereof and adjacent a portion of a respective end panel (12, 16) along said second upper edge thereof, each outer handle panel (58, 72) being separated from said respective side panel by a first cut line (60, 74) extending along said first upper edge, and being partially separated from said respective end panel by a second cut line (62, 76) extending along a portion of said second upper edge, wherein said second cut line (62, 76) terminates at a point spaced from a side edge of the outer handle panel and defining a connection portion (66, 78) therebetween.
2. The blank as defined in claim 1, wherein said connecting portion has a width of approximately 1.0 to 5.0 millimeters.
3. The blank as defined in claim 1 or claim 2, wherein said side edge of each outer handle panel and said second upper edge of each end panel intersect substantially adjacent but spaced from the termination of said second cut line (62, 76).
4. The blank as defined in claim 3, wherein said side edge of each outer handle panel (58, 72) and said second upper edge of each end panel (12, 16) intersect substantially along a radius curvature (64, 80).
5. An article comprising a pair of side panels (14, 18) and a pair of end panels (12, 16) interconnected at their side edges along respective fold lines (20, 22, 24), each of said side panels (14, 18) having a first upper edge and each of said end panels (12, 16) having a second upper edge, a pair of handle panels (58, 86, 72, 92) each comprising an inner handle panel (86, 92) and an outer handle panel (58, 72), each inner handle panel being
connected to a respective outer handle panel along a fold line (88, 94) and provided with a glue flap (130, 110, 134, 126), each outer handle panel (58, 72) being separated from a respective side panel by a first cut line (60, 74) extending along said first upper edge and spaced therefrom, and being partially separated from a respective end panel by a second cut line (62, 76) extending along a portion of said second upper edge, wherein said second cut line (62, 76) terminates at a point spaced from a side edge of the outer handle panel and defining a connection portion (66, 78) therebetween.
6. An article carrier as defined in claim 5 wherein said connecting portion has a width of approximately 1.0 to 5.0 millimeters.
7. An article carrier as defined in claim 5 or 6, wherein said side edge of each outer handle panel (58, 72) and said second upper edge of each end panel (12, 16) intersect substantially adjacent but spaced from the termination of said second cut line (62, 76).
8. An article carrier as defined in claim 7, wherein said side edge of each outer handle panel (58, 72) and said second upper edge of each end panel (12, 16) intersect substantially along a radius of curvature.
8
Die Klägerin tritt diesem Begehren entgegen.

Entscheidungsgründe:


9
Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg, weil bezüglich der zuletzt noch verteidigten Patentansprüche 1 und 5 und damit auch bezüglich der hierauf zurückbezogenen Unteransprüche keiner der geltend gemachten Nichtigkeitsgründe besteht.
10
1. Das Streitpatent betrifft sogenannte Gegenstandsträger. Das sind bevorzugt aus Pappe hergestellte korbartige Gebilde, die einen Handgriff aufweisen und in denen beispielsweise mehrere Behälter, z.B. Flaschen, transportiert werden können. Sie werden aus flächigem Material (vorzugsweise Pappe) geschnitten und erhalten durch Falten und bereichsweises Verbinden (vorzugsweise durch Verkleben) durch Schnitte getrennter Teile ihre dreidimensionale Form.
11
Die Streitpatentschrift bezeichnet es als vorteilhaft, wenn die im aufgefalteten Zustand aufrecht stehenden Außenwände nicht durch Nähte, Faltlinien oder dergleichen unterbrochen sind, weil diese Flächen üblicherweise mit Werbung bedruckt werden. Deshalb waren Zuschnitte bekannt, bei denen diejenigen späteren Außenwände, zwischen denen die Griffwand verläuft und die das Streitpatent als Endwände bezeichnet, sowie die späteren Seitenwände zusammenhängend nebeneinander liegen, so dass beim Auffalten sich allenfalls auf einer Endwand eine Naht ergibt. Die Streitpatentschrift benennt als Beispiel für diesen Typ von Gegenstandsträger bzw. Zuschnitt hierfür denjenigen der US-PS 2 733 832 (Newton).
12
An diesem Vorbild wird jedoch bemängelt, dass beide Endwände unsymmetrisch sind. Dies könne als ästhetisch störend angesehen werden. Ein weiterer Nachteil liege außerdem darin, dass Trennwände nur geringerer Höhe möglich seien.
13
Die Streitpatentschrift folgert hieraus einen Bedarf, einen Gegenstandsträger mit symmetrischen Endwänden und der Möglichkeit von Trennwänden zu schaffen, die sich relativ tief in den Gegenstandsträger hinein erstrecken.
14
2. Patentanspruch 1 in der vor dem Senat zuletzt verteidigten Fassung betrifft den Zuschnitt für einen Gegenstandsträger. Er soll folgende Merkmale aufweisen: 1. Ein Paar Seitenwandflächen. 2. Ein Paar Endwandflächen. 3. Alle diese Flächen
a) haben jeweils eine Oberkante,
b) sind an ihren Seitenkanten entlang entsprechender Faltlinien miteinander verbunden. 4. Ein Paar Griffwandflächen
a) jeweils bestehend aus einer inneren und einer äußeren Griffwandfläche,
b) die entlang einer Faltlinie miteinander verbunden sind. 5. Jede äußere Griffwandfläche
a) hat (mindestens) eine Seitenkante,
b) grenzt jeweils an einen Abschnitt einer Seitenwand- und einer Endwandfläche entlang deren Oberkante an,
c) ist jeweils durch entlang der Oberkante verlaufende Stanzlinien hiervon getrennt.
6. Jede Stanzlinie zwischen äußerer Griffwandfläche und Endwandfläche endet im Abstand zu einer Seitenkante der äußeren Griffwandfläche, so dass zwischen äußerer Griffwandfläche und Endwandfläche jeweils ein Verbindungsabschnitt verbleibt und diese beiden Wandflächen durch die Stanzlinie (nur) teilweise getrennt sind. 7. Jede innere Griffwandfläche ist mit einer Klebelasche versehen.
15
Die obige Formulierung des Merkmals 3 ist Folge der Auslegung des verteidigten Patentanspruchs durch den Senat. Nach der Erläuterung durch die Beschreibung und die Zeichnungen wird durch die Angabe "interconnected at their side edges along respective fold lines" und den im verteidigten Patentanspruch ferner enthaltenen Hinweis, dass jede der zunächst genannten Wandflächen eine Oberkante hat, ausgedrückt, dass das Streitpatent einen Zuschnitt lehrt, bei dem die beiden Endwandflächen und die beiden Seitenwandflächen nicht im Abstand voneinander angeordnet sind, sondern nur durch Faltlinien voneinander abgegrenzt nebeneinander liegen. Dies macht es - wie es im Hinblick auf etwaige Werbeaufdrucke erwünscht ist - möglich, alle späteren Außenwände ungeteilt zu erhalten, nämlich indem - wie in den Figuren der Streitpatents gezeigt - an einer Seitenkante eine Klebelasche (28) vorgesehen wird, so dass die notwendige Verbindungsstelle im Bereich der späteren Außenwände sich (nur) über diese Seitenkante erstreckt. Symmetrische Endwände sind patentgemäß hingegen möglich, weil der Zuschnitt die Herstellung (Faltung) einer mehrlagigen Griffwand erlaubt und deren dauerhafte Verbindung zu den beiden Endwänden über (mindestens) eine Klebelasche an den inneren Griffwandflächen erfolgen kann, wenn diese - wie ebenfalls in den Figuren des Streitpatents gezeigt - über die Kontur der äußeren Griffwandflächen hinausragt (Verlängerung des Zuschnitts nach oben). Die Wandflächen, welche die spätere Griffwand bilden, können deshalb durch Stanzlinien von den übrigen Wandflächen getrennt sein (Merkmal 5c). Damit die Klebelasche ortsgenau an den übrigen Wänden befestigt werden kann, ist es allerdings vorteilhaft, eine vollständige Loslösung zunächst zu verhindern. Das wird durch Merkmal 6 sichergestellt. Da die innere Griffwandfläche bis zur Höhe der späteren Seitenwand über die äußere Griffwandfläche hinausragen kann, ist es schließlich auch möglich, aus einer entsprechend verlängerten Fläche Trennwände zu schaffen, die sich weit in den Gegenstandsträger hinein erstrecken.
16
3. Die geänderte Fassung des Patentanspruchs 1, mit der das Streitpatent nunmehr verteidigt wird, erweitert weder die dem erteilten Patent zu Grunde liegende Anmeldung noch dessen Schutzbereich. Die zuletzt beanspruchte Gestaltung war durch die Beschreibung und die Zeichnungen der ursprünglichen Anmeldung vom 9. Oktober 1997 bereits offenbart und gegenüber dem erteilten Patentanspruch 1 bedeutet sie nur eine Einschränkung. Denn die Änderung beschränkt sich auf zusätzliche Angaben, welche die Ausführungsform beschreiben , die in den Figuren sowohl der ursprünglichen Anmeldung als auch des erteilten Patents als zur Erfindung gehörend dargestellt und in der Beschreibung erläutert ist.
17
4. Patentanspruch 1 in der zuletzt verteidigten Fassung ist neu. Von den Zuschnitten nach der US-PS 4 032 007 (Graser), der US-PS 2 754 028 (Bergstein ), der US-PS 3 130 861 (Arneson I) und der US-PS 2 354 369 (Gilbert) unterscheidet er sich jedenfalls dadurch, dass bei diesen vorbekannten Zuschnitten Merkmal 3 b nicht verwirklicht ist. Von den dieses Merkmal bereits aufweisenden Zuschnitten nach der US-PS 3 158 286 (Phillips), US-PS 2 543 821 (Arneson II) und US-PS 2 733 832 (Newton) unterscheidet sich Patentanspruch 1 in der zuletzt verteidigten Fassung jedenfalls durch die Anweisung, für die spätere Griffwand vier Wandflächen vorzusehen (Merkmal 4).

18
5. Die deshalb für die Nichtigerklärung des Streitpatents (auch) im Umfang des zuletzt verteidigten Patentanspruchs 1 erforderliche Wertung, dass dessen Lehre zum technischen Handeln sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergeben hat, kann der Senat nicht treffen.
19
a) Wie die Erörterung mit den Parteien in der mündlichen Verhandlung ergeben und auch bereits das Bundespatentgericht angenommen hat, ist bei der Beantwortung der Frage, ob es an einer auf erfinderischer Tätigkeit beruhenden Leistung fehlt, die Sicht eines an einer Fachhochschule ausgebildeten Mitarbeiters in einem Pappkartons oder dergleichen herstellenden Unternehmen zu berücksichtigen, der sich langjährig mit Zuschnitten für verschiedene Behältnisse beschäftigt hat und die hierbei bestehenden Notwendigkeiten und Möglichkeiten gut kennt.
20
b) Wenn ein solcher Fachmann die Aufgabe erhält oder sich stellt, der Optik wegen einen Zuschnitt für einen Gegenstandsträger mit symmetrischen Außenwänden zu schaffen, die sich zudem problemlos bedrucken lassen, wird ihm vor allem der Zuschnitt nach der US-PS 2 543 821 (Arneson II) als Vorbild erscheinen, von dem aus eine entsprechende Weiterentwicklung möglich sein könnte. Denn dieser Zuschnitt weist nicht nur jeweils zwei durch Faltlinien verbundene und damit ansonsten ununterbrochen durchgehende End- und Seitenwandflächen (Merkmale 1, 2) mit Oberkanten (Merkmal 3) auf, so dass dort Werbeaufdrucke nicht durch Nähte oder dergleichen erschwert sind; vorhanden ist auch je eine jeweils an eine Seitenwandfläche und eine Endwandfläche angrenzende mit einer Seitenkante versehene Wandfläche (Bezugszeichen 33 und 37 nebst Befestigungslaschen 35 und 39), die als Griffwand dienen und die im Sprachgebrauch des Streitpatents als äußere Griffwandfläche bezeichnet werden kann (Merkmal 4 teilweise, Merkmal 5 a und b). Diese Flächen sind zudem von den Seitenwandflächen ganz und von den Endwandflächen teilweise durch entlang deren Oberkanten verlaufende Stanzlinien getrennt (Merkmal 5 c).
21
Um zu dem Zuschnitt zu gelangen, der dem Streitpatent nach Patentanspruch 1 in der zuletzt verteidigten Fassung zu Grunde liegt und in den Zeichnungen dargestellt ist, muss an der Gestaltung des Zuschnitts nach der USPS 2 543 821 (Arneson II) aber jeweils der obere Teil der rechten Endwandhälfte entfallen. Denn anders können insbesondere nach Maßgabe der Schnittführung , die jeweils die linke Hälfte einer Endwandfläche von der (äußeren) Griffwandfläche trennt, nicht jeweils symmetrische Endwände entstehen. Diese oberen Bereiche der Endwandflächen sind bei dem Vorbild jedoch unverzichtbar, weil sie die Faltlinie (Bezugszeichen 34, 38) und damit die benötigte Verbindung der Endwände zu den sich als (äußere) Griffwand eignenden Flächen jeweils auf einer Seite derselben herstellen. Deshalb mag es zwar sein, dass, wie das Bundespatentgericht angenommen hat, die zum Entfall dieser Bereiche führende Schnittführung als solche den Fachmann nicht vor Probleme stellte, die er nicht bereits mit seinem Fachkönnen meistern kann. Es verbleiben aber Zweifel, ob ein derartiger Eingriff in im wahrsten Sinne des Wortes tragende Elemente der bekannten Gestaltung nahegelegt war. Denn auch die beiden anderen Entgegenhaltungen , die ebenfalls auf nebeneinander liegende End- und Seitenwandflächen setzen (US-PS 2 733 832, US-PS 3 158 286), verzichten nicht auf diese Bereiche und die Verbindung zur Griffwandfläche mittels der dadurch möglichen Faltlinie. Darüber wie die benötigte Verbindung zwischen Endwänden und der Griffwand stattdessen zu bewerkstelligen sein könnte, ist mithin dem einschlägigen Stand der Technik eine Anregung nicht zu entnehmen. Auch die Zuschnitte der weiteren Entgegenhaltungen sind insoweit unergiebig, weil sie je eine End- und Seitenwandfläche durch andere Wandflächen getrennt voneinan- der anordnen und sie damit einem anderen Grundprinzip mit anderer Faltung folgen. Es kommt hinzu, dass auch im Weiteren nur durch mehrere Gedankenschritte zu der zuletzt verteidigten Lehre des Streitpatents zu gelangen ist. Als erstes ist die Erkenntnis notwendig, dass die benötigte Verbindung an oder über andere Wandflächen als die der späteren Endwände zu erfolgen hat. Sodann muss erkannt werden, dass es die sich als Griffwand eignenden Flächen sind, an denen andere Wandflächen vorzusehen sind, welche die Verbindung zu den Endwänden herstellen können. Ferner muss überlegt werden, wo diese vorgesehen werden können, und insoweit eine bestimmte Entscheidung getroffen werden. Diese muss weiter dahin lauten, dass die sich als Griffwand eignenden Flächen nach oben hin verlängert werden müssen, was einen erhöhten Materialbedarf mit sich bringen kann, der aus ohne weiteres einleuchtenden wirtschaftlichen Gründen nach Möglichkeit vermieden werden sollte. Sodann muss erkannt werden, dass die Verlängerung nach oben so weit reichen muss, dass über eine oder mehrere Klebelaschen im Bereich des oberen Endes die Verbindung zu den Endwänden hergestellt werden kann, wenn die Verlängerung über eine Faltlinie nach innen (innere Griffwandfläche) gefaltet ist. Schließlich muss noch das hinzutreten, was durch Merkmal 6 beansprucht ist und möglicherweise bei dem erteilten Patentanspruch 1 im Vordergrund stand, nämlich dass für eine Übergangszeit ein Verbindungsabschnitt verbleibt, damit ein ortsgenaues Verkleben über die Klebeflächen erfolgen kann. Den einzelnen Gedankenschritten mag jeweils für sich und in der jeweiligen Abfolge des vorhergehenden zu dem nächsten Gedankenschritt eine Konsequenz eigen sein, die zu erkennen der Fachmann angesichts seiner Qualifikation eigentlich befähigt sein sollte; angesichts der Vielzahl der nötigen Gedankenschritte kann der Senat jedoch nicht ausschließen, dass sie in Gesamtheit dem Fachmann allein auf Grund seines allgemeinen Fachwissens nicht zu Gebote standen. Auch die mündliche Verhandlung hat nichts ergeben, was die verbliebenen Zweifel hätte ausräumen können. Die Argumentation der Klägerin hat sich auf Einzelaspekte der notwen- digen Weiterentwicklung des Zuschnitts nach der US-PS 2 543 821 (Arneson II), etwa darauf beschränkt, dass die sich bei einer zur Gestaltung des zuletzt verteidigten Patentanspruchs 1 führenden Vorgehensweise ergebende Vierlagigkeit der Griffwand als solche Vorbilder im Stand der Technik habe.
22
c) Die vorstehenden Ausführungen beantworten auch die Frage, ob der mit der zuletzt verteidigten Fassung des Patentanspruchs 1 beanspruchte Zuschnitt in naheliegender Weise aus dem zu entwickeln war, was aus der US-PS 2 733 832 (Newton) und/oder der US-PS 3 158 286 (Phillips) bekannt war. Denn der Offenbarungsgehalt dieser Entgegenhaltungen geht insoweit keinesfalls weiter als derjenige der US-PS 2 543 821 (Arneson II). Das entspricht ersichtlich auch der Auffassung der Parteien. Denn ihr Vorbringen in der mündlichen Verhandlung hat sich im Wesentlichen auf Ausführungen zu letzterer Entgegenhaltung beschränkt, die auch das Bundespatentgericht als nächstliegende Offenbarung im Stand der Technik angesehen hat.
23
d) Da die weiteren Entgegenhaltungen - wie ausgeführt - eine andere Anordnung der End- und Seitenwandflächen zueinander und eine andere Faltung voraussetzen, können schließlich auch sie nicht als Vorbilder angesehen werden , die dem Fachmann zweifelsfrei erlaubten, sich in naheliegender Weise die Lehre des Patentanspruchs 1 in der zuletzt verteidigten Fassung zu erschließen.
24
6. Die Unteransprüche 2 bis 4 in der zuletzt verteidigten Fassung haben angesichts des vorstehend Erörterten ebenfalls Bestand.
25
7. Patentanspruch 5 in der zuletzt verteidigten Fassung betrifft den Gegenstandsträger selbst, der folgende Merkmale aufweisen soll: 1. Ein Paar Seitenwände. 2. Ein Paar Endwände. 3. Alle diese Wände
a) haben jeweils eine Oberkante,
b) sind an ihren Seitenkanten entlang entsprechender Faltlinien miteinander verbunden. 4. Ein Paar Griffwände
a) jeweils bestehend aus einer inneren und einer äußeren Griffwand,
b) die miteinander entlang einer Faltlinie verbunden sind. 5. Jede äußere Griffwand
a) hat (mindestens) eine Seitenkante,
b) ist jeweils durch entlang der Oberkante verlaufende Stanzlinien von einer Seitenwand und einer Endwand getrennt. 6. Jede Stanzlinie zwischen äußerer Griffwand und Endwand endet im Abstand zu einer Seitenkante der äußeren Griffwand, so dass zwischen äußerer Griffwand und Endwand jeweils ein Verbindungsabschnitt verbleibt und diese Wände durch die Stanzlinie (nur) teilweise getrennt sind. 7. Jede innere Griffwand ist mit einer Klebelasche versehen.
26
Aus den bereits genannten Gründen kann das Streitpatent auch mit diesem Patentanspruch und den auf ihn zurückbezogenen Patentansprüchen 6 bis 8 in der zuletzt verteidigten Fassung Bestand haben.
27
8. Die Nichtigkeitsklage hat deshalb nur Erfolg, soweit die Beklagte das Streitpatent nicht mehr verteidigt.
28
9. Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Abs. 2 Satz 1 PatG i.V. mit §§ 92 Abs. 1, 516 Abs. 3 ZPO.
Melullis Scharen Mühlens
Meier-Beck Gröning
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 31.01.2006 - 1 Ni 23/04 (EU) -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 94/03 Verkündet am:
20. Juli 2006
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Erweist sich eine Unterlassungsverfügung als von Anfang an ungerechtfertigt, reicht
es aus, dass der die Ersatzpflichtigkeit des Verfügungsklägers auslösende Vollstreckungsdruck
bei Verwirklichung des haftungsbegründenden Tatbestandes besteht;
unerheblich ist, dass sich der Schaden erst später konkretisiert.

b) Der Einwand des Verfügungsklägers, der in dem Verlust einer laufenden Erwerbsmöglichkeit
liegende Schaden hätte sich auch ohne Unterlassungsverfügung verwirklicht
, kann eine Reserveursache darstellen, welche die Zurechnung des Schadens
betrifft und vom Verfügungskläger zu beweisen ist; insoweit gilt der Beweismaßstab

c) Hat sich der Verfügungsbeklagte nach Verwirklichung des haftungsbegründenden
Tatbestandes rechtsgeschäftlich dazu verpflichtet, den durch die einstweilige Verfügung
titulierten Unterlassungsanspruch zu erfüllen, lässt dies den inneren Zusammenhang
zwischen dem Vollstreckungsdruck und dem Schaden nicht entfallen. Das
Schadensersatzverlangen ist in einem solchen Fall jedenfalls dann nicht treuwidrig,
wenn sich der Verfügungsbeklagte Schadensersatzansprüche aus § 945 ZPO vorbehalten
hat.

d) Den Verfügungsbeklagten trifft nicht deshalb ein Mitverschulden an dem Vollziehungsschaden
, weil die rechtliche Zulässigkeit des die einstweilige Verfügung auslösenden
Verhaltens bei Erwirken der einstweiligen Verfügung rechtlich noch nicht geklärt
war (hier: Beteiligung eines Rechtsanwalts an einer Anwalts-Hotline).
BGH, Urteil vom 20. Juli 2006 - IX ZR 94/03 - OLG Karlsruhe
LG Karlsruhe
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. Juni 2006 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Fischer und die Richter
Dr. Ganter, Raebel, Dr. Kayser und Cierniak

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 26. März 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger ist ein Rechtsanwalt, der seit Januar 1998 für eine "Rechtsberatungs -Hotline" tätig war. Grundlage der Zusammenarbeit zwischen den Betreibern der Hotline und dem Kläger war ein Rahmennutzungsvertrag, nach dem der Kläger Beratungszeiträume pro Tag, sogenannte Zeitscheiben, buchen konnte. Rechtsuchende, welche die Telefonnummer der Betreiber wählten, wurden - unter anderem - an den Kläger weitergeleitet. Für die Beratungstätigkeit wurde er an den von den Anrufern zu entrichtenden Telefongebühren beteiligt. Nach eigenen Angaben hat der Kläger durch diese Tätigkeit in den Monaten Januar und Februar 1998 insgesamt 333,51 € zuzüglich Umsatzsteuer eingenommen.

2
Auf den Antrag unter anderem des beklagten Rechtsanwalts untersagte das Landgericht München I im Wege einer dem Kläger am 14. April 1998 zugestellten einstweiligen Verfügung den Hotline-Betreibern den Betrieb der Hotline und dem Kläger die Mitwirkung hieran. Der Kläger, der gegen diesen Beschluss zunächst Widerspruch eingelegt hatte, nahm diesen am 7. Mai 1998 wieder zurück und gab am 18. Mai 1998 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab. Die übernommene Unterlassungsverpflichtung war davon abhängig gemacht , dass seine Handlung vom Hauptsachegericht als rechtswidrig angesehen werden würde. Der Kläger behielt sich alle Rechte einschließlich Schadensersatz vor. Auf den Widerspruch der Betreiber der Hotline hob das Oberlandesgericht München die einstweilige Verfügung am 23. Juli 1998 diesen gegenüber auf, nachdem der Beklagte und die weiteren Antragsteller gegenüber den Betreibern der Hotline bereits am 24. Juni 1998 auf ihre Rechte verzichtet hatten. Der Kläger legte seinerseits am 17. August 1998 erneut Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung ein. Der Beklagte nahm den Verfügungsantrag daraufhin in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht München I am 24. September 1998 zurück.
3
Schon am 8. Mai 1998 hatten die Betreiber der Hotline den Kläger mit sofortiger Wirkung aus der Rechtsberatungs-Hotline herausgenommen, wobei sie ihm in Aussicht gestellt hatten, ihn wieder an ihrem Dienst teilnehmen zu lassen, sollte die einstweilige Verfügung aufgehoben werden. Hierzu kam es jedoch nicht.
4
Im Hauptsacheverfahren eines der Betreiber entschied der Bundesgerichtshof durch Urteil vom 26. September 2002 (I ZR 102/00, DStR 2003, 1852), dass ein Rechtsanwalt, der sich an einer Anwalts-Hotline beteiligt, damit nicht gegen berufsrechtliche Verbote verstößt, hob die Urteile der Vorinstanzen auf und wies die Klage auch des Beklagten ab.
5
Der Kläger begehrt Ersatz seines Verdienstausfallschadens für die Zeit vom 8. Mai 1998 bis zum 31. Dezember 2002 in Höhe von 155.115,45 €, Schadensersatz wegen vorzeitiger Auflösung zweier Lebensversicherungen in Höhe von 55.987,82 € sowie die Feststellung der Verpflichtung des Beklagten zum Ersatz weiterer Schäden. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren in vollem Umfang weiter.

Entscheidungsgründe:


6
Die zulässige Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


7
Das Berufungsgericht, dessen Urteil in NJW-RR 2003, 1708 veröffentlicht ist, hat einen Schadensersatzanspruch gemäß § 945 ZPO mit der Begründung verneint, es fehle an einem erkennbaren Vollstreckungsdruck auf den Kläger. Der durch die Zustellung der einstweiligen Verfügung hervorgerufene Vollstreckungsdruck sei durch die Unterlassungserklärung des Klägers vom 18. Mai 1998 wieder beseitigt worden. Da der Beklagte die Ausräumung der Wiederholungsgefahr schon mit Schriftsatz vom 29. April 1998 anerkannt habe, sei mit Zugang der Unterlassungserklärung des Klägers vom 18. Mai 1998 ein Unterlassungsvertrag zustande gekommen, welcher der einstweiligen Verfügung nachträglich die Grundlage entzogen habe, so dass der Kläger diese durch Widerspruch oder im Aufhebungsverfahren hätte zu Fall zu bringen können. Jedenfalls fehle es an der Kausalität zwischen dem Vollstreckungsdruck und dem Schaden. Es stehe nicht fest, dass der Kläger nach Wegfall der ihm gegenüber erlassenen einstweiligen Verfügung zur Ausübung einer Tätigkeit im Rahmen der Rechtsberatungs-Hotline in der Lage gewesen wäre. Bis zum Verzicht der Verfügungskläger vom 24. Juni 1998 gegenüber den Betreibern auf ihre Rechte aus der einstweiligen Verfügung habe der Geschäftsbetrieb eingestellt werden müssen. Anschließend hätten sich die Betreiber unabhängig von der einstweiligen Verfügung gegen eine weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger entschieden. Schließlich treffe den Kläger ein zum Ausschluss des Schadensersatzanspruchs führendes Mitverschulden, weil er nach Abgabe der Unterlassungserklärung eine Beseitigung der einstweiligen Verfügung versäumt habe. Auch habe er nicht dargelegt, welche Anstrengungen er unternommen habe, um die aufgrund der Untersagung laufend eintretenden Schäden durch anderweitige Tätigkeiten aufzufangen.

II.


8
Diese Begründung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
9
1. In verfahrensrechtlicher Hinsicht macht die Revision ohne Erfolg geltend , das Urteil des Berufungsgerichts sei schon deshalb aufzuheben, weil es nicht erkennen lasse, welches Ziel der Kläger mit seiner Berufung verfolgt habe.
10
Nach a) der hier anzuwendenden Vorschrift des § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO (n.F.) reicht für die Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen des landgerichtlichen Urteils anstelle eines Tatbestandes aus. Eine solche Bezugnahme kann sich indes nicht auf die in der zweiten Instanz gestellten Berufungsanträge erstrecken. Eine Aufnahme der Berufungsanträge in das Berufungsurteil ist daher auch nach neuem Recht, welches eine weitgehende Entlastung der Berufungsgerichte bei der Urteilsabfassung bezweckt, nicht entbehrlich (BGHZ 154, 99, 100 f; 156, 97, 99; 156, 216, 218). Der Antrag des Berufungsklägers braucht zwar nicht unbedingt wörtlich wiedergegeben zu werden; aus dem Zusammenhang muss aber wenigstens sinngemäß deutlich werden, was der Berufungskläger mit seinem Rechtsmittel erstrebt hat. So kann bei einer Berufung des Klägers mit unverändertem Weiterverfolgen des erstinstanzlichen Sachantrags gegen ein klageabweisendes Urteil die Erwähnung dieser Tatsache genügen (BGHZ 154, 99, 101; BGH, Urteil vom 11. Februar 2004 - IV ZR 91/03, NJW 2004, 1390, 1391; Saenger/Wöstmann, ZPO § 540 Rn. 3).
11
b) Diesen an die Wiedergabe der Berufungsanträge zu stellenden Anforderungen wird das Berufungsurteil noch gerecht. Aus ihm ergibt sich zum einen , dass der in erster Instanz gestellte und abgewiesene Feststellungsantrag in der Berufungsinstanz weiterverfolgt wird. Gegenstand des Feststellungsantrags ist ersichtlich die Ersatzpflicht des Beklagten für den aus der Vollziehung der einstweiligen Verfügung des Landgerichts München I vom 2. April 1998 entstandenen Schaden. Aus dem Berufungsurteil ergibt sich weiter mit hinreichen- der Deutlichkeit, dass der Kläger seine Klage in der Berufungsinstanz teilweise beziffert hat und in Höhe von 211.113,36 € zuzüglich Zinsen zur Leistungsklage übergegangen ist. Die Aufrechterhaltung des Feststellungsantrags neben dem bezifferten Leistungsantrag kann bei verständiger Würdigung nur dahin verstanden werden, dass in der Berufungsinstanz die Feststellung der Ersatzpflicht wegen der weiteren, nicht vom Leistungsantrag umfassten Schäden begehrt worden ist.
12
2. In der Sache selbst kann der auf § 945 ZPO gestützte Schadensersatzanspruch mit der gegebenen Begründung nicht verneint werden. Nach dieser Vorschrift ist die Partei, welche die Anordnung einer von Anfang an ungerechtfertigten einstweiligen Verfügung erwirkt hat, verpflichtet, dem Gegner den Schaden zu ersetzen, der ihm aus der Vollziehung der Anordnung entsteht.
13
Nach a) der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verstößt ein Rechtsanwalt, der sich an einer Rechtsberatungs-Hotline der vorliegenden Art beteiligt, nicht ohne weiteres gegen berufsrechtliche Verbote (BGH, Urt. v. 26. September 2002 - I ZR 102/00 u.a., DStR 2003, 1852). Weder ist die Vereinbarung einer nach Gesprächsminuten berechneten Zeitvergütung generell berufswidrig noch liegt in der Beteiligung notwendig ein Verstoß gegen das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen (§ 43a Abs. 4 BRAO), gegen das Provisionsverbot (§ 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO) oder gegen das Verbot der Abtretung von Gebührenansprüchen (§ 49b Abs. 4 Satz 2 BRAO). Die Anordnung der Unterlassungsverfügung stellt sich daher als von Anfang an ungerechtfertigt dar.
14
b) Nach dem von dem Berufungsgericht festgestellten und von der Revisionserwiderung nicht mit Gegenrügen angegriffenen Sachverhalt hat der Beklagte den haftungsbegründenden Tatbestand des § 945 ZPO Anfang Mai 1998 vollumfänglich verwirklicht, als der Kläger nach Zustellung der einstweiligen Verfügung aus der Rechtsberatungs-Hotline herausgenommen worden ist. Zu diesem maßgeblichen Zeitpunkt bestand der notwendige Vollstreckungsdruck noch fort.
15
aa) Ein nach § 945 ZPO ersatzfähiger Vollziehungsschaden kann bereits eintreten, wenn der Verfügungskläger mit der Vollziehung lediglich begonnen hat. Bei Unterlassungsverfügungen leitet der Titelgläubiger die Vollstreckung durch die zur Wirksamkeit der Beschlussverfügung erforderliche Parteizustellung (§ 922 Abs. 2 ZPO) ein, wenn der zugestellte Titel - wie hier - die in § 890 Abs. 1 ZPO vorgesehenen Ordnungsmittel zugleich androht (BGHZ 131, 141, 143 f). In diesem Fall tritt die mögliche Schadensersatzansprüche auslösende Zwangswirkung unabhängig von einer Zuwiderhandlung des Verfügungsbeklagten ein. Der durch die Anordnung von Ordnungsmitteln durch den Verfügungskläger aufgebaute Vollstreckungsdruck stellt die innere Rechtfertigung für dessen scharfe, verschuldensunabhängige Haftung dar, wenn sich die einstweilige Verfügung als von Anfang an ungerechtfertigt erweist (BGHZ 131, 141, 144). Von diesen Grundsätzen geht das angefochtene Urteil zutreffend aus.
16
bb) Nicht zugestimmt werden kann dem Berufungsgericht dagegen in dem Punkt, dass ein nach dem 18. Mai 1998 zwischen den Parteien zustande gekommener Unterlassungsvertrag die Ersatzpflichtigkeit des Beklagten von vornherein ausschließe, weil die einstweilige Verfügung ab Vertragsschluss nur noch formalen Charakter gehabt habe und von ihr kein Vollstreckungsdruck mehr ausgegangen sei.

17
(1) Diese Begründung erweist sich schon deshalb nicht als tragfähig, weil der vom Berufungsgericht zugrunde gelegte Gesamtschaden einen Verdienstausfallschaden beinhaltet, den der Kläger aus entgangenen Beratungsgebühren ab dem 9. Mai 1998 errechnet. Zu diesem Zeitpunkt war der vom Berufungsgericht angenommene Unterlassungsvertrag, welcher der einstweiligen Verfügung den Vollstreckungsdruck genommen haben soll, noch nicht zustande gekommen.
18
(2) Im Übrigen vermischt das Berufungsgericht in unzulässiger Weise die Frage nach der Verwirklichung des haftungsbegründenden Tatbestandes mit Fragen der haftungsausfüllenden Kausalität und der Schadenszurechnung. Der haftungsbegründende Tatbestand war im Streitfall spätestens mit der unbefristeten Suspendierung der aus dem Rahmennutzungsvertrag erwachsenen Rechte des Klägers verwirklicht. Dies war nach den Feststellungen des Berufungsgerichts der Fall, als der Kläger auf Weisung des Geschäftsführers des Betreibers der Rechtsberatungs-Hotline S. mit Wirkung vom 9. Mai 1998 aus dem Beratungsdienst herausgenommen und ihm angeraten wurde, von der weiteren Buchung von Zeitscheiben abzusehen, bis die Angelegenheit abschließend geregelt sei. Damit waren dem Kläger die auf der Grundlage des Rahmennutzungsvertrages eröffneten laufenden Erwerbsmöglichkeiten schon vor Abgabe der Unterlassungserklärung und mithin unter dem erforderlichen Vollstreckungsdruck abgeschnitten worden.
19
Die c) Ausführungen des Berufungsgerichts zur haftungsausfüllenden Kausalität und zur Zurechnung erweisen sich ebenfalls als nicht tragfähig. Für die Bemessung des Schadens nach § 945 ZPO gelten die allgemeinen Grundsätze der §§ 249 ff BGB (BGHZ 96, 1, 2; 122, 172, 179; BGH, Urt. v. 23. März 2006 - IX ZR 134/04, Rn. 23, zur Veröffentlichung bestimmt). Der Schadensersatzanspruch umfasst grundsätzlich den durch die Vollziehung der einstweiligen Verfügung adäquat-kausal verursachten, unmittelbaren oder mittelbaren Schaden einschließlich des infolge des Vollzugs von Verbotsverfügungen entgangenen Gewinns des Schuldners (vgl. MünchKomm-ZPO/Heinze, 2. Aufl. § 945 Rn. 9; Wieczorek/Schütze/Thümmel, ZPO 3. Aufl. § 945 Rn. 22).
20
Das aa) Berufungsgericht verneint die haftungsausfüllende Kausalität zwischen der gegen den Kläger erwirkten einstweiligen Verfügung und der im Zeitraum vom 15. Mai 1998 bis 24. Juni 1998 entgangenen Erwerbsmöglichkeit, weil die Betreiber der Rechtsberatungs-Hotline den Geschäftsbetrieb aufgrund der gegen sie ergangenen einstweiligen Verfügung in dieser Zeit hätten einstellen müssen. Bis zum Verzicht der Verfügungskläger auf ihre Rechte aus der einstweiligen Verfügung gegen die Betreiber der Hotline am 24. Juni 1998 wäre es jenen deshalb aus Rechtsgründen nicht möglich gewesen, dem Kläger eine Tätigkeit innerhalb der Hotline anzubieten.
21
(1) Diese Auffassung verkennt die zu hypothetischen Schadensursachen und rechtmäßigem Alternativverhalten entwickelten Grundsätze. Das Berufungsgericht hat zwar nicht festgestellt, an welchem Tage die einstweilige Verfügung gegenüber den Betreibern vollzogen worden ist. Laut Urteil des Landgerichts München I vom 14. Mai 1998 hatten die Betreiber allerdings mit Schriftsatz vom 30. April 1998, bei Gericht eingegangen am 4. Mai 1998, Widerspruch eingelegt. Fest steht nach den nicht angegriffenen Ausführungen des Berufungsgerichts außerdem, dass die Hotline ihren Betrieb auf Grund der Unterlassungsverfügung gegenüber den Betreibern erst vom 15. Mai bis zum 24. Juni 1998 einstellen musste. Da die Unterlassungsverfügung gegen den Kläger mit der Parteizustellung am 14. April 1998 vollzogen und der Kläger am 8. Mai 1998 von den Betreibern der Hotline mit sofortiger Wirkung aus der Rechtsberatungshotline herausgenommen worden war, ist der behauptete Schaden des Klägers real vor der vorübergehenden Einstellung des Geschäftsbetriebs bewirkt worden.
22
(2) Im Schadensersatzrecht besteht Einigkeit darüber, dass es sich bei der so genannten hypothetischen Kausalität - ebenso wie beim Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens (BGH, Urt. v. 17. Oktober 2002 - IX ZR 3/01, NJW 2003, 295, 296) - nicht um ein Problem der Kausalität, sondern um eine Frage der Schadenszurechnung handelt. Dass der durch das haftungsbegründende Ereignis real bewirkte Schaden später durch einen anderen Umstand (die Reserveursache) ebenfalls herbeigeführt worden wäre, kann an der Kausalität der realen Ursache nichts ändern. Ob die Reserveursache beachtlich ist und zu einer Entlastung des Schädigers führt, ist eine Wertungsfrage, die für verschiedene Fallgruppen unterschiedlich beantwortet wird (BGHZ 104, 355, 359 f). Sind mehrere denkbare Verursachungsbeiträge jeweils von einer bestimmten Rechtsperson zu verantworten, ist für die Rechtsfigur der Reserveursache kein Raum (BGHZ 78, 209, 213).
23
Unabhängig von der Frage, ob man das rechtmäßige Alternativverhalten als Unterfall der hypothetischen Kausalität oder als eigenständige Fallgruppe auffasst (vgl. Lange/Schiemann, Schadensersatz, 3. Aufl., § 4 XII 1), vermag die Erwirkung der von Anfang an unrechtmäßigen einstweiligen Verfügung gegen die Betreiber auch unter diesem Gesichtspunkt die Schadenszurechnung nicht zu beeinflussen; denn die Berufung auf ein rechtswidriges Alternativverhalten ist unzulässig (OLG Köln VersR 1996, 456, 458 [Revision nicht angenommen , vgl. BGH, Beschl. v. 28. September 1995 - III ZR 202/94, BGHR BGB § 839 Abs. 1 Satz 1 Verschulden 29]; Palandt/Heinrichs, BGB 65. Aufl., Vorb. v. § 249 Rn. 107).
24
bb) In Bezug auf den nachfolgenden Zeitraum hat das Berufungsgericht die haftungsausfüllende Kausalität ebenfalls verneint. Der insoweit darlegungsund beweispflichtige Kläger habe keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass die Ablehnung der weiteren Zusammenarbeit durch S. auf die Vollziehung der einstweiligen Verfügung zurückzuführen sei. Mit dieser Erwägung kann die haftungsrechtliche Einstandspflicht des Beklagten für den behaupteten Schaden nicht in Frage gestellt werden. Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen ist insbesondere der Zurechnungszusammenhang zwischen der Vollziehung der einstweiligen Verfügung und dem Verdienstausfallschaden nicht unterbrochen.
25
(1) Während die im Streitfall von dem Beklagten nicht in Zweifel gezogene Ursächlichkeit der Erwirkung der einstweiligen Verfügung für die Beendigung der Tätigkeit des Klägers bei der Rechtsberatungs-Hotline als haftungsbegründender Umstand von dem (geschädigten) Kläger zu beweisen ist, dem allerdings insoweit die Beweiserleichterungen des § 287 ZPO zugute kommen, ist der (beklagte) Schädiger dafür darlegungs- und beweispflichtig, dass der Schaden ohnehin aufgrund einer rechtlich beachtlichen Reserveursache eingetreten wäre (BGHZ 78, 209, 214; 104, 355, 359 f; BGH, Urt. v. 11. Juli 1996 - IX ZR 116/95, WM 1996, 2074, 2077). Denn nach anerkannten schadensrechtlichen Grundsätzen hat derjenige, der für den Schaden in Anspruch genommen wird, die von ihm eingewendete hypothetische Geschehenskette, soweit sie überhaupt erheblich ist, zu beweisen. Insoweit gelten ebenfalls die Beweiserleichterungen des § 287 ZPO (vgl. BGHZ 78, 209, 214; Zugehör/Fischer, Handbuch der Anwaltshaftung Rn. 1081).

26
(2) Als Reserveursache für die Beendigung der Tätigkeit des Klägers kommt hier allenfalls eine von der Unterlassungsverfügung unabhängige Kündigung von Seiten der Betreiber, nicht aber das Unterbleiben einer Wiederaufnahme in den Kreis der im Rahmen der Hotline eingesetzten Rechtsanwälte in Betracht. Der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte behauptet nicht, die Betreiber der Rechtsberatungs-Hotline hätten dem Kläger auch ohne die einstweilige Verfügung gekündigt. Abgesehen davon liegen konkrete Anhaltspunkte für eine vom Beklagten in der Berufungserwiderung ohne Beweisantritt erwogene ungenügende Leistungserbringung des Klägers oder eine mit Spannungen behaftete Zusammenarbeit mit den Betreibern der Hotline nicht vor.
27
Ist (3) der Verfügungsbeklagte ohnehin, etwa aus bußgeldbewehrten Ordnungsvorschriften oder aus sonstigen materiellrechtlichen Gründen verpflichtet , das mit der einstweiligen Verfügung verbotene Verhalten zu unterlassen , so hat er durch die Unterlassung keinen nach § 945 ZPO zu ersetzenden Schaden erlitten (RGZ 65, 66, 68; BGHZ 15, 356, 359; 126, 368, 374 f; BGH, Urt. v. 13. April 1989 - IX ZR 148/88, NJW 1990, 122, 125; Wieczorek/ Schütze/Thümmel, aaO § 945 Rn. 22).
28
Im Streitfall hat sich der Kläger am 18. Mai 1998 unter anderem gegenüber dem Beklagten materiellrechtlich verpflichtet, es zu unterlassen, für sich und die von ihm zu erbringende anwaltliche Dienstleistung in einer näher beschriebenen Weise werben zu lassen und an der unzulässigen Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten durch die Betreibergesellschaft in der Weise mitzuwirken, dass er auf die ihm vermittelten Anrufe telefonisch Rechtsrat erteile. Diese materiellrechtliche Verpflichtung ist jedoch erst infolge der Vollziehung der Unterlassungsverfügung abgegeben worden. Sie stellt keinen "sonstigen Grund" dar, das mit der einstweiligen Verfügung verbotene Verhalten zu unterlassen und lässt den inneren Zusammenhang zwischen der erwirkten Verfügung und dem Vollziehungsschaden unberührt.
29
Soweit d) das Berufungsgericht ein die Haftung des Beklagten ausschließendes Mitverschulden des Klägers angenommen hat, kann die Entscheidung ebenfalls nicht bestehen bleiben.
30
aa) Da auf den Schadensersatzanspruch aus § 945 ZPO die allgemeinen Vorschriften der §§ 249 ff BGB anzuwenden sind, ist ein mitwirkendes Verschulden des Verfügungsbeklagten allerdings zu berücksichtigen (BGHZ 122, 172, 179; BGH, Urt. v. 23. März 2006 - IX ZR 134/04, Rn. 23, zur Veröffentlichung bestimmt).
31
Nach (1) der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urt. v. 1. Dezember 1965 - Ib ZR 141/63, BB 1966, 267; v. 22. März 1990 - IX ZR 23/89, NJW 1990, 2689, 2690; zustimmend Stein/Jonas/Grunsky, ZPO 22. Aufl. § 945 Rn. 9; MünchKomm-ZPO/Heinze, aaO § 945 Rn. 14) ist ein Ausschluss oder eine Minderung des Schadensersatzanspruchs aus § 945 ZPO insbesondere dann in Betracht zu ziehen, wenn ein schuldhaftes Verhalten des Arrestbeklagten dem Arrestkläger Anlass zur Ausbringung des Arrestes gegeben hat. Im Falle einer einstweiligen Verfügung gilt Entsprechendes (vgl. BGH, Urt. v. 23. März 2006 - IX ZR 134/04, Rn. 25, zur Veröffentlichung bestimmt). Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Einen Verfügungsbeklagten, der in einer rechtlichen Grauzone handelt, die sich erst im Nachhinein als rechtlich einwandfrei herausstellt, trifft kein Mitverschulden, wenn der Verfügungskläger das Handeln vor der juristischen Klärung nicht hinnimmt und durch die Vollziehung der einstweiligen Verfügung unterbindet.
32
(2) Ohne Belang ist der vom Berufungsgericht zu Lasten des Klägers verwertete Vorwurf, im Anschluss an die Unterlassungserklärung die formal fortbestehende Unterlassungsverfügung nicht beseitigt zu haben. Im Rahmen des § 254 BGB kann ein Umstand nur dann berücksichtigt werden, wenn er sich ursächlich auf die Entstehung des Schadens ausgewirkt hat (vgl. BGH, Urt. v. 27. Juni 2000 - VI ZR 126/99, NJW 2000, 3069, 3071). Der Kläger konnte jedoch - wie die Revision zutreffend bemerkt - den Schaden durch die Beseitigung der Unterlassungsverfügung nicht beheben, weil er infolge der strafbewehrten Unterlassungserklärung bis zur Entscheidung in der Hauptsache weiterhin zur Unterlassung verpflichtet war.
33
Wie bb) die Revision mit Recht rügt, lässt sich ein haftungsausschließendes Mitverschulden schließlich nicht damit rechtfertigen, der Kläger habe nicht dargelegt, welche Anstrengungen er unternommen habe, um die Verluste aus der untersagten Mitwirkung an der Rechtsberatungs-Hotline durch anderweitige Tätigkeiten aufzufangen.
34
(1) Allerdings obliegt es dem Verletzten im Verhältnis zum Schädiger, seine verbliebene Arbeitskraft in den Grenzen des Zumutbaren so nutzbringend wie möglich zu verwerten (BGH, Urt. v. 5. Dezember 1995 - VI ZR 398/94, NJW 1996, 652, 653). Die Behauptungs- und Beweislast für die zur Anwendung des § 254 BGB führenden Umstände trägt grundsätzlich der Schädiger, der damit seine Ersatzpflicht mindern oder beseitigen will. Indessen darf dem Schädiger nichts Unmögliches angesonnen werden. Er kann namentlich beanspruchen, dass der Geschädigte an der Beweisführung mitwirkt, soweit es sich um Um- stände aus seiner Sphäre handelt (BGHZ 91, 243, 260; BGH, Urt. v. 29. September 1998 - VI ZR 296/97, NJW 1998, 3706, 3707). Insbesondere ist es bei einem Streit über die Frage, ob er eine andere zumutbare Arbeit hätte finden können, Sache des Geschädigten, darzulegen, welche Arbeitsmöglichkeiten für ihn zumutbar und durchführbar seien und was er bereits unternommen habe, um einen entsprechende Tätigkeit zu finden. Muss somit zwar der Schädiger die Voraussetzungen seines Einwandes aus § 254 Abs. 2 BGB beweisen, so ändert das nichts daran, dass der Verletzte zunächst seiner Darlegungslast genügen muss. Dazu wird er in der Regel, wenn er arbeitsfähig oder teilarbeitsfähig ist, den Schädiger darüber zu unterrichten haben, welche Arbeitsmöglichkeiten ihm zumutbar und durchführbar erscheinen, und was er bereits unternommen hat, um eine angemessene Tätigkeit zu erhalten. Demgegenüber ist es Sache des Schädigers zu behaupten und zu beweisen, dass der Geschädigte entgegen seiner Darstellung in einem konkret bezeichneten Fall ihm zumutbare Arbeit hätte aufnehmen können (BGH, Urt. v. 23. Januar 1979 - VI ZR 103/78, NJW 1979, 2142 f). Maßgeblich für die Zumutbarkeit sind die Umstände des Einzelfalls wie die Art der bisher ausgeübten Tätigkeit, Alter und Vorbildung des Geschädigten oder Schwierigkeiten beim Finden einer neuen Stelle (MünchKomm/Oetker, BGB 4. Aufl., § 254 Rn. 84).
35
(2) Bei Anwendung dieser Grundsätze durfte das Berufungsgericht zumindest nicht für den gesamten Zeitraum seit Vollziehung der einstweiligen Verfügung annehmen, der Kläger habe seiner Darlegungslast nicht genügt. Dieser hat im Einzelnen vorgetragen, dass er in der Wohnung, die zugleich als Anwaltskanzlei gewerblich genutzt werde, seine krebskranke, pflegebedürftige, am 31. Dezember 2000 verstorbene Ehefrau rund um die Uhr hätte betreuen müssen. In Anbetracht dessen konnte dem Kläger bis zum Tode seiner Ehefrau nicht angesonnen werden, nach Vollziehung der Unterlassungsverfügung eine forensische Tätigkeit aufzunehmen.
36
Weiter hat der Kläger unter Vorlage des Schriftverkehrs mit den Betreibern dargelegt, seine Bemühungen um Wiederaufnahme in die Rechtsberatungs -Hotline seien erfolglos geblieben, weil für Rechtsanwälte die sich nicht schon - wie er - Anfang 1998 durch Voranmeldung Zeitscheiben hätten reservieren lassen, keine Kapazitäten mehr verfügbar gewesen seien. Darüber hinaus gehende Bemühungen konnten dem Kläger ohnehin nicht abverlangt werden. Aufgrund seiner Erklärung vom 18. Mai 1998 und später aufgrund des im Hauptsacheverfahren geschlossenen gerichtlichen Vergleichs vom 23. März 2000 war der Kläger weiterhin verpflichtet, eine Mitwirkung an der hier interessierenden Hotline zu unterlassen. Im Falle einer Bewerbung bei anderen Betreibern musste er gewärtigen, dass die Antragsteller auch insoweit - konsequent - eine einstweilige Verfügung gegen ihn erwirken würden.
37
Soweit die Revisionserwiderung - ohne Nennung eines Beispiels - eine sonstige anwaltliche Tätigkeit, die zeitlich flexibel zu handhaben gewesen wäre, für zumutbar hält, ist eine solche Beschäftigung für einen über keine Zusatzqualifikation verfügenden Einzelanwalt, der seine Ehefrau häuslich zu pflegen und zu betreuen hat, nicht aussichtsreich.
38
(3) Allerdings war der Kläger nach dem Tode seiner Ehefrau am 31. Dezember 2000 an der Aufnahme einer normalen anwaltlichen Tätigkeit nicht mehr gehindert. Welche Bemühungen er insoweit entfaltet hat, hat er nicht dargelegt. Auch der Beklagte hat diese Frage offenbar nicht gesehen. Da das Berufungsgericht die Parteien auf diesen von Amts wegen zu berücksichtigenden Gesichtspunkt (vgl. BGH, Urt. v. 26. Juni 1990 - X ZR 19/89, NJW 1991, 166, 167) nicht gemäß § 139 Abs. 1 bis 3 ZPO hingewiesen hat, durfte das Berufungsgericht die Klageabweisung hierauf nicht stützen.
39
cc) Die am 18. Mai 1998 abgegebene Unterlassungserklärung begründet kein Mitverschulden des Klägers.
40
Wer (1) nach Vollziehung der Unterlassungsverfügung eine Unterlassungserklärung abgibt, verstößt mit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen ab diesem Zeitpunkt nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Der Auffassung, die hierin ein treuwidriges widersprüchliches Verhalten (venire contra factum proprium) erblicken will (OLG Frankfurt a.M. OLGReport 1998, 228, 229), kann nicht gefolgt werden. Die Vorschrift des § 945 ZPO beruht ebenso wie § 717 Abs. 2, 3, § 302 Abs. 4 S. 3, § 600 Abs. 2, § 641g ZPO und § 1065 Abs. 2 S. 2 ZPO auf dem allgemeinen Rechtsgedanken , dass die Vollstreckung aus einem noch nicht endgültigen Titel auf Gefahr des Gläubigers erfolgt (Walker in Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, Bd. II, 3. Aufl., ZPO § 945 Rn. 2). Der Schuldner wird nicht zum Ungehorsam gegenüber dem Unterlassungsgebot gezwungen, um einen Anspruch nach § 945 ZPO zu erlangen; denn die für die Vollziehung ausreichende Zwangswirkung und damit die Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch des Verfügungsbeklagten tritt unabhängig von einer Zuwiderhandlung bereits mit der Androhung von Ordnungsmitteln ein (BGHZ 131, 141, 143 f).
41
Überdies (2) hat sich der Kläger in der Unterlassungserklärung vom 18. Mai 1998 ausdrücklich alle Rechte einschließlich der Geltendmachung von Schadensersatz vorbehalten. Das steht nicht im Widerspruch zu einer anspruchsvernichtenden Wirkung der Unterlassungserklärung. Ein Schadenser- satzanspruch gemäß § 945 ZPO setzt, soweit hier von Interesse, eine von Anfang an ungerechtfertigte Anordnung voraus. Mithin wird durch die Unterlassungserklärung weder ein Schadensersatzanspruch erst begründet noch verbessert sich die Rechtslage für den Gläubiger, der eine von Anfang an ungerechtfertigte Anordnung erwirkt hat. Deshalb kann dem Kläger die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs auch nicht mit der Begründung verwehrt werden, er habe dem titulierten Anspruch durch seine Unterlassungserklärung selbst die gesetzliche Grundlage entzogen.

III.


42
Das angefochtene Urteil stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO); es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO).
43
Entgegen 1. der Auffassung der Revisionserwiderung hat der Kläger durch den am 23. März 2000 im Hauptsacheverfahren vor dem Oberlandesgericht München abgeschlossenen Vergleich nicht auf Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten verzichtet.
44
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss insbesondere bei Erklärungen, die als Verzicht, Erlass oder in ähnlicher Weise rechtsvernichtend gewertet werden sollen, das Gebot einer interessengerechten Auslegung beachtet werden. Hierbei haben die der Erklärung zugrunde liegenden Umstände besondere Bedeutung. Wenn feststeht oder davon auszugehen ist, dass eine Forderung entstanden ist, verbietet dieser Umstand im Allgemeinen die Annahme, der Gläubiger habe sein Recht einfach wieder aufgegeben. Das bildet in solchen Fällen die Ausnahme. Selbst bei eindeutig er- scheinender Erklärung des Gläubigers darf ein Verzicht deshalb nicht angenommen werden, ohne dass bei der Feststellung zum erklärten Vertragswillen sämtliche Begleitumstände berücksichtigt worden sind (BGH, Urt. v. 15. Januar 2002 - X ZR 91/00, WM 2002, 822, 824 m.w.N.).
45
b) Der Vergleich vom 23. März 2000 bezieht sich seinem Wortlaut nach allein auf das Hauptsacheverfahren wegen Unterlassung der Mitwirkung an der Rechtsberatungs-Hotline und enthält keinen Anhaltspunkt für einen Verzicht auf Schadensersatzansprüche. Auch wenn der Kläger sich darin im Unterschied zur Unterlassungserklärung vom 18. Mai 1998 Schadensersatzansprüche nicht ausdrücklich vorbehielt, kann das Fehlen eines erneuten Vorbehalts nach dem in der Revisionsinstanz maßgeblichen Sachverhalt nicht im Sinne eines Verzichts gewertet werden. Nachdem die einstweilige Verfügung gegenüber den Betreibern bereits durch das Urteil des Oberlandesgerichts München vom 23. Juli 1998 (NJW 1999, 150) aufgehoben worden war, hatte der Beklagte für die Antragsteller im einstweiligen Verfügungsverfahren gegen den Kläger am 24. September 1998 erklärt, er verzichte auf die Rechte aus der Unterlassungsverfügung , was das Landgericht München I als Antragsrücknahme gewertet hatte. Daraufhin hat der Kläger bereits am 28. September 1998 die Schadensersatzklage gegen den Beklagten eingereicht. Der Vergleichsvorschlag im Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Antragsteller vom 22. März 2000 sah neben der Unterlassungserklärung einen Verzicht des Klägers auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen "im Hinblick auf den streitgegenständlichen Sachverhalt" und eine Verpflichtung zur Beendigung des vorliegenden Rechtsstreits - dessen Kosten gegeneinander aufgehoben werden sollten - durch Klagerücknahme vor. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers bestätigte mit Schreiben vom gleichen Tage unter Bezugnahme auf ein Telefonat den Vergleichsvorschlag, wobei lediglich die Unterlassungserklärung mit Kos- tenfolge noch protokolliert und der Verzicht und die Verpflichtung zur Beendigung des vorliegenden Rechtsstreits nicht Gegenstand sein sollten. Da der damalige Prozessbevollmächtigte des Klägers gegenüber dem seinerzeitigen Prozessbevollmächtigten des Beklagten überdies die Streichung des im Vergleichsvorschlag vorgesehenen Verzichts mit dem Fehlen eines Mandats für das Schadensersatzverfahren erklärt hatte, verbleibt für die Auslegung als Verzicht kein Raum.
46
2. Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird, nachdem die Parteien Gelegenheit erhalten haben, ihren Vortrag an den rechtlichen Vorgaben des Senats zum Mitverschulden auszurichten, die dann gegebenenfalls erforderlichen Feststellungen zu treffen und die das Vorliegen eines Schadens betreffenden Einwände des Beklagten zu berücksichtigen haben. Fischer Ganter Raebel Kayser Cierniak
Vorinstanzen:
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 07.06.2002 - 4 O 137/02 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 26.03.2003 - 6 U 181/02 -

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.