Bundessozialgericht Urteil, 17. Dez. 2013 - B 11 AL 15/12 R

bei uns veröffentlicht am17.12.2013

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 14.6.2012 geändert. Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 15.3.2011 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte dem Kläger nur weitere 285,60 Euro zu zahlen hat. Im Übrigen wird die Revision des Klägers zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger 85 vom Hundert der Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe der von der Beklagten dem Kläger zu erstattenden Aufwendungen für die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren.

2

Die Beklagte, die über das zuständige Hauptzollamt von Ermittlungen gegen den Kläger wegen des Verdachts auf Leistungsmissbrauch erfahren hatte, erließ dem Kläger gegenüber einen Bescheid vom 11.9.2006, mit dem sie unter Hinweis auf eine angeblich nicht angezeigte selbständige Tätigkeit die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit ab 2.7.2003 aufhob und Erstattung von Alg und von Beiträgen in der Gesamthöhe von 9132,32 Euro verlangte.

3

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger durch seinen bevollmächtigten Rechtsanwalt Widerspruch. Nach Akteneinsicht teilte der Bevollmächtigte des Klägers der Beklagten mit, es sei unzutreffend, dass der Kläger im streitigen Zeitraum eine selbständige Tätigkeit ausgeübt habe; da die Entscheidung im Widerspruchsverfahren nicht unabhängig von dem noch laufenden Strafverfahren, in dem der Kläger durch einen anderen Rechtsanwalt vertreten werde, getroffen werden könne, werde angeregt, das Verfahren bis zum Ausgang des Strafverfahrens ruhend zu stellen. Die Beklagte ließ daraufhin das Widerspruchsverfahren ruhen. Nachdem der Bevollmächtigte der Beklagten im Oktober 2007 das vollständige Urteil des Amtsgerichts (AG) K. vorgelegt hatte, aus dem sich ergab, dass der Kläger freigesprochen worden war, nahm die Beklagte mit Abhilfebescheid vom 19.10.2007 den Bescheid vom 11.9.2006 zurück und erklärte sich bereit, die Kosten im notwendigen Umfang zu erstatten. Außerdem teilte die Beklagte dem Bevollmächtigten mit, es sei notwendig gewesen, dass er als Rechtsanwalt bevollmächtigt worden sei.

4

Von den in Rechnung gestellten Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von insgesamt 706,27 Euro, in denen auch eine Erledigungsgebühr von 280 Euro zuzüglich 19 % Umsatzsteuer, insgesamt 333,20 Euro, nach Nr 1002, 1005 des Vergütungsverzeichnisses (VV) zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) enthalten war, erstattete die Beklagte lediglich einen Betrag in Höhe von 373,07 Euro (706,27 abzüglich 333,20 Euro). Der von der Beklagten anerkannte Betrag setzte sich zusammen aus der Geschäftsgebühr nach Nr 2400 VV in Höhe von 280 Euro, der Postpauschale von 20 Euro nach Nr 7002 VV, der Dokumentenpauschale von 13,50 Euro nach Nr 7000 VV und der Umsatzsteuer von 53,97 Euro nach Nr 7008 VV (Bescheid vom 30.11.2007). Der Widerspruch des Klägers, mit dem dieser die Erstattung weiterer 333,20 Euro begehrte, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 12.12.2007).

5

Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte unter Abänderung der ergangenen Bescheide verurteilt, an den Kläger weitere 333,20 Euro zu zahlen (Gerichtsbescheid vom 15.3.2011).

6

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) die Berufung gemäß § 144 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zugelassen(Beschluss vom 9.3.2012). Es hat das Beschwerdeverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt.

7

Mit Urteil vom 14.6.2012 hat das LSG den Gerichtsbescheid des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. In den Gründen des Urteils hat das LSG ua ausgeführt: Eine qualifizierte, die Erledigungsgebühr begründende Tätigkeit liege nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zB vor, wenn der Rechtsanwalt zum Zwecke des Beweises entscheidungserheblicher Tatsachen unaufgefordert bisher noch nicht bekannte Beweismittel beibringe; vorliegend fehle es aber an entsprechenden besonderen Bemühungen. Durch die Anregung, das Widerspruchsverfahren ruhen zu lassen, habe der Bevollmächtigte keine zusätzlichen Bemühungen entfaltet; er habe vielmehr im Gegenteil die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass er im Widerspruchsverfahren von allen weiteren zur Erfüllung des Auftrags erforderlichen Tätigkeiten habe absehen können. Der Kläger habe auch unter anderen Gesichtspunkten keinen Anspruch auf Erstattung weiterer Auslagen.

8

Mit der vom LSG zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er trägt ua vor, der Bevollmächtigte habe das Ruhen des Widerspruchsverfahrens zur Vermeidung eines Gerichtsverfahrens vorgeschlagen; hierzu sei er nicht verpflichtet gewesen. Das Ruhen habe der Beklagten weitere Ermittlungen erspart.

9

Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG vom 14.6.2012 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 15.3.2011 zurückzuweisen.

10

Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.

11

Sie hält das angefochtene Urteil des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision des Klägers ist teilweise begründet (§ 170 Abs 2 S 1 SGG). Der Kläger hat Anspruch auf Erstattung einer Erledigungsgebühr im geltend gemachten Umfang; Anspruch auf eine Geschäftsgebühr besteht allerdings nur in Höhe von 240 Euro. Dem Kläger stehen deshalb noch weitere 285,60 Euro zu; das angefochtene Urteil ist entsprechend zu ändern.

13

1. Von Amts wegen zu beachtende Verfahrensfehler stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen. Die Revision und die Berufung sind jeweils zugelassen, woran der Senat gebunden ist. Die genannten Rechtsmittel sind auch nicht nach § 144 Abs 4 SGG iVm § 165 S 1 SGG ausgeschlossen, weil in der Hauptsache über die Kosten eines isolierten Vorverfahrens gestritten wird(stRspr, ua BSGE 104, 30 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2; Urteile des Senats vom 25.2.2010 - B 11 AL 24/08 R - BSGE 106, 21 = SozR 4-1300 § 63 Nr 12, und vom 5.5.2010 - B 11 AL 14/09 R - Juris). Der Kläger verfolgt sein Begehren zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage; der Erhebung einer Verpflichtungsklage auf Bestimmung der Notwendigkeit der Zuziehung eines Rechtsanwalts nach § 63 Abs 3 S 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) bedarf es nicht, weil die Beklagte diese Notwendigkeit ausdrücklich anerkannt hat.

14

2. Die Beklagte hat in den angefochtenen Bescheiden zu Unrecht die Erstattung einer Erledigungsgebühr nach Nr 1005 VV iVm Nr 1002 VV abgelehnt. Unter den Umständen des vorliegenden Falls, die den tatsächlichen Feststellungen des LSG zu entnehmen sind, hat der Kläger Anspruch auf Erstattung einer Erledigungsgebühr.

15

a) Rechtsgrundlage für die geltend gemachte Erledigungsgebühr ist Nr 1005 VV iVm Nr 1002 VV (Anl 1 zum RVG). Danach erhält der Rechtsanwalt eine Gebühr für die Erledigung in sozialrechtlichen Angelegenheiten, in denen im gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 RVG); die Gebühr umfasst einen Rahmen von 40 bis 520 Euro. Die Gebühr entsteht, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt (vgl Erläuterungen zu Nr 1002 VV).

16

Nach der Rechtsprechung des BSG zu Nr 1005 bzw 1002 VV kann eine Gebühr für die Mitwirkung an der Erledigung eines isolierten Vorverfahrens nur beansprucht werden, wenn der Rechtsanwalt eine über die Einlegung und Begründung des Widerspruchs hinausgehende besondere Tätigkeit entfaltet hat (ua BSG SozR 4-1300 § 63 Nr 8 RdNr 20 ff; Urteile des Senats vom 21.3.2007 - B 11a AL 53/06 R - RdNr 16, und vom 5.5.2010 - B 11 AL 14/09 R, RdNr 22). Erforderlich ist eine qualifizierte erledigungsgerichtete Mitwirkung, die über das Maß hinausgeht, das schon durch den allgemeinen Gebührentatbestand für das anwaltliche Auftreten im Widerspruchsverfahren abgegolten wird (vgl BSG SozR 4-1300 § 63 Nr 8 RdNr 22). Eine solche qualifizierte, eine Erledigungsgebühr begründende Tätigkeit liegt beispielsweise vor, wenn der Rechtsanwalt zum Zwecke des Beweises entscheidungserheblicher Tatsachen unaufgefordert neue Beweismittel, etwa während des Vorverfahrens neu erstattete Befundberichte oder fachliche Stellungnahmen, beibringt (BSG SozR 4-1935 VV Nr 1002 Nr 1 RdNr 15; BSG Urteil vom 9.12.2010 - B 13 R 63/09 R, RdNr 28).

17

b) Entgegen der Auffassung des LSG liegt unter den Umständen des vorliegenden Falles eine über die Einlegung und Begründung des Widerspruchs hinausgehende besondere Tätigkeit des Rechtsanwalts vor, die ursächlich für die (unstreitige) Erledigung des Vorverfahrens durch Abhilfebescheid gewesen ist. Denn der Bevollmächtigte des Klägers hat den Widerspruch nicht nur eingelegt und begründet, sondern darüber hinaus weitere Tätigkeiten entfaltet, die zur Erledigung beigetragen haben. Er hat zunächst von sich auf das laufende Strafverfahren verwiesen, was die Beklagte veranlasst hat, das Widerspruchsverfahren ruhen zu lassen. In der Folgezeit hat der Bevollmächtigte des Klägers die Beklagte über den Stand des Strafverfahrens informiert und er hat der Beklagten schließlich das vollständige Strafurteil mit Gründen vorgelegt, das die Beklagte im Wege des Urkundenbeweises verwertet und dem es entnommen hat, dass der angefochtene Bescheid nicht aufrechterhalten bleiben kann. Das Beibringen entscheidungserheblicher Informationen über den Ablauf des Strafverfahrens ist vergleichbar mit der Vorlage von Befundberichten oder fachlichen Stellungnahmen (vgl BSG Urteil vom 9.12.2010 - B 13 R 63/09 R, RdNr 28). Die Tätigkeit des Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren geht somit über das Maß hinaus, das schon durch den allgemeinen Gebührentatbestand für das anwaltliche Auftreten im Widerspruchsverfahren abgegolten ist.

18

Die vorstehend beschriebene Bewertung der Tätigkeit des Bevollmächtigten des Klägers steht nicht im Widerspruch zum Urteil des Senats vom 5.5.2010 - B 11 AL 14/09 R -, in dem die Übersendung des Protokolls eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs als nicht ausreichend angesehen worden ist. In dem der Entscheidung vom 5.5.2010 zugrunde liegenden Fall war der Bevollmächtigte selbst als Rechtsanwalt im arbeitsgerichtlichen Prozess tätig, weshalb der Senat angenommen hat, dass sich seine besonderen Bemühungen nicht auf das konkret zu beurteilende Widerspruchsverfahren bezogen und deshalb der Übersendung des Vergleichstextes im Widerspruchsverfahren nur untergeordnete Bedeutung zukam (vgl Urteil vom 5.5.2010 - B 11 AL 14/09 R - RdNr 23, 24). Im vorliegenden Fall war der Bevollmächtigte im Strafprozess nicht tätig, weshalb auch nicht die Rede davon sein kann, seine Bemühungen hätten sich auf ein anderes Verfahren als das Widerspruchsverfahren bezogen.

19

c) Die Höhe der Erledigungsgebühr von 280 Euro ist nicht zu beanstanden. Sie entspricht der Mittelgebühr gemäß Nr 1005 VV (Rahmengebühr zwischen 40 und 520 Euro; zur Berechnung vgl BSGE 104, 30 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2, RdNr 23).

20

3. Der vom Kläger geltend gemachte Gesamtbetrag von 706,27 Euro, der sich aus der Geschäftsgebühr und der Erledigungsgebühr in Höhe von jeweils von 280 Euro, der Postpauschale, der Dokumentenpauschale sowie der Umsatzsteuer zusammensetzt, ist allerdings noch zu reduzieren, weil die Geschäftsgebühr gemäß Nr 2400 VV nur in Höhe von 240 Euro beansprucht werden kann. Die Überprüfung des Kostenbescheids der Beklagten beschränkt sich nicht nur auf die Höhe der Erledigungsgebühr (vgl BSG Urteil vom 9.12.2010 - B 13 R 63/09 R, RdNr 20 mwN).

21

Voraussetzung für eine den Betrag von 240 Euro übersteigende Geschäftsgebühr ist nach ausdrücklicher Regelung in Nr 2400 VV, dass die Tätigkeit des Bevollmächtigten umfangreich oder schwierig war. Dies wird vom Kläger bzw seinem Bevollmächtigten selbst nicht geltend gemacht und ist auch nicht ersichtlich. Insgesamt sind somit im Widerspruchsverfahren Gebühren in Höhe von 658,67 Euro angefallen (240 + 280 + 20 + 13,50 + Mehrwertsteuer 105,17). Es besteht Anspruch auf weitere 285,60 Euro (658,67 abzüglich gezahlte 373,07 Euro).

22

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Urteilsbesprechung zu Bundessozialgericht Urteil, 17. Dez. 2013 - B 11 AL 15/12 R

Urteilsbesprechungen zu Bundessozialgericht Urteil, 17. Dez. 2013 - B 11 AL 15/12 R

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Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha
Bundessozialgericht Urteil, 17. Dez. 2013 - B 11 AL 15/12 R zitiert 10 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 144


(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 1. bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hier

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 170


(1) Ist die Revision unbegründet, so weist das Bundessozialgericht die Revision zurück. Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Gesetzesverletzung, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision eb

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 3 Gebühren in sozialrechtlichen Angelegenheiten


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz nicht anzuwenden ist, entstehen Betragsrahmengebühren. In sonstigen Verfahren werden die Gebühren nach dem Gegenstandswert berechnet, wenn der Auftraggebe

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 165


Für die Revision gelten die Vorschriften über die Berufung entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt. § 153 Abs. 2 und 4 sowie § 155 Abs. 2 bis 4 finden keine Anwendung.

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Referenzen

(1) Ist die Revision unbegründet, so weist das Bundessozialgericht die Revision zurück. Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Gesetzesverletzung, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision ebenfalls zurückzuweisen.

(2) Ist die Revision begründet, so hat das Bundessozialgericht in der Sache selbst zu entscheiden. Sofern dies untunlich ist, kann es das angefochtene Urteil mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Gericht zurückverweisen, welches das angefochtene Urteil erlassen hat.

(3) Die Entscheidung über die Revision braucht nicht begründet zu werden, soweit das Bundessozialgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 202 in Verbindung mit § 547 der Zivilprozeßordnung und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.

(4) Verweist das Bundessozialgericht die Sache bei der Sprungrevision nach § 161 zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück, so kann es nach seinem Ermessen auch an das Landessozialgericht zurückverweisen, das für die Berufung zuständig gewesen wäre. Für das Verfahren vor dem Landessozialgericht gelten dann die gleichen Grundsätze, wie wenn der Rechtsstreit auf eine ordnungsgemäß eingelegte Berufung beim Landessozialgericht anhängig geworden wäre.

(5) Das Gericht, an das die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts zugrunde zu legen.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

Für die Revision gelten die Vorschriften über die Berufung entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt. § 153 Abs. 2 und 4 sowie § 155 Abs. 2 bis 4 finden keine Anwendung.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten nach Durchführung eines erfolgreichen Widerspruchsverfahrens über die Höhe zu erstattender Aufwendungen für die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten.

2

Die Klägerin bezog ab 1.6.2004 Arbeitslosengeld (Alg), das auf einem Vollzeit-Bemessungsentgelt beruhte, obwohl sie ihre Verfügbarkeit auf eine Teilzeittätigkeit von 25 Stunden wöchentlich eingeschränkt hatte. Die Beklagte hörte die Klägerin mit Schreiben vom 4.4.2005 zur beabsichtigten teilweisen Aufhebung der Bewilligung von Alg für die Zeit vom 1.6.2004 bis 28.2.2005 und zur Rückforderung in Höhe von 8937,04 Euro (zuzüglich Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge) an. Auf die Anhörung nahm der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 8.4.2005 Stellung. Die Beklagte teilte danach mit Schreiben vom 6.7.2005 mit, eine Rückforderung von Alg ab 1.6.2004 komme nicht in Betracht, da die Klägerin den Berechnungsfehler nicht habe erkennen können. Allerdings sei eine Überzahlung durch den Besuch einer Abendrealschule entstanden, den die Klägerin erst am 11.3.2005 mitgeteilt habe. Nunmehr sei die teilweise Aufhebung der Bewilligung von Alg in der Zeit vom 1. bis 28.2.2005 mit Rückforderung von 214,20 Euro beabsichtigt; es bestehe Gelegenheit zur Stellungnahme.

3

Die Beklagte hob die Bewilligung von Alg ab 1.2.2005 auf und forderte die Erstattung von Alg im Zeitraum vom 1. bis 28.2.2005 (Bescheid vom 17.11.2005). Auf den Widerspruch des Bevollmächtigten nahm die Beklagte den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid zurück (Abhilfebescheid vom 13.12.2005) und teilte mit, die im Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen auf Antrag zu erstatten.

4

Die vom Bevollmächtigten bei der Beklagten eingereichte Kostennote wies einen Gesamtbetrag in Höhe von 440,80 Euro aus. Der Betrag setzte sich wie folgt zusammen: 240 Euro Geschäftsgebühren nach Nr 2500 des Vergütungsverzeichnisses (VV) zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) aF, 120 Euro weitere Geschäftsgebühr nach Nr 2501 VV RVG aF, 20 Euro Pauschale für Entgelt für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen nach Nr 7002 VV RVG und 60,80 Euro Umsatzsteuer (16 %) nach Nr 7008 VV RVG. Die Beklagte erkannte als im Widerspruchsverfahren entstandene notwendige Aufwendungen einen Betrag in Höhe von 162,40 Euro an und lehnte im Übrigen eine Kostenerstattung ab. Dieser Betrag setzte sich wie folgt zusammen: 120 Euro Geschäftsgebühr nach Nr 2501 VV RVG aF, 20 Euro Auslagenpauschale nach Nr 7002 VV RVG und 22,40 Euro Umsatzsteuer nach Nr 7008 VV RVG (Bescheid vom 7.2.2006). Der Widerspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 10.5.2006).

5

Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des angefochtenen Kostenfestsetzungsbescheides verurteilt, an die Klägerin einen weiteren Betrag in Höhe von 139,20 Euro nebst 5 % Zinsen seit dem 7.2.2006 zu zahlen (Gerichtsbescheid vom 31.10.2006). Auf die vom Landessozialgericht (LSG) zugelassene Berufung der Beklagten hat das LSG den Gerichtsbescheid geändert und die Klage abgewiesen (Urteil vom 7.5.2008). Entgegen der Auffassung des SG sei für die Kostenerstattung im Vorverfahren wegen der Vorbefassung des Anwalts die Nr 2501 VV RVG aF einschlägig, sodass nur die Schwellengebühr von 120 Euro angefallen sei. Für eine weitergehende Erstattungspflicht der Beklagten bestehe keine Rechtsgrundlage. Eine Erstattung der im Verwaltungsverfahren angefallenen Gebühren nach Nr 2500 VV RVG aF könne nicht erfolgen. Diese Gebühr sei vom Mandanten selbst zu tragen. Eine Benachteiligung des Betroffenen sei nicht ersichtlich. Der Anwendung der Nr 2501 VV RVG aF stehe auch nicht entgegen, dass eine Vortätigkeit im Verwaltungsverfahren überhaupt nicht erfolgt sei. Denn bezogen auf das Widerspruchsverfahren habe es sich um einen teilweise identischen Streitgegenstand gehandelt; nur die Begründung der Aufhebungsentscheidung sei ausgetauscht worden.

6

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts und macht geltend: Die Erstattung einer Gebühr für das gesamte Verwaltungsverfahren in Höhe von 240 Euro sei nach Maßgabe des § 14 Abs 1 Satz 1 RVG nicht unbillig. Die Gebührenkürzung in Nr 2501 VV RVG aF diene dem Schutz des Auftraggebers, nicht dem Schutz der Behörde. Es entspreche nicht der Billigkeit, der Behörde die kostenmäßigen Vorteile, die der Bürger durch die Frühbeauftragung eines Anwalts im Verwaltungsverfahren habe, zukommen zu lassen. Die Nr 2500 und 2501 VV RVG aF seien aus verfassungsrechtlichen Gründen und auch teleologisch dahingehend zu reduzieren, dass immer eine ungekürzte Geschäftsgebühr von der Beklagten zu erstatten sei, wenn das Widerspruchsverfahren Erfolg habe. Anderenfalls sei die jetzige Fassung des § 63 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) verfassungswidrig. Außerdem habe auch kein einheitliches Verwaltungsverfahren vorgelegen, da die beiden Verwaltungsverfahren auf unterschiedlichen Lebenssachverhalten beruht hätten.

7

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 7.5.2008 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 31.10.2006 zurückzuweisen.

8

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

9

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz). Zu Recht hat das LSG einen Anspruch der Klägerin auf einen höheren Erstattungsbetrag verneint.

11

1. Die Revision ist zulässig. Von Amts wegen zu beachtende Verfahrensmängel stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen. Revision und Berufung sind kraft Zulassung durch das LSG statthaft. Sie sind auch nicht gemäß § 144 Abs 4 iVm § 165 Satz 1 SGG ausgeschlossen. Denn um Kosten des Verfahrens im Sinne dieser Vorschriften handelt es sich nicht, wenn wie hier in der Hauptsache über die Kosten eines isolierten Vorverfahrens gestritten wird (vgl BSG SozR 3-1500 § 144 Nr 13 S 30; SozR 4-1300 § 63 Nr 1 RdNr 6; SozR 4-1300 § 63 Nr 8 RdNr 11; BSGE 104, 30 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2, jeweils RdNr 9 ).

12

2. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Kostenfestsetzungsbescheid vom 7.2.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.5.2006, soweit die Beklagte darin die Erstattung über den festgesetzten Betrag (162,40 Euro) hinausgehender Kosten abgelehnt hat. Hiergegen wendet sich die Klägerin zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4, § 56 SGG), wobei die Klägerin - anders als in der ursprünglichen Kostennote - inzwischen nur noch eine Geschäftsgebühr in Höhe der Schwellengebühr von 240 Euro zuzüglich Umsatzsteuer, also weitere 139,20 Euro, geltend macht. Da die Klage - wie im Folgenden ausgeführt wird - ohnehin keinen Erfolg hat, kann dahinstehen, ob die Klägerin nicht über die Anfechtungs- und Leistungsklage hinaus zusätzlich eine Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG) dahingehend hätte erheben müssen, dass die Beklagte auch verurteilt werden soll, gemäß § 63 Abs 3 Satz 2 SGB X die Zuziehung eines Rechtsanwalts für notwendig zu erachten(vgl BSG SozR 4-1935 § 14 Nr 1 RdNr 9). Diese Feststellung ist zwar nicht ausdrücklich, jedoch inzident mit der Festsetzung des Erstattungsbetrags in Höhe von 162,40 Euro ausgesprochen worden (vgl BSG Urteil vom 5.5.2009 - B 13 R 137/08 R - RdNr 12; BSGE 104, 30 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2, jeweils RdNr 12).

13

3. Der Kostenfestsetzungsbescheid der Beklagten vom 7.2.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.5.2006 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Aufwendungen für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts können im Erfolgsfall für das Widerspruchsverfahren (§ 63 SGB X), nicht aber für das Verwaltungsverfahren, erstattet werden (dazu nachfolgend unter a). Bei der Kostenfestsetzung nach § 63 Abs 3 Satz 1 SGB X ist die Minderung des Gebührenrahmens nach Nr 2501 VV RVG aF (= Nr 2401 VV RVG nF) zu berücksichtigen, weil der Bevollmächtigte der Klägerin bereits im vorausgegangenen Verwaltungsverfahren tätig war (dazu nachfolgend unter b). Die von der Beklagten auf 120 Euro festgesetzte Schwellengebühr begegnet keinen Bedenken (dazu nachfolgend unter c). Schließlich teilt der Senat auch nicht die verfassungsrechtlichen Bedenken der Klägerin hinsichtlich des derzeitigen Rechtszustands, der einen höheren Erstattungsanspruch der Klägerin ausschließt (dazu nachfolgend unter d).

14

a) Als Anspruchsgrundlage für den von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungserstattungsanspruch kommt lediglich § 63 Abs 1 Satz 1 iVm Abs 2 SGB X in Betracht. Gemäß § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X hat - soweit der Widerspruch erfolgreich ist - der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Nach § 63 Abs 2 SGB X sind die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines sonstigen Bevollmächtigten im Vorverfahren erstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war. Gemäß § 63 Abs 3 Satz 1 Halbs 1 SGB X setzt die Behörde, die die Kostenentscheidung getroffen hat, auf Antrag den Betrag der zu erstattenden Aufwendungen fest.

15

Erstattungsfähig nach § 63 Abs 1 Satz 1 in Verbindung mit Abs 2 SGB X ist, wie bereits der Normtext und die systematische Stellung im Gesetz - nämlich im Fünften Abschnitt über das Rechtsbehelfsverfahren - deutlich machen, ausschließlich die anwaltliche Vergütung, die für das isolierte Vorverfahren anfällt(BSG SozR 3-1300 § 63 Nr 1; BSGE 55, 92, 93 = SozR 1300 § 63 Nr 1; stRspr). Dies rechtfertigt sich darüber hinaus aus folgender am Sinn und Zweck der Vorschrift orientierter Überlegung: Wurde ein Rechtsstreit geführt, dann umfassen die im Erfolgsfalle von der Behörde zu erstattenden Kosten iS des § 193 Abs 2 SGG auch die notwendigen Aufwendungen eines für den Prozess gemäß § 78 SGG zwingend vorgeschriebenen Vorverfahrens(grundlegend dazu bereits: BSG SozR 1500 § 193 Nr 3). Beim isolierten Vorverfahren war der Widerspruchsführer hingegen schon mit seinem Widerspruch erfolgreich, sodass sich eine Anrufung des Gerichts erübrigt. Deshalb besteht dann die Möglichkeit der Kostenerstattung nach § 63 SGB X(grundlegend dazu bereits: BSGE 55, 92, 93 = SozR 1300 § 63 Nr 1 und SozR 3-1300 § 63 Nr 1 S 2 ff).

16

Das Bundessozialgericht (BSG) hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass die Gerichte nicht durch Rechtsfortbildung diese klare Regelung allein deshalb, weil es wünschenswert erscheinen mag, auf Verfahrensabschnitte vor dem Erlass eines Verwaltungsaktes erstrecken können. Denn für eine derartige Auslegung besteht kein rechtfertigender Grund (ausführlich: BSG SozR 1500 § 193 Nr 3 S 3 und SozR 3-1300 § 63 Nr 1 S 3 ff). Eine planwidrige Regelungslücke, die eine analoge Anwendung des § 63 SGB X auf vorgelagerte Verwaltungsverfahrensabschnitte rechtfertigen könnte, fehlt, weil der Gesetzgeber mit verschiedenen anderen Regelungen im SGB - wie § 65a Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) und § 15 Abs 3 Satz 1 SGB X - durch beredetes Schweigen zum Ausdruck gebracht hat, dass nur bestimmte andere durch die Beteiligung am Verwaltungsverfahren entstandene Kosten zu ersetzen sind(ausführlich: BSG SozR 1500 § 193 Nr 3, S 3 ff und SozR 3-1300 § 63 Nr 1).

17

b) Die Vergütung (Gebühren und Auslagen) für anwaltliche Tätigkeiten der Rechtsanwälte richtet sich seit dem 1.7.2004 nach dem RVG idF des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (KostRMoG) vom 5.5.2004 (BGBl I 718; vgl § 1 Abs 1 Satz 1 RVG).

18

Die Höhe der Vergütung bestimmt sich gemäß § 2 Abs 2 Satz 1 RVG nach dem VV der Anlage 1 zum RVG in der vom 1.7.2004 bis zum 30.6.2006 geltenden Fassung (Art 5 Abs 1 Nr 4 Buchst b und Art 8 Satz 1 KostRMoG). Denn nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG ist der Auftrag zur Vertretung der Klägerin im April 2005 erteilt worden (§ 60 Abs 1 Satz 1 RVG). In dieser Anlage 1 ist im Teil 2 (außergerichtliche Tätigkeiten einschließlich der Vertretung im Verwaltungsverfahren) in Abschnitt 5 (Vertretung in bestimmten sozialrechtlichen Angelegenheiten) unter Nr 2500 bestimmt, dass die Geschäftsgebühr, die nach der Vorbemerkung ua für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information entsteht, in sozialrechtlichen Angelegenheiten, in denen im gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 RVG), 40 bis 520 Euro beträgt, wobei eine Gebühr von mehr als 240 Euro nur gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Zusätzlich bestimmt Nr 2501 für den Fall des Vorausgehens einer Tätigkeit im Verwaltungsverfahren, dass die Gebühr nach Nr 2500 für das weitere, der Nachprüfung des Verwaltungsakts dienende Verwaltungsverfahren 40 bis 260 Euro beträgt, wobei eine Gebühr von mehr als 120 Euro nur gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich und schwierig war.

19

Nach § 63 Abs 1 Satz 1 und Abs 2 SGB X hat die Beklagte daher der Klägerin nur die Geschäftsgebühr der Nr 2501 VV RVG aF (= Nr 2401 VV RVG nF) zu erstatten, weil der Bevollmächtigte der Klägerin bereits mit dem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren befasst war. Unberührt davon ist zwar zusätzlich auch die Geschäftsgebühr nach Nr 2500 VV RVG aF (= Nr 2400 VV RVG nF) für die Tätigkeit im Verwaltungsverfahren angefallen, nur besteht hinsichtlich dieser Gebühr kein Erstattungsanspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten (so im Ergebnis ebenfalls Straßfeld, SGb 2008, 635, 639; Roos in v Wulffen, SGB X, 6. Aufl, § 63 RdNr 6; Becker in Hauck/Noftz, SGB X, § 63 RdNr 88, Stand 2007; Schneider/Mock/Wahlen in AnwaltKomm, RVG, 4. Aufl 2008, § 17 RdNr 84). Diese gebührenrechtliche "Verselbständigung" des Widerspruchsverfahrens ist auch § 17 Nr 1 RVG zu entnehmen, wonach das Verwaltungsverfahren und das Widerspruchsverfahren - im Unterschied zum früheren § 119 Abs 1 Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung - verschiedene Angelegenheiten darstellen.

20

Die Heranziehung von Nr 2501 VV RVG aF scheitert auch nicht an einer fehlenden Vortätigkeit im Verwaltungsverfahren. Der für das Widerspruchsverfahren reduzierte Gebührentatbestand der Nr 2501 VV RVG aF setzt voraus, dass der Tätigkeit im Widerspruchsverfahren eine Tätigkeit im selben Verwaltungsverfahren vorausgegangen ist. Letzteres ergibt sich bereits aus der Anmerkung (1) zu Nr 2501 VV RVG aF, wonach bei der Bemessung der Gebühr nicht zu berücksichtigen ist, dass der Umfang der Tätigkeit infolge der Tätigkeit im Verwaltungsverfahren geringer ist. Damit ist klargestellt, dass der durch die vorangegangene Tätigkeit ersparte Aufwand ausschließlich durch die Anwendung des geringeren Rahmens und nicht mehr bei der Bemessung der konkreten Gebühr berücksichtigt werden soll (vgl BT-Drucks 15/1971 S 208).

21

Entgegen der Ansicht der Klägerin handelt es sich bei dem Verwaltungsverfahren, das mit dem Anhörungsschreiben vom 4.4.2005 eingeleitet wurde, um dasselbe, welches letztlich, nach erneuter Anhörung mit Schreiben vom 6.7.2005, zu dem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 17.11.2005 führte. Das Verwaltungsverfahren ist in § 8 Halbs 1 SGB X gesetzlich definiert. Die Definition stellt klar, dass unter diesem Begriff die nach außen wirkende Tätigkeit der Behörden zu verstehen ist, die ua auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsaktes gerichtet ist. Zum Verwaltungsverfahren iS des Ersten Kapitels des SGB X gehört auch das Vorverfahren (BSGE 55, 92, 93 = SozR 1300 § 63 Nr 1, S 2). Um dasselbe Verwaltungsverfahren handelt es sich dann, wenn die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsaktes gerichtete nach außen wirkende Tätigkeit der Behörde auf einem identischen Verfahrensgegenstand beruht. Der Verfahrensgegenstand eines auf Erlass eines Verwaltungsakts gerichteten Verwaltungsverfahrens wird vom Regelungswillen der Behörde und dem Begehren des Antragstellers bestimmt (vgl Waschull in LPK-SGB X, 2004, § 31 RdNr 23; Fichte in Fichte/Plagemann/Waschull, Sozialverwaltungsverfahrensrecht, 2008, § 3 RdNr 156; Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl 2008, § 9 RdNr 108; Straßfeld, SGb 2008, 635, 636).

22

Nicht ausschlaggebend ist daher, dass die Beklagte ihre Anhörungsschreiben auf verschiedene Begründungen gestützt hat. Der Regelungswille der Beklagten zielte jedenfalls auf einen einheitlichen Verfügungssatz. Zutreffend hat das LSG auch auf den, zuletzt noch betroffenen, identischen Aufhebungs- und Erstattungszeitraum (Februar 2005) abgestellt, der bereits Gegenstand des ersten Anhörungsschreibens war. Den Feststellungen des LSG lässt sich zudem entnehmen, dass sowohl das Aufhebungsmotiv als auch der Aufhebungswille der Beklagten auf einem einheitlichen Verfahrensgegenstand beruhten, sodass mit dem Anhörungsschreiben vom 6.7.2005 das mit Anhörungsschreiben vom 4.4.2005 eingeleitete Verwaltungsverfahren nur fortgesetzt wurde. Aufhebungsgrund für die Beklagte war jeweils die eingeschränkte Verfügbarkeit der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Auch das Begehren der Klägerin war in jedem Stadium des Verfahrens identisch, nämlich darauf gerichtet, sich keiner aufhebenden Entscheidung der Beklagten ausgesetzt zu sehen. Schließlich ist auch der Kostennote des Bevollmächtigten zu entnehmen, dass dieser selbst von einem, lediglich fortgesetzten, Verwaltungsverfahren ausgegangen ist. Wäre der Bevollmächtigte der Meinung gewesen, seine Tätigkeit im vorhergehenden Anhörungsverfahren habe ein anderes Verwaltungsverfahren betroffen, hätte er nicht (zusätzlich) die abgesenkte Geschäftsgebühr nach Nr 2501 VV RVG aF abgerechnet, sondern für seine Tätigkeit im Widerspruchsverfahren von vornherein auf die Nr 2500 VV RVG aF abgestellt, weil aus seiner Sicht eine vorangegangene Tätigkeit im zweiten Anhörungsverfahren, in dem er nicht tätig geworden war, nicht vorgelegen hätte.

23

c) Der mit dem streitgegenständlichen Kostenbescheid auf 162,40 Euro festgesetzte Kostenersatzanspruch ist zutreffend berechnet.

24

Neben der auf 120 Euro festgesetzten Geschäftsgebühr für das Widerspruchsverfahren (Nr 2501 VV RVG aF) hat die Beklagte zutreffend die für jede Angelegenheit zum Tragen kommende Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen von höchstens 20 Euro (Nr 7002 VV RVG) und die Umsatzsteuer auf die Vergütung von zum damaligen Zeitpunkt 16 % (Nr 7008 VV RVG iVm § 12 Abs 1 Umsatzsteuergesetz in der vom 1.1.2005 bis 31.12.2006 geltenden Fassung), mithin weitere 22,40 Euro, erstattet.

25

Dabei unterliegt die von der Beklagten auf die so genannte Schwellengebühr festgesetzte Geschäftsgebühr nach Nr 2501 VV RVG aF keinen Bedenken. Nach der Anmerkung 2 zur Nr 2501 VV RVG aF kann eine Gebühr von mehr als 120 Euro nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Die gemäß § 163 SGG bindenden, tatsächlichen Feststellungen des LSG ergeben keine Anhaltspunkte für die Annahme einer umfangreichen oder schwierigen Tätigkeit des Bevollmächtigten der Klägerin. Die in § 14 Abs 1 Satz 1 iVm § 3 Abs 1 und 2 RVG genannten Bemessungskriterien(vgl dazu BSGE 104, 30 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2, jeweils RdNr 21 ff) eröffnen nach den Feststellungen des LSG ebenfalls keinen höheren Gebührenansatz. Gegen die tatsächlichen Feststellungen des LSG hat die Klägerin keine zulässigen Revisionsrügen erhoben. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob sich ohnehin aus § 14 Abs 1 RVG keine höhere Gebühr als die Schwellengebühr nach Nr 2501 VV RVG aF ergeben kann, wenn die anwaltliche Tätigkeit weder umfangreich noch schwierig war(vgl BSG SozR 4-1935 § 14 Nr 1 RdNr 15).

26

d) Entgegen der Ansicht der Klägerin bestehen gegen die Erstattung ausschließlich der reduzierten Geschäftsgebühr nach Nr 2501 VV RVG aF im Rahmen des Aufwendungsersatzanspruchs des § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X keine verfassungsrechtlichen Bedenken, und zwar weder im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) noch unter dem Blickwinkel der Garantie des effektiven Rechtsschutzes(Art 19 Abs 4 GG).

27

aa) Art 3 Abs 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln (BVerfGE 74, 9, 24) und verpflichtet die Grundrechtsadressaten, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches entsprechend seiner Verschiedenheit und Eigenart ungleich zu behandeln (BVerfGE 112, 268, 279; stRspr). Dieses Grundrecht ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art oder solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen (vgl zB BVerfGE 111, 115, 137 = SozR 4-8570 § 6 Nr 3 RdNr 38; stRspr). Für die unterschiedliche gesetzliche Behandlung von Personengruppen müssen rechtfertigende Gründe vorliegen, die in einem angemessenen Verhältnis zu der gesetzlichen Differenzierung stehen. Dabei ist die Eigenart des zu regelnden Sachverhalts ausschlaggebend dafür, was sachlich vertretbar oder sachfremd ist (BVerfGE 75, 108, 157; BVerfGE 90, 226, 239; BVerfGE 99, 165, 178 mwN; BSGE 79, 14, 17 = SozR 3-4100 § 111 Nr 14, S 49, 53 mwN).

28

Zwar wird der Klägerin im vorliegenden Fall, in dem sie ihren Bevollmächtigten bereits im vorangegangenen Verwaltungsverfahren eingeschaltet hatte, von der Beklagten nur die nach Nr 2501 VV RVG aF verminderte Geschäftsgebühr erstattet, während ihr die nach Nr 2500 VV RVG aF höhere Geschäftsgebühr erstattet worden wäre, wenn sie ihren Anwalt erst im Widerspruchsverfahren eingeschaltet hätte.

29

Der diese Ungleichbehandlung rechtfertigende sachliche Grund liegt - gerade auch im Zusammenspiel des materiellen Kostenerstattungsanspruchs nach § 63 SGB X mit den Gebührentatbeständen der Nr 2500, 2501 VV RVG aF - aber darin, dass nach § 63 SGB X nur die Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts "im Vorverfahren" erstattungsfähig sind und Hintergrund der reduzierten Geschäftsgebühr (Gebühr nach einem niedrigeren Rahmen) ist, dass der Anwalt bereits im vorausgegangenen Verwaltungsverfahren mit der Angelegenheit befasst war. Wegen der Vorbefassung erspart er sich - so auch die Vorstellung des Gesetzgebers - Arbeitsaufwand und wird seine Tätigkeit erleichtert, weil er mit dem Sach- und Streitstand bereits vertraut ist (vgl dazu die Gesetzesbegründung zu Nr 2501 VV RVG in BT-Drucks 15/1971, S 208; ebenso beispielhaft Jungbauer in: Bischof/Jungbauer/Bräuer/Curkovic/Mathias /Uher, Komm zum RVG, 2. Aufl 2007, Vorbemerkung 2.4 VV, Nr 2400, 2401 VV, RdNr 6). Der Umstand, dass der Rechtsanwalt für seine Tätigkeit im Widerspruchsverfahren nach Nr 2501 VV RVG aF geringer vergütet wird, hat seinen sachlichen Grund somit darin, dass er durch die - nach Nr 2500 VV RVG aF schon vergütete - vorangegangene Tätigkeit im Ausgangsverfahren bereits in den Fall eingearbeitet ist (ebenso Hessisches LSG, Urteil vom 19.3.2008 - L 4 SB 51/07 - Juris RdNr 19; desgleichen zur im verwaltungsrechtlichen Verwaltungsverfahren abgesenkten Geschäftsgebühr nach Nr 2400, 2401 VV RVG aF = Nr 2300, 2301 VV RVG nF: OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 23.6.2008 - 2 O 114/08 - Juris RdNr 6; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 7.2.2008 - 13 S 2939/07 - Juris RdNr 11).

30

Ob im Hinblick auf die Kostenerstattungsregelung in § 63 SGB X eine andere Gebührenregelung, etwa die Erstattungsfähigkeit zumindest der höheren Geschäftsgebühr nach Nr 2500 VV RVG aF vorzusehen, systemgerechter wäre, kann dahingestellt bleiben. Es ist jedenfalls nicht sachwidrig, dass der Gesetzgeber dem Bürger für die bereits im vorangegangenen Verwaltungsverfahren entstandenen Anwaltskosten auch dann keinen Erstattungsanspruch einräumt, wenn sich ein Widerspruchsverfahren anschließt. Denn dem Bürger ist es grundsätzlich zumutbar, bei auftretendem Klärungsbedarf im erst auf den Erlass eines Verwaltungsakts abzielenden Verwaltungsverfahren die Beratung der Behörde in Anspruch zu nehmen (zB Rückfrage bei dem Sachbearbeiter des Anhörungsschreibens). Zu dieser Beratung ist die Behörde nach § 14 SGB I verpflichtet. Dabei hat sie nach § 2 Abs 2 SGB I die sozialen Rechte bei der Auslegung der Vorschriften und der Ausübung von Ermessen zu beachten. Von einer Konfliktsituation zwischen Behörde und Rechtsuchendem, die es im Erfolgsfalle rechtfertigt Kosten für rechtskundig eingeholte externe Beratung auf die unrechtmäßig handelnde Behörde abzuwälzen, kann erst im Widerspruchsverfahren gesprochen werden; anders als im Fall des Widerspruchsverfahrens ist im Anhörungsstadium eines Verwaltungsverfahrens eine belastende Entscheidung der Behörde noch nicht getroffen (vgl BVerfG, Kammerbeschluss vom 30.6.2009 - 1 BvR 470/09 - NJW 2009, 3420, RdNr 11 - zur Ablehnung einer Beratungshilfe für Vertretung im Anhörungsverfahren; kritisch dazu Kilger, NJW-Editorial, Heft 47/2009). Es ist somit dem Rechtsuchenden zumutbar, die Solidargemeinschaft zunächst nicht mit Kosten zu belasten und den Bescheid abzuwarten. Erst wenn seinem Antrag nicht stattgegeben worden ist oder eine sonstige belastende Entscheidung ergangen ist und er deshalb im Widerspruchsverfahren rechtskundiger Vertretung bedarf, ist vom Gesetz eine Kostenübernahme durch die Verwaltung vorgesehen (BSGE 55, 92, 94 = SozR 1300 § 63 Nr 1; SozR 3-1300 § 63 Nr 1; vgl auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 11.5.2009 - 1 BvR 1517/08 - NJW 2009, 3417 - zur Beratungshilfe für Widerspruchsverfahren). Vor diesem Hintergrund ist es deshalb gerechtfertigt, dem sich sofort externen Rechtsrat einholenden Bürger nicht einen Teil der dafür erforderlichen Kosten abzunehmen und diese der Behörde zu überbürden.

31

bb) Die Erstattungsfähigkeit nur der reduzierten Geschäftsgebühr nach Nr 2501 VV RVG aF bei Vorbefassung im Rahmen des § 63 SGB X verletzt auch nicht den in Art 19 Abs 4 GG garantierten effektiven Rechtsschutz.

32

Zwar mag das Recht, sich in jedem Stadium des gesamten Verwaltungsverfahrens durch einen Bevollmächtigten gegenüber der Verwaltung unterstützen zu lassen (§ 13 SGB X), erst vollkommen erscheinen, wenn auch die Kosten für eine erfolgreiche Tätigkeit bereits im Verwaltungsverfahren zu erstatten sind. Jedoch darf der Gesetzgeber zum einen auch die Kosten berücksichtigen, die auf die öffentliche Hand zukämen, wenn jedes für den Bürger erfolgreiche Verwaltungsverfahren mit der Verpflichtung zur Erstattung der Anwaltskosten verbunden wäre (so bereits BSG SozR 3-1300 § 63 Nr 1 S 7). Zum anderen besteht ohnehin kein allgemeiner Rechtsgrundsatz, wonach eine Kostenerstattung zu Gunsten des Obsiegenden zu erfolgen hätte oder der Staat zwingend die Kosten des Rechtsanwalts zu tragen hätte, wenn der Bürger mit seinem Begehren durchdringt (vgl BVerfGE 35, 283, 295; 74, 78, 95f). Art 19 Abs 4 GG enthält keine Garantie einer vollständigen Kostenübernahme im Falle eines erfolgreich eingelegten Rechtsbehelfs.

33

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, weil die Klägerin als Leistungsempfängerin iS des § 183 Satz 1 SGG den Rechtsstreit auf höhere Kostenerstattung führt(vgl BSG SozR 4-1935 § 14 Nr 1, RdNr 18; eine in BSGE 97, 153 = SozR 4-1500 § 183 Nr 4 unter RdNr 20 erörterte Sonderkonstellation liegt nicht vor).

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 5. Mai 2009 geändert.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 18. Mai 2007 wird insgesamt zurückgewiesen.

Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Höhe der von der Beklagten zu erstattenden Aufwendungen des Klägers für die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren.

2

Dem Kläger wurde von seinem Arbeitgeber im Juli 2004 fristlos mit der Begründung gekündigt, er habe während der Arbeitszeit in alkoholisiertem Zustand einen Unfall verursacht. Der Kläger erhob daraufhin Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht und beantragte bei der Beklagten Arbeitslosengeld (Alg). Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 5.11.2004 den Eintritt einer Sperrzeit von zwölf Wochen mit der Begründung fest, der Kläger habe durch arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch grob fahrlässig seine Arbeitslosigkeit herbeigeführt.

3

Gegen den Bescheid vom 5.11.2004 erhob der Kläger, vertreten durch seinen bevollmächtigten Rechtsanwalt, Widerspruch. Mit Schreiben vom 8.3.2005 übersandte der Bevollmächtigte des Klägers der Beklagten das Protokoll eines am 4.3.2005 vor dem Arbeitsgericht geschlossenen Vergleichs, aus dem hervorging, dass das Arbeitsverhältnis durch ordentliche arbeitgeberseitige Kündigung endete und der Arbeitgeber den Vorwurf der Schadensverursachung durch den Kläger im alkoholisierten Zustand während der Arbeitszeit fallen ließ.

4

Mit Abhilfebescheid vom 20.4.2004 hob die Beklagte den Sperrzeitbescheid vom 5.11.2004 auf und erklärte sich bereit, die im Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen Kosten auf Antrag zu erstatten.

5

Mit seiner bei der Beklagten eingereichten Kostennote machte der Bevollmächtigte des Klägers eine Geschäftsgebühr von 318,50 Euro, eine Erledigungsgebühr von 367,50 Euro, eine Auslagenpauschale von 20 Euro sowie 112,96 Euro Umsatzsteuer geltend, insgesamt 818,96 Euro. Die Beklagte erkannte als im Widerspruchsverfahren entstandene notwendige Aufwendungen jedoch nur 301,60 Euro an und lehnte im Übrigen eine Kostenerstattung ab (Bescheid vom 1.7.2005). Der anerkannte Betrag setzte sich wie folgt zusammen: 240 Euro Geschäftsgebühr gemäß Nr 2500 des Vergütungsverzeichnisses (VV) zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) in der bis 30.6.2006 geltenden Fassung, 20 Euro Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsleistungen sowie 41,60 Euro Umsatzsteuer. Auf den Widerspruch des Klägers erkannte die Beklagte zusätzlich noch Kopierkosten in Höhe von 8,70 Euro an (Bescheid vom 4.8.2005), wies jedoch im Übrigen den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 22.9.2005).

6

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 18.5.2007). Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG geändert, die Beklagte unter Abänderung der streitgegenständlichen Bescheide verurteilt, die erstattungsfähigen Kosten des Widerspruchsverfahrens auf 726,16 Euro festzusetzen und an den Kläger weitere 415,86 Euro zu zahlen; im Übrigen hat das LSG die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 5.5.2009). In den Entscheidungsgründen hat das LSG ua ausgeführt: Die auf der Grundlage der Nr 2500 VV RVG geltend gemachte Geschäftsgebühr von 318,50 Euro sei nicht unbillig. Die Tätigkeit des Anwalts sei schwierig gewesen. Es habe sich um ein sozialrechtliches Spezialproblem aus dem Arbeitsförderungsrecht gehandelt, in das sich der Bevollmächtigte habe einarbeiten müssen. Das Arbeitsförderungsrecht sei ein Rechtsgebiet, für das ein Rechtsanwalt Spezialwissen benötige. Der Schwierigkeitsgrad sei aus der Sicht des Allgemeinanwalts zu beurteilen; für ihn seien Fälle aus dem Sozialrecht jedenfalls dann schwierig, wenn sie von einem sozialrechtlichen Standard- und Routinefall abwichen. Auch spreche die Bildung von Kammern und Senaten mit Spezialzuständigkeiten sowie die Einführung einer Fachanwaltschaft in einem Rechtsgebiet für dessen Schwierigkeit. Diese rechtfertige im vorliegenden Fall den Ansatz einer um 40 Euro oberhalb der Schwellengebühr (240 Euro) liegenden Gebühr, also der Mittelgebühr in Höhe von 280 Euro; diese habe der Bevollmächtigte um 13,75 % auf 318,50 Euro erhöhen dürfen. Darüber hinaus sei auch eine Erledigungsgebühr gemäß Nr 1005 VV RVG angefallen. Das nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) erforderliche besondere Tätigwerden des Rechtsanwaltes liege darin, dass er im arbeitsgerichtlichen Verfahren erkennbar darauf hingewirkt habe, den Wahrheitsgehalt der vom Arbeitgeber zur Begründung der außerordentlichen Kündigung angeführten, für die Entscheidung der Beklagten maßgeblichen Tatsachen in Frage zu stellen, und dass er das Ergebnis seiner Bemühungen im Kündigungsschutzprozess unverzüglich in das Widerspruchsverfahren eingeführt habe. Als Erledigungsgebühr angemessen sei aber nur die Mittelgebühr von 280 Euro; der vom Kläger angesetzte Wert von 367,50 Euro weiche um 31,25 % von der Mittelgebühr ab und sei nicht mehr vom anwaltlichen Beurteilungsspielraum gedeckt.

7

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte Verletzungen formellen und materiellen Rechts. Sie macht ua geltend, es bestehe kein Anspruch auf Zubilligung einer 240 Euro übersteigenden Geschäftsgebühr, weil die Tätigkeit des Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren weder umfangreich noch schwierig gewesen sei. Zur Subsumtion des Sachverhalts unter die einschlägige Rechtsnorm des § 144 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) habe es nur eines flüchtigen Blickes in das Gesetz bedurft, nicht aber einer weitreichenden rechtlichen Detailprüfung. Auch eine Erledigungsgebühr sei mangels besonderer anwaltlicher Mitwirkung nicht angefallen. Das Übersenden des arbeitsgerichtlichen Vergleichs sei lediglich als logische Fortsetzung und Beendigung der ursprünglichen Widerspruchsbegründung anzusehen, nicht aber als weitere, auf gütliche Einigung gerichtete und gesondert zu vergütende Tätigkeit. Soweit ein besonderes Bemühen im Prozess vor dem Arbeitsgericht vorgelegen habe, könne dies nur im dortigen Verfahren eine Einigungsgebühr rechtfertigen.

8

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG vom 5.5.2009 zu ändern und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG vom 18.5.2007 insgesamt zurückzuweisen.

9

Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

10

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision der Beklagten ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz). Die Beklagte hat die dem Kläger zu erstattenden notwendigen Aufwendungen zutreffend festgesetzt, so dass auf die Revision das Urteil des LSG zu ändern und die Berufung des Klägers gegen das die Klage abweisende Urteil des SG insgesamt zurückzuweisen ist.

12

1. Von Amts wegen zu beachtende Verfahrensfehler stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen. Die Revision und die Berufung sind nicht nach § 144 Abs 4 SGG iVm § 165 Satz 1 SGG ausgeschlossen, da in der Hauptsache über die Kosten eines isolierten Vorverfahrens(§§ 78 ff SGG, § 63 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch) gestritten wird (BSG SozR 3-1500 § 144 Nr 13 S 30; BSGE 104, 30 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2, jeweils RdNr 9; Urteil des Senats vom 25.2.2010, B 11 AL 24/08 R, zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 11 mwN). Der Kläger verfolgt sein Begehren zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage; der Erhebung einer Verpflichtungsklage auf Bestimmung der Notwendigkeit der Zuziehung eines Rechtsanwalts nach § 63 Abs 3 Satz 2 SGB X bedarf es nicht, da die Beklagte diese Notwendigkeit zumindest konkludent anerkannt hat(vgl ua BSG, Urteile vom 5.5.2009, B 13 R 137/08 R, RdNr 12, und vom 21.12.2009, B 14 AS 83/08 R, zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 13).

13

2. Die angefochtenen Bescheide vom 1.7.2005 und 4.8.2005, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.9.2005, sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Insbesondere besteht kein Anspruch auf Erstattung einer den Betrag von 240 Euro übersteigenden Geschäftsgebühr (dazu im Folgenden unter b) und auch kein Anspruch auf Erstattung einer Erledigungsgebühr (dazu unter c).

14

a) Nach § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X ist, soweit der Widerspruch erfolgreich ist, der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, verpflichtet, dem Widerspruchsführer die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Nach § 63 Abs 2 SGB X sind die Gebühren und Auslagen ua eines Rechtsanwalts im Vorverfahren erstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war. Gebühren und Auslagen iS des § 63 Abs 2 SGB X sind nur die gesetzlichen Gebühren und Auslagen(BSGE 78, 159, 161 f = SozR 3-1300 § 63 Nr 7 S 25 f; SozR 4-1300 § 63 Nr 8 RdNr 16). Diese sind bei Beauftragung eines Rechtsanwalts seit dem 1.7.2004 nach Maßgabe des RVG sowie des VV der Anlage 1 zum RVG zu bestimmen (vgl § 1 Abs 1 und § 2 Abs 2 Satz 1 RVG, jeweils idF des Art 3 des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts vom 5.5.2004, BGBl I 718; zum Inkrafttreten Art 8 KostRMoG, zum Übergangsrecht §§ 60, 61 RVG).

15

b) Rechtsgrundlage für die geltend gemachte Geschäftsgebühr ist Nr 2500 des VV zum RVG in der vorbezeichneten Fassung (aF; gleichlautend inzwischen Nr 2400 in der ab 1.7.2006 geltenden Fassung , vgl Art 5 Abs 1 Nr 4 Buchst b KostRMoG). Danach erhält der Rechtsanwalt in sozialrechtlichen Angelegenheiten, in denen im gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen (vgl § 3 RVG) ua für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information (vgl Vorbemerkung 2 zu Nr 2500 VV RVG aF) eine Geschäftsgebühr (zur Anwendbarkeit bei Leistungsempfängern iS des § 183 Satz 1 SGG vgl BSGE 104, 30 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2, jeweils RdNr 18). Die Geschäftsgebühr nach Nr 2500 VV RVG aF umfasst einen Betragsrahmen von 40 bis 520 Euro, wobei eine Gebühr von mehr als 240 Euro nur gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war (so genannte Schwellengebühr).

16

Nach der Rechtsprechung des BSG zu Nr 2500 VV RVG aF (= Nr 2400 VV RVG nF) hat die Schwellengebühr von 240 Euro die so genannte Mittelgebühr, die sich aus der Mindestgebühr zuzüglich der Hälfte des Unterschieds zwischen Mindest- und Höchstgebühr errechnet (bei Nr 2500 aF also 280 Euro), nicht ersetzt (BSGE 104, 30 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2, jeweils RdNr 22 ff). Die Einführung der Schwellengebühr hat aber zur Folge, dass die in einem ersten Schritt ausgehend von der Mittelgebühr bestimmte Gebühr in einem zweiten Schritt in Höhe des Schwellenwertes gekappt wird, wenn weder der Umfang noch die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit mehr als durchschnittlich sind (BSGE aaO RdNr 22; vgl auch BSG SozR 4-1935 § 14 Nr 1 RdNr 16). Umfang oder Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit müssen also über dem Durchschnitt liegen, um im Ergebnis eine höhere Gebühr als die Schwellengebühr zu rechtfertigen. Von einer umfangreichen oder schwierigen Tätigkeit in diesem Sinne kann aber unter den konkreten Umständen des vorliegenden Falles nicht die Rede sein, weshalb der von der Beklagten anerkannte und festgesetzte Betrag von 240 Euro nicht weiter zu erhöhen ist.

17

Dass die anwaltliche Tätigkeit weder umfangreich noch schwierig iS der Nr 2500 VV RVG aF war, ist den vom LSG festgestellten, das Revisionsgericht bindenden Tatsachen (§ 163 SGG) zu entnehmen. Das LSG hat zunächst zum Umfang der Tätigkeit des Bevollmächtigten des Klägers nach Hinweis auf die Erhebung des Widerspruchs und das Schreiben vom 8.3.2005 ausgeführt, die Tätigkeit sei nicht umfangreich gewesen. Ein überdurchschnittlicher Umfang der Tätigkeit wird auch vom Kläger selbst nicht behauptet. Das LSG hat im Übrigen tatsächliche Feststellungen zum Inhalt und zur Intensität der Tätigkeit des Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren getroffen. Danach hat der Bevollmächtigte als Allgemeinanwalt die rechtliche Prüfung vorgenommen, ob der Kläger durch arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch den Arbeitgeber gegeben und dadurch seine Arbeitslosigkeit vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat, ob also eine Sperrzeit gemäß § 144 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB III eingetreten ist. Im Rahmen und in der Folge dieser Prüfung hat der Bevollmächtigte das Protokoll über den vor dem Arbeitsgericht geschlossenen Vergleich vorgelegt. Diese Feststellungen des LSG sind maßgebend für die rechtliche Beurteilung des Senats, ob die Tätigkeit schwierig iS der Nr 2500 VV RVG aF war.

18

Eine überdurchschnittlich schwierige Tätigkeit kommt in Betracht, wenn erhebliche, sich üblicherweise nicht stellende Probleme auftreten, die sowohl im tatsächlichen als auch im juristischen Bereich liegen können (BSGE 104, 30 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2, jeweils RdNr 33; vgl hierzu auch Schafhausen in jurisPR-SozR 10/2010 Anm 6). Abzustellen ist auf einen Rechtsanwalt, der sich bei Wahrnehmung des Mandats darauf beschränken kann und darf, den Fall mit den einschlägigen Rechtsvorschriften, gegebenenfalls unter Heranziehung von Rechtsprechung und Literatur, zu bearbeiten (BSGE aaO RdNr 32 mwN). Ausgehend von diesen Maßstäben ist im vorliegenden Fall eine über dem Durchschnitt liegende Schwierigkeit zu verneinen. Denn die rechtliche Überprüfung der Frage des Eintritts einer Sperrzeit gemäß § 144 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB III war nicht mit besonderen, sich üblicherweise nicht stellenden Problemen verbunden. Die einschlägige Norm ist weder schwer verständlich noch bedurfte es bei der Subsumtion des konkreten Sachverhalts unter die Norm der Auswertung umfangreicher Rechtsprechung oder spezieller Literatur. Auch in tatsächlicher Hinsicht ergeben die Feststellungen des LSG keine Anhaltspunkte für das Vorliegen besonderer Schwierigkeiten. Der Sachverhalt war überschaubar und nicht ungewöhnlich; die konkrete Verteidigungsstrategie konnte nur darauf hinauslaufen, den Vorwurf der Veranlassung der Kündigung durch arbeitsvertragswidriges Verhalten zu widerlegen oder zu entkräften. Insgesamt handelte es sich somit um einen Normal- oder Routinefall (vgl BSGE aaO RdNr 35).

19

Der Auffassung des LSG, die Schwierigkeit ergebe sich bereits aus der Einführung einer Fachanwaltschaft für das Sozialrecht sowie aus der Bildung von Fachkammern und Fachsenaten im Arbeitsförderungsrecht, folgt der Senat nicht. Das BSG hat bereits entschieden, dass es bei der Einordnung, ob die rechtliche Schwierigkeit durchschnittlich bzw über- oder unterdurchschnittlich ist, nicht angebracht ist, nach einzelnen Rechtsgebieten bzw Teilrechtsgebieten zu differenzieren (BSGE 104, 30 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2, jeweils RdNr 35; aA etwa Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl 2008, § 14 RdNr 16). Abzustellen ist also in jedem Rechtsgebiet auf den konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände (vgl auch § 14 Abs 1 Satz 1 RVG).

20

Dass der Bevollmächtigte des Klägers zunächst selbst davon ausging, seine Tätigkeit im Widerspruchsverfahren sei nicht schwierig gewesen, ergibt sich im Übrigen aus seiner der Beklagten vorgelegten Kostennote. Die geforderte Geschäftsgebühr von 318,50 Euro war nämlich auf der Grundlage der Nr 2400 VV RVG aF (= Nr 2300 VV RVG nF) berechnet, wobei der Bevollmächtigte rechtsirrig annahm, die Gebühr richte sich nach dem Gegenstandswert. Der Betrag von 318,50 Euro ergab sich aus einem unterstellten Streitwert von 3.731,28 Euro (Alg für zwölf Wochen) und einer Gebühr von 1,3 gemäß Nr 2400 VV RVG aF (vgl § 13 Abs 1 RVG iVm der Anlage 2 zum RVG: volle Gebühr 245 Euro, Gebühr von 1,3 also 318,50 Euro). Bei Annahme einer überdurchschnittlichen Schwierigkeit wäre die Berechnung einer höheren Geschäftsgebühr zu erwarten gewesen, da nach Nr 2400 VV RVG aF (= Nr 2300 VV RVG nF) eine Gebühr von mehr als 1,3 gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war.

21

c) Rechtsgrundlage für die geltend gemachte Erledigungsgebühr ist Nr 1005 VV RVG iVm Nr 1002 VV RVG (jeweils idF des KostRMoG). Danach erhält der Rechtsanwalt eine Gebühr für die Erledigung in sozialrechtlichen Angelegenheiten, in denen im gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 RVG); die Gebühr umfasst einen Rahmen von 40 bis 520 Euro. Die Gebühr entsteht, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt (vgl Erläuterungen zu Nr 1002 VV RVG). Entgegen der Auffassung des LSG sind die Voraussetzungen für das Entstehen einer Erledigungsgebühr nicht erfüllt.

22

Nach der Rechtsprechung des BSG zu Nr 1005 bzw 1002 VV RVG kann eine Gebühr für die Mitwirkung an der Erledigung eines isolierten Vorverfahrens nur beansprucht werden, wenn der Rechtsanwalt eine über die Einlegung und Begründung des Widerspruchs hinausgehende besondere Tätigkeit entfaltet hat (ua BSG SozR 4-1300 § 63 Nr 8 RdNr 20 ff; Urteil vom 21.3.2007, B 11a AL 53/06 R, RdNr 16; SozR 4-1935 VV Nr 1002 Nr 1, RdNr 14 mwN; zustimmend ua Roos in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, Anhang zu § 63 RdNr 43b). Erforderlich ist eine qualifizierte erledigungsgerichtete Mitwirkung, die über das Maß hinausgeht, das schon durch den allgemeinen Gebührentatbestand für das anwaltliche Auftreten im Widerspruchsverfahren abgegolten wird (vgl BSG SozR 4-1300 § 63 Nr 8 RdNr 22). Eine solche qualifizierte, eine Erledigungsgebühr begründende Tätigkeit liegt beispielsweise vor, wenn der Rechtsanwalt zum Zwecke des Beweises entscheidungserheblicher Tatsachen unaufgefordert neue Beweismittel, etwa während des Vorverfahrens neu erstattete Befundberichte, beibringt (BSG SozR 4-1935 VV Nr 1002 Nr 1 RdNr 15). Dagegen bewegt sich die Vorlage präsenter Beweismittel noch im Rahmen der dem Widerspruchsführer ohnehin obliegenden Mitwirkung (§ 21 Abs 2 SGB X) und ist bereits mit der Geschäftsgebühr bzw der Auslagenpauschale abgegolten (BSG, Urteil vom 2.10.2008, B 9/9a SB 3/07 R, RdNr 16, 17).

23

Unter Zugrundelegung dieser in der Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe kann in der durch den Bevollmächtigten des Klägers vorgenommenen Übersendung des vor dem Arbeitsgericht geschlossenen Vergleichs keine die Gebühr nach Nr 1005 VV RVG rechtfertigende besondere Tätigkeit gesehen werden. Das LSG hat nicht hinreichend berücksichtigt, dass die für den Vergleichsabschluss ausschlaggebende Tätigkeit nicht im Widerspruchsverfahren, sondern in einem anderen, vom Kläger gesondert anhängig gemachten Verfahren entfaltet worden ist. Denn die Gebühr nach Nr 1005 iVm Nr 1002 VV RVG entsteht bei Erledigung einer Rechtssache nach Aufhebung oder Änderung eines angefochtenen Verwaltungsakts (vgl Erläuterungen zu Nr 1002 VV RVG), woraus deutlich wird, dass die anwaltliche Mitwirkung im konkreten Verfahren stattfinden muss und dass ein Tätigwerden in einem anderen Verfahren regelmäßig nicht ausreicht (vgl Hartmann, Kostengesetze, 38. Aufl 2008, Nr 1002 VV RVG RdNr 12 mwN).

24

Nach den getroffenen Feststellungen hat der Bevollmächtigte im arbeitsgerichtlichen Prozess darauf hingewirkt, den Wahrheitsgehalt der vom Arbeitgeber zur Begründung der außerordentlichen Kündigung angeführten Tatsachen in Frage zu stellen. Aufgrund dieser besonderen Bemühungen des Bevollmächtigten ist auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren eine Einigungsgebühr gemäß Nr 1000 VV RVG angefallen. Demgegenüber kommt der anschließenden Übersendung des Vergleichstextes an die Beklagte nur untergeordnete Bedeutung zu; sie kann nicht etwa der Beibringung neuer im Vorverfahren beschaffter Beweismittel (BSG SozR 4-1935 VV Nr 1002 Nr 1) gleichgesetzt werden.

25

Der Senat folgt in diesem Zusammenhang nicht der Auffassung des LSG, die Bemühungen des Bevollmächtigten vor dem Arbeitsgericht seien "hauptsächlich" für das Widerspruchsverfahren bedeutsam gewesen. Auszugehen ist vielmehr davon, dass der Bevollmächtigte des Klägers auch und gerade aus arbeitsrechtlichen Gründen verpflichtet war, die Kündigungsgründe in Frage zu stellen und auf die Feststellung der Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung hinzuwirken. Die Vorlage des Vergleichs im Widerspruchsverfahren ist deshalb lediglich im Rahmen der Verpflichtung des Rechtsanwalts, das Verfahren gewissenhaft und sorgfältig zu betreiben, erfolgt und durch die Geschäftsgebühr nach Nr 2500 VV RVG aF (= Nr 2400 VV RVG nF) abgedeckt.

26

d) Die angefochtenen Kostenfestsetzungsbescheide sind auch im Übrigen zutreffend. Dies gilt für die anerkannten Kosten für Ablichtungen, die Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen und für die Umsatzsteuer (Nr 7000, 7002 und 7008 VV RVG).

27

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz nicht anzuwenden ist, entstehen Betragsrahmengebühren. In sonstigen Verfahren werden die Gebühren nach dem Gegenstandswert berechnet, wenn der Auftraggeber nicht zu den in § 183 des Sozialgerichtsgesetzes genannten Personen gehört; im Verfahren nach § 201 Absatz 1 des Sozialgerichtsgesetzes werden die Gebühren immer nach dem Gegenstandswert berechnet. In Verfahren wegen überlanger Gerichtsverfahren (§ 202 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes) werden die Gebühren nach dem Gegenstandswert berechnet.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend für eine Tätigkeit außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 5. Mai 2009 geändert.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 18. Mai 2007 wird insgesamt zurückgewiesen.

Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Höhe der von der Beklagten zu erstattenden Aufwendungen des Klägers für die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren.

2

Dem Kläger wurde von seinem Arbeitgeber im Juli 2004 fristlos mit der Begründung gekündigt, er habe während der Arbeitszeit in alkoholisiertem Zustand einen Unfall verursacht. Der Kläger erhob daraufhin Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht und beantragte bei der Beklagten Arbeitslosengeld (Alg). Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 5.11.2004 den Eintritt einer Sperrzeit von zwölf Wochen mit der Begründung fest, der Kläger habe durch arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch grob fahrlässig seine Arbeitslosigkeit herbeigeführt.

3

Gegen den Bescheid vom 5.11.2004 erhob der Kläger, vertreten durch seinen bevollmächtigten Rechtsanwalt, Widerspruch. Mit Schreiben vom 8.3.2005 übersandte der Bevollmächtigte des Klägers der Beklagten das Protokoll eines am 4.3.2005 vor dem Arbeitsgericht geschlossenen Vergleichs, aus dem hervorging, dass das Arbeitsverhältnis durch ordentliche arbeitgeberseitige Kündigung endete und der Arbeitgeber den Vorwurf der Schadensverursachung durch den Kläger im alkoholisierten Zustand während der Arbeitszeit fallen ließ.

4

Mit Abhilfebescheid vom 20.4.2004 hob die Beklagte den Sperrzeitbescheid vom 5.11.2004 auf und erklärte sich bereit, die im Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen Kosten auf Antrag zu erstatten.

5

Mit seiner bei der Beklagten eingereichten Kostennote machte der Bevollmächtigte des Klägers eine Geschäftsgebühr von 318,50 Euro, eine Erledigungsgebühr von 367,50 Euro, eine Auslagenpauschale von 20 Euro sowie 112,96 Euro Umsatzsteuer geltend, insgesamt 818,96 Euro. Die Beklagte erkannte als im Widerspruchsverfahren entstandene notwendige Aufwendungen jedoch nur 301,60 Euro an und lehnte im Übrigen eine Kostenerstattung ab (Bescheid vom 1.7.2005). Der anerkannte Betrag setzte sich wie folgt zusammen: 240 Euro Geschäftsgebühr gemäß Nr 2500 des Vergütungsverzeichnisses (VV) zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) in der bis 30.6.2006 geltenden Fassung, 20 Euro Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsleistungen sowie 41,60 Euro Umsatzsteuer. Auf den Widerspruch des Klägers erkannte die Beklagte zusätzlich noch Kopierkosten in Höhe von 8,70 Euro an (Bescheid vom 4.8.2005), wies jedoch im Übrigen den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 22.9.2005).

6

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 18.5.2007). Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG geändert, die Beklagte unter Abänderung der streitgegenständlichen Bescheide verurteilt, die erstattungsfähigen Kosten des Widerspruchsverfahrens auf 726,16 Euro festzusetzen und an den Kläger weitere 415,86 Euro zu zahlen; im Übrigen hat das LSG die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 5.5.2009). In den Entscheidungsgründen hat das LSG ua ausgeführt: Die auf der Grundlage der Nr 2500 VV RVG geltend gemachte Geschäftsgebühr von 318,50 Euro sei nicht unbillig. Die Tätigkeit des Anwalts sei schwierig gewesen. Es habe sich um ein sozialrechtliches Spezialproblem aus dem Arbeitsförderungsrecht gehandelt, in das sich der Bevollmächtigte habe einarbeiten müssen. Das Arbeitsförderungsrecht sei ein Rechtsgebiet, für das ein Rechtsanwalt Spezialwissen benötige. Der Schwierigkeitsgrad sei aus der Sicht des Allgemeinanwalts zu beurteilen; für ihn seien Fälle aus dem Sozialrecht jedenfalls dann schwierig, wenn sie von einem sozialrechtlichen Standard- und Routinefall abwichen. Auch spreche die Bildung von Kammern und Senaten mit Spezialzuständigkeiten sowie die Einführung einer Fachanwaltschaft in einem Rechtsgebiet für dessen Schwierigkeit. Diese rechtfertige im vorliegenden Fall den Ansatz einer um 40 Euro oberhalb der Schwellengebühr (240 Euro) liegenden Gebühr, also der Mittelgebühr in Höhe von 280 Euro; diese habe der Bevollmächtigte um 13,75 % auf 318,50 Euro erhöhen dürfen. Darüber hinaus sei auch eine Erledigungsgebühr gemäß Nr 1005 VV RVG angefallen. Das nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) erforderliche besondere Tätigwerden des Rechtsanwaltes liege darin, dass er im arbeitsgerichtlichen Verfahren erkennbar darauf hingewirkt habe, den Wahrheitsgehalt der vom Arbeitgeber zur Begründung der außerordentlichen Kündigung angeführten, für die Entscheidung der Beklagten maßgeblichen Tatsachen in Frage zu stellen, und dass er das Ergebnis seiner Bemühungen im Kündigungsschutzprozess unverzüglich in das Widerspruchsverfahren eingeführt habe. Als Erledigungsgebühr angemessen sei aber nur die Mittelgebühr von 280 Euro; der vom Kläger angesetzte Wert von 367,50 Euro weiche um 31,25 % von der Mittelgebühr ab und sei nicht mehr vom anwaltlichen Beurteilungsspielraum gedeckt.

7

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte Verletzungen formellen und materiellen Rechts. Sie macht ua geltend, es bestehe kein Anspruch auf Zubilligung einer 240 Euro übersteigenden Geschäftsgebühr, weil die Tätigkeit des Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren weder umfangreich noch schwierig gewesen sei. Zur Subsumtion des Sachverhalts unter die einschlägige Rechtsnorm des § 144 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) habe es nur eines flüchtigen Blickes in das Gesetz bedurft, nicht aber einer weitreichenden rechtlichen Detailprüfung. Auch eine Erledigungsgebühr sei mangels besonderer anwaltlicher Mitwirkung nicht angefallen. Das Übersenden des arbeitsgerichtlichen Vergleichs sei lediglich als logische Fortsetzung und Beendigung der ursprünglichen Widerspruchsbegründung anzusehen, nicht aber als weitere, auf gütliche Einigung gerichtete und gesondert zu vergütende Tätigkeit. Soweit ein besonderes Bemühen im Prozess vor dem Arbeitsgericht vorgelegen habe, könne dies nur im dortigen Verfahren eine Einigungsgebühr rechtfertigen.

8

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG vom 5.5.2009 zu ändern und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG vom 18.5.2007 insgesamt zurückzuweisen.

9

Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

10

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision der Beklagten ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz). Die Beklagte hat die dem Kläger zu erstattenden notwendigen Aufwendungen zutreffend festgesetzt, so dass auf die Revision das Urteil des LSG zu ändern und die Berufung des Klägers gegen das die Klage abweisende Urteil des SG insgesamt zurückzuweisen ist.

12

1. Von Amts wegen zu beachtende Verfahrensfehler stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen. Die Revision und die Berufung sind nicht nach § 144 Abs 4 SGG iVm § 165 Satz 1 SGG ausgeschlossen, da in der Hauptsache über die Kosten eines isolierten Vorverfahrens(§§ 78 ff SGG, § 63 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch) gestritten wird (BSG SozR 3-1500 § 144 Nr 13 S 30; BSGE 104, 30 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2, jeweils RdNr 9; Urteil des Senats vom 25.2.2010, B 11 AL 24/08 R, zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 11 mwN). Der Kläger verfolgt sein Begehren zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage; der Erhebung einer Verpflichtungsklage auf Bestimmung der Notwendigkeit der Zuziehung eines Rechtsanwalts nach § 63 Abs 3 Satz 2 SGB X bedarf es nicht, da die Beklagte diese Notwendigkeit zumindest konkludent anerkannt hat(vgl ua BSG, Urteile vom 5.5.2009, B 13 R 137/08 R, RdNr 12, und vom 21.12.2009, B 14 AS 83/08 R, zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 13).

13

2. Die angefochtenen Bescheide vom 1.7.2005 und 4.8.2005, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.9.2005, sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Insbesondere besteht kein Anspruch auf Erstattung einer den Betrag von 240 Euro übersteigenden Geschäftsgebühr (dazu im Folgenden unter b) und auch kein Anspruch auf Erstattung einer Erledigungsgebühr (dazu unter c).

14

a) Nach § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X ist, soweit der Widerspruch erfolgreich ist, der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, verpflichtet, dem Widerspruchsführer die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Nach § 63 Abs 2 SGB X sind die Gebühren und Auslagen ua eines Rechtsanwalts im Vorverfahren erstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war. Gebühren und Auslagen iS des § 63 Abs 2 SGB X sind nur die gesetzlichen Gebühren und Auslagen(BSGE 78, 159, 161 f = SozR 3-1300 § 63 Nr 7 S 25 f; SozR 4-1300 § 63 Nr 8 RdNr 16). Diese sind bei Beauftragung eines Rechtsanwalts seit dem 1.7.2004 nach Maßgabe des RVG sowie des VV der Anlage 1 zum RVG zu bestimmen (vgl § 1 Abs 1 und § 2 Abs 2 Satz 1 RVG, jeweils idF des Art 3 des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts vom 5.5.2004, BGBl I 718; zum Inkrafttreten Art 8 KostRMoG, zum Übergangsrecht §§ 60, 61 RVG).

15

b) Rechtsgrundlage für die geltend gemachte Geschäftsgebühr ist Nr 2500 des VV zum RVG in der vorbezeichneten Fassung (aF; gleichlautend inzwischen Nr 2400 in der ab 1.7.2006 geltenden Fassung , vgl Art 5 Abs 1 Nr 4 Buchst b KostRMoG). Danach erhält der Rechtsanwalt in sozialrechtlichen Angelegenheiten, in denen im gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen (vgl § 3 RVG) ua für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information (vgl Vorbemerkung 2 zu Nr 2500 VV RVG aF) eine Geschäftsgebühr (zur Anwendbarkeit bei Leistungsempfängern iS des § 183 Satz 1 SGG vgl BSGE 104, 30 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2, jeweils RdNr 18). Die Geschäftsgebühr nach Nr 2500 VV RVG aF umfasst einen Betragsrahmen von 40 bis 520 Euro, wobei eine Gebühr von mehr als 240 Euro nur gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war (so genannte Schwellengebühr).

16

Nach der Rechtsprechung des BSG zu Nr 2500 VV RVG aF (= Nr 2400 VV RVG nF) hat die Schwellengebühr von 240 Euro die so genannte Mittelgebühr, die sich aus der Mindestgebühr zuzüglich der Hälfte des Unterschieds zwischen Mindest- und Höchstgebühr errechnet (bei Nr 2500 aF also 280 Euro), nicht ersetzt (BSGE 104, 30 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2, jeweils RdNr 22 ff). Die Einführung der Schwellengebühr hat aber zur Folge, dass die in einem ersten Schritt ausgehend von der Mittelgebühr bestimmte Gebühr in einem zweiten Schritt in Höhe des Schwellenwertes gekappt wird, wenn weder der Umfang noch die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit mehr als durchschnittlich sind (BSGE aaO RdNr 22; vgl auch BSG SozR 4-1935 § 14 Nr 1 RdNr 16). Umfang oder Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit müssen also über dem Durchschnitt liegen, um im Ergebnis eine höhere Gebühr als die Schwellengebühr zu rechtfertigen. Von einer umfangreichen oder schwierigen Tätigkeit in diesem Sinne kann aber unter den konkreten Umständen des vorliegenden Falles nicht die Rede sein, weshalb der von der Beklagten anerkannte und festgesetzte Betrag von 240 Euro nicht weiter zu erhöhen ist.

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Dass die anwaltliche Tätigkeit weder umfangreich noch schwierig iS der Nr 2500 VV RVG aF war, ist den vom LSG festgestellten, das Revisionsgericht bindenden Tatsachen (§ 163 SGG) zu entnehmen. Das LSG hat zunächst zum Umfang der Tätigkeit des Bevollmächtigten des Klägers nach Hinweis auf die Erhebung des Widerspruchs und das Schreiben vom 8.3.2005 ausgeführt, die Tätigkeit sei nicht umfangreich gewesen. Ein überdurchschnittlicher Umfang der Tätigkeit wird auch vom Kläger selbst nicht behauptet. Das LSG hat im Übrigen tatsächliche Feststellungen zum Inhalt und zur Intensität der Tätigkeit des Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren getroffen. Danach hat der Bevollmächtigte als Allgemeinanwalt die rechtliche Prüfung vorgenommen, ob der Kläger durch arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch den Arbeitgeber gegeben und dadurch seine Arbeitslosigkeit vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat, ob also eine Sperrzeit gemäß § 144 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB III eingetreten ist. Im Rahmen und in der Folge dieser Prüfung hat der Bevollmächtigte das Protokoll über den vor dem Arbeitsgericht geschlossenen Vergleich vorgelegt. Diese Feststellungen des LSG sind maßgebend für die rechtliche Beurteilung des Senats, ob die Tätigkeit schwierig iS der Nr 2500 VV RVG aF war.

18

Eine überdurchschnittlich schwierige Tätigkeit kommt in Betracht, wenn erhebliche, sich üblicherweise nicht stellende Probleme auftreten, die sowohl im tatsächlichen als auch im juristischen Bereich liegen können (BSGE 104, 30 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2, jeweils RdNr 33; vgl hierzu auch Schafhausen in jurisPR-SozR 10/2010 Anm 6). Abzustellen ist auf einen Rechtsanwalt, der sich bei Wahrnehmung des Mandats darauf beschränken kann und darf, den Fall mit den einschlägigen Rechtsvorschriften, gegebenenfalls unter Heranziehung von Rechtsprechung und Literatur, zu bearbeiten (BSGE aaO RdNr 32 mwN). Ausgehend von diesen Maßstäben ist im vorliegenden Fall eine über dem Durchschnitt liegende Schwierigkeit zu verneinen. Denn die rechtliche Überprüfung der Frage des Eintritts einer Sperrzeit gemäß § 144 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB III war nicht mit besonderen, sich üblicherweise nicht stellenden Problemen verbunden. Die einschlägige Norm ist weder schwer verständlich noch bedurfte es bei der Subsumtion des konkreten Sachverhalts unter die Norm der Auswertung umfangreicher Rechtsprechung oder spezieller Literatur. Auch in tatsächlicher Hinsicht ergeben die Feststellungen des LSG keine Anhaltspunkte für das Vorliegen besonderer Schwierigkeiten. Der Sachverhalt war überschaubar und nicht ungewöhnlich; die konkrete Verteidigungsstrategie konnte nur darauf hinauslaufen, den Vorwurf der Veranlassung der Kündigung durch arbeitsvertragswidriges Verhalten zu widerlegen oder zu entkräften. Insgesamt handelte es sich somit um einen Normal- oder Routinefall (vgl BSGE aaO RdNr 35).

19

Der Auffassung des LSG, die Schwierigkeit ergebe sich bereits aus der Einführung einer Fachanwaltschaft für das Sozialrecht sowie aus der Bildung von Fachkammern und Fachsenaten im Arbeitsförderungsrecht, folgt der Senat nicht. Das BSG hat bereits entschieden, dass es bei der Einordnung, ob die rechtliche Schwierigkeit durchschnittlich bzw über- oder unterdurchschnittlich ist, nicht angebracht ist, nach einzelnen Rechtsgebieten bzw Teilrechtsgebieten zu differenzieren (BSGE 104, 30 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2, jeweils RdNr 35; aA etwa Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl 2008, § 14 RdNr 16). Abzustellen ist also in jedem Rechtsgebiet auf den konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände (vgl auch § 14 Abs 1 Satz 1 RVG).

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Dass der Bevollmächtigte des Klägers zunächst selbst davon ausging, seine Tätigkeit im Widerspruchsverfahren sei nicht schwierig gewesen, ergibt sich im Übrigen aus seiner der Beklagten vorgelegten Kostennote. Die geforderte Geschäftsgebühr von 318,50 Euro war nämlich auf der Grundlage der Nr 2400 VV RVG aF (= Nr 2300 VV RVG nF) berechnet, wobei der Bevollmächtigte rechtsirrig annahm, die Gebühr richte sich nach dem Gegenstandswert. Der Betrag von 318,50 Euro ergab sich aus einem unterstellten Streitwert von 3.731,28 Euro (Alg für zwölf Wochen) und einer Gebühr von 1,3 gemäß Nr 2400 VV RVG aF (vgl § 13 Abs 1 RVG iVm der Anlage 2 zum RVG: volle Gebühr 245 Euro, Gebühr von 1,3 also 318,50 Euro). Bei Annahme einer überdurchschnittlichen Schwierigkeit wäre die Berechnung einer höheren Geschäftsgebühr zu erwarten gewesen, da nach Nr 2400 VV RVG aF (= Nr 2300 VV RVG nF) eine Gebühr von mehr als 1,3 gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war.

21

c) Rechtsgrundlage für die geltend gemachte Erledigungsgebühr ist Nr 1005 VV RVG iVm Nr 1002 VV RVG (jeweils idF des KostRMoG). Danach erhält der Rechtsanwalt eine Gebühr für die Erledigung in sozialrechtlichen Angelegenheiten, in denen im gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 RVG); die Gebühr umfasst einen Rahmen von 40 bis 520 Euro. Die Gebühr entsteht, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt (vgl Erläuterungen zu Nr 1002 VV RVG). Entgegen der Auffassung des LSG sind die Voraussetzungen für das Entstehen einer Erledigungsgebühr nicht erfüllt.

22

Nach der Rechtsprechung des BSG zu Nr 1005 bzw 1002 VV RVG kann eine Gebühr für die Mitwirkung an der Erledigung eines isolierten Vorverfahrens nur beansprucht werden, wenn der Rechtsanwalt eine über die Einlegung und Begründung des Widerspruchs hinausgehende besondere Tätigkeit entfaltet hat (ua BSG SozR 4-1300 § 63 Nr 8 RdNr 20 ff; Urteil vom 21.3.2007, B 11a AL 53/06 R, RdNr 16; SozR 4-1935 VV Nr 1002 Nr 1, RdNr 14 mwN; zustimmend ua Roos in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, Anhang zu § 63 RdNr 43b). Erforderlich ist eine qualifizierte erledigungsgerichtete Mitwirkung, die über das Maß hinausgeht, das schon durch den allgemeinen Gebührentatbestand für das anwaltliche Auftreten im Widerspruchsverfahren abgegolten wird (vgl BSG SozR 4-1300 § 63 Nr 8 RdNr 22). Eine solche qualifizierte, eine Erledigungsgebühr begründende Tätigkeit liegt beispielsweise vor, wenn der Rechtsanwalt zum Zwecke des Beweises entscheidungserheblicher Tatsachen unaufgefordert neue Beweismittel, etwa während des Vorverfahrens neu erstattete Befundberichte, beibringt (BSG SozR 4-1935 VV Nr 1002 Nr 1 RdNr 15). Dagegen bewegt sich die Vorlage präsenter Beweismittel noch im Rahmen der dem Widerspruchsführer ohnehin obliegenden Mitwirkung (§ 21 Abs 2 SGB X) und ist bereits mit der Geschäftsgebühr bzw der Auslagenpauschale abgegolten (BSG, Urteil vom 2.10.2008, B 9/9a SB 3/07 R, RdNr 16, 17).

23

Unter Zugrundelegung dieser in der Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe kann in der durch den Bevollmächtigten des Klägers vorgenommenen Übersendung des vor dem Arbeitsgericht geschlossenen Vergleichs keine die Gebühr nach Nr 1005 VV RVG rechtfertigende besondere Tätigkeit gesehen werden. Das LSG hat nicht hinreichend berücksichtigt, dass die für den Vergleichsabschluss ausschlaggebende Tätigkeit nicht im Widerspruchsverfahren, sondern in einem anderen, vom Kläger gesondert anhängig gemachten Verfahren entfaltet worden ist. Denn die Gebühr nach Nr 1005 iVm Nr 1002 VV RVG entsteht bei Erledigung einer Rechtssache nach Aufhebung oder Änderung eines angefochtenen Verwaltungsakts (vgl Erläuterungen zu Nr 1002 VV RVG), woraus deutlich wird, dass die anwaltliche Mitwirkung im konkreten Verfahren stattfinden muss und dass ein Tätigwerden in einem anderen Verfahren regelmäßig nicht ausreicht (vgl Hartmann, Kostengesetze, 38. Aufl 2008, Nr 1002 VV RVG RdNr 12 mwN).

24

Nach den getroffenen Feststellungen hat der Bevollmächtigte im arbeitsgerichtlichen Prozess darauf hingewirkt, den Wahrheitsgehalt der vom Arbeitgeber zur Begründung der außerordentlichen Kündigung angeführten Tatsachen in Frage zu stellen. Aufgrund dieser besonderen Bemühungen des Bevollmächtigten ist auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren eine Einigungsgebühr gemäß Nr 1000 VV RVG angefallen. Demgegenüber kommt der anschließenden Übersendung des Vergleichstextes an die Beklagte nur untergeordnete Bedeutung zu; sie kann nicht etwa der Beibringung neuer im Vorverfahren beschaffter Beweismittel (BSG SozR 4-1935 VV Nr 1002 Nr 1) gleichgesetzt werden.

25

Der Senat folgt in diesem Zusammenhang nicht der Auffassung des LSG, die Bemühungen des Bevollmächtigten vor dem Arbeitsgericht seien "hauptsächlich" für das Widerspruchsverfahren bedeutsam gewesen. Auszugehen ist vielmehr davon, dass der Bevollmächtigte des Klägers auch und gerade aus arbeitsrechtlichen Gründen verpflichtet war, die Kündigungsgründe in Frage zu stellen und auf die Feststellung der Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung hinzuwirken. Die Vorlage des Vergleichs im Widerspruchsverfahren ist deshalb lediglich im Rahmen der Verpflichtung des Rechtsanwalts, das Verfahren gewissenhaft und sorgfältig zu betreiben, erfolgt und durch die Geschäftsgebühr nach Nr 2500 VV RVG aF (= Nr 2400 VV RVG nF) abgedeckt.

26

d) Die angefochtenen Kostenfestsetzungsbescheide sind auch im Übrigen zutreffend. Dies gilt für die anerkannten Kosten für Ablichtungen, die Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen und für die Umsatzsteuer (Nr 7000, 7002 und 7008 VV RVG).

27

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Sozialgerichts Trier vom 24. Juli 2007 und des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 15. Juli 2009 geändert. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger lediglich weitere 185,60 Euro an Rechtsanwaltsgebühren zu erstatten; die darüber hinausgehende Klage wird abgewiesen.

Im Übrigen wird die Revision der Beklagten zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger 3/5 der außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits in allen Rechtszügen zu erstatten.

Tatbestand

1

Im Streit steht, in welcher Höhe die Beklagte Rechtsanwaltsgebühren im Rahmen eines isolierten Vorverfahrens zu erstatten hat.

2

Der Kläger beantragte im Dezember 2005 mit Schreiben seines bevollmächtigten Rechtsanwalts die Übernahme von Kosten für eine berufsbedingte Hörgeräteversorgung über die Festbetragsgrenze der gesetzlichen Krankenversicherung hinaus. Diesem Antrag war ua eine Schilderung über hörbedingte Probleme des Klägers am Arbeitsplatz beigefügt. Der Antrag blieb zunächst erfolglos, weil die Hörgeräteversorgung nicht ausschließlich zur Ausübung seiner Berufstätigkeit erforderlich sei (Bescheid vom 12.1.2006). Mit dem Widerspruch trug der Bevollmächtigte vor, dass das beantragte Hörgerät nicht zur Herstellung der Kommunikationsfähigkeit im Alltag bestimmt sei und fügte eine weitere - inhaltlich identische - Stellungnahme des Klägers über "Hörprobleme am Arbeitsplatz" vom 9.2.2006 bei. Die Richtigkeit dieser Angaben bestätigte der Arbeitgeber im ebenfalls beigefügten Schreiben vom 10.2.2006. Die von der Beklagten eingeholte beratungsärztliche Stellungnahme vom 23.2.2006 empfahl die Abhilfe des Widerspruchs, weil ein höherwertiges Hörgerät zur Erhöhung der Sicherheit am Arbeitsplatz erforderlich sei.

3

Den Ablehnungsbescheid vom 12.1.2006 nahm die Beklagte daraufhin zurück. Sie half dem Widerspruch in vollem Umfang ab und erklärte sich bereit, die beantragten Kosten für die Beschaffung des Hörgeräts antragsgemäß zu übernehmen und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Widerspruchsverfahren notwendigen Aufwendungen voll zu erstatten (Bescheid vom 3.3.2006).

4

Mit Schriftsatz vom 10.3.2006 stellte der Bevollmächtigte Rechtsanwaltsgebühren iHv insgesamt 626,40 Euro der Beklagten in Rechnung. Hierin war ua eine Erledigungsgebühr (280 Euro) zzgl Umsatzsteuer von 16 % (= 324,80 Euro) nach Nr 1002, 1005, 7008 Vergütungsverzeichnis (VV) gemäß Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) enthalten, deren Erstattung die Beklagte ablehnte, weil ein Erhöhungstatbestand nach § 3 Abs 2 RVG iVm Nr 1005 VV RVG bei voller Abhilfe nicht vorliege. Sie erstattete daher lediglich einen Betrag iHv 301,60 Euro (626,40 Euro abzüglich 324,80 Euro). Im Erstattungsbetrag waren eine Geschäftsgebühr nach Nr 2500 (jetzt Nr 2400) VV RVG aF (240 Euro), die Postpauschale nach Nr 7002 VV RVG (20 Euro) und die Umsatzsteuer nach Nr 7008 VV RVG (41,60 Euro) enthalten (Bescheid vom 21.3.2006). Der auf die Erstattung auch der Erledigungsgebühr zzgl Umsatzsteuer (324,80 Euro) gerichtete Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 22.6.2006).

5

Im Klageverfahren hat das SG die Beklagte unter Abänderung des angefochtenen Bescheids verurteilt, dem Kläger antragsgemäß den Betrag iHv 324,80 Euro zu erstatten (Urteil SG Trier vom 24.7.2007).

6

Auf die vom LSG zugelassene Berufung hat es die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (LSG Rheinland-Pfalz Urteil vom 15.7.2009). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Eine Erledigungsgebühr entstehe, wenn eine anwaltliche Tätigkeit erbracht werde, die über das Maß hinausgehe, das schon durch den allgemeinen Gebührentatbestand für das anwaltliche Auftreten im sozialrechtlichen Widerspruchsverfahren abgegolten sei. Es schließe sich der Auffassung des 2. Senats des LSG im Urteil vom 27.10.2008 - L 2 R 49/08 - (nachgehend Senatsurteil vom 5.5.2009 - B 13 R 137/08 R) und des BSG vom 7.11.2006 (SozR 4-1300 § 63 Nr 8)an. Eine über die Einlegung und Begründung des Widerspruchs hinausgehende besondere Tätigkeit des Rechtsanwalts des Klägers liege hier vor. Der Bevollmächtigte habe sich im Widerspruchsverfahren mit den Gründen des Ablehnungsbescheids auseinandergesetzt und im Einzelnen dargelegt, warum der Kläger unter Berücksichtigung der vorgelegten Arbeitsplatzbeschreibung einen Anspruch auf Kostenübernahme für die begehrte Hörgeräteversorgung habe. Als weiteres Beweismittel sei eine Bestätigung des Arbeitgebers vorgelegt worden. Der qualifizierte Vortrag und das weitere Beweismittel hätten zur Erledigung des Widerspruchsverfahrens beigetragen. Insoweit könne auf das Urteil des BSG vom 2.10.2008 (SozR 4-1935 VV Nr 1002 Nr 1) verwiesen werden, wo eine Erledigungsgebühr nach Vorlage neuer (medizinischer) Beweismittel im Widerspruchsverfahren zugesprochen worden sei. Unschädlich für das Entstehen der Erledigungsgebühr sei, dass das Widerspruchsverfahren durch Widerspruchs- und nicht durch Abhilfebescheid erledigt worden sei.

7

Mit der Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 2.10.2008 und 5.5.2009) sei davon auszugehen, dass für das Entstehen der Erledigungsgebühr kein beiderseitiges Nachgeben erforderlich sei. Für eine solche einengende Auslegung ließen sich weder Wortlaut noch Sinn und Zweck von Nr 1002 VV RVG heranziehen. Auch der Vorläuferregelung von § 24 Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO) lasse sich dies dem Wortlaut nach nicht entnehmen. Die Zielsetzung von Nr 1002 VV RVG, namentlich die anwaltliche Mitwirkung an einer insbesondere die Gerichte entlastenden Erledigung von Streitigkeiten besonders zu honorieren, liefe nach der von der Beklagten vertretenen Ansicht leer. Die Erledigungsgebühr falle selbst dann an, wenn sich der mit einem Rechtsbehelf angefochtene Verwaltungsakt teilweise erledige, zB durch Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts.

8

Die parallele Regelung zur Einigungsgebühr in Nr 1000 VV RVG honoriere jegliche vertragliche Beilegung des Rechtsstreits und fordere auch nicht mehr das für die Vergleichsgebühr seinerzeit noch erforderliche Nachgeben (§ 23 BRAGO iVm § 779 BGB). Nach den Gesetzesmaterialien sollte Streit darüber vermieden werden, welche Abreden als Nachgeben zu bewerten seien. Für das Entstehen der Erledigungsgebühr komme es allein darauf an, ob eine qualifizierte anwaltliche Mitwirkung vorgelegen habe.

9

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung von § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X iVm § 63 Abs 2 SGB X und § 2 Abs 2 Satz 1 RVG iVm Nr 1002 VV RVG. Zwar stimme sie dem LSG insofern zu, als der Bevollmächtigte des Klägers eine anwaltliche Tätigkeit erbracht habe, die über das Maß hinausgehe, das schon durch den allgemeinen Gebührentatbestand für das anwaltliche Auftreten im sozialrechtlichen Verfahren abgegolten sei. Dies entspreche den Vorgaben des BSG (SozR 4-1935 VV Nr 1002 Nr 1 und Senatsurteil vom 5.5.2009 - B 13 R 137/08 R). Darüber hinaus müsse ein gegenseitiges Nachgeben der Beteiligten zur Erledigung des Widerspruchsverfahrens geführt haben. Nach der og Rechtsprechung werde nicht deutlich, weshalb die frühere Rechtsprechung zu § 116 Abs 3 Satz 2 und § 24 BRAGO, die auf ein beiderseitiges Nachgeben als Voraussetzung des Entstehens einer Erledigungsgebühr abstellte, nunmehr überholt sei. Schließlich sei der Wortlaut der Nr 1002 Satz 1 VV RVG nahezu identisch mit dem des § 24 BRAGO. Der Wortlaut der neuen Nr 1002 Satz 2 VV RVG sei jedoch nicht eindeutig. Für ihre Meinung spreche, dass der Gesetzgeber eine Gleichbehandlung von Anfechtungs- und Verpflichtungswiderspruch beabsichtigt habe. Hierfür sei auch der enge systematische Zusammenhang zur Nr 1000 VV RVG anzuführen, wonach die Einigungsgebühr nur bei gegenseitigem Nachgeben entstehe. Unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien (BT-Drucks 15/1971, S 204) spreche auch der Regelungszweck von Nr 1002 VV RVG für diese Auffassung. Danach solle eine verfahrensvermeidende bzw -beendende Tätigkeit des Bevollmächtigten als Anreiz für die Erledigung gefördert werden. Hierfür reiche eine bloße Abhilfeentscheidung der Behörde nicht aus. Dem entspreche die Entstehungsgeschichte. Nr 1002 VV RVG sei die Nachfolgevorschrift zu § 24 BRAGO. Letztere habe ein gegenseitiges Nachgeben der Beteiligten vorausgesetzt, um die Erledigungsgebühr entstehen zu lassen. Hingegen könne diese bei voller Abhilfe bzw Stattgabe des Widerspruchs nicht beansprucht werden.

10

Die Beklagte trägt ferner vor, dass dem Kläger auch kein Anspruch auf eine Regelgeschäftsgebühr nach Nr 2500 (jetzt Nr 2400) VV RVG aF, sondern nur ein Anspruch auf eine verminderte Geschäftsgebühr nach Nr 2501 (jetzt Nr 2401) VV RVG aF zustehe, weil der Bevollmächtigte bereits bei Antragstellung im Verwaltungsverfahren tätig geworden sei. Hierfür beruft sie sich auf das Urteil des BSG vom 25.2.2010 (BSGE 106, 21 = SozR 4-1300 § 63 Nr 12). Die reduzierte Geschäftsgebühr sei iHv 120 Euro nebst Umsatzsteuer in Höhe von 16 % angefallen. Selbst unter Zugrundelegung der streitigen Erledigungsgebühr iHv 280 Euro plus 16 % Umsatzsteuer verbleibe lediglich noch ein Betrag von 185,60 Euro, der allenfalls an den Kläger zu erstatten sei.

11

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des LSG Rheinland-Pfalz vom 15. Juli 2009 und des SG Trier vom 24. Juli 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

12

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

13

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Beklagte habe eingeräumt, dass der Bevollmächtigte eine anwaltliche Tätigkeit erbracht habe, die über das Maß hinausgehe, das schon durch den allgemeinen Gebührentatbestand für das anwaltliche Auftreten im sozialrechtlichen Widerspruchsverfahren abgegolten sei. Dass darüber hinaus ein gegenseitiges Nachgeben erforderlich sei, stehe im Widerspruch zu den Entscheidungen des BSG vom 7.11.2006 (SozR 4-1300 § 63 Nr 8; B 1 KR 13/06 R; B 1 KR 22/06 R). Eine Korrektur des Ansatzes für die Geschäftsgebühr sei im Revisionsverfahren nicht mehr möglich.

14

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 165 Satz 1, § 153 Abs 1, § 124 Abs 2 SGG).

Entscheidungsgründe

15

Die Revision der Beklagten ist teilweise begründet, soweit die Vorinstanzen dem Kläger zu Unrecht einen Kostenerstattungsanspruch von mehr als 185,60 Euro zuerkannt haben. Die Urteile des SG und des LSG waren daher abzuändern und die Klage insoweit abzuweisen. Die weitergehende Revision war zurückzuweisen.

16

1. Von Amts wegen zu beachtende Verfahrensmängel stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen. Revision und Berufung sind durch ausdrückliche Zulassung der Vorinstanz statthaft. Das Rechtsmittel ist nicht ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache über die Kosten eines isolierten Vorverfahrens gestritten wird. Es handelt sich dann nicht um Kosten des sozialgerichtlichen Verfahren iS von § 144 Abs 4, § 165 Satz 1 SGG(stRspr, vgl BSG SozR 3-1500 § 144 Nr 13 S 30; BSG SozR 4-1300 § 63 Nr 1 RdNr 6; BSG SozR 4-1300 § 63 Nr 8 RdNr 11; BSGE 104, 30 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2, RdNr 9; BSGE 106, 21 = SozR 4-1300 § 63 Nr 12, RdNr 11; BSG vom 5.5.2010 - B 11 AL 14/09 R - Juris RdNr 12).

17

2. Der Kläger verfolgt sein Begehren zutreffend mit der Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 SGG).

18

a) Gegenstand des Rechtsstreits ist allein die Entscheidung der Beklagten, in welcher Höhe der Betrag der zu erstattenden Aufwendungen für das Widerspruchsverfahren festzusetzen ist (§ 63 Abs 3 Satz 1 Halbs 1 SGB X). Sie hat entschieden, dass dem Kläger die Kosten des Vorverfahrens dem Grunde nach zu erstatten sind (Bescheid vom 3.3.2006, § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X). Zwar hat das LSG nicht festgestellt, ob die Beklagte die Zuziehung eines Rechtsanwalts für notwendig erklärt hat (§ 63 Abs 2, Abs 3 Satz 2 SGB X); allerdings liegt eine solche Feststellung konkludent in der Festsetzung des Erstattungsbetrags iHv 301,60 Euro (Bescheid vom 21.3.2006; Widerspruchsbescheid vom 22.6.2006). Einer weitergehenden Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG) bedurfte es daher nicht (vgl Senatsurteil vom 5.5.2009 - B 13 R 137/08 R - Juris RdNr 12; BSGE 104, 30 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2, RdNr 12; BSG vom 5.5.2010 - B 11 AL 14/09 R - Juris RdNr 12).

19

b) Die angefochtene Kostenentscheidung hat den Erstattungsbetrag auf 301,60 Euro festgesetzt. Im Streit steht die Frage, ob die Beklagte verpflichtet ist, weitere 324,80 Euro an Rechtsanwaltsgebühren des isolierten Vorverfahrens zu erstatten.

20

Anders als der Kläger meint, kann die Anfechtung des Kostenfestsetzungsbescheids nicht auf die Höhe der Erledigungsgebühr wirksam begrenzt werden. Vielmehr steht die Höhe der Geschäftsgebühr ebenfalls zur Überprüfung; dies gälte auch dann, wenn sie nicht - erstmals im Revisionsverfahren - von der Beklagten gerügt worden wäre. Die Erledigungs- und die Geschäftsgebühr sind lediglich einzelne Berechnungsfaktoren der Kostenfestsetzung, aus denen sich die Höhe des Kostenerstattungsanspruchs neben anderen Faktoren insgesamt zusammensetzt. Die isolierte Festsetzung einer Erledigungsgebühr sieht das Gesetz hingegen nicht vor; sie enthielte auch keine Regelung, die Bindungswirkung entfalten könnte. Obwohl die Beklagte die Geschäftsgebühr antragsgemäß in voller Höhe erstattet hat, haben die Gerichte eigenständig nach Maßgabe des Gesetzes unter Berücksichtigung der Berechnungsfaktoren zu entscheiden, ob dem Kläger insgesamt ein Anspruch auf höhere Kostenerstattung zusteht, als die Behörde bislang festgesetzt hat. Der Kläger ist insofern allerdings durch das prozessuale Verböserungsverbot vor einer im Ergebnis niedrigeren Kostenerstattung geschützt (vgl zur Höhe der Bestimmung der Rahmengebühr bzw des Gegenstandswerts als Berechnungsfaktor der Kostenfestsetzung: BSG vom 9.4.2008 - B 6 KA 3/07 B - Juris RdNr 12; BSG SozR 1300 § 63 Nr 8 S 25 ff, jeweils mwN; zustimmend Roos in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 63 RdNr 45).

21

3. Der Kläger hat gemäß § 63 Abs 1 Satz 1, Abs 2 und Abs 3 Satz 1 Halbs 1 SGB X Anspruch auf Erstattung seiner Aufwendungen auf der Grundlage der Erledigungsgebühr gemäß § 2 Abs 2 Satz 1 iVm Nr 1005 und Nr 1002 VV RVG.

22

a) Nach § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X hat bei einem erfolgreichen (isolierten) Vorverfahren der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, dem Widerspruchsführer die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Dabei sind nach § 63 Abs 2 SGB X die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts im Vorverfahren erstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war. Gemäß § 63 Abs 3 Satz 1 Halbs 1 SGB X setzt die Behörde, die die Kostenentscheidung getroffen hat, auf Antrag den Betrag der zu erstattenden Aufwendungen fest.

23

b) Die Vergütung (Gebühren und Auslagen) für anwaltliche Tätigkeiten der Rechtsanwälte richtet seit dem 1.7.2004 nach dem RVG in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (KostRMoG) vom 5.5.2004 (BGBl I 2004, 718; vgl § 1 Abs 1 Satz 1 RVG). Der Auftrag zur Erledigung der Angelegenheit ist dem Bevollmächtigten nach dem 30.6.2004 erteilt worden.

24

aa) Die Höhe der Vergütung bestimmt sich gemäß § 2 Abs 2 Satz 1 RVG nach dem VV der Anlage 1 zum RVG. Eine Erledigungsgebühr nach Nr 1005 VV RVG kommt bei einer "Einigung oder Erledigung in sozialrechtlichen Angelegenheiten, in denen im gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen," in Betracht. Betragsrahmengebühren sind in sozialgerichtlichen Verfahren vorgesehen, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist (§ 3 Abs 1 Satz 1 RVG). Abs 1 gilt entsprechend für eine Tätigkeit außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens (§ 3 Abs 2 RVG). Ginge es hier um ein gerichtliches Verfahren, wäre gemäß § 3 Abs 1 Satz 1 RVG eine Betragsrahmengebühr entstanden. Der Kläger hat einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Versorgung mit einem Hörgerät als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben behauptet. Hierfür wäre im Fall der Klageerhebung gemäß § 51 Abs 1 Nr 1 SGG der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet. Dann entstünden auch Betragsrahmengebühren, da der Kläger den Anspruch als Versicherter geltend macht (§ 3 Abs 1 Satz 1 RVG, § 183 Satz 1 SGG).

25

bb) Zutreffend hat das LSG festgestellt, dass auch die weiteren Voraussetzungen für das Entstehen einer Erledigungsgebühr nach Nr 1005 iVm Nr 1002 VV RVG erfüllt sind. Nach den amtlichen, vom Gesetzestext umfassten Erläuterungen zu Nr 1002 Satz 1 VV RVG setzt diese Vorschrift voraus, dass "sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt". Dem steht nach Satz 2 gleich, dass "sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakts erledigt". Das LSG hat zutreffend festgestellt, dass sich das isolierte Vorverfahren "durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt" hat.

26

Nach gefestigter Rechtsprechung des BSG kann eine Erledigungsgebühr für die Mitwirkung an der Erledigung eines isolierten Vorverfahrens durch Abhilfebescheid nur beansprucht werden, wenn der Anwalt eine über die Einlegung und Begründung des Widerspruchs hinausgehende besondere Tätigkeit entfaltet hat. Nach dem Wortlaut der Erläuterungen zu Nr 1002 (Satz 2) VV RVG kommt es hiernach für das Entstehen einer Erledigungsgebühr sowohl in einer Anfechtungssituation als auch bei einem Verpflichtungsrechtsbehelf auf die auf Erledigung gerichtete Mithilfe des Anwalts an. Auch die Regelungssystematik, der Sinn und Zweck der Regelung sowie ihre Entstehungsgeschichte erfordern eine qualifizierte erledigungsgerichtete Mitwirkung des Rechtsanwalts, die über das Maß desjenigen hinausgeht, das schon durch den allgemeinen Gebührentatbestand für das anwaltliche Auftreten im sozialrechtlichen Widerspruchsverfahren abgegolten wird (vgl Senatsurteil vom 5.5.2009 - B 13 R 137/08 R - Juris RdNr 16; BSG vom 5.5.2010 - B 11 AL 14/09 R - Juris RdNr 22; BSGE 104, 30 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2, RdNr 42; BSG SozR 4-1935 VV Nr 1002 Nr 1 RdNr 14; BSG vom 2.10.2008 - B 9/9a SB 3/07 R - Juris RdNr 15; BSG vom 21.3.2007 - B 11a AL 53/06 R - Juris RdNr 16; BSG SozR 4-1300 § 63 Nr 8 RdNr 20 ff; BSG vom 7.11.2006 - B 1 KR 22/06 R - und B 1 KR B 1 KR 13/06 R, jeweils RdNr 20 ff; für die Literatur zustimmend: Roos in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, Anhang zu § 63 RdNr 43b; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Aufl 2010, Nr 1002 VV RdNr 38; Straßfeld, NZS 2010, 253, 259; dieselbe, Brennpunkte des Sozialrechts 2009, 219, 247; dieselbe, SGb 2008, 635, 641; Köhler, ZFSH/SGB 2009, 67, 76; Becker in Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB X, Stand 2010, K § 63 RdNr 98; Curkovic in Bischof, RVG-Kompaktkommentar, 2. Aufl 2007, Nr 1002 VV RdNr 9 f, Nr 1005 VV RdNr 3; Mayer in Mayer/Kroiß , RVG-HK, 2. Aufl 2006, Nr 1002 VV RdNr 18).

27

Eine solche qualifizierte, eine Erledigungsgebühr begründende Tätigkeit liegt zB vor, wenn der Rechtsanwalt zum Zwecke des Beweises entscheidungserheblicher Tatsachen unaufgefordert neue, bisher noch nicht bekannte Beweismittel im Widerspruchsverfahren beibringt (zB neu erstattete Befundberichte, vgl BSG SozR 4-1935 VV Nr 1002 Nr 1 RdNr 15). Anders verhält es sich bei der Vorlage schon präsenter Beweismittel im Rahmen der dem Widerspruchsführer ohnehin obliegenden Mitwirkung (§ 21 Abs 2 Satz 1 und 2 SGB X), deren unaufgeforderte Vorlage bereits mit der Geschäftsgebühr bzw der Auslagenpauschale abgegolten ist (vgl BSG vom 2.10.2008 - B 9/9a SB 3/07 R - Juris RdNr 16 f; vgl auch BSG vom 5.5.2010 - B 11 AL 14/09 R - Juris RdNr 22).

28

cc) Wie die Beklagte selbst einräumt, liegt im vorliegenden Fall eine über die Einlegung und Begründung des Widerspruchs hinausgehende besondere Tätigkeit im Sinne einer qualifizierten erledigungsgerichteten Mitwirkung des Rechtsanwalts vor, die ursächlich für die (unstreitige) Erledigung des Vorverfahrens durch Abhilfebescheid war. Ungeachtet dessen tragen die für den Senat bindenden (§ 163 SGG) tatsächlichen Feststellungen des LSG dieses Ergebnis unter Zugrundelegung der aufgezeigten Maßstäbe. Der Bevollmächtigte des Klägers hat den Widerspruch nicht nur eingelegt und begründet, sondern darüber hinaus zum Zwecke des Beweises entscheidungserheblicher Tatsachen unaufgefordert die Bestätigung des Arbeitgebers vom 10.2.2006 beigebracht, in der dieser die Richtigkeit der vom Kläger gemachten Angaben vom 9.2.2006 zu den "Hörprobleme(n) am Arbeitsplatz" bestätigte. Das während des laufenden Widerspruchsverfahrens zur Glaubhaftmachung der Angaben des Klägers erstellte Schreiben hat die Beklagte im Wege des Urkundsbeweises (§ 21 Abs 1 Satz 1 und Satz 2 Nr 3 SGB X iVm § 416 ZPO)verwertet. Unerheblich ist, dass der Kläger eine inhaltlich identische Schilderung bereits bei Antragstellung im Dezember 2005 übersandt hatte. Denn erst die vom Kläger unaufgefordert vorgelegte Arbeitgeberbestätigung machte weitere Sachverhaltsermittlungen der Beklagten, zB durch Nachfragen beim Arbeitgeber, entbehrlich. Deshalb kommt es auch nicht auf den Umfang der Bestätigung (1,5 Zeilen) an. Entscheidend ist vielmehr der dem Anwalt entstandene Aufwand, der ua durch das Bemühen entstanden ist, an den Arbeitgeber im aufgezeigten Sinne heranzutreten. Mit der Vorlage dieser selbst beschafften Urkunde hat der Bevollmächtigte des Klägers den Rahmen der seinem Mandanten obliegenden Mitwirkung (§ 21 Abs 2 Satz 1 und 2 SGB X; § 60 Abs 1 Satz 1 Nr 1 und Nr 3 SGB I)überobligatorisch erfüllt (§ 21 Abs 2 Satz 3 SGB X).

29

Die Vorlage der Arbeitgeberbestätigung vom 10.2.2006 war im vorliegenden Fall auch ursächlich für die (unstreitige) Erledigung des Vorverfahrens durch Abhilfebescheid. Denn die Beklagte hat unter Berücksichtigung der vom Kläger geschilderten berufsbedingten Anforderungen an sein Hörvermögen und der Bestätigung der Richtigkeit dieser Angaben durch den Arbeitgeber dem Widerspruch abgeholfen. Entgegen den Feststellungen des LSG erfolgte die Erledigung nicht durch (stattgebenden) Widerspruchsbescheid.

30

dd) Entgegen der Ansicht der Beklagten bedurfte es für das Entstehen der Erledigungsgebühr auch keines zusätzlichen "beiderseitigen Nachgebens" der Beteiligten. Hierfür ergeben sich unter Geltung des RVG keine tragfähigen rechtlichen Gesichtspunkte.

31

Der 9. Senat des BSG hat seine Rechtsprechung insoweit aufgegeben, als er vor dem Inkrafttreten des RVG die Auffassung vertreten hatte, dass eine gebührenrechtlich erhebliche Mitwirkungshandlung eines Bevollmächtigten nach § 116 Abs 3 Satz 2 BRAGO(idF des Gesetzes vom 20.8.1990, ) nur dann vorlag, wenn sich die Rechtssache durch beiderseitiges Nachgeben erledigt hatte (vgl BSG SozR 3-1930 § 116 Nr 7 S 23 f; BSGE 97, 153 = SozR 4-1500 § 183 Nr 4, RdNr 19). Diese Rechtsprechung ist aufgrund des Wortlauts der inhaltlich neuen Erläuterung zu Nr 1002 (Satz 2) VV RVG überholt, mit welcher die teilweise und die vollständige Abhilfe gleichgestellt werden (so BSG SozR 4-1935 VV Nr 1002 Nr 1 RdNr 14; BSG vom 2.10.2008 - B 9/9a SB 3/07 R - Juris RdNr 15). Dieser Rechtsprechung hat sich der erkennende Senat bereits angeschlossen und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der geänderte Wortlaut von Nr 1002 Satz 2 VV RVG nicht mehr auf ein beiderseitiges Nachgeben abstellt, sondern teilweise und vollständige Abhilfe gleichstellt (vgl Senatsurteil vom 5.5.2009 - B 13 R 137/08 R - Juris RdNr 16).

32

Der Revisionsvortrag - auch im Vergleich zur Revisionserwiderung der identischen Beklagten im entschiedenen Verfahren B 13 R 137/08 R - enthält insofern keine neuen Argumente, die Anlass geben könnten, von dieser gefestigten Rechtsprechung abzuweichen. Deshalb kann auf die vom 1. Senat des BSG getroffene Auslegung unter Zugrundelegung des Wortlauts, der systematischen Zusammenhänge mit vergleichbaren Gebührenpositionen, Sinn und Zweck der Regelung und der Entstehungsgeschichte von Nr 1005 iVm Nr 1002 VV RVG verwiesen werden, wonach die Erledigungsgebühr "ein besonderes Bemühen" um eine Erledigung (nicht "Einigung") des Rechtsanwalts im Widerspruchsverfahren voraussetzt. Nur insofern ist die zu § 24 BRAGO iVm § 116 Abs 4 Satz 2 BRAGO(idF des Gesetzes vom 17.8.2001 ) bzw § 116 Abs 3 Satz 2 BRAGO(idF des Gesetzes vom 20.8.1990 ) ergangene Rechtsprechung auf Nr 1005 VV RVG noch übertragbar (BSG SozR 4-1300 § 63 Nr 8 RdNr 25 mwN). Für ein beiderseitiges Nachgeben als Voraussetzung des Entstehens der Erledigungsgebühr lassen die genannten neuen Vorschriften und mit ihnen die hierzu ergangene Rechtsprechung keinen Raum mehr. Allein entscheidend ist vielmehr, ob eine Mitwirkung des Rechtsanwalts an der Erledigung des (isolierten) Widerspruchsverfahrens durch Abhilfebescheid vorliegt, die über das Maß desjenigen hinausgeht, das schon durch den allgemeinen Gebührentatbestand für das anwaltliche Auftreten im sozialrechtlichen Widerspruchsverfahren abgegolten wird (BSG aaO; zustimmend Straßfeld, NZS 2010, 253, 258 f; dieselbe, Brennpunkte des Sozialrechts 2009, 219, 248; Mayer in Mayer/Kroiß , RVG-HK, 2. Aufl 2006, Nr 1002 VV RdNr 12).

33

Auch auf den weiteren Revisionsvortrag, der danach differenziert, ob sich die Rechtssache erst nach Aufhebung bzw Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts oder durch Verwaltungsakt erledige, kommt es nach der vorliegenden Rechtsprechung für das Entstehen einer Erledigungsgebühr nicht an; ebenso wenig darauf, ob die Nr 1002 VV RVG eine teilweise und vollständige Abhilfe oder eine teilweise und vollständige Erledigung gleichstelle. Unerheblich ist schließlich, ob eine verfahrensvermeidende oder -beendende Funktion der anwaltlichen Tätigkeit feststellbar sein muss oder ob es "zufälliger" Erfolg einer eigentlich "verfahrensgewinnenden" Funktion der anwaltlichen Tätigkeit ist, dass die Beklagte dem Widerspruch abgeholfen hat (vgl Senatsurteil vom 5.5.2009 - B 13 R 137/08 R - Juris RdNr 20).

34

ee) Die Höhe der Erledigungsgebühr als solche ist von der Beklagten nicht angegriffen worden. Sie entspricht der Mittelgebühr von 280 Euro nach § 14 Abs 1 Satz 1 iVm Nr 1005 VV RVG(Rahmengebühr zwischen 40 und 520 Euro). Die Mittelgebühr errechnet sich aus der Mindestgebühr zuzüglich der Hälfte des Unterschieds zwischen Mindest- und Höchstgebühr. Sie kann auch ermittelt werden, indem man Mindest- und Höchstgebühr addiert und das Ergebnis durch zwei dividiert (hier: 40 plus 520, geteilt durch 2 = 280 Euro; vgl allgemein zur Berechnung, BSGE 104, 30 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2, RdNr 23 mwN).

35

Innerhalb des Gebührenrahmens bestimmt der Rechtsanwalt nach § 14 Abs 1 Satz 1 RVG die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (§ 14 Abs 1 Satz 4 RVG). Die Mittelgebühr ist auch unter Geltung des RVG im Grundsatz in Fällen zugrunde zu legen, in denen sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts nicht nach oben oder unten vom Durchschnitt abhebt; sie gilt in "Normalfällen" als billige Gebühr (BSGE 104, 30 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2, RdNr 24 f mwN; BSG vom 5.5.2010 - B 11 AL 14/09 R - Juris RdNr 16 ff). Dass die anwaltliche Tätigkeit insbesondere weder umfangreich noch schwierig, mithin durchschnittlicher Art gewesen ist, folgt aus den bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG.

36

4. Der Kläger hat jedoch nur Anspruch auf Erstattung der reduzierten Geschäftsgebühr gemäß § 2 Abs 2 Satz 1 RVG iVm Nr 2500, 2501 VV RVG aF(als Nr 2400, 2401 VV RVG in der ab 1.7.2006 geltenden Fassung von Art 5 Abs 1 Nr 4 Buchst b KostRMoG fortgeführt). Nach der amtlichen Vorbemerkung zu Nr 2500 VV RVG aF entsteht die Geschäftsgebühr ua für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information; sie beträgt in sozialrechtlichen Angelegenheiten, in denen im gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 RVG), 40 bis 520 Euro, wobei eine Gebühr von mehr als 240 Euro nur gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Zusätzlich bestimmt Nr 2501 VV RVG aF für den Fall des Vorausgehens einer Tätigkeit im Verwaltungsverfahren, dass die Gebühr für das weitere, der Nachprüfung des Verwaltungsakts dienende Verwaltungsverfahren 40 bis 260 Euro beträgt, wobei eine Gebühr von mehr als 120 Euro nur gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich und schwierig war (sog Schwellengebühr). Der durch die Vorbefassung der Angelegenheit im Verwaltungsverfahren ersparte Aufwand soll durch einen geringeren Gebührenrahmen abgegolten werden (vgl BSGE 106, 21 = SozR 4-1300 § 63 Nr 12, RdNr 20 unter Hinweis auf BT-Drucks 15/1971 S 208).

37

a) Die Beklagte hat dem Kläger gemäß § 63 Abs 1 Satz 1 und Abs 2 und Abs 3 Satz 1 Halbs 1 SGB X lediglich die geminderte Geschäftsgebühr nach Nr 2501 VV RVG aF iVm § 14 RVG zu erstatten. Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) war der Bevollmächtigte des Klägers bereits im (selben) vorausgegangenen Verwaltungsverfahren mit der Angelegenheit befasst, als er die Kostenübernahme für das digitale Hörgerät durch Anwaltsschreiben im Dezember 2005 bei der Beklagten beantragt hat. Damit war das hierauf gerichtete Verwaltungsverfahren eröffnet (§ 116 Abs 2 Nr 1 SGB VI; § 18 Satz 2 Nr 1 SGB X).

38

Für die anwaltliche Tätigkeit im Verwaltungsverfahren besteht kein Erstattungsanspruch gegenüber der Beklagten. Im Hinblick auf das Gebührenrecht handelt es sich beim Verwaltungs- und beim Widerspruchsverfahren um unterschiedliche Angelegenheiten. Für eine Kostenerstattung von Aufwendungen für das dem Widerspruchsverfahren vorausgegangene Verwaltungsverfahren bietet § 63 SGB X keine Rechtsgrundlage(vgl BSGE 106, 21 = SozR 4-1300 § 63 Nr 12, RdNr 14 ff, 19; BSGE 55, 92, 94 = SozR 1300 § 63 Nr 1 S 3; zustimmend Roos in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 63 RdNr 6).

39

b) Die Geschäftsgebühr nach Nr 2500 VV RVG aF iHv 240 Euro zzgl darauf entfallende Umsatzsteuer war daher im angefochtenen Kostenbescheid unzutreffend festgesetzt. Dem Kläger stand nur die verminderte Geschäftsgebühr nach Nr 2501 VV RVG aF zzgl Umsatzsteuer zu. Es handelt sich hierbei um die ausgehend von der Mittelgebühr (150 Euro) um den Schwellenwert (30 Euro) gekappte Schwellengebühr (120 Euro). Die Einführung der Schwellengebühr hat zur Folge, dass die in einem ersten Schritt ausgehend von der Mittelgebühr bestimmte Gebühr in einem zweiten Schritt in Höhe des Schwellenwertes gekappt wird, wenn weder der Umfang noch die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit mehr als durchschnittlich ist (zur Berechnung vgl BSGE 104, 30 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2, RdNr 22; BSG vom 5.5.2010 - B 11 AL 14/09 R - Juris RdNr 15 f; BSG vom 29.3.2007- B 9a SB 4/06 R - Juris RdNr 16).

40

Wie bereits zur Erledigungsgebühr ausgeführt, bieten die bindenden Feststellungen des LSG keine greifbaren Anhaltspunkte für das Vorliegen einer überdurchschnittlich umfangreichen oder schwierigen Tätigkeit des Bevollmächtigten, die Anlass geben könnten, eine höhere Geschäftsgebühr als 120 Euro anzunehmen. Dies hat auch der Kläger weder behauptet, noch ergibt sich dies aus der vom Bevollmächtigten vorgelegten Kostennote. Umstände, die die Öffnung des Gebührenrahmens über die Schwellengebühr hinaus rechtfertigten (vgl dazu ausführlich BSGE 104, 30 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2, RdNr 22 ff), sind daher nicht ersichtlich.

41

5. Der Kostenfestsetzungsbescheid vom 21.3.2006 ist unter Berücksichtigung der entstandenen Erledigungsgebühr einerseits und der reduzierten Geschäftsgebühr in Höhe der Schwellengebühr andererseits zu korrigieren. Es verbleibt ein noch an den Kläger zu erstattender Betrag von 185,60 Euro. Hierin enthalten ist die auf die Gebührenansätze anfallende Umsatzsteuer (67,20 Euro) nach Nr 7008 VV RVG (iHv 16 %, § 12 Abs 1 Umsatzsteuergesetz idF vom 21.2.2005 ) und der Gebührenansatz für die Postpauschale nach Nr 7002 VV RVG (20 Euro).

42

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt das anteilsmäßige Unterliegen bzw Obsiegen der Beteiligen.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 5. Mai 2009 geändert.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 18. Mai 2007 wird insgesamt zurückgewiesen.

Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Höhe der von der Beklagten zu erstattenden Aufwendungen des Klägers für die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren.

2

Dem Kläger wurde von seinem Arbeitgeber im Juli 2004 fristlos mit der Begründung gekündigt, er habe während der Arbeitszeit in alkoholisiertem Zustand einen Unfall verursacht. Der Kläger erhob daraufhin Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht und beantragte bei der Beklagten Arbeitslosengeld (Alg). Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 5.11.2004 den Eintritt einer Sperrzeit von zwölf Wochen mit der Begründung fest, der Kläger habe durch arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch grob fahrlässig seine Arbeitslosigkeit herbeigeführt.

3

Gegen den Bescheid vom 5.11.2004 erhob der Kläger, vertreten durch seinen bevollmächtigten Rechtsanwalt, Widerspruch. Mit Schreiben vom 8.3.2005 übersandte der Bevollmächtigte des Klägers der Beklagten das Protokoll eines am 4.3.2005 vor dem Arbeitsgericht geschlossenen Vergleichs, aus dem hervorging, dass das Arbeitsverhältnis durch ordentliche arbeitgeberseitige Kündigung endete und der Arbeitgeber den Vorwurf der Schadensverursachung durch den Kläger im alkoholisierten Zustand während der Arbeitszeit fallen ließ.

4

Mit Abhilfebescheid vom 20.4.2004 hob die Beklagte den Sperrzeitbescheid vom 5.11.2004 auf und erklärte sich bereit, die im Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen Kosten auf Antrag zu erstatten.

5

Mit seiner bei der Beklagten eingereichten Kostennote machte der Bevollmächtigte des Klägers eine Geschäftsgebühr von 318,50 Euro, eine Erledigungsgebühr von 367,50 Euro, eine Auslagenpauschale von 20 Euro sowie 112,96 Euro Umsatzsteuer geltend, insgesamt 818,96 Euro. Die Beklagte erkannte als im Widerspruchsverfahren entstandene notwendige Aufwendungen jedoch nur 301,60 Euro an und lehnte im Übrigen eine Kostenerstattung ab (Bescheid vom 1.7.2005). Der anerkannte Betrag setzte sich wie folgt zusammen: 240 Euro Geschäftsgebühr gemäß Nr 2500 des Vergütungsverzeichnisses (VV) zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) in der bis 30.6.2006 geltenden Fassung, 20 Euro Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsleistungen sowie 41,60 Euro Umsatzsteuer. Auf den Widerspruch des Klägers erkannte die Beklagte zusätzlich noch Kopierkosten in Höhe von 8,70 Euro an (Bescheid vom 4.8.2005), wies jedoch im Übrigen den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 22.9.2005).

6

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 18.5.2007). Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG geändert, die Beklagte unter Abänderung der streitgegenständlichen Bescheide verurteilt, die erstattungsfähigen Kosten des Widerspruchsverfahrens auf 726,16 Euro festzusetzen und an den Kläger weitere 415,86 Euro zu zahlen; im Übrigen hat das LSG die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 5.5.2009). In den Entscheidungsgründen hat das LSG ua ausgeführt: Die auf der Grundlage der Nr 2500 VV RVG geltend gemachte Geschäftsgebühr von 318,50 Euro sei nicht unbillig. Die Tätigkeit des Anwalts sei schwierig gewesen. Es habe sich um ein sozialrechtliches Spezialproblem aus dem Arbeitsförderungsrecht gehandelt, in das sich der Bevollmächtigte habe einarbeiten müssen. Das Arbeitsförderungsrecht sei ein Rechtsgebiet, für das ein Rechtsanwalt Spezialwissen benötige. Der Schwierigkeitsgrad sei aus der Sicht des Allgemeinanwalts zu beurteilen; für ihn seien Fälle aus dem Sozialrecht jedenfalls dann schwierig, wenn sie von einem sozialrechtlichen Standard- und Routinefall abwichen. Auch spreche die Bildung von Kammern und Senaten mit Spezialzuständigkeiten sowie die Einführung einer Fachanwaltschaft in einem Rechtsgebiet für dessen Schwierigkeit. Diese rechtfertige im vorliegenden Fall den Ansatz einer um 40 Euro oberhalb der Schwellengebühr (240 Euro) liegenden Gebühr, also der Mittelgebühr in Höhe von 280 Euro; diese habe der Bevollmächtigte um 13,75 % auf 318,50 Euro erhöhen dürfen. Darüber hinaus sei auch eine Erledigungsgebühr gemäß Nr 1005 VV RVG angefallen. Das nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) erforderliche besondere Tätigwerden des Rechtsanwaltes liege darin, dass er im arbeitsgerichtlichen Verfahren erkennbar darauf hingewirkt habe, den Wahrheitsgehalt der vom Arbeitgeber zur Begründung der außerordentlichen Kündigung angeführten, für die Entscheidung der Beklagten maßgeblichen Tatsachen in Frage zu stellen, und dass er das Ergebnis seiner Bemühungen im Kündigungsschutzprozess unverzüglich in das Widerspruchsverfahren eingeführt habe. Als Erledigungsgebühr angemessen sei aber nur die Mittelgebühr von 280 Euro; der vom Kläger angesetzte Wert von 367,50 Euro weiche um 31,25 % von der Mittelgebühr ab und sei nicht mehr vom anwaltlichen Beurteilungsspielraum gedeckt.

7

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte Verletzungen formellen und materiellen Rechts. Sie macht ua geltend, es bestehe kein Anspruch auf Zubilligung einer 240 Euro übersteigenden Geschäftsgebühr, weil die Tätigkeit des Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren weder umfangreich noch schwierig gewesen sei. Zur Subsumtion des Sachverhalts unter die einschlägige Rechtsnorm des § 144 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) habe es nur eines flüchtigen Blickes in das Gesetz bedurft, nicht aber einer weitreichenden rechtlichen Detailprüfung. Auch eine Erledigungsgebühr sei mangels besonderer anwaltlicher Mitwirkung nicht angefallen. Das Übersenden des arbeitsgerichtlichen Vergleichs sei lediglich als logische Fortsetzung und Beendigung der ursprünglichen Widerspruchsbegründung anzusehen, nicht aber als weitere, auf gütliche Einigung gerichtete und gesondert zu vergütende Tätigkeit. Soweit ein besonderes Bemühen im Prozess vor dem Arbeitsgericht vorgelegen habe, könne dies nur im dortigen Verfahren eine Einigungsgebühr rechtfertigen.

8

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG vom 5.5.2009 zu ändern und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG vom 18.5.2007 insgesamt zurückzuweisen.

9

Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

10

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision der Beklagten ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz). Die Beklagte hat die dem Kläger zu erstattenden notwendigen Aufwendungen zutreffend festgesetzt, so dass auf die Revision das Urteil des LSG zu ändern und die Berufung des Klägers gegen das die Klage abweisende Urteil des SG insgesamt zurückzuweisen ist.

12

1. Von Amts wegen zu beachtende Verfahrensfehler stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen. Die Revision und die Berufung sind nicht nach § 144 Abs 4 SGG iVm § 165 Satz 1 SGG ausgeschlossen, da in der Hauptsache über die Kosten eines isolierten Vorverfahrens(§§ 78 ff SGG, § 63 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch) gestritten wird (BSG SozR 3-1500 § 144 Nr 13 S 30; BSGE 104, 30 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2, jeweils RdNr 9; Urteil des Senats vom 25.2.2010, B 11 AL 24/08 R, zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 11 mwN). Der Kläger verfolgt sein Begehren zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage; der Erhebung einer Verpflichtungsklage auf Bestimmung der Notwendigkeit der Zuziehung eines Rechtsanwalts nach § 63 Abs 3 Satz 2 SGB X bedarf es nicht, da die Beklagte diese Notwendigkeit zumindest konkludent anerkannt hat(vgl ua BSG, Urteile vom 5.5.2009, B 13 R 137/08 R, RdNr 12, und vom 21.12.2009, B 14 AS 83/08 R, zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 13).

13

2. Die angefochtenen Bescheide vom 1.7.2005 und 4.8.2005, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.9.2005, sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Insbesondere besteht kein Anspruch auf Erstattung einer den Betrag von 240 Euro übersteigenden Geschäftsgebühr (dazu im Folgenden unter b) und auch kein Anspruch auf Erstattung einer Erledigungsgebühr (dazu unter c).

14

a) Nach § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X ist, soweit der Widerspruch erfolgreich ist, der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, verpflichtet, dem Widerspruchsführer die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Nach § 63 Abs 2 SGB X sind die Gebühren und Auslagen ua eines Rechtsanwalts im Vorverfahren erstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war. Gebühren und Auslagen iS des § 63 Abs 2 SGB X sind nur die gesetzlichen Gebühren und Auslagen(BSGE 78, 159, 161 f = SozR 3-1300 § 63 Nr 7 S 25 f; SozR 4-1300 § 63 Nr 8 RdNr 16). Diese sind bei Beauftragung eines Rechtsanwalts seit dem 1.7.2004 nach Maßgabe des RVG sowie des VV der Anlage 1 zum RVG zu bestimmen (vgl § 1 Abs 1 und § 2 Abs 2 Satz 1 RVG, jeweils idF des Art 3 des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts vom 5.5.2004, BGBl I 718; zum Inkrafttreten Art 8 KostRMoG, zum Übergangsrecht §§ 60, 61 RVG).

15

b) Rechtsgrundlage für die geltend gemachte Geschäftsgebühr ist Nr 2500 des VV zum RVG in der vorbezeichneten Fassung (aF; gleichlautend inzwischen Nr 2400 in der ab 1.7.2006 geltenden Fassung , vgl Art 5 Abs 1 Nr 4 Buchst b KostRMoG). Danach erhält der Rechtsanwalt in sozialrechtlichen Angelegenheiten, in denen im gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen (vgl § 3 RVG) ua für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information (vgl Vorbemerkung 2 zu Nr 2500 VV RVG aF) eine Geschäftsgebühr (zur Anwendbarkeit bei Leistungsempfängern iS des § 183 Satz 1 SGG vgl BSGE 104, 30 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2, jeweils RdNr 18). Die Geschäftsgebühr nach Nr 2500 VV RVG aF umfasst einen Betragsrahmen von 40 bis 520 Euro, wobei eine Gebühr von mehr als 240 Euro nur gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war (so genannte Schwellengebühr).

16

Nach der Rechtsprechung des BSG zu Nr 2500 VV RVG aF (= Nr 2400 VV RVG nF) hat die Schwellengebühr von 240 Euro die so genannte Mittelgebühr, die sich aus der Mindestgebühr zuzüglich der Hälfte des Unterschieds zwischen Mindest- und Höchstgebühr errechnet (bei Nr 2500 aF also 280 Euro), nicht ersetzt (BSGE 104, 30 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2, jeweils RdNr 22 ff). Die Einführung der Schwellengebühr hat aber zur Folge, dass die in einem ersten Schritt ausgehend von der Mittelgebühr bestimmte Gebühr in einem zweiten Schritt in Höhe des Schwellenwertes gekappt wird, wenn weder der Umfang noch die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit mehr als durchschnittlich sind (BSGE aaO RdNr 22; vgl auch BSG SozR 4-1935 § 14 Nr 1 RdNr 16). Umfang oder Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit müssen also über dem Durchschnitt liegen, um im Ergebnis eine höhere Gebühr als die Schwellengebühr zu rechtfertigen. Von einer umfangreichen oder schwierigen Tätigkeit in diesem Sinne kann aber unter den konkreten Umständen des vorliegenden Falles nicht die Rede sein, weshalb der von der Beklagten anerkannte und festgesetzte Betrag von 240 Euro nicht weiter zu erhöhen ist.

17

Dass die anwaltliche Tätigkeit weder umfangreich noch schwierig iS der Nr 2500 VV RVG aF war, ist den vom LSG festgestellten, das Revisionsgericht bindenden Tatsachen (§ 163 SGG) zu entnehmen. Das LSG hat zunächst zum Umfang der Tätigkeit des Bevollmächtigten des Klägers nach Hinweis auf die Erhebung des Widerspruchs und das Schreiben vom 8.3.2005 ausgeführt, die Tätigkeit sei nicht umfangreich gewesen. Ein überdurchschnittlicher Umfang der Tätigkeit wird auch vom Kläger selbst nicht behauptet. Das LSG hat im Übrigen tatsächliche Feststellungen zum Inhalt und zur Intensität der Tätigkeit des Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren getroffen. Danach hat der Bevollmächtigte als Allgemeinanwalt die rechtliche Prüfung vorgenommen, ob der Kläger durch arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch den Arbeitgeber gegeben und dadurch seine Arbeitslosigkeit vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat, ob also eine Sperrzeit gemäß § 144 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB III eingetreten ist. Im Rahmen und in der Folge dieser Prüfung hat der Bevollmächtigte das Protokoll über den vor dem Arbeitsgericht geschlossenen Vergleich vorgelegt. Diese Feststellungen des LSG sind maßgebend für die rechtliche Beurteilung des Senats, ob die Tätigkeit schwierig iS der Nr 2500 VV RVG aF war.

18

Eine überdurchschnittlich schwierige Tätigkeit kommt in Betracht, wenn erhebliche, sich üblicherweise nicht stellende Probleme auftreten, die sowohl im tatsächlichen als auch im juristischen Bereich liegen können (BSGE 104, 30 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2, jeweils RdNr 33; vgl hierzu auch Schafhausen in jurisPR-SozR 10/2010 Anm 6). Abzustellen ist auf einen Rechtsanwalt, der sich bei Wahrnehmung des Mandats darauf beschränken kann und darf, den Fall mit den einschlägigen Rechtsvorschriften, gegebenenfalls unter Heranziehung von Rechtsprechung und Literatur, zu bearbeiten (BSGE aaO RdNr 32 mwN). Ausgehend von diesen Maßstäben ist im vorliegenden Fall eine über dem Durchschnitt liegende Schwierigkeit zu verneinen. Denn die rechtliche Überprüfung der Frage des Eintritts einer Sperrzeit gemäß § 144 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB III war nicht mit besonderen, sich üblicherweise nicht stellenden Problemen verbunden. Die einschlägige Norm ist weder schwer verständlich noch bedurfte es bei der Subsumtion des konkreten Sachverhalts unter die Norm der Auswertung umfangreicher Rechtsprechung oder spezieller Literatur. Auch in tatsächlicher Hinsicht ergeben die Feststellungen des LSG keine Anhaltspunkte für das Vorliegen besonderer Schwierigkeiten. Der Sachverhalt war überschaubar und nicht ungewöhnlich; die konkrete Verteidigungsstrategie konnte nur darauf hinauslaufen, den Vorwurf der Veranlassung der Kündigung durch arbeitsvertragswidriges Verhalten zu widerlegen oder zu entkräften. Insgesamt handelte es sich somit um einen Normal- oder Routinefall (vgl BSGE aaO RdNr 35).

19

Der Auffassung des LSG, die Schwierigkeit ergebe sich bereits aus der Einführung einer Fachanwaltschaft für das Sozialrecht sowie aus der Bildung von Fachkammern und Fachsenaten im Arbeitsförderungsrecht, folgt der Senat nicht. Das BSG hat bereits entschieden, dass es bei der Einordnung, ob die rechtliche Schwierigkeit durchschnittlich bzw über- oder unterdurchschnittlich ist, nicht angebracht ist, nach einzelnen Rechtsgebieten bzw Teilrechtsgebieten zu differenzieren (BSGE 104, 30 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2, jeweils RdNr 35; aA etwa Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl 2008, § 14 RdNr 16). Abzustellen ist also in jedem Rechtsgebiet auf den konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände (vgl auch § 14 Abs 1 Satz 1 RVG).

20

Dass der Bevollmächtigte des Klägers zunächst selbst davon ausging, seine Tätigkeit im Widerspruchsverfahren sei nicht schwierig gewesen, ergibt sich im Übrigen aus seiner der Beklagten vorgelegten Kostennote. Die geforderte Geschäftsgebühr von 318,50 Euro war nämlich auf der Grundlage der Nr 2400 VV RVG aF (= Nr 2300 VV RVG nF) berechnet, wobei der Bevollmächtigte rechtsirrig annahm, die Gebühr richte sich nach dem Gegenstandswert. Der Betrag von 318,50 Euro ergab sich aus einem unterstellten Streitwert von 3.731,28 Euro (Alg für zwölf Wochen) und einer Gebühr von 1,3 gemäß Nr 2400 VV RVG aF (vgl § 13 Abs 1 RVG iVm der Anlage 2 zum RVG: volle Gebühr 245 Euro, Gebühr von 1,3 also 318,50 Euro). Bei Annahme einer überdurchschnittlichen Schwierigkeit wäre die Berechnung einer höheren Geschäftsgebühr zu erwarten gewesen, da nach Nr 2400 VV RVG aF (= Nr 2300 VV RVG nF) eine Gebühr von mehr als 1,3 gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war.

21

c) Rechtsgrundlage für die geltend gemachte Erledigungsgebühr ist Nr 1005 VV RVG iVm Nr 1002 VV RVG (jeweils idF des KostRMoG). Danach erhält der Rechtsanwalt eine Gebühr für die Erledigung in sozialrechtlichen Angelegenheiten, in denen im gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 RVG); die Gebühr umfasst einen Rahmen von 40 bis 520 Euro. Die Gebühr entsteht, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt (vgl Erläuterungen zu Nr 1002 VV RVG). Entgegen der Auffassung des LSG sind die Voraussetzungen für das Entstehen einer Erledigungsgebühr nicht erfüllt.

22

Nach der Rechtsprechung des BSG zu Nr 1005 bzw 1002 VV RVG kann eine Gebühr für die Mitwirkung an der Erledigung eines isolierten Vorverfahrens nur beansprucht werden, wenn der Rechtsanwalt eine über die Einlegung und Begründung des Widerspruchs hinausgehende besondere Tätigkeit entfaltet hat (ua BSG SozR 4-1300 § 63 Nr 8 RdNr 20 ff; Urteil vom 21.3.2007, B 11a AL 53/06 R, RdNr 16; SozR 4-1935 VV Nr 1002 Nr 1, RdNr 14 mwN; zustimmend ua Roos in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, Anhang zu § 63 RdNr 43b). Erforderlich ist eine qualifizierte erledigungsgerichtete Mitwirkung, die über das Maß hinausgeht, das schon durch den allgemeinen Gebührentatbestand für das anwaltliche Auftreten im Widerspruchsverfahren abgegolten wird (vgl BSG SozR 4-1300 § 63 Nr 8 RdNr 22). Eine solche qualifizierte, eine Erledigungsgebühr begründende Tätigkeit liegt beispielsweise vor, wenn der Rechtsanwalt zum Zwecke des Beweises entscheidungserheblicher Tatsachen unaufgefordert neue Beweismittel, etwa während des Vorverfahrens neu erstattete Befundberichte, beibringt (BSG SozR 4-1935 VV Nr 1002 Nr 1 RdNr 15). Dagegen bewegt sich die Vorlage präsenter Beweismittel noch im Rahmen der dem Widerspruchsführer ohnehin obliegenden Mitwirkung (§ 21 Abs 2 SGB X) und ist bereits mit der Geschäftsgebühr bzw der Auslagenpauschale abgegolten (BSG, Urteil vom 2.10.2008, B 9/9a SB 3/07 R, RdNr 16, 17).

23

Unter Zugrundelegung dieser in der Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe kann in der durch den Bevollmächtigten des Klägers vorgenommenen Übersendung des vor dem Arbeitsgericht geschlossenen Vergleichs keine die Gebühr nach Nr 1005 VV RVG rechtfertigende besondere Tätigkeit gesehen werden. Das LSG hat nicht hinreichend berücksichtigt, dass die für den Vergleichsabschluss ausschlaggebende Tätigkeit nicht im Widerspruchsverfahren, sondern in einem anderen, vom Kläger gesondert anhängig gemachten Verfahren entfaltet worden ist. Denn die Gebühr nach Nr 1005 iVm Nr 1002 VV RVG entsteht bei Erledigung einer Rechtssache nach Aufhebung oder Änderung eines angefochtenen Verwaltungsakts (vgl Erläuterungen zu Nr 1002 VV RVG), woraus deutlich wird, dass die anwaltliche Mitwirkung im konkreten Verfahren stattfinden muss und dass ein Tätigwerden in einem anderen Verfahren regelmäßig nicht ausreicht (vgl Hartmann, Kostengesetze, 38. Aufl 2008, Nr 1002 VV RVG RdNr 12 mwN).

24

Nach den getroffenen Feststellungen hat der Bevollmächtigte im arbeitsgerichtlichen Prozess darauf hingewirkt, den Wahrheitsgehalt der vom Arbeitgeber zur Begründung der außerordentlichen Kündigung angeführten Tatsachen in Frage zu stellen. Aufgrund dieser besonderen Bemühungen des Bevollmächtigten ist auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren eine Einigungsgebühr gemäß Nr 1000 VV RVG angefallen. Demgegenüber kommt der anschließenden Übersendung des Vergleichstextes an die Beklagte nur untergeordnete Bedeutung zu; sie kann nicht etwa der Beibringung neuer im Vorverfahren beschaffter Beweismittel (BSG SozR 4-1935 VV Nr 1002 Nr 1) gleichgesetzt werden.

25

Der Senat folgt in diesem Zusammenhang nicht der Auffassung des LSG, die Bemühungen des Bevollmächtigten vor dem Arbeitsgericht seien "hauptsächlich" für das Widerspruchsverfahren bedeutsam gewesen. Auszugehen ist vielmehr davon, dass der Bevollmächtigte des Klägers auch und gerade aus arbeitsrechtlichen Gründen verpflichtet war, die Kündigungsgründe in Frage zu stellen und auf die Feststellung der Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung hinzuwirken. Die Vorlage des Vergleichs im Widerspruchsverfahren ist deshalb lediglich im Rahmen der Verpflichtung des Rechtsanwalts, das Verfahren gewissenhaft und sorgfältig zu betreiben, erfolgt und durch die Geschäftsgebühr nach Nr 2500 VV RVG aF (= Nr 2400 VV RVG nF) abgedeckt.

26

d) Die angefochtenen Kostenfestsetzungsbescheide sind auch im Übrigen zutreffend. Dies gilt für die anerkannten Kosten für Ablichtungen, die Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen und für die Umsatzsteuer (Nr 7000, 7002 und 7008 VV RVG).

27

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Sozialgerichts Trier vom 24. Juli 2007 und des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 15. Juli 2009 geändert. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger lediglich weitere 185,60 Euro an Rechtsanwaltsgebühren zu erstatten; die darüber hinausgehende Klage wird abgewiesen.

Im Übrigen wird die Revision der Beklagten zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger 3/5 der außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits in allen Rechtszügen zu erstatten.

Tatbestand

1

Im Streit steht, in welcher Höhe die Beklagte Rechtsanwaltsgebühren im Rahmen eines isolierten Vorverfahrens zu erstatten hat.

2

Der Kläger beantragte im Dezember 2005 mit Schreiben seines bevollmächtigten Rechtsanwalts die Übernahme von Kosten für eine berufsbedingte Hörgeräteversorgung über die Festbetragsgrenze der gesetzlichen Krankenversicherung hinaus. Diesem Antrag war ua eine Schilderung über hörbedingte Probleme des Klägers am Arbeitsplatz beigefügt. Der Antrag blieb zunächst erfolglos, weil die Hörgeräteversorgung nicht ausschließlich zur Ausübung seiner Berufstätigkeit erforderlich sei (Bescheid vom 12.1.2006). Mit dem Widerspruch trug der Bevollmächtigte vor, dass das beantragte Hörgerät nicht zur Herstellung der Kommunikationsfähigkeit im Alltag bestimmt sei und fügte eine weitere - inhaltlich identische - Stellungnahme des Klägers über "Hörprobleme am Arbeitsplatz" vom 9.2.2006 bei. Die Richtigkeit dieser Angaben bestätigte der Arbeitgeber im ebenfalls beigefügten Schreiben vom 10.2.2006. Die von der Beklagten eingeholte beratungsärztliche Stellungnahme vom 23.2.2006 empfahl die Abhilfe des Widerspruchs, weil ein höherwertiges Hörgerät zur Erhöhung der Sicherheit am Arbeitsplatz erforderlich sei.

3

Den Ablehnungsbescheid vom 12.1.2006 nahm die Beklagte daraufhin zurück. Sie half dem Widerspruch in vollem Umfang ab und erklärte sich bereit, die beantragten Kosten für die Beschaffung des Hörgeräts antragsgemäß zu übernehmen und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Widerspruchsverfahren notwendigen Aufwendungen voll zu erstatten (Bescheid vom 3.3.2006).

4

Mit Schriftsatz vom 10.3.2006 stellte der Bevollmächtigte Rechtsanwaltsgebühren iHv insgesamt 626,40 Euro der Beklagten in Rechnung. Hierin war ua eine Erledigungsgebühr (280 Euro) zzgl Umsatzsteuer von 16 % (= 324,80 Euro) nach Nr 1002, 1005, 7008 Vergütungsverzeichnis (VV) gemäß Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) enthalten, deren Erstattung die Beklagte ablehnte, weil ein Erhöhungstatbestand nach § 3 Abs 2 RVG iVm Nr 1005 VV RVG bei voller Abhilfe nicht vorliege. Sie erstattete daher lediglich einen Betrag iHv 301,60 Euro (626,40 Euro abzüglich 324,80 Euro). Im Erstattungsbetrag waren eine Geschäftsgebühr nach Nr 2500 (jetzt Nr 2400) VV RVG aF (240 Euro), die Postpauschale nach Nr 7002 VV RVG (20 Euro) und die Umsatzsteuer nach Nr 7008 VV RVG (41,60 Euro) enthalten (Bescheid vom 21.3.2006). Der auf die Erstattung auch der Erledigungsgebühr zzgl Umsatzsteuer (324,80 Euro) gerichtete Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 22.6.2006).

5

Im Klageverfahren hat das SG die Beklagte unter Abänderung des angefochtenen Bescheids verurteilt, dem Kläger antragsgemäß den Betrag iHv 324,80 Euro zu erstatten (Urteil SG Trier vom 24.7.2007).

6

Auf die vom LSG zugelassene Berufung hat es die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (LSG Rheinland-Pfalz Urteil vom 15.7.2009). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Eine Erledigungsgebühr entstehe, wenn eine anwaltliche Tätigkeit erbracht werde, die über das Maß hinausgehe, das schon durch den allgemeinen Gebührentatbestand für das anwaltliche Auftreten im sozialrechtlichen Widerspruchsverfahren abgegolten sei. Es schließe sich der Auffassung des 2. Senats des LSG im Urteil vom 27.10.2008 - L 2 R 49/08 - (nachgehend Senatsurteil vom 5.5.2009 - B 13 R 137/08 R) und des BSG vom 7.11.2006 (SozR 4-1300 § 63 Nr 8)an. Eine über die Einlegung und Begründung des Widerspruchs hinausgehende besondere Tätigkeit des Rechtsanwalts des Klägers liege hier vor. Der Bevollmächtigte habe sich im Widerspruchsverfahren mit den Gründen des Ablehnungsbescheids auseinandergesetzt und im Einzelnen dargelegt, warum der Kläger unter Berücksichtigung der vorgelegten Arbeitsplatzbeschreibung einen Anspruch auf Kostenübernahme für die begehrte Hörgeräteversorgung habe. Als weiteres Beweismittel sei eine Bestätigung des Arbeitgebers vorgelegt worden. Der qualifizierte Vortrag und das weitere Beweismittel hätten zur Erledigung des Widerspruchsverfahrens beigetragen. Insoweit könne auf das Urteil des BSG vom 2.10.2008 (SozR 4-1935 VV Nr 1002 Nr 1) verwiesen werden, wo eine Erledigungsgebühr nach Vorlage neuer (medizinischer) Beweismittel im Widerspruchsverfahren zugesprochen worden sei. Unschädlich für das Entstehen der Erledigungsgebühr sei, dass das Widerspruchsverfahren durch Widerspruchs- und nicht durch Abhilfebescheid erledigt worden sei.

7

Mit der Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 2.10.2008 und 5.5.2009) sei davon auszugehen, dass für das Entstehen der Erledigungsgebühr kein beiderseitiges Nachgeben erforderlich sei. Für eine solche einengende Auslegung ließen sich weder Wortlaut noch Sinn und Zweck von Nr 1002 VV RVG heranziehen. Auch der Vorläuferregelung von § 24 Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO) lasse sich dies dem Wortlaut nach nicht entnehmen. Die Zielsetzung von Nr 1002 VV RVG, namentlich die anwaltliche Mitwirkung an einer insbesondere die Gerichte entlastenden Erledigung von Streitigkeiten besonders zu honorieren, liefe nach der von der Beklagten vertretenen Ansicht leer. Die Erledigungsgebühr falle selbst dann an, wenn sich der mit einem Rechtsbehelf angefochtene Verwaltungsakt teilweise erledige, zB durch Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts.

8

Die parallele Regelung zur Einigungsgebühr in Nr 1000 VV RVG honoriere jegliche vertragliche Beilegung des Rechtsstreits und fordere auch nicht mehr das für die Vergleichsgebühr seinerzeit noch erforderliche Nachgeben (§ 23 BRAGO iVm § 779 BGB). Nach den Gesetzesmaterialien sollte Streit darüber vermieden werden, welche Abreden als Nachgeben zu bewerten seien. Für das Entstehen der Erledigungsgebühr komme es allein darauf an, ob eine qualifizierte anwaltliche Mitwirkung vorgelegen habe.

9

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung von § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X iVm § 63 Abs 2 SGB X und § 2 Abs 2 Satz 1 RVG iVm Nr 1002 VV RVG. Zwar stimme sie dem LSG insofern zu, als der Bevollmächtigte des Klägers eine anwaltliche Tätigkeit erbracht habe, die über das Maß hinausgehe, das schon durch den allgemeinen Gebührentatbestand für das anwaltliche Auftreten im sozialrechtlichen Verfahren abgegolten sei. Dies entspreche den Vorgaben des BSG (SozR 4-1935 VV Nr 1002 Nr 1 und Senatsurteil vom 5.5.2009 - B 13 R 137/08 R). Darüber hinaus müsse ein gegenseitiges Nachgeben der Beteiligten zur Erledigung des Widerspruchsverfahrens geführt haben. Nach der og Rechtsprechung werde nicht deutlich, weshalb die frühere Rechtsprechung zu § 116 Abs 3 Satz 2 und § 24 BRAGO, die auf ein beiderseitiges Nachgeben als Voraussetzung des Entstehens einer Erledigungsgebühr abstellte, nunmehr überholt sei. Schließlich sei der Wortlaut der Nr 1002 Satz 1 VV RVG nahezu identisch mit dem des § 24 BRAGO. Der Wortlaut der neuen Nr 1002 Satz 2 VV RVG sei jedoch nicht eindeutig. Für ihre Meinung spreche, dass der Gesetzgeber eine Gleichbehandlung von Anfechtungs- und Verpflichtungswiderspruch beabsichtigt habe. Hierfür sei auch der enge systematische Zusammenhang zur Nr 1000 VV RVG anzuführen, wonach die Einigungsgebühr nur bei gegenseitigem Nachgeben entstehe. Unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien (BT-Drucks 15/1971, S 204) spreche auch der Regelungszweck von Nr 1002 VV RVG für diese Auffassung. Danach solle eine verfahrensvermeidende bzw -beendende Tätigkeit des Bevollmächtigten als Anreiz für die Erledigung gefördert werden. Hierfür reiche eine bloße Abhilfeentscheidung der Behörde nicht aus. Dem entspreche die Entstehungsgeschichte. Nr 1002 VV RVG sei die Nachfolgevorschrift zu § 24 BRAGO. Letztere habe ein gegenseitiges Nachgeben der Beteiligten vorausgesetzt, um die Erledigungsgebühr entstehen zu lassen. Hingegen könne diese bei voller Abhilfe bzw Stattgabe des Widerspruchs nicht beansprucht werden.

10

Die Beklagte trägt ferner vor, dass dem Kläger auch kein Anspruch auf eine Regelgeschäftsgebühr nach Nr 2500 (jetzt Nr 2400) VV RVG aF, sondern nur ein Anspruch auf eine verminderte Geschäftsgebühr nach Nr 2501 (jetzt Nr 2401) VV RVG aF zustehe, weil der Bevollmächtigte bereits bei Antragstellung im Verwaltungsverfahren tätig geworden sei. Hierfür beruft sie sich auf das Urteil des BSG vom 25.2.2010 (BSGE 106, 21 = SozR 4-1300 § 63 Nr 12). Die reduzierte Geschäftsgebühr sei iHv 120 Euro nebst Umsatzsteuer in Höhe von 16 % angefallen. Selbst unter Zugrundelegung der streitigen Erledigungsgebühr iHv 280 Euro plus 16 % Umsatzsteuer verbleibe lediglich noch ein Betrag von 185,60 Euro, der allenfalls an den Kläger zu erstatten sei.

11

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des LSG Rheinland-Pfalz vom 15. Juli 2009 und des SG Trier vom 24. Juli 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

12

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

13

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Beklagte habe eingeräumt, dass der Bevollmächtigte eine anwaltliche Tätigkeit erbracht habe, die über das Maß hinausgehe, das schon durch den allgemeinen Gebührentatbestand für das anwaltliche Auftreten im sozialrechtlichen Widerspruchsverfahren abgegolten sei. Dass darüber hinaus ein gegenseitiges Nachgeben erforderlich sei, stehe im Widerspruch zu den Entscheidungen des BSG vom 7.11.2006 (SozR 4-1300 § 63 Nr 8; B 1 KR 13/06 R; B 1 KR 22/06 R). Eine Korrektur des Ansatzes für die Geschäftsgebühr sei im Revisionsverfahren nicht mehr möglich.

14

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 165 Satz 1, § 153 Abs 1, § 124 Abs 2 SGG).

Entscheidungsgründe

15

Die Revision der Beklagten ist teilweise begründet, soweit die Vorinstanzen dem Kläger zu Unrecht einen Kostenerstattungsanspruch von mehr als 185,60 Euro zuerkannt haben. Die Urteile des SG und des LSG waren daher abzuändern und die Klage insoweit abzuweisen. Die weitergehende Revision war zurückzuweisen.

16

1. Von Amts wegen zu beachtende Verfahrensmängel stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen. Revision und Berufung sind durch ausdrückliche Zulassung der Vorinstanz statthaft. Das Rechtsmittel ist nicht ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache über die Kosten eines isolierten Vorverfahrens gestritten wird. Es handelt sich dann nicht um Kosten des sozialgerichtlichen Verfahren iS von § 144 Abs 4, § 165 Satz 1 SGG(stRspr, vgl BSG SozR 3-1500 § 144 Nr 13 S 30; BSG SozR 4-1300 § 63 Nr 1 RdNr 6; BSG SozR 4-1300 § 63 Nr 8 RdNr 11; BSGE 104, 30 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2, RdNr 9; BSGE 106, 21 = SozR 4-1300 § 63 Nr 12, RdNr 11; BSG vom 5.5.2010 - B 11 AL 14/09 R - Juris RdNr 12).

17

2. Der Kläger verfolgt sein Begehren zutreffend mit der Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 SGG).

18

a) Gegenstand des Rechtsstreits ist allein die Entscheidung der Beklagten, in welcher Höhe der Betrag der zu erstattenden Aufwendungen für das Widerspruchsverfahren festzusetzen ist (§ 63 Abs 3 Satz 1 Halbs 1 SGB X). Sie hat entschieden, dass dem Kläger die Kosten des Vorverfahrens dem Grunde nach zu erstatten sind (Bescheid vom 3.3.2006, § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X). Zwar hat das LSG nicht festgestellt, ob die Beklagte die Zuziehung eines Rechtsanwalts für notwendig erklärt hat (§ 63 Abs 2, Abs 3 Satz 2 SGB X); allerdings liegt eine solche Feststellung konkludent in der Festsetzung des Erstattungsbetrags iHv 301,60 Euro (Bescheid vom 21.3.2006; Widerspruchsbescheid vom 22.6.2006). Einer weitergehenden Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG) bedurfte es daher nicht (vgl Senatsurteil vom 5.5.2009 - B 13 R 137/08 R - Juris RdNr 12; BSGE 104, 30 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2, RdNr 12; BSG vom 5.5.2010 - B 11 AL 14/09 R - Juris RdNr 12).

19

b) Die angefochtene Kostenentscheidung hat den Erstattungsbetrag auf 301,60 Euro festgesetzt. Im Streit steht die Frage, ob die Beklagte verpflichtet ist, weitere 324,80 Euro an Rechtsanwaltsgebühren des isolierten Vorverfahrens zu erstatten.

20

Anders als der Kläger meint, kann die Anfechtung des Kostenfestsetzungsbescheids nicht auf die Höhe der Erledigungsgebühr wirksam begrenzt werden. Vielmehr steht die Höhe der Geschäftsgebühr ebenfalls zur Überprüfung; dies gälte auch dann, wenn sie nicht - erstmals im Revisionsverfahren - von der Beklagten gerügt worden wäre. Die Erledigungs- und die Geschäftsgebühr sind lediglich einzelne Berechnungsfaktoren der Kostenfestsetzung, aus denen sich die Höhe des Kostenerstattungsanspruchs neben anderen Faktoren insgesamt zusammensetzt. Die isolierte Festsetzung einer Erledigungsgebühr sieht das Gesetz hingegen nicht vor; sie enthielte auch keine Regelung, die Bindungswirkung entfalten könnte. Obwohl die Beklagte die Geschäftsgebühr antragsgemäß in voller Höhe erstattet hat, haben die Gerichte eigenständig nach Maßgabe des Gesetzes unter Berücksichtigung der Berechnungsfaktoren zu entscheiden, ob dem Kläger insgesamt ein Anspruch auf höhere Kostenerstattung zusteht, als die Behörde bislang festgesetzt hat. Der Kläger ist insofern allerdings durch das prozessuale Verböserungsverbot vor einer im Ergebnis niedrigeren Kostenerstattung geschützt (vgl zur Höhe der Bestimmung der Rahmengebühr bzw des Gegenstandswerts als Berechnungsfaktor der Kostenfestsetzung: BSG vom 9.4.2008 - B 6 KA 3/07 B - Juris RdNr 12; BSG SozR 1300 § 63 Nr 8 S 25 ff, jeweils mwN; zustimmend Roos in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 63 RdNr 45).

21

3. Der Kläger hat gemäß § 63 Abs 1 Satz 1, Abs 2 und Abs 3 Satz 1 Halbs 1 SGB X Anspruch auf Erstattung seiner Aufwendungen auf der Grundlage der Erledigungsgebühr gemäß § 2 Abs 2 Satz 1 iVm Nr 1005 und Nr 1002 VV RVG.

22

a) Nach § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X hat bei einem erfolgreichen (isolierten) Vorverfahren der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, dem Widerspruchsführer die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Dabei sind nach § 63 Abs 2 SGB X die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts im Vorverfahren erstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war. Gemäß § 63 Abs 3 Satz 1 Halbs 1 SGB X setzt die Behörde, die die Kostenentscheidung getroffen hat, auf Antrag den Betrag der zu erstattenden Aufwendungen fest.

23

b) Die Vergütung (Gebühren und Auslagen) für anwaltliche Tätigkeiten der Rechtsanwälte richtet seit dem 1.7.2004 nach dem RVG in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (KostRMoG) vom 5.5.2004 (BGBl I 2004, 718; vgl § 1 Abs 1 Satz 1 RVG). Der Auftrag zur Erledigung der Angelegenheit ist dem Bevollmächtigten nach dem 30.6.2004 erteilt worden.

24

aa) Die Höhe der Vergütung bestimmt sich gemäß § 2 Abs 2 Satz 1 RVG nach dem VV der Anlage 1 zum RVG. Eine Erledigungsgebühr nach Nr 1005 VV RVG kommt bei einer "Einigung oder Erledigung in sozialrechtlichen Angelegenheiten, in denen im gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen," in Betracht. Betragsrahmengebühren sind in sozialgerichtlichen Verfahren vorgesehen, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist (§ 3 Abs 1 Satz 1 RVG). Abs 1 gilt entsprechend für eine Tätigkeit außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens (§ 3 Abs 2 RVG). Ginge es hier um ein gerichtliches Verfahren, wäre gemäß § 3 Abs 1 Satz 1 RVG eine Betragsrahmengebühr entstanden. Der Kläger hat einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Versorgung mit einem Hörgerät als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben behauptet. Hierfür wäre im Fall der Klageerhebung gemäß § 51 Abs 1 Nr 1 SGG der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet. Dann entstünden auch Betragsrahmengebühren, da der Kläger den Anspruch als Versicherter geltend macht (§ 3 Abs 1 Satz 1 RVG, § 183 Satz 1 SGG).

25

bb) Zutreffend hat das LSG festgestellt, dass auch die weiteren Voraussetzungen für das Entstehen einer Erledigungsgebühr nach Nr 1005 iVm Nr 1002 VV RVG erfüllt sind. Nach den amtlichen, vom Gesetzestext umfassten Erläuterungen zu Nr 1002 Satz 1 VV RVG setzt diese Vorschrift voraus, dass "sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt". Dem steht nach Satz 2 gleich, dass "sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakts erledigt". Das LSG hat zutreffend festgestellt, dass sich das isolierte Vorverfahren "durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt" hat.

26

Nach gefestigter Rechtsprechung des BSG kann eine Erledigungsgebühr für die Mitwirkung an der Erledigung eines isolierten Vorverfahrens durch Abhilfebescheid nur beansprucht werden, wenn der Anwalt eine über die Einlegung und Begründung des Widerspruchs hinausgehende besondere Tätigkeit entfaltet hat. Nach dem Wortlaut der Erläuterungen zu Nr 1002 (Satz 2) VV RVG kommt es hiernach für das Entstehen einer Erledigungsgebühr sowohl in einer Anfechtungssituation als auch bei einem Verpflichtungsrechtsbehelf auf die auf Erledigung gerichtete Mithilfe des Anwalts an. Auch die Regelungssystematik, der Sinn und Zweck der Regelung sowie ihre Entstehungsgeschichte erfordern eine qualifizierte erledigungsgerichtete Mitwirkung des Rechtsanwalts, die über das Maß desjenigen hinausgeht, das schon durch den allgemeinen Gebührentatbestand für das anwaltliche Auftreten im sozialrechtlichen Widerspruchsverfahren abgegolten wird (vgl Senatsurteil vom 5.5.2009 - B 13 R 137/08 R - Juris RdNr 16; BSG vom 5.5.2010 - B 11 AL 14/09 R - Juris RdNr 22; BSGE 104, 30 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2, RdNr 42; BSG SozR 4-1935 VV Nr 1002 Nr 1 RdNr 14; BSG vom 2.10.2008 - B 9/9a SB 3/07 R - Juris RdNr 15; BSG vom 21.3.2007 - B 11a AL 53/06 R - Juris RdNr 16; BSG SozR 4-1300 § 63 Nr 8 RdNr 20 ff; BSG vom 7.11.2006 - B 1 KR 22/06 R - und B 1 KR B 1 KR 13/06 R, jeweils RdNr 20 ff; für die Literatur zustimmend: Roos in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, Anhang zu § 63 RdNr 43b; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Aufl 2010, Nr 1002 VV RdNr 38; Straßfeld, NZS 2010, 253, 259; dieselbe, Brennpunkte des Sozialrechts 2009, 219, 247; dieselbe, SGb 2008, 635, 641; Köhler, ZFSH/SGB 2009, 67, 76; Becker in Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB X, Stand 2010, K § 63 RdNr 98; Curkovic in Bischof, RVG-Kompaktkommentar, 2. Aufl 2007, Nr 1002 VV RdNr 9 f, Nr 1005 VV RdNr 3; Mayer in Mayer/Kroiß , RVG-HK, 2. Aufl 2006, Nr 1002 VV RdNr 18).

27

Eine solche qualifizierte, eine Erledigungsgebühr begründende Tätigkeit liegt zB vor, wenn der Rechtsanwalt zum Zwecke des Beweises entscheidungserheblicher Tatsachen unaufgefordert neue, bisher noch nicht bekannte Beweismittel im Widerspruchsverfahren beibringt (zB neu erstattete Befundberichte, vgl BSG SozR 4-1935 VV Nr 1002 Nr 1 RdNr 15). Anders verhält es sich bei der Vorlage schon präsenter Beweismittel im Rahmen der dem Widerspruchsführer ohnehin obliegenden Mitwirkung (§ 21 Abs 2 Satz 1 und 2 SGB X), deren unaufgeforderte Vorlage bereits mit der Geschäftsgebühr bzw der Auslagenpauschale abgegolten ist (vgl BSG vom 2.10.2008 - B 9/9a SB 3/07 R - Juris RdNr 16 f; vgl auch BSG vom 5.5.2010 - B 11 AL 14/09 R - Juris RdNr 22).

28

cc) Wie die Beklagte selbst einräumt, liegt im vorliegenden Fall eine über die Einlegung und Begründung des Widerspruchs hinausgehende besondere Tätigkeit im Sinne einer qualifizierten erledigungsgerichteten Mitwirkung des Rechtsanwalts vor, die ursächlich für die (unstreitige) Erledigung des Vorverfahrens durch Abhilfebescheid war. Ungeachtet dessen tragen die für den Senat bindenden (§ 163 SGG) tatsächlichen Feststellungen des LSG dieses Ergebnis unter Zugrundelegung der aufgezeigten Maßstäbe. Der Bevollmächtigte des Klägers hat den Widerspruch nicht nur eingelegt und begründet, sondern darüber hinaus zum Zwecke des Beweises entscheidungserheblicher Tatsachen unaufgefordert die Bestätigung des Arbeitgebers vom 10.2.2006 beigebracht, in der dieser die Richtigkeit der vom Kläger gemachten Angaben vom 9.2.2006 zu den "Hörprobleme(n) am Arbeitsplatz" bestätigte. Das während des laufenden Widerspruchsverfahrens zur Glaubhaftmachung der Angaben des Klägers erstellte Schreiben hat die Beklagte im Wege des Urkundsbeweises (§ 21 Abs 1 Satz 1 und Satz 2 Nr 3 SGB X iVm § 416 ZPO)verwertet. Unerheblich ist, dass der Kläger eine inhaltlich identische Schilderung bereits bei Antragstellung im Dezember 2005 übersandt hatte. Denn erst die vom Kläger unaufgefordert vorgelegte Arbeitgeberbestätigung machte weitere Sachverhaltsermittlungen der Beklagten, zB durch Nachfragen beim Arbeitgeber, entbehrlich. Deshalb kommt es auch nicht auf den Umfang der Bestätigung (1,5 Zeilen) an. Entscheidend ist vielmehr der dem Anwalt entstandene Aufwand, der ua durch das Bemühen entstanden ist, an den Arbeitgeber im aufgezeigten Sinne heranzutreten. Mit der Vorlage dieser selbst beschafften Urkunde hat der Bevollmächtigte des Klägers den Rahmen der seinem Mandanten obliegenden Mitwirkung (§ 21 Abs 2 Satz 1 und 2 SGB X; § 60 Abs 1 Satz 1 Nr 1 und Nr 3 SGB I)überobligatorisch erfüllt (§ 21 Abs 2 Satz 3 SGB X).

29

Die Vorlage der Arbeitgeberbestätigung vom 10.2.2006 war im vorliegenden Fall auch ursächlich für die (unstreitige) Erledigung des Vorverfahrens durch Abhilfebescheid. Denn die Beklagte hat unter Berücksichtigung der vom Kläger geschilderten berufsbedingten Anforderungen an sein Hörvermögen und der Bestätigung der Richtigkeit dieser Angaben durch den Arbeitgeber dem Widerspruch abgeholfen. Entgegen den Feststellungen des LSG erfolgte die Erledigung nicht durch (stattgebenden) Widerspruchsbescheid.

30

dd) Entgegen der Ansicht der Beklagten bedurfte es für das Entstehen der Erledigungsgebühr auch keines zusätzlichen "beiderseitigen Nachgebens" der Beteiligten. Hierfür ergeben sich unter Geltung des RVG keine tragfähigen rechtlichen Gesichtspunkte.

31

Der 9. Senat des BSG hat seine Rechtsprechung insoweit aufgegeben, als er vor dem Inkrafttreten des RVG die Auffassung vertreten hatte, dass eine gebührenrechtlich erhebliche Mitwirkungshandlung eines Bevollmächtigten nach § 116 Abs 3 Satz 2 BRAGO(idF des Gesetzes vom 20.8.1990, ) nur dann vorlag, wenn sich die Rechtssache durch beiderseitiges Nachgeben erledigt hatte (vgl BSG SozR 3-1930 § 116 Nr 7 S 23 f; BSGE 97, 153 = SozR 4-1500 § 183 Nr 4, RdNr 19). Diese Rechtsprechung ist aufgrund des Wortlauts der inhaltlich neuen Erläuterung zu Nr 1002 (Satz 2) VV RVG überholt, mit welcher die teilweise und die vollständige Abhilfe gleichgestellt werden (so BSG SozR 4-1935 VV Nr 1002 Nr 1 RdNr 14; BSG vom 2.10.2008 - B 9/9a SB 3/07 R - Juris RdNr 15). Dieser Rechtsprechung hat sich der erkennende Senat bereits angeschlossen und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der geänderte Wortlaut von Nr 1002 Satz 2 VV RVG nicht mehr auf ein beiderseitiges Nachgeben abstellt, sondern teilweise und vollständige Abhilfe gleichstellt (vgl Senatsurteil vom 5.5.2009 - B 13 R 137/08 R - Juris RdNr 16).

32

Der Revisionsvortrag - auch im Vergleich zur Revisionserwiderung der identischen Beklagten im entschiedenen Verfahren B 13 R 137/08 R - enthält insofern keine neuen Argumente, die Anlass geben könnten, von dieser gefestigten Rechtsprechung abzuweichen. Deshalb kann auf die vom 1. Senat des BSG getroffene Auslegung unter Zugrundelegung des Wortlauts, der systematischen Zusammenhänge mit vergleichbaren Gebührenpositionen, Sinn und Zweck der Regelung und der Entstehungsgeschichte von Nr 1005 iVm Nr 1002 VV RVG verwiesen werden, wonach die Erledigungsgebühr "ein besonderes Bemühen" um eine Erledigung (nicht "Einigung") des Rechtsanwalts im Widerspruchsverfahren voraussetzt. Nur insofern ist die zu § 24 BRAGO iVm § 116 Abs 4 Satz 2 BRAGO(idF des Gesetzes vom 17.8.2001 ) bzw § 116 Abs 3 Satz 2 BRAGO(idF des Gesetzes vom 20.8.1990 ) ergangene Rechtsprechung auf Nr 1005 VV RVG noch übertragbar (BSG SozR 4-1300 § 63 Nr 8 RdNr 25 mwN). Für ein beiderseitiges Nachgeben als Voraussetzung des Entstehens der Erledigungsgebühr lassen die genannten neuen Vorschriften und mit ihnen die hierzu ergangene Rechtsprechung keinen Raum mehr. Allein entscheidend ist vielmehr, ob eine Mitwirkung des Rechtsanwalts an der Erledigung des (isolierten) Widerspruchsverfahrens durch Abhilfebescheid vorliegt, die über das Maß desjenigen hinausgeht, das schon durch den allgemeinen Gebührentatbestand für das anwaltliche Auftreten im sozialrechtlichen Widerspruchsverfahren abgegolten wird (BSG aaO; zustimmend Straßfeld, NZS 2010, 253, 258 f; dieselbe, Brennpunkte des Sozialrechts 2009, 219, 248; Mayer in Mayer/Kroiß , RVG-HK, 2. Aufl 2006, Nr 1002 VV RdNr 12).

33

Auch auf den weiteren Revisionsvortrag, der danach differenziert, ob sich die Rechtssache erst nach Aufhebung bzw Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts oder durch Verwaltungsakt erledige, kommt es nach der vorliegenden Rechtsprechung für das Entstehen einer Erledigungsgebühr nicht an; ebenso wenig darauf, ob die Nr 1002 VV RVG eine teilweise und vollständige Abhilfe oder eine teilweise und vollständige Erledigung gleichstelle. Unerheblich ist schließlich, ob eine verfahrensvermeidende oder -beendende Funktion der anwaltlichen Tätigkeit feststellbar sein muss oder ob es "zufälliger" Erfolg einer eigentlich "verfahrensgewinnenden" Funktion der anwaltlichen Tätigkeit ist, dass die Beklagte dem Widerspruch abgeholfen hat (vgl Senatsurteil vom 5.5.2009 - B 13 R 137/08 R - Juris RdNr 20).

34

ee) Die Höhe der Erledigungsgebühr als solche ist von der Beklagten nicht angegriffen worden. Sie entspricht der Mittelgebühr von 280 Euro nach § 14 Abs 1 Satz 1 iVm Nr 1005 VV RVG(Rahmengebühr zwischen 40 und 520 Euro). Die Mittelgebühr errechnet sich aus der Mindestgebühr zuzüglich der Hälfte des Unterschieds zwischen Mindest- und Höchstgebühr. Sie kann auch ermittelt werden, indem man Mindest- und Höchstgebühr addiert und das Ergebnis durch zwei dividiert (hier: 40 plus 520, geteilt durch 2 = 280 Euro; vgl allgemein zur Berechnung, BSGE 104, 30 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2, RdNr 23 mwN).

35

Innerhalb des Gebührenrahmens bestimmt der Rechtsanwalt nach § 14 Abs 1 Satz 1 RVG die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (§ 14 Abs 1 Satz 4 RVG). Die Mittelgebühr ist auch unter Geltung des RVG im Grundsatz in Fällen zugrunde zu legen, in denen sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts nicht nach oben oder unten vom Durchschnitt abhebt; sie gilt in "Normalfällen" als billige Gebühr (BSGE 104, 30 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2, RdNr 24 f mwN; BSG vom 5.5.2010 - B 11 AL 14/09 R - Juris RdNr 16 ff). Dass die anwaltliche Tätigkeit insbesondere weder umfangreich noch schwierig, mithin durchschnittlicher Art gewesen ist, folgt aus den bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG.

36

4. Der Kläger hat jedoch nur Anspruch auf Erstattung der reduzierten Geschäftsgebühr gemäß § 2 Abs 2 Satz 1 RVG iVm Nr 2500, 2501 VV RVG aF(als Nr 2400, 2401 VV RVG in der ab 1.7.2006 geltenden Fassung von Art 5 Abs 1 Nr 4 Buchst b KostRMoG fortgeführt). Nach der amtlichen Vorbemerkung zu Nr 2500 VV RVG aF entsteht die Geschäftsgebühr ua für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information; sie beträgt in sozialrechtlichen Angelegenheiten, in denen im gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 RVG), 40 bis 520 Euro, wobei eine Gebühr von mehr als 240 Euro nur gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Zusätzlich bestimmt Nr 2501 VV RVG aF für den Fall des Vorausgehens einer Tätigkeit im Verwaltungsverfahren, dass die Gebühr für das weitere, der Nachprüfung des Verwaltungsakts dienende Verwaltungsverfahren 40 bis 260 Euro beträgt, wobei eine Gebühr von mehr als 120 Euro nur gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich und schwierig war (sog Schwellengebühr). Der durch die Vorbefassung der Angelegenheit im Verwaltungsverfahren ersparte Aufwand soll durch einen geringeren Gebührenrahmen abgegolten werden (vgl BSGE 106, 21 = SozR 4-1300 § 63 Nr 12, RdNr 20 unter Hinweis auf BT-Drucks 15/1971 S 208).

37

a) Die Beklagte hat dem Kläger gemäß § 63 Abs 1 Satz 1 und Abs 2 und Abs 3 Satz 1 Halbs 1 SGB X lediglich die geminderte Geschäftsgebühr nach Nr 2501 VV RVG aF iVm § 14 RVG zu erstatten. Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) war der Bevollmächtigte des Klägers bereits im (selben) vorausgegangenen Verwaltungsverfahren mit der Angelegenheit befasst, als er die Kostenübernahme für das digitale Hörgerät durch Anwaltsschreiben im Dezember 2005 bei der Beklagten beantragt hat. Damit war das hierauf gerichtete Verwaltungsverfahren eröffnet (§ 116 Abs 2 Nr 1 SGB VI; § 18 Satz 2 Nr 1 SGB X).

38

Für die anwaltliche Tätigkeit im Verwaltungsverfahren besteht kein Erstattungsanspruch gegenüber der Beklagten. Im Hinblick auf das Gebührenrecht handelt es sich beim Verwaltungs- und beim Widerspruchsverfahren um unterschiedliche Angelegenheiten. Für eine Kostenerstattung von Aufwendungen für das dem Widerspruchsverfahren vorausgegangene Verwaltungsverfahren bietet § 63 SGB X keine Rechtsgrundlage(vgl BSGE 106, 21 = SozR 4-1300 § 63 Nr 12, RdNr 14 ff, 19; BSGE 55, 92, 94 = SozR 1300 § 63 Nr 1 S 3; zustimmend Roos in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 63 RdNr 6).

39

b) Die Geschäftsgebühr nach Nr 2500 VV RVG aF iHv 240 Euro zzgl darauf entfallende Umsatzsteuer war daher im angefochtenen Kostenbescheid unzutreffend festgesetzt. Dem Kläger stand nur die verminderte Geschäftsgebühr nach Nr 2501 VV RVG aF zzgl Umsatzsteuer zu. Es handelt sich hierbei um die ausgehend von der Mittelgebühr (150 Euro) um den Schwellenwert (30 Euro) gekappte Schwellengebühr (120 Euro). Die Einführung der Schwellengebühr hat zur Folge, dass die in einem ersten Schritt ausgehend von der Mittelgebühr bestimmte Gebühr in einem zweiten Schritt in Höhe des Schwellenwertes gekappt wird, wenn weder der Umfang noch die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit mehr als durchschnittlich ist (zur Berechnung vgl BSGE 104, 30 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2, RdNr 22; BSG vom 5.5.2010 - B 11 AL 14/09 R - Juris RdNr 15 f; BSG vom 29.3.2007- B 9a SB 4/06 R - Juris RdNr 16).

40

Wie bereits zur Erledigungsgebühr ausgeführt, bieten die bindenden Feststellungen des LSG keine greifbaren Anhaltspunkte für das Vorliegen einer überdurchschnittlich umfangreichen oder schwierigen Tätigkeit des Bevollmächtigten, die Anlass geben könnten, eine höhere Geschäftsgebühr als 120 Euro anzunehmen. Dies hat auch der Kläger weder behauptet, noch ergibt sich dies aus der vom Bevollmächtigten vorgelegten Kostennote. Umstände, die die Öffnung des Gebührenrahmens über die Schwellengebühr hinaus rechtfertigten (vgl dazu ausführlich BSGE 104, 30 = SozR 4-1935 § 14 Nr 2, RdNr 22 ff), sind daher nicht ersichtlich.

41

5. Der Kostenfestsetzungsbescheid vom 21.3.2006 ist unter Berücksichtigung der entstandenen Erledigungsgebühr einerseits und der reduzierten Geschäftsgebühr in Höhe der Schwellengebühr andererseits zu korrigieren. Es verbleibt ein noch an den Kläger zu erstattender Betrag von 185,60 Euro. Hierin enthalten ist die auf die Gebührenansätze anfallende Umsatzsteuer (67,20 Euro) nach Nr 7008 VV RVG (iHv 16 %, § 12 Abs 1 Umsatzsteuergesetz idF vom 21.2.2005 ) und der Gebührenansatz für die Postpauschale nach Nr 7002 VV RVG (20 Euro).

42

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt das anteilsmäßige Unterliegen bzw Obsiegen der Beteiligen.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.