Bundesgerichtshof Urteil, 06. Dez. 2006 - XII ZR 190/06

bei uns veröffentlicht am06.12.2006
vorgehend
Amtsgericht Köln, 307 F 177/03, 28.10.2003
Oberlandesgericht Köln, 14 UF 235/03, 06.05.2004

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 190/06 Verkündet am:
6. Dezember 2006
Breskic,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Kindschaftssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Zur Unzulässigkeit einer bedingten Klage (Hilfsantrag) nach Prozesstrennung
in der Revisionsinstanz, wenn Haupt- und Hilfsantrag wegen eines gesetzlichen
Verbindungsverbots nicht hätten verbunden werden dürfen.

b) Auch dann, wenn das Berufungsgericht über den Hilfsantrag in der Sache
entschieden hat, kann dieser in der Revisionsinstanz nicht mehr zum Hauptantrag
erhoben werden (Fortführung von BGHZ 28, 136, 137).
BGH, Urteil vom 6. Dezember 2006 - XII ZR 190/06 - OLG Köln
AG Köln
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 6. Dezember 2006 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die
Richter Sprick, Weber-Monecke, Prof. Dr. Wagenitz und Dose

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 14. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Köln vom 6. Mai 2004 wird, soweit sie Gegenstand dieses Revisionsverfahrens ist (Hilfsantrag), auf Kosten des Klägers mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage insoweit unzulässig ist. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger hatte mit Jugendamtsurkunde vom 16. Januar 1984 anerkannt , Vater des am 12. September 1983 geborenen Beklagten (vormals: Beklagter zu 2) zu sein. Mit dessen Mutter (vormals: Beklagte zu 1), war er zu keinem Zeitpunkt verheiratet.
2
Inzwischen bezweifelt der Kläger seine biologische Vaterschaft und begehrte mit seiner am 28. August 2003 zugestellten Klage in erster Linie, den Beklagten und seine Mutter entsprechend einer von ihnen widerrufenen Einverständniserklärung vom 29. November 2001 zu verurteilen, "einen Vaterschaftstest nach den anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst durchzuführen, welcher darstellt, ob der Kläger der Vater des Beklagten ist oder nicht". Hilfsweise begehrt er mit seiner insoweit nur gegen den Beklagten erhobenen Klage, festzustellen , dass er nicht dessen Vater sei.
3
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht, dessen Entscheidung in FamRZ 2004, 1987 veröffentlicht ist, hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die zugelassene Revision des Klägers, mit der er sein Begehren weiterverfolgt.
4
Der Senat hat das vorliegende Revisionsverfahren von dem Verfahren über den Hauptantrag (XII ZR 97/04) gemäß § 145 Abs. 1 ZPO abgetrennt.

Entscheidungsgründe:

5
Die Revision, deren Gegenstand nach Prozesstrennung hier nur noch der Hilfsantrag ist, hat keinen Erfolg.

I.

6
Die Berufung des Klägers ist zulässig. Insbesondere konnte der Kläger sie zum Oberlandesgericht einlegen. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob für die Entscheidung über den Hauptantrag die allgemeine Zivilabteilung des Amtsgerichts zuständig gewesen wäre, gegen dessen Entscheidung dann Berufung zum Landgericht hätte eingelegt werden müssen (vgl. LG Berlin FamRZ 1978, 835, 836). Denn weil hier im ersten Rechtszug das Familiengericht entschieden hat, ergibt sich die Rechtsmittelzuständigkeit des Oberlandesgerichts aus § 119 Abs. 1 Nr. 1 a GVG (formelle Anknüpfung). Zur Entscheidung über das Rechtsmittel war folglich auch der Familiensenat des Oberlandesgerichts berufen (vgl. Musielak/Wittschier aaO § 119 GVG Rdn. 9 f.).

II.

7
Der Hauptantrag des Klägers ist erfolglos geblieben. Der Senat hat die Revision insoweit mit Urteil vom heutigen Tage (XII ZR 97/04) zurückgewiesen.
8
Die hilfsweise erhobene Klage ist unzulässig.
9
Die Klage ist als verfahrenseinleitender Akt streng bedingungsfeindlich, weil die Existenz eines Prozessrechtsverhältnisses zwischen den Parteien nicht ungewiss sein darf (vgl. Stein/Jonas/Schumann ZPO 21. Aufl. § 253 Rdn. 3). Deshalb ist es unzulässig, eine Klage unter einer Bedingung zu erheben, insbesondere der, dass ein anderes selbständiges Verfahren auf eine bestimmte Weise entschieden wird (MünchKomm/Lüke ZPO 2. Aufl. § 260 Rdn. 13). Sie wird auch nicht dadurch zulässig, dass diese Bedingung später eintritt.
10
Dies gilt auch dann, wenn die Bedingung zunächst nur als innerprozessuale Bedingung gewollt war, die im allgemeinen als zulässig anzusehen ist und erst durch eine erforderliche Prozesstrennung zu einer außerhalb des Verfahrens liegenden Bedingung wird. Ein Kläger, der eine Klage unzulässigerweise davon abhängig machen will, dass ein anderes Begehren erfolglos bleibt, kann die Zulässigkeit dieser Klage nicht dadurch erzwingen, dass er ein weiteres unzulässiges Ansinnen stellt, nämlich diese Bedingung dadurch zu einer innerprozessualen werden zu lassen, dass beide Begehren entgegen einem gesetzlichen Verbindungsverbot zu einem und demselben Verfahren verbunden werden. Hier besteht ein solches Verbindungsverbot nach § 640 c Abs. 1 Satz 1 ZPO. Zur näheren Begründung wird auf den Trennungsbeschluss des Senats vom 6. Dezember 2006 (- XII ZR 97/04 - zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen ) verwiesen.
11
1. Der Hilfsantrag des Klägers kann hier nicht schon für das Berufungsverfahren in eine unbedingte Prozesshandlung und damit in einen Hauptantrag umgedeutet werden, wie die Revision zu erwägen gibt. Der anwaltlich vertretene Kläger hat seinen Antrag im Schriftsatz vom 30. Juli 2003, "hilfsweise" festzustellen , dass er nicht der Vater des Beklagten sei, in einem weiteren Schriftsatz vom selben Tage als Hilfsantrag bezeichnet und in der mündlichen Verhandlung vor dem Familiengericht zunächst den "Hauptantrag" und sodann "hilfsweise" den Antrag aus seinem Schriftsatz vom 30. Juli 2003 gestellt. Das Familiengericht hat darüber als Haupt- und Hilfsantrag entschieden. In seiner Berufungsbegründung hat er diese Anträge unverändert im Verhältnis von Haupt- und Hilfsantrag wiederholt. Schon deshalb liegt eine dem Wortlaut zuwiderlaufende Auslegung fern.
12
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Argument der Revision, für die Auslegung des Hilfsantrages als (weiteren) Hauptantrag spreche, dass der Kläger ja ohnehin Vaterschaftsanfechtungsklage habe erheben müssen, weil dies unabdingbare Voraussetzung für sein Anliegen sei, keine Unterhaltsleistungen für den Beklagten mehr erbringen zu müssen.
13
Dieses Argument überzeugt nicht. Weil der Kläger seine Vaterschaft 1983 anerkannt hatte und seine jetzigen Zweifel nur auf anonyme Anrufe aus dem Jahre 2000 und das ihm daraufhin 2003 bewusst gewordene Fehlen einer äußerlichen Ähnlichkeit gründet, musste er auch mit der Möglichkeit rechnen, die von ihm in erster Linie gewünschte außergerichtliche Abstammungsbegutachtung könne seine Vaterschaft bestätigen. Dann liegt es aber nahe, dass er sich nur hilfsweise in einem gerichtlichen Kindschaftsverfahren Gewissheit verschaffen wollte, vorrangig aber diese Gewissheit durch ein außergerichtliches Abstammungsgutachten zu erlangen erstrebte. Wenn dieses seine Vaterschaft zweifelsfrei erwiesen hätte, hätte er vermutlich davon Abstand genommen, an- schließend doch noch eine kaum erfolgversprechende Anfechtungsklage anzustrengen , und sich mit seiner Unterhaltspflicht abgefunden. Hingegen hätte er bei einem Ausschluss seiner Vaterschaft oder bei durch das Gutachten belegten erheblichen Zweifeln daran eine solche Klage immer noch innerhalb der Anfechtungsfrist des § 1600 b Abs. 1 BGB erheben können. Denn anonyme Anrufe, deren Inhalt nach seinem eigenen Vortrag in der Mitteilung bestand, dass er nicht der Vater des Beklagten sei, sind nach der Rechtsprechung des Senats ersichtlich keine Umstände, die bei sachlicher Beurteilung geeignet waren , Zweifel an seiner Vaterschaft zu erwecken und die nicht ganz fern liegende Möglichkeit seiner Nichtvaterschaft zu begründen (vgl. BGHZ 61, 195, 197). Die Frist des § 1600 b Abs. 1 BGB konnte somit nicht schon im Jahre 2000 zu laufen begonnen haben.
14
2. Die Klage ist auch nicht dadurch zulässig geworden, dass der Kläger seinen bisherigen Hilfsantrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nunmehr ausdrücklich als Hauptantrag gestellt hat.
15
Die von Stein/Jonas/Schumann (ZPO 21. Aufl. § 260 Rdn. 53) aufgezeigte Möglichkeit, einer Abweisung als unzulässig durch Fallenlassen der Bedingung zu entgehen, besteht in der Revisionsinstanz nicht mehr. Dort kann ein Hilfsantrag nicht mehr zum Hauptantrag erhoben werden, weil darin eine Klageänderung liegt, die in der Revision nicht mehr statthaft ist (BGHZ 28, 136, 137 m. zust. Anm. Fischer LM § 561 ZPO Nr. 20 in einem Fall, in dem das Berufungsgericht über den Hilfsantrag sachlich nicht entschieden hatte; BFHE 137, 478 in einem Fall, in dem das Berufungsgericht - wie hier - auch den Hilfsantrag als unbegründet abgewiesen hatte; Wieczorek/Schütze/Prütting ZPO 3. Aufl. § 559 Rdn. 34; Gottwald, Die Revisionsinstanz als Tatsacheninstanz S. 371; a.A. Schiller, Die Klageänderung in der Revisionsinstanz in Zivilsachen S. 60, 180 f.). Insoweit handelt es sich nämlich um eine Klageänderung im Sinne einer Klageerweiterung, weil die zuvor nur alternativ geltend gemachten Klagebegehren nunmehr kumulativ verfolgt werden. Das übersieht Schiller (aaO. S. 180) bei seiner Argumentation, der Beklagte habe sich bereits in den Tatsacheninstanzen gegen den Hilfsantrag verteidigen können und mit einem rechtskräftigen Urteil darüber rechnen müssen. Mit einer Verurteilung sowohl auf den Haupt- als auch auf den Hilfsantrag hin brauchte er nicht zu rechnen.
16
Das Revisionsgericht kann einer Partei nicht mehr zusprechen, als sie in der Berufungsinstanz zuletzt beantragt hatte. Das begehrt der Kläger aber hier, wenn er seinen bisherigen Hilfsantrag zum (weiteren) Hauptantrag erhebt. Die Zulässigkeit eines solchen Begehrens kann auch nicht davon abhängen, in welchem Umfang es begründet wäre. Daraus folgt zugleich, dass das Revisionsgericht bei seiner Entscheidung über die nach § 145 Abs. 1 ZPO getrennten Ansprüche keine bestimmte Reihenfolge zu beachten hat.
Hahne Sprick Weber-Monecke Wagenitz Dose Vorinstanzen:
AG Köln, Entscheidung vom 28.10.2003 - 307 F 177/03 -
OLG Köln, Entscheidung vom 06.05.2004 - 14 UF 235/03 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 06. Dez. 2006 - XII ZR 190/06

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 06. Dez. 2006 - XII ZR 190/06

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 561 Revisionszurückweisung


Ergibt die Begründung des Berufungsurteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 145 Prozesstrennung


(1) Das Gericht kann anordnen, dass mehrere in einer Klage erhobene Ansprüche in getrennten Prozessen verhandelt werden, wenn dies aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist. Die Entscheidung ergeht durch Beschluss und ist zu begründen. (2) Das Gl
Bundesgerichtshof Urteil, 06. Dez. 2006 - XII ZR 190/06 zitiert 6 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 561 Revisionszurückweisung


Ergibt die Begründung des Berufungsurteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 145 Prozesstrennung


(1) Das Gericht kann anordnen, dass mehrere in einer Klage erhobene Ansprüche in getrennten Prozessen verhandelt werden, wenn dies aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist. Die Entscheidung ergeht durch Beschluss und ist zu begründen. (2) Das Gl

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 119


(1) Die Oberlandesgerichte sind in Zivilsachen zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel: 1. der Beschwerde gegen Entscheidungen der Amtsgerichte a) in den von den Familiengerichten entschiedenen Sachen;b) in den Angelegenh

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Bundesgerichtshof Urteil, 06. Dez. 2006 - XII ZR 190/06 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 06. Dez. 2006 - XII ZR 190/06 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 06. Dez. 2006 - XII ZR 97/04

bei uns veröffentlicht am 06.12.2006

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL XII ZR 97/04 Verkündet am: 6. Dezember 2006 Breskic, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in Sachen Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB
3 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 06. Dez. 2006 - XII ZR 190/06.

Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Dez. 2006 - XII ZR 97/04

bei uns veröffentlicht am 06.12.2006

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZR 97/04 Verkündet am: 6. Dezember 2006 Breskic, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in Sachen Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja ZPO §§ 145 Abs. 1, 26

Landesarbeitsgericht Düsseldorf Urteil, 30. Aug. 2016 - 14 Sa 274/16

bei uns veröffentlicht am 30.08.2016

Tenor 1.Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 17.03.2016 wird kostenpflichtig zurückgewiesen. 2.Die Revision wird zugelassen. 1T A T B E S T A N D : 2Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch darübe

Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Mai 2015 - X ARZ 61/15

bei uns veröffentlicht am 19.05.2015

Tenor Zuständiges Gericht für den abgetrennten Teil des Klagebegehrens ist das Arbeitsgericht Berlin. Gründe 1

Referenzen

(1) Das Gericht kann anordnen, dass mehrere in einer Klage erhobene Ansprüche in getrennten Prozessen verhandelt werden, wenn dies aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist. Die Entscheidung ergeht durch Beschluss und ist zu begründen.

(2) Das Gleiche gilt, wenn der Beklagte eine Widerklage erhoben hat und der Gegenanspruch mit dem in der Klage geltend gemachten Anspruch nicht in rechtlichem Zusammenhang steht.

(3) Macht der Beklagte die Aufrechnung einer Gegenforderung geltend, die mit der in der Klage geltend gemachten Forderung nicht in rechtlichem Zusammenhang steht, so kann das Gericht anordnen, dass über die Klage und über die Aufrechnung getrennt verhandelt werde; die Vorschriften des § 302 sind anzuwenden.

(1) Die Oberlandesgerichte sind in Zivilsachen zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel:

1.
der Beschwerde gegen Entscheidungen der Amtsgerichte
a)
in den von den Familiengerichten entschiedenen Sachen;
b)
in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit mit Ausnahme der Freiheitsentziehungssachen und der von den Betreuungsgerichten entschiedenen Sachen;
2.
der Berufung und der Beschwerde gegen Entscheidungen der Landgerichte.

(2) § 23b Absatz 1, 2 und 3 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) In Zivilsachen sind Oberlandesgerichte ferner zuständig für die Verhandlung und Entscheidung von Musterfeststellungsverfahren nach Buch 6 der Zivilprozessordnung im ersten Rechtszug. Ein Land, in dem mehrere Oberlandesgerichte errichtet sind, kann durch Rechtsverordnung der Landesregierung einem Oberlandesgericht die Entscheidung und Verhandlung für die Bezirke mehrerer Oberlandesgerichte oder dem Obersten Landesgericht zuweisen, sofern die Zuweisung für eine sachdienliche Förderung oder schnellere Erledigung der Verfahren zweckmäßig ist. Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 97/04 Verkündet am:
6. Dezember 2006
Breskic,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in Sachen
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 133 C, 157 Gi
Zur Auslegung der schriftsätzlich erklärten Bereitschaft, sich einer außergerichtlichen
Abstammungsbegutachtung zu unterziehen, als rechtlich bindende Verpflichtungserklärung.
BGH, Urteil vom 6. Dezember 2006 - XII ZR 97/04 - OLG Köln
AG Köln
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 6. Dezember 2006 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die
Richter Sprick, Weber-Monecke, Prof. Dr. Wagenitz und Dose

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 14. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Köln vom 6. Mai 2004 wird, soweit sie noch Gegenstand dieses Revisionsverfahrens ist (Hauptantrag), auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger hatte mit Jugendamtsurkunde vom 16. Januar 1984 anerkannt , Vater des am 12. September 1983 geborenen Beklagten zu 2 zu sein. Mit dessen Mutter, der Beklagten zu 1, war er zu keinem Zeitpunkt verheiratet.
2
Inzwischen bezweifelt der Kläger seine biologische Vaterschaft und begehrt mit seiner am 28. August 2003 zugestellten Klage in erster Linie, die Beklagten entsprechend einer von ihnen widerrufenen Einverständniserklärung vom 29. November 2001 zu verurteilen, "einen Vaterschaftstest nach den anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst durchzuführen, welcher darstellt, ob der Kläger der Vater des Beklagten zu 2 ist oder nicht". Hilfsweise begehrt er mit seiner insoweit nur gegen den Beklagten zu 2 erhobenen Klage, festzustellen, dass er nicht dessen Vater sei.
3
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht, dessen Entscheidung in FamRZ 2004, 1987 veröffentlicht ist, hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die zugelassene Revision des Klägers, mit der er sein Begehren weiterverfolgt.
4
Der Senat hat das Revisionsverfahren, soweit es den Hilfsantrag betrifft, gemäß § 145 Abs. 1 ZPO abgetrennt.

Entscheidungsgründe:

5
Die Revision, deren Gegenstand nach Prozesstrennung hier nur noch der Hauptantrag ist, hat keinen Erfolg.

I.

6
Die Berufung des Klägers ist zulässig. Insbesondere konnte der Kläger sie zum Oberlandesgericht einlegen. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob für die Entscheidung über den Hauptantrag die allgemeine Zivilabteilung des Amtsgerichts zuständig gewesen wäre, gegen dessen Entscheidung dann Berufung zum Landgericht hätte eingelegt werden müssen (vgl. LG Berlin FamRZ 1978, 835, 836). Denn weil hier im ersten Rechtszug das Familiengericht entschieden hat, ergibt sich die Rechtsmittelzuständigkeit des Oberlandesgerichts aus § 119 Abs. 1 Nr. 1 a GVG (formelle Anknüpfung). Zur Entscheidung über das Rechtsmittel war folglich auch der Familiensenat des Oberlandesgerichts berufen (vgl. Musielak/Wittschier aaO § 119 GVG Rdn. 9 f.).

II.

7
Die Ansicht des Berufungsgerichts, die Beklagten seien ungeachtet ihrer Erklärung, zur Mitwirkung an einer Vaterschaftsbegutachtung bereit zu sein, hierzu nicht verpflichtet, hält der rechtlichen Prüfung und den Angriffen der Revision zumindest im Ergebnis stand.
8
1. Zutreffend verneint das Berufungsgericht eine gesetzliche Verpflichtung der Beklagten, eine Vaterschaftsbegutachtung "durchzuführen". Eine gesetzliche Pflicht, genetisches Material des eigenen Körpers bereitzustellen, einem Sachverständigen zu übergeben und diesen mit einer Abstammungsfeststellung zu beauftragen, kennt das deutsche Recht nicht. Selbst wenn man den Klageantrag in sinnvoller Weise dahin auslegt, dass lediglich die Duldung der Entnahme und Untersuchung solchen Materials begehrt wird, ergibt sich hier nichts anderes. Eine solche Duldungspflicht besteht nach § 372 a Abs. 1 ZPO erst, wenn und soweit dies im Rahmen einer gerichtlichen Beweisanordnung erforderlich und dem Betroffenen und seinen in § 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ZPO bezeichneten Angehörigen zumutbar ist. Eine solche gerichtliche Beweisanordnung ist hier nicht getroffen worden.
9
2. Es bedarf hier auch keiner Entscheidung über die vom Berufungsgericht letztlich offen gelassene Frage, ob es überhaupt möglich ist, sich durch Rechtsgeschäft, sei es durch Vertrag mit oder ohne nachfolgendes deklaratorisches Anerkenntnis oder gegebenenfalls auch durch konstitutives Anerkenntnis , zur Mitwirkung an einer Vaterschaftsfeststellung oder zur Duldung der hierzu erforderlichen Maßnahmen wirksam zu verpflichten.
10
Gegen die Wirksamkeit einer solchen Verpflichtung spricht allerdings, dass höchstpersönliche, der freien Selbstbestimmung vorbehaltene Verhaltensweisen unter Umständen schon ihrem Wesen nach einer rechtsgeschäftli- chen Bindung entzogen sind, zumindest aber als unwiderrufliche Selbstbindung gegen die guten Sitten verstoßen können (vgl. Staudinger/Sack BGB [2003] § 138 Rdn. 464; Soergel/Hefermehl BGB 13. Aufl. § 138 Rdn. 21; BGH, Urteil vom 17. April 1986 - IX ZR 200/85 - FamRZ 1986, 773, 775: Unverbindlichkeit der Zusage der Einnahme empfängnisverhütender Mittel).
11
Andererseits hat das Bundesverfassungsgericht nicht in Frage gestellt, dass eine freiwillige Preisgabe persönlicher Informationen auch in Gestalt der Eingehung einer vertraglichen Verpflichtung oder Obliegenheit erfolgen kann, solche Informationen seinem Vertragspartner mitzuteilen oder Dritte zu derartigen Mitteilungen zu ermächtigen. Es hat dies damit begründet, der Vertrag sei das maßgebliche Instrument zur Verwirklichung freien und eigenverantwortlichen Handelns in Beziehung zu anderen. Der in ihm zum Ausdruck gebrachte übereinstimmende Wille der Vertragsparteien lasse in der Regel auf einen sachgerechten Interessenausgleich schließen, den der Staat grundsätzlich zu respektieren habe (BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. Oktober 2006 - 1 BvR 2027/02 - [juris], zur Veröffentlichung bestimmt).
12
3. Ebenfalls kann hier offen bleiben, ob die seine Entscheidung tragende Ansicht des Berufungsgerichts zutrifft, eine gegebenenfalls wirksame rechtliche Verpflichtung zur Offenbarung persönlicher genetischer Informationen sei jedenfalls frei widerruflich, weil ein auch für die Zukunft bindender Verzicht auf das informationelle Selbstbestimmungsrecht nicht möglich sei.
13
4. Das Berufungsgericht hat nämlich wegen dieser Rechtsauffassung von einer Auslegung der Einverständniserklärung vom 29. November 2001 abgesehen und den Vertragscharakter dieser Abrede unterstellt. Das Revisionsgericht kann diese Auslegung daher selbst vornehmen, da hierzu weitere Feststellungen nicht erforderlich sind (vgl. BGHZ 65, 107, 112; 109,19, 22). Diese Auslegung ergibt, dass die Erklärung vom 29. November 2001, wie vom Familiengericht zutreffend erkannt, lediglich eine Absichtserklärung im Sinne der Ankündigung eines künftigen tatsächlichen Verhaltens darstellte, weil die Beklagten sich nicht in rechtsgeschäftlich bindender Weise verpflichten wollten und der Kläger dies auch nicht so verstehen durfte.
14
a) Der vorgerichtliche Schriftsatz der späteren erst- und zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 29. November 2001, mit dem sie zunächst die Vertretung (nur) des bereits volljährigen späteren Beklagten zu 2 anzeigte, nahm "für unseren Mandanten" Stellung zu einer schriftsätzlichen Anfrage des späteren Prozessbevollmächtigten des Klägers, ob die Beklagten zur Durchführung einer Blutgruppenanalyse "bereit" seien, und beantwortete sie zunächst dahingehend, der Beklagte zu 2 sei nicht bereit, (vorab) seine Blutgruppe bekannt zu geben.
15
Schon aus dem Wortlaut dieser Anfrage ist ersichtlich, dass der Kläger weder auf Abschluss eines Vertrages antrug noch eine selbständige Verpflichtungserklärung der Beklagten begehrte.
16
b) Der nächste Absatz des Schriftsatzes vom 29. November 2001, dessen weiterer Inhalt sich im Übrigen nur mit der zur Höhe streitigen Unterhaltsverpflichtung des Klägers gegenüber dem Beklagten zu 2 befasst, lautet wie folgt:
17
"Wenn Ihr Mandant Interesse an der Feststellung der Vaterschaft hat, wird sich unser Mandant selbstverständlich nicht sträuben. Sowohl er als auch Frau H.-R. [= Beklagte zu 1] erklären sich ausdrücklich damit einverstanden, dass ein Sachverständigengutachten über die Vaterschaft eingeholt wird. Unser Mandant und seine Mutter werden sich auch allen erforderlichen ärztlichen Un- tersuchungen unterziehen. Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass Ihre Partei die Kosten des Gutachtens übernimmt."
18
Auch dem Wortlaut dieser Erklärung lässt sich kein Hinweis auf ein Vertragsangebot oder ein konstitutives Schuldanerkenntnis entnehmen, mit dem eine rechtliche Verpflichtung eingegangen werden sollte. Sie enthält lediglich die Wiedergabe der Erklärung, dass die Beklagten mit dem vom Kläger beabsichtigten weiteren Vorgehen ausdrücklich einverstanden sind, und die tatsächliche Ankündigung der hierfür erforderlichen Mitwirkung. Auch die Bekräftigung durch das Wort "ausdrücklich" ist nicht geeignet, aus einer solchen tatsächlichen Ankündigung eine rechtliche Verpflichtung entstehen zu lassen.
19
Dies gilt um so mehr, als die Prozessbevollmächtigte der Beklagten diese Erklärung nicht etwa als eigene Erklärung im Namen des Beklagten zu 2, dessen Vertretung sie anzeigte, und zugleich auch im Namen der Beklagten zu 1 abgab, von der ebenfalls bevollmächtigt zu sein sie nicht einmal behauptet hat. Die den Schriftsatz einleitende ausdrückliche Anzeige, die Interessen des Beklagten zu 2 zu vertreten, mit dem weiteren Hinweis, dessen Vollmacht sei in der Anlage beigefügt, war vielmehr auch vom Kläger nur so zu verstehen, dass eine Vollmacht der Beklagten zu 1 (noch) nicht vorlag. Dann kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass die Prozessbevollmächtigte der Beklagten die Einverständniserklärung selbst, und zwar namens der Beklagten zu 1 als vollmachtlose Vertreterin, abgeben wollte und dies nur ungenau formuliert hat. Eine derartige Vorwegnahme der Erklärung einer Partei durch eine Rechtsanwältin , die von dieser Partei nicht mandatiert ist, wäre selbst dann ungewöhnlich , wenn der Beklagte zu 2 ihr zuvor versichert haben sollte, auch die Beklagte zu 1 habe ihr Einverständnis mit einer Abstammungsbegutachtung erklärt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn mit dieser Erklärung zugleich eine rechtlich bindende Verpflichtung von offensichtlich erheblicher, auch statusrechtlicher Tragweite hätte begründet werden sollen.
20
c) Erweist sich diese Passage im Schriftsatz vom 29. November 2001 somit aber lediglich als Mitteilung einer früher geäußerten Bereitschaft beider Beklagten, ohne dass zugleich die näheren Umstände dieser Äußerung (Zeitpunkt , Schriftlichkeit, Erklärungsempfänger) genannt werden, konnte und durfte der Kläger darin kein konstitutives Anerkenntnis einer rechtlichen Verpflichtung erblicken.
21
Nichts anderes gilt, wenn die in diesem Schriftsatz zur Unterhaltsfrage abgegebene Bekundung, "die Angelegenheit" einvernehmlich regeln zu wollen, auch auf die Frage der Abstammungsbegutachtung bezogen wird. Auch im Falle eines erstrebten, aber noch zu erzielenden Einvernehmens über alle zu regelnden Fragen liegt es eher fern, eine Erklärung, hinsichtlich eines Einzelpunktes zu einem bestimmten künftigen Verhalten bereit zu sein, nicht als Bekundung einer bloßen Absicht, sondern bereits als endgültige und sogleich rechtsverbindliche einseitige Vorausverpflichtung zu verstehen.
22
Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers gegen die Abweisung seines Hauptantrages daher zu Recht zurückgewiesen.
Hahne Sprick Weber-Monecke Wagenitz Dose

Vorinstanzen:
AG Köln, Entscheidung vom 28.10.2003 - 307 F 177/03 -
OLG Köln, Entscheidung vom 06.05.2004 - 14 UF 235/03 -

Ergibt die Begründung des Berufungsurteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

(1) Das Gericht kann anordnen, dass mehrere in einer Klage erhobene Ansprüche in getrennten Prozessen verhandelt werden, wenn dies aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist. Die Entscheidung ergeht durch Beschluss und ist zu begründen.

(2) Das Gleiche gilt, wenn der Beklagte eine Widerklage erhoben hat und der Gegenanspruch mit dem in der Klage geltend gemachten Anspruch nicht in rechtlichem Zusammenhang steht.

(3) Macht der Beklagte die Aufrechnung einer Gegenforderung geltend, die mit der in der Klage geltend gemachten Forderung nicht in rechtlichem Zusammenhang steht, so kann das Gericht anordnen, dass über die Klage und über die Aufrechnung getrennt verhandelt werde; die Vorschriften des § 302 sind anzuwenden.