Bundesgerichtshof Urteil, 12. März 2008 - XII ZR 147/05

bei uns veröffentlicht am12.03.2008
vorgehend
Landgericht München I, 30 O 4047/04, 13.12.2004
Oberlandesgericht München, 8 U 1910/05, 04.08.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 147/05 Verkündet am:
12. März 2008
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Eine vom Vermieter verwendete formularmäßige Klausel, wonach der Mieter
von Gewerberaum gegenüber den Ansprüchen des Vermieters auf Zahlung
des Mietzinses kein Minderungsrecht wegen Mängeln der Mietsache geltend
machen kann, es sei denn, der Vermieter hat die Mängel vorsätzlich oder grob
fahrlässig zu vertreten, ist im Zweifel dahin auszulegen, dass sie die Minderung
wegen sonstiger Mängel vollständig ausschließt und dem Mieter auch
nicht die Möglichkeit der Rückforderung der Miete nach § 812 BGB verbleibt.
Eine solche Klausel benachteiligt den Mieter unangemessen und ist deswegen
unwirksam.
BGH, Urteil vom 12. März 2008 - XII ZR 147/05 - OLG München
LG München I
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. März 2008 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter
Fuchs und Dr. Ahlt, die Richterin Dr. Vézina und den Richter Dose

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 4. August 2005 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin fordert von den Beklagten rückständige Mieten für Büround Kellerräume. Die Beklagten berufen sich darauf, dass der Mietzins um die Hälfte gemindert sei. Die Beklagte zu 1 rechnet mit einem behaupteten Rückgewähranspruch wegen zuvor zuviel bezahlter Miete gegen die andere Hälfte auf und verlangt hilfsweise widerklagend für den Fall, dass die Aufrechnung ausgeschlossen sei, die Rückzahlung der angeblich zuviel gezahlten Miete.
2
Die Beklagte zu 1 mietete mit Verträgen vom 24. August 1999 von der Klägerin Büroräume in München zu einem monatlichen Mietzins von 4.036,74 € fest auf zehn Jahre sowie im selben Gebäude einen Kellerraum befristet auf ein Jahr mit einer Verlängerungsklausel zu einem monatlichen Mietzins von 526,94 €. Der Beklagte zu 2, der Geschäftsführer der Beklagten zu 1 ist, hat die Mithaftung für die Miete der Büroräume übernommen.
3
Der Mietvertrag bezüglich der Büroräume enthält u.a. folgende Allgemeine Geschäftsbedingungen der Klägerin: "§ 7 Aufrechnung, Minderung, Mängel der Mietsache 1. Der Mieter kann gegenüber dem Mietzinsanspruch und anderen Forderungen der Vermieterin aus diesem Vertrag nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenforderungen aufrechnen bzw. ein Rückbehaltsrecht ausüben. 2. Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen durch den Mieter wegen eines Mangels der Mietsache oder wegen Verzugs der Vermieterin mit der Beseitigung eines Mangels ist ausgeschlossen, sofern die Vermieterin den Mangel bzw. den Vollzug mit der Mängelbeseitigung nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig zu vertreten hat. 3. Der Mieter kann gegenüber den Ansprüchen der Vermieterin auf Zahlung des Mietzinses und der Nebenkosten kein Minderungsrecht wegen Mängeln der Mietsache geltend machen, es sei denn, die Vermieterin hat die Mängel vorsätzlich oder grob fahrlässig zu vertreten. Dies gilt auch für Störungen des Mietgebrauchs durch Einwirkungen von außen. … § 9 Instandhaltung, Instandsetzung, Schönheitsreparaturen, Schäden 1. Der Mieter ist verpflichtet, die laufende Instandhaltung und Instandsetzung im Inneren der von ihm genutzten Mieträume auf eigene Kosten durchzuführen. … Die Reparatur- und Instandsetzungspflicht für Schäden , die der Mieter nicht zu vertreten hat, wird auf einen jährlichen Höchstbetrag von 10 % einer Jahresmiete (einschließlich Mehrwertsteuer ) begrenzt. 2. Die laufenden Schönheitsreparaturen hat der Mieter während der Mietzeit spätestens alle fünf Jahre auf eigene Kosten fachgerecht vorzunehmen. …"
4
Die Geschäftsräume haben keine Fenster. Mit Schreiben vom 30. September 2000 rügte die Beklagte zu 1 bei der Klägerin unter Bezugnahme auf mündliche Beanstandungen die Funktionsfähigkeit der Klimaanlage. Gleichzeitig wurde die Klägerin aufgefordert, die Anlage in einen einwandfreien Zustand bringen zu lassen. Mit Schreiben vom 3. April 2002 wies die Beklagte zu 1 unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 30. September 2000 auf die mangelhafte Lüftungsanlage hin und forderte die Klägerin auf, bis zum 15. April 2002 mitzuteilen , wann sie etwas unternehmen werde.
5
Bis einschließlich April 2003 (45 Monate) wurde der Mietzins vollständig (teilweise durch Aufrechnung) und vorbehaltlos erbracht. Seit Mai 2003 zahlt die Beklagte weder für die Geschäfts- noch die Kellerräume Miete.
6
Die Klägerin hat zunächst gegen die Beklagte zu 1 die monatliche Miete für beide Räume von Mai 2003 bis Juli 2003 in Höhe von insgesamt 13.691,05 € zuzüglich Zinsen und Kosten im Mahnverfahren geltend gemacht. Nach Einspruch der Beklagten zu 1 gegen den Vollstreckungsbescheid hat sie die Klage um die ausstehende Miete bis einschließlich Juni 2004 in Höhe von 41.096,99 € erweitert und außerdem den Beklagten zu 2 hinsichtlich der Büroraummiete (47.517,56 € nebst Zinsen) mit verklagt.
7
Die Beklagten machen im Wesentlichen geltend, der Mietzins sei von Anfang an um 50 % gemindert gewesen, weil die Belüftungsanlage mangelhaft sei. Soweit vor Mai 2003 der volle Mietzins gezahlt worden sei, habe die Beklagte zu 1 einen Rückgewähranspruch in Höhe der Hälfte des vereinbarten Mietzinses. Mit diesem Rückgewähranspruch werde gegen den ab Mai 2003 bestehenden geminderten Mietzinsanspruch der Klägerin aufgerechnet. Für den Fall, dass die Aufrechnung nach § 7 des Mietvertrages unzulässig sei, hat die Beklagte zu 1 hilfsweise Widerklage erhoben und in erster Instanz beantragt , die Klägerin zur Zahlung von 12.000 € zu verurteilen.
8
Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Abgesehen davon, dass nach der Beweisaufnahme davon ausgegangen werden könne, dass kein Mangel vorliege, sei ein etwaiges Mietminderungsrecht der Beklagten zu 1 verwirkt. Denn diese habe den Mietzins vorbehaltlos über einen Zeitraum von 45 Monaten ungekürzt beglichen. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Dagegen wenden sich die Beklagten mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe:

9
Die Revision ist zulässig. Die Revisionsanträge sind Teil der Revisionsbegründung (§ 551 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Die Beklagten haben in zulässiger Weise auf die in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde enthaltenen Anträ- ge Bezug genommen (vgl. BGH Beschluss vom 10. Dezember 2007 - III ZB 27/06 - NJW 2008, 588).
10
Die Revision der Beklagten hat auch Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

I.

11
Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, die Beklagte zu 1 habe dadurch, dass sie seit August 1999 bis zum Beginn der Zahlungseinstellung 45 Monate lang den vollen Mietzins entrichtet habe, ein etwaiges Minderungsrecht auch für den strittigen Zeitraum (Mai 2003 bis Juni 2004) verwirkt. Die Klausel in § 7 Abs. 3 des Mietvertrages, wonach der Mieter nur mindern könne, wenn der Vermieter den Mangel vorsätzlich oder grob fahrlässig zu vertreten habe, sei auch als Allgemeine Geschäftsbedingung der Klägerin wirksam. Ein solcher Haftungsausschluss sei schon gegenüber einem Verbraucher unbedenklich, wie sich aus § 309 Nr. 7 b, 8 b BGB ergebe. Die Klausel sei daher erst recht im kaufmännischen Verkehr gegenüber der Beklagten zu 1 wirksam. Hinzu komme , dass die Beklagte zu 1 durch das mehrjährige beanstandungslose Begleichen des vollen Mietzinses eine für die Verwirkung ausreichende Vertrauensgrundlage geschaffen habe. Die Beklagten hätten nicht vorgetragen, dass die Beklagte zu 1 über die Möglichkeit der Mietminderung nachgedacht, sich aber durch die AGB der Klägerin daran gehindert gesehen habe. Erst recht hätten sie nicht vorgetragen, dass sie einen solchen Gedankenablauf der Klägerin mitgeteilt hätten. Auch habe die Beklagte zu 1 nie ernsthaft versucht, hinsichtlich des behaupteten Mangels einen der vielfältigen nicht auf Minderung beschränk- ten Ansprüche des Mieters anzumelden - etwa auf Beseitigung zu klagen , außerordentlich zu kündigen oder eine solche Kündigung anzudrohen. Sie habe insbesondere nie eine Frist zur Beseitigung gesetzt und damit auch nie die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Vermieterin grob fahrlässig oder vorsätzlich im Sinne der die Mietminderungsmöglichkeit einschränkenden AGBKlausel gehandelt hätte. Der Beklagten zu 1 stehe auch kein Anspruch auf Erstattung aus Überzahlungen zu, die zwischen Beginn des Mietverhältnisses und Einstellung der Zahlung erfolgt sein sollen. Auch für diese Zeit sei ein Minderungsanspruch verwirkt. Im Übrigen scheitere die Rückforderung an § 814 BGB. Über die Eventualwiderklage auf Rückzahlung zuviel gezahlter Miete sei in der Berufungsinstanz nicht zu entscheiden.

II.

12
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
13
1. Ohne Erfolg macht die Revision allerdings geltend, die Klage sei bereits nach § 320 BGB unbegründet. Zwar stehen dem Mieter, wenn die Mietsache mangelhaft ist - was hier im Revisionsverfahren zu Gunsten der Beklagten zu unterstellen ist - nicht nur die mietvertraglichen Gewährleistungsansprüche zu. Vielmehr kann er gegenüber dem Anspruch des Vermieters auf Miete auch die Einrede des nicht erfüllten Vertrages nach § 320 BGB erheben (Senatsurteil vom 18. April 2007 - XII ZR 139/05 - NZM 2007, 484 m.w.N.). Doch haben die Beklagten diese Einrede vor den Instanzgerichten nicht geltend gemacht. Zwar brauchten sie die Einrede des nicht erfüllten Vertrages nicht ausdrücklich zu erheben. Erforderlich ist aber, dass der Wille, die eigene Leistung im Hinblick auf das Ausbleiben der Gegenleistung zurückzuhalten, eindeutig erkennbar ist (BGH Urteile vom 7. Oktober 1998 - VIII ZR 100/97 - NJW 1999, 53 und vom 7. Juni 2006 - VIII ZR 209/05 - NJW 2006, 2839, 2842). Daran fehlt es hier. Denn die Beklagten berufen sich ausschließlich darauf, dass die eingeklagte Mietzinsforderung zur einen Hälfte aufgrund der Minderung und zur anderen Hälfte aufgrund der Aufrechnung mit Mietrückgewähransprüchen nicht geschuldet bzw. erloschen sei.
14
2. Unwirksam ist jedoch, wie die Revision zu Recht geltend macht, die Klausel in § 7 Abs. 3 des Mietvertrages, wonach der Mieter kein Mietminderungsrecht wegen Mängeln der Mietsache geltend machen kann, es sei denn, die Vermieterin habe die Mängel vorsätzlich oder grob fahrlässig zu vertreten.
15
a) Es ist aber unklar, ob die Klausel dahingehend auszulegen ist, dass der Mieter bei einem Mangel, den der Vermieter nicht grob fahrlässig oder vorsätzlich zu vertreten hat, umfassend mit seinem Minderungsrecht ausgeschlossen ist oder ob die Minderung zwar nicht durch sofortigen Abzug von der laufenden Miete vorgenommen werden kann, dem Mieter aber das Recht verbleibt, den Minderungsbetrag gesondert nach § 812 BGB verlangen zu können. Zwar hat der Bundesgerichtshof eine Klausel, wonach der Mieter gegenüber dem Mietzins und den Nebenkosten nicht aufrechnen und auch kein Minderungsoder Zurückbehaltungsrecht geltend machen kann, für eindeutig in dem Sinne angesehen, dass das Minderungsrecht nicht umfassend, sondern nur dessen Verwirklichung durch Abzug vom geschuldeten Mietzins ausgeschlossen werde. Der Mieter werde insoweit auf einen Bereicherungsanspruch verwiesen (BGHZ 91, 375, 383). Ebenso hat er eine Klausel für eindeutig angesehen, nach der der Pächter auf das Recht zur Aufrechnung, Minderung (Herabsetzung des Pachtzinses) verzichtet, soweit dies gesetzlich zulässig ist und soweit nicht mit rechtskräftig festgesetzten Forderungen die vorgenannten Rechte gel- tend gemacht werden (Senatsurteil vom 27. Januar 1993 - XII ZR 141/91 - NJW-RR 1993, 519). Auch nach dieser Klausel werde das Minderungsrecht zwar nicht durch Abzug vom Pachtzins verwirklicht, doch bleibe dem Pächter unbenommen, eine gesonderte Klage aufgrund von § 812 BGB zu erheben.
16
So liegt der Fall hier jedoch nicht. Zwar kann die vorliegende Klausel auch in dem Sinne ausgelegt werden, dass dem Mieter ein Bereicherungsanspruch verbleibe. Eine Gesamtschau der vom Vermieter gestellten Allgemeinen Geschäftsbedingungen legt jedoch nahe, dass ein vollständiger Ausschluss des Minderungsrechts des Mieters vorliegt. Denn wie sich aus § 7 Abs. 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ergibt, sind jedwede Schadensersatzansprüche des Mieters wegen eines Mangels der Mietsache oder wegen Verzugs der Vermieterin mit der Beseitigung eines Mangels ausgeschlossen, sofern die Vermieterin den Mangel bzw. den Vollzug mit der Mängelbeseitigung nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig zu vertreten hat. Mit Blick hierauf spricht viel dafür, dass in der folgenden Klausel über das Minderungsrecht des Mieters ebenfalls ein umfassender Ausschluss gewollt war.
17
Infolge dieser Unklarheit ist § 305 c Abs. 2 BGB anzuwenden, wonach Zweifel bei der Auslegung zu Lasten des Verwenders - hier der Klägerin - gehen. Die Klausel ist somit dahin zu verstehen, dass sie die Minderung vollständig ausschließt und dem Mieter auch nicht die Möglichkeit der Rückforderung nach § 812 BGB verbleibt, wobei zu prüfen ist, ob diese (scheinbar) kundenfeindlichste Auslegung einer Inhaltskontrolle standhält (vgl. Palandt/Heinrichs BGB 67. Aufl. § 305 Rdn. 20).
18
b) Die Instanzgerichte vertreten weitgehend die Auffassung, der vollständige Ausschluss der Minderung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen benachteilige den Mieter unangemessen und sei unwirksam. Kardinalpflichten, zu de- nen auch die Pflicht des Vermieters gehöre, dem Mieter die Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu erhalten, dürfen nur ausgeschlossen werden, wenn davon vertragsuntypische und nicht vorhersehbare Schäden erfasst würden. Ein formularmäßiger Ausschluss der Gewährleistung sei nur wirksam, wenn dem Mieter andere Möglichkeiten verblieben, das Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung wieder herzustellen (vgl. KG GE 2008, 52, 53; OLG München ZMR 1987, 16; LG Hamburg NZM 2004, 948, weitergehend OLG Naumburg NZM 2000, 1183).
19
Auch die Literatur ist vorwiegend der Ansicht, dass ein absoluter Ausschluss der Mietminderung inklusive etwaiger Rückerstattungsansprüche den Mieter unangemessen im Sinne von § 307 BGB benachteilige und deswegen unwirksam sei (Wolf/Eckert/Ball Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts 9. Aufl. Rdn. 363; Emmerich in Emmerich/Sonnenschein Miete 9. Aufl. § 536 BGB Rdn. 41 Herrlein/Kandelhard Mietrecht 3. Aufl. § 536 BGB Rdn. 63; Lindner-Figura/Oprée/Stellmann Geschäftsraummiete Kap. 14 Rdn. 305; Fritz Gewerberaummietrecht 4. Aufl. Rdn. 171 b; Schmidt/ Futterer/ Eisenschmidt Mietrecht 9. Aufl. § 536 BGB Rdn. 426 ff.; Kraemer in Bub/Treier Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete 3. Aufl. Kap. III Rdn. 1373; Bub in Bub/Treier Kap. II Rdn. 519; a.A.: Erman/Jendrek BGB 11. Aufl. § 536 BGB Rdn. 31).
20
Dies gilt nach Ansicht des Senates auch für die vorliegende Klausel, wonach das Minderungsrecht des Mieters vollständig ausgeschlossen ist, es sei denn, der Vermieter hat den Mangel grob fahrlässig oder vorsätzlich zu vertreten. Die Klausel verstößt gegen das Äquivalenzprinzip und benachteiligt den gewerblichen Mieter unangemessen: Dieser hätte nach der Klausel den vollen Mietzins zu zahlen, obwohl ihm der Vermieter den Mietgebrauch nicht vertragsgemäß gewährt und sich wegen des Mangels die nach § 535 Abs. 2 BGB ge- schuldete Miete nach § 536 BGB automatisch mindert. In diesem Falle wäre das Austauschverhältnis empfindlich gestört. Dies widerspräche nicht nur dem Äquivalenzprinzip, sondern bewirkte auch eine unangemessene Risikoverlagerung zu Ungunsten des Mieters (vgl. Sternel Gedächtnisschrift für Sonnenschein , 293, 298).
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3. Die Revision macht zu Recht geltend, dass unter diesen Voraussetzungen , sollte die Klimaanlage fehlerhaft sein, die Beklagte zu 1 ihr Minderungsrecht nicht verwirkt hätte.
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Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit nicht geltend macht, obwohl er dazu in der Lage wäre, und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass dieser sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde (BGHZ 88, 280, 281; Senatsurteil vom 18. Oktober 2006 - XII ZR 33/04 - NZM 2006, 929). Die Verwirkung ist ein Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung aufgrund widersprüchlichen Verhaltens. Der Verstoß gegen Treu und Glauben besteht in der Illoyalität der verspäteten Geltendmachung des Anspruchs.
23
Hiervon kann jedoch im vorliegenden Fall nicht die Rede sein. Zwar hat die Beklagte zu 1 die Miete über 40 Monate vorbehaltlos bezahlt. Auch ist entsprechend den Ausführungen des Oberlandesgerichts davon auszugehen, dass die Beklagte zu 1 nicht vorgetragen hat, über die Möglichkeit der Mietminderung nachgedacht zu haben, hiervon aber wegen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Mietvertrag abgerückt zu sein. Die Revision rügt vergeblich, dass diese Ausführungen des Berufungsgerichts verfahrensfehlerhaft seien, weil die Beklagte zu 1 bereits in der Klageerwiderung und später auch in der Berufungsbegründung vorgetragen habe, dass sie sich im Hinblick auf § 7 Abs. 3 des Mietvertrages an einer Minderung zunächst gehindert gesehen habe. Denn nach §§ 559, 314 ZPO kann mit einer Verfahrensrüge nicht geltend gemacht werden, das Berufungsurteil gebe das Parteivorbringen unrichtig wieder. Vielmehr verbleibt den Parteien in diesem Fall nur der Antrag nach § 320 ZPO auf Tatbestandsberichtigung (BGH Urteil vom 8. Januar 2007 - II ZR 334/04 - NJW-RR 2007, 1434; Musielak/Ball ZPO 5. Aufl. § 559 ZPO Rdn. 16). Allerdings kommt es hierauf nicht entscheidend an. Maßgeblich ist vielmehr, dass die Klägerin ihrerseits mit der Verwendung einer unwirksamen Klausel über den Ausschluss der Minderung gegen ihre vorvertraglichen Pflichten verstoßen hat und sie damit rechnen musste, die Beklagte zu 1 werde die Unwirksamkeit der Klausel nicht sofort bei Auftreten eines Mangels, sondern erst später erkennen und sich dann - ohne dass ihr ein widersprüchliches Verhalten vorzuwerfen wäre - auf die Minderung berufen. Die Klägerin konnte somit wegen ihres eigenen Vertragsverstoßes nicht darauf vertrauen, die Beklagte zu 1 werde wegen des großen Zeitablaufs ihr Recht nicht mehr geltend machen. Die Voraussetzungen der Verwirkung sind demnach nicht gegeben.
24
4. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben und der Rechtsstreit an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen, damit es die notwendigen Feststellungen trifft.
Hahne Fuchs Ahlt Vézina Dose

Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 13.12.2004 - 30 O 4047/04 -
OLG München, Entscheidung vom 04.08.2005 - 8 U 1910/05 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 12. März 2008 - XII ZR 147/05

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(1) Hat die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt, oder entsteht während der Mietzeit ein solcher Mangel, so ist der Mieter für die Zeit, in der die Tauglichkeit aufgehoben ist, von der Entrichtung der Miete befreit. Für die Zeit, während der die Tauglichkeit gemindert ist, hat er nur eine angemessen herabgesetzte Miete zu entrichten. Eine unerhebliche Minderung der Tauglichkeit bleibt außer Betracht.

(1a) Für die Dauer von drei Monaten bleibt eine Minderung der Tauglichkeit außer Betracht, soweit diese auf Grund einer Maßnahme eintritt, die einer energetischen Modernisierung nach § 555b Nummer 1 dient.

(2) Absatz 1 Satz 1 und 2 gilt auch, wenn eine zugesicherte Eigenschaft fehlt oder später wegfällt.

(3) Wird dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache durch das Recht eines Dritten ganz oder zum Teil entzogen, so gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.

(4) Bei einem Mietverhältnis über Wohnraum ist eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung unwirksam.

(1) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt. Gleichgültig ist, ob die Bestimmungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrags bilden oder in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden, welchen Umfang sie haben, in welcher Schriftart sie verfasst sind und welche Form der Vertrag hat. Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind.

(2) Allgemeine Geschäftsbedingungen werden nur dann Bestandteil eines Vertrags, wenn der Verwender bei Vertragsschluss

1.
die andere Vertragspartei ausdrücklich oder, wenn ein ausdrücklicher Hinweis wegen der Art des Vertragsschlusses nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten möglich ist, durch deutlich sichtbaren Aushang am Ort des Vertragsschlusses auf sie hinweist und
2.
der anderen Vertragspartei die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise, die auch eine für den Verwender erkennbare körperliche Behinderung der anderen Vertragspartei angemessen berücksichtigt, von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen,
und wenn die andere Vertragspartei mit ihrer Geltung einverstanden ist.

(3) Die Vertragsparteien können für eine bestimmte Art von Rechtsgeschäften die Geltung bestimmter Allgemeiner Geschäftsbedingungen unter Beachtung der in Absatz 2 bezeichneten Erfordernisse im Voraus vereinbaren.

(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.

(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.

(1) Der Revisionskläger muss die Revision begründen.

(2) Die Revisionsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Revisionsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Revisionsgericht einzureichen. Die Frist für die Revisionsbegründung beträgt zwei Monate. Sie beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. § 544 Absatz 8 Satz 3 bleibt unberührt. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu zwei Monate verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Revisionskläger erhebliche Gründe darlegt; kann dem Revisionskläger innerhalb dieser Frist Einsicht in die Prozessakten nicht für einen angemessenen Zeitraum gewährt werden, kann der Vorsitzende auf Antrag die Frist um bis zu zwei Monate nach Übersendung der Prozessakten verlängern.

(3) Die Revisionsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten und dessen Aufhebung beantragt werde (Revisionsanträge);
2.
die Angabe der Revisionsgründe, und zwar:
a)
die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt;
b)
soweit die Revision darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.
Ist die Revision auf Grund einer Nichtzulassungsbeschwerde zugelassen worden, kann zur Begründung der Revision auf die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde Bezug genommen werden.

(4) § 549 Abs. 2 und § 550 Abs. 2 sind auf die Revisionsbegründung entsprechend anzuwenden.

Das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete kann nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war, oder wenn die Leistung einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprach.

(1) Wer aus einem gegenseitigen Vertrag verpflichtet ist, kann die ihm obliegende Leistung bis zur Bewirkung der Gegenleistung verweigern, es sei denn, dass er vorzuleisten verpflichtet ist. Hat die Leistung an mehrere zu erfolgen, so kann dem einzelnen der ihm gebührende Teil bis zur Bewirkung der ganzen Gegenleistung verweigert werden. Die Vorschrift des § 273 Abs. 3 findet keine Anwendung.

(2) Ist von der einen Seite teilweise geleistet worden, so kann die Gegenleistung insoweit nicht verweigert werden, als die Verweigerung nach den Umständen, insbesondere wegen verhältnismäßiger Geringfügigkeit des rückständigen Teils, gegen Treu und Glauben verstoßen würde.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 139/05 Verkündet am:
18. April 2007
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der Mieter kann den Erfüllungsanspruch aus § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB auch
dann noch geltend machen, wenn eine Minderung nach § 536 b BGB ausgeschlossen
ist.
Erfüllungsansprüche sind nur dann ausgeschlossen, wenn die Mietvertragsparteien
einen bestimmten, bei Überlassung vorhandenen (schlechten) Zustand
der Mietsache als vertragsgemäß vereinbart haben.
BGH, Urteil vom 18. April 2007 - XII ZR 139/05 - LG Waldshut-Tiengen
AG Waldshut-Tiengen
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. April 2007 durch die Richter Sprick, Fuchs, Dr. Ahlt, die Richterin
Dr. Vézina und den Richter Dose

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 15. Juli 2005 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger verlangt Räumung von Geschäftsräumen nach außerordentlicher Kündigung des Mietvertrages wegen Zahlungsverzuges.
2
Er vermietete mit schriftlichem Vertrag vom 20. Mai 2003 an die Beklagte im Anwesen K. straße 22 in W. ein "Ladengeschäft im Erdgeschoss , Gewölbekeller und Lagerraum im Untergeschoss" auf die Dauer von fünf Jahren zu einem monatlichen Mietzins von 600 € zuzüglich 70 € Nebenkostenvorauszahlung und Mehrwertsteuer.
3
In der "Anlage Nr. 1 zum Mietvertrag" heißt es: "Der Mieter hat das Mietobjekt besichtigt und übernimmt es im derzeit vorhandenen Zustand. Er anerkennt ausdrücklich, dass es für die von ihm vorgesehenen Vertragszwecke in der vorliegenden Form geeignet ist."
4
Vor Abschluss des Mietvertrages hatte sich die Beklagte am 29. April 2003 nach Besichtigung des Mietobjektes in einem Schreiben an den Kläger mit der Überschrift "Einrichtungsskizze Ladenobjekt" unter anderem wie folgt geäußert : "Die gegebenen Örtlichkeiten entsprechen vom Boden, Kellerraum und der Holzvertäfelung nebst Säulen und den Säulenaufsätzen bereits den Vorgaben. …"
5
Beim Gewölbekeller handelt es sich um einen Kellerraum, dessen Wände und Decke gemauert, aber nicht verputzt sind. Aus den Zwischenräumen rieselt Sand.
6
Ab April 2004 zahlte die Beklagte anstelle von ursprünglich 777,20 € nur noch 291,95 € Miete im Monat mit der Begründung, dass der Gewölbekeller wegen Absandens nicht genutzt werden könne, und der Lastenaufzug defekt sei. Dies rechtfertige einen Mietabzug von 62,5 %. Der Kläger erklärte daraufhin wiederholt die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses wegen Zahlungsverzuges , zuletzt mit Schreiben vom 9. August 2004, 8. Oktober 2004 und 5. März 2005.
7
Das Amtsgericht hat die Beklagte zur Räumung und Herausgabe verurteilt. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe:

8
Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
9
1. Das Landgericht hat ausgeführt: Das Amtsgericht habe festgestellt, die Beklagte habe bei Vertragsschluss um das Absanden des Gewölbekellers gewusst. Die Beweiswürdigung des Amtsgerichts, die dieser Feststellung zugrunde liege, lasse keinen Fehler erkennen. Sie sei nicht widersprüchlich, laufe nicht den Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen zuwider und lasse auch nicht Teile des Beweisergebnisses ungewürdigt. Deshalb sei die Kammer an die Feststellungen des Amtsgerichts gebunden (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
10
Selbst wenn die Beklagte über das Absanden des Gewölbekellers nicht unterrichtet gewesen sein sollte, so sei ihr dieser Umstand jedenfalls infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben mit der Folge des Gewährleistungsausschlusses. Der Augenschein habe ergeben, dass Wände und Decken dieses alten Kellerraumes grob gemauert seien und die Fugen mit Mörtel und Sand und nur zum kleinen Teil mit Beton ausgefüllt seien. Das Fugenbild sei auffällig uneben, ungleichmäßig, porös und lückenhaft. Es springe ins Auge, dass sich immer wieder Fugenmaterial aus dem alten Gemäuer löse.
11
Im Übrigen sei dieser Punkt nicht geeignet, eine Minderung von mehr als 10 % zu rechtfertigen. Der Keller habe nicht als Verkaufsraum dienen sollen. Eine Kürzung der Miete um nahezu 2/3 lasse sich unter keinem Gesichtspunkt rechtfertigen. Von einem entschuldbaren Irrtum könne keine Rede sein. Die Kürzung um ein Vielfaches dessen, was sich bestenfalls rechtfertigen lasse, sei in augenfälliger Weise unverhältnismäßig und willkürlich. Mit der konkreten Nutzungsbeeinträchtigung , die mit dem Versanden des Gewölbekellers einherge- he, habe eine solche Kürzung der Miete nichts mehr zu tun. Deshalb sei die Beklagte mit der Zahlung schuldhaft in Verzug geraten. Ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten wegen des entgegen § 6 des Mietvertrages nicht auf ihren Namen angelegten Kautionsbetrages lasse sich nicht erkennen. Der Kläger habe durch Bankbestätigung nachgewiesen, dass er den Betrag auf einem gesonderten Sparkonto angelegt habe.
12
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht Stand.
13
a) Entgegen seiner Auffassung war das Berufungsgericht an die vom Amtsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht gebunden. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 162, 313, 315 ff.) hat das Berufungsgericht auch nach der zum 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Reform des Rechtsmittelrechts die erstinstanzliche Beweiswürdigung darauf zu überprüfen, ob konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Feststellungen unvollständig oder unrichtig sind. Anders als im Revisionsverfahren (§ 559 Abs. 2 ZPO) ist es dabei nicht auf Verfahrensfehler und Verstöße gegen die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze beschränkt.
14
Mit Erfolg macht die Revision geltend, dass die Beweiswürdigung des Amtsgerichts an Mängeln leide, die Zweifel an der Richtigkeit der getroffenen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
15
aa) Das Amtsgericht hat ausgeführt: "Wenn die Beklagte mit Schreiben vom 29. April 2003 erklärte, die gegebenen Örtlichkeiten würden vom Boden, Kellerraum und Holzvertäfelung der Vorgabe entsprechen, kann dies zumindest ein Indiz dafür sein, dass das Versanden der Beklagten bei Besichtigung der Räumlichkeiten auffallen musste und von ihr nicht als störend empfunden wurde."
16
Die vom Amtsgericht angenommene Indizwirkung kommt dem Schreiben aber nicht zu. Aus ihm ergibt sich nämlich weder, dass zum Zeitpunkt der Besichtigung Sand auf dem Boden lag, noch dass die Beklagte erkannt hat, dass Sand aus den Wänden rieselte. Das erkennt auch das Amtsgericht, wenn es im nächsten Satz ausführt: "Zuzugeben ist allerdings, dass der Kläger auch durch Säuberung des Kellerraumes, vor einer Besichtigung, die Möglichkeit gehabt hätte, den Keller in einen sandfreien Zustand zu bringen." Dennoch wertet das Amtsgericht das Schreiben der Beklagten vom 29. April 2003 als Indiz für die Kenntnis der Beklagten vom Absanden des Gewölbekellers.
17
bb) Das Amtsgericht hat den Satz in der Anlage 1 zum Mietvertrag: "Der Mieter hat das Objekt besichtigt und übernimmt es im derzeit vorhandenen Zustand" wegen der Wortwahl "derzeit vorhandenen Zustand" als Indiz dafür angesehen , dass der Beklagten das Versanden des Kellers bei Vertragsschluss bekannt war. Der Ausdruck "im derzeit vorhandenen Zustand" deute darauf hin, dass irgendein Mangel vorgelegen haben müsse; nachdem das Versanden der einzige gerügte Mangel des Mietobjektes sei, deute auch dies darauf hin, dass das Versanden bereits bei Vertragsabschluss bekannt gewesen sei.
18
Damit hat das Amtsgericht die Grenzen zulässiger Auslegung überschritten. Der gewählten Formulierung kommt die vom Amtsgericht angenommene Indizwirkung nicht zu. Die Formulierung findet sich in vielen Mietverträgen und dient der Beschreibung des Mietobjektes. Ein Hinweis auf verborgene Mängel oder gar darauf, dass dem Mieter solche bekannt gewesen seien, kann ihr nicht entnommen werden.
19
cc) Das Amtsgericht hat die Aussage des Zeugen B. , "nicht als glaubhaft" beurteilt, weil der Zeuge lediglich von einem Gespräch zwischen ihm und dem Kläger, nicht aber von sich aus von einem weiteren Gespräch zwi- schen den Parteien berichtet habe; danach habe er, auf das weitere Gespräch angesprochen, erklärt, die behauptete Äußerung sei nicht gefallen, ohne dass er über weitere Einzelheiten des Gesprächs berichtet habe.
20
Zu Recht rügt die Revision, dass dieses weitere Gespräch nicht Gegenstand des Beweisthemas war und nicht ersichtlich ist, dass das Gericht den Zeugen B. überhaupt nach weiteren Einzelheiten dieses Gesprächs gefragt hat. Wenn der Zeuge - ungefragt - zusätzliche, nicht zum Beweisthema gehörende Angaben unterlassen hat, dann spricht das allein nicht gegen die Glaubhaftigkeit seiner Aussage. Es kommt hinzu, dass das Amtsgericht ein wesentliches Indiz für die Glaubhaftigkeit der Aussage übersehen hat. Nach der Rüge der Beklagten, dass der Keller absande, kam es zu einer umfangreichen Korrespondenz zwischen den Parteien. Dabei hat der Kläger in keinem Schreiben erwähnt, dass er die Beklagte vor Vertragsschluss auf diesen Mangel hingewiesen habe. Erstmals in der Klageschrift macht der Kläger geltend, er habe die Beklagte im Rahmen der Vertragsverhandlungen auf die Absandung hingewiesen. Im Übrigen widerspricht es jeglicher Lebenserfahrung, dass ein Mieter Räume anmietet, in denen Sand von Wänden und Decken rieselt, ohne auf der Beseitigung dieses Mangels zu bestehen oder sich seine Rechte vorzubehalten.
21
b) Mit Erfolg wendet sich die Revision auch gegen die Hilfsbegründung des Landgerichts, dass der Beklagten, wenn sie nicht über das Absanden des Gewölbekellers unterrichtet worden sei, dieser Mangel infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben sei. In der Regel trifft den Mieter keine Erkundungs - und Untersuchungspflicht (BGH, Urteil vom 4. April 1977 - VIII ZR 143/75 - NJW 1977, 1236). Grob fahrlässig handelt er, wenn er die erforderliche Sorgfalt bei Vertragsschluss in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und dasjenige unbeachtet lässt, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (BGH, Urteil vom 28. November 1979 - VIII ZR 302/78 - NJW 1980, 777). Grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne des § 536b Satz 2 BGB ist anzunehmen, wenn die Umstände, die auf bestimmte Unzulänglichkeiten hindeuten, den Verdacht eines dadurch begründeten Mangels besonders nahelegen, der Mieter aber gleichwohl weitere zumutbare Nachforschungen unterlassen hat (SchmidtFutterer /Eisenschmid Mietrecht 9. Aufl. § 536b Rdn. 16). Dass bei der Besichtigung des Gewölbekellers Sand auf dem Boden lag, hat die Klägerin nicht behauptet und das Berufungsgericht nicht festgestellt. Dann bestand aber für die Beklagte kein Anlass, das Gewölbe daraufhin zu untersuchen, ob Sand aus Mauern und Decken rieseln könnte.
22
Zutreffend weist die Revision darauf hin, dass Gewährleistungsansprüche der Beklagten selbst dann nicht ausgeschlossen wären, wenn der Beklagten die Absandung infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben wäre, nämlich dann nicht, wenn der Kläger sie arglistig verschwiegen haben sollte. Denn unstreitig hatte der Kläger von dem Mangel Kenntnis. Das Verschweigen des die Gebrauchstauglichkeit der Mieträume beeinträchtigenden Absandens könnte arglistig sein (vgl. BGH, Urteil vom 14. Oktober 1993 - III ZR 156/92 - NJW 1994, 253 f.; Schmidt-Futterer/Eisenschmid aaO § 536d Rdn. 4) und würde dann entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts Gewährleistungsrechte der Beklagten nicht ausschließen (§ 536b Satz 2, 2. Halbs. BGB).
23
c) Zu Recht wendet sich die Revision auch gegen die weitere Hilfsbegründung des Landgerichts, ein Einbehalt von nahezu 2/3 der Miete lasse sich unter keinem Gesichtspunkt rechtfertigen; schon deshalb sei die Beklagte mit einem die fristlose Kündigung rechtfertigenden Teil der Miete in Verzug. Das Berufungsgericht hat nicht berücksichtigt, dass sich die Beklagte wegen der Mängel neben der Minderung auch auf ein Leistungsverweigerungsrecht beru- fen hat. Sie hat vorgetragen, dass die Beseitigung der bestehenden Mängel einen Aufwand von mehr als 10.000 € erfordere.
24
Der Anspruch des Mieters auf Erfüllung (§ 535 Abs. 1 Satz 2 BGB) besteht neben der Minderung und kann dem Vermieter nach § 320 BGB entgegengehalten werden (Senatsurteil vom 26. Februar 2003 - XII ZR 66/01 - NJW-RR 2003, 727 f.; Schmidt-Futterer/Eisenschmid aaO § 536b Rdn. 53, 54). Die Einrede des nicht erfüllten Vertrages hindert den Eintritt des Verzugs mit der Folge, dass eine außerordentliche Kündigung wegen Verzugs nicht möglich ist (BGHZ 84, 42, 44).
25
d) Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ist die Beklagte auch nicht wegen § 12 des Mietvertrages gehindert, sich gegenüber dem Mietzinsanspruch auf ein Zurückbehaltungsrecht zu berufen. Nach § 12 Abs. 1 des Mietvertrages war die Beklagte nur verpflichtet, die Absicht der Zurückbehaltung einen Monat vor Fälligkeit des Mietzinses anzuzeigen, wenn sie ein Zurückbehaltungsrecht wegen eines Schadenersatzanspruchs nach § 536a BGB geltend macht. Das ist hier nicht der Fall.
26
3. Der Senat ist nicht in der Lage abschließend zu entscheiden. Der Rechtsstreit muss an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, damit es die erforderlichen Feststellungen verfahrensfehlerfrei nachholt.
27
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
28
Sollte die Beweisaufnahme ergeben, dass die Beklagte den Mangel bei Abschluss des Vertrages gekannt hat, so wäre sie dadurch nicht gehindert, die Einrede des nicht erfüllten Vertrages zu erheben. Der Mieter kann den Erfüllungsanspruch aus § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB nämlich auch dann noch geltend machen, wenn die Minderung nach § 536b BGB ausgeschlossen ist (Emme- rich/Sonnenschein Miete 8. Aufl. § 536b Rdn. 2). Erfüllungsansprüche sind nur dann ausgeschlossen, wenn die Mietvertragsparteien einen bestimmten, bei Überlassung vorhandenen (schlechten) Zustand der Mietsache konkret als vertragsgemäß vereinbart haben (BGH, Urteil vom 20. Januar 1993 - VIII ZR 22/92 - NJW-RR 1993, 522 f.; Blank/Börstinghaus Miete 2. Aufl. § 536b BGB Rdn. 10). Dieser Schluss wird allerdings häufig gerechtfertigt sein, wenn der Mieter den Mietvertrag in positiver Kenntnis eines bestimmten Mangels abschließt , d.h. die Mietsache so, wie sie ist, akzeptiert (Emmerich/Sonnenschein aaO).
29
Grundsätzlich gewährt § 320 BGB ein Zurückbehaltungsrecht gegenüber dem gesamten Mietzinsanspruch. Allerdings kann der Mieter gegen Treu und Glauben verstoßen (§ 242 BGB), wenn er einen unangemessen hohen Teil der Miete einbehält. Was als angemessen zu gelten hat, ist in erster Linie eine Frage des tatrichterlichen Ermessens und hängt von den Umständen des Einzelfalles ab (BGH, Senatsurteil vom 26. März 2003 - XII ZR 167/01 - NZM 2003, 437). Dabei kann der Rechtsgedanke des § 536b BGB539 BGB a.F.) bei der Anwendung des § 320 Abs. 2 BGB herangezogen werden (BGH, Urteil vom 5. Juli 1989 - VIII ZR 334/88 - NJW 1989, 3222).
Sprick Fuchs Ahlt Vézina Dose

Vorinstanzen:
AG Waldshut-Tiengen, Entscheidung vom 06.04.2005 - 3 C 407/04 -
LG Waldshut-Tiengen, Entscheidung vom 15.07.2005 - 2 S 20/05 -

(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.

(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

(1) Durch den Mietvertrag wird der Vermieter verpflichtet, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache während der Mietzeit zu gewähren. Der Vermieter hat die Mietsache dem Mieter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten. Er hat die auf der Mietsache ruhenden Lasten zu tragen.

(2) Der Mieter ist verpflichtet, dem Vermieter die vereinbarte Miete zu entrichten.

(1) Hat die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt, oder entsteht während der Mietzeit ein solcher Mangel, so ist der Mieter für die Zeit, in der die Tauglichkeit aufgehoben ist, von der Entrichtung der Miete befreit. Für die Zeit, während der die Tauglichkeit gemindert ist, hat er nur eine angemessen herabgesetzte Miete zu entrichten. Eine unerhebliche Minderung der Tauglichkeit bleibt außer Betracht.

(1a) Für die Dauer von drei Monaten bleibt eine Minderung der Tauglichkeit außer Betracht, soweit diese auf Grund einer Maßnahme eintritt, die einer energetischen Modernisierung nach § 555b Nummer 1 dient.

(2) Absatz 1 Satz 1 und 2 gilt auch, wenn eine zugesicherte Eigenschaft fehlt oder später wegfällt.

(3) Wird dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache durch das Recht eines Dritten ganz oder zum Teil entzogen, so gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.

(4) Bei einem Mietverhältnis über Wohnraum ist eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung unwirksam.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 33/04 Verkündet am:
18. Oktober 2006
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
An der Rechtsprechung zur Verwirkung eines Rechts zur fristlosen Kündigung
wegen eines Sachmangels in entsprechender Anwendung des § 539 BGB a.F.
(vgl. Senatsurteil vom 31. Mai 2000 - XII ZR 41/98 - NJW 2000, 2663) wird unter
dem seit 1. September 2001 geltenden Mietrecht nicht mehr festgehalten.
Mit dem Mietrechtsreformgesetz ist die Grundlage für eine analoge Anwendung
des § 539 BGB a.F./§ 536 b BGB entfallen (Fortführung des Senatsbeschlusses
vom 16. Februar 2005 - XII ZR 24/02 - NZM 2005, 303 zur Frage des Minderungsrechts
).
BGH, Urteil vom 18. Oktober 2006 - XII ZR 33/04 - OLG Naumburg
LG Magdeburg
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. Oktober 2006 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter
Prof. Dr. Wagenitz, Fuchs, Dr. Ahlt und die Richterin Dr. Vézina

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 20. Januar 2004 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung eines gewerblichen Mietvertrages und über rückständige Mietzinsen.
2
Mit Vertrag vom 6. Dezember 1995 mietete die Beklagte von der Klägerin ein Grundstück mit 3.239 m² Gebäudefläche und 2.537 m² Verkehrsfläche zunächst bis 31. Dezember 2000. Am 12. September 2000 wurde die Mietzeit bis 31. Dezember 2005 verlängert. Mit Schreiben vom 3. Juli 2001, 27. Juli 2001 und 15. November 2001 zeigte die Beklagte der Klägerin an, dass es in der Halle 11 aufgrund der Undichtigkeit des Daches bei starken Regenfällen zu Über- schwemmungen komme und kündigte mit Schreiben vom 3. Juli 2002 das Mietverhältnis außerordentlich zum 30. September 2002 mit der Begründung, dass ihr die Klägerin die Nutzungsmöglichkeit für das Gebäude 14 entzogen habe. Den Mietzins zahlte die Beklagte bis September 2002 ohne Vorbehalt.
3
Das Landgericht hat der Klage auf Feststellung, dass das Mietverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten zum 30. September 2002 beendet worden sei, stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung rückständiger Miete in Höhe von 107.352 € nebst Zinsen verurteilt. Die Berufung, mit der die Beklagte in erster Linie die Wirksamkeit ihrer außerordentlichen Kündigung, hilfsweise die Aufrechnung mit Mietrückzahlungsansprüchen wegen Minderung geltend gemacht hat, ist ohne Erfolg geblieben. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe:

4
Die Revision der Beklagten führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
5
1. Das Oberlandesgericht führt aus, die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 3. Juli 2002 habe das Mietverhältnis nicht zum 30. September 2002 beendet. Zwar bedürfe die Kündigung im Bereich der gewerblichen Miete keiner Begründung. Jedoch berechtige die von der Beklagten im Kündigungsschreiben aufgeführte Vorenthaltung des Gebäudes 14 nicht zur außerordentlichen Kündigung gemäß § 543 BGB. Diese sei auch durch die im Kündigungsschreiben nicht erwähnte Undichtigkeit des Daches und die unzureichende Ka- pazität der Kanalisation sowie die dadurch entstandenen Schäden nicht gerechtfertigt.
6
Zutreffend habe das Landgericht ausgeführt, dass das Gebäude 14 lediglich 2 % der 5.776 m² großen Gesamtfläche betrage und es deshalb an einer erheblichen Gebrauchsbeeinträchtigung fehle.
7
In Bezug auf die Undichtigkeit des Daches liege zwar eine Entziehung im Sinne des § 543 Abs. 2 Satz 1 BGB vor. Es könne aber nicht festgestellt werden , dass die Fortsetzung des Mietverhältnisses für die Beklagte aus diesem Grunde nicht mehr zumutbar sei. Denn dieser Mangel sei der Beklagten bereits bei Abschluss des Mietvertrages bekannt gewesen. Zwar habe die Beklagte vorgetragen, dass der Mangel bis heute nicht behoben sei. Sie habe den Mangel aber über einen Zeitraum von sieben Jahren hingenommen, ohne das Mietverhältnis vorzeitig zu beenden. Gleiches gelte im Hinblick auf die behauptete unzureichende Kanalisation und die durch sie verursachten Wasserschäden. Auf diese habe die Beklagte mit Schreiben vom 15. November 2001 hingewiesen. Die außerordentliche Kündigung sei aber erst nach Ablauf von neun Monaten erfolgt.
8
Ferner sei nach § 542 BGB a.F. in Verbindung mit § 539 BGB a.F. bzw. § 543 Abs. 4 BGB in Verbindung mit § 536 b BGB zu berücksichtigen, dass die Beklagte trotz der aus ihrer Sicht bestehenden Gebrauchsbeeinträchtigungen die Miete bis einschließlich September 2002 vorbehaltlos gezahlt habe. Vor diesem Hintergrund habe das Landgericht zutreffend angenommen, dass etwaige Minderungsansprüche der Beklagten verwirkt seien. Selbst wenn die von der Beklagten behaupteten Zusagen im Rahmen der Verhandlungen zu den Nachträgen zuträfen, ändere dies nichts daran, dass die Beklagte mit der vorbehaltlosen Zahlung der Miete bis September 2002 bei der Klägerin das Ver- trauen hervorgerufen habe, sie werde wegen der Mängel keine Minderung geltend machen. Deshalb habe die Klägerin allenfalls damit rechnen müssen, dass die Beklagte auf einer Mängelbeseitigung bestehe, nicht aber, dass sie die Miete mindere. Für den vor dem 1. September 2001 liegenden Zeitraum (Inkrafttreten des Mietrechtsreformgesetzes) entspreche es einhelliger Auffassung, dass der Mieter sein Recht zur Minderung nach § 539 BGB a.F. (vorliegend: Undichtigkeit des Daches) bzw. in entsprechender Anwendung des § 539 BGB a.F. (vorliegend: Unzureichende Kanalisation und hierdurch verursachte Schäden) verliere, wenn er den Mietzins vorbehaltlos und ungemindert über einen Zeitraum von sechs Monaten gezahlt habe. Die Gewährleistungsrechte des Mieters seien damit für die Vergangenheit und die Zukunft ausgeschlossen, ohne dass ein weiterer Vertrauenstatbestand aufseiten des Vermieters bestehen müsse. Soweit der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs mit Urteil vom 16. Juli 2003 (- VIII ZR 274/02 - NJW 2003, 2601 f.) entschieden habe, dass ab dem 1. September 2001 ein Minderungsrecht des Mieters wieder auflebe, weil ein Mietzinsanspruch für jeden Monat neu entstehe, schließe sich das Berufungsgericht dieser Auffassung nicht an und gehe weiter davon aus, dass ein einmal verwirktes Recht jedenfalls so lange als erloschen anzusehen sei bzw. seine Geltendmachung ausgeschlossen sei, bis sich an den Umständen etwas ändere. Deshalb sei das Minderungsrecht wegen der streitgegenständlichen Mängel aufgrund der vorbehaltlosen Zahlung des Mietzinses von über sechs Monaten für die Zukunft und somit auch für den Zeitraum ab 1. September 2001 erloschen.
9
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
10
Mit Erfolg macht die Revision geltend, dass die vom Berufungsgericht angeführten Gründe den Ausschluss der außerordentlichen Kündigung nach § 543 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht tragen. Nach dieser Bestimmung liegt ein wichti- ger Grund für die außerordentliche Kündigung vor, wenn dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache nicht rechtzeitig gewährt oder wieder entzogen wird. Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass in der Undichtigkeit des Hallendaches eine Entziehung im Sinne dieser Vorschrift zu sehen ist. Soweit das Berufungsgericht allerdings meinen sollte , dass für die Beklagte die Fortsetzung des Mietverhältnisses deshalb nicht unzumutbar sei, könnte ihm nicht gefolgt werden. Zu Recht macht die Revision nämlich geltend, dass es nicht darauf ankommt, ob dem Mieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses zugemutet werden kann. Wenn einer der Tatbestände des § 543 Abs. 2 BGB vorliegt, ist eine Kündigung aus wichtigem Grund möglich. Die in § 543 Abs. 1 BGB genannten Voraussetzungen, wie etwa die Zumutbarkeit der Vertragsfortsetzung, müssen in diesem Falle nicht zusätzlich vorliegen (Schmidt-Futterer/Blank Mietrecht 8. Aufl. § 543 BGB Rdn. 3 m.w.N.; Kandelhardt/Herrlein Mietrecht 2. Aufl. § 543 Rdn. 3).
11
Die Ausführungen des Berufungsgerichts legen allerdings den Schluss nahe, dass es - entgegen der von ihm gewählten Formulierung - für eine außerordentliche Kündigung nach § 543 Abs. 2 BGB nicht ein zusätzliches Tatbestandsmerkmal der Unzumutbarkeit einführen wollte, sondern die Kündigung trotz Vorliegens der Voraussetzungen als "verwirkt" angesehen hat. Es unterliegt auch keinem Zweifel, dass das Recht der außerordentlichen Kündigung aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles verwirkt sein kann (Gramlich in Bub/Treier Handbuch des Geschäfts- und Wohnraummietrechts 3. Aufl. Kap. 6 Rdn. 117). Die Voraussetzungen dafür liegen aber entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts im Streitfall nicht vor.
12
a) Soweit das Berufungsgericht den Ausschluss des Kündigungsrechts damit begründet, dass der Beklagten die Undichtigkeit des Daches bereits vor Abschluss des Mietvertrages bekannt gewesen sei, sie das aber sieben Jahre hingenommen habe, ohne das Mietverhältnis zu kündigen, berücksichtigt es die Umstände nicht, warum die Beklagte die Mängel so lange hingenommen hat. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Klägerin vor Abschluss des Vertrages der Beklagten zugesagt, das Hallendach zu sanieren, und dann in den Jahren 1995 bis 2001 tatsächlich Sanierungsarbeiten durchgeführt. Nach dem Vorbringen der Beklagten, das revisionsrechtlich als zutreffend zu unterstellen ist, hat der Geschäftsführer der Klägerin bei sämtlichen Verhandlungen , die zum Abschluss der Nachtragsvereinbarungen geführt haben, zugesichert , dass die erforderlichen Arbeiten durchgeführt würden. Wenn die Beklagte unter diesen Umständen die zugesagten Sanierungsarbeiten abgewartet hat, kann das nicht zum Ausschluss des Kündigungsrechts durch Verwirkung führen. Im Gegenteil hätte sich die Beklagte den Vorwurf der unzulässigen Rechtsausübung gefallen lassen müssen, hätte sie trotz Kenntnis des Mangels bei Vertragsschluss und der erklärten Bereitschaft der Klägerin, diese Mängel zu beseitigen, das Ende der Sanierungsarbeiten nicht abgewartet.
13
b) Dass die Beklagte, obwohl nach ihrer Behauptung das Dach nach Abschluss der Arbeiten weiter undicht war und die Halle bei starken Regenfällen vollständig unter Wasser stand (Schreiben der Beklagten vom 3. Juli 2001) und zudem noch Wasser aus der Kanalisation die Halle überschwemmte (Schreiben der Beklagten vom 15. November 2001) erst am 3. Juli 2002 die außerordentliche Kündigung erklärte, erlaubt nicht die Annahme der Verwirkung. Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht hat und der Verpflichtete sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte, dass dieses Recht in Zukunft nicht geltend gemacht werde (BGHZ 84, 281). Zu dem Zeitablauf müssen besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde seine Ansprüche nicht mehr geltend machen.
14
Die Klägerin hatte keinen Anlass darauf zu vertrauen, die Beklagte werde nicht außerordentlich kündigen. Einen dahingehenden Anschein hat die Beklagte durch ihr Zuwarten nicht erweckt. Aufgrund der bisherigen Sanierungsbemühungen der Klägerin durfte die Beklagte davon ausgehen, dass die Klägerin nach den erneuten Überschwemmungen weitere Sanierungsmaßnahmen durchführen würde. Zum anderen war für die Klägerin ohne weiteres klar, dass der Beklagten eine ausreichende Frist zur Prüfung zugebilligt werden musste, ob sie einen geeigneten Ersatz für das bisherige Objekt mit einer Gebäudefläche von 3.239 m² und einer Verkehrsfläche von 2.537 m² finden konnte und eine Ersatzanmietung vornehmen wollte.
15
c) Der außerordentlichen Kündigung steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte die Miete bis einschließlich September 2002 vorbehaltlos gezahlt hat. Soweit das Berufungsgericht aus § 542 BGB a.F. in Verbindung mit § 539 BGB a.F. bzw. aus § 543 Abs. 4 BGB in Verbindung mit § 536 b BGB von einer Verwirkung ausgeht, kann ihm nicht gefolgt werden. Das Berufungsgericht hat seine Auffassung nicht näher begründet. Aus der unmittelbar folgenden Begründung , mit der das Berufungsgericht die Minderung ausgeschlossen hat, kann aber entnommen werden, dass es nicht nur die Minderung, sondern auch die außerordentliche Kündigung deshalb ausschließen wollte, weil nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Senatsurteil vom 31. Mai 2000 - XII ZR 41/98 - NJW 2000, 2663, 2664) bei vorbehaltloser Zahlung der vollen Miete über einen Zeitraum von sechs Monaten nicht nur das Recht auf Minderung, sondern auch das auf außerordentliche Kündigung ausgeschlossen war. An dieser Rechtsprechung kann aber unter dem seit 1. September 2001 geltenden Recht nicht festgehalten werden.
16
aa) Der VIII. Zivilsenat (Urteil vom 16. Juli 2003 aaO) hat für das Wohnraummietrecht und ihm folgend der erkennende Senat (Beschluss vom 16. Februar 2005 - XII ZR 24/02 - NZM 2005, 303) für die Geschäftsraummiete entschieden, dass für nach dem Inkrafttreten des Mietrechtsreformgesetzes fällig gewordene Mieten eine analoge Anwendung des § 536 b BGB, der an die Stelle des § 539 BGB a.F. getreten ist, ausscheidet. § 536 c BGB enthalte eine abschließende Regelung für nachträglich sich zeigende Mängel mit der Folge, dass für die Annahme einer planwidrigen Regelungslücke im Rahmen des § 536 c BGB und die dadurch eröffnete Möglichkeit einer Analogie zu § 536 b BGB kein Raum bleibe. Das gilt auch für Verträge, die vor dem 1. September 2001 abgeschlossen wurden. Soweit das Minderungsrecht nach dem 1. September 2001 nicht entsprechend der bisherigen Rechtsprechung zur analogen Anwendung des § 539 BGB a.F. erloschen ist, bleibt lediglich zu prüfen, ob der Mieter dieses Recht unter den strengen Voraussetzungen der Verwirkung (§ 242 BGB) oder des stillschweigenden Verzichts verloren hat.
17
bb) Ob das seit 1. September 2001 geltende Recht bei längerer vorbehaltloser Zahlung der Miete - wie bisher - auch das Recht der außerordentlichen Kündigung ausschließt, hat der Bundesgerichtshof noch nicht entschieden. Die Frage ist zu verneinen. Wenn nach dem Willen des Gesetzgebers eine planwidrige Regelungslücke nicht mehr angenommen werden kann mit der Folge, dass der Mieter nunmehr die Miete trotz längerer vorbehaltloser Zahlung wegen solcher Mängel (wieder) mindern kann, hinsichtlich derer er nach altem Recht die Minderungsbefugnis verloren hatte, dann kann für das Recht der außerordentlichen Kündigung nichts anderes gelten. Soweit das Berufungsgericht in seinen Ausführungen zum Minderungsrecht unter Heranziehung von Stimmen in der Literatur von der Entscheidung des VIII. Zivilsenat ausdrücklich abgewichen ist (die Entscheidung, mit der sich der erkennende Senat für den Bereich der Geschäftsraummiete dem VIII. Zivilsenat angeschlossen hat, ist erst nach der Entscheidung des Berufungsgerichts ergangen), kann ihm nicht gefolgt werden. Seine Auffassung, ein einmal verwirktes Recht sei jedenfalls so lange als erlo- schen anzusehen bzw. seine Geltendmachung sei ausgeschlossen, bis sich an den Umständen etwas ändere, berücksichtigt nicht ausreichend, dass seit dem 1. September 2001 eine wesentliche Änderung der Rechtslage eingetreten ist. Mit dem Mietrechtsreformgesetz ist - wie ausgeführt - die Grundlage für eine analoge Anwendung des § 539 BGB a.F./§ 536 b BGB entfallen. Da Übergangsvorschriften fehlen, gilt das neue Recht auch für "Altfälle", soweit über sie nicht rechtskräftig entschieden ist. Danach kann der Mieter in diesen Fällen seine Gewährleistungsrechte und auch das Recht der außerordentlichen Kündigung nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 536 c Abs. 2 BGB sowie dann, wenn der allgemeine Verwirkungstatbestand gegeben ist, verlieren (Schmidt-Futterer/Eisenschmid Mietrecht 8. Aufl. § 536 b BGB Rdn. 49, 50).
18
3. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden. Nach dem Vortrag der Klägerin hatte das Hallendach vor der Sanierung bei starken Regenfällen lediglich "geringfügige" Undichtigkeiten aufgewiesen. Im Jahre 2001 wurde das Dach total saniert. Es steht nicht fest, ob und ggf. in welchem Umfang das Dach zum Kündigungszeitpunkt noch undicht gewesen ist.
19
Die Klägerin hat nicht bestritten, dass durch den Bau der Halle 12 neben der Halle 11 durch die fehlende Regenwasserversickerung bei starken Regenfällen Regenwasser aus der Kanalisation in der Halle 11 hochgedrückt wird und dies seit Abschluss der Baumaßnahmen im Jahre 2001 zweimal geschehen ist. Die Behauptung der Beklagten, dass es durch die Wassereinbrüche zu Produktionsausfällen sowie kostspieligen Reparaturen gekommen sei, hat die Klägerin aber bestritten.
20
Daher bedarf es einer tatrichterlichen Würdigung, ob die behaupteten Mängel vorliegen und eine Kündigung nach § 543 Abs. 2 Satz 1 (BGB) rechtfertige. Eine unerhebliche Hinderung bzw. Vorenthaltung würde das Kündigungs- recht der Beklagten ausschließen (Schmidt-Futterer/Blank aaO § 543 Rdn. 37; Herrlein/Kandelhardt aaO § 543 Rdn. 42; Emmerich/Sonnenschein Miete 8. Aufl. § 543 Rdn. 19).
Hahne Wagenitz Fuchs Ahlt Vézina

Vorinstanzen:
LG Magdeburg, Entscheidung vom 16.07.2003 - 9 O 2464/02 -
OLG Naumburg, Entscheidung vom 20.01.2004 - 9 U 134/03 -

(1) Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Außerdem können nur die in § 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe b erwähnten Tatsachen berücksichtigt werden.

(2) Hat das Berufungsgericht festgestellt, dass eine tatsächliche Behauptung wahr oder nicht wahr sei, so ist diese Feststellung für das Revisionsgericht bindend, es sei denn, dass in Bezug auf die Feststellung ein zulässiger und begründeter Revisionsangriff erhoben ist.

Der Tatbestand des Urteils liefert Beweis für das mündliche Parteivorbringen. Der Beweis kann nur durch das Sitzungsprotokoll entkräftet werden.

(1) Enthält der Tatbestand des Urteils Unrichtigkeiten, die nicht unter die Vorschriften des vorstehenden Paragraphen fallen, Auslassungen, Dunkelheiten oder Widersprüche, so kann die Berichtigung binnen einer zweiwöchigen Frist durch Einreichung eines Schriftsatzes beantragt werden.

(2) Die Frist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils. Der Antrag kann schon vor dem Beginn der Frist gestellt werden. Die Berichtigung des Tatbestandes ist ausgeschlossen, wenn sie nicht binnen drei Monaten seit der Verkündung des Urteils beantragt wird.

(3) Das Gericht entscheidet ohne Beweisaufnahme. Bei der Entscheidung wirken nur diejenigen Richter mit, die bei dem Urteil mitgewirkt haben. Ist ein Richter verhindert, so gibt bei Stimmengleichheit die Stimme des Vorsitzenden und bei dessen Verhinderung die Stimme des ältesten Richters den Ausschlag. Eine Anfechtung des Beschlusses findet nicht statt. Der Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, wird auf dem Urteil und den Ausfertigungen vermerkt. Erfolgt der Berichtigungsbeschluss in der Form des § 130b, ist er in einem gesonderten elektronischen Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(4) Die Berichtigung des Tatbestandes hat eine Änderung des übrigen Teils des Urteils nicht zur Folge.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 334/04 Verkündet am:
8. Januar 2007
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Das "aus dem Berufungsurteil ersichtliche Parteivorbringen" (§ 559 Abs. 1
ZPO n.F.) erbringt nach § 314 ZPO Beweis für das mündliche Parteivorbringen
in der Berufungsinstanz. Dieser Beweis kann nur durch das Sitzungsprotokoll
, nicht jedoch durch den Inhalt der Schriftsätze entkräftet werden.

b) Selbst bei einem Widerspruch zwischen ausdrücklichen "tatbestandlichen"
Feststellungen und in Bezug genommenem Inhalt der vorbereitenden
Schriftsätze geht der "Tatbestand" vor.

c) Eine etwaige Unrichtigkeit tatbestandlicher Feststellungen im Berufungsurteil
kann nur im Berichtigungsverfahren nach § 320 ZPO, nicht jedoch mit einer
Verfahrensrüge nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO n.F. oder einer entsprechenden
Gegenrüge des Revisionsbeklagten behoben werden.
BGH, Urteil vom 8. Januar 2007 - II ZR 334/04 - OLG München
LG München I
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche
Verhandlung vom 8. Januar 2007 durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Kurzwelly, Kraemer, Prof. Dr. Gehrlein und
Caliebe

für Recht erkannt:
Das Versäumnisurteil vom 12. Juni 2006 wird aufrechterhalten. Die Klägerin trägt die weiteren Kosten des Revisionsverfahrens. Die durch die Nebenintervention verursachten weiteren Kosten werden der Streithelferin der Klägerin auferlegt. Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin verlangt aus einem mit der Beklagten zu 1 am 17. März 2000 geschlossenen Unternehmenskaufvertrag über den Erwerb sämtlicher von der Beklagten zu 1 gehaltenen Geschäftsanteile an der P. GmbH B. (im Folgenden: P. ) Schadensersatz von den Beklagten als Gesamtschuldnern, weil die Beklagte zu 1 entgegen der in dem Vertrag erteilten Zusicherung - für deren Erfüllung die Beklagte zu 2 zusätzlich die Garantie übernommen habe - die Stammeinlage von 950.000,00 DM aus einer Kapitalerhöhung bei der P. nicht wirksam geleistet habe.
2
Die P. gewährte auf der Grundlage einer Abrede vom 10. Januar 1995 der Beklagten zu 1, ihrer damaligen Alleingesellschafterin, am 24. Februar 1995 ein - bis 30. September 1995 rückzahlbares - verzinsliches Darlehen von 1 Mio. DM; bereits am 1. März 1995 überwies diese 950.000,00 DM an die P. unter Angabe des Verwendungszwecks "Kapitalerhöhung" zurück. Am 13. März 1995 beschloss die Gesellschafterversammlung der P. , das Stammkapital von 50.000,00 DM auf 1 Mio. DM zu erhöhen, wobei die - sofort bar zu leistende - neue Stammeinlage von 950.000,00 DM wiederum von der Beklagten zu 1 übernommen wurde. Die von der Beklagten zu 1 zuvor eingezahlten 950.000,00 DM wurden sodann bei der P. als Erhöhung der Stammeinlage verbucht. Nach den aus dem Berufungsurteil ersichtlichen Feststellungen - die denjenigen im Landgerichtsurteil entsprechen - zahlte die Beklagte zudem an die P. bis zum 17. März 2000 einen Betrag in Höhe der als Darlehen empfangenen Valuta von 1 Mio. DM in nicht näher bekannten Raten - am 13. Januar 1997 betrug die noch offene Restforderung 496.230,00 DM - vollständig zurück. Durch den notariellen Unternehmenskaufvertrag vom 17. März 2000 veräußerte die Beklagte zu 1 an die Klägerin sämtliche von ihr an der P. gehaltenen Geschäftsanteile zu einem Kaufpreis von 1,00 DM. In dem Vertrag sicherte die Beklagte zu 1 u.a. die vollständige Einzahlung des Stammkapitals zu und verpflichtete sich zum Schadensersatz für den Fall der Unrichtigkeit der gegebenen Zusicherungen; zusätzlich übernahm die Beklagte zu 2 die Garantie für die Erfüllung aller sich aus dem Vertrag ergebenden Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte zu 1.
3
Am 18. Oktober 2002 wurde auf Antrag der P. das vorläufige Insolvenzverfahren über deren Vermögen eröffnet. Nachdem der vorläufige Insolvenzverwalter am 28. Oktober 2002 die Klägerin zur Zahlung der - nach seiner Ansicht von der Beklagten zu 1 seinerzeit nicht wirksam erbrachten - Stammeinlage von 950.000,00 DM aufgefordert hatte, zahlte die Klägerin unter dem 16. Dezember 2002 den geforderten Betrag an die P. ; diese hatte bereits vorher den Antrag auf Insolvenzeröffnung zurückgenommen, woraufhin das Amtsgericht D. die Aufhebung der vorläufigen Insolvenzverwaltung angeordnet hatte.
4
Das Landgericht hat die Beklagten gesamtschuldnerisch zur Leistung von Schadensersatz in Höhe der verlangten 485.727,28 € (= 950.000,00 DM) verurteilt, im Übrigen jedoch wegen eines weitergehenden Leistungs- und Feststellungsbegehrens die Klage - rechtskräftig - abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Dagegen haben sich die Beklagten mit der - vom Senat zugelassenen - Revision gewandt, mit der sie ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiterverfolgt haben.
5
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 12. Juni 2006 war die Klägerin trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht vertreten. Durch Versäumnisurteil vom selben Tag (II ZR 334/04, ZIP 2006, 1633) hat der Senat unter Aufhebung des Berufungsurteils und unter Änderung des Landgerichtsurteils die Klage in vollem Umfang abgewiesen.
6
Gegen dieses Versäumnisurteil hat die Klägerin rechtzeitig Einspruch eingelegt, durch den sie mit einer verfahrensrechtlichen Gegenrüge die von dem Senat bei seiner die Klage abweisenden Entscheidung zugrunde gelegten tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts zu der bis zum 17. März 2000 durch die Beklagte zu 1 bewirkten vollständigen "Rückzahlung des Darlehens" im Umfang von 1 Mio. DM angreift.

Entscheidungsgründe:

7
Das auf einer Sachprüfung (BGHZ 37, 79, 82) beruhende Versäumnisurteil des Senats vom 12. Juni 2006 ist gemäß §§ 555, 343 ZPO aufgrund der neuen Verhandlung aufrechtzuerhalten, weil die von der Klägerin mit dem Ein- spruch erhobene verfahrensrechtliche Gegenrüge gegen die Richtigkeit der diesem Versäumnisurteil über die endgültige Abweisung der Klage zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsurteils (vgl. § 559 Abs. 1 und 2 ZPO) zur "vollständigen Rückzahlung des Darlehens" erfolglos bleibt.
8
I. Die Klägerin wendet sich mit ihrem Einspruch nicht gegen die - ihr günstige - Annahme des Senats, dass die Beklagte zu 1 die von ihr anlässlich der Kapitalerhöhung vom 13. März 1995 übernommene Einlageverbindlichkeit in Höhe von 950.000,00 DM nicht durch die ursprüngliche (Vor-)Einzahlung vom 1. März 1995 erfüllt hat, weil hierin eine sog. verdeckte Finanzierung aus Gesellschaftsmitteln in Form des "Her- und Hinzahlens" lag, bei dem unter dem Gesichtspunkt der Kapitalaufbringung der Inferent nichts geleistet und die Gesellschaft nichts erhalten hat und bei dem die in diesem Zusammenhang für die "Herzahlung" getroffene "Darlehensabrede" als Teil des Umgehungsgeschäfts unwirksam ist (vgl. Versäumnisurteil v. 12. Juni 2006 aaO Tz. 11, 12).
9
Die Klägerin beanstandet vielmehr allein, dass der Senat die offen gebliebene Einlageschuld der Beklagten zu 1 in Höhe von 950.000,00 DM aufgrund der vom Berufungsgericht als unstreitig festgestellten vollständigen, jedenfalls vor Abschluss des notariellen Unternehmenskaufvertrages vom 17. März 2000 bewirkten "Rückzahlung des Darlehens" in entsprechender Höhe als erfüllt angesehen hat. Zwar habe das Berufungsgericht - ebenso wie schon zuvor das Landgericht - festgestellt, dass die Beklagte zu 1 an die P. "das Darlehen von 1 Mio. DM in nicht näher bekannten Raten vollständig zurückgezahlt" habe; jedoch entspreche dies nicht dem - von den Beklagten zugestandenen - Vortrag der Klägerin im erstinstanzlichen Schriftsatz vom 3. September 2003, dass das Darlehen in Höhe von ca. 750.000,00 DM mit Forderungen der Beklagten zu 1 gegen die P. aus einem Ergebnisabführungsvertrag "über zwei Jahre hinweg" nach und nach verrechnet worden sei. Eine solche Ver- rechnung habe wegen Verstoßes gegen § 19 Abs. 5 GmbHG keine Erfüllungswirkung gehabt.
10
II. Die verfahrensrechtliche Gegenrüge (§ 286 ZPO) geht fehl.
11
Bei der von der Klägerin als unrichtig beanstandeten Feststellung des Berufungsgerichts über die "vollständige Rückzahlung des Darlehens" durch die Beklagte zu 1 "in nicht näher bekannten Raten" vor dem Abschluss des notariellen Kaufvertrages vom 17. März 2000 handelt es sich um aus dem Berufungsurteil ersichtliches (unstreitiges) Parteivorbringen i.S. des § 559 Abs. 1 ZPO, das als tatbestandliche Darstellung im Rahmen der Urteilsgründe an die Stelle des früheren förmlichen Tatbestandes des Berufungsurteils gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO n.F. getreten ist (vgl. nur MünchKommZPO(AB)/Wenzel 2. Aufl. § 559 Rdn. 2). Dieses "aus dem Berufungsurteil ersichtliche Parteivorbringen" - zu dem auch der in Bezug genommene Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils gehört - erbringt nach § 314 ZPO Beweis für das mündliche Parteivorbringen in der Berufungsinstanz (vgl. Musielak/Ball, ZPO 5. Aufl. § 559 Rdn. 15 m.w.Nachw.). Dieser Beweis kann nur durch das Sitzungsprotokoll, nicht jedoch durch den Inhalt der Schriftsätze entkräftet werden (BGHZ 140, 335, 339). Selbst bei einem Widerspruch zwischen ausdrücklichen "tatbestandlichen" Feststellungen und in Bezug genommenem Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze geht der "Tatbestand" vor. Eine etwaige Unrichtigkeit derartiger tatbestandlicher Darstellungen im Berufungsurteil kann nur im Berichtigungsverfahren nach § 320 ZPO behoben werden (st.Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 13. Juli 2000 - I ZR 49/98, WM 2000, 2070, 2072; BGH, Beschl. v. 26. März 1997 - IV ZR 275/96, NJW 1997, 1933; BGH, Urt. v. 3. März 1995 - V ZR 266/93, ZIP 1995, 961; BGH, Urt. v. 7. Dezember 1993 - VI ZR 74/93, NJW 1994, 517, 519 - jew. zu der inhaltsgleichen Vorgängervorschrift des § 561 ZPO a.F.). Eine Verfahrensrüge nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO oder - wie hier - eine entspre- chende verfahrensrechtliche Gegenrüge des Revisionsbeklagten, die auf ein im Berufungsurteil nur allgemein in Bezug genommenes schriftsätzliches Vorbringen gestützt wird, kommt zur Richtigstellung eines derartigen Mangels nicht in Betracht (vgl. auch Musielak/Ball aaO § 559 Rdn. 16; MünchKommZPO(AB)/ Wenzel aaO § 559 Rdn. 4 und § 551 Rdn. 23).
12
Da es im vorliegenden Fall hinsichtlich der tatbestandlichen Darstellung der unstreitigen vollständigen Rückzahlung des "Darlehens von 1 Mio. DM" durch die Beklagte zu 1 an die P. an einer Urteilsberichtigung nach § 320 ZPO fehlt, sind diese tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts für das weitere Verfahren bindend, §§ 314, 559 ZPO; der Senat hatte sie daher seiner Beurteilung im Rahmen der von ihm getroffenen abschließenden Revisionsentscheidung "in der Sache selbst" (§ 563 Abs. 3 ZPO) zugrunde zu legen.
13
Darauf, dass selbst unter Zugrundelegung des von der Klägerin als übergangen gerügten Vorbringens die dann seitens der Gesellschaft im Einvernehmen mit der Beklagten zu 1 als Inferentin durchgeführte Verrechnung des bestehen gebliebenen Bareinlageanspruchs mit "Neuforderungen" aus dem Ergebnisabführungsvertrag in Höhe von ca. 750.000,00 DM gemäß der insoweit einschlägigen Vorschrift des § 19 Abs. 2 Satz 2 GmbHG nach ständiger Senatsrechtsprechung (vgl. BGHZ 153, 107, 112; BGHZ 152, 37, 43 m.w.Nachw.) zulässig gewesen wäre, weil - mangels gegenteiligen Sachvortrags - diese fällig , liquide und vollwertig waren und eine solche spätere Verrechnung nicht bereits im Zeitpunkt der Begründung der ursprünglichen Einlageschuld abgesprochen war, kommt es danach nicht mehr an.
14
Damit hat es auch aufgrund der neuen mündlichen Verhandlung nach dem Einspruch bei der sachlich-rechtlichen Feststellung des Senats in dem Versäumnisurteil vom 12. Juni 2006 zu verbleiben, dass die Beklagte zu 1 durch die vom Berufungsgericht bindend festgestellte "Rückzahlung" von 1 Mio. DM bis zum 17. März 2000 auf die vermeintliche, wegen Verstoßes gegen die Kapitalaufbringungsvorschriften nicht wirksam begründete ("Darlehens" -)Schuld die offene Einlageverbindlichkeit erfüllt hat (vgl. dazu im Einzelnen : Versäumnisurteil v. 12. Juni 2006 aaO Tz. 13). Danach steht der Klägerin gegen die Beklagten ein Schadensersatzanspruch wegen angeblicher Verletzung der unternehmensvertraglichen Zusicherung über die vollständige Erbringung der Stammeinlagen bei der P. nicht zu.
Goette Kurzwelly Kraemer Gehrlein Caliebe
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 14.10.2003 - 16 HKO 9067/03 -
OLG München, Entscheidung vom 28.04.2004 - 7 U 5482/03 -