Bundessozialgericht Urteil, 30. Okt. 2014 - B 5 R 8/14 R

bei uns veröffentlicht am30.10.2014

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 23. Oktober 2013 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

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Streitig ist die Übernahme von Kosten für eine beidseitige Hörgeräteversorgung der Klägerin.

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Die 1954 geborene Klägerin ist seit ihrer Kindheit schwerhörig und war ab den frühen 1980er Jahren als Arbeiterin am Fließband und in einem Reparaturbetrieb bei der T. tätig. Aufgrund ihrer Qualifikation nahm die Klägerin einige Zeit später eine Tätigkeit im Bereich der Finanzbuchhaltung für die T. auf, die sie auch noch im Jahre 2004 ausübte. Zu ihren Aufgaben zählte damals das Anlegen und Pflegen von Stammdaten für ein Telekommunikationsunternehmen. Diese Aufgaben wurden zentral in der Niederlassung in S. ausgeführt. Zum Tätigkeitsbereich der Klägerin gehörte die zentrale Stammdatenpflege in SAP R/3 mit Schwerpunkt Kreditorenstammdaten, die Neuanlage von Stammdaten, das Pflegen vorhandener Stammdaten, das Überwachen von Dubletten, das Sperren und Löschen von Stammdaten etc; die telefonische Beratung bezüglich der Kreditorenstammdaten konnte die Klägerin aufgrund ihrer eingeschränkten Hörfähigkeit nicht wahrnehmen. Zusätzliche Aufgaben der Klägerin waren ua die Einarbeitung/Ausbildung von Auszubildenden im Rahmen eines Praktikums bzw die Teilnahme und Umsetzung von Teambesprechungen (mit bis zu 30 Mitarbeitern), Arbeitsunterweisungen (für bis zu 20 Mitarbeiter), Netz- und Telefonkonferenzen (vgl die Arbeitsplatzbeschreibung durch den Arbeitgeber vom 4.10.2005).

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Die Versorgungsverwaltung erkannte der Klägerin erstmals 1985 einen Grad der Behinderung (GdB) zu. Seit Dezember 2000 sind bei der Klägerin ein GdB von 100 und die Merkzeichen RF und Gl anerkannt. In den Jahren 1990/1991 fand die erste Hörgeräteversorgung am linken Ohr der Klägerin statt. Ab 1996 befindet sich die Klägerin bei ihrem derzeitigen HNO-Arzt Dr. A. in S. in Behandlung. Eine beidseitige Hörgeräteversorgung der Klägerin erfolgte 1998.

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Dr. A. verordnete der Klägerin unter dem 8.11.2004 auf einem entsprechenden Vordruck neue Hörhilfen und nannte dazu als Diagnose "Schallempfindungsschwerhörigkeit beidseits". Mit dieser Hörgeräteverordnung wandte sich die Klägerin an das Hörgeräteakustikunternehmen R. Hörgeräte GmbH in S. Die Firma R. erstellte unter dem 9.11.2004 einen Kostenvoranschlag für eine beidseitige Hörgeräteversorgung der Klägerin mit dem Gerät Senso Diva SD-19 in Höhe von 3445,84 € (Gesamtpreis in Höhe von 4438,25 € abzüglich Festbetrag der gesetzlichen Krankenversicherung in Höhe von 992,41 €). Unter Verwendung des betreffenden Antragsformulars der beklagten Deutschen Rentenversicherung Bund und unter Beifügung des Kostenvoranschlags sowie der Hörgeräteverordnung vom 8.11.2004 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Übernahme der Kosten von behinderungsbedingten Zusatzausstattungen, dh die Übernahme der Kosten des Hörgeräts. Die Klägerin gab ua an, dass sie für die behinderungsbedingten Zusatzausstattungen bislang bei keiner anderen Stelle einen Antrag gestellt habe. Der Antrag ging bei der Beklagten am 11.11.2004 ein.

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Mit Bescheid vom 29.11.2004 lehnte die Beklagte der Klägerin gegenüber den Antrag auf Hörhilfeversorgung ab. Zur Begründung führte sie ua aus, dass kein berufsspezifischer Mehrbedarf, der über Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu Lasten der Beklagten abzudecken sei, bestehe. In ständiger Rechtsprechung habe das BSG entschieden, dass die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit zu den elementaren Grundbedürfnissen des Menschen gehöre und daher die GKV die für die Berufsausübung erforderlichen Hilfsmittel als medizinischen Ausgleich einer Behinderung zur Verfügung zu stellen habe. Entscheidend sei hierbei, dass der Hilfsmittelbedarf für jedwede Form der Berufsausübung bestehe. Eine Leistungspflicht durch den Rentenversicherer bestehe nicht.

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Die Klägerin legte gegen diesen Bescheid am 13.12.2004 Widerspruch ein und führte zur Begründung ua aus, dass sie gerade bei ihrer Tätigkeit eine schnelle Auffassungsgabe benötige und daher nicht mehrmals nachfragen könne, was sie zu erledigen habe. Dazu gebe es viele unterschiedliche Geräusche in ihrem Büro (Telefone, Computer und Drucker), die zu erheblichen Belastungen führten. Ein weiterer wichtiger Aspekt sei die Kommunikation in der Lehrlingsausbildung an ihrem Arbeitsplatz. Diese Voraussetzungen seien jedoch nicht bei jeder beruflichen Tätigkeit gegeben. Sie bedürfe der Hörhilfe speziell für ihren Arbeitsplatz, weil die Anforderungen und der Druck immer stärker würden.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 1.3.2005 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück und führte zur Begründung ua aus, dass Hilfsmittel, die auf den unmittelbaren Ausgleich einer körperlichen Behinderung selbst gerichtet seien, zum Leistungskatalog der GKV gehörten (§ 27 Abs 1 Nr 3 SGB V). Die Übernahme von Kosten für Hilfsmittel in Form eines Hörgeräts als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben komme nur dann in Betracht, wenn das Hilfsmittel zum Ausgleich der Behinderung ausschließlich für einen bestimmten Arbeitsplatz bzw für eine spezielle Form einer Berufsausbildung bzw Berufsausübung benötigt werde. Die medizinischen Feststellungen hätten ergeben, dass die Klägerin auf speziell angepasste Hörgeräte angewiesen sei, jedoch seien diese zum Ausgleich der Behinderung nicht ausschließlich bei der Ausübung eines bestimmten Berufs erforderlich. Ebenso bestehe der Hilfsmittelbedarf für jedwede Form der Berufsausübung. Bei der speziell ausgeübten Tätigkeit als Angestellte bei einem Telekommunikationsunternehmen lägen keine speziellen beruflichen Anforderungen an das Hörvermögen vor, die eine Hörgeräteversorgung über die durch die GKV zu leistende medizinische Grundversorgung erforderten.

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Die Firma R. stellte unter dem 16.3.2005 gegenüber der Klägerin eine Rechnung über zwei Hörgeräte nebst Zubehör vom Typ Senso Diva SD-19 mit Poti aus; die Firma R. bezifferte darin den Gesamtpreis mit 4333,25 €, brachte hiervon unter Berücksichtigung der gesetzlichen Zuzahlung in Höhe von 20,00 € einen Festbetrag der GKV in Höhe von 972,41 € in Abzug und machte der Klägerin gegenüber noch einen Betrag in Höhe von 3360,84 € geltend. Laut Angabe der beigeladenen Krankenkasse wurde die Hörgeräteverordnung nebst Kostenvoranschlag am 31.3.2005 bei ihr eingereicht; die Beigeladene entrichtete in der Folgezeit den Festbetrag in Höhe von 972,41 € an die Firma R.

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Das SG Mainz hat die für die Klägerin zuständige Krankenkasse zum Verfahren beigeladen, ein hals-nasen-ohrenärztliches Sachverständigengutachten des Dr. S. sowie eine schriftliche Stellungnahme des Mitarbeiters A. D. der Firma R. eingeholt.

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Mit Urteil vom 17.5.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen für die Erstattung der Kosten bei einer selbstbeschafften Leistung nach § 15 Abs 1 SGB IX lägen nicht vor. Die Beklagte habe als erstangegangener Rehabilitationsträger den Anspruch der Klägerin unter allen rechtlich in Betracht kommenden Möglichkeiten prüfen müssen. Die Klägerin habe jedoch keinen Anspruch auf Ausstattung mit den gewünschten und schließlich auch angeschafften digitalen Hörgeräten, die über die Festbetragsversorgung hinausgingen. Es sei bei Beachtung des Sachverständigengutachtens des Dr. S. vom 6.1.2006 davon auszugehen, dass die Klägerin zwar wegen der Art und Schwere der Hörbehinderung in Bezug auf die konkreten Bedingungen und Anforderungen ihres Arbeitsplatzes auf eine Versorgung mit digitalen Hörgeräten mit Spezialausstattung angewiesen sei. Vorliegend lasse sich jedoch nicht feststellen, dass ein zum Festbetrag erhältliches Hörgerät die Anforderungen im Fall der Klägerin, auch unter Berücksichtigung des speziellen Arbeitsplatzes, nicht erfüllt hätte. Zwar sei das Gerät, für das sich die Klägerin entschieden habe, subjektiv besser gewesen und habe auch objektiv ein - wenn auch nur geringfügig - besseres Hörvermögen erbracht. Die Unterschiede zwischen den getesteten Geräten seien jedoch so geringfügig, dass eine Versorgung mit dem Festbetragsgerät auch unter Berücksichtigung der Anforderungen am Arbeitsplatz der Klägerin zumutbar und ausreichend gewesen wäre.

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Auf die Berufung der Klägerin hat das LSG Rheinland-Pfalz nach Einvernahme der Zeugen B. und L. (Firma R.) mit Urteil vom 23.10.2013 das Urteil des SG vom 17.5.2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 29.11.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1.3.2005 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 3360,84 € zur Beschaffung der Hörgeräte vom Typ Senso Diva SD-19 nebst Zubehör zu zahlen. Der Anspruch der Klägerin ergebe sich aus § 15 Abs 1 S 4 SGB IX, wonach eine Erstattungspflicht dann bestehe, wenn der Rehabilitationsträger eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen könne oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt habe. Der bei der Beklagten am 11.11.2004 eingegangene Leistungsantrag der Klägerin sei mit Blick auf die Zuständigkeitsregelung des § 14 SGB IX als rehabilitationsrechtlicher Erstantrag zu werten. Es lägen keine Hinweise dafür vor, dass vor der Beklagten noch die beigeladene Krankenkasse mit dem Begehren der Klägerin befasst worden wäre. Die Beigeladene sei erst nach dem 16.3.2005, als die Firma R. den sich aus der Rechnung vom 16.3.2005 ergebenden Festbetrag habe einziehen wollen, mit der Angelegenheit befasst worden. Die Übergabe der Hörgeräteverordnung durch die Klägerin an die Firma R. am 8.11.2004 sei nicht als Antrag gegenüber der Beigeladenen zu werten. Die Klägerin habe in der mündlichen Verhandlung am 25.1.2011 angegeben, dass sie auf Anraten des Mitarbeiters der Firma R. den Rehabilitationsantrag gerade bei der Beklagten gestellt habe. Auch in Anbetracht der Rechtsprechung des BSG (vgl Urteil vom 24.1.2013 - B 3 KR 5/12 R - BSGE 113, 40 = SozR 4-3250 § 14 Nr 19, RdNr 20) sei - entgegen der Auffassung der Beklagten - aufgrund der konkreten Gegebenheiten nicht schon in der Übergabe der vertragsärztlichen Hörgeräteverordnung durch die Klägerin an die Firma R. ein Leistungsantrag bei der beigeladenen Krankenkasse zu sehen. Vielmehr habe sich die Klägerin hier bewusst für eine Antragstellung bei der Beklagten entschieden. Sowohl die zum Zeitpunkt der Übergabe der Hörgeräteverordnung an die Firma R. zwischen der Beigeladenen und den Hörgeräteakustikunternehmen geltenden vertragsrechtlichen Bestimmungen des Rahmenvertrages vom 23.3.1993 (RV) als auch die zum Abschluss der Versorgung ab dem 1.2.2005 geltenden Bestimmungen der Versorgungsvereinbarung (VersV) sprächen nicht für eine quasi automatische Antragstellung bei der Krankenkasse im Moment der Übergabe der ärztlichen Hörgeräteverordnung an den Hörgeräteakustiker. § 8 RV iVm Ziff 1 S 1 der Anlage 5 (Abrechnungsverfahren) zum RV sehe vor, dass Rechnungen über abgeschlossene Versorgungen und sonstige Leistungen bis zum 15. des Folgemonats maschinenlesbar bei der zuständigen Krankenkasse in zweifacher Ausfertigung einzureichen seien. Ziff 1 S 4 aaO bestimme, dass die "vollständig ausgefüllten kassenärztlichen Verordnungen und ggf. die genehmigten Kostenvoranschläge … beizufügen" seien. Das nach diesen Bestimmungen einzuhaltende Verfahren zeige, dass erst dann eine Befassung der Krankenkasse mit der Angelegenheit stattfinde, wenn die Versorgung praktisch schon erfolgt sei und nur noch die Abrechnung ausstehe. In gleicher Weise gestalteten sich auch die Rechtsbeziehungen der für die Zeit ab dem 1.2.2005 geltenden VersV. Gemäß § 5 Abs 1 S 2 VersV sei bei einer Folgeversorgung - wie hier - die ohrenärztliche Verordnung für die Krankenkasse ohne Bedeutung, denn die Krankenkasse verzichte auf die Vorlage einer neuen vertragsärztlichen Verordnung. Insoweit werde die ohrenärztliche Verordnung bei einer Folgeversorgung nur im Verhältnis zwischen dem Patienten bzw Kunden und dem Hörgeräteakustiker relevant. Deshalb könne in der Vorlage einer kassenärztlichen Verordnung zur Folgeversorgung auch kein Antrag an die Krankenkasse gesehen werden. Der Hörgeräteakustiker trete sowohl bei einer Erst- als auch bei einer Folgeverordnung erst vor Beginn der Versorgung mit der Krankenkasse in Kontakt (§ 5 Abs 2 VersV) und stelle eine Versorgungsanzeige; der Beginn der Versorgung sei aber erst der Zeitpunkt, an dem die Anpassung gemäß § 5 Abs 3 VersV abgeschlossen sei(§ 3 Abs 8 S 1 VersV). Folglich werde auch nach den Regeln der VersV die zuständige Krankenkasse erst gegen Ende des Anpassungsverfahrens erstmals mit der Angelegenheit befasst. Schließlich ergäben sich aus den gemäß § 7 Abs 1 VersV für die Abrechnungen zwischen den beteiligten Krankenkassen und den Hörgeräteakustikern maßgebenden Vorschriften des § 302 SGB V keine Anhaltspunkte dafür, dass mit der hier unstreitig erfolgten Übergabe der ohrenärztlichen Hörgeräteverordnung durch die Klägerin ein Antrag auf Versorgung bei der Beigeladenen gestellt worden sein könnte. Erst wenn die Krankenkasse konkret um die Gewährung einer Leistung angegangen werde, zB hier durch eine Versorgungsanzeige, könne eine Antragstellung iS von § 16 Abs 1 SGB I angenommen werden. Schließlich würde die Auffassung der Beklagten, dass mit der Übergabe des Hörgeräterezepts an den Hörgeräteakustiker gleichzeitig ein Antrag iS von § 19 S 1 SGB IV an eine Krankenkasse gestellt worden wäre, jedenfalls vorliegend dazu führen, dass eine Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers von vornherein ausgeschlossen wäre, da die Übergabe der Hörgeräteverordnung zwangsläufig Grundlage für das Tätigwerden des Hörgeräteakustikers sei. Dass aber ein genereller Ausschluss der Zuständigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung von der Hörgeräteversorgung im Teilhabefall nicht gesetzlich gewollt sein kann, ergebe sich bereits aus den Vorschriften der §§ 9 f SGB VI, die die Teilhabe Versicherter am Arbeitsleben regeln.

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Vorliegend sei auch die weitere Voraussetzung des § 15 Abs 1 S 4 SGB IX, dass durch den verpflichteten Rehabilitationsträger eine Leistung zu Unrecht abgelehnt worden sei, erfüllt. Die ablehnende Entscheidung der Beklagten sei rechtswidrig gewesen, weil sie den Anspruch der Klägerin auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach den §§ 9, 15 SGB VI iVm § 26 Abs 2 Nr 6 und § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX unberücksichtigt gelassen habe. Dass die Klägerin auf eine gute Kommunikationsfähigkeit im Rahmen ihrer Tätigkeit bei einem Telekommunikationsunternehmen angewiesen gewesen sei, ergebe sich nicht nur aus dem Vortrag der Klägerin, sondern auch aus der Arbeitsplatzbeschreibung ihres Arbeitgebers vom 4.10.2005. Die Klägerin sei demnach überwiegend mit EDV-Tätigkeiten, daneben auch mit der Einarbeitung und Ausbildung von Auszubildenden im Rahmen eines Praktikumseinsatzes bzw der Einarbeitung von Aushilfskräften befasst gewesen und habe darüber hinaus an Teambesprechungen mit bis zu 30 Mitarbeitern teilgenommen und Arbeitsanweisungen an bis zu 20 Mitarbeiter weitergeleitet. Dass die Klägerin an ihrem Arbeitsplatz auf eine möglichst hochwertige Hörgeräteversorgung angewiesen sei, habe auch der Sachverständige Dr. S. in seinem Gerichtsgutachten vom 6.11.2006 zur Überzeugung des Senats nachvollziehbar dargelegt. Demnach könne die Klägerin ausschließlich mit Hörgeräten in digitaler Mehrkanaltechnik und unter Verwendung spezieller Spracherkennungsprogramme sowie einem Störgeräuschunterdrückungsprogramm versorgt werden. Nach dem Gutachten sei die Klägerin auf die bestmögliche Kommunikation angewiesen, sodass auch eine geringe Abweichung gegenüber einem schlechteren Festbetragsgerät nicht hinzunehmen sei. Daher sei die Versorgung der Klägerin mit dem tatsächlich beschafften Gerät zur Fortsetzung ihrer Erwerbstätigkeit zwingend erforderlich, sodass auf Seiten der Beklagten eine "Ermessensreduktion auf Null" gegeben sei.

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Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 14 SGB IX und des § 33 Abs 1 S 1 SGB V als auch § 33 Abs 8 S 1 Nr 4 SGB IX sowie eine Verletzung des rechtlichen Gehörs(§ 128 Abs 2 SGG), des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 103 SGG) und eine Überschreitung der Grenzen freier Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 SGG).

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Erstangegangener Rehabilitationsträger iS der §§ 14 SGB IX, 16 SGB I sei nicht die Beklagte, sondern die Beigeladene, zumal der maßgebliche Antrag zuerst bei ihr gestellt worden sei. Da die Beigeladene den Antrag nicht innerhalb von zwei Wochen an die Beklagte weitergeleitet habe, habe die Beigeladene und nicht die Beklagte den Anspruch anhand aller Rechtsgrundlagen prüfen müssen, die in der konkreten Bedarfssituation vorgesehen gewesen seien. Die Zuständigkeit der Beigeladenen sei demnach ausschließlicher Natur gewesen und habe die Zuständigkeit aller anderen Träger und somit auch der Beklagten ausgeschlossen. Zwar habe der 3. Senat des BSG in seiner Entscheidung vom 24.1.2013 (B 3 KR 5/12 R - BSGE 113, 40 = SozR 4-3250 § 14 Nr 19) zunächst offengelassen, ob die maßgebliche Antragstellung iS des § 14 SGB IX in dem zu entscheidenden Fall durch Übergabe der kassenärztlichen Verordnung an den Hörgeräteakustiker oder durch dessen Versorgungsanzeige bei der Krankenkasse erfolgt sei. Indem das LSG ausführe, erst wenn die Krankenkasse konkret um die Gewährung einer Leistung angegangen werde, zB hier durch eine Versorgungsanzeige, könne eine Antragstellung iS von § 16 Abs 1 SGB I angenommen werden, schließe das LSG von dem tatsächlichen Geschehen auf die rechtliche Befassungswirkung der Versorgungsanzeige iS des SGB IX. Ein Abstellen auf diesen späten Zeitpunkt widerspreche den Anforderungen, die der 3. Senat in seinem Urteil vom 24.1.2013 (B 3 KR 5/12 R) zum Umgang mit dem Leistungsrecht des SGB V aufgestellt habe, wonach sich ein Rehabilitationsträger seiner leistungsrechtlichen Verantwortung nicht entziehen und dem Leistungserbringer quasi die Entscheidung darüber überlassen dürfe, ob dem Versicherten eine Teilhabeleistung zuteil werde. Nach Auffassung der Beklagten setze nach der vom LSG festgestellten ausschließlich bilateral zwischen den Krankenkassen und den Hörgeräteakustikern vertraglich vereinbarten Verfahrensweise bereits die Übergabe der vertragsärztlichen Hörgeräteversorgung das Verwaltungsverfahren rechtswirksam zu Lasten der jeweiligen Krankenkasse in Gang. Auf das Vorliegen einer Versorgungsanzeige beziehungsweise deren Eingang bei der Krankenkasse komme es daher nicht mehr an. Wenn die Entscheidung über das Ob und Wie - jedenfalls bis zur Höhe des Festbetrages - nach den getroffenen Vereinbarungen ausschließlich bei dem Hörgeräteakustiker als Leistungserbringer liege, setze dies nach Auffassung des Beklagten zwingend einen Antrag voraus, der nicht ex post in der Versorgungsanzeige an die Krankenkasse gesehen werden könne, also zu einem Zeitpunkt, in welchem die eigentlich von der Krankenkasse zu treffende, aber auf den Leistungserbringer übergegangene Verwaltungsentscheidung über die Leistungsbewilligung de facto schon gefallen sei, wie das LSG zutreffend erkannt habe und vom BSG mit deutlichen Worten moniert werde. Mit der Übergabe der Hörgeräteverordnung an den Hörgeräteakustiker setze der Versicherte ein Hilfsmittelversorgungsverfahren in Gang, wobei der Hörgeräteakustiker aufgrund seiner vertraglichen Beziehungen mit der Krankenkasse legitimiert sei, eine Leistung - wenn auch nur zum Festbetrag - zu ihren Lasten zu erbringen (mit Verweis auf BSG Urteil vom 24.1.2013 - B 3 KR 5/12 R - BSGE 113, 40 = SozR 4-3250 § 14 Nr 19, RdNr 20). Vertragliche Beziehungen zwischen den Leistungserbringern und den Versicherten bestünden insoweit nicht. Der Leistungserbringer sei vollständig in die Versorgungsstruktur der Krankenkassen einbezogen und fungiere faktisch als deren Außenstelle beziehungsweise als deren "verlängerter Arm". Der Antrag des Versicherten gelte daher mit der Übergabe an den Hörgeräteakustiker als gestellt. Dieser sei nicht lediglich Erklärungsbote der Klägerin, sondern als "Prüfbeauftragter" der Beigeladenen anzusehen, da er nach § 127 SGB V als Leistungserbringer ausschließlich in die Verwaltungsprozesse bei der Krankenkasse eingebunden und berechtigt sei, den individuellen Bedarf verbindlich festzustellen. Soweit das LSG gegen diese Sichtweise anführe, eine Zuständigkeit der Rentenversicherung sei so von vornherein ausgeschlossen, da die Übergabe der Hörgeräteversorgung zwangsläufig Grundlage für das Tätigwerden des Hörgeräteakustikers sei, treffe dies tatsächlich nicht zu. Bei der Beklagten gingen regelmäßig ganz gezielt Anträge auf berufsbedingte Hörgeräteversorgung ohne vorherige ärztliche Verordnung oder Einbeziehung eines Hörgeräteakustikers ein. Für die GKV habe das BSG bereits deutlich gemacht, dass, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig erreicht sei im Sinne eines Gleichziehens mit einem gesunden Menschen, die Versorgung mit einem fortschrittlichen Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden könne, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend (BSG Urteil vom 16.9.2004 - B 3 KR 20/04 R - BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 4). Die Beklagte halte demgegenüber den gesetzlichen Versorgungsauftrag der Rentenversicherung insgesamt für nicht gegeben. Der Versorgungsauftrag der Rentenversicherungsträger beginne erst dann, wenn eine höherwertige Ausstattung ausschließlich "nur wegen einer auf eine besonders gute Hörfähigkeit angewiesenen beruflichen Tätigkeit" (BSG Urteil vom 21.8.2008 - B 13 R 33/07 R - BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7, RdNr 48) bzw "aus rein beruflichen Gründen" (BSG Urteil vom 24.1.2013 - B 3 KR 5/12 R - BSGE 113, 40 = SozR 4-3250 § 14 Nr 19, RdNr 53) erforderlich werde. Werde die höherwertige Ausstattung bereits im Rahmen des Behinderungsausgleichs erforderlich (also auch für den Alltagsgebrauch), wozu der Anspruch auf das Hören und Verstehen in größeren Räumen und bei störenden Umgebungsgeräuschen gehöre, sei eine Leistungsbegrenzung in der GKV nicht gerechtfertigt. Indem das LSG ausschließlich auf die Höranforderungen am konkreten Arbeitsplatz abstelle und sich nicht mit dem Grundbedürfnis des Hörens und Verstehens in größeren Räumen und bei störenden Umgebungsgeräuschen auseinandersetze, weiche es von den Grundsätzen des BSG ab.

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Außerdem stelle sich das Urteil des LSG als Überraschungsentscheidung dar, mit der vor dem Hintergrund des Sachverständigengutachtens, des Schreibens des Leistungserbringers vom 15.9.2005 und des Beklagtenvortrags nicht zu rechnen gewesen sei. Die Beklagte sei mit einer Tatsachenwürdigung überrascht worden, für die bis dahin keine Hinweise vorgelegen hätten, weshalb eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 128 Abs 2 SGG) vorliege. Mit dem Unterlassen der notwendigen weiteren Sachverhaltsaufklärung habe das LSG außerdem den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103 SGG) verletzt, denn es hätte der Frage nachgehen müssen, ob die höherwertige Hörgeräteversorgung auch für den Alltagsgebrauch erforderlich war. Schließlich habe das LSG auch die Grenzen freier Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 SGG) überschritten, indem es die wesentliche Angabe des Sachverständigen unberücksichtigt gelassen habe, dass eine kostengünstigere Ausstattung nur dann denkbar sei, wenn das Umfeld weitgehend von Störgeräuschen befreit sei (mit Verweis auf BSG Urteil vom 4.6.2002 - B 2 U 16/01 R - Juris). Auch das Schreiben des Leistungserbringers vom 15.9.2005 und die Einlassung der Klägerin, wonach diese sich mit anderen als den streitgegenständlichen Hörgeräten in ihrem Alltag nicht ausreichend verständigen könne, seien vom LSG gänzlich unbeachtet gelassen worden.

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Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 23. Oktober 2013 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 17. Mai 2011 zurückzuweisen.

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Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

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Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend. Anders als die Beklagte behaupte, habe die Klägerin nicht eingeräumt, sich weder mit Geräten zum Kassenfestbetrag noch mit anderen Geräten im Alltag ausreichend verständigen zu können. Auch der gerichtlich bestellte Sachverständige Dr. S. habe festgestellt, dass die Klägerin das private Leben weitgehend von Störgeräuschen befreit gestalten könne und sich daher die technische Ausstattung der Hörhilfe im rein privaten Umfeld zweifelsfrei deutlich reduzieren und somit kostengünstiger umsetzen lasse.

Entscheidungsgründe

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A. Die statthafte Revision ist zulässig, soweit sie sich gegen die Anwendung materiellen Rechts wendet. Dagegen berücksichtigt das Rechtsmittel nicht ausreichend, dass Verfahrensverstöße grundsätzlich nur auf Rüge geprüft werden, die bis zum Ablauf der Begründungsfrist - vorliegend am 24.4.2014 - ordnungsgemäß erhoben sein muss (§ 202 SGG, § 557 Abs 3 S 2 ZPO).

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Die Beklagte hat die von ihr geltend gemachten Verfahrensfehler nicht ausreichend begründet. Gemäß § 164 Abs 2 S 3 SGG müssen bei Verfahrensrügen die Tatsachen bezeichnet werden, die den Mangel ergeben. Die maßgeblichen Vorgänge müssen so genau angegeben sein, dass das Revisionsgericht sie, die Richtigkeit des Vorbringens unterstellt, ohne weitere Ermittlungen beurteilen kann (BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 10 EG 20/11 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 18; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 164 RdNr 12 mwN).

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1. Bei einer behaupteten Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) ist darzulegen, dass und inwiefern sich das LSG auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen (Leitherer, aaO, § 164 RdNr 12a). Das erfordert neben der exakten Benennung des nach Auffassung des Revisionsführers zum Beleg einer bestimmten Tatsache ungenutzt gebliebenen Beweismittels regelmäßig die Angabe, zu welchem Ergebnis die unterlassene Beweisaufnahme geführt hätte und die Darlegung, welche konkrete Bedeutung das behauptete Beweisergebnis auf der Grundlage der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts für dessen Entscheidung gehabt hätte.

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Die bloße Behauptung der Beklagten, das eingeholte Sachverständigengutachten reiche nicht aus, um zu klären, ob die höherwertige Hörgeräteversorgung auch für den Alltagsgebrauch erforderlich sei, das LSG hätte sich daher zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts gedrängt fühlen müssen, um ihre Leistungspflicht als Rentenversicherungsträger begründen zu können, genügt diesen Anforderungen nicht. Weder benennt die Beklagte ein ungenutzt gebliebenes Beweismittel, noch nimmt sie den Rechtsstandpunkt des LSG ein, um eine mögliche Entscheidungserheblichkeit aufzuzeigen.

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2. Auch eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör in der besonderen Erscheinungsform des § 128 Abs 2 SGG hat die Revision nicht hinreichend dargelegt. Nach dieser Vorschrift darf das Urteil nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten. Die Beklagte missversteht den Anwendungsbereich der Norm, soweit sie geltend macht, vor dem Hintergrund des Sachverständigengutachtens, des Schreibens des Leistungserbringers vom 15.9.2005 und des Beklagtenvortrags habe sie mit der getroffenen Entscheidung nicht rechnen können und sei mit einer Tatsachenwürdigung überrascht worden, für die bis dahin keine Hinweise vorgelegen hätten. § 128 Abs 2 SGG konkretisiert den verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch auf rechtliches Gehör(Art 103 Abs 1 GG), beschränkt sich hierbei gegenüber dem inhaltlich weiteren § 62 SGG jedoch auf die tatsächlichen Grundlagen der Entscheidung. Die Beklagte benennt indessen keine derartigen Grundlagen, zu denen sie sich nicht hätte äußern können; sie ist vielmehr offenbar der Auffassung, sie hätte zu den hieraus zu ziehenden Schlussfolgerungen des Tatsachengerichts gehört werden müssen. § 128 Abs 2 SGG betrifft aber weder die (ohnehin nur eingeschränkte) Verpflichtung zum Rechtsgespräch noch das allgemeine Verbot von Überraschungsentscheidungen(vgl Breitkreuz in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl 2014, § 128 RdNr 10) und kommt damit auch nicht als Grundlage eines allgemeinen Verfahrensgrundsatzes in Betracht, der das Gericht verpflichten würde, die Beteiligten vor einer Entscheidung auf eine in Aussicht genommene Beweiswürdigung hinzuweisen oder die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gründe zuvor mit ihnen zu erörtern (vgl BSG Beschlüsse vom 17.10.2006 - B 1 KR 104/06 B - Juris und vom 2.11.2011 - B 12 KR 34/11 B - Juris). Etwas anderes könnte im engen Anwendungsbereich von § 128 Abs 2 SGG allenfalls dann gelten, wenn der vom Berufungsgericht eingenommene Standpunkt dem Verfahren eine überraschende Wende gibt(BSG Beschluss vom 2.11.2011 - B 12 KR 34/11 B - Juris RdNr 8; vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 62 RdNr 8a f), dh die als solche bekannten Tatsachen und Beweisergebnisse (das "Rohmaterial" der richterlichen Überzeugungsbildung und der auf ihrer Grundlage getroffenen tatsächlichen Feststellungen iS von § 163 SGG, die gemäß § 128 Abs 1 S 2 SGG erst im Urteil zu erläutern sind) in einen völlig neuen, von keinem Beteiligten vorhersehbaren rechtlichen Zusammenhang stellt. Auch dass ein solcher Ausnahmetatbestand vorliegt, hat die Beklagte weder dargelegt noch ist dies sonst ersichtlich. Vielmehr befassen sich bereits die angegriffenen Bescheide (zu Unrecht) allein mit der Frage, ob die Beklagte als Träger der gesetzlichen Rentenversicherung deshalb leistungsverpflichtet ist, weil der Arbeitsplatz der Klägerin besondere Anforderungen stellt und gerade im Blick hierauf eine spezielle Hörgeräteausstattung der Klägerin erforderlich ist. Unter diesen Umständen erschließt sich nicht, inwiefern die Beklagte dadurch in ihrer Rechtsverteidigung behindert worden sein könnte, dass das Berufungsgericht tatsächliche Feststellungen ungeachtet der inhaltlichen Richtigkeit seiner Schlussfolgerungen in einem von ihr selbst von Anfang an erörterten rechtlichen Kontext würdigt.

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3. Schließlich hat die Beklagte auch den gedanklichen Weg des LSG zu seiner Überzeugung vom (Nicht-)Vorliegen des (aus seiner Sicht) rechtlich maßgeblichen Sachverhalts, also der zusammenfassenden Würdigung der Tatsachen und Beweisergebnisse (§ 128 Abs 1 S 1 SGG) nicht mit zulässigen Revisionsrügen angegriffen (§ 163 SGG). Die entsprechende Überzeugungsbildung ist grundsätzlich dem Tatsachengericht vorbehalten. Das Revisionsgericht kann das insofern eingeräumte Ermessen nur insofern überprüfen, ob das Tatsachengericht bei der Beweiswürdigung gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen hat, und ob es das Gesamtergebnis des Verfahrens ausreichend und umfassend berücksichtigt hat (stRspr vgl BSG Urteile vom 6.4.1989 - 2 RU 69/87 - HV-Info 1989, 1368 und vom 27.1.1994 - 2 RU 3/93 - HVBG-Info 1994, 943; BSG SozR 3-2200 § 551 Nr 16 und § 539 Nr 19; Keller, aaO, § 128 RdNr 10 bis 13 mwN). Soweit die Beklagte demgegenüber die Auffassung vertritt, die vom LSG formulierte Sachverhaltsbeschreibung hätte als Untersatz nicht unter die vom Berufungsgericht für einschlägig erachteten normativen Obersätze subsumiert werden dürfen bzw das LSG hätte den festgestellten Sachverhalt ausgehend von einer anderen Rechtsauffassung (rechtliche Maßgeblichkeit der Alltagssituation anstelle der Verhältnisse am Arbeitsplatz) würdigen müssen, betrifft auch ein derartiges Vorbringen schon seiner Art nach keinen Verfahrensfehler (error in procedendo), sondern den rechtlichen Ausgangspunkt des Berufungsgerichts und dessen inhaltliche Richtigkeit (error in iudicando). Aus der von der Revision in Bezug genommenen Entscheidung des 2. Senats des BSG (Urteil vom 4.6.2002 - B 2 U 16/01 R - Juris) ergibt sich schon deshalb nichts anderes. Das BSG befasst sich aaO mit dem - von der Beklagten vorliegend nicht ansatzweise behaupteten - Fall einer durch eigene Sachkunde nicht gerechtfertigten Abweichung des Berufungsgerichts von einer nach dessen eigener Auffassung rechtlich relevanten Aussage des medizinischen Sachverständigengutachtens, nicht aber mit der nach dem Vortrag der Revision allein in Betracht kommenden Konstellation, dass das LSG das Gutachtensergebnis rechtlich (!) in einer von der Auffassung eines Beteiligten abweichenden Weise würdigt und sich daher auf andere Aussagen stützt als der Beteiligte.

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B. Die im Übrigen zulässige Revision ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Die unabhängig von der Revisionsbegründung in vollem Umfang eröffnete Sachprüfung durch den erkennenden Senat ergibt, dass eine abschließende Entscheidung beim derzeitigen Erkenntnisstand "untunlich" ist und weitere Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des BSG (§ 170 Abs 5 SGG) erforderlich sind. Derzeit kann über die Frage, ob die Klägerin gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Erstattung eines Betrages in Höhe von 3360,84 € hat, insbesondere deshalb nicht entschieden werden, weil Feststellungen dazu fehlen, ob die Beklagte oder die Beigeladene im Rechtssinn erstangegangener Träger iS des § 14 SGB IX sind und aus welchem Rechtsgebiet ein (Primär-)Anspruch gegen den zuständigen Träger in Betracht kommt.

26

1. § 15 Abs 1 SGB IX, der vorliegend als einzige Anspruchsgrundlage in Betracht kommt, normiert trägerübergreifend Kostenerstattungsansprüche für selbstbeschaffte Teilhabeleistungen und ist unmittelbar auch in der gesetzlichen Rentenversicherung anwendbar(Urteil des Senats vom 20.10.2009 - B 5 R 5/07 R - SozR 4-3250 § 14 Nr 8 RdNr 12). Dies bestätigt insbesondere der mit Wirkung vom 1.7.2001 in § 13 Abs 3 SGB V eingefügte S 2; danach werden Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem SGB IX gemäß § 15 SGB IX erstattet. Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass sich die Kostenerstattung für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation abweichend von der Selbstbeschaffung anderer Leistungen nach dem SGB IX richtet (BT-Drucks 14/5074 S 117 zu Nr 7 Buchst b). Ausweislich dieser gesetzgeberischen Absicht sollte mit § 15 SGB IX eine einheitliche Kostenerstattungsregelung für den Bereich der Teilhabeleistungen geschaffen werden. Hierfür spricht auch, dass § 15 Abs 1 S 5 SGB IX ausdrücklich regelt, für welche Träger welche Kostenerstattungsansprüche der Norm nicht gelten sollen(vgl Urteil des Senats vom 20.10.2009 - B 5 R 5/07 R - SozR 4-3250 § 14 Nr 8 RdNr 12).

27

Von den in § 15 Abs 1 S 1 bis 3 und S 4 SGB IX geregelten drei unterschiedlichen Tatbeständen, die zur Kostenerstattungspflicht führen können, kommt auf der Grundlage der derzeit vorliegenden Feststellungen die in S 4 aufgeführte zweite Alternative als Grundlage des streitigen rehabilitationsrechtlichen Anspruchs der Klägerin auf Erstattung der Kosten in Betracht, die ihr aus der Selbstbeschaffung von zwei Hörgeräten vom Typ "Senso Diva SD-19 mit Poti" zuzüglich Zubehör nach Gewährung eines Festbetrages durch die Beigeladene in Höhe von 972,41 € entstanden sind. Nach dieser Vorschrift besteht die Erstattungspflicht auch, wenn der Rehabilitationsträger eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat.

28

Rehabilitationsträger iS von § 15 Abs 1 S 4 SGB IX ist ausweislich des systematischen Zusammenhangs der Bestimmung mit S 3 der zuständige Rehabilitationsträger. Nach S 3 ist der "zuständige" Rehabilitationsträger unter bestimmten Voraussetzungen zur Erstattung der Aufwendungen verpflichtet, wenn sich Leistungsberechtigte eine erforderliche Leistung selbst beschaffen. Die Erstattungspflicht des "zuständigen" Rehabilitationsträgers erstreckt S 4 auf die darin geregelten Tatbestände, indem er bestimmt, dass die Erstattungspflicht "auch" in diesen Fällen besteht. Zuständiger Rehabilitationsträger iS des § 15 Abs 1 SGB IX ist der nach § 14 SGB IX verantwortliche Rehabilitationsträger(so auch Löschau, GK-SGB IX, § 15 RdNr 13, Stand VII/2008). Dies ergibt sich schon daraus, dass § 15 Abs 1 S 1, S 4 SGB IX an die in § 14 Abs 2 SGB IX normierten Fristen sowie an Verhaltenspflichten (rechtzeitige Erbringung bzw keine rechtswidrige Ablehnung der Leistung) anknüpft, die für das (Verwaltungs-)Verfahren zwischen dem zur Entscheidung berufenen Rehabilitationsträger und dem behinderten Menschen gelten. Welcher Rehabilitationsträger im Außenverhältnis zu diesem zuständig ist, richtet sich aber nach § 14 SGB IX(vgl bereits Urteil des Senats in SozR 4-3250 § 14 Nr 8 RdNr 14).

29

2. Wie der Senat ebenfalls bereits zusammenfassend ausgeführt hat (Urteil vom 11.5.2011 - B 5 R 54/10 R - BSGE 108, 158 = SozR 4-3250 § 17 Nr 1, jeweils RdNr 31), ist für § 14 SGB IX durch die bisherige Rechtsprechung geklärt, dass derjenige Träger, der den Antrag auf Leistungen zur Teilhabe nicht weitergeleitet hat (erstangegangener Träger) und derjenige Träger, an den der Antrag weitergeleitet wurde (zweitangegangener Träger) und der daher zu einer erneuten Weiterleitung grundsätzlich nicht ermächtigt ist, ungeachtet seiner "eigentlichen" Zuständigkeit jeweils zur umfassenden Prüfung des Rehabilitationsbedarfs nach § 10 SGB IX verpflichtet ist(vgl Urteil des Senats in SozR 4-3250 § 14 Nr 8; BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7). Entsprechend dem Primärzweck der Norm, bei fortdauernder interner Verpflichtung des eigentlich zuständigen Leistungsträgers eine schnelle Klärung der Zuständigkeit im Außenverhältnis zu gewährleisten (BSGE 101, 79 = SozR 4-3500 § 54 Nr 1), hat dieser Träger auf den grundsätzlich in einem umfassenden Sinne zu verstehenden Antrag den Anspruch des Leistungsberechtigten an Hand aller Rechtsgrundlagen für Teilhabeleistungen, die überhaupt in der konkreten Bedarfssituation für Rehabilitationsträger vorgesehen sind, und unter Beachtung der persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der jeweiligen Leistungsgesetze zu prüfen (vgl Urteil des Senats aaO mwN und BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4 sowie BSGE 101, 79 = SozR 4-3500 § 54 Nr 1). Insofern bleibt der erst- bzw zweitangegangene Träger im Verhältnis zum Versicherten aufgrund einer gesetzlich besonders geregelten sachlichen Zuständigkeit endgültig, ausschließlich und umfassend leistungspflichtig, auch wenn er nach den geltenden Normen außerhalb des SGB IX nicht für die beanspruchte Rehabilitationsleistung zuständig ist (Urteil des Senats in BSGE 104, 294 = SozR 4-3250 § 14 Nr 9). Diese Zuständigkeit umfasst ggf auch Erstattungsansprüche aus § 15 Abs 1 S 4 SGB IX(vgl Urteil des Senats vom 20.10.2009 - B 5 R 5/07 R - SozR 4-3250 § 14 Nr 8 RdNr 16 mwN; BSGE 98, 277 = SozR 4-2500 § 40 Nr 4, RdNr 12; BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7, RdNr 30). Soweit Leistungen verschiedener Leistungsgruppen oder mehrerer Rehabilitationsträger erforderlich sind, ist der nach § 14 SGB IX leistende Rehabilitationsträger dafür verantwortlich, dass die beteiligten Rehabilitationsträger im Benehmen miteinander und in Abstimmung mit dem Leistungsberechtigten die nach dem individuellen Bedarf voraussichtlich erforderlichen Leistungen funktionsbezogen feststellen und schriftlich so zusammenstellen, dass sie nahtlos ineinandergreifen(§ 10 Abs 1 S 1 SGB IX). Prozessual ergibt sich hieraus, dass sich Widerspruch und Klage allein gegen den nach § 14 SGB IX zuständigen Träger richten, ohne dass sich der Kläger um die innerhalb des gegliederten Systems verteilten Zuständigkeiten kümmern müsste. Der möglicherweise - im Innenverhältnis der Träger - endgültig zuständige ist notwendig beizuladen (BSGE 101, 79 = SozR 4-3500 § 54 Nr 1).

30

3. Nach den Feststellungen des LSG kommt vorliegend nur eine Zuständigkeit des erstangegangenen Trägers iS von § 14 Abs 1 S 1, Abs 2 S 1 SGB IX in Betracht, da auch nach der übereinstimmenden Darstellung der Beteiligten im Revisionsverfahren eine Weiterleitung des Antrags von einem Träger an einen anderen nicht stattgefunden hat. Anknüpfungspunkt für die Bestimmung des hiernach verantwortlichen Rehabilitationsträgers ist der Antrag des Leistungsberechtigten. Im Zweifel will der behinderte Mensch die ihm günstigste Art der Leistungsgewährung in Anspruch nehmen, sodass der gestellte Antrag umfassend, dh auf alle nach Lage des Falles in Betracht kommenden Leistungen zu prüfen ist (BSG Urteile vom 29.11.2007 - B 13 R 44/07 R - SozR 4-2600 § 236a Nr 2 RdNr 21 und vom 21.8.2008 - B 13 R 33/07 R - BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7). Der erkennende Senat hat für den vorliegenden Zusammenhang bereits entschieden, dass ein beim Träger der GKV gestellter Antrag auf Versorgung mit Hörgeräten immer auch auf Leistungen zur Teilhabe iS von §§ 1, 4 und 5 SGB IX gerichtet ist(Urteil vom 20.10.2009 - B 5 R 5/07 R - SozR 4-3250 § 14 Nr 8 RdNr 18). Umgekehrt ist aus der Sicht des Rentenversicherungsträgers ggf unerheblich, wenn die Versorgung mit Hörhilfen nach dem Recht der GKV keine Leistung zur medizinischen Rehabilitation ist. Denn § 14 SGB IX muss seiner Intention nach auch in solchen Fällen gelten, in denen eine Leistung (hier: Hörhilfe/Hilfsmittel) beantragt wird, die nach dem Recht des angegangenen Trägers eine solche der medizinischen Rehabilitation, nach dem der ("eigentlich" mit- oder allein-) zuständigen Krankenkasse jedoch keine Leistung zur Teilhabe(iS der §§ 4, 5 SGB IX) ist (BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7, jeweils RdNr 38).

31

4. Der Senat vermag auf der Grundlage der derzeit getroffenen Feststellungen die Aussage des LSG nicht zu bestätigen, dass die Beklagte im vorstehend erörterten Sinne erstangegangener Träger und daher Schuldner des streitigen Erstattungsanspruchs ist. Er stellt die typischerweise von ausreichenden Feststellungen zum - aus seiner Sicht - rechtlich relevanten Sachverhalt abhängige Spruchreife ungeachtet von (zulässigen) Verfahrensrügen der Beteiligten stets in eigener Zuständigkeit fest (§ 170 Abs 2 S 2 SGG) und ist insbesondere vorliegend nicht gemäß § 163 SGG auf die Verwertung der positiv getroffenen "tatsächlichen Feststellungen" des Berufungsgerichts beschränkt. Hierzu gilt im Einzelnen Folgendes:

32

a) Der erstangegangene Träger wird im Blick auf die Zuständigkeitsregelung des § 14 SGB IX durch den rehabilitationsrechtlichen Erstantrag bestimmt. Antrag in diesem Sinne ist jede an den Versicherungsträger gerichtete Willenserklärung, aus der sich ein Leistungsverlangen ergibt (vgl Hampel in: jurisPK-SGB IV, 2. Aufl 2011, § 19 SGB IV RdNr 23). Der Antrag ist formlos, daher entsprechend dem Grundsatz des § 9 SGB X insbesondere auch mündlich oder durch sonstiges (konkludentes) Handeln, möglich(Luik in: jurisPK-SGB IX, § 14 SGB IX RdNr 51). An seinen Inhalt sind keine überspannten Anforderungen zu stellen (vgl Hessisches LSG Beschluss vom 6.9.2011 - L 7 AS 334/11 B ER - Juris RdNr 51). Sofern das Sozialrecht keine speziellen Regelungen trifft, finden bei der Auslegung konkludenter Handlungen die Vorschriften des BGB, insbesondere dessen § 133, Anwendung(BSG Urteil vom 2.4.2014 - B 4 AS 29/13 R - BSGE , SozR 4-4200 § 37 Nr 6, Juris RdNr 16; BSG Urteil vom 17.7.1990 - 12 RK 10/89 - SozR 3-1200 § 16 Nr 2 mwN, Juris RdNr 20). Der entsprechend anwendbare § 133 BGB erfordert die Feststellung des (normativ) in Wahrheit Gewollten nach Maßgabe des Empfängerhorizonts auf der Grundlage aller im Einzelfall als einschlägig in Betracht kommenden Umstände. Maßgebend für die Auslegung eines Antrags ist daher - unter Berücksichtigung aller Umstände - der erkennbare wirkliche Wille des Antragstellers (BSG Urteil vom 1.4.1981 - 9 RV 49/80 - SozR 3100 § 48 Nr 7, Juris RdNr 17; BSG Urteil vom 23.2.1973 - 3 RK 44/71 - BSGE 35, 220, 221 = SozR Nr 2 zu § 173a RVO, Juris RdNr 18). Die Auslegung hat nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung zu erfolgen (BSG Urteil vom 6.5.2010 - B 14 AS 3/09 R - SozR 4-4200 § 28 Nr 3 RdNr 14). Danach ist, sofern eine ausdrückliche Beschränkung auf eine bestimmte Leistung nicht vorliegt, davon auszugehen, dass der Antragsteller die nach der Lage des Falls ernsthaft in Betracht kommenden Leistungen begehrt, unabhängig davon, welchen Ausdruck er gewählt hat (BSG Urteil vom 11.9.2001 - B 2 U 41/00 R - SozR 3-2200 § 1150 Nr 5 Juris RdNr 24; BSG vom 1.4.1981 - 9 RV 49/80 - SozR 3100 § 48 Nr 7 Juris RdNr 17; BSG Urteil vom 15.11.1979 - 7 RAr 75/78 - BSGE 49, 114 = SozR 4100 § 100 Nr 5, Juris RdNr 13).

33

b) Die hiernach im Rahmen der Rechtsanwendung von den Tatsachengerichten zu leistende Gesamtaufgabe der Auslegung von Erklärungen ist dem BSG als Revisionsgericht dessen besonderem Aufgabenbereich entsprechend nur eingeschränkt zugewiesen. Das Revisionsgericht hat insofern grundsätzlich von den in den Urteilen der Tatsacheninstanzen getroffenen tatsächlichen Feststellungen auszugehen (§ 163 SGG).

34

Allerdings darf das Revisionsgericht die Ermittlung des rechtlich maßgeblichen Sinns (Auslegung) von Willenserklärungen durch ein Tatsachengericht unabhängig von einer Rüge vollinhaltlich daraufhin prüfen, ob dieses Gericht die revisiblen bundesrechtlichen Auslegungsgrundsätze (§§ 133, 157 BGB), anerkannte Auslegungsgrundsätze sowie allgemeine Erfahrungssätze beachtet und bei der Ermittlung des Bedeutungsgehalts nicht gegen Denkgesetze verstoßen hat (exemplarisch BSGE 102, 149 = SozR 4-1100 Art 85 Nr 1, jeweils RdNr 67). Die vollständige Feststellung des Erklärungstatbestandes und die Ableitung des Erklärungsinhalts hieraus beschränkt sich nämlich nicht auf einschlägige Tatsachenfeststellungen zum maßgeblichen Lebenssachverhalt, sondern betrifft wesentlich die generell vorgeschriebene Methodik dieses Vorgangs, deren Kontrolle dem Revisionsgericht obliegt. Dessen Prüfungskompetenz kann jedoch ebenso von der Art der jeweils in Frage stehenden Erklärung abhängig sein wie das jeweils maßgebliche Auslegungsziel und ist damit bei empfangsbedürftigen öffentlich-rechtlichen Willenserklärungen der vorstehend in Frage stehenden Art weiter als in den Fällen, in denen es im Rahmen der sog natürlichen Auslegung auf den "wahren" (inneren) Willen des jeweils Erklärenden ankommt (vgl zur methodischen Unterscheidung von natürlicher und normativer Auslegung Palandt/Ellenberger, BGB, 72. Aufl 2013, § 133 BGB RdNr 7). Rechtlich maßgebend für den Inhalt eines öffentlich-rechtlichen Antrags oder Rechtsbehelfs ist, wie die Behörde einen Antrag unter Berücksichtigung aller erkennbaren Umstände sowie nach Treu und Glauben zu verstehen hat. Dabei muss sich die Auslegung auf die in Frage stehenden Äußerungen in ihrer Gesamtheit und das mit ihnen erkennbar verfolgte Rechtsschutzziel beziehen (vgl insgesamt BVerwG Urteil vom 12.12.2001 - 8 C 17/01 - BVerwGE 115, 302 ff). Ein in der Revisionsinstanz zu beachtender Verstoß liegt auch vor, wenn bei Würdigung der festgestellten Tatsachen Begriffsbestimmungen des allgemeinen oder des rechtlichen Sprachgebrauchs nicht zutreffend verwendet wurden, denn auf diese Weise gewonnene Ergebnisse stehen mit den allgemeinen Erfahrungssätzen in der Regel nicht in Einklang und beeinflussen insofern das Ergebnis der Tatsachenwürdigung (vgl BFH Urteil vom 28.6.1977 - VIII R 115/73 - BFHE 122, 512 ff und BVerwG Urteil vom 27.5.1981 - 8 C 6/81 - NVwZ 1982, 196 f). Das BSG hat daher insbesondere zu prüfen, ob diese Anforderungen auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen überhaupt und ggf zutreffend beachtet sind. Hat das LSG weitere einschlägige Umstände zwar festgestellt, aber nicht - zutreffend - in seine Auslegung einbezogen, kann das BSG diese selbst vornehmen. Da der Anwendungsbereich des § 163 SGG auf positiv getroffene Feststellungen beschränkt ist, prüft das Revisionsgericht zudem in eigener Zuständigkeit auch, ob die zur Auslegung erforderlichen Umstände von der Vorinstanz vollständig ermittelt worden sind(BSG in SozR 1300 § 31 Nr 3 Juris RdNr 15 und BSGE 102, 149 = SozR 4-1100 Art 85 Nr 1, jeweils RdNr 67). Fehlt es hieran, ist die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung nach weiterer Sachaufklärung zurückzuverweisen.

35

c) Zum rechtlichen Kontext von Erklärungen der in Frage stehenden Art hat der 3. Senat des BSG im Urteil vom 24.1.2013 (B 3 KR 5/12 R - BSGE 113, 40 = SozR 4-3250 § 14 Nr 19, jeweils RdNr 20)festgestellt:

        

"Der Senat kann offenlassen, ob die maßgebliche Antragstellung iS des § 14 SGB IX durch Übergabe der vertragsärztlichen Hörgeräteverordnung vom 9.6.2006 seitens der Klägerin an den Hörgeräteakustiker oder erst durch dessen Versorgungsanzeige bei der Krankenkasse erfolgt ist. In dem einen wie in dem anderen Fall läge ein Leistungsbegehren der Klägerin und damit ein Leistungsantrag iS des § 19 S 1 SGB IV vor, der in der Zeit zwischen dem 9.6.2006 (Tag der vertragsärztlichen Verordnung) und dem 12.7.2006 (Tag der Verwaltungsentscheidung) bei der Beigeladenen eingegangen ist. Deren Einwand, die vom LSG als Antrag angesehene Versorgungsanzeige sei allein Bestandteil der Innenkommunikation zwischen Leistungsbringer und Krankenkasse zur Gewährung einer Sachleistung (§ 2 Abs 2 S 1 SGB V), durch die im Wesentlichen die Mitgliedschaft des Versicherten (vgl § 19 Abs 1 SGB V) geklärt werde, ist unzutreffend und wirklichkeitsfremd. Wenn sich ein Rehabilitationsträger - wie hier und bei der Hörgeräteversorgung wohl allgemein üblich - seiner leistungsrechtlichen Verantwortung durch sog 'Verträge zur Komplettversorgung' nahezu vollständig entzieht und dem Leistungserbringer quasi die Entscheidung darüber überlässt, ob dem Versicherten eine Teilhabeleistung (wenn auch nur zum Festbetrag) zuteil wird, dann erfüllt er weder seine Pflicht zur ordnungsgemäßen Einzelfallprüfung nach § 33 SGB V noch befolgt er die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit(§ 12 Abs 1 und § 70 Abs 1 S 2 SGB V). Wer sich der Pflicht zur Antragsentgegennahme (§ 16 SGB I) verweigert, kann sich nicht darauf berufen, es sei bei ihm kein Antrag gestellt worden. Es mutet zudem abenteuerlich an, dass die Rehabilitationsträger die Versorgung mit bestimmten Hilfsmitteln - hier: Hörgeräte - praktisch nicht mehr selbst vornehmen, sondern in die Hände der Leistungserbringer 'outgesourced' haben. Dass ein solches Vorgehen weder dem Grundgedanken der Festbetragsregelung gerecht wird noch zur Kostendämpfung beiträgt, dürfte klar auf der Hand liegen. Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass die Beigeladene hinsichtlich der erfolgten Versorgung keinerlei nachprüfbare Unterlagen vorlegen konnte, wie dies in ihrem 'Vertrag zur Komplettversorgung' mit den Hörgeräteakustikern vorgeschrieben ist. Es existiert lediglich ein Datenauszug, der mit Datum 12.7.2006 die Bewilligung eines Hörgeräts und des Festbetrages dokumentiert - ohne jede weitere Überprüfung des Leistungsfalles. Der Senat hält eine derartige Praxis im Umgang mit dem Leistungsrecht des SGB V für nicht mehr akzeptabel."

36

Der erkennende Senat schließt sich dem in vollem Umfang an. Hiervon ausgehend kann die maßgebliche Erstantragstellung rechtlich gleichwertig ("In dem einen wie in dem anderen Fall …") bereits in der Übergabe einer vertragsärztlichen Hörgeräteverordnung an den Hörgeräteakustiker oder erst in dessen Versorgungsanzeige bei der Krankenkasse bzw - wie vorliegend - in der Antragstellung durch die Klägerin bei der Beklagten liegen. Sind die tatsächlichen Voraussetzungen aller drei Möglichkeiten erfüllt, sind sie nach Maßgabe ihrer zeitlichen Priorität gegeneinander abzugrenzen. Sollte die Klägerin durch die Übergabe der Hörgeräteverordnung an die Firma R. am 8.11.2004 gleichzeitig konkludent einen Leistungsantrag bei der Beigeladenen gestellt haben, könnte nur diese und nicht die vom LSG verurteilte Beklagte anspruchsverpflichtet sein.

37

d) Das LSG hat hierzu im angegriffenen Urteil festgestellt:

        

"Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend die beklagte Rentenversicherung als erstangegangener Rehabilitationsträger für die begehrte Hörgeräteversorgung im Sinne des § 14 SGB IX anzusehen. Die Zuständigkeit der Beklagten ergibt sich daraus, dass die Klägerin unmittelbar nach der Hörgeräteverordnung durch ihren HNO-Arzt Dr. A vom 08.11.2004 den bei der Beklagten am 11.11.2004 eingegangenen Antrag auf Gewährung von Teilhabeleistungen gestellt hat. Es liegen zur Überzeugung des Senats keine Hinweise dafür vor, dass vor der Beklagten noch die beigeladene Krankenkasse mit dem Begehren der Klägerin auf Gewährung einer Hörgeräteversorgung befasst worden wäre. Aus in den Gerichtsakten enthaltenen Aufzeichnungen der Beigeladenen ergibt sich, dass diese erst nach dem 16.03.2005, als die Firma R den sich aus der Rechnung vom 16.3.2005 ergebenden Festbetrag einziehen wollte, mit der Angelegenheit befasst wurde. Diese Reihenfolge der Befassung der unterschiedlichen Träger mit der Abrechnung der von der Klägerin in Anspruch genommenen Hörgeräte wird auch durch die glaubhafte Aussage des Zeugen B bestätigt. Dieser hat u. a. angegeben, dass der Kontakt zur Krankenkasse üblicherweise erst dann hergestellt worden sei, wenn der Patient sich endgültig für die betreffenden Geräte entschieden habe und die Abrechnung habe beginnen können. Für einen im vorliegenden Fall abweichenden Ablauf der Versorgung liegen keine Anhaltspunkte vor.

        

Die Übergabe der Hörgeräteverordnung durch die Klägerin an die Firma R am 08.11.2004 ist nicht als Antrag gegenüber der Beigeladenen zu werten. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung am 25.01.2011 angegeben, dass sie auf Anraten des Mitarbeiters der Firma R den Rehabilitationsantrag gerade bei der Beklagten gestellt hat. Auch in Anbetracht der Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 24.01.2013 - B 3 KR 5/12 R - a.a.O. Rdnr. 20) ist - entgegen der Auffassung der Beklagten - auf Grund der konkreten Gegebenheiten nicht schon in der Übergabe der vertragsärztlichen Hörgeräteverordnung durch die Klägerin an die Firma R ein Leistungsantrag bei der Krankenkasse zu sehen. Hier liegen die Dinge eindeutig so, dass sich die Klägerin bewusst für eine Antragstellung bei der Beklagten entschieden hat. Sowohl die zum Zeitpunkt der Übergabe der Hörgeräteverordnung an die Firma R zwischen der Beigeladenen und den Hörgeräteakustikunternehmen geltenden vertragsrechtlichen Bestimmungen des Rahmenvertrages vom 23.03.1993 als auch die zum Abschluss der Versorgung ab dem 01.02.2005 geltenden Bestimmungen der Versorgungsvereinbarung sprechen nicht für eine quasi automatische bei der Krankenkasse im Moment der Übergabe der ärztlichen Hörgeräteversorgung beim Hörgeräteakustikunternehmen. § 8 RV i.V.m. Ziff. 1 der Anlage 5 (Abrechnungsverfahren) zum RV sieht vor, dass Rechnungen über abgeschlossene Versorgungen und sonstige Leistungen bis zum 15. des Folgemonats maschinenlesbar bei der zuständigen Krankenkasse in zweifacher Ausfertigung einzureichen sind. Ziff. 1 Satz 4 a.a.O. bestimmt, dass die 'vollständig ausgefüllten kassenärztlichen Verordnungen und ggf. die genehmigten Kostenvoranschläge … beizufügen' sind. Das nach diesen Bestimmungen einzuhaltende Verfahren zeigt, dass jedenfalls nach den Bestimmungen des Rahmenvertrages vom 23.3.1993 erst dann eine Befassung der Krankenkasse mit der Angelegenheit stattfindet, wenn die Versorgung praktisch schon erfolgt ist und nur noch die Abrechnung aussteht. In gleicher Weise gestalten sich auch die Rechtsbeziehungen der für die Zeit ab dem 01.02.2005 geltenden Versorgungsvereinbarung. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 VersV ist bei einer Folgeversorgung - wie hier - die ohrenärztliche Verordnung für die Krankenkasse ohne Bedeutung, denn die Krankenkasse verzichtet auf die Vorlage einer neuen vertragsärztlichen Verordnung. Insoweit wird die ohrenärztliche Verordnung bei einer Folgeverordnung nur im Verhältnis zwischen dem Patienten bzw. Kunden und dem Hörgeräteakustiker relevant. Deshalb kann in der Vorlage einer Verordnung zur Folgeversorgung auch kein Antrag an die Krankenkasse zur Aufnahme einer Versorgung gesehen werden. Der Hörgeräteakustiker tritt sowohl bei der Erstversorgung als auch bei einer Folgeversorgung erst vor Beginn der Versorgung mit der Krankenkasse in Kontakt (§ 5 Abs. 2 VersV) und stellt eine Versorgungsanzeige; der Beginn der Versorgung ist aber erst der Zeitpunkt, an dem die Anpassung gemäß § 5 Abs. 3 VersV abgeschlossen ist (§ 3 Abs. 8 Satz 1 VersV). das heißt, dass auch nach den Regeln der Versorgungsvereinbarung die zuständige Krankenkasse erst gegen Ende des Anpassungsverfahrens erstmals mit der Angelegenheit befasst wird. Schließlich ergeben sich aus den gemäß § 7 Abs. 1 VersV für die Abrechnungen zwischen den beteiligten Krankenkassen und den Hörgeräteakustikern maßgebenden Vorschriften des § 302 SGB V keine Anhaltspunkte dafür, dass mit der hier unstreitig erfolgten Übergabe der ohrenärztlichen Hörgeräteverordnung durch die Klägerin ein Antrag auf Versorgung durch die Beigeladene gestellt worden sein könnte. Erst aber wenn die Krankenkasse konkret um die Gewährung einer Leistung angegangen wird, z.B. hier durch eine Versorgungsanzeige, kann eine Antragstellung i.S. v. § 16 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) angenommen werden. …"

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e) Nach den Feststellungen des LSG galt zum rechtlich maßgeblichen Zeitpunkt der Übergabe der Hörgeräteverordnung durch die Klägerin an die Firma R. noch der Rahmenvertrag vom 23.3.1993 ua zwischen dem BKK Landesverband Rheinland-Pfalz und der Bundesinnung der Hörgeräteakustiker. Das Berufungsgericht hat die Regelungen dieser Vereinbarung zu Unrecht nur insofern zur Begründung seiner Entscheidung herangezogen, als es allein den Bestimmungen über das Abrechnungsverfahren (§ 8 RV iVm Ziff 1 S 1 der Anlage 5) entnommen hat, dass der RV nicht für eine "quasi automatische Antragstellung" bei der Krankenkasse spreche und erst dann eine Befassung der Krankenkasse mit der Angelegenheit stattfinde, wenn die Versorgung praktisch schon erfolgt ist und nur noch die Abrechnung stattfindet. Das LSG hat dabei alle anderen Regelungen der RV unberücksichtigt gelassen und sich insbesondere nicht mit deren § 5 auseinandergesetzt. Nach Abs 1 aaO dürfen Leistungen nach diesem Vertrag nur aufgrund einer ohrenärztlichen Verordnung nach Maßgabe des Vordruckmusters 15 gemäß § 28 BMV-Ä(Anlage 3) erbracht werden. Die Verordnung verliert ihre Gültigkeit, wenn sie nicht innerhalb von sechs Wochen nach ihrer Ausstellung vom Hörgeräte-Akustiker angenommen worden ist (Datum des Annahmestempels), es sei denn, dass die Krankenkasse der Leistungserbringung zustimmt. Nach Abs 2 hält der Hörgeräte-Akustiker ein dort näher umschriebenes aktuelles, ausreichendes Sortiment von qualitativ hochwertigen Hörgeräten … vor. Gemäß Abs 3 aaO sind Leistungen entsprechend dem allgemeinen Stand der hörakustischen Erkenntnisse zu erbringen. Die Hörgeräteversorgung ist auf der Grundlage des Vergleichs des Hörerfolgs mit verschiedenen Hörgeräten durchzuführen. Abs 4 aaO sieht vor, dass dem Versicherten im Rahmen der Anpassung mindestens zwei zuzahlungsfreie Versorgungsvorschläge mit Hörgeräten der Anlage 2, die dem aktuellen technischen Stand entsprechen, zu unterbreiten sind. Wählt der Versicherte eine andere Hörhilfe, kann der Hörgeräte-Akustiker dieses Gerät einschließlich Zubehör abgeben und dem Versicherten eine Zuzahlung in Rechnung stellen. In solchen Fällen hat der Versicherte auf der Rückseite der ärztlichen Verordnung folgende Erklärung abzugeben und zu unterschreiben: "Ich bin über das Angebot einer zuzahlungsfreien Versorgung informiert worden. Mit einer Zuzahlung für das (die) von mir ausgewählten Hörgeräte bin ich einverstanden." Die Hörgeräte, mit denen der Versicherte versorgt wird, sind in der Verordnung mit der genauen Herstellerbezeichnung anzugeben. Die Anpassung gilt als abgeschlossen, wenn der verordnende Vertragsarzt auf Vordruckmuster 15 bestätigt hat, dass durch die vorgeschlagene Hörhilfe eine ausreichende Verbesserung der Hörfähigkeit erzielt wird und die Hörhilfe zweckmäßig ist. Der Hörgeräte-Akustiker verpflichtet sich, bei der Versorgung, die jeweils gültigen Heilmittel- und Hilfsmittel-Richtlinien zu beachten (Abs 5). Er stellt sicher, dass die Leistungen nach diesem Vertrag nur von Fachpersonal (Meister, Gesellen) im Hörgeräte-Akustiker-Handwerk erbracht werden (Abs 6). Der Versicherte hat den Empfang der Leistung unter Abgabe des Datums durch Unterschrift auf der Rückseite des Verordnungsvordrucks (Anlage 3) bzw der Empfangsbescheinigung zu bestätigen (Abs 7). Der Hörgeräte-Akustiker dokumentiert die Anpassunterlagen prüffähig und bewahrt sie vier Jahre auf. Auf Verlangen der Krankenkasse stellt er die Anpassunterlagen in den erforderlichen Einzelfällen, zB für den Medizinischen Dienst, kostenfrei zur Verfügung. Nachfolgend enthält § 6 Regelungen zu Nachbetreuung und Garantie sowie § 7 Regelungen zu Vergütung der Leistungen.

39

In der Zusammenschau ergeben die Regelungen der RV damit kein anderes Rechtskonstrukt als dasjenige, das der Entscheidung des 3. Senats vom 24.1.2013 zugrunde liegt. Der gesamte Vorgang der Leistungserbringung von der Vorlage der ärztlichen Verordnung über die Anpassung und Auswahl der Hörgeräte bis zur Abrechnung mit dem Versicherten und seiner Kasse ist mit der Folge externalisiert, dass grundsätzlich jeder Kontakt des Versicherten mit seiner Kasse und damit der Aufwand eines Verwaltungsverfahrens vermieden wird. Dass eine Befassung der Kasse erst nach durchgeführter Versorgung erfolgt, ist notwendige tatsächliche Konsequenz einer derartigen evident an Gesichtspunkten einer betriebsorganisatorischen Optimierung und Zielen des "lean management" orientierten Handhabung nach dem Vorbild Privater, vermag allerdings rechtlich nicht das hieraus vom LSG abgeleitete Ergebnis zu begründen. Als Träger öffentlicher Verwaltung (§ 29 Abs 1 SGB IV, § 4 Abs 1 SGB IV) ist die Beigeladene nicht ermächtigt, sich ihrer verfassungsmäßigen Rechts- und Gesetzesbindung (Art 20 Abs 3 GG) zu entledigen und kann sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts insbesondere nicht durch eine faktische Privatisierung selbst von der Erledigung der ihr übertragenen Verwaltungsaufgaben entbinden. Vielmehr müssen sich Träger wie die Beigeladene in Abhängigkeit von der entsprechenden Willensbetätigung durch den Versicherten grundsätzlich bereits mit der Vorlage einer vertragsärztlichen Verordnung bei ihrem Vertragspartner so behandeln lassen, als wäre unmittelbar bei ihnen ein Leistungsantrag gestellt worden. Sie sähen sich andernfalls nicht nur zur Abbedingung zwingenden öffentlichen Rechts im eigenen Interesse ermächtigt, sondern müssten obendrein als befugt betrachtet werden, ihre systemübergreifenden rehabilitationsrechtlichen Aufgaben generell endgültig auf andere Träger abzuwälzen.

40

Aus den Nachfolgeregelungen in der ab 1.2.2005 geltenden Vereinbarung über die Versorgung von Versicherten ua der Betriebskrankenkassen in Rheinland-Pfalz (Versorgungsvereinbarung - VersV) ergibt sich ungeachtet ihrer vorliegend ohnehin fehlenden zeitlichen Anwendbarkeit strukturell nichts anderes. Versicherte, die gemäß § 19 S 1 SGB IV einen Antrag auf Versorgung mit Hörgeräten an ihre Kasse und damit zugleich einen Antrag auch auf Leistungen zur Teilhabe iS von §§ 1, 4 und 5 SGB IX stellen wollen, müssen damit ggf auch hiernach von Anfang an - ab dem Erstkontakt mit dem Leistungserbringer - so behandelt werden, als hätten sie diesen Antrag bei dem für sie zuständigen Träger der GKV gestellt. Der Umstand, dass die Kassen in Fällen der Folgeversorgung gegenüber den Hörgeräteakustikern "auf die Vorlage einer neuen vertragsärztlichen Verordnung" verzichten, mag zwar für den Normalfall die Schlussfolgerung des LSG rechtfertigen, dass es dann regelmäßig auch nicht mehr zur Übergabe einer Verordnung an den Hörgeräteakustiker kommt und insoweit auch die Möglichkeit entfällt, dass in der Übergabe gleichzeitig ein schlüssig erklärter Antrag an die Kasse liegen könnte. Indessen ist auch dann der VersV ein Verbot der ärztlichen (Folge-)Verordnung nicht zu entnehmen und bleibt vielmehr - wie sich aus § 73 Abs 2 Nr 7 SGB V ohne Weiteres ergibt - eine ärztliche Verordnung von Hörgeräten jederzeit möglich. Folglich kann der gerade formfrei mögliche Antrag nach § 19 S 1 SGB IV auch unter Geltung der VersV - jedenfalls im Einzelfall - noch ohne Weiteres darin liegen, dass eine ärztliche Anordnung - wie vorliegend - an den Hörgeräteakustiker übergeben wird. Soweit das BSG jedenfalls vor Inkrafttreten von § 33 Abs 5a SGB V die Auffassung vertreten hat, dass eine fehlende ärztliche Verordnung den Leistungsanspruch nicht ausschließt, weil sich der Arztvorbehalt des § 15 Abs 1 S 2 SGB V nicht auf den Hilfsmittelbereich erstreckt(vgl exemplarisch BSG vom 10.3.2010 in SozR 4-2500 § 33 Nr 29), ergibt sich auch hieraus nichts anderes. Demgegenüber würde die Rechtsauffassung des LSG zu dem sinnwidrigen Ergebnis führen, dass im Verhältnis des Hörgeräteakustikers zur Krankenkasse die Anwendbarkeit der VersV erst mit dessen Anzeige nach § 5 Abs 2 ebenda geklärt wäre und damit für notwendig vorher zu erbringende Leistungen wie die Ermittlung der (akustischen) Kenndaten des Gehörs(§ 4 VersV und Anlage 4 hierzu) sowie die Durchführung der Anpassung (§ 3 Abs 8 S 1, § 5 Abs 3 VersV) erst im Nachhinein rückwirkend feststünde, dass sie von Anfang an nach zwingenden Regelungen der VersV (§ 3 aaO) zu erbringen sind. Für das Verhältnis des Versicherten zu seiner Kasse ergäbe sich hieraus zudem, dass die ggf zum Leistungsprogramm der Kasse gehörenden Leistungen "Ermittlung der (akustischen) Kenndaten des Gehörs" und "Durchführung der Anpassung" zu deren Lasten vor jeder möglichen Antragstellung zu erbringen sind und bis zur rückwirkenden Klärung durch die Versorgungsanzeige des Hörgeräteakustikers ohne Bezug zu einem krankenversicherungsrechtlichen Anspruch/Verwaltungsverfahren bleiben, obwohl gerade hierin ihre Funktion liegt.

41

Der Senat ist nicht deshalb gehindert, die genannten Bestimmungen in den Verträgen der Beigeladenen mit den Leistungserbringern selbst auszulegen, weil das LSG deren Inhalt nicht - vollständig - ermittelt hat. Das würde selbst dann gelten, wenn es sich insoweit um nicht revisibles Recht iS des § 162 SGG handelte. Die Vorschrift des § 162 Abs 2 SGG steht der Anwendung einer nicht revisiblen Rechtsnorm durch das Revisionsgericht dann nicht entgegen, wenn das Berufungsgericht diese Rechtsnorm - wie hier - unberücksichtigt gelassen hat(BSG Urteil vom 10.4.2008 - B 3 KR 8/07 R - SozR 4-2500 § 127 Nr 2 mwN).

42

f) Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass Versicherte, die mit einem Leistungserbringer gerade als Vertragspartner ihrer Krankenkasse in Kontakt treten, damit grundsätzlich gleichzeitig den Antrag nach § 19 S 1 SGB IV stellen, den anders anzubringen ihnen durch das Verhalten ihrer Kasse faktisch gerade verwehrt ist. Aus der Sicht des Versicherten besteht ein der Krankenkasse zurechenbarer Rechtsschein der Empfangszuständigkeit des Hörgeräteakustikers für Leistungsanträge im Sinne einer geduldeten passiven Stellvertretung. Wer den Rechtsschein einer Vollmacht setzt, wird daran festgehalten, wenn ein Dritter darauf berechtigterweise vertraut hat (vgl grundlegend BGHZ 5, 111, 116 und BGH NJW 1962, 1003). Für die aktive Stellvertretung ist dabei erforderlich, dass 1. ein zum Handeln in fremdem Namen nicht Befugter als Vertreter aufgetreten ist, 2. der Geschäftsgegner davon ausgehen konnte und darauf vertraut hat, dass der als Vertreter Handelnde Vollmacht habe, und 3. der Geschäftsherr das Verhalten des unbefugten Vertreters kannte und nicht dagegen eingeschritten ist, obwohl ihm das möglich gewesen wäre. Im vorliegenden Zusammenhang beschränkt sich der Rechtsschein auf die Empfangszuständigkeit des Hörgeräteakustikers für rehabilitationsrechtliche Leistungsanträge. Für die passive Stellvertretung ergibt sich der Vertretungswille bereits aus den äußeren Umständen und bedarf daher nicht wie bei der aktiven Vertretung einer Kenntlichmachung des Vertreterwillens (Schramm in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl 2012, § 164 RdNr 133). Da die Krankenkasse im von ihr initiierten Versorgungsablauf praktisch das gesamte der ärztlichen Verordnung folgende Antrags-, Bedarfsfeststellungs-, Versorgungs- und Abrechnungsverfahren den Hörgeräteakustikern überantwortet hat, begründet sie bei ihren Versicherten ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass es sich beim Hörgeräteakustiker insoweit um eine zur Antragsentgegennahme zuständige Stelle handelt. In der Folge des selbst gesetzten Rechtsscheins muss sich die Krankenkasse behandeln lassen, als handele es sich bei dem von ihr mit den eigenen Verfahrenspflichten belasteten Leistungserbringer um eine zur Antragsentgegennahme zuständige Stelle iS des § 16 Abs 2 SGB I(vgl BSG Urteil vom 28.10.1981 - 3 RK 59/80 - BSGE 52, 254 = SozR 2200 § 216 Nr 5 zum Vertrauen auf Unterrichtung der Krankenkasse nach einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch den Kassenarzt; BSG Urteil vom 8.10.1998 - B 8 KN 1/97 U R - BSGE 83, 30 = SozR 3-5670 § 5 Nr 1 zum Vertrauen auf die Pflichterfüllung des Arztes, dem Träger der Unfallversicherung den Verdacht einer Berufskrankheit anzuzeigen; BSG Urteil vom 23.4.2009 - B 9 VJ 1/08 R - SozR 4-3851 § 60 Nr 3 RdNr 19 mwN zum Entschädigungsanspruch im Impfschadensrecht kraft Rechtsscheins einer öffentlichen Impfempfehlung).

43

Hierdurch ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts allerdings nicht etwa ausgeschlossen, dass ausnahmsweise Hörgeräteakustiker von Versicherten, denen ein freies Wahlrecht hinsichtlich des in Anspruch genommenen Rehabilitationsträgers zusteht, allein in dieser Funktion - und nicht gleichzeitig als Repräsentant des Krankenversicherungsträgers - aufgesucht werden und damit Raum für eine (Erst-)Antragstellung insbesondere bei einem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung bleibt. Entscheidend ist dann, welcher rechtlich objektivierte Wille sich aus der Gesamtheit der in diesem Sinne rechtlich relevanten Zeichen erschließen lässt. Soweit das LSG auf der Grundlage von deren persönlicher Einvernahme einen subjektiven (inneren) Willen der Klägerin festgestellt hat, durch die Übergabe der Hörgeräteverordnung an die Firma R. nicht "konkret" (S 20 des Berufungsurteils, Juris RdNr 38) die Beigeladene in Anspruch zu nehmen, ist dies rechtlich unerheblich. Wie dargelegt, kommt es vorliegend auf den nach außen positiv bekundeten Willen zur Antragstellung an, der auch schlüssig verlautbart werden kann. Soweit das Berufungsgericht die Übergabe der Hörgeräteversorgung als (Einzel-)Tatsache festgestellt hat, hat es auch diesen Umstand allein im Licht seiner unzutreffenden Rechtsauffassung gewürdigt und im Übrigen von einer Gesamtwürdigung im Kontext der rechtlich notwendig festzustellenden Gesamtheit möglicher weiterer rechtlich einschlägiger Zeichenträger abgesehen. So hat es insbesondere nicht ermittelt, welchen genauen Inhalt die vorliegend dem Hörgeräteakustiker vorgelegte ärztliche Hörhilfen-Verordnung "auf einem entsprechenden Vordruck" hatte. Soweit sich aus der nachzuholenden Sachverhaltsaufklärung ergibt, dass der Arzt der Klägerin als Vertragsarzt gehandelt und eine Verordnung zu Lasten der GKV vorgenommen hatte, könnte hierin ein Beweiszeichen für einen Willen zur Antragstellung bei der Beigeladenen zu sehen sein. Unberücksichtigt ist bisher darüber hinaus geblieben, dass der von der Firma R. erstellte Kostenvoranschlag nach den ausdrücklichen Feststellungen im angefochtenen Urteil (Seite 3) von Anfang an einen "Festbetrag der gesetzlichen Krankenversicherung in Höhe von 992,41 €" vorsah. Hiermit ist die Annahme des LSG, die Klägerin habe einen Antragswillen erstmals am 11.11.2004 gegenüber der Beklagten betätigt und von einer Antragstellung bei der Beigeladenen gerade absehen wollen - jedenfalls nach dem derzeitigen Stand der Erkenntnisse - nicht ohne Weiteres vereinbar. Erst unter Einbeziehung dieser Umstände ist schließlich auch eine abschließende Beurteilung des objektiven Bedeutungsgehalts von Erklärungen der Klägerin unter Berücksichtigung der für die Beigeladene verbindlichen Vereinbarungen mit Leistungserbringern möglich.

44

5. Kann im Anschluss an eine nunmehr ordnungsgemäße Erhebung und Würdigung aller für die Feststellung der Erstantragstellung durch die Klägerin erheblichen Umstände abschließend beantwortet werden, welcher der beiden vorliegend in Betracht kommenden Träger der erstangegangene ist, steht damit gleichzeitig fest, dass - bei Erfüllung der weiteren Anspruchsvoraussetzungen - allein dieser als Adressat des streitigen Erstattungsanspruchs in Betracht kommt. Hierzu muss ua die anspruchsauslösende Selbstbeschaffung des notwendigen Hilfsmittels auf der vorangegangen Leistungsablehnung beruhen.

45

Dies kommt jedenfalls im Falle der Zuständigkeit der Beklagten bereits aufgrund des derzeit festgestellten Sachverhalts in Betracht. Diese hatte mit dem angegriffenen Bescheid vom 29.11.2004 und dem Widerspruchsbescheid vom 1.3.2005 einen Naturalleistungsanspruch der Klägerin abgelehnt und hierdurch Anlass zur Selbstbeschaffung gegeben. Der Senat ist diesbezüglich an die tatsächlichen Feststellungen des LSG gebunden, wonach die Klägerin sich jedenfalls vor Erlass des Bescheides vom 29.11.2004 nicht auf ein bestimmtes Gerät einer bestimmten Marke festgelegt hatte. Auch der eingereichte Kostenvoranschlag vom 9.11.2004 wurde demnach im Laufe der Anpassungsphase erstellt, in welcher die Klägerin mehrere Vorschläge des Hörgeräteakustikers getestet und sich dabei nicht bereits auf ein bestimmtes Gerät festgelegt hatte. Es gilt im Übrigen auch hier, dass ein Hilfsmittel nicht schon mit seiner Auswahl "selbst beschafft" ist. Die Auswahl ist dem Hilfsmittelbewilligungsverfahren notwendig vorgeschaltet und scheidet deshalb als Anknüpfungspunkt für den Zeitpunkt der Hilfsmittelbeschaffung aus. Maßgeblich ist vielmehr erst ein unbedingtes Verpflichtungsgeschäft im Verhältnis zwischen Versichertem und Leistungserbringer (BSG Urteile vom 24.1.2013 - B 3 KR 5/12 R - BSGE 113, 40 = SozR 4-3250 § 14 Nr 19, jeweils RdNr 44 und vom 3.8.2006 - B 3 KR 24/05 R - SozR 4-2500 § 13 Nr 10 RdNr 22). Hinsichtlich der Beigeladenen fehlt es bisher gleichermaßen an einer positiven oder negativen Feststellung darüber, ob und ggf wann diese der Klägerin gegenüber einen - dann ggf von deren Klagebegehren (§ 123 SGG) mitumfassten - Verwaltungsakt erlassen hat und in welchem zeitlichen Verhältnis hierzu der bisher nicht positiv festgestellte endgültige rechtliche Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts steht. Die festgestellte Erstellung einer Rechnung durch die Firma R. ermöglicht insofern allenfalls mittelbar Rückschlüsse, die das Berufungsgericht bisher indessen ebenfalls nicht gezogen hat.

46

6. Der hiernach als allein leistungspflichtig in Betracht kommende Träger hatte den bei ihm gestellten und nicht fristgerecht weitergeleiteten Antrag umfassend, dh an Hand aller Rechtsgrundlagen zu prüfen, die überhaupt in der konkreten Bedarfssituation für Rehabilitationsträger vorgesehen sind, ohne dass insbesondere eine "künstliche" Aufspaltung in separate Teil-Leistungsanträge für die verschiedenen in Betracht kommenden Teilhabeleistungen in Betracht kommen könnte. Da sich die in § 14 Abs 1 und 2 SGB IX geregelte Zuständigkeit stets auf alle Rechtsgrundlagen erstreckt, die überhaupt in dieser Bedarfssituation für behinderte Menschen vorgesehen sind, und ihm nur ein einziger Anspruchsgegner gegenübersteht, kann es insofern auf ein Rangverhältnis von Ansprüchen aus verschiedenen betroffenen Rechtsgebieten nicht ankommen.

47

Damit stellt sich jeweils zunächst die Frage, ob der krankenversicherungsrechtliche Primäranspruch der Klägerin auf den Festbetrag begrenzt werden durfte (§ 12 Abs 2 SGB V) oder die Klägerin einen - durch das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs 1 SGB V begrenzten - Naturalleistungsanspruch aus Ausstattung mit den streitigen Hörgeräten(§ 33 SGB V) hatte. Letzteres könnte nach der Rechtsprechung des 3. Senats des BSG in Betracht kommen, weil es bei der Hörgeräteversorgung um die Frage des sog unmittelbaren Behinderungsausgleichs geht, die von dem Ziel des vollständigen funktionellen Ausgleichs geleitet werden muss (BSG Urteil vom 17.12.2009 - BSGE 105, 170 = SozR 4-2500 § 36 Nr 2, jeweils RdNr 18). Insofern würde das Maß der notwendigen Versorgung verkannt, wenn eine Krankenkasse ihren Versicherten Hörgeräte ungeachtet hörgerätetechnischer Verbesserungen nur "zur Verständigung im Einzelgespräch unter direkter Ansprache" zur Verfügung stellen müsste. Teil des von den Krankenkassen nach § 33 Abs 1 S 1 SGB V geschuldeten - möglichst vollständigen - Behinderungsausgleichs ist es vielmehr, hörbehinderten Menschen im Rahmen des Möglichen auch das Hören und Verstehen in großen Räumen und bei störenden Nebengeräuschen zu eröffnen und ihnen die dazu nach dem Stand der Hörgerätetechnik(§ 3 Abs 1 S 3 SGB V) jeweils erforderlichen Geräte zur Verfügung zu stellen, was je nach Notwendigkeit auch die Versorgung mit digitalen Hörgeräten einschließt (BSGE 113, 40 = SozR 4-3250 § 14 Nr 19, RdNr 31). Auch in Fällen des mittelbaren Behinderungsausgleichs ist ein Hilfsmittel im Übrigen nach dem Recht der GKV zu gewähren, wenn damit die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder gemildert werden könnten und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens - wie das Hören - betroffen wäre (BSGE 113, 40 = SozR 4-3250 § 14 Nr 19 RdNr 32). Dagegen stößt der krankenversicherungsrechtliche Anspruch an seine Grenze, wo es um ausschließlich berufliche und arbeitsplatzspezifische Gebrauchsvorteile geht.

48

Ein Primäranspruch auf Hilfsmittelversorgung mit der besonderen Zielsetzung des Ausgleichs behinderungsbedingter Nachteile gerade am Arbeitsplatz könnte der Klägerin indessen erforderlichenfalls nach dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung zugestanden haben. Die gesetzliche Rentenversicherung erbringt bei Vorliegen der persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (§ 9 Abs 2 SGB VI) Leistungen zur Rehabilitation, um den Auswirkungen ua einer Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit des Versicherten entgegenzuwirken oder sie zu überwinden (Abs 1 S 1 Nr 1 aaO) und dadurch Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit der Versicherten oder ihr vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu verhindern oder sie möglichst dauerhaft in das Erwerbsleben wieder einzugliedern (Abs 1 S 1 Nr 2 aaO). Soweit die Revision eine Verletzung des § 33 Abs 8 S 1 Nr 4 SGB IX rügt, übersieht sie, dass das LSG diese Vorschrift richtigerweise nicht zur Anwendung gebracht hat. § 33 Abs 8 S 1 Nr 4 SGB IX bestimmt, dass Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auch Hilfsmittel umfassen, "es sei denn, dass... solche Leistungen als medizinische Leistung erbracht werden können". Da dies gemäß § 15 Abs 1 S 1 SGB VI, § 26 Abs 2 Nr 6 SGB IX für Hilfsmittel der Fall ist, scheidet eine Qualifizierung der Hörgeräte als Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben iS des § 33 Abs 1, Abs 3 Nr 1 und 6, Abs 8 S 1 Nr 4 SGB IX iVm §§ 9, 10, 11, 16 SGB VI von vornherein aus(vgl BSG Urteil vom 21.8.2008 - B 13 R 33/07 R - BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7).

49

Allerdings fehlt es derzeit jedenfalls an einer nachvollziehbaren Grundlage für die Annahme des LSG, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 11 SGB VI seien vorliegend erfüllt. Diese sind nach dem Wortlaut der Norm positiv festzustellen, sodass ein bloßer Mangel an Anhaltspunkten für ihr Fehlen grundsätzlich nicht ausreicht. Auch kann die im Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit allein dem Gericht obliegende Feststellung tatsächlicher und rechtlicher Umstände nicht durch die Feststellung ersetzt werden, dass insofern zwischen den Beteiligten kein Streit herrscht.

50

Schließlich genügen die Feststellungen des Berufungsgerichts nicht, um auf ihrer Grundlage eine Zuordnung des Sachverhalts zum Risikobereich eines der beteiligten Träger vorzunehmen. Das LSG hat ausgeführt, die Klägerin könne nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. S. ausschließlich mit Hörgeräten in digitaler Mehrkanaltechnik und unter Verwendung spezieller Spracherkennungsprogramme sowie einem Störgeräuschunterdrückungsprogramm versorgt werden, da sie am Arbeitsplatz auf die bestmögliche Kommunikation angewiesen sei, sodass auch eine geringe Abweichung gegenüber einem schlechteren Festbetragsgerät nicht hinzunehmen sei. Hieraus ist jedoch nicht erkennbar, ob Anforderungen, wie sie am Arbeitsplatz der Klägerin gestellt werden, nicht auch im Rahmen des unmittelbaren Behinderungsausgleichs zugrunde zu legen sind, in dessen Rahmen die Träger der GKV - wie dargelegt - auch Hörgeräte zur Verfügung zu stellen haben, die nicht nur die "Verständigung im Einzelgespräch unter direkter Ansprache" ermöglichen, sondern hörbehinderten Menschen im Rahmen des Möglichen auch das Hören und Verstehen in großen Räumen und bei störenden Nebengeräuschen eröffnen. Den Ausführungen des Sachverständige Dr. S. liegt dabei offenbar ein Verständnis von "Alltag" zugrunde, das mit dem insofern vorliegend rechtlich maßgeblichen Wahrnehmungsbereich nicht identisch ist.

51

Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des LSG vorbehalten.

Urteilsbesprechung zu Bundessozialgericht Urteil, 30. Okt. 2014 - B 5 R 8/14 R

Urteilsbesprechungen zu Bundessozialgericht Urteil, 30. Okt. 2014 - B 5 R 8/14 R

Referenzen - Gesetze

Bundessozialgericht Urteil, 30. Okt. 2014 - B 5 R 8/14 R zitiert 55 §§.

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Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 157 Auslegung von Verträgen


Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 163


Das Bundessozialgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 202


Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfa

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 103


Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 13 Kostenerstattung


(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht. (2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 170


(1) Ist die Revision unbegründet, so weist das Bundessozialgericht die Revision zurück. Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Gesetzesverletzung, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision eb

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 2 Leistungen


(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. B

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 128


(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. (2) Das Urteil darf nur auf Tatsache

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 27 Krankenbehandlung


(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt 1. Ärztliche Behandlung einsc

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 14 Leistender Rehabilitationsträger


(1) Werden Leistungen zur Teilhabe beantragt, stellt der Rehabilitationsträger innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist; bei den Krankenkassen um

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 12 Wirtschaftlichkeitsgebot


(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungs

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 33 Hilfsmittel


(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen od

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Vor jeder Entscheidung ist den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren; die Anhörung kann schriftlich oder elektronisch geschehen.

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Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 70 Qualität, Humanität und Wirtschaftlichkeit


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(1) Die Träger der Rentenversicherung erbringen Leistungen zur Prävention, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, Leistungen zur Nachsorge sowie ergänzende Leistungen, um 1. den Auswirkungen einer Krankh

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 15 Ärztliche Behandlung, elektronische Gesundheitskarte


(1) Ärztliche oder zahnärztliche Behandlung wird von Ärzten oder Zahnärzten erbracht, soweit nicht in Modellvorhaben nach § 63 Abs. 3c etwas anderes bestimmt ist. Sind Hilfeleistungen anderer Personen erforderlich, dürfen sie nur erbracht werden, wen

Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) - SGB 1 | § 16 Antragstellung


(1) Anträge auf Sozialleistungen sind beim zuständigen Leistungsträger zu stellen. Sie werden auch von allen anderen Leistungsträgern, von allen Gemeinden und bei Personen, die sich im Ausland aufhalten, auch von den amtlichen Vertretungen der Bundes

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 5 Leistungsgruppen


Zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden erbracht: 1. Leistungen zur medizinischen Rehabilitation,2. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben,3. unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen,4. Leistungen zur Teilhabe an Bildung und5. L

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 10 Persönliche Voraussetzungen


(1) Für Leistungen zur Teilhabe haben Versicherte die persönlichen Voraussetzungen erfüllt, 1. deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist und2. bei denen vora

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 19 Erlöschen des Leistungsanspruchs


(1) Der Anspruch auf Leistungen erlischt mit dem Ende der Mitgliedschaft, soweit in diesem Gesetzbuch nichts Abweichendes bestimmt ist. (1a) Endet die Mitgliedschaft durch die Schließung oder Insolvenz einer Krankenkasse, gelten die von dieser Krank

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 4 Leistungen zur Teilhabe


(1) Die Leistungen zur Teilhabe umfassen die notwendigen Sozialleistungen, um unabhängig von der Ursache der Behinderung 1. die Behinderung abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern,2. Einschr

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 11 Versicherungsrechtliche Voraussetzungen


(1) Für Leistungen zur Teilhabe haben Versicherte die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt, die bei Antragstellung1.die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt haben oder2.eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit beziehen. (2) Für die L

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 15 Leistungen zur medizinischen Rehabilitation


(1) Die Träger der Rentenversicherung erbringen im Rahmen von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation Leistungen nach den §§ 42 bis 47a des Neunten Buches, ausgenommen Leistungen nach § 42 Abs. 2 Nr. 2 und § 46 des Neunten Buches. Zahnärztliche B

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 31 Leistungsort


Sach- und Dienstleistungen können auch im Ausland erbracht werden, wenn sie dort bei zumindest gleicher Qualität und Wirksamkeit wirtschaftlicher ausgeführt werden können. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben können im grenznahen Ausland auch ausg

Sozialgesetzbuch (SGB) Viertes Buch (IV) - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (Artikel I des Gesetzes vom 23. Dezember 1976, BGBl. I S. 3845) - SGB 4 | § 29 Rechtsstellung


(1) Die Träger der Sozialversicherung (Versicherungsträger) sind rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung. (2) Die Selbstverwaltung wird, soweit § 44 nichts Abweichendes bestimmt, durch die Versicherten und die Arb

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 3 Solidarische Finanzierung


Die Leistungen und sonstigen Ausgaben der Krankenkassen werden durch Beiträge finanziert. Dazu entrichten die Mitglieder und die Arbeitgeber Beiträge, die sich in der Regel nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder richten. Für versichert

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 1 Selbstbestimmung und Teilhabe am Leben in der Gesellschaft


Menschen mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohte Menschen erhalten Leistungen nach diesem Buch und den für die Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen, um ihre Selbstbestimmung und ihre volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 302 Abrechnung der sonstigen Leistungserbringer


(1) Die Leistungserbringer im Bereich der Heil- und Hilfsmittel sowie der digitalen Gesundheitsanwendungen und die weiteren Leistungserbringer sind verpflichtet, den Krankenkassen im Wege elektronischer Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf

Referenzen - Urteile

Bundessozialgericht Urteil, 30. Okt. 2014 - B 5 R 8/14 R zitiert oder wird zitiert von 17 Urteil(en).

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Bundessozialgericht Urteil, 02. Apr. 2014 - B 4 AS 29/13 R

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Tenor Die Revisionen der Kläger gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 10. April 2013 werden zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 24. Jan. 2013 - B 3 KR 5/12 R

bei uns veröffentlicht am 24.01.2013

Tenor Die Revision der Beigeladenen gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 25. November 2010 wird zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 29. Aug. 2012 - B 10 EG 20/11 R

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Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 24. Juni 2011 aufgehoben. D

Bundessozialgericht Beschluss, 02. Nov. 2011 - B 12 KR 34/11 B

bei uns veröffentlicht am 02.11.2011

Tenor Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 29. Oktober 2010 wird als unzulässig verworfen.

Bundessozialgericht Urteil, 11. Mai 2011 - B 5 R 54/10 R

bei uns veröffentlicht am 11.05.2011

Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 5. Januar 2010 aufgehoben.

Bundessozialgericht Urteil, 06. Mai 2010 - B 14 AS 3/09 R

bei uns veröffentlicht am 06.05.2010

Tatbestand 1 Die Kläger begehren höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für den Zeitraum vom 29.3. bis 30.1
11 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundessozialgericht Urteil, 30. Okt. 2014 - B 5 R 8/14 R.

Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 28. Sept. 2016 - L 19 R 185/15

bei uns veröffentlicht am 28.09.2016

Tenor I. Auf die Berufung des Klägers hin werden das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 11.02.2015 sowie der Bescheid der Beklagten vom 11.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.03.2014 aufgehoben. II. Die B

Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 24. Okt. 2018 - L 7 R 215/15

bei uns veröffentlicht am 24.10.2018

Tenor 1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 11. September 2015 geändert. Die Beigeladene wird verurteilt, der Klägerin 2.510,00 € für die Anschaffung von zwei Hörgeräten KINDspectra HS im Jahre 200

Bundessozialgericht Urteil, 19. Juni 2018 - B 2 U 1/17 R

bei uns veröffentlicht am 19.06.2018

Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 8. Dezember 2016 wird zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 22. März 2018 - B 5 RE 1/17 R

bei uns veröffentlicht am 22.03.2018

Tenor Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 11. Januar 2017 aufgehoben.

Referenzen

(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt

1.
Ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung,
2.
zahnärztliche Behandlung,
2a.
Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen,
3.
Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln sowie mit digitalen Gesundheitsanwendungen,
4.
häusliche Krankenpflege, außerklinische Intensivpflege und Haushaltshilfe,
5.
Krankenhausbehandlung,
6.
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen.
Zur Krankenbehandlung gehört auch die palliative Versorgung der Versicherten. Bei der Krankenbehandlung ist den besonderen Bedürfnissen psychisch Kranker Rechnung zu tragen, insbesondere bei der Versorgung mit Heilmitteln und bei der medizinischen Rehabilitation. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur Herstellung der Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit, wenn diese Fähigkeit nicht vorhanden war oder durch Krankheit oder wegen einer durch Krankheit erforderlichen Sterilisation verlorengegangen war. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur vertraulichen Spurensicherung am Körper, einschließlich der erforderlichen Dokumentation sowie Laboruntersuchungen und einer ordnungsgemäßen Aufbewahrung der sichergestellten Befunde, bei Hinweisen auf drittverursachte Gesundheitsschäden, die Folge einer Misshandlung, eines sexuellen Missbrauchs, eines sexuellen Übergriffs, einer sexuellen Nötigung oder einer Vergewaltigung sein können.

(1a) Spender von Organen oder Geweben oder von Blut zur Separation von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen (Spender) haben bei einer nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes erfolgenden Spende von Organen oder Geweben oder im Zusammenhang mit einer im Sinne von § 9 des Transfusionsgesetzes erfolgenden Spende zum Zwecke der Übertragung auf Versicherte (Entnahme bei lebenden Spendern) Anspruch auf Leistungen der Krankenbehandlung. Dazu gehören die ambulante und stationäre Behandlung der Spender, die medizinisch erforderliche Vor- und Nachbetreuung, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie die Erstattung des Ausfalls von Arbeitseinkünften als Krankengeld nach § 44a und erforderlicher Fahrkosten; dies gilt auch für Leistungen, die über die Leistungen nach dem Dritten Kapitel dieses Gesetzes, auf die ein Anspruch besteht, hinausgehen, soweit sie vom Versicherungsschutz des Spenders umfasst sind. Zuzahlungen sind von den Spendern nicht zu leisten. Zuständig für Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 ist die Krankenkasse der Empfänger von Organen, Geweben oder Blutstammzellen sowie anderen Blutbestandteilen (Empfänger). Im Zusammenhang mit der Spende von Knochenmark nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes, von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen nach § 9 des Transfusionsgesetzes können die Erstattung der erforderlichen Fahrkosten des Spenders und die Erstattung der Entgeltfortzahlung an den Arbeitgeber nach § 3a Absatz 2 Satz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes einschließlich der Befugnis zum Erlass der hierzu erforderlichen Verwaltungsakte auf Dritte übertragen werden. Das Nähere kann der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit den für die nationale und internationale Suche nach nichtverwandten Spendern von Blutstammzellen aus Knochenmark oder peripherem Blut maßgeblichen Organisationen vereinbaren. Für die Behandlung von Folgeerkrankungen der Spender ist die Krankenkasse der Spender zuständig, sofern der Leistungsanspruch nicht nach § 11 Absatz 5 ausgeschlossen ist. Ansprüche nach diesem Absatz haben auch nicht gesetzlich krankenversicherte Personen. Die Krankenkasse der Spender ist befugt, die für die Leistungserbringung nach den Sätzen 1 und 2 erforderlichen personenbezogenen Daten an die Krankenkasse oder das private Krankenversicherungsunternehmen der Empfänger zu übermitteln; dies gilt auch für personenbezogene Daten von nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Krankenversicherungspflichtigen. Die nach Satz 9 übermittelten Daten dürfen nur für die Erbringung von Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 verarbeitet werden. Die Datenverarbeitung nach den Sätzen 9 und 10 darf nur mit schriftlicher Einwilligung der Spender, der eine umfassende Information vorausgegangen ist, erfolgen.

(2) Versicherte, die sich nur vorübergehend im Inland aufhalten, Ausländer, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt wurde, sowie

1.
asylsuchende Ausländer, deren Asylverfahren noch nicht unanfechtbar abgeschlossen ist,
2.
Vertriebene im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 und 3 des Bundesvertriebenengesetzes sowie Spätaussiedler im Sinne des § 4 des Bundesvertriebenengesetzes, ihre Ehegatten, Lebenspartner und Abkömmlinge im Sinne des § 7 Abs. 2 des Bundesvertriebenengesetzes haben Anspruch auf Versorgung mit Zahnersatz, wenn sie unmittelbar vor Inanspruchnahme mindestens ein Jahr lang Mitglied einer Krankenkasse (§ 4) oder nach § 10 versichert waren oder wenn die Behandlung aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist.

(1) Stellt der leistende Rehabilitationsträger fest, dass der Antrag neben den nach seinem Leistungsgesetz zu erbringenden Leistungen weitere Leistungen zur Teilhabe umfasst, für die er nicht Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 sein kann, leitet er den Antrag insoweit unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu. Dieser entscheidet über die weiteren Leistungen nach den für ihn geltenden Leistungsgesetzen in eigener Zuständigkeit und unterrichtet hierüber den Antragsteller.

(2) Hält der leistende Rehabilitationsträger für die umfassende Feststellung des Rehabilitationsbedarfs nach § 14 Absatz 2 die Feststellungen weiterer Rehabilitationsträger für erforderlich und liegt kein Fall nach Absatz 1 vor, fordert er von diesen Rehabilitationsträgern die für den Teilhabeplan nach § 19 erforderlichen Feststellungen unverzüglich an und berät diese nach § 19 trägerübergreifend. Die Feststellungen binden den leistenden Rehabilitationsträger bei seiner Entscheidung über den Antrag, wenn sie innerhalb von zwei Wochen nach Anforderung oder im Fall der Begutachtung innerhalb von zwei Wochen nach Vorliegen des Gutachtens beim leistenden Rehabilitationsträger eingegangen sind. Anderenfalls stellt der leistende Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf nach allen in Betracht kommenden Leistungsgesetzen umfassend fest.

(3) Die Rehabilitationsträger bewilligen und erbringen die Leistungen nach den für sie jeweils geltenden Leistungsgesetzen im eigenen Namen, wenn im Teilhabeplan nach § 19 dokumentiert wurde, dass

1.
die erforderlichen Feststellungen nach allen in Betracht kommenden Leistungsgesetzen von den zuständigen Rehabilitationsträgern getroffen wurden,
2.
auf Grundlage des Teilhabeplans eine Leistungserbringung durch die nach den jeweiligen Leistungsgesetzen zuständigen Rehabilitationsträger sichergestellt ist und
3.
die Leistungsberechtigten einer nach Zuständigkeiten getrennten Leistungsbewilligung und Leistungserbringung nicht aus wichtigem Grund widersprechen.
Anderenfalls entscheidet der leistende Rehabilitationsträger über den Antrag in den Fällen nach Absatz 2 und erbringt die Leistungen im eigenen Namen.

(4) In den Fällen der Beteiligung von Rehabilitationsträgern nach den Absätzen 1 bis 3 ist abweichend von § 14 Absatz 2 innerhalb von sechs Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wird eine Teilhabeplankonferenz nach § 20 durchgeführt, ist innerhalb von zwei Monaten nach Antragseingang zu entscheiden. Die Antragsteller werden von dem leistenden Rehabilitationsträger über die Beteiligung von Rehabilitationsträgern sowie über die für die Entscheidung über den Antrag maßgeblichen Zuständigkeiten und Fristen unverzüglich unterrichtet.

(1) Werden Leistungen zur Teilhabe beantragt, stellt der Rehabilitationsträger innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist; bei den Krankenkassen umfasst die Prüfung auch die Leistungspflicht nach § 40 Absatz 4 des Fünften Buches. Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung insgesamt nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu und unterrichtet hierüber den Antragsteller. Muss für eine solche Feststellung die Ursache der Behinderung geklärt werden und ist diese Klärung in der Frist nach Satz 1 nicht möglich, soll der Antrag unverzüglich dem Rehabilitationsträger zugeleitet werden, der die Leistung ohne Rücksicht auf die Ursache der Behinderung erbringt. Wird der Antrag bei der Bundesagentur für Arbeit gestellt, werden bei der Prüfung nach den Sätzen 1 und 2 keine Feststellungen nach § 11 Absatz 2a Nummer 1 des Sechsten Buches und § 22 Absatz 2 des Dritten Buches getroffen.

(2) Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf anhand der Instrumente zur Bedarfsermittlung nach § 13 unverzüglich und umfassend fest und erbringt die Leistungen (leistender Rehabilitationsträger). Muss für diese Feststellung kein Gutachten eingeholt werden, entscheidet der leistende Rehabilitationsträger innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang. Ist für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs ein Gutachten erforderlich, wird die Entscheidung innerhalb von zwei Wochen nach Vorliegen des Gutachtens getroffen. Wird der Antrag weitergeleitet, gelten die Sätze 1 bis 3 für den Rehabilitationsträger, an den der Antrag weitergeleitet worden ist, entsprechend; die Frist beginnt mit dem Antragseingang bei diesem Rehabilitationsträger. In den Fällen der Anforderung einer gutachterlichen Stellungnahme bei der Bundesagentur für Arbeit nach § 54 gilt Satz 3 entsprechend.

(3) Ist der Rehabilitationsträger, an den der Antrag nach Absatz 1 Satz 2 weitergeleitet worden ist, nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung insgesamt nicht zuständig, kann er den Antrag im Einvernehmen mit dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger an diesen weiterleiten, damit von diesem als leistendem Rehabilitationsträger über den Antrag innerhalb der bereits nach Absatz 2 Satz 4 laufenden Fristen entschieden wird und unterrichtet hierüber den Antragsteller.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten sinngemäß, wenn der Rehabilitationsträger Leistungen von Amts wegen erbringt. Dabei tritt an die Stelle des Tages der Antragstellung der Tag der Kenntnis des voraussichtlichen Rehabilitationsbedarfs.

(5) Für die Weiterleitung des Antrages ist § 16 Absatz 2 Satz 1 des Ersten Buches nicht anzuwenden, wenn und soweit Leistungen zur Teilhabe bei einem Rehabilitationsträger beantragt werden.

Tenor

Die Revision der Beigeladenen gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 25. November 2010 wird zurückgewiesen.

Die Beigeladene trägt die Kosten der Klägerin im Revisionsverfahren. Die Beklagte trägt die durch die Rücknahme der Revision entstandenen Kosten. Im Übrigen sind im Revisionsverfahren keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Erstattung der den Festbetrag übersteigenden Kosten der Hörgeräteversorgung der Klägerin in Höhe von 1956,90 Euro, wobei die Beklagte - insoweit in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen - die Beigeladene und umgekehrt die Beigeladene die Beklagte als im Außenverhältnis zur Klägerin zuständig und passivlegitimiert ansieht.

2

Die 1965 geborene Klägerin ist bei dem beklagten Rentenversicherungsträger renten- und bei der beigeladenen Krankenkasse krankenversichert. Sie leidet an einer progredienten hochgradigen Innenohrschwerhörigkeit rechts, einer mittelgradigen Innenohrschwerhörigkeit links sowie an einem beidseitigen Tinnitus. Deshalb ist sie seit langer Zeit auf ein Hörgerät angewiesen. Sie ist Diplom-Pflegewirtin und seit Mai 2006 als Qualitätsmanagementbeauftragte bei einem Wohlfahrtsverband beschäftigt.

3

Der behandelnde Vertragsarzt verordnete der Klägerin am 9.6.2006 wegen der beidseitigen Schallempfindungsschwerhörigkeit eine Hörhilfe links, da die bisherige Hörhilfe "zu alt" sei. In der Folgezeit versorgte das Hörakustikstudio S., ein Vertragspartner der Beigeladenen iS von § 126 Abs 1 S 1 SGB V, die Klägerin mit dem Hörgerät Savia 211 (Dokumentation zur Hörgeräteanpassung vom 28.9.2006). Zuvor hatte der Leistungserbringer zu einem nicht genau feststellbaren Zeitpunkt vor dem 12.7.2006 der Beigeladenen die Versorgung der Klägerin angezeigt und hierzu das Formular nach Anlage 3 des "Vertrages zur Komplettversorgung mit Hörsystemen" verwendet. Ausweislich eines Ausdrucks der unter dem Namen der Klägerin gespeicherten elektronischen Daten dokumentierte die Beigeladene einen "Antrag vom 12.07.2006", unter dem Status Preisprüfung den Vermerk "Endgültig entschieden am 12.07.2006" und unter der Überschrift Leistungsfälle und Zusätze "Hilfsmittel - 12.07.2006 - 132003. Hörgerät li. Versorgungspauschale bewilligt". Am 23.10.2006 stellte der Leistungserbringer der Klägerin für das Hörgerät nebst Nature-Otoplastik und Reparatur-Pauschale "abzüglich der Krankenkassen-Anteile" 1956,90 Euro in Rechnung, die diese vollständig beglich. Dem Leistungserbringer überwies die Beigeladene im November 2006 einen Betrag von 655 Euro; damit waren unter Abzug der Zuzahlung der Klägerin von 10 Euro (§ 33 Abs 8 iVm § 61 SGB V) der Festbetrag für das Hörgerät von 421 Euro sowie die Kosten der Otoplastik (35 Euro) und die Reparatur-Pauschale (209 Euro) abgedeckt.

4

Im Hinblick auf die absehbare Entscheidung der Beigeladenen, nur den Festbetrag zu leisten, hatte die Klägerin am 25.7.2006 bei der Beklagten Leistungen zur Rehabilitation für Versicherte in Form einer Kostenübernahme für ein höherwertiges Hörgerät beantragt und zur Begründung ausgeführt, ohne die begehrte Versorgung könne sie die Fortbildung von Mitarbeitern, die Moderation von Qualitätszirkeln und die Leitung von Arbeitsgruppen und damit Schwerpunkte ihrer Tätigkeit als Qualitätsmanagementbeauftragte nicht mehr ausüben. Die Beklagte lehnte dies ab, weil Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nur dann in Form eines Hilfsmittels erbracht werden könnten, wenn dieses ausschließlich zur Ausübung eines bestimmten Berufes oder zur Teilnahme an einer bestimmten beruflich vorbereitenden Maßnahme benötigt werde. Dies sei nach ärztlicher Prüfung bei der Klägerin nicht der Fall; die gewählte höherwertige Ausstattung des Hörgeräts diene nicht ausschließlich der Ausübung des Berufs als Qualitätsmanagementbeauftragte, sondern vielmehr für jeden Bereich des täglichen Lebens bzw für jedwede Form der Berufsausübung (Bescheid vom 3.8.2006, Widerspruchsbescheid vom 22.11.2006).

5

Das SG hat die Krankenkasse der Versicherten beigeladen und die gegen den Rentenversicherungsträger gerichtete Klage abgewiesen, gleichzeitig aber die Beigeladene verurteilt, der Klägerin die Kosten für das selbst beschaffte Hörgerät in Höhe von 1956,90 Euro zu erstatten (Urteil vom 30.11.2009). Das LSG hat die von der Beigeladenen eingelegte Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 3.8.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.11.2006 aufgehoben wird (Urteil vom 25.11.2010): Die Beigeladene sei nach § 14 SGB IX als erstangegangener Träger zuständig geworden. Bei der Versorgungsanzeige des Leistungserbringers handele es sich jedenfalls auch um einen Leistungsantrag der Klägerin, da die Beigeladene unmissverständlich darüber informiert worden sei, dass die Klägerin ein Hörgerät wünsche. Davon sei die Beigeladene selbst ausgegangen, weil sie durch die Zahlung des Festbetrags an den Leistungserbringer eine antragsabhängige Leistung erbracht habe. Der Anspruch der Klägerin gegen die Beigeladene auf Kostenerstattung beruhe auf § 15 Abs 1 SGB IX. Sie habe sich das Hörgerät erst am 23.10.2006 und damit nach der Ablehnung durch die Beklagte (Bescheid vom 3.8.2006) selbst beschafft. Der dem Anspruch auf Kostenerstattung zugrunde liegende Sachleistungsanspruch ergebe sich aus § 9 Abs 1 und 2, § 15 Abs 1 S 1 SGB VI iVm § 26 Abs 1 und 2 Nr 6, § 31 SGB IX, da die Klägerin ihre bisherige Tätigkeit ohne die begehrte Versorgung nicht weiter hätte ausüben können.

6

Mit der vom LSG zugelassenen Revision wendet sich die Beigeladene in erster Linie dagegen, nach § 14 SGB IX als erstangegangener Leistungsträger zu gelten und damit für den Versorgungsfall zuständig geworden zu sein. Bei ihr sei kein Antrag der Klägerin eingegangen. Die vom LSG als Antrag angesehene Versorgungsanzeige sei allein Bestandteil der Innenkommunikation zwischen Leistungserbringer und Krankenkasse zur Gewährung einer Sachleistung, durch die im Wesentlichen die Mitgliedschaft des Versicherten geklärt werde. Sie habe erstmals im Rahmen des Abschlussberichts des Hörakustikstudios Anhaltspunkte für entstandene Mehrkosten erhalten. Zu diesem Zeitpunkt habe die Klägerin aber längst ihren Teilhabeantrag bei der Beklagten gestellt. Im Übrigen bestehe kein Anspruch über den bereits bezahlten Festbetrag hinaus.

7

Die Beigeladene beantragt,
die Urteile des LSG Berlin-Brandenburg vom 25.11.2010 und des SG Berlin vom 30.11.2009 zu ändern und die Klage im Hinblick auf sie als Beigeladene abzuweisen.

8

Die Klägerin und die Beklagte verteidigen das angefochtene Berufungsurteil und beantragen jeweils,

        

die Revision zurückzuweisen.

9

Die Beklagte hatte ursprünglich ebenfalls Revision eingelegt (Telefax vom 22.2.2011), diese aber mangels Beschwer wieder zurückgenommen (Schriftsatz vom 18.3.2011).

Entscheidungsgründe

10

Die Revision der Beigeladenen ist zulässig, aber nicht begründet. Die Klägerin hat, wie die Vorinstanzen zu Recht entschieden haben, gegen die Beigeladene einen Anspruch auf Erstattung der durch den Festbetrag nicht gedeckten Kosten der Hörgeräteversorgung in Höhe von 1956,90 Euro. Dieser Anspruch besteht zwar nicht gegen die Beigeladene als für das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zuständigem Leistungsträger (§ 13 Abs 3 S 1 SGB V); leistungspflichtig ist die Beigeladene jedoch als im Verhältnis zur Klägerin auch für die rentenversicherungsrechtliche Hilfsmittelversorgung zuständig gewordener erstangegangener Leistungsträger (Erstattungsanspruch nach § 15 Abs 1 S 4 iVm § 14 Abs 1 SGB IX).

11

1. Streitgegenstand ist der Anspruch der Klägerin auf Erstattung der den Festbetrag (§ 36 SGB V) übersteigenden Kosten des Hörgeräts entweder durch die Beklagte oder durch die Beigeladene. Insoweit ist der beim LSG anhängig gewesene Streitstoff vollständig auch beim BSG angefallen, obwohl nach der Rücknahme des von der Beklagten eingelegten Rechtsmittels nur noch die von der Beigeladenen eingelegte Revision zur Entscheidung ansteht und die Klägerin schon gegen die Abweisung der Klage gegen die Beklagte nicht mit einem eigenen Rechtsmittel - etwa im Wege der Anschlussberufung zu der von der Beigeladenen eingelegten Berufung - vorgegangen war. Das ergibt sich aus der durch § 75 Abs 5 SGG eröffneten - und einer sowohl vom SG als auch vom LSG realisierten - Befugnis, anstelle des verklagten Versicherungs- oder Leistungsträgers nach Beiladung den tatsächlich leistungsverpflichteten, aber nicht verklagten Träger zu verurteilen. Diese prozessual vorgesehene Möglichkeit der Verurteilung auf Beiladung dient vor allem der Prozessökonomie, einer Klageänderung (§ 99 SGG) bedarf es dabei nicht. Um der Vorstellung des SGG-Gesetzgebers in vollem Umfang gerecht werden zu können, muss auch die nächste Instanz über alle in Frage kommenden prozessualen Ansprüche entscheiden können, wenn nur der unterlegene - beigeladene - Versicherungsträger Rechtsmittel eingelegt hat, wie es hier bereits im Berufungsrechtszug geschehen war und nunmehr auch im Revisionsverfahren der Fall ist. Anderenfalls könnten einander widersprechende Entscheidungen ergehen mit der Folge, dass der Kläger mit seinem Klagebegehren zunächst gegen den einen Versicherungsträger und in einer weiteren Instanz gegen den anderen Träger nicht durchdringt, obwohl feststeht, dass gegen einen von beiden jedenfalls der Anspruch besteht. Der Kläger müsste ggf ein Wiederaufnahmeverfahren nach § 180 SGG betreiben, also ein weiteres Verfahren einleiten; dies wäre in höchstem Maße prozessunökonomisch und soll durch die Regelung des § 75 Abs 5 SGG gerade vermieden werden. Deshalb muss im Revisionsverfahren - wie das BSG schon wiederholt ausgeführt hat - auch über den Anspruch entschieden werden, der gegen die Beklagte gerichtet war, obgleich die Klage gegen diese abgewiesen worden ist und nur die verurteilte Beigeladene im zweiten Rechtszug Berufung und im dritten Rechtszug Revision eingelegt hat (BSGE 9, 67, 69 f; BSG SozR 2200 § 1237a Nr 16 S 37; BSG SozR 2200 § 1236 Nr 31 S 57 f; BSGE 102, 90 = SozR 4-2500 § 33 Nr 21, RdNr 10).

12

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist also im Verhältnis zu der von der Klägerin im Klagewege in Anspruch genommenen Beklagten deren Bescheid vom 3.8.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.11.2006, mit der die Übernahme (Sachleistungsanspruch) bzw später die Erstattung (Kostenerstattungsanspruch) der den Festbetrag übersteigenden Kosten der Hörgeräteversorgung in Höhe von 1956,90 Euro abgelehnt worden war. Verfahrensgegenstand ist aber auch die für das Verhältnis der Klägerin zu der Beigeladenen maßgebende Entscheidung vom 12.7.2006, die begehrte Hörgeräteversorgung auf den Festbetrag zu beschränken, eine technisch aufwändigere und teurere Versorgung also abzulehnen. Über diese Verwaltungsentscheidung der Beigeladenen ist zu befinden, weil eine unmittelbare Verurteilung der Beigeladenen nach § 75 Abs 5 SGG voraussetzt, dass dieser Ablehnungsentscheidung im Verhältnis zwischen der Klägerin und der Beigeladenen keine Bindungswirkung zukommt. Im Falle einer solchen Bindungswirkung wäre eine Verurteilung der Beigeladenen nach § 75 Abs 5 SGG ausgeschlossen(BSG SozR 1500 § 75 Nr 38; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 75 RdNr 18b).

13

2. Die Klägerin macht den Anspruch auf Kostenerstattung für die in Höhe von 1956,90 Euro selbst finanzierte Hörgeräteversorgung zu Recht mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs 4 SGG geltend. Die Klage ist gegenüber der Beklagten fristgerecht nach erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren (§ 87 SGG) erhoben worden und auch ansonsten zulässig. Die Verurteilung der Beigeladenen kann auf der Grundlage des § 75 Abs 5 SGG erfolgen; hierzu bedarf es insbesondere keines abgeschlossenen Vorverfahrens iS des § 83 SGG(Leitherer, aaO, § 75 RdNr 18b unter Hinweis auf BSG SozR Nr 27 zu § 75 SGG).

14

3. Die Klägerin hat sich mit ihrem Begehren nach einer verbesserten Hörgeräteversorgung zunächst an die Beigeladene als krankenversicherungsrechtlichen Leistungsträger (§ 33 SGB V) und nach Kenntnis von deren auf den Festbetrag (§ 36 iVm § 12 Abs 2 SGB V) beschränkter Leistungsbewilligung zusätzlich an die Beklagte als rentenversicherungsrechtlichen Leistungsträger (§ 15 Abs 1 SGB VI iVm § 26 Abs 2 Nr 6 und § 31 SGB IX) gewandt, um auch den offenen Restbetrag als Versicherungsleistung gewährt zu bekommen. Die Zuständigkeit der Beklagten als für die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 9 Abs 1 S 1 SGB VI iVm § 5 Nr 2 und § 6 Abs 1 Nr 4 SGB IX) einstandspflichtigen Versicherungsträger kam hier in Betracht, weil die als Diplom-Pflegewirtin ausgebildete Klägerin die Notwendigkeit der verbesserten Hörgeräteversorgung damit begründet hat, anderenfalls ihre gerade erst angetretene neue Beschäftigung als Qualitätsmanagementbeauftragte für den Pflegesektor eines Wohlfahrtsverbandes nicht (mehr) ausüben zu können.

15

Der Frage nach der rentenversicherungsrechtlichen Zuständigkeit der Beklagten für die begehrte Rehabilitationsleistung stellt sich jedoch nur, wenn der Leistungsantrag der Klägerin vom 25.7.2006 mit Blick auf die Zuständigkeitsregelung des § 14 SGB IX als rehabilitationsrechtlicher Erstantrag zu werten ist. Ist er hingegen nur als wiederholender Antrag (Zweitantrag) im Rahmen eines durch den bereits Ende Juni/Anfang Juli 2006 bei der Beigeladenen gestellten Leistungsantrag eingeleiteten einheitlichen rehabilitationsrechtlichen Verwaltungsverfahrens anzusehen, wäre eine rentenversicherungsrechtliche Zuständigkeit der Beklagten nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX im ausschließlich maßgeblichen Außenverhältnis zur Klägerin ausgeschlossen. Vielmehr wäre dann die Beigeladene im Verhältnis zur Klägerin allein zuständiger Rehabilitationsträger für den Versorgungsfall geworden. Das ist nach den Gegebenheiten dieses Falles zu bejahen.

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a) Nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX verliert der materiell-rechtlich - eigentlich - zuständige Rehabilitationsträger(§ 6 SGB IX) im Außenverhältnis zum Versicherten oder Leistungsempfänger seine Zuständigkeit für eine Teilhabeleistung, sobald der zuerst angegangene Rehabilitationsträger (hier: die beigeladene Krankenkasse) eine iS von § 14 Abs 1 SGB IX fristgerechte Zuständigkeitsklärung versäumt hat und demzufolge die Zuständigkeit nach allen in Betracht kommenden rehabilitationsrechtlichen Rechtsgrundlagen auf ihn übergegangen ist. Sinn dieser Regelung ist es, zwischen den betroffenen behinderten Menschen und Rehabilitationsträgern schnell und dauerhaft die Zuständigkeit zu klären und so Nachteilen des gegliederten Systems entgegenzuwirken (vgl BT-Drucks 14/5074 S 95 zu Nr 5 und S 102 f zu § 14). Deshalb ist der erstangegangene Rehabilitationsträger gehalten, innerhalb von zwei Wochen nach Eingang eines Antrags auf Leistungen zur Teilhabe festzustellen, ob er nach dem für ihn geltenden gesetzlichen Regelwerk für die Leistung zuständig ist; bei den Krankenkassen umfasst die Prüfung auch die Leistungspflicht nach § 40 Abs 4 SGB V(§ 14 Abs 1 S 1 SGB IX). Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu. Muss für eine solche Feststellung die Ursache der Behinderung geklärt werden - vor allem in den Systemen der Unfallversicherung und der sozialen Entschädigung - und ist diese Klärung in der Frist nach § 14 Abs 1 S 1 SGB IX nicht möglich, wird der Antrag unverzüglich dem Rehabilitationsträger zugeleitet, der dem Grunde nach zuständig wäre und die Leistung dann zunächst ohne Rücksicht auf die Ursache erbringt(§ 14 Abs 1 S 2 und 3 SGB IX). Anderenfalls bestimmt § 14 Abs 2 S 1 SGB IX: "Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf unverzüglich fest." Diese Zuständigkeit nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX erstreckt sich im Außenverhältnis zwischen dem Antragsteller und dem erstangegangenen Rehabilitationsträger auf alle Rechtsgrundlagen, die überhaupt in dieser Bedarfssituation rehabilitationsrechtlich vorgesehen sind(BSGE 93, 283 = SozR 4-3250 § 14 Nr 1, RdNr 15 ff; BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4, RdNr 14; BSGE 102, 90 = SozR 4-2500 § 33 Nr 21, RdNr 23). Dadurch wird eine nach außen verbindliche Zuständigkeit des erstangegangenen Rehabilitationsträgers geschaffen, die intern die Verpflichtungen des eigentlich zuständigen Leistungsträgers unberührt lässt und die Träger insoweit auf den nachträglichen Ausgleich nach § 14 Abs 4 S 1 SGB IX und §§ 102 ff SGB X verweist(BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4, RdNr 14-16).

17

b) Erstangegangener Rehabilitationsträger iS von § 14 SGB IX ist derjenige Träger, der von dem Versicherten bzw Leistungsbezieher erstmals mit dem zu beurteilenden Antrag auf Bewilligung einer Leistung zur Teilhabe befasst worden ist. Diese Befassungswirkung fällt nach der Rechtsprechung des BSG grundsätzlich auch nach einer verbindlichen abschließenden Entscheidung des erstangegangenen Trägers nicht weg. Vielmehr behält der erstmals befasste Rehabilitationsträger seine Zuständigkeit nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX im Außenverhältnis zum Antragsteller regelmäßig auch dann weiter bei, wenn er, ohne den Antrag an den aus seiner Sicht zuständigen Rehabilitationsträger weitergeleitet zu haben, das Verwaltungsverfahren durch Erlass eines Verwaltungsakts abschließt(vgl § 8 SGB X), selbst wenn dieser bindend wird. Er bleibt deshalb auch für ein mögliches Verfahren nach § 44 SGB X zuständig, selbst wenn die Rechtswidrigkeit im Sinne dieser Vorschrift dann nur darin liegt, dass er die außerhalb seiner "eigentlichen" Zuständigkeit liegenden, nach dem Vorstehenden einschlägigen Rechtsgrundlagen nicht beachtet hat(BSGE 93, 283 = SozR 4-3250 § 14 Nr 1, RdNr 10; BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7, RdNr 31; BSGE 102, 90 = SozR 4-2500 § 33 Nr 21, RdNr 24).

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4. Nach diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Fall die beigeladene Krankenkasse als erstangegangener Rehabilitationsträger für die begehrte Hörgeräteversorgung iS des § 14 SGB IX anzusehen. Die Beigeladene ist im Außenverhältnis zur Klägerin mangels Weiterleitung des Leistungsantrags an die Beklagte nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX für das Versorgungsbegehren ausschließlich zuständig geworden; dies schließt eine Zuständigkeit der Beklagten für die Erfüllung des Kostenerstattungsanspruchs als Rentenversicherungsträger aus.

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a) Leistungen der GKV werden auf Antrag erbracht, soweit sich aus den Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige nichts Abweichendes ergibt (§ 19 S 1 SGB IV). Der Anspruch eines Versicherten auf Krankenbehandlung umfasst ua die Versorgung mit Hilfsmitteln (§ 27 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB V), und zwar nach Maßgabe des § 33 SGB V. Dieser Anspruch ist von der Krankenkasse grundsätzlich in Form einer Sachleistung (§ 2 Abs 2 S 1 SGB V) zu erbringen, wobei sie ihre Leistungspflicht gemäß § 12 Abs 2 SGB V mit dem Festbetrag erfüllt, wenn für die Leistung ein Festbetrag festgesetzt ist(BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 17 RdNr 13). Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels des SGB V Verträge mit den Leistungserbringern (§ 2 Abs 2 S 3 SGB V). Im vorliegenden Fall maßgeblich ist der zwischen der Bundesinnung der Hörgeräteakustiker KdöR und dem damaligen Verband der Angestellten-Krankenkassen e. V. sowie dem damaligen Arbeiter-Ersatzkassen-Verband e. V. für die Zeit ab 1.1.2004 geschlossene Vertrag nach §§ 126, 127 SGB V. Danach erfolgt die Abgabe von Hörhilfen auf der Grundlage einer ärztlichen Verordnung oder einer Bewilligung der Ersatzkassen (§ 4 Nr 1 S 1 des Vertrages). Unter der Überschrift "Verfahren bei vorheriger ärztlicher Verordnung" ist ua Folgendes vereinbart worden: "Nach Vorlage der Verordnung durch den Versicherten erstattet der Leistungserbringer eine Versorgungsanzeige (Anlage 3) gegenüber der leistungspflichtigen Ersatzkasse. Der Leistungserbringer erhält nach Prüfung der leistungsrechtlichen Voraussetzungen ein Bewilligungsschreiben der Ersatzkasse. Die Versorgung kann abgerechnet werden, wenn die zur Versorgung geeigneten Hörhilfen nach der Anpassung an den Versicherten ausgeliefert sind und der HNO-Arzt eine ausreichende Hörverbesserung und die Zweckmäßigkeit der Hörhilfe bestätigt hat" (§ 4 Nr 1 S 2 des Vertrages).

20

b) Der Senat kann offenlassen, ob die maßgebliche Antragstellung iS des § 14 SGB IX durch Übergabe der vertragsärztlichen Hörgeräteverordnung vom 9.6.2006 seitens der Klägerin an den Hörgeräteakustiker oder erst durch dessen Versorgungsanzeige bei der Krankenkasse erfolgt ist. In dem einen wie in dem anderen Fall läge ein Leistungsbegehren der Klägerin und damit ein Leistungsantrag iS des § 19 S 1 SGB IV vor, der in der Zeit zwischen dem 9.6.2006 (Tag der vertragsärztlichen Verordnung) und dem 12.7.2006 (Tag der Verwaltungsentscheidung) bei der Beigeladenen eingegangen ist. Deren Einwand, die vom LSG als Antrag angesehene Versorgungsanzeige sei allein Bestandteil der Innenkommunikation zwischen Leistungsbringer und Krankenkasse zur Gewährung einer Sachleistung (§ 2 Abs 2 S 1 SGB V), durch die im Wesentlichen die Mitgliedschaft des Versicherten (vgl § 19 Abs 1 SGB V) geklärt werde, ist unzutreffend und wirklichkeitsfremd. Wenn sich ein Rehabilitationsträger - wie hier und bei der Hörgeräteversorgung wohl allgemein üblich - seiner leistungsrechtlichen Verantwortung durch sog "Verträge zur Komplettversorgung" nahezu vollständig entzieht und dem Leistungserbringer quasi die Entscheidung darüber überlässt, ob dem Versicherten eine Teilhabeleistung (wenn auch nur zum Festbetrag) zuteil wird, dann erfüllt er weder seine Pflicht zur ordnungsgemäßen Einzelfallprüfung nach § 33 SGB V noch befolgt er die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit(§ 12 Abs 1 und § 70 Abs 1 S 2 SGB V). Wer sich der Pflicht zur Antragsentgegennahme (§ 16 SGB I) verweigert, kann sich nicht darauf berufen, es sei bei ihm kein Antrag gestellt worden. Es mutet zudem abenteuerlich an, dass die Rehabilitationsträger die Versorgung mit bestimmten Hilfsmitteln - hier: Hörgeräte - praktisch nicht mehr selbst vornehmen, sondern in die Hände der Leistungserbringer "outgesourced" haben. Dass ein solches Vorgehen weder dem Grundgedanken der Festbetragsregelung gerecht wird noch zur Kostendämpfung beiträgt, dürfte klar auf der Hand liegen. Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass die Beigeladene hinsichtlich der erfolgten Versorgung keinerlei nachprüfbare Unterlagen vorlegen konnte, wie dies in ihrem "Vertrag zur Komplettversorgung" mit den Hörgeräteakustikern vorgeschrieben ist. Es existiert lediglich ein Datenauszug, der mit Datum 12.7.2006 die Bewilligung eines Hörgeräts und des Festbetrages dokumentiert - ohne jede weitere Überprüfung des Leistungsfalles. Der Senat hält eine derartige Praxis im Umgang mit dem Leistungsrecht des SGB V für nicht mehr akzeptabel.

21

c) Der Antrag der Klägerin richtet sich auf die Versorgung mit einem Hörgerät und ist als solcher nach ständiger Rechtsprechung des BSG ein Antrag auf Teilhabeleistungen iS von § 14 Abs 1 S 1 SGB IX(BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7, RdNr 34; BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 8, RdNr 18). Dabei geht es nach der Auslegungsregel des § 2 Abs 2 SGB I um eine umfassende, nach Maßgabe des Leistungsrechts des Sozialgesetzbuches (hier: des Leistungsrechts der GKV nach dem SGB V sowie des Leistungsrechts der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem SGB VI) bestmögliche Versorgung mit einem neuen Hörgerät. Eine solche Auslegung des Leistungsbegehrens schließt die Aufspaltung des klägerischen Begehrens in zwei separate Leistungsanträge, nämlich in einem Antrag auf Bewilligung eines Festbetrages ("Normalversorgung", § 12 Abs 2 SGB V) und einen weiteren Antrag auf Bewilligung einer über den Festbetrag hinausgehenden, technisch anspruchsvolleren und teureren Versorgung ("Premiumversorgung"), von vornherein aus. Es ist also von einem einheitlichen, spätestens am 12.7.2006 bei der Beigeladenen gestellten Leistungsantrag auszugehen.

22

d) Dieser Antrag entspricht inhaltlich den Anforderungen, die an einen Antrag nach § 14 Abs 1 S 1 SGB IX zu stellen sind.

23

Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut genügt ein Antrag auf Leistungen zur Teilhabe, um die Zuständigkeitsprüfung des erstangegangenen Leistungsträgers und die Zwei-Wochen-Frist in Gang zu setzen. Ein solcher lag hier - wie bereits dargestellt - jedenfalls in Form der Versorgungsanzeige des Hörakustikstudios spätestens am 12.7.2006 vor. Eine andere Auslegung liefe dem Gesetzeszweck zuwider, im Interesse behinderter und von Behinderung bedrohter Menschen durch rasche Klärung von Zuständigkeiten Nachteilen im gegliederten System entgegenzuwirken (BT-Drucks 14/5074 S 102 f zu § 14). Soweit die Beigeladene darauf hinweist, dass dem Antrag der Klägerin, hier also der Versorgungsanzeige des Hörakustikstudios und der beigefügten vertragsärztlichen Verordnung, die für eine Zuständigkeitsprüfung notwendigen Angaben fehlten, wäre es ihre Aufgabe als Versicherungsträger gewesen, diese Angaben zu ermitteln. Dies ergibt sich unmittelbar aus der gesetzlichen Pflicht zur Zuständigkeitsprüfung nach § 14 Abs 1 S 1 SGB IX in Verbindung mit dem Amtsermittlungsgrundsatz nach § 20 Abs 1 SGB X.

24

Auch der Hinweis der Beigeladenen auf die "Gemeinsamen Empfehlungen" der Rehabilitationsträger nach § 13 SGB IX führt zu keiner anderen Bewertung. Die Beigeladene vertritt die Auffassung, ein Antrag auf Teilhabe iS des § 14 Abs 1 S 1 SGB IX liege erst vor, wenn der Rehabilitationsträger über jene Aufgaben und Unterlagen verfüge, die eine Beurteilung der Zuständigkeit ermöglichten(§ 1 Abs 1 S 2 und 3 der Gemeinsamen Empfehlung nach § 13 Abs 2 Nr 3 SGB IX über die Ausgestaltung des in § 14 SGB IX bestimmten Verfahrens idF vom 28.9.2010). Die Behörde müsse solange nicht von einem Teilhabeleistungsantrag ausgehen, als bei verständiger Würdigung nicht erkennbar sei, dass und aus welchem Sozialleistungsbereich der Antragsteller Sozialleistungen begehre. Jede andere Bewertung würde die Leistungsfähigkeit der Krankenkassen sprengen.

25

Die Frage, ob dieser Rechtsauffassung der Beigeladenen und der ihr zugrunde liegenden Empfehlung nach § 13 Abs 2 Nr 3 SGB IX partiell zugestimmt werden kann oder ob die Empfehlung in dieser Allgemeinheit überhaupt mit § 14 Abs 1 S 1 SGB IX zu vereinbaren ist, braucht an dieser Stelle nicht abschließend entschieden zu werden; denn ein an die Krankenkasse gerichteter Antrag auf Versorgung mit einem Hörgerät ist jedenfalls auch auf Leistungen zur Teilhabe iS von §§ 1, 4 und 5 SGB IX gerichtet. Wie bereits ausgeführt, will der Versicherte im Zweifel die ihm günstigste Art der Leistungsgewährung in Anspruch nehmen; ein einmal gestellter Antrag ist also umfassend, dh auf alle nach Lage des Falles in Betracht kommenden Leistungen und Anspruchsgrundlagen hin zu prüfen (BSG SozR 4-2600 § 236a Nr 2 RdNr 21; BSG SozR 4-2600 § 43 Nr 9 RdNr 27; BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 14; BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7, RdNr 34), und insbesondere nicht "künstlich" in separate Teil-Leistungsanträge für die verschiedenen in Betracht kommenden Teilhabeleistungen aufzuspalten. Deshalb hatte die Beigeladene den Leistungsantrag von vornherein sowohl unter dem Aspekt der Hilfsmittelversorgung zur medizinischen Rehabilitation (§ 5 Nr 1, § 31 SGB IX, § 33 SGB V) als auch unter dem Aspekt der Hilfsmittelversorgung zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 5 Nr 2, § 33 Abs 8 S 1 Nr 4 SGB IX, §§ 9, 15 SGB VI) zu prüfen und danach die Zuständigkeit zu bestimmen. Die Frage, ob die Hörgeräteversorgung auch (oder nur) zur weiteren Berufsausübung benötigt wurde, hätte ohne Weiteres durch eine Nachfrage bei der Klägerin (zB per Telefon) geklärt werden können und berechtigte grundsätzlich nicht zu einer Verschiebung des Beginns der Zwei-Wochen-Frist des § 14 Abs 1 S 1 SGB IX. Der Gesetzgeber hat mit gutem Grund eine strenge Zwei-Wochen-Frist für die Prüfung der Zuständigkeit für die Entscheidung von Anträgen auf Teilhabeleistungen gesetzt und deren Verlängerung nicht vorgesehen (vgl § 14 Abs 1 S 3 SGB IX).

26

e) Nachdem die Beigeladene den Antrag der Klägerin auf Leistungen zur Teilhabe nicht innerhalb von zwei Wochen ab dessen Eingang weitergeleitet hat, oblag es ihr, unverzüglich den Rehabilitationsbedarf der Klägerin festzustellen (§ 14 Abs 2 S 1 SGB IX). Diese Zuständigkeit der Beigeladenen ist ausschließlicher Natur; denn die Zuständigkeit des erstangegangenen Rehabilitationsträgers nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX schließt im Außenverhältnis zum Versicherten die Zuständigkeiten aller anderen Träger aus(BSGE 93, 283 = SozR 4-3250 § 14 Nr 1, RdNr 15; BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4, RdNr 12 ff; BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7, RdNr 16; BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 8 RdNr 15; stRspr). Im Verhältnis zwischen dem erstangegangenen Träger und dem Leistungsberechtigten ist also der Anspruch anhand aller Rechtsgrundlagen zu prüfen, die überhaupt in der konkreten Bedarfssituation für Rehabilitationsträger vorgesehen sind. Darüber hinaus verlieren alle anderen Träger innerhalb des durch den Leistungsantrag ausgelösten Verwaltungsverfahrens ihre Zuständigkeit für die Gewährung von Rehabilitationsleistungen, was wiederum zur Folge hat, dass eventuell ergangene Bescheide wegen sachlicher Unzuständigkeit aufzuheben sind (BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 8 RdNr 16). Dementsprechend hat das LSG zu Recht die angefochtenen Entscheidungen der Beklagten mangels Zuständigkeit aufgehoben.

27

5. Zu Recht haben die Vorinstanzen die Beigeladene und nicht die Beklagte als für die Erstattung des von der Klägerin getragenen Kostenanteils in Höhe von 1956,90 Euro zuständig erachtet. Die Kostenerstattungspflicht der Beigeladenen beruht allerdings nicht auf ihrer Funktion als originär zuständiger Krankenversicherungsträger, sondern auf ihrer Eigenschaft als nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX umfassend zuständig gewordener erstangegangener Rehabilitationsträger, der die begehrte Teilhabeleistung auch unter dem Aspekt einer dem Rentenversicherungsträger obliegenden Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben(§ 5 Nr 2, § 6 Abs 1 Nr 4 SGB IX) zu prüfen hatte. Da die rentenversicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt waren, hätte die Beigeladene die der Klägerin angepasste Hörgeräteversorgung als Sachleistung erbringen müssen; die Beschränkung der Leistung auf den Festbetrag (§ 36 SGB V) war rechtswidrig.

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6. Grundlage des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs gegen die Beigeladene als zuständiger Krankenversicherungsträger ist § 13 Abs 3 S 1 Fall 2 SGB V(hier idF des Art 5 Nr 7 Buchst b SGB IX - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - vom 19.6.2001, BGBl I 1046). Danach gilt: Hat die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Der Erstattungsanspruch reicht, wie in der Rechtsprechung des BSG geklärt ist, nicht weiter als ein entsprechender - primärer - Sachleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (stRspr; vgl zB BSGE 79, 125, 126 f = SozR 3-2500 § 13 Nr 11 S 51 f mwN; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 11 mwN; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 19 RdNr 12; vgl zum Ganzen auch Hauck in: Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Bd 1, Stand: 1.1.2012, § 13 SGB V RdNr 233 ff). Der Anspruch ist demgemäß gegeben, wenn die Krankenkasse die Erfüllung eines Naturalleistungsanspruchs rechtswidrig abgelehnt und der Versicherte sich die Leistung selbst beschafft hat, wenn weiterhin ein Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung besteht, die selbst beschaffte Leistung notwendig ist und die Selbstbeschaffung eine rechtlich wirksame Kostenbelastung des Versicherten ausgelöst hat (vgl zuletzt BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 25; eingehend Hauck, aaO, mwN). Diese Voraussetzungen wären nur erfüllt, wenn die Beigeladene ihre Leistungspflicht nach dem Leistungsrecht des SGB V zu Unrecht auf den Festbetrag begrenzt und die vollständige Erfüllung des gegebenen Leistungsanspruchs rechtswidrig abgelehnt hätte. Dies ist jedoch nicht der Fall, weil der Klägerin kein krankenversicherungsrechtlicher Anspruch auf die angepasste "Primärversorgung" zustand.

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7. Rechtsgrundlage des in erster Linie verfolgten krankenversicherungsrechtlichen Leistungsanspruchs ist § 33 Abs 1 S 1 SGB V, hier in der zum Zeitpunkt der Leistungsverschaffung geltenden Fassung des Art 1 Nr 20 Buchst a bb des Gesetzes zur Modernisierung der GKV(GKV-Modernisierungsgesetz - GMG) vom 14.11.2003 (BGBl I 2190, im Folgenden: § 33 SGB V aF). Hiernach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, wenn sie erstens nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens oder nach § 34 Abs 4 SGB V aus der GKV-Versorgung ausgeschlossen und zweitens im Einzelfall erforderlich sind, um entweder den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. Demgemäß besteht nach § 33 Abs 1 S 1 SGB V ein Anspruch auf Hörhilfen, die nur von hörbehinderten Menschen benutzt werden und deshalb kein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens sind, auch nicht nach § 34 Abs 4 SGB V aus der GKV-Versorgung ausgeschlossen sind und weder der Krankenbehandlung noch der Vorbeugung einer Behinderung dienen, soweit sie im Rahmen des Notwendigen und Wirtschaftlichen(§ 12 Abs 1 SGB V) für den von der Krankenkasse geschuldeten Behinderungsausgleich erforderlich sind.

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8. Der von den Krankenkassen geschuldete Behinderungsausgleich bemisst sich nach ständiger Rechtsprechung des für die GKV-Hilfsmittelversorgung ausschließlich zuständigen 3. Senats des BSG entscheidend danach, ob eine Leistung des unmittelbaren oder des mittelbaren Behinderungsausgleichs beansprucht wird (BSGE 105, 170 = SozR 4-2500 § 36 Nr 2, RdNr 14 ff). Insoweit hat der in § 33 Abs 1 S 1 SGB V als 3. Variante genannte Zweck (vgl jetzt auch § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX) für die im Rahmen der GKV gebotene Hilfsmittelversorgung zwei Ebenen.

31

a) Im Bereich des unmittelbaren Behinderungsausgleichs ist die Hilfsmittelversorgung grundsätzlich von dem Ziel eines vollständigen funktionellen Ausgleichs geleitet. Im Vordergrund steht dabei der unmittelbare Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion. Davon ist auszugehen, wenn das Hilfsmittel die Ausübung der beeinträchtigten Körperfunktion - hier das Hören - selbst ermöglicht, ersetzt oder erleichtert. Für diesen unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts (§ 2 Abs 1 S 3 SGB V). Dies dient in aller Regel ohne gesonderte weitere Prüfung der Befriedigung eines Grundbedürfnisses des täglichen Lebens iS von § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX, weil die Erhaltung bzw Wiederherstellung einer Körperfunktion als solche schon ein Grundbedürfnis in diesem Sinne ist. Deshalb kann auch die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem gesunden Menschen erreicht ist (BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 4 - C-Leg II). Das Maß der notwendigen Versorgung würde deshalb verkannt, wenn die Krankenkassen ihren Versicherten Hörgeräte ungeachtet hörgerätetechnischer Verbesserungen nur "zur Verständigung beim Einzelgespräch unter direkter Ansprache" zur Verfügung stellen müssten. Teil des von den Krankenkassen nach § 33 Abs 1 S 1 SGB V geschuldeten - möglichst vollständigen - Behinderungsausgleichs ist es vielmehr, hörbehinderten Menschen im Rahmen des Möglichen auch das Hören und Verstehen in größeren Räumen und bei störenden Umgebungsgeräuschen zu eröffnen und ihnen die dazu nach dem Stand der Hörgerätetechnik(§ 2 Abs 1 S 3 SGB V)jeweils erforderlichen Geräte zur Verfügung zu stellen. Das schließt - wie die Beigeladene zu Recht nicht in Zweifel gezogen hat - je nach Notwendigkeit auch die Versorgung mit digitalen Hörgeräten ein.

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b) Beschränkter sind die Leistungspflichten der GKV, wenn die Erhaltung bzw Wiederherstellung der beeinträchtigten Körperfunktion nicht oder nicht ausreichend möglich ist und deshalb Hilfsmittel zum Ausgleich von direkten und indirekten Folgen der Behinderung benötigt werden (sog mittelbarer Behinderungsausgleich). Dann sind die Krankenkassen ständiger Rechtsprechung des Senats zufolge nur für einen Basisausgleich von Behinderungsfolgen eintrittspflichtig. Es geht hier nicht um einen Ausgleich im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten eines gesunden Menschen. Denn Aufgabe der GKV ist in allen Fällen allein die medizinische Rehabilitation (vgl § 1 SGB V sowie § 6 Abs 1 Nr 1 iVm § 5 Nr 1 und 3 SGB IX), also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolges, um ein selbstständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme. Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich ist von der GKV deshalb nur dann zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Zu diesen allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehören nach ständiger Rechtsprechung des BSG das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, die Nahrungsaufnahme, das Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums (BSGE 93, 176, 180 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7, RdNr 12; BSGE 91, 60, 63 = SozR 4-2500 § 33 Nr 3, RdNr 10; BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 14; stRspr). Für den Ausgleich darüber hinausreichender Behinderungsfolgen haben beim mittelbaren Behinderungsausgleich hingegen ggf andere Sozialleistungssysteme Sorge zu tragen.

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c) Dies gilt entgegen einer als überholt anzusehenden (BSGE 105, 170 = SozR 4-2500 § 36 Nr 2, RdNr 17) Entscheidung des 13. Senats des BSG vom 21.8.2008 (BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7 - digitales Hörgerät für Lagerarbeiter) auch für Gebrauchsvorteile im Beruf. Seiner Ansicht nach sollten die Krankenkassen auch für Hilfsmittel in Anspruch genommen werden können, die (nur) für die Berufsausübung erforderlich sind (aaO, RdNr 43). Dem ist nicht zu folgen, weil Auswirkungen bei der oder auf die Berufsausübung für die Hilfsmittelgewährung nach dem SGB V grundsätzlich unbeachtlich sind. Für Leistungen der medizinischen Rehabilitation und demgemäß nach § 26 Abs 2 Nr 6 SGB IX auch für die Versorgung mit Hilfsmitteln sind die Krankenkassen nicht allein zuständig, sondern ebenso Rehabilitationsträger wie ua die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung(vgl §§ 9 Abs 1 S 1, 15 Abs 1 S 1 SGB VI iVm § 31 SGB IX) und die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung (vgl § 31 Abs 1 S 1 SGB VII). Dies rechtfertigt die Leistungsbegrenzung in der GKV auf solche Hilfsmittel, mit denen die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder gemildert werden können und die damit ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens betreffen (stRspr; vgl zuletzt BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7, RdNr 12 - schwenkbarer Autositz bei Wachkomaversorgung; BSGE 91, 60 RdNr 9 = SozR 4-2500 § 33 Nr 3 RdNr 10 - Rollstuhl-Ladeboy; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 31 S 185 - Rollstuhl-Bike; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 32 S 191 - Therapie-Tandem). Die demgegenüber vom 13. Senat des BSG angeführte und noch zu §§ 182, 182b Reichsversicherungsordnung ergangene frühere Rechtsprechung(insbesondere BSG SozR 2200 § 182b Nr 36 und BSG SozR 2200 § 182 Nr 116) ist unter Geltung des SGB V nicht weiterverfolgt worden. Hätte die GKV heute auch noch jenseits des elementaren Basisausgleichs für den Ausgleich jeglicher mittelbarer Behinderungsfolgen aufzukommen, wäre die überkommene und im SGB IX ausdrücklich bekräftigte (vgl § 6 Abs 1 und 2, § 7 S 2 SGB IX)Aufgabenteilung zwischen den Krankenkassen einerseits sowie den Trägern ua der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung andererseits auf dem Gebiet der medizinischen Rehabilitation hinfällig. Ausschließlich berufliche und arbeitsplatzspezifische Gebrauchsvorteile sind demgemäß für die Hilfsmittelversorgung nach dem SGB V grundsätzlich unbeachtlich. Ist ein Versicherter für die Anforderungen des allgemeinen Alltagslebens ausreichend versorgt, kommt es auf etwaige zusätzliche Nutzungsvorteile im Erwerbsleben ohnehin nicht an. Umgekehrt kann ein Hilfsmittelanspruch gegen die GKV nicht auf ausschließlich berufliche Nutzungsvorteile gestützt werden, wenn das Hilfsmittel ansonsten keine allgemeinen Grundbedürfnisse betrifft und seine Nutzung die Auswirkungen der Behinderung nicht im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert.

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d) Begrenzt ist der so umrissene Anspruch auf eine Hilfsmittelversorgung nach § 33 SGB V durch das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs 1 SGB V. Die Leistungen müssen danach "ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein" und dürfen "das Maß des Notwendigen nicht überschreiten"; Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. Demzufolge verpflichtet auch § 33 Abs 1 S 1 SGB V nicht dazu, den Versicherten jede gewünschte, von ihnen für optimal gehaltene Versorgung zur Verfügung zu stellen. Ausgeschlossen sind danach Ansprüche auf teure Hilfsmittel, wenn eine kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Nachteilsausgleich funktionell ebenfalls geeignet ist (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 26 S 153; stRspr); Mehrkosten sind andernfalls selbst zu tragen (§ 33 Abs 1 S 5 SGB V). Eingeschlossen in den Versorgungsauftrag der GKV ist eine kostenaufwändige Versorgung dagegen dann, wenn durch sie eine Verbesserung bedingt ist, die einen wesentlichen Gebrauchsvorteil gegenüber einer kostengünstigeren Alternative bietet. Das gilt bei Hilfsmitteln zum unmittelbaren Behinderungsausgleich insbesondere durch Prothesen für grundsätzlich jede Innovation, die dem Versicherten in seinem Alltagsleben deutliche Gebrauchsvorteile bietet (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 44 S 249 - C-Leg I; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 45 S 255 - Damenperücke; BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 4 - C-Leg II). Keine Leistungspflicht besteht dagegen für solche Innovationen, die nicht die Funktionalität betreffen, sondern in erster Linie die Bequemlichkeit und den Komfort bei der Nutzung des Hilfsmittels (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 44 S 249; BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 15). Dasselbe gilt für lediglich ästhetische Vorteile (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 45 - Damenperücke). Desgleichen kann eine Leistungsbegrenzung zu erwägen sein, wenn die funktionalen Vorteile eines Hilfsmittels ausschließlich in bestimmten Lebensbereichen zum Tragen kommen (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 34 zur Versorgung mit einer - dem mittelbaren Behinderungsausgleich dienenden - Mikroportanlage). Weitere Grenzen der Leistungspflicht können schließlich berührt sein, wenn einer nur geringfügigen Verbesserung des Gebrauchsnutzens ein als unverhältnismäßig einzuschätzender Mehraufwand gegenübersteht (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 26 S 153 und Nr 44 S 250 - jeweils mwN).

35

9. Nach diesen Grundsätzen zur Versorgung Versicherter mit Hilfsmitteln zum Ausgleich von Behinderungen steht der Klägerin der Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 S 1 SGB V nicht zu, weil es an dem hierfür nötigen Sachleistungsanspruch auf Ausstattung mit dem angepassten Hörgerät(§ 33 SGB V) fehlt.

36

Das LSG hat auf der Grundlage des Gutachtens des Hörgeräteakustikers W. vom 3.12.2008 festgestellt, die Klägerin benötige das höherwertige Premiumgerät lediglich wegen ihrer beruflichen Tätigkeit als Qualitätsmanagementbeauftragte eines Wohlfahrtsverbandes. Der Schwerpunkt dieser auf der Ausbildung der Klägerin als Diplom-Pflegewirtin aufbauenden Tätigkeit liege in der Leitung und Moderation von Arbeitsgruppen in Qualitätszirkeln sowie in der Durchführung von Fortbildungsmaßnahmen zur Altenpflege. Diese Moderatoren- und Dozententätigkeit stelle besondere Anforderungen an die Hörfähigkeit, weil der Betroffene wegen der üblicherweise vorhandenen Störgeräusche einem spezifischen akustischen Umfeld ausgesetzt sei, das sich zB von einer normalen Bürotätigkeit deutlich unterscheide. Außerdem bestehe bei der Klägerin die medizinische Besonderheit, dass sie nur auf einem Ohr mit einer Hörhilfe versorgt werden könne, wodurch sie im Hinblick auf das Richtungshören und Verstehen im Störgeräusch gegenüber einer beidseitigen Versorgung sehr im Nachteil sei, weil alle Schallereignisse auf das linke Ohr treffen würden und so der Nutzschall und der Störschall nur sehr schwer voneinander getrennt werden könnten. Ohne das gewählte Premiumgerät sei die weitere Berufsausübung als Qualitätsmanagementbeauftragte erheblich gefährdet; eine Versorgung mit einem - zum Festbetrag erhältlichen - Basis- oder Komfortgerät sei nicht ausreichend.

37

Diese Feststellungen des LSG sind im Revisionsverfahren nicht angegriffen worden und für den erkennenden Senat daher bindend (§ 163 SGG). Anhaltspunkte dafür, dass die zusätzlichen Nutzungsvorteile des gewählten Premiumgeräts über den beruflichen Nutzen hinaus Auswirkungen der Hörbehinderung der Klägerin im gesamten Alltagsleben mindern, sind weder vom LSG festgestellt worden noch anderweitig ersichtlich. So stellen insbesondere der Antrag der Klägerin bei der Beklagten vom 25.7.2006 sowie ihre Rechtsbehelfsbegründungen stets darauf ab, dass das neue Premiumgerät zur Berufsausübung nötig sei. Danach bleibt festzuhalten, dass die Beigeladene den gegen sie nach § 33 Abs 1 S 1 SGB V bestehenden krankenversicherungsrechtlichen Versorgungsanspruch durch die Zahlung des Festbetrages erfüllt hat(§ 12 Abs 2 SGB V), weil für den Alltagsgebrauch ein zum Festbetrag erhältliches Hörgerät als Ersatz für das unbrauchbar gewordene alte Hörgerät offenbar noch ausgereicht hätte. Für weitergehende Primäransprüche der Klägerin nach dem SGB V bestehe nach den Feststellungen des LSG keine Anhaltspunkte.

38

10. Die Klage ist allerdings begründet, weil der Klägerin ein solcher weitergehender Primäranspruch nach dem Rentenversicherungsrecht zugestanden hätte, für dessen Erfüllung die Beigeladene als erstangegangener Rehabilitationsträger nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX im Außenverhältnis zur Klägerin zuständig war.

39

Rechtsgrundlage des aus der Selbstbeschaffung der Leistung resultierenden rehabilitationsrechtlichen Kostenerstattungsanspruchs ist § 15 Abs 1 S 3 und 4 SGB IX: "Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist(gemeint ist damit die dem Rehabilitationsträger zu setzende angemessene Nachfrist nach § 15 Abs 1 S 2 SGB IX) eine erforderliche Leistung selbst, ist der zuständige Rehabilitationsträger unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zur Erstattung der Aufwendungen verpflichtet. Der Erstattungsanspruch besteht auch, wenn der Rehabilitationsträger eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann oder er die Leistung zu Unrecht abgelehnt hat." Im vorliegenden Fall geht es um einen Kostenerstattungsanspruch nach § 15 Abs 1 S 4 Fall 2 SGB IX, weil die Beigeladene ihre Leistungspflicht auf den Festbetrag beschränkt und damit den weitergehenden Antrag auf Ausstattung mit dem höherwertigen Premiumgerät abgelehnt hat(BSGE 105, 170 = SozR 4-2500 § 36 Nr 2, RdNr 9).

40

a) Die Regelungen des § 15 Abs 1 S 3 und 4 SGB IX sind auch im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung unmittelbar anwendbar(BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 8 RdNr 12). Dem steht insbesondere § 7 S 2 SGB IX nicht entgegen, wonach die Zuständigkeit der Träger und die Voraussetzungen für die Leistungen zur Teilhabe(§§ 4, 5 SGB IX) nach den für die jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen zu bestimmen sind. Schon nach dem Wortlaut dieser Vorschrift bezieht sich diese Verweisung nur auf Teilhabeleistungen - also die Primäransprüche - selbst, nicht jedoch auf den hier streitbefangenen Kostenerstattungsanspruch.

41

b) Die Beigeladene ist auch hinsichtlich des Kostenerstattungsanspruchs nach § 15 Abs 1 SGB IX passivlegitimiert. "Zuständiger Rehabilitationsträger" iS von § 15 Abs 1 S 4 SGB IX ist der nach § 14 SGB IX zuständige Träger(BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 8 RdNr 14).

42

11. Bei dem rehabilitationsrechtlichen Kostenerstattungsanspruch wegen rechtswidriger Leistungsablehnung nach § 15 Abs 1 S 4 Fall 2 SGB IX handelt es sich um einen Parallelanspruch zum krankenversicherungsrechtlichen Kostenerstattungsanspruch wegen rechtswidriger Leistungsablehnung nach § 13 Abs 3 S 1 Fall 2 SGB V. Der Anspruch ist demgemäß gegeben, wenn der nach § 14 SGB IX zuständige Rehabilitationsträger die Erfüllung eines Naturalleistungsanspruchs rechtswidrig abgelehnt und der Versicherte bzw Leistungsberechtigte sich die Leistung selbst beschafft hat, wenn weiterhin ein Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung besteht, die selbst beschaffte Leistung notwendig ist und die Selbstbeschaffung eine rechtlich wirksame Kostenbelastung des Versicherten bzw Leistungsberechtigten ausgelöst hat. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

43

12. Rechtsfehlerfrei hat das LSG entschieden, dass der Kostenerstattungsanspruch nicht an der fehlenden Kausalität zwischen Leistungsablehnung und Kostenbelastung scheitert. Ansprüche nach § 15 Abs 1 S 4 Fall 2 SGB IX sind - ebenso wie nach § 13 Abs 3 S 1 Fall 2 SGB V - zwar nur gegeben, wenn der zuständige Rehabilitationsträger (hier die Krankenkasse) eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dem Versicherten "dadurch" Kosten für die selbst beschaffte Leistung entstanden sind. Dazu muss die Kostenbelastung des Versicherten der ständigen Rechtsprechung des BSG zufolge wesentlich auf der Leistungsversagung des Trägers beruhen (vgl etwa BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 24). Hieran fehlt es, wenn dieser vor Inanspruchnahme der Versorgung mit dem Leistungsbegehren nicht befasst worden ist, obwohl dies möglich gewesen wäre (vgl BSG SozR 3-2500 § 13 Nr 15 S 74 mwN; BSGE 98, 26 = SozR 4-2500 § 13 Nr 12, RdNr 10; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 16, RdNr 13 mwN), oder wenn der Versicherte auf eine bestimmte Versorgung von vornherein festgelegt war (stRspr; vgl zuletzt BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 29). Das ist hier nicht der Fall.

44

"Selbst verschafft" ist eine Hilfsmittel-Leistung nicht schon mit deren Auswahl. Die Auswahl ist dem Hilfsmittelbewilligungsverfahren notwendig vorgeschaltet und scheidet deshalb mit Ausnahme von Fällen der Vorfestlegung - für die hier nichts festgestellt ist - als Anknüpfungspunkt für den Zeitpunkt der Hilfsmittelbeschaffung aus. Anspruchshindernd ist vielmehr, wie der erkennende Senat bereits entschieden hat, erst ein unbedingtes Verpflichtungsgeschäft im Verhältnis zwischen Versichertem und Leistungserbringer (vgl BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 10 RdNr 22). Unschädlich sind danach Auswahlentscheidungen, die den Versicherten nicht endgültig binden und die regelmäßig Voraussetzung für den Leistungsantrag sind, wie bei der Hörgeräteversorgung die Prüfung der Eignung und Anpassungsfähigkeit der in Betracht kommenden Geräte. Dazu gehört auch eine probeweise Hörgeräteüberlassung. Anders ist es erst dann, wenn der Versicherte bereits vor der Entscheidung des Trägers eine endgültige rechtliche Verpflichtung eingeht und der Leistungserbringer demgemäß auch im Falle der Ablehnung des Leistungsbegehrens durch den Träger die Abnahme und Bezahlung des Hilfsmittels verlangen kann. Ein solcher Leistungsausschlussgrund liegt nach den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen und den Senat deshalb bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG nicht vor. Das LSG hat vielmehr ausgeführt, dass die Klägerin die Entscheidung zur Selbstverschaffung erst deutlich nach der - in der Beschränkung auf den Festbetrag liegenden - Teil-Ablehnung der Beigeladenen vom 12.7.2006, nämlich im Oktober 2006, getroffen hat. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

45

Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die Klägerin die Entscheidung zur Selbstbeschaffung sogar auch erst nach dem Zugang des Ablehnungsbescheides der Beklagten vom 3.8.2006 getroffen hat, weil es im Hinblick auf den Kostenerstattungsanspruch nach § 15 Abs 1 S 4 Fall 2 SGB IX nur auf die rechtswidrige Leistungsablehnung durch den nach § 14 SGB IX zuständigen Rehabilitationsträger ankommt.

46

13. Die ablehnende Entscheidung der Beigeladenen war rechtswidrig, weil sie den Anspruch der Klägerin nach §§ 9, 15 SGB VI iVm § 26 Abs 2 Nr 6 und § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX unberücksichtigt gelassen hat.

47

a) Die gesetzliche Rentenversicherung erbringt als Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ua Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (§ 9 Abs 1 SGB VI), wenn die persönlichen (§ 10 SGB VI) und versicherungsrechtlichen (§ 11 SGB VI) Voraussetzungen erfüllt und die Leistungen nicht nach § 12 SGB VI ausgeschlossen sind. Diese Leistungsvoraussetzungen sind hier erfüllt.

48

Die Klägerin fällt in den persönlichen Anwendungsbereich (§ 10 SGB VI), weil sie hörbehindert ist und deshalb - wie bereits ausgeführt - typische Anforderungen ihrer Berufstätigkeit gemäß der Stellenbeschreibung ohne die notwendige Hörgeräteversorgung nicht (mehr) erfüllen konnte; dabei ist auf die konkret ausgeübte Beschäftigung - hier als Qualitätsmanagementbeauftragte eines Wohlfahrtsverbands - und nicht auf die generelle Erwerbsfähigkeit iS von § 43 Abs 2 S 2 SGB VI abzustellen. Für den Fall der Versorgung mit einem den Anforderungen ihrer Beschäftigung an die Hörfähigkeit entsprechenden Hörgerät bestand eine positive Rehabilitationsprognose. Anhaltspunkte für das Fehlen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (§ 11 SGB VI) oder einen Ausschluss der Leistungspflicht nach § 12 SGB VI bestehen nicht; dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.

49

b) Die Klägerin erfüllt zudem die besonderen Voraussetzungen der Hilfsmittelversorgung zur medizinischen Rehabilitation durch den Rentenversicherungsträger. Gemäß § 9 Abs 1 SGB VI kann die Rentenversicherung ua Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach § 15 SGB VI erbringen, für die in Abs 1 S 1 jener Vorschrift auf die rehabilitationsrechtlichen Bestimmungen der §§ 26 bis 31 SGB IX verwiesen wird. Nach § 26 Abs 1 Nr 2 SGB IX werden Leistungen zur medizinischen Rehabilitation behinderter Menschen erbracht, um Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit zu vermeiden, zu überwinden oder zu mindern. Zu diesen Leistungen gehören nach § 26 Abs 2 Nr 6 SGB IX auch Hilfsmittel, deren Erbringung wiederum in § 31 SGB IX näher geregelt ist. Hierzu zählen nach § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX ua Hilfsmittel, die unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls erforderlich sind, um eine Behinderung bei der Befriedigung von Grundbedürfnissen des täglichen Lebens auszugleichen, soweit sie nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen sind. Diese Leistungsvoraussetzungen sind ebenfalls erfüllt.

50

Als Hilfsmittel zum unmittelbaren Behinderungsausgleich dient ein Hörgerät ohne gesonderte weitere Prüfung der Befriedigung eines Grundbedürfnisses des täglichen Lebens iS von § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX, weil die Erhaltung bzw Wiederherstellung einer Körperfunktion als solche schon ein Grundbedürfnis in diesem Sinne ist(BSGE 105, 170 = SozR 4-2500 § 36 Nr 2, RdNr 15). Es kommt hingegen nicht darauf an, ob die Ausübung einer Erwerbstätigkeit ein Grundbedürfnis iS von § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX ist. Die vom erkennenden Senat im Rahmen der Anwendung von § 33 SGB V vorgenommene Begrenzung auf Nutzungsvorteile, die eine Behinderung (auch) im gesamten täglichen Leben ausgleichen oder mildern, begründet sich mit dem gegliederten System der Sozialversicherung und dient der Abgrenzung der Leistungen der Krankenkassen von denen anderer Rehabilitationsträger und kommt damit - außerhalb des Zuständigkeitsbereichs der GKV - naturgemäß nicht zur Anwendung.

51

14. Damit standen Art, Dauer, Umfang und Durchführung der Rehabilitationsleistung, dh welche Leistungen in Betracht kommen (§ 13 Abs 1 S 1 SGB VI), grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des zuständigen Leistungsträgers (BSGE 85, 298, 300 = SozR 3-2600 § 10 Nr 2 S 3; BSG SozR 3-5765 § 10 Nr 1 S 3 f; BSG SozR 3-1200 § 39 Nr 1 S 3 f; BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 3 RdNr 35; BSG SozR 4-5765 § 7 Nr 1 RdNr 11; BSG Urteil vom 12.12.2011 - B 13 R 21/10 R - Juris RdNr 27; stRspr). Es kann dahingestellt bleiben, ob die fehlende Möglichkeit des Leistungsträgers, dieses Auswahlermessen auszuüben, das Entstehen des Kostenerstattungsanspruchs im Einzelfall hindern könnte. Denn nach den nicht angegriffenen und damit bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG war die Versorgung der Klägerin mit dem Premiumhörgerät zur Fortsetzung ihrer Erwerbstätigkeit zwingend erforderlich, sodass eine sog "Ermessensreduzierung auf Null" vorliegt. Damit sind die der Klägerin entstandenen Kosten in Höhe von 1956,90 Euro auch erforderlich iS von § 15 Abs 1 S 3 SGB IX. Die Klägerin hat somit materiell-rechtlich gegen die Beigeladene Anspruch auf Erstattung der den Festbetrag übersteigenden Kosten der von ihr gewählten notwendigen Hörgeräteversorgung.

52

15. Die Beigeladene hätte somit bei rechtmäßigem Verfahrensablauf dem Antrag der Klägerin auf Gewährung des erforderlichen neuen Hörgeräts in Premiumausführung stattgeben müssen, und zwar einerseits als originär zuständiger Krankenversicherungsträger in Höhe des Festbetrags (§ 36 iVm § 12 Abs 2 SGB V), weil das Hörgerät als Ersatz für das unbrauchbar gewordene alte Gerät dient und trotz seiner berufsbedingt erforderlichen aufwändigen Ausstattung auch im Alltagsleben benutzt wird (§ 33 SGB V), und andererseits als erstangegangener Rehabilitationsträger (§ 14 SGB IX) in Höhe der Mehrkosten, weil sie auch für die rentenversicherungsrechtlichen Ansprüche zuständig geworden ist und das Hörgerät zur Berufsausübung als Hilfsmittel zur medizinischen Rehabilitation im Zuge der Teilhabe am Arbeitsleben benötigt wird (§§ 9, 15 SGB VI iVm § 26 Abs 2 Nr 6 und § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX). Die Zuständigkeit nach § 14 SGB IX hätte die Beigeladene dadurch vermeiden können, dass sie innerhalb der Prüfungsfrist des § 14 Abs 1 S 1 und 2 SGB IX zugleich mit der Bewilligung des Festbetrags den Leistungsantrag hinsichtlich der Mehrkosten an die Beklagte als insoweit zuständigen Rentenversicherungsträger weitergeleitet hätte.

53

Dieses Nebeneinander von zwei sozialversicherungsrechtlichen Zuständigkeiten für eine einheitliche Sozialleistung ist sachlich geboten und im Hilfsmittelbereich auch nicht systemfremd. Wählt ein Versicherter ein zum Behinderungsausgleich geeignetes Hilfsmittel in einer über das medizinisch Notwendige hinausgehenden aufwändigeren Ausführung, trägt die Krankenkasse nur die Kosten des Hilfsmittels in der notwendigen Ausstattung, während die Mehrkosten grundsätzlich vom Versicherten selbst zu tragen sind (§ 33 Abs 1 S 5 SGB V und § 31 Abs 3 SGB IX). Ist die höherwertige Ausstattung dagegen zwar nicht für den Alltagsgebrauch, wohl aber aus rein beruflichen Gründen erforderlich, fallen die Mehrkosten, die sonst der Versicherte selbst tragen müsste, dem Rentenversicherungsträger zur Last. Für medizinische Hilfsmittel (§ 33 SGB V), die zugleich Pflegehilfsmittel sind (§ 40 Abs 1 SGB XI) und deswegen als Hilfsmittel mit Doppelfunktion sowohl von den Krankenkassen als auch von den Pflegekassen zu finanzieren sind, hat der Gesetzgeber einen eigenständigen Finanzausgleich nach § 40 Abs 5 SGB XI geschaffen.

54

16. Die Verurteilung der Beigeladenen zur Erstattung des Betrages von 1956,90 Euro ist nach § 75 Abs 5 SGG möglich. Insbesondere besteht die hierfür nötige Wechselwirkung, weil der streitige Anspruch sich nur entweder gegen die Beklagte oder gegen die Beigeladene richten kann.

55

Der Verurteilung der Beigeladenen steht auch nicht ihre Entscheidung vom 12.7.2006 entgegen, dem Leistungsantrag der Klägerin nur in Form des Festbetrags (§ 36 iVm § 12 Abs 2 SGB V) stattzugeben, die Übernahme der darüber hinausgehenden Kosten aber abzulehnen; denn diese Entscheidung ist im Verhältnis zur Klägerin nicht in Bestandskraft erwachsen.

56

a) Bei dieser Entscheidung der Beigeladenen handelt es sich um einen Verwaltungsakt (§ 31 SGB X), der zwar dem Hörakustiker entsprechend den vertraglichen Regelungen (vgl § 4 Nr 1 des Vertrages) in Gestalt eines formlosen Bewilligungsschreibens zur Kenntnis gegeben worden ist, nicht aber als förmlicher, mit einer Rechtsmittelbelehrung versehener Bescheid der Klägerin zugesandt oder auf andere Weise bekannt gegeben worden ist, wie es § 37 SGB X verlangt. Dennoch ist der Verwaltungsakt gegenüber der Klägerin wirksam geworden, weil offensichtlich der Hörakustiker die Klägerin im Zeitraum zwischen dem 12. und 25.7.2006 über die Entscheidung der Beigeladenen, nur den Festbetrag zu zahlen, unterrichtet hat. Mit dieser - von der Beigeladenen auch so gewollten - Unterrichtung ist der Verwaltungsakt der Klägerin bekannt gegeben und damit auch wirksam geworden (§ 39 Abs 1 SGB X). Nicht nachvollziehbar ist allerdings, weshalb die Beigeladene ihre Entscheidung nicht in Form eines ordnungsgemäßen Bescheids bekannt gegeben hat (§ 37 SGB X).

57

b) Dieser Verwaltungsakt hat gegenüber der Klägerin keine Bestandskraft erlangt (§ 77 SGG). Zwar hat die Klägerin gegen die Entscheidung bei der Beigeladenen nicht ausdrücklich Widerspruch erhoben (§ 83 SGG). Sie hat aber mit ihrer Antragstellung bei der Beklagten am 25.7.2006, die als unmittelbare Reaktion auf die kurz zuvor erhaltene Mitteilung über die Leistungsbegrenzung auf den Festbetrag zu werten ist, deutlich gemacht, mit dieser Leistungsbegrenzung nicht einverstanden zu sein.

58

Diesen Antrag, der inhaltlich nichts anderes ist als die Einwendung gegen die Leistungsbegrenzung auf den Festbetrag, muss sich die Beigeladene nach der Zielsetzung des § 14 SGB IX als Rechtsbehelf gegen ihre Entscheidung zurechnen lassen. Ziel des § 14 SGB IX ist es, im Interesse des behinderten Menschen durch die rasche Klärung von Zuständigkeiten Nachteilen des gegliederten Systems entgegenzuwirken(BT-Drucks 14/5074 S 102). Ein möglicher Nachteil des gegliederten Systems ist es, dass der behinderte Mensch die von ihm begehrte Rehabilitationsleistung bei allen in Betracht kommenden Leistungsträgern verfolgen und dabei ggf eine Vielzahl von Verwaltungs- und weitergehenden Rechtsbehelfsverfahren führen muss, um keinen Nachteil zu erleiden. Diesem "Systemmangel" begegnet § 14 SGB IX erstens durch die Verpflichtung des erstangegangenen Leistungsträgers, kurzfristig die Zuständigkeit zu prüfen, um zweitens den Antrag an den für zuständig erkannten anderen Träger weiterzuleiten oder anderenfalls selbst umfassend zu prüfen. Für den behinderten Menschen soll es einen Antrag bzw ein Antragsverfahren mit einer abschließenden Verwaltungsentscheidung geben. Lässt aber der erstangegangene Leistungsträger - wie hier - die Vorgaben des § 14 SGB IX unberücksichtigt, sodass sich der behinderte Mensch selbst auf die Suche nach einem ggf anderweitig zuständigen Rehabilitationsträger macht, müssen - um der Zielsetzung des § 14 SGB IX zu entsprechen, keinen Nachteil durch das gegliederte System auszulösen - die von ihm angestoßenen Verwaltungsverfahren rechtstechnisch als ein einheitliches Verwaltungsverfahren angesehen werden. Dies muss zumindest dann gelten, wenn - wie im vorliegenden Fall - der erstangegangene Leistungsträger seine Ablehnungsentscheidung nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen hat, sodass für den behinderten Menschen nicht erkennbar ist, welche Maßnahmen er treffen muss, um seine Rechte weiterverfolgen zu können.

59

Geht man aber von einem einheitlichen Verwaltungsverfahren aus, das bei der Beigeladenen begonnen und durch die Antragstellung bei der Beklagten fortgeführt wurde, muss der Antrag der Klägerin vom 25.7.2006 auf Versorgung mit dem Premiumhörgerät zumindest auch als Widerspruch gegen die entsprechend ablehnende Entscheidung der Beigeladenen vom 12.7.2006 angesehen werden, sodass diese Entscheidung nicht bestandskräftig werden konnte. Der fehlende Abschluss des Widerspruchsverfahrens hindert eine Verurteilung der Beigeladenen im vorliegenden Rechtsstreit nicht (Leitherer, aaO, § 75 RdNr 18b unter Hinweis auf BSG SozR Nr 27 zu § 75 SGG).

60

17. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Die Leistungserbringer im Bereich der Heil- und Hilfsmittel sowie der digitalen Gesundheitsanwendungen und die weiteren Leistungserbringer sind verpflichtet, den Krankenkassen im Wege elektronischer Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Datenträgern die von ihnen erbrachten Leistungen nach Art, Menge und Preis zu bezeichnen und den Tag der Leistungserbringung sowie die Arztnummer des verordnenden Arztes, die Verordnung des Arztes mit der Diagnose und den erforderlichen Angaben über den Befund und die Angaben nach § 291a Absatz 2 Nummer 1 bis 10 anzugeben; bei der Abrechnung über die Abgabe von Hilfsmitteln sind dabei die Bezeichnungen des Hilfsmittelverzeichnisses nach § 139 zu verwenden und die Höhe der mit dem Versicherten abgerechneten Mehrkosten nach § 33 Absatz 1 Satz 9 anzugeben. Bei der Abrechnung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 sowie der außerklinischen Intensivpflege nach § 37c ist zusätzlich zu den Angaben nach Satz 1 die Zeit der Leistungserbringung und nach § 293 Absatz 8 Satz 11 spätestens ab dem 1. Januar 2023 die Beschäftigtennummer der Person, die die Leistung erbracht hat, anzugeben.

(2) Das Nähere über Form und Inhalt des Abrechnungsverfahrens bestimmt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen in Richtlinien, die in den Leistungs- oder Lieferverträgen zu beachten sind. Die Leistungserbringer nach Absatz 1 können zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen Rechenzentren in Anspruch nehmen. Die Rechenzentren dürfen die ihnen hierzu übermittelten Daten für im Sozialgesetzbuch bestimmte Zwecke und nur in einer auf diese Zwecke ausgerichteten Weise verarbeiten, soweit sie dazu von einer berechtigten Stelle beauftragt worden sind; anonymisierte Daten dürfen auch für andere Zwecke verarbeitet werden. Die Rechenzentren dürfen die Daten nach Absatz 1 den Kassenärztlichen Vereinigungen übermitteln, soweit diese Daten zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach § 73 Absatz 8 und § 84 erforderlich sind. Soweit die Daten nach Absatz 1 für die Aufgabenerfüllung nach § 305a erforderlich sind, haben die Rechenzentren den Kassenärztlichen Vereinigungen diese Daten auf Anforderung im Wege elektronischer Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Datenträgern zu übermitteln. § 300 Absatz 2 Satz 5 bis 7 gilt entsprechend. Im Rahmen der Abrechnung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 sowie der außerklinischen Intensivpflege nach § 37c sind vorbehaltlich des Satzes 8 von den Krankenkassen und den Leistungserbringern ab dem 1. März 2021 ausschließlich elektronische Verfahren zur Übermittlung von Abrechnungsunterlagen einschließlich des Leistungsnachweises zu nutzen, wenn der Leistungserbringer

1.
an die Telematikinfrastruktur angebunden ist,
2.
ein von der Gesellschaft für Telematik nach § 311 Absatz 6 zugelassenes Verfahren zur Übermittlung der Daten nutzt und
3.
der Krankenkasse die für die elektronische Abrechnung erforderlichen Angaben übermittelt hat.
Die Verpflichtung nach Satz 7 besteht nach Ablauf von drei Monaten, nachdem der Leistungserbringer die für die elektronische Übermittlung von Abrechnungsunterlagen erforderlichen Angaben an die Krankenkasse übermittelt hat.

(3) Die Richtlinien haben auch die Voraussetzungen und das Verfahren bei Teilnahme an einer Abrechnung im Wege elektronischer Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Datenträgern sowie bis zum 31. Dezember 2020 das Verfahren bei der Verwendung von Verordnungen in elektronischer Form zu regeln.

(4) Soweit der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die für die Wahrnehmung der Interessen der Leistungserbringer maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene in Rahmenempfehlungen oder in den Verträgen nach § 125 Regelungen zur Abrechnung der Leistungen getroffen haben, die von den Richtlinien nach den Absätzen 2 und 3 abweichen, sind die Rahmenempfehlungen oder die Verträge nach § 125 maßgeblich; dies gilt nicht für Abrechnungen nach Absatz 2 Satz 7 und 8.

(5) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen veröffentlicht erstmals bis zum 30. Juni 2018 und danach jährlich einen nach Produktgruppen differenzierten Bericht über die Entwicklung der Mehrkostenvereinbarungen für Versorgungen mit Hilfsmittelleistungen. Der Bericht informiert ohne Versicherten- oder Einrichtungsbezug insbesondere über die Zahl der abgeschlossenen Mehrkostenvereinbarungen und die durchschnittliche Höhe der mit ihnen verbundenen Aufzahlungen der Versicherten. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen bestimmt zu diesem Zweck die von seinen Mitgliedern zu übermittelnden statistischen Informationen sowie Art und Umfang der Übermittlung.

(6) Sind im Rahmen der Abrechnung nach Absatz 1 Auszahlungen für Lieferungen und Dienstleistungen durch Rechnungen des Leistungserbringers als zahlungsbegründende Unterlage zu belegen, darf die Rechnung des Leistungserbringers durch eine von den Krankenkassen ausgestellte Rechnung (Gutschrift) ersetzt werden, wenn dies zuvor zwischen dem Leistungserbringer und der Krankenkasse vereinbart wurde. Die Krankenkassen sind verpflichtet, dem Leistungserbringer die Gutschrift schriftlich oder elektronisch zur Prüfung zu übermitteln. Widerspricht der Leistungserbringer der von der Krankenkasse übermittelten Gutschrift, verliert diese ihre Wirkung als zahlungsbegründende Unterlage. Das Nähere zu dem Verfahren nach den Sätzen 1 bis 3 einschließlich einer zeitlichen Begrenzung des Widerspruchsrechts der Leistungserbringer regelt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen in seinen Richtlinien nach Absatz 2 Satz 1.

(1) Anträge auf Sozialleistungen sind beim zuständigen Leistungsträger zu stellen. Sie werden auch von allen anderen Leistungsträgern, von allen Gemeinden und bei Personen, die sich im Ausland aufhalten, auch von den amtlichen Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland entgegengenommen.

(2) Anträge, die bei einem unzuständigen Leistungsträger, bei einer für die Sozialleistung nicht zuständigen Gemeinde oder bei einer amtlichen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland gestellt werden, sind unverzüglich an den zuständigen Leistungsträger weiterzuleiten. Ist die Sozialleistung von einem Antrag abhängig, gilt der Antrag als zu dem Zeitpunkt gestellt, in dem er bei einer der in Satz 1 genannten Stellen eingegangen ist.

(3) Die Leistungsträger sind verpflichtet, darauf hinzuwirken, daß unverzüglich klare und sachdienliche Anträge gestellt und unvollständige Angaben ergänzt werden.

(1) Stellt der leistende Rehabilitationsträger fest, dass der Antrag neben den nach seinem Leistungsgesetz zu erbringenden Leistungen weitere Leistungen zur Teilhabe umfasst, für die er nicht Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 sein kann, leitet er den Antrag insoweit unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu. Dieser entscheidet über die weiteren Leistungen nach den für ihn geltenden Leistungsgesetzen in eigener Zuständigkeit und unterrichtet hierüber den Antragsteller.

(2) Hält der leistende Rehabilitationsträger für die umfassende Feststellung des Rehabilitationsbedarfs nach § 14 Absatz 2 die Feststellungen weiterer Rehabilitationsträger für erforderlich und liegt kein Fall nach Absatz 1 vor, fordert er von diesen Rehabilitationsträgern die für den Teilhabeplan nach § 19 erforderlichen Feststellungen unverzüglich an und berät diese nach § 19 trägerübergreifend. Die Feststellungen binden den leistenden Rehabilitationsträger bei seiner Entscheidung über den Antrag, wenn sie innerhalb von zwei Wochen nach Anforderung oder im Fall der Begutachtung innerhalb von zwei Wochen nach Vorliegen des Gutachtens beim leistenden Rehabilitationsträger eingegangen sind. Anderenfalls stellt der leistende Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf nach allen in Betracht kommenden Leistungsgesetzen umfassend fest.

(3) Die Rehabilitationsträger bewilligen und erbringen die Leistungen nach den für sie jeweils geltenden Leistungsgesetzen im eigenen Namen, wenn im Teilhabeplan nach § 19 dokumentiert wurde, dass

1.
die erforderlichen Feststellungen nach allen in Betracht kommenden Leistungsgesetzen von den zuständigen Rehabilitationsträgern getroffen wurden,
2.
auf Grundlage des Teilhabeplans eine Leistungserbringung durch die nach den jeweiligen Leistungsgesetzen zuständigen Rehabilitationsträger sichergestellt ist und
3.
die Leistungsberechtigten einer nach Zuständigkeiten getrennten Leistungsbewilligung und Leistungserbringung nicht aus wichtigem Grund widersprechen.
Anderenfalls entscheidet der leistende Rehabilitationsträger über den Antrag in den Fällen nach Absatz 2 und erbringt die Leistungen im eigenen Namen.

(4) In den Fällen der Beteiligung von Rehabilitationsträgern nach den Absätzen 1 bis 3 ist abweichend von § 14 Absatz 2 innerhalb von sechs Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wird eine Teilhabeplankonferenz nach § 20 durchgeführt, ist innerhalb von zwei Monaten nach Antragseingang zu entscheiden. Die Antragsteller werden von dem leistenden Rehabilitationsträger über die Beteiligung von Rehabilitationsträgern sowie über die für die Entscheidung über den Antrag maßgeblichen Zuständigkeiten und Fristen unverzüglich unterrichtet.

(1) Die Träger der Rentenversicherung erbringen Leistungen zur Prävention, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, Leistungen zur Nachsorge sowie ergänzende Leistungen, um

1.
den Auswirkungen einer Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit der Versicherten vorzubeugen, entgegenzuwirken oder sie zu überwinden und
2.
dadurch Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit der Versicherten oder ihr vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu verhindern oder sie möglichst dauerhaft in das Erwerbsleben wiedereinzugliedern.
Die Leistungen zur Prävention haben Vorrang vor den Leistungen zur Teilhabe. Die Leistungen zur Teilhabe haben Vorrang vor Rentenleistungen, die bei erfolgreichen Leistungen zur Teilhabe nicht oder voraussichtlich erst zu einem späteren Zeitpunkt zu erbringen sind.

(2) Die Leistungen nach Absatz 1 sind zu erbringen, wenn die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen dafür erfüllt sind.

(1) Die Träger der Rentenversicherung erbringen im Rahmen von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation Leistungen nach den §§ 42 bis 47a des Neunten Buches, ausgenommen Leistungen nach § 42 Abs. 2 Nr. 2 und § 46 des Neunten Buches. Zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz wird nur erbracht, wenn sie unmittelbar und gezielt zur wesentlichen Besserung oder Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit, insbesondere zur Ausübung des bisherigen Berufs, erforderlich und soweit sie nicht als Leistung der Krankenversicherung oder als Hilfe nach dem Fünften Kapitel des Zwölften Buches zu erbringen ist.

(2) Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach den §§ 15, 15a und 31 Absatz 1 Nummer 2, die nach Art und Schwere der Erkrankung erforderlich sind, werden durch Rehabilitationseinrichtungen erbracht, die unter ständiger ärztlicher Verantwortung und Mitwirkung von besonders geschultem Personal entweder vom Träger der Rentenversicherung selbst oder von anderen betrieben werden und nach Absatz 4 zugelassen sind oder als zugelassen gelten (zugelassene Rehabilitationseinrichtungen). Die Rehabilitationseinrichtung braucht nicht unter ständiger ärztlicher Verantwortung zu stehen, wenn die Art der Behandlung dies nicht erfordert. Leistungen einschließlich der erforderlichen Unterkunft und Verpflegung sollen für längstens drei Wochen erbracht werden. Sie können für einen längeren Zeitraum erbracht werden, wenn dies erforderlich ist, um das Rehabilitationsziel zu erreichen.

(3) Rehabilitationseinrichtungen haben einen Anspruch auf Zulassung, wenn sie

1.
fachlich geeignet sind,
2.
sich verpflichten, an den externen Qualitätssicherungsverfahren der Deutschen Rentenversicherung Bund oder einem anderen von der Deutschen Rentenversicherung Bund anerkannten Verfahren teilzunehmen,
3.
sich verpflichten, das Vergütungssystem der Deutschen Rentenversicherung Bund anzuerkennen,
4.
den elektronischen Datenaustausch mit den Trägern der Rentenversicherung sicherstellen und
5.
die datenschutzrechtlichen Regelungen beachten und umsetzen, insbesondere den besonderen Anforderungen an den Sozialdatenschutz Rechnung tragen.
Fachlich geeignet sind Rehabilitationseinrichtungen, die zur Durchführung der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation die personellen, strukturellen und qualitativen Anforderungen erfüllen. Dabei sollen die Empfehlungen nach § 37 Absatz 1 des Neunten Buches beachtet werden. Zur Ermittlung und Bemessung einer leistungsgerechten Vergütung der Leistungen hat die Deutsche Rentenversicherung Bund ein transparentes, nachvollziehbares und diskriminierungsfreies Vergütungssystem bis zum 31. Dezember 2025 zu entwickeln, wissenschaftlich zu begleiten und zu evaluieren. Dabei hat sie tariflich vereinbarte Vergütungen sowie entsprechende Vergütungen nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen zu beachten.

(4) Mit der Zulassungsentscheidung wird die Rehabilitationseinrichtung für die Dauer der Zulassung zur Erbringung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zugelassen. Für Rehabilitationseinrichtungen, die vom Träger der Rentenversicherung selbst betrieben werden oder zukünftig vom Träger der Rentenversicherung selbst betrieben werden, gilt die Zulassung als erteilt.

(5) Der federführende Träger der Rentenversicherung entscheidet über die Zulassung von Rehabilitationseinrichtungen auf deren Antrag. Federführend ist der Träger der Rentenversicherung, der durch die beteiligten Träger der Rentenversicherung vereinbart wird. Er steuert den Prozess der Zulassung in allen Verfahrensschritten und trifft mit Wirkung für alle Träger der Rentenversicherung Entscheidungen. Die Entscheidung zur Zulassung ist im Amtsblatt der Europäischen Union zu veröffentlichen. Die Zulassungsentscheidung bleibt wirksam, bis sie durch eine neue Zulassungsentscheidung abgelöst oder widerrufen wird. Die Zulassungsentscheidung nach Absatz 4 Satz 1 oder die fiktive Zulassung nach Absatz 4 Satz 2 kann jeweils widerrufen werden, wenn die Rehabilitationseinrichtung die Anforderungen nach Absatz 3 Satz 1 nicht mehr erfüllt. Widerspruch und Klage gegen den Widerruf der Zulassungsentscheidung haben keine aufschiebende Wirkung.

(6) Die Inanspruchnahme einer zugelassenen Rehabilitationseinrichtung, in der die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation entsprechend ihrer Form auch einschließlich der erforderlichen Unterkunft und Verpflegung erbracht werden, erfolgt durch einen Vertrag. Der federführende Träger der Rentenversicherung schließt mit Wirkung für alle Träger der Rentenversicherung den Vertrag mit der zugelassenen Rehabilitationseinrichtung ab. Der Vertrag begründet keinen Anspruch auf Inanspruchnahme durch den Träger der Rentenversicherung.

(6a) Der Versicherte kann dem zuständigen Träger der Rentenversicherung Rehabilitationseinrichtungen vorschlagen. Der zuständige Träger der Rentenversicherung prüft, ob die von dem Versicherten vorgeschlagenen Rehabilitationseinrichtungen die Leistung in der nachweislich besten Qualität erbringen. Erfüllen die vom Versicherten vorgeschlagenen Rehabilitationseinrichtungen die objektiven sozialmedizinischen Kriterien für die Bestimmung einer Rehabilitationseinrichtung, weist der zuständige Träger der Rentenversicherung dem Versicherten eine Rehabilitationseinrichtung zu. Liegt ein Vorschlag des Versicherten nach Satz 1 nicht vor oder erfüllen die vom Versicherten vorgeschlagenen Rehabilitationseinrichtungen die objektiven sozialmedizinischen Kriterien für die Bestimmung einer Rehabilitationseinrichtung nicht, hat der zuständige Träger der Rentenversicherung dem Versicherten unter Darlegung der ergebnisrelevanten objektiven Kriterien Rehabilitationseinrichtungen vorzuschlagen. Der Versicherte ist berechtigt, unter den von dem zuständigen Träger der Rentenversicherung vorgeschlagenen Rehabilitationseinrichtungen innerhalb von 14 Tagen auszuwählen.

(7) Die Deutsche Rentenversicherung Bund ist verpflichtet, die Daten der externen Qualitätssicherung zu veröffentlichen und den Trägern der Rentenversicherung als Grundlage für die Inanspruchnahme einer Rehabilitationseinrichtung sowie den Versicherten in einer wahrnehmbaren Form zugänglich zu machen.

(8) Die Rehabilitationseinrichtung hat gegen den jeweiligen Träger der Rentenversicherung einen Anspruch auf Vergütung nach Absatz 9 Satz 1 Nummer 2 der gegenüber dem Versicherten erbrachten Leistungen. Der federführende Träger der Rentenversicherung vereinbart mit der Rehabilitationseinrichtung den Vergütungssatz; dabei sind insbesondere zu beachten:

1.
leistungsspezifische Besonderheiten, Innovationen, neue Konzepte, Methoden,
2.
der regionale Faktor und
3.
tariflich vereinbarte Vergütungen sowie entsprechende Vergütungen nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen.

(9) Die Deutsche Rentenversicherung Bund hat in Wahrnehmung der ihr nach § 138 Absatz 1 Satz 2 Nummer 4a zugewiesenen Aufgaben für alle Rehabilitationseinrichtungen, die entweder vom Träger der Rentenversicherung selbst oder von anderen betrieben werden, folgende verbindliche Entscheidungen herbeizuführen:

1.
zur näheren inhaltlichen Ausgestaltung der Anforderungen nach Absatz 3 für die Zulassung einer Rehabilitationseinrichtung für die Erbringung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation,
2.
zu einem verbindlichen, transparenten, nachvollziehbaren und diskriminierungsfreien Vergütungssystem für alle zugelassenen Rehabilitationseinrichtungen nach Absatz 3; dabei sind insbesondere zu berücksichtigen:
a)
die Indikation,
b)
die Form der Leistungserbringung,
c)
spezifische konzeptuelle Aspekte und besondere medizinische Bedarfe,
d)
ein geeignetes Konzept der Bewertungsrelationen zur Gewichtung der Rehabilitationsleistungen und
e)
eine geeignete Datengrundlage für die Kalkulation der Bewertungsrelationen,
3.
zu den objektiven sozialmedizinischen Kriterien, die für die Bestimmung einer Rehabilitationseinrichtung im Rahmen einer Inanspruchnahme nach Absatz 6 maßgebend sind, um die Leistung für den Versicherten in der nachweislich besten Qualität zu erbringen; dabei sind insbesondere zu berücksichtigen:
a)
die Indikation,
b)
die Nebenindikation,
c)
die unabdingbaren Sonderanforderungen,
d)
die Qualität der Rehabilitationseinrichtung,
e)
die Entfernung zum Wohnort und
f)
die Wartezeit bis zur Aufnahme;
das Wunsch- und Wahlrecht der Versicherten nach § 8 des Neunten Buches sowie der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sind zu berücksichtigen,
4.
zum näheren Inhalt und Umfang der Daten der externen Qualitätssicherung bei den zugelassenen Rehabilitationseinrichtungen nach Absatz 7 und deren Form der Veröffentlichung; dabei sollen die Empfehlungen nach § 37 Absatz 1 des Neunten Buches beachtet werden.
Die verbindlichen Entscheidungen zu Satz 1 Nummer 1 bis 4 erfolgen bis zum 30. Juni 2023. Die für die Wahrnehmung der Interessen der Rehabilitationseinrichtungen maßgeblichen Vereinigungen der Rehabilitationseinrichtungen und die für die Wahrnehmung der Interessen der Rehabilitandinnen und Rehabilitanden maßgeblichen Verbände erhalten die Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Stellungnahmen sind bei der Beschlussfassung durch eine geeignete Organisationsform mit dem Ziel einzubeziehen, eine konsensuale Regelung zu erreichen.

(10) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales untersucht die Wirksamkeit der Regelungen nach den Absätzen 3 bis 9 ab dem 1. Januar 2026.

(1) Die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 bis 5 vereinbaren zur Sicherung der Zusammenarbeit nach § 25 Absatz 1 gemeinsame Empfehlungen.

(2) Die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 bis 5 vereinbaren darüber hinaus gemeinsame Empfehlungen,

1.
welche Maßnahmen nach § 3 geeignet sind, um den Eintritt einer Behinderung zu vermeiden,
2.
in welchen Fällen und in welcher Weise rehabilitationsbedürftigen Menschen notwendige Leistungen zur Teilhabe angeboten werden, insbesondere, um eine durch eine Chronifizierung von Erkrankungen bedingte Behinderung zu verhindern,
3.
über die einheitliche Ausgestaltung des Teilhabeplanverfahrens,
4.
in welcher Weise die Bundesagentur für Arbeit nach § 54 zu beteiligen ist,
5.
wie Leistungen zur Teilhabe nach den §§ 14 und 15 koordiniert werden,
6.
in welcher Weise und in welchem Umfang Selbsthilfegruppen, -organisationen und -kontaktstellen, die sich die Prävention, Rehabilitation, Früherkennung und Bewältigung von Krankheiten und Behinderungen zum Ziel gesetzt haben, gefördert werden,
7.
für Grundsätze der Instrumente zur Ermittlung des Rehabilitationsbedarfs nach § 13,
8.
in welchen Fällen und in welcher Weise der behandelnde Hausarzt oder Facharzt und der Betriebs- oder Werksarzt in die Einleitung und Ausführung von Leistungen zur Teilhabe einzubinden sind,
9.
zu einem Informationsaustausch mit Beschäftigten mit Behinderungen, Arbeitgebern und den in § 166 genannten Vertretungen zur möglichst frühzeitigen Erkennung des individuellen Bedarfs voraussichtlich erforderlicher Leistungen zur Teilhabe sowie
10.
über ihre Zusammenarbeit mit Sozialdiensten und vergleichbaren Stellen.

(3) Bestehen für einen Rehabilitationsträger Rahmenempfehlungen auf Grund gesetzlicher Vorschriften und soll bei den gemeinsamen Empfehlungen von diesen abgewichen werden oder sollen die gemeinsamen Empfehlungen Gegenstände betreffen, die nach den gesetzlichen Vorschriften Gegenstand solcher Rahmenempfehlungen werden sollen, stellt der Rehabilitationsträger das Einvernehmen mit den jeweiligen Partnern der Rahmenempfehlungen sicher.

(4) Die Träger der Renten-, Kranken- und Unfallversicherung können sich bei der Vereinbarung der gemeinsamen Empfehlungen durch ihre Spitzenverbände vertreten lassen. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen schließt die gemeinsamen Empfehlungen auch als Spitzenverband Bund der Pflegekassen ab, soweit die Aufgaben der Pflegekassen von den gemeinsamen Empfehlungen berührt sind.

(5) An der Vorbereitung der gemeinsamen Empfehlungen werden die Träger der Eingliederungshilfe und der öffentlichen Jugendhilfe über die Bundesvereinigung der Kommunalen Spitzenverbände, die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe, die Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter sowie die Integrationsämter in Bezug auf Leistungen und sonstige Hilfen für schwerbehinderte Menschen nach Teil 3 über die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen beteiligt. Die Träger der Eingliederungshilfe und der öffentlichen Jugendhilfe orientieren sich bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach diesem Buch an den vereinbarten Empfehlungen oder können diesen beitreten.

(6) Die Verbände von Menschen mit Behinderungen einschließlich der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege, der Selbsthilfegruppen und der Interessenvertretungen von Frauen mit Behinderungen sowie die für die Wahrnehmung der Interessen der ambulanten und stationären Rehabilitationseinrichtungen auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenverbände werden an der Vorbereitung der gemeinsamen Empfehlungen beteiligt. Ihren Anliegen wird bei der Ausgestaltung der Empfehlungen nach Möglichkeit Rechnung getragen. Die Empfehlungen berücksichtigen auch die besonderen Bedürfnisse von Frauen und Kindern mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohter Frauen und Kinder.

(7) Die beteiligten Rehabilitationsträger vereinbaren die gemeinsamen Empfehlungen im Rahmen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation im Benehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und den Ländern auf der Grundlage eines von ihnen innerhalb der Bundesarbeitsgemeinschaft vorbereiteten Vorschlags. Der oder die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit wird beteiligt. Hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu einem Vorschlag aufgefordert, legt die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation den Vorschlag innerhalb von sechs Monaten vor. Dem Vorschlag wird gefolgt, wenn ihm berechtigte Interessen eines Rehabilitationsträgers nicht entgegenstehen. Einwände nach Satz 4 sind innerhalb von vier Wochen nach Vorlage des Vorschlags auszuräumen.

(8) Die Rehabilitationsträger teilen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation alle zwei Jahre ihre Erfahrungen mit den gemeinsamen Empfehlungen mit, die Träger der Renten-, Kranken- und Unfallversicherung über ihre Spitzenverbände. Die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation stellt dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und den Ländern eine Zusammenfassung zur Verfügung.

(9) Die gemeinsamen Empfehlungen können durch die regional zuständigen Rehabilitationsträger konkretisiert werden.

Sach- und Dienstleistungen können auch im Ausland erbracht werden, wenn sie dort bei zumindest gleicher Qualität und Wirksamkeit wirtschaftlicher ausgeführt werden können. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben können im grenznahen Ausland auch ausgeführt werden, wenn sie für die Aufnahme oder Ausübung einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit erforderlich sind.

(1) Werden Leistungen zur Teilhabe beantragt, stellt der Rehabilitationsträger innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist; bei den Krankenkassen umfasst die Prüfung auch die Leistungspflicht nach § 40 Absatz 4 des Fünften Buches. Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung insgesamt nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu und unterrichtet hierüber den Antragsteller. Muss für eine solche Feststellung die Ursache der Behinderung geklärt werden und ist diese Klärung in der Frist nach Satz 1 nicht möglich, soll der Antrag unverzüglich dem Rehabilitationsträger zugeleitet werden, der die Leistung ohne Rücksicht auf die Ursache der Behinderung erbringt. Wird der Antrag bei der Bundesagentur für Arbeit gestellt, werden bei der Prüfung nach den Sätzen 1 und 2 keine Feststellungen nach § 11 Absatz 2a Nummer 1 des Sechsten Buches und § 22 Absatz 2 des Dritten Buches getroffen.

(2) Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf anhand der Instrumente zur Bedarfsermittlung nach § 13 unverzüglich und umfassend fest und erbringt die Leistungen (leistender Rehabilitationsträger). Muss für diese Feststellung kein Gutachten eingeholt werden, entscheidet der leistende Rehabilitationsträger innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang. Ist für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs ein Gutachten erforderlich, wird die Entscheidung innerhalb von zwei Wochen nach Vorliegen des Gutachtens getroffen. Wird der Antrag weitergeleitet, gelten die Sätze 1 bis 3 für den Rehabilitationsträger, an den der Antrag weitergeleitet worden ist, entsprechend; die Frist beginnt mit dem Antragseingang bei diesem Rehabilitationsträger. In den Fällen der Anforderung einer gutachterlichen Stellungnahme bei der Bundesagentur für Arbeit nach § 54 gilt Satz 3 entsprechend.

(3) Ist der Rehabilitationsträger, an den der Antrag nach Absatz 1 Satz 2 weitergeleitet worden ist, nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung insgesamt nicht zuständig, kann er den Antrag im Einvernehmen mit dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger an diesen weiterleiten, damit von diesem als leistendem Rehabilitationsträger über den Antrag innerhalb der bereits nach Absatz 2 Satz 4 laufenden Fristen entschieden wird und unterrichtet hierüber den Antragsteller.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten sinngemäß, wenn der Rehabilitationsträger Leistungen von Amts wegen erbringt. Dabei tritt an die Stelle des Tages der Antragstellung der Tag der Kenntnis des voraussichtlichen Rehabilitationsbedarfs.

(5) Für die Weiterleitung des Antrages ist § 16 Absatz 2 Satz 1 des Ersten Buches nicht anzuwenden, wenn und soweit Leistungen zur Teilhabe bei einem Rehabilitationsträger beantragt werden.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind. Die Hilfsmittel müssen mindestens die im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 2 festgelegten Anforderungen an die Qualität der Versorgung und der Produkte erfüllen, soweit sie im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 1 gelistet oder von den dort genannten Produktgruppen erfasst sind. Der Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich hängt bei stationärer Pflege nicht davon ab, in welchem Umfang eine Teilhabe am Leben der Gemeinschaft noch möglich ist; die Pflicht der stationären Pflegeeinrichtungen zur Vorhaltung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln, die für den üblichen Pflegebetrieb jeweils notwendig sind, bleibt hiervon unberührt. Für nicht durch Satz 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 Abs. 1 unberührt. Der Anspruch umfasst auch zusätzlich zur Bereitstellung des Hilfsmittels zu erbringende, notwendige Leistungen wie die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Ein Anspruch besteht auch auf solche Hilfsmittel, die eine dritte Person durch einen Sicherheitsmechanismus vor Nadelstichverletzungen schützen, wenn der Versicherte selbst nicht zur Anwendung des Hilfsmittels in der Lage ist und es hierfür einer Tätigkeit der dritten Person bedarf, bei der durch mögliche Stichverletzungen eine Infektionsgefahr besteht oder angenommen werden kann. Zu diesen Tätigkeiten gehören insbesondere Blutentnahmen und Injektionen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 bis zum 31. Januar 2020 die Tätigkeiten, bei denen eine erhöhte Infektionsgefährdung angenommen werden kann. Wählen Versicherte Hilfsmittel oder zusätzliche Leistungen, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen, haben sie die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Folgekosten selbst zu tragen. § 18 Absatz 6a des Elften Buches ist zu beachten.

(2) Versicherte haben bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen entsprechend den Voraussetzungen nach Absatz 1. Für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, besteht der Anspruch auf Sehhilfen, wenn sie

1.
nach ICD 10-GM 2017 auf Grund ihrer Sehbeeinträchtigung oder Blindheit bei bestmöglicher Brillenkorrektur auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 oder
2.
einen verordneten Fern-Korrekturausgleich für einen Refraktionsfehler von mehr als 6 Dioptrien bei Myopie oder Hyperopie oder mehr als 4 Dioptrien bei Astigmatismus
aufweisen; Anspruch auf therapeutische Sehhilfen besteht, wenn diese der Behandlung von Augenverletzungen oder Augenerkrankungen dienen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen therapeutische Sehhilfen verordnet werden. Der Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen umfaßt nicht die Kosten des Brillengestells.

(3) Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen besteht für anspruchsberechtigte Versicherte nach Absatz 2 nur in medizinisch zwingend erforderlichen Ausnahmefällen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen Kontaktlinsen verordnet werden. Wählen Versicherte statt einer erforderlichen Brille Kontaktlinsen und liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht vor, zahlt die Krankenkasse als Zuschuß zu den Kosten von Kontaktlinsen höchstens den Betrag, den sie für eine erforderliche Brille aufzuwenden hätte. Die Kosten für Pflegemittel werden nicht übernommen.

(4) Ein erneuter Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen nach Absatz 2 besteht für Versicherte, die das vierzehnte Lebensjahr vollendet haben, nur bei einer Änderung der Sehfähigkeit um mindestens 0,5 Dioptrien; für medizinisch zwingend erforderliche Fälle kann der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Ausnahmen zulassen.

(5) Die Krankenkasse kann den Versicherten die erforderlichen Hilfsmittel auch leihweise überlassen. Sie kann die Bewilligung von Hilfsmitteln davon abhängig machen, daß die Versicherten sich das Hilfsmittel anpassen oder sich in seinem Gebrauch ausbilden lassen.

(5a) Eine vertragsärztliche Verordnung ist für die Beantragung von Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 nur erforderlich, soweit eine erstmalige oder erneute ärztliche Diagnose oder Therapieentscheidung medizinisch geboten ist. Abweichend von Satz 1 können die Krankenkassen eine vertragsärztliche Verordnung als Voraussetzung für die Kostenübernahme verlangen, soweit sie auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichtet haben. § 18 Absatz 6a und § 40 Absatz 6 des Elften Buches sind zu beachten.

(5b) Sofern die Krankenkassen nicht auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichten, haben sie den Antrag auf Bewilligung eines Hilfsmittels mit eigenem weisungsgebundenem Personal zu prüfen. Sie können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst vor Bewilligung eines Hilfsmittels nach § 275 Absatz 3 Nummer 1 prüfen lassen, ob das Hilfsmittel erforderlich ist. Eine Beauftragung Dritter ist nicht zulässig.

(6) Die Versicherten können alle Leistungserbringer in Anspruch nehmen, die Vertragspartner ihrer Krankenkasse sind. Vertragsärzte oder Krankenkassen dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder Verordnungen bestimmten Leistungserbringern zuweisen, noch die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einem bestimmten Leistungserbringer einzulösen. Die Sätze 1 und 2 gelten auch bei der Einlösung von elektronischen Verordnungen.

(7) Die Krankenkasse übernimmt die jeweils vertraglich vereinbarten Preise.

(8) Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegebenen Hilfsmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag zu dem von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrag an die abgebende Stelle. Der Vergütungsanspruch nach Absatz 7 verringert sich um die Zuzahlung; § 43c Abs. 1 Satz 2 findet keine Anwendung. Die Zuzahlung bei zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln beträgt 10 vom Hundert des insgesamt von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrags, jedoch höchstens 10 Euro für den gesamten Monatsbedarf.

(9) Absatz 1 Satz 9 gilt entsprechend für Intraokularlinsen beschränkt auf die Kosten der Linsen.

Eltern, Vormünder, Pfleger und Betreuer, die bei den ihnen anvertrauten Personen Beeinträchtigungen (§ 2 Absatz 1) wahrnehmen oder durch die in § 34 genannten Personen hierauf hingewiesen werden, sollen im Rahmen ihres Erziehungs- oder Betreuungsauftrags diese Personen einer Beratungsstelle nach § 32 oder einer sonstigen Beratungsstelle für Rehabilitation zur Beratung über die geeigneten Leistungen zur Teilhabe vorstellen.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten.

Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten.

(1) Werden Leistungen zur Teilhabe beantragt, stellt der Rehabilitationsträger innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist; bei den Krankenkassen umfasst die Prüfung auch die Leistungspflicht nach § 40 Absatz 4 des Fünften Buches. Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung insgesamt nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu und unterrichtet hierüber den Antragsteller. Muss für eine solche Feststellung die Ursache der Behinderung geklärt werden und ist diese Klärung in der Frist nach Satz 1 nicht möglich, soll der Antrag unverzüglich dem Rehabilitationsträger zugeleitet werden, der die Leistung ohne Rücksicht auf die Ursache der Behinderung erbringt. Wird der Antrag bei der Bundesagentur für Arbeit gestellt, werden bei der Prüfung nach den Sätzen 1 und 2 keine Feststellungen nach § 11 Absatz 2a Nummer 1 des Sechsten Buches und § 22 Absatz 2 des Dritten Buches getroffen.

(2) Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf anhand der Instrumente zur Bedarfsermittlung nach § 13 unverzüglich und umfassend fest und erbringt die Leistungen (leistender Rehabilitationsträger). Muss für diese Feststellung kein Gutachten eingeholt werden, entscheidet der leistende Rehabilitationsträger innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang. Ist für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs ein Gutachten erforderlich, wird die Entscheidung innerhalb von zwei Wochen nach Vorliegen des Gutachtens getroffen. Wird der Antrag weitergeleitet, gelten die Sätze 1 bis 3 für den Rehabilitationsträger, an den der Antrag weitergeleitet worden ist, entsprechend; die Frist beginnt mit dem Antragseingang bei diesem Rehabilitationsträger. In den Fällen der Anforderung einer gutachterlichen Stellungnahme bei der Bundesagentur für Arbeit nach § 54 gilt Satz 3 entsprechend.

(3) Ist der Rehabilitationsträger, an den der Antrag nach Absatz 1 Satz 2 weitergeleitet worden ist, nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung insgesamt nicht zuständig, kann er den Antrag im Einvernehmen mit dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger an diesen weiterleiten, damit von diesem als leistendem Rehabilitationsträger über den Antrag innerhalb der bereits nach Absatz 2 Satz 4 laufenden Fristen entschieden wird und unterrichtet hierüber den Antragsteller.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten sinngemäß, wenn der Rehabilitationsträger Leistungen von Amts wegen erbringt. Dabei tritt an die Stelle des Tages der Antragstellung der Tag der Kenntnis des voraussichtlichen Rehabilitationsbedarfs.

(5) Für die Weiterleitung des Antrages ist § 16 Absatz 2 Satz 1 des Ersten Buches nicht anzuwenden, wenn und soweit Leistungen zur Teilhabe bei einem Rehabilitationsträger beantragt werden.

(1) Anträge auf Sozialleistungen sind beim zuständigen Leistungsträger zu stellen. Sie werden auch von allen anderen Leistungsträgern, von allen Gemeinden und bei Personen, die sich im Ausland aufhalten, auch von den amtlichen Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland entgegengenommen.

(2) Anträge, die bei einem unzuständigen Leistungsträger, bei einer für die Sozialleistung nicht zuständigen Gemeinde oder bei einer amtlichen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland gestellt werden, sind unverzüglich an den zuständigen Leistungsträger weiterzuleiten. Ist die Sozialleistung von einem Antrag abhängig, gilt der Antrag als zu dem Zeitpunkt gestellt, in dem er bei einer der in Satz 1 genannten Stellen eingegangen ist.

(3) Die Leistungsträger sind verpflichtet, darauf hinzuwirken, daß unverzüglich klare und sachdienliche Anträge gestellt und unvollständige Angaben ergänzt werden.

Tenor

Die Revision der Beigeladenen gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 25. November 2010 wird zurückgewiesen.

Die Beigeladene trägt die Kosten der Klägerin im Revisionsverfahren. Die Beklagte trägt die durch die Rücknahme der Revision entstandenen Kosten. Im Übrigen sind im Revisionsverfahren keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Erstattung der den Festbetrag übersteigenden Kosten der Hörgeräteversorgung der Klägerin in Höhe von 1956,90 Euro, wobei die Beklagte - insoweit in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen - die Beigeladene und umgekehrt die Beigeladene die Beklagte als im Außenverhältnis zur Klägerin zuständig und passivlegitimiert ansieht.

2

Die 1965 geborene Klägerin ist bei dem beklagten Rentenversicherungsträger renten- und bei der beigeladenen Krankenkasse krankenversichert. Sie leidet an einer progredienten hochgradigen Innenohrschwerhörigkeit rechts, einer mittelgradigen Innenohrschwerhörigkeit links sowie an einem beidseitigen Tinnitus. Deshalb ist sie seit langer Zeit auf ein Hörgerät angewiesen. Sie ist Diplom-Pflegewirtin und seit Mai 2006 als Qualitätsmanagementbeauftragte bei einem Wohlfahrtsverband beschäftigt.

3

Der behandelnde Vertragsarzt verordnete der Klägerin am 9.6.2006 wegen der beidseitigen Schallempfindungsschwerhörigkeit eine Hörhilfe links, da die bisherige Hörhilfe "zu alt" sei. In der Folgezeit versorgte das Hörakustikstudio S., ein Vertragspartner der Beigeladenen iS von § 126 Abs 1 S 1 SGB V, die Klägerin mit dem Hörgerät Savia 211 (Dokumentation zur Hörgeräteanpassung vom 28.9.2006). Zuvor hatte der Leistungserbringer zu einem nicht genau feststellbaren Zeitpunkt vor dem 12.7.2006 der Beigeladenen die Versorgung der Klägerin angezeigt und hierzu das Formular nach Anlage 3 des "Vertrages zur Komplettversorgung mit Hörsystemen" verwendet. Ausweislich eines Ausdrucks der unter dem Namen der Klägerin gespeicherten elektronischen Daten dokumentierte die Beigeladene einen "Antrag vom 12.07.2006", unter dem Status Preisprüfung den Vermerk "Endgültig entschieden am 12.07.2006" und unter der Überschrift Leistungsfälle und Zusätze "Hilfsmittel - 12.07.2006 - 132003. Hörgerät li. Versorgungspauschale bewilligt". Am 23.10.2006 stellte der Leistungserbringer der Klägerin für das Hörgerät nebst Nature-Otoplastik und Reparatur-Pauschale "abzüglich der Krankenkassen-Anteile" 1956,90 Euro in Rechnung, die diese vollständig beglich. Dem Leistungserbringer überwies die Beigeladene im November 2006 einen Betrag von 655 Euro; damit waren unter Abzug der Zuzahlung der Klägerin von 10 Euro (§ 33 Abs 8 iVm § 61 SGB V) der Festbetrag für das Hörgerät von 421 Euro sowie die Kosten der Otoplastik (35 Euro) und die Reparatur-Pauschale (209 Euro) abgedeckt.

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Im Hinblick auf die absehbare Entscheidung der Beigeladenen, nur den Festbetrag zu leisten, hatte die Klägerin am 25.7.2006 bei der Beklagten Leistungen zur Rehabilitation für Versicherte in Form einer Kostenübernahme für ein höherwertiges Hörgerät beantragt und zur Begründung ausgeführt, ohne die begehrte Versorgung könne sie die Fortbildung von Mitarbeitern, die Moderation von Qualitätszirkeln und die Leitung von Arbeitsgruppen und damit Schwerpunkte ihrer Tätigkeit als Qualitätsmanagementbeauftragte nicht mehr ausüben. Die Beklagte lehnte dies ab, weil Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nur dann in Form eines Hilfsmittels erbracht werden könnten, wenn dieses ausschließlich zur Ausübung eines bestimmten Berufes oder zur Teilnahme an einer bestimmten beruflich vorbereitenden Maßnahme benötigt werde. Dies sei nach ärztlicher Prüfung bei der Klägerin nicht der Fall; die gewählte höherwertige Ausstattung des Hörgeräts diene nicht ausschließlich der Ausübung des Berufs als Qualitätsmanagementbeauftragte, sondern vielmehr für jeden Bereich des täglichen Lebens bzw für jedwede Form der Berufsausübung (Bescheid vom 3.8.2006, Widerspruchsbescheid vom 22.11.2006).

5

Das SG hat die Krankenkasse der Versicherten beigeladen und die gegen den Rentenversicherungsträger gerichtete Klage abgewiesen, gleichzeitig aber die Beigeladene verurteilt, der Klägerin die Kosten für das selbst beschaffte Hörgerät in Höhe von 1956,90 Euro zu erstatten (Urteil vom 30.11.2009). Das LSG hat die von der Beigeladenen eingelegte Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 3.8.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.11.2006 aufgehoben wird (Urteil vom 25.11.2010): Die Beigeladene sei nach § 14 SGB IX als erstangegangener Träger zuständig geworden. Bei der Versorgungsanzeige des Leistungserbringers handele es sich jedenfalls auch um einen Leistungsantrag der Klägerin, da die Beigeladene unmissverständlich darüber informiert worden sei, dass die Klägerin ein Hörgerät wünsche. Davon sei die Beigeladene selbst ausgegangen, weil sie durch die Zahlung des Festbetrags an den Leistungserbringer eine antragsabhängige Leistung erbracht habe. Der Anspruch der Klägerin gegen die Beigeladene auf Kostenerstattung beruhe auf § 15 Abs 1 SGB IX. Sie habe sich das Hörgerät erst am 23.10.2006 und damit nach der Ablehnung durch die Beklagte (Bescheid vom 3.8.2006) selbst beschafft. Der dem Anspruch auf Kostenerstattung zugrunde liegende Sachleistungsanspruch ergebe sich aus § 9 Abs 1 und 2, § 15 Abs 1 S 1 SGB VI iVm § 26 Abs 1 und 2 Nr 6, § 31 SGB IX, da die Klägerin ihre bisherige Tätigkeit ohne die begehrte Versorgung nicht weiter hätte ausüben können.

6

Mit der vom LSG zugelassenen Revision wendet sich die Beigeladene in erster Linie dagegen, nach § 14 SGB IX als erstangegangener Leistungsträger zu gelten und damit für den Versorgungsfall zuständig geworden zu sein. Bei ihr sei kein Antrag der Klägerin eingegangen. Die vom LSG als Antrag angesehene Versorgungsanzeige sei allein Bestandteil der Innenkommunikation zwischen Leistungserbringer und Krankenkasse zur Gewährung einer Sachleistung, durch die im Wesentlichen die Mitgliedschaft des Versicherten geklärt werde. Sie habe erstmals im Rahmen des Abschlussberichts des Hörakustikstudios Anhaltspunkte für entstandene Mehrkosten erhalten. Zu diesem Zeitpunkt habe die Klägerin aber längst ihren Teilhabeantrag bei der Beklagten gestellt. Im Übrigen bestehe kein Anspruch über den bereits bezahlten Festbetrag hinaus.

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Die Beigeladene beantragt,
die Urteile des LSG Berlin-Brandenburg vom 25.11.2010 und des SG Berlin vom 30.11.2009 zu ändern und die Klage im Hinblick auf sie als Beigeladene abzuweisen.

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Die Klägerin und die Beklagte verteidigen das angefochtene Berufungsurteil und beantragen jeweils,

        

die Revision zurückzuweisen.

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Die Beklagte hatte ursprünglich ebenfalls Revision eingelegt (Telefax vom 22.2.2011), diese aber mangels Beschwer wieder zurückgenommen (Schriftsatz vom 18.3.2011).

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Beigeladenen ist zulässig, aber nicht begründet. Die Klägerin hat, wie die Vorinstanzen zu Recht entschieden haben, gegen die Beigeladene einen Anspruch auf Erstattung der durch den Festbetrag nicht gedeckten Kosten der Hörgeräteversorgung in Höhe von 1956,90 Euro. Dieser Anspruch besteht zwar nicht gegen die Beigeladene als für das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zuständigem Leistungsträger (§ 13 Abs 3 S 1 SGB V); leistungspflichtig ist die Beigeladene jedoch als im Verhältnis zur Klägerin auch für die rentenversicherungsrechtliche Hilfsmittelversorgung zuständig gewordener erstangegangener Leistungsträger (Erstattungsanspruch nach § 15 Abs 1 S 4 iVm § 14 Abs 1 SGB IX).

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1. Streitgegenstand ist der Anspruch der Klägerin auf Erstattung der den Festbetrag (§ 36 SGB V) übersteigenden Kosten des Hörgeräts entweder durch die Beklagte oder durch die Beigeladene. Insoweit ist der beim LSG anhängig gewesene Streitstoff vollständig auch beim BSG angefallen, obwohl nach der Rücknahme des von der Beklagten eingelegten Rechtsmittels nur noch die von der Beigeladenen eingelegte Revision zur Entscheidung ansteht und die Klägerin schon gegen die Abweisung der Klage gegen die Beklagte nicht mit einem eigenen Rechtsmittel - etwa im Wege der Anschlussberufung zu der von der Beigeladenen eingelegten Berufung - vorgegangen war. Das ergibt sich aus der durch § 75 Abs 5 SGG eröffneten - und einer sowohl vom SG als auch vom LSG realisierten - Befugnis, anstelle des verklagten Versicherungs- oder Leistungsträgers nach Beiladung den tatsächlich leistungsverpflichteten, aber nicht verklagten Träger zu verurteilen. Diese prozessual vorgesehene Möglichkeit der Verurteilung auf Beiladung dient vor allem der Prozessökonomie, einer Klageänderung (§ 99 SGG) bedarf es dabei nicht. Um der Vorstellung des SGG-Gesetzgebers in vollem Umfang gerecht werden zu können, muss auch die nächste Instanz über alle in Frage kommenden prozessualen Ansprüche entscheiden können, wenn nur der unterlegene - beigeladene - Versicherungsträger Rechtsmittel eingelegt hat, wie es hier bereits im Berufungsrechtszug geschehen war und nunmehr auch im Revisionsverfahren der Fall ist. Anderenfalls könnten einander widersprechende Entscheidungen ergehen mit der Folge, dass der Kläger mit seinem Klagebegehren zunächst gegen den einen Versicherungsträger und in einer weiteren Instanz gegen den anderen Träger nicht durchdringt, obwohl feststeht, dass gegen einen von beiden jedenfalls der Anspruch besteht. Der Kläger müsste ggf ein Wiederaufnahmeverfahren nach § 180 SGG betreiben, also ein weiteres Verfahren einleiten; dies wäre in höchstem Maße prozessunökonomisch und soll durch die Regelung des § 75 Abs 5 SGG gerade vermieden werden. Deshalb muss im Revisionsverfahren - wie das BSG schon wiederholt ausgeführt hat - auch über den Anspruch entschieden werden, der gegen die Beklagte gerichtet war, obgleich die Klage gegen diese abgewiesen worden ist und nur die verurteilte Beigeladene im zweiten Rechtszug Berufung und im dritten Rechtszug Revision eingelegt hat (BSGE 9, 67, 69 f; BSG SozR 2200 § 1237a Nr 16 S 37; BSG SozR 2200 § 1236 Nr 31 S 57 f; BSGE 102, 90 = SozR 4-2500 § 33 Nr 21, RdNr 10).

12

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist also im Verhältnis zu der von der Klägerin im Klagewege in Anspruch genommenen Beklagten deren Bescheid vom 3.8.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.11.2006, mit der die Übernahme (Sachleistungsanspruch) bzw später die Erstattung (Kostenerstattungsanspruch) der den Festbetrag übersteigenden Kosten der Hörgeräteversorgung in Höhe von 1956,90 Euro abgelehnt worden war. Verfahrensgegenstand ist aber auch die für das Verhältnis der Klägerin zu der Beigeladenen maßgebende Entscheidung vom 12.7.2006, die begehrte Hörgeräteversorgung auf den Festbetrag zu beschränken, eine technisch aufwändigere und teurere Versorgung also abzulehnen. Über diese Verwaltungsentscheidung der Beigeladenen ist zu befinden, weil eine unmittelbare Verurteilung der Beigeladenen nach § 75 Abs 5 SGG voraussetzt, dass dieser Ablehnungsentscheidung im Verhältnis zwischen der Klägerin und der Beigeladenen keine Bindungswirkung zukommt. Im Falle einer solchen Bindungswirkung wäre eine Verurteilung der Beigeladenen nach § 75 Abs 5 SGG ausgeschlossen(BSG SozR 1500 § 75 Nr 38; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 75 RdNr 18b).

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2. Die Klägerin macht den Anspruch auf Kostenerstattung für die in Höhe von 1956,90 Euro selbst finanzierte Hörgeräteversorgung zu Recht mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs 4 SGG geltend. Die Klage ist gegenüber der Beklagten fristgerecht nach erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren (§ 87 SGG) erhoben worden und auch ansonsten zulässig. Die Verurteilung der Beigeladenen kann auf der Grundlage des § 75 Abs 5 SGG erfolgen; hierzu bedarf es insbesondere keines abgeschlossenen Vorverfahrens iS des § 83 SGG(Leitherer, aaO, § 75 RdNr 18b unter Hinweis auf BSG SozR Nr 27 zu § 75 SGG).

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3. Die Klägerin hat sich mit ihrem Begehren nach einer verbesserten Hörgeräteversorgung zunächst an die Beigeladene als krankenversicherungsrechtlichen Leistungsträger (§ 33 SGB V) und nach Kenntnis von deren auf den Festbetrag (§ 36 iVm § 12 Abs 2 SGB V) beschränkter Leistungsbewilligung zusätzlich an die Beklagte als rentenversicherungsrechtlichen Leistungsträger (§ 15 Abs 1 SGB VI iVm § 26 Abs 2 Nr 6 und § 31 SGB IX) gewandt, um auch den offenen Restbetrag als Versicherungsleistung gewährt zu bekommen. Die Zuständigkeit der Beklagten als für die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 9 Abs 1 S 1 SGB VI iVm § 5 Nr 2 und § 6 Abs 1 Nr 4 SGB IX) einstandspflichtigen Versicherungsträger kam hier in Betracht, weil die als Diplom-Pflegewirtin ausgebildete Klägerin die Notwendigkeit der verbesserten Hörgeräteversorgung damit begründet hat, anderenfalls ihre gerade erst angetretene neue Beschäftigung als Qualitätsmanagementbeauftragte für den Pflegesektor eines Wohlfahrtsverbandes nicht (mehr) ausüben zu können.

15

Der Frage nach der rentenversicherungsrechtlichen Zuständigkeit der Beklagten für die begehrte Rehabilitationsleistung stellt sich jedoch nur, wenn der Leistungsantrag der Klägerin vom 25.7.2006 mit Blick auf die Zuständigkeitsregelung des § 14 SGB IX als rehabilitationsrechtlicher Erstantrag zu werten ist. Ist er hingegen nur als wiederholender Antrag (Zweitantrag) im Rahmen eines durch den bereits Ende Juni/Anfang Juli 2006 bei der Beigeladenen gestellten Leistungsantrag eingeleiteten einheitlichen rehabilitationsrechtlichen Verwaltungsverfahrens anzusehen, wäre eine rentenversicherungsrechtliche Zuständigkeit der Beklagten nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX im ausschließlich maßgeblichen Außenverhältnis zur Klägerin ausgeschlossen. Vielmehr wäre dann die Beigeladene im Verhältnis zur Klägerin allein zuständiger Rehabilitationsträger für den Versorgungsfall geworden. Das ist nach den Gegebenheiten dieses Falles zu bejahen.

16

a) Nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX verliert der materiell-rechtlich - eigentlich - zuständige Rehabilitationsträger(§ 6 SGB IX) im Außenverhältnis zum Versicherten oder Leistungsempfänger seine Zuständigkeit für eine Teilhabeleistung, sobald der zuerst angegangene Rehabilitationsträger (hier: die beigeladene Krankenkasse) eine iS von § 14 Abs 1 SGB IX fristgerechte Zuständigkeitsklärung versäumt hat und demzufolge die Zuständigkeit nach allen in Betracht kommenden rehabilitationsrechtlichen Rechtsgrundlagen auf ihn übergegangen ist. Sinn dieser Regelung ist es, zwischen den betroffenen behinderten Menschen und Rehabilitationsträgern schnell und dauerhaft die Zuständigkeit zu klären und so Nachteilen des gegliederten Systems entgegenzuwirken (vgl BT-Drucks 14/5074 S 95 zu Nr 5 und S 102 f zu § 14). Deshalb ist der erstangegangene Rehabilitationsträger gehalten, innerhalb von zwei Wochen nach Eingang eines Antrags auf Leistungen zur Teilhabe festzustellen, ob er nach dem für ihn geltenden gesetzlichen Regelwerk für die Leistung zuständig ist; bei den Krankenkassen umfasst die Prüfung auch die Leistungspflicht nach § 40 Abs 4 SGB V(§ 14 Abs 1 S 1 SGB IX). Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu. Muss für eine solche Feststellung die Ursache der Behinderung geklärt werden - vor allem in den Systemen der Unfallversicherung und der sozialen Entschädigung - und ist diese Klärung in der Frist nach § 14 Abs 1 S 1 SGB IX nicht möglich, wird der Antrag unverzüglich dem Rehabilitationsträger zugeleitet, der dem Grunde nach zuständig wäre und die Leistung dann zunächst ohne Rücksicht auf die Ursache erbringt(§ 14 Abs 1 S 2 und 3 SGB IX). Anderenfalls bestimmt § 14 Abs 2 S 1 SGB IX: "Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf unverzüglich fest." Diese Zuständigkeit nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX erstreckt sich im Außenverhältnis zwischen dem Antragsteller und dem erstangegangenen Rehabilitationsträger auf alle Rechtsgrundlagen, die überhaupt in dieser Bedarfssituation rehabilitationsrechtlich vorgesehen sind(BSGE 93, 283 = SozR 4-3250 § 14 Nr 1, RdNr 15 ff; BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4, RdNr 14; BSGE 102, 90 = SozR 4-2500 § 33 Nr 21, RdNr 23). Dadurch wird eine nach außen verbindliche Zuständigkeit des erstangegangenen Rehabilitationsträgers geschaffen, die intern die Verpflichtungen des eigentlich zuständigen Leistungsträgers unberührt lässt und die Träger insoweit auf den nachträglichen Ausgleich nach § 14 Abs 4 S 1 SGB IX und §§ 102 ff SGB X verweist(BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4, RdNr 14-16).

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b) Erstangegangener Rehabilitationsträger iS von § 14 SGB IX ist derjenige Träger, der von dem Versicherten bzw Leistungsbezieher erstmals mit dem zu beurteilenden Antrag auf Bewilligung einer Leistung zur Teilhabe befasst worden ist. Diese Befassungswirkung fällt nach der Rechtsprechung des BSG grundsätzlich auch nach einer verbindlichen abschließenden Entscheidung des erstangegangenen Trägers nicht weg. Vielmehr behält der erstmals befasste Rehabilitationsträger seine Zuständigkeit nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX im Außenverhältnis zum Antragsteller regelmäßig auch dann weiter bei, wenn er, ohne den Antrag an den aus seiner Sicht zuständigen Rehabilitationsträger weitergeleitet zu haben, das Verwaltungsverfahren durch Erlass eines Verwaltungsakts abschließt(vgl § 8 SGB X), selbst wenn dieser bindend wird. Er bleibt deshalb auch für ein mögliches Verfahren nach § 44 SGB X zuständig, selbst wenn die Rechtswidrigkeit im Sinne dieser Vorschrift dann nur darin liegt, dass er die außerhalb seiner "eigentlichen" Zuständigkeit liegenden, nach dem Vorstehenden einschlägigen Rechtsgrundlagen nicht beachtet hat(BSGE 93, 283 = SozR 4-3250 § 14 Nr 1, RdNr 10; BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7, RdNr 31; BSGE 102, 90 = SozR 4-2500 § 33 Nr 21, RdNr 24).

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4. Nach diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Fall die beigeladene Krankenkasse als erstangegangener Rehabilitationsträger für die begehrte Hörgeräteversorgung iS des § 14 SGB IX anzusehen. Die Beigeladene ist im Außenverhältnis zur Klägerin mangels Weiterleitung des Leistungsantrags an die Beklagte nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX für das Versorgungsbegehren ausschließlich zuständig geworden; dies schließt eine Zuständigkeit der Beklagten für die Erfüllung des Kostenerstattungsanspruchs als Rentenversicherungsträger aus.

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a) Leistungen der GKV werden auf Antrag erbracht, soweit sich aus den Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige nichts Abweichendes ergibt (§ 19 S 1 SGB IV). Der Anspruch eines Versicherten auf Krankenbehandlung umfasst ua die Versorgung mit Hilfsmitteln (§ 27 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB V), und zwar nach Maßgabe des § 33 SGB V. Dieser Anspruch ist von der Krankenkasse grundsätzlich in Form einer Sachleistung (§ 2 Abs 2 S 1 SGB V) zu erbringen, wobei sie ihre Leistungspflicht gemäß § 12 Abs 2 SGB V mit dem Festbetrag erfüllt, wenn für die Leistung ein Festbetrag festgesetzt ist(BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 17 RdNr 13). Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels des SGB V Verträge mit den Leistungserbringern (§ 2 Abs 2 S 3 SGB V). Im vorliegenden Fall maßgeblich ist der zwischen der Bundesinnung der Hörgeräteakustiker KdöR und dem damaligen Verband der Angestellten-Krankenkassen e. V. sowie dem damaligen Arbeiter-Ersatzkassen-Verband e. V. für die Zeit ab 1.1.2004 geschlossene Vertrag nach §§ 126, 127 SGB V. Danach erfolgt die Abgabe von Hörhilfen auf der Grundlage einer ärztlichen Verordnung oder einer Bewilligung der Ersatzkassen (§ 4 Nr 1 S 1 des Vertrages). Unter der Überschrift "Verfahren bei vorheriger ärztlicher Verordnung" ist ua Folgendes vereinbart worden: "Nach Vorlage der Verordnung durch den Versicherten erstattet der Leistungserbringer eine Versorgungsanzeige (Anlage 3) gegenüber der leistungspflichtigen Ersatzkasse. Der Leistungserbringer erhält nach Prüfung der leistungsrechtlichen Voraussetzungen ein Bewilligungsschreiben der Ersatzkasse. Die Versorgung kann abgerechnet werden, wenn die zur Versorgung geeigneten Hörhilfen nach der Anpassung an den Versicherten ausgeliefert sind und der HNO-Arzt eine ausreichende Hörverbesserung und die Zweckmäßigkeit der Hörhilfe bestätigt hat" (§ 4 Nr 1 S 2 des Vertrages).

20

b) Der Senat kann offenlassen, ob die maßgebliche Antragstellung iS des § 14 SGB IX durch Übergabe der vertragsärztlichen Hörgeräteverordnung vom 9.6.2006 seitens der Klägerin an den Hörgeräteakustiker oder erst durch dessen Versorgungsanzeige bei der Krankenkasse erfolgt ist. In dem einen wie in dem anderen Fall läge ein Leistungsbegehren der Klägerin und damit ein Leistungsantrag iS des § 19 S 1 SGB IV vor, der in der Zeit zwischen dem 9.6.2006 (Tag der vertragsärztlichen Verordnung) und dem 12.7.2006 (Tag der Verwaltungsentscheidung) bei der Beigeladenen eingegangen ist. Deren Einwand, die vom LSG als Antrag angesehene Versorgungsanzeige sei allein Bestandteil der Innenkommunikation zwischen Leistungsbringer und Krankenkasse zur Gewährung einer Sachleistung (§ 2 Abs 2 S 1 SGB V), durch die im Wesentlichen die Mitgliedschaft des Versicherten (vgl § 19 Abs 1 SGB V) geklärt werde, ist unzutreffend und wirklichkeitsfremd. Wenn sich ein Rehabilitationsträger - wie hier und bei der Hörgeräteversorgung wohl allgemein üblich - seiner leistungsrechtlichen Verantwortung durch sog "Verträge zur Komplettversorgung" nahezu vollständig entzieht und dem Leistungserbringer quasi die Entscheidung darüber überlässt, ob dem Versicherten eine Teilhabeleistung (wenn auch nur zum Festbetrag) zuteil wird, dann erfüllt er weder seine Pflicht zur ordnungsgemäßen Einzelfallprüfung nach § 33 SGB V noch befolgt er die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit(§ 12 Abs 1 und § 70 Abs 1 S 2 SGB V). Wer sich der Pflicht zur Antragsentgegennahme (§ 16 SGB I) verweigert, kann sich nicht darauf berufen, es sei bei ihm kein Antrag gestellt worden. Es mutet zudem abenteuerlich an, dass die Rehabilitationsträger die Versorgung mit bestimmten Hilfsmitteln - hier: Hörgeräte - praktisch nicht mehr selbst vornehmen, sondern in die Hände der Leistungserbringer "outgesourced" haben. Dass ein solches Vorgehen weder dem Grundgedanken der Festbetragsregelung gerecht wird noch zur Kostendämpfung beiträgt, dürfte klar auf der Hand liegen. Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass die Beigeladene hinsichtlich der erfolgten Versorgung keinerlei nachprüfbare Unterlagen vorlegen konnte, wie dies in ihrem "Vertrag zur Komplettversorgung" mit den Hörgeräteakustikern vorgeschrieben ist. Es existiert lediglich ein Datenauszug, der mit Datum 12.7.2006 die Bewilligung eines Hörgeräts und des Festbetrages dokumentiert - ohne jede weitere Überprüfung des Leistungsfalles. Der Senat hält eine derartige Praxis im Umgang mit dem Leistungsrecht des SGB V für nicht mehr akzeptabel.

21

c) Der Antrag der Klägerin richtet sich auf die Versorgung mit einem Hörgerät und ist als solcher nach ständiger Rechtsprechung des BSG ein Antrag auf Teilhabeleistungen iS von § 14 Abs 1 S 1 SGB IX(BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7, RdNr 34; BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 8, RdNr 18). Dabei geht es nach der Auslegungsregel des § 2 Abs 2 SGB I um eine umfassende, nach Maßgabe des Leistungsrechts des Sozialgesetzbuches (hier: des Leistungsrechts der GKV nach dem SGB V sowie des Leistungsrechts der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem SGB VI) bestmögliche Versorgung mit einem neuen Hörgerät. Eine solche Auslegung des Leistungsbegehrens schließt die Aufspaltung des klägerischen Begehrens in zwei separate Leistungsanträge, nämlich in einem Antrag auf Bewilligung eines Festbetrages ("Normalversorgung", § 12 Abs 2 SGB V) und einen weiteren Antrag auf Bewilligung einer über den Festbetrag hinausgehenden, technisch anspruchsvolleren und teureren Versorgung ("Premiumversorgung"), von vornherein aus. Es ist also von einem einheitlichen, spätestens am 12.7.2006 bei der Beigeladenen gestellten Leistungsantrag auszugehen.

22

d) Dieser Antrag entspricht inhaltlich den Anforderungen, die an einen Antrag nach § 14 Abs 1 S 1 SGB IX zu stellen sind.

23

Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut genügt ein Antrag auf Leistungen zur Teilhabe, um die Zuständigkeitsprüfung des erstangegangenen Leistungsträgers und die Zwei-Wochen-Frist in Gang zu setzen. Ein solcher lag hier - wie bereits dargestellt - jedenfalls in Form der Versorgungsanzeige des Hörakustikstudios spätestens am 12.7.2006 vor. Eine andere Auslegung liefe dem Gesetzeszweck zuwider, im Interesse behinderter und von Behinderung bedrohter Menschen durch rasche Klärung von Zuständigkeiten Nachteilen im gegliederten System entgegenzuwirken (BT-Drucks 14/5074 S 102 f zu § 14). Soweit die Beigeladene darauf hinweist, dass dem Antrag der Klägerin, hier also der Versorgungsanzeige des Hörakustikstudios und der beigefügten vertragsärztlichen Verordnung, die für eine Zuständigkeitsprüfung notwendigen Angaben fehlten, wäre es ihre Aufgabe als Versicherungsträger gewesen, diese Angaben zu ermitteln. Dies ergibt sich unmittelbar aus der gesetzlichen Pflicht zur Zuständigkeitsprüfung nach § 14 Abs 1 S 1 SGB IX in Verbindung mit dem Amtsermittlungsgrundsatz nach § 20 Abs 1 SGB X.

24

Auch der Hinweis der Beigeladenen auf die "Gemeinsamen Empfehlungen" der Rehabilitationsträger nach § 13 SGB IX führt zu keiner anderen Bewertung. Die Beigeladene vertritt die Auffassung, ein Antrag auf Teilhabe iS des § 14 Abs 1 S 1 SGB IX liege erst vor, wenn der Rehabilitationsträger über jene Aufgaben und Unterlagen verfüge, die eine Beurteilung der Zuständigkeit ermöglichten(§ 1 Abs 1 S 2 und 3 der Gemeinsamen Empfehlung nach § 13 Abs 2 Nr 3 SGB IX über die Ausgestaltung des in § 14 SGB IX bestimmten Verfahrens idF vom 28.9.2010). Die Behörde müsse solange nicht von einem Teilhabeleistungsantrag ausgehen, als bei verständiger Würdigung nicht erkennbar sei, dass und aus welchem Sozialleistungsbereich der Antragsteller Sozialleistungen begehre. Jede andere Bewertung würde die Leistungsfähigkeit der Krankenkassen sprengen.

25

Die Frage, ob dieser Rechtsauffassung der Beigeladenen und der ihr zugrunde liegenden Empfehlung nach § 13 Abs 2 Nr 3 SGB IX partiell zugestimmt werden kann oder ob die Empfehlung in dieser Allgemeinheit überhaupt mit § 14 Abs 1 S 1 SGB IX zu vereinbaren ist, braucht an dieser Stelle nicht abschließend entschieden zu werden; denn ein an die Krankenkasse gerichteter Antrag auf Versorgung mit einem Hörgerät ist jedenfalls auch auf Leistungen zur Teilhabe iS von §§ 1, 4 und 5 SGB IX gerichtet. Wie bereits ausgeführt, will der Versicherte im Zweifel die ihm günstigste Art der Leistungsgewährung in Anspruch nehmen; ein einmal gestellter Antrag ist also umfassend, dh auf alle nach Lage des Falles in Betracht kommenden Leistungen und Anspruchsgrundlagen hin zu prüfen (BSG SozR 4-2600 § 236a Nr 2 RdNr 21; BSG SozR 4-2600 § 43 Nr 9 RdNr 27; BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 14; BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7, RdNr 34), und insbesondere nicht "künstlich" in separate Teil-Leistungsanträge für die verschiedenen in Betracht kommenden Teilhabeleistungen aufzuspalten. Deshalb hatte die Beigeladene den Leistungsantrag von vornherein sowohl unter dem Aspekt der Hilfsmittelversorgung zur medizinischen Rehabilitation (§ 5 Nr 1, § 31 SGB IX, § 33 SGB V) als auch unter dem Aspekt der Hilfsmittelversorgung zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 5 Nr 2, § 33 Abs 8 S 1 Nr 4 SGB IX, §§ 9, 15 SGB VI) zu prüfen und danach die Zuständigkeit zu bestimmen. Die Frage, ob die Hörgeräteversorgung auch (oder nur) zur weiteren Berufsausübung benötigt wurde, hätte ohne Weiteres durch eine Nachfrage bei der Klägerin (zB per Telefon) geklärt werden können und berechtigte grundsätzlich nicht zu einer Verschiebung des Beginns der Zwei-Wochen-Frist des § 14 Abs 1 S 1 SGB IX. Der Gesetzgeber hat mit gutem Grund eine strenge Zwei-Wochen-Frist für die Prüfung der Zuständigkeit für die Entscheidung von Anträgen auf Teilhabeleistungen gesetzt und deren Verlängerung nicht vorgesehen (vgl § 14 Abs 1 S 3 SGB IX).

26

e) Nachdem die Beigeladene den Antrag der Klägerin auf Leistungen zur Teilhabe nicht innerhalb von zwei Wochen ab dessen Eingang weitergeleitet hat, oblag es ihr, unverzüglich den Rehabilitationsbedarf der Klägerin festzustellen (§ 14 Abs 2 S 1 SGB IX). Diese Zuständigkeit der Beigeladenen ist ausschließlicher Natur; denn die Zuständigkeit des erstangegangenen Rehabilitationsträgers nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX schließt im Außenverhältnis zum Versicherten die Zuständigkeiten aller anderen Träger aus(BSGE 93, 283 = SozR 4-3250 § 14 Nr 1, RdNr 15; BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4, RdNr 12 ff; BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7, RdNr 16; BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 8 RdNr 15; stRspr). Im Verhältnis zwischen dem erstangegangenen Träger und dem Leistungsberechtigten ist also der Anspruch anhand aller Rechtsgrundlagen zu prüfen, die überhaupt in der konkreten Bedarfssituation für Rehabilitationsträger vorgesehen sind. Darüber hinaus verlieren alle anderen Träger innerhalb des durch den Leistungsantrag ausgelösten Verwaltungsverfahrens ihre Zuständigkeit für die Gewährung von Rehabilitationsleistungen, was wiederum zur Folge hat, dass eventuell ergangene Bescheide wegen sachlicher Unzuständigkeit aufzuheben sind (BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 8 RdNr 16). Dementsprechend hat das LSG zu Recht die angefochtenen Entscheidungen der Beklagten mangels Zuständigkeit aufgehoben.

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5. Zu Recht haben die Vorinstanzen die Beigeladene und nicht die Beklagte als für die Erstattung des von der Klägerin getragenen Kostenanteils in Höhe von 1956,90 Euro zuständig erachtet. Die Kostenerstattungspflicht der Beigeladenen beruht allerdings nicht auf ihrer Funktion als originär zuständiger Krankenversicherungsträger, sondern auf ihrer Eigenschaft als nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX umfassend zuständig gewordener erstangegangener Rehabilitationsträger, der die begehrte Teilhabeleistung auch unter dem Aspekt einer dem Rentenversicherungsträger obliegenden Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben(§ 5 Nr 2, § 6 Abs 1 Nr 4 SGB IX) zu prüfen hatte. Da die rentenversicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt waren, hätte die Beigeladene die der Klägerin angepasste Hörgeräteversorgung als Sachleistung erbringen müssen; die Beschränkung der Leistung auf den Festbetrag (§ 36 SGB V) war rechtswidrig.

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6. Grundlage des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs gegen die Beigeladene als zuständiger Krankenversicherungsträger ist § 13 Abs 3 S 1 Fall 2 SGB V(hier idF des Art 5 Nr 7 Buchst b SGB IX - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - vom 19.6.2001, BGBl I 1046). Danach gilt: Hat die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Der Erstattungsanspruch reicht, wie in der Rechtsprechung des BSG geklärt ist, nicht weiter als ein entsprechender - primärer - Sachleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (stRspr; vgl zB BSGE 79, 125, 126 f = SozR 3-2500 § 13 Nr 11 S 51 f mwN; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 11 mwN; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 19 RdNr 12; vgl zum Ganzen auch Hauck in: Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Bd 1, Stand: 1.1.2012, § 13 SGB V RdNr 233 ff). Der Anspruch ist demgemäß gegeben, wenn die Krankenkasse die Erfüllung eines Naturalleistungsanspruchs rechtswidrig abgelehnt und der Versicherte sich die Leistung selbst beschafft hat, wenn weiterhin ein Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung besteht, die selbst beschaffte Leistung notwendig ist und die Selbstbeschaffung eine rechtlich wirksame Kostenbelastung des Versicherten ausgelöst hat (vgl zuletzt BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 25; eingehend Hauck, aaO, mwN). Diese Voraussetzungen wären nur erfüllt, wenn die Beigeladene ihre Leistungspflicht nach dem Leistungsrecht des SGB V zu Unrecht auf den Festbetrag begrenzt und die vollständige Erfüllung des gegebenen Leistungsanspruchs rechtswidrig abgelehnt hätte. Dies ist jedoch nicht der Fall, weil der Klägerin kein krankenversicherungsrechtlicher Anspruch auf die angepasste "Primärversorgung" zustand.

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7. Rechtsgrundlage des in erster Linie verfolgten krankenversicherungsrechtlichen Leistungsanspruchs ist § 33 Abs 1 S 1 SGB V, hier in der zum Zeitpunkt der Leistungsverschaffung geltenden Fassung des Art 1 Nr 20 Buchst a bb des Gesetzes zur Modernisierung der GKV(GKV-Modernisierungsgesetz - GMG) vom 14.11.2003 (BGBl I 2190, im Folgenden: § 33 SGB V aF). Hiernach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, wenn sie erstens nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens oder nach § 34 Abs 4 SGB V aus der GKV-Versorgung ausgeschlossen und zweitens im Einzelfall erforderlich sind, um entweder den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. Demgemäß besteht nach § 33 Abs 1 S 1 SGB V ein Anspruch auf Hörhilfen, die nur von hörbehinderten Menschen benutzt werden und deshalb kein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens sind, auch nicht nach § 34 Abs 4 SGB V aus der GKV-Versorgung ausgeschlossen sind und weder der Krankenbehandlung noch der Vorbeugung einer Behinderung dienen, soweit sie im Rahmen des Notwendigen und Wirtschaftlichen(§ 12 Abs 1 SGB V) für den von der Krankenkasse geschuldeten Behinderungsausgleich erforderlich sind.

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8. Der von den Krankenkassen geschuldete Behinderungsausgleich bemisst sich nach ständiger Rechtsprechung des für die GKV-Hilfsmittelversorgung ausschließlich zuständigen 3. Senats des BSG entscheidend danach, ob eine Leistung des unmittelbaren oder des mittelbaren Behinderungsausgleichs beansprucht wird (BSGE 105, 170 = SozR 4-2500 § 36 Nr 2, RdNr 14 ff). Insoweit hat der in § 33 Abs 1 S 1 SGB V als 3. Variante genannte Zweck (vgl jetzt auch § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX) für die im Rahmen der GKV gebotene Hilfsmittelversorgung zwei Ebenen.

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a) Im Bereich des unmittelbaren Behinderungsausgleichs ist die Hilfsmittelversorgung grundsätzlich von dem Ziel eines vollständigen funktionellen Ausgleichs geleitet. Im Vordergrund steht dabei der unmittelbare Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion. Davon ist auszugehen, wenn das Hilfsmittel die Ausübung der beeinträchtigten Körperfunktion - hier das Hören - selbst ermöglicht, ersetzt oder erleichtert. Für diesen unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts (§ 2 Abs 1 S 3 SGB V). Dies dient in aller Regel ohne gesonderte weitere Prüfung der Befriedigung eines Grundbedürfnisses des täglichen Lebens iS von § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX, weil die Erhaltung bzw Wiederherstellung einer Körperfunktion als solche schon ein Grundbedürfnis in diesem Sinne ist. Deshalb kann auch die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem gesunden Menschen erreicht ist (BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 4 - C-Leg II). Das Maß der notwendigen Versorgung würde deshalb verkannt, wenn die Krankenkassen ihren Versicherten Hörgeräte ungeachtet hörgerätetechnischer Verbesserungen nur "zur Verständigung beim Einzelgespräch unter direkter Ansprache" zur Verfügung stellen müssten. Teil des von den Krankenkassen nach § 33 Abs 1 S 1 SGB V geschuldeten - möglichst vollständigen - Behinderungsausgleichs ist es vielmehr, hörbehinderten Menschen im Rahmen des Möglichen auch das Hören und Verstehen in größeren Räumen und bei störenden Umgebungsgeräuschen zu eröffnen und ihnen die dazu nach dem Stand der Hörgerätetechnik(§ 2 Abs 1 S 3 SGB V)jeweils erforderlichen Geräte zur Verfügung zu stellen. Das schließt - wie die Beigeladene zu Recht nicht in Zweifel gezogen hat - je nach Notwendigkeit auch die Versorgung mit digitalen Hörgeräten ein.

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b) Beschränkter sind die Leistungspflichten der GKV, wenn die Erhaltung bzw Wiederherstellung der beeinträchtigten Körperfunktion nicht oder nicht ausreichend möglich ist und deshalb Hilfsmittel zum Ausgleich von direkten und indirekten Folgen der Behinderung benötigt werden (sog mittelbarer Behinderungsausgleich). Dann sind die Krankenkassen ständiger Rechtsprechung des Senats zufolge nur für einen Basisausgleich von Behinderungsfolgen eintrittspflichtig. Es geht hier nicht um einen Ausgleich im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten eines gesunden Menschen. Denn Aufgabe der GKV ist in allen Fällen allein die medizinische Rehabilitation (vgl § 1 SGB V sowie § 6 Abs 1 Nr 1 iVm § 5 Nr 1 und 3 SGB IX), also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolges, um ein selbstständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme. Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich ist von der GKV deshalb nur dann zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Zu diesen allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehören nach ständiger Rechtsprechung des BSG das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, die Nahrungsaufnahme, das Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums (BSGE 93, 176, 180 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7, RdNr 12; BSGE 91, 60, 63 = SozR 4-2500 § 33 Nr 3, RdNr 10; BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 14; stRspr). Für den Ausgleich darüber hinausreichender Behinderungsfolgen haben beim mittelbaren Behinderungsausgleich hingegen ggf andere Sozialleistungssysteme Sorge zu tragen.

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c) Dies gilt entgegen einer als überholt anzusehenden (BSGE 105, 170 = SozR 4-2500 § 36 Nr 2, RdNr 17) Entscheidung des 13. Senats des BSG vom 21.8.2008 (BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7 - digitales Hörgerät für Lagerarbeiter) auch für Gebrauchsvorteile im Beruf. Seiner Ansicht nach sollten die Krankenkassen auch für Hilfsmittel in Anspruch genommen werden können, die (nur) für die Berufsausübung erforderlich sind (aaO, RdNr 43). Dem ist nicht zu folgen, weil Auswirkungen bei der oder auf die Berufsausübung für die Hilfsmittelgewährung nach dem SGB V grundsätzlich unbeachtlich sind. Für Leistungen der medizinischen Rehabilitation und demgemäß nach § 26 Abs 2 Nr 6 SGB IX auch für die Versorgung mit Hilfsmitteln sind die Krankenkassen nicht allein zuständig, sondern ebenso Rehabilitationsträger wie ua die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung(vgl §§ 9 Abs 1 S 1, 15 Abs 1 S 1 SGB VI iVm § 31 SGB IX) und die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung (vgl § 31 Abs 1 S 1 SGB VII). Dies rechtfertigt die Leistungsbegrenzung in der GKV auf solche Hilfsmittel, mit denen die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder gemildert werden können und die damit ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens betreffen (stRspr; vgl zuletzt BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7, RdNr 12 - schwenkbarer Autositz bei Wachkomaversorgung; BSGE 91, 60 RdNr 9 = SozR 4-2500 § 33 Nr 3 RdNr 10 - Rollstuhl-Ladeboy; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 31 S 185 - Rollstuhl-Bike; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 32 S 191 - Therapie-Tandem). Die demgegenüber vom 13. Senat des BSG angeführte und noch zu §§ 182, 182b Reichsversicherungsordnung ergangene frühere Rechtsprechung(insbesondere BSG SozR 2200 § 182b Nr 36 und BSG SozR 2200 § 182 Nr 116) ist unter Geltung des SGB V nicht weiterverfolgt worden. Hätte die GKV heute auch noch jenseits des elementaren Basisausgleichs für den Ausgleich jeglicher mittelbarer Behinderungsfolgen aufzukommen, wäre die überkommene und im SGB IX ausdrücklich bekräftigte (vgl § 6 Abs 1 und 2, § 7 S 2 SGB IX)Aufgabenteilung zwischen den Krankenkassen einerseits sowie den Trägern ua der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung andererseits auf dem Gebiet der medizinischen Rehabilitation hinfällig. Ausschließlich berufliche und arbeitsplatzspezifische Gebrauchsvorteile sind demgemäß für die Hilfsmittelversorgung nach dem SGB V grundsätzlich unbeachtlich. Ist ein Versicherter für die Anforderungen des allgemeinen Alltagslebens ausreichend versorgt, kommt es auf etwaige zusätzliche Nutzungsvorteile im Erwerbsleben ohnehin nicht an. Umgekehrt kann ein Hilfsmittelanspruch gegen die GKV nicht auf ausschließlich berufliche Nutzungsvorteile gestützt werden, wenn das Hilfsmittel ansonsten keine allgemeinen Grundbedürfnisse betrifft und seine Nutzung die Auswirkungen der Behinderung nicht im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert.

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d) Begrenzt ist der so umrissene Anspruch auf eine Hilfsmittelversorgung nach § 33 SGB V durch das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs 1 SGB V. Die Leistungen müssen danach "ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein" und dürfen "das Maß des Notwendigen nicht überschreiten"; Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. Demzufolge verpflichtet auch § 33 Abs 1 S 1 SGB V nicht dazu, den Versicherten jede gewünschte, von ihnen für optimal gehaltene Versorgung zur Verfügung zu stellen. Ausgeschlossen sind danach Ansprüche auf teure Hilfsmittel, wenn eine kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Nachteilsausgleich funktionell ebenfalls geeignet ist (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 26 S 153; stRspr); Mehrkosten sind andernfalls selbst zu tragen (§ 33 Abs 1 S 5 SGB V). Eingeschlossen in den Versorgungsauftrag der GKV ist eine kostenaufwändige Versorgung dagegen dann, wenn durch sie eine Verbesserung bedingt ist, die einen wesentlichen Gebrauchsvorteil gegenüber einer kostengünstigeren Alternative bietet. Das gilt bei Hilfsmitteln zum unmittelbaren Behinderungsausgleich insbesondere durch Prothesen für grundsätzlich jede Innovation, die dem Versicherten in seinem Alltagsleben deutliche Gebrauchsvorteile bietet (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 44 S 249 - C-Leg I; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 45 S 255 - Damenperücke; BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 4 - C-Leg II). Keine Leistungspflicht besteht dagegen für solche Innovationen, die nicht die Funktionalität betreffen, sondern in erster Linie die Bequemlichkeit und den Komfort bei der Nutzung des Hilfsmittels (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 44 S 249; BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 15). Dasselbe gilt für lediglich ästhetische Vorteile (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 45 - Damenperücke). Desgleichen kann eine Leistungsbegrenzung zu erwägen sein, wenn die funktionalen Vorteile eines Hilfsmittels ausschließlich in bestimmten Lebensbereichen zum Tragen kommen (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 34 zur Versorgung mit einer - dem mittelbaren Behinderungsausgleich dienenden - Mikroportanlage). Weitere Grenzen der Leistungspflicht können schließlich berührt sein, wenn einer nur geringfügigen Verbesserung des Gebrauchsnutzens ein als unverhältnismäßig einzuschätzender Mehraufwand gegenübersteht (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 26 S 153 und Nr 44 S 250 - jeweils mwN).

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9. Nach diesen Grundsätzen zur Versorgung Versicherter mit Hilfsmitteln zum Ausgleich von Behinderungen steht der Klägerin der Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 S 1 SGB V nicht zu, weil es an dem hierfür nötigen Sachleistungsanspruch auf Ausstattung mit dem angepassten Hörgerät(§ 33 SGB V) fehlt.

36

Das LSG hat auf der Grundlage des Gutachtens des Hörgeräteakustikers W. vom 3.12.2008 festgestellt, die Klägerin benötige das höherwertige Premiumgerät lediglich wegen ihrer beruflichen Tätigkeit als Qualitätsmanagementbeauftragte eines Wohlfahrtsverbandes. Der Schwerpunkt dieser auf der Ausbildung der Klägerin als Diplom-Pflegewirtin aufbauenden Tätigkeit liege in der Leitung und Moderation von Arbeitsgruppen in Qualitätszirkeln sowie in der Durchführung von Fortbildungsmaßnahmen zur Altenpflege. Diese Moderatoren- und Dozententätigkeit stelle besondere Anforderungen an die Hörfähigkeit, weil der Betroffene wegen der üblicherweise vorhandenen Störgeräusche einem spezifischen akustischen Umfeld ausgesetzt sei, das sich zB von einer normalen Bürotätigkeit deutlich unterscheide. Außerdem bestehe bei der Klägerin die medizinische Besonderheit, dass sie nur auf einem Ohr mit einer Hörhilfe versorgt werden könne, wodurch sie im Hinblick auf das Richtungshören und Verstehen im Störgeräusch gegenüber einer beidseitigen Versorgung sehr im Nachteil sei, weil alle Schallereignisse auf das linke Ohr treffen würden und so der Nutzschall und der Störschall nur sehr schwer voneinander getrennt werden könnten. Ohne das gewählte Premiumgerät sei die weitere Berufsausübung als Qualitätsmanagementbeauftragte erheblich gefährdet; eine Versorgung mit einem - zum Festbetrag erhältlichen - Basis- oder Komfortgerät sei nicht ausreichend.

37

Diese Feststellungen des LSG sind im Revisionsverfahren nicht angegriffen worden und für den erkennenden Senat daher bindend (§ 163 SGG). Anhaltspunkte dafür, dass die zusätzlichen Nutzungsvorteile des gewählten Premiumgeräts über den beruflichen Nutzen hinaus Auswirkungen der Hörbehinderung der Klägerin im gesamten Alltagsleben mindern, sind weder vom LSG festgestellt worden noch anderweitig ersichtlich. So stellen insbesondere der Antrag der Klägerin bei der Beklagten vom 25.7.2006 sowie ihre Rechtsbehelfsbegründungen stets darauf ab, dass das neue Premiumgerät zur Berufsausübung nötig sei. Danach bleibt festzuhalten, dass die Beigeladene den gegen sie nach § 33 Abs 1 S 1 SGB V bestehenden krankenversicherungsrechtlichen Versorgungsanspruch durch die Zahlung des Festbetrages erfüllt hat(§ 12 Abs 2 SGB V), weil für den Alltagsgebrauch ein zum Festbetrag erhältliches Hörgerät als Ersatz für das unbrauchbar gewordene alte Hörgerät offenbar noch ausgereicht hätte. Für weitergehende Primäransprüche der Klägerin nach dem SGB V bestehe nach den Feststellungen des LSG keine Anhaltspunkte.

38

10. Die Klage ist allerdings begründet, weil der Klägerin ein solcher weitergehender Primäranspruch nach dem Rentenversicherungsrecht zugestanden hätte, für dessen Erfüllung die Beigeladene als erstangegangener Rehabilitationsträger nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX im Außenverhältnis zur Klägerin zuständig war.

39

Rechtsgrundlage des aus der Selbstbeschaffung der Leistung resultierenden rehabilitationsrechtlichen Kostenerstattungsanspruchs ist § 15 Abs 1 S 3 und 4 SGB IX: "Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist(gemeint ist damit die dem Rehabilitationsträger zu setzende angemessene Nachfrist nach § 15 Abs 1 S 2 SGB IX) eine erforderliche Leistung selbst, ist der zuständige Rehabilitationsträger unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zur Erstattung der Aufwendungen verpflichtet. Der Erstattungsanspruch besteht auch, wenn der Rehabilitationsträger eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann oder er die Leistung zu Unrecht abgelehnt hat." Im vorliegenden Fall geht es um einen Kostenerstattungsanspruch nach § 15 Abs 1 S 4 Fall 2 SGB IX, weil die Beigeladene ihre Leistungspflicht auf den Festbetrag beschränkt und damit den weitergehenden Antrag auf Ausstattung mit dem höherwertigen Premiumgerät abgelehnt hat(BSGE 105, 170 = SozR 4-2500 § 36 Nr 2, RdNr 9).

40

a) Die Regelungen des § 15 Abs 1 S 3 und 4 SGB IX sind auch im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung unmittelbar anwendbar(BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 8 RdNr 12). Dem steht insbesondere § 7 S 2 SGB IX nicht entgegen, wonach die Zuständigkeit der Träger und die Voraussetzungen für die Leistungen zur Teilhabe(§§ 4, 5 SGB IX) nach den für die jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen zu bestimmen sind. Schon nach dem Wortlaut dieser Vorschrift bezieht sich diese Verweisung nur auf Teilhabeleistungen - also die Primäransprüche - selbst, nicht jedoch auf den hier streitbefangenen Kostenerstattungsanspruch.

41

b) Die Beigeladene ist auch hinsichtlich des Kostenerstattungsanspruchs nach § 15 Abs 1 SGB IX passivlegitimiert. "Zuständiger Rehabilitationsträger" iS von § 15 Abs 1 S 4 SGB IX ist der nach § 14 SGB IX zuständige Träger(BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 8 RdNr 14).

42

11. Bei dem rehabilitationsrechtlichen Kostenerstattungsanspruch wegen rechtswidriger Leistungsablehnung nach § 15 Abs 1 S 4 Fall 2 SGB IX handelt es sich um einen Parallelanspruch zum krankenversicherungsrechtlichen Kostenerstattungsanspruch wegen rechtswidriger Leistungsablehnung nach § 13 Abs 3 S 1 Fall 2 SGB V. Der Anspruch ist demgemäß gegeben, wenn der nach § 14 SGB IX zuständige Rehabilitationsträger die Erfüllung eines Naturalleistungsanspruchs rechtswidrig abgelehnt und der Versicherte bzw Leistungsberechtigte sich die Leistung selbst beschafft hat, wenn weiterhin ein Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung besteht, die selbst beschaffte Leistung notwendig ist und die Selbstbeschaffung eine rechtlich wirksame Kostenbelastung des Versicherten bzw Leistungsberechtigten ausgelöst hat. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

43

12. Rechtsfehlerfrei hat das LSG entschieden, dass der Kostenerstattungsanspruch nicht an der fehlenden Kausalität zwischen Leistungsablehnung und Kostenbelastung scheitert. Ansprüche nach § 15 Abs 1 S 4 Fall 2 SGB IX sind - ebenso wie nach § 13 Abs 3 S 1 Fall 2 SGB V - zwar nur gegeben, wenn der zuständige Rehabilitationsträger (hier die Krankenkasse) eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dem Versicherten "dadurch" Kosten für die selbst beschaffte Leistung entstanden sind. Dazu muss die Kostenbelastung des Versicherten der ständigen Rechtsprechung des BSG zufolge wesentlich auf der Leistungsversagung des Trägers beruhen (vgl etwa BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 24). Hieran fehlt es, wenn dieser vor Inanspruchnahme der Versorgung mit dem Leistungsbegehren nicht befasst worden ist, obwohl dies möglich gewesen wäre (vgl BSG SozR 3-2500 § 13 Nr 15 S 74 mwN; BSGE 98, 26 = SozR 4-2500 § 13 Nr 12, RdNr 10; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 16, RdNr 13 mwN), oder wenn der Versicherte auf eine bestimmte Versorgung von vornherein festgelegt war (stRspr; vgl zuletzt BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 29). Das ist hier nicht der Fall.

44

"Selbst verschafft" ist eine Hilfsmittel-Leistung nicht schon mit deren Auswahl. Die Auswahl ist dem Hilfsmittelbewilligungsverfahren notwendig vorgeschaltet und scheidet deshalb mit Ausnahme von Fällen der Vorfestlegung - für die hier nichts festgestellt ist - als Anknüpfungspunkt für den Zeitpunkt der Hilfsmittelbeschaffung aus. Anspruchshindernd ist vielmehr, wie der erkennende Senat bereits entschieden hat, erst ein unbedingtes Verpflichtungsgeschäft im Verhältnis zwischen Versichertem und Leistungserbringer (vgl BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 10 RdNr 22). Unschädlich sind danach Auswahlentscheidungen, die den Versicherten nicht endgültig binden und die regelmäßig Voraussetzung für den Leistungsantrag sind, wie bei der Hörgeräteversorgung die Prüfung der Eignung und Anpassungsfähigkeit der in Betracht kommenden Geräte. Dazu gehört auch eine probeweise Hörgeräteüberlassung. Anders ist es erst dann, wenn der Versicherte bereits vor der Entscheidung des Trägers eine endgültige rechtliche Verpflichtung eingeht und der Leistungserbringer demgemäß auch im Falle der Ablehnung des Leistungsbegehrens durch den Träger die Abnahme und Bezahlung des Hilfsmittels verlangen kann. Ein solcher Leistungsausschlussgrund liegt nach den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen und den Senat deshalb bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG nicht vor. Das LSG hat vielmehr ausgeführt, dass die Klägerin die Entscheidung zur Selbstverschaffung erst deutlich nach der - in der Beschränkung auf den Festbetrag liegenden - Teil-Ablehnung der Beigeladenen vom 12.7.2006, nämlich im Oktober 2006, getroffen hat. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

45

Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die Klägerin die Entscheidung zur Selbstbeschaffung sogar auch erst nach dem Zugang des Ablehnungsbescheides der Beklagten vom 3.8.2006 getroffen hat, weil es im Hinblick auf den Kostenerstattungsanspruch nach § 15 Abs 1 S 4 Fall 2 SGB IX nur auf die rechtswidrige Leistungsablehnung durch den nach § 14 SGB IX zuständigen Rehabilitationsträger ankommt.

46

13. Die ablehnende Entscheidung der Beigeladenen war rechtswidrig, weil sie den Anspruch der Klägerin nach §§ 9, 15 SGB VI iVm § 26 Abs 2 Nr 6 und § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX unberücksichtigt gelassen hat.

47

a) Die gesetzliche Rentenversicherung erbringt als Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ua Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (§ 9 Abs 1 SGB VI), wenn die persönlichen (§ 10 SGB VI) und versicherungsrechtlichen (§ 11 SGB VI) Voraussetzungen erfüllt und die Leistungen nicht nach § 12 SGB VI ausgeschlossen sind. Diese Leistungsvoraussetzungen sind hier erfüllt.

48

Die Klägerin fällt in den persönlichen Anwendungsbereich (§ 10 SGB VI), weil sie hörbehindert ist und deshalb - wie bereits ausgeführt - typische Anforderungen ihrer Berufstätigkeit gemäß der Stellenbeschreibung ohne die notwendige Hörgeräteversorgung nicht (mehr) erfüllen konnte; dabei ist auf die konkret ausgeübte Beschäftigung - hier als Qualitätsmanagementbeauftragte eines Wohlfahrtsverbands - und nicht auf die generelle Erwerbsfähigkeit iS von § 43 Abs 2 S 2 SGB VI abzustellen. Für den Fall der Versorgung mit einem den Anforderungen ihrer Beschäftigung an die Hörfähigkeit entsprechenden Hörgerät bestand eine positive Rehabilitationsprognose. Anhaltspunkte für das Fehlen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (§ 11 SGB VI) oder einen Ausschluss der Leistungspflicht nach § 12 SGB VI bestehen nicht; dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.

49

b) Die Klägerin erfüllt zudem die besonderen Voraussetzungen der Hilfsmittelversorgung zur medizinischen Rehabilitation durch den Rentenversicherungsträger. Gemäß § 9 Abs 1 SGB VI kann die Rentenversicherung ua Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach § 15 SGB VI erbringen, für die in Abs 1 S 1 jener Vorschrift auf die rehabilitationsrechtlichen Bestimmungen der §§ 26 bis 31 SGB IX verwiesen wird. Nach § 26 Abs 1 Nr 2 SGB IX werden Leistungen zur medizinischen Rehabilitation behinderter Menschen erbracht, um Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit zu vermeiden, zu überwinden oder zu mindern. Zu diesen Leistungen gehören nach § 26 Abs 2 Nr 6 SGB IX auch Hilfsmittel, deren Erbringung wiederum in § 31 SGB IX näher geregelt ist. Hierzu zählen nach § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX ua Hilfsmittel, die unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls erforderlich sind, um eine Behinderung bei der Befriedigung von Grundbedürfnissen des täglichen Lebens auszugleichen, soweit sie nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen sind. Diese Leistungsvoraussetzungen sind ebenfalls erfüllt.

50

Als Hilfsmittel zum unmittelbaren Behinderungsausgleich dient ein Hörgerät ohne gesonderte weitere Prüfung der Befriedigung eines Grundbedürfnisses des täglichen Lebens iS von § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX, weil die Erhaltung bzw Wiederherstellung einer Körperfunktion als solche schon ein Grundbedürfnis in diesem Sinne ist(BSGE 105, 170 = SozR 4-2500 § 36 Nr 2, RdNr 15). Es kommt hingegen nicht darauf an, ob die Ausübung einer Erwerbstätigkeit ein Grundbedürfnis iS von § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX ist. Die vom erkennenden Senat im Rahmen der Anwendung von § 33 SGB V vorgenommene Begrenzung auf Nutzungsvorteile, die eine Behinderung (auch) im gesamten täglichen Leben ausgleichen oder mildern, begründet sich mit dem gegliederten System der Sozialversicherung und dient der Abgrenzung der Leistungen der Krankenkassen von denen anderer Rehabilitationsträger und kommt damit - außerhalb des Zuständigkeitsbereichs der GKV - naturgemäß nicht zur Anwendung.

51

14. Damit standen Art, Dauer, Umfang und Durchführung der Rehabilitationsleistung, dh welche Leistungen in Betracht kommen (§ 13 Abs 1 S 1 SGB VI), grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des zuständigen Leistungsträgers (BSGE 85, 298, 300 = SozR 3-2600 § 10 Nr 2 S 3; BSG SozR 3-5765 § 10 Nr 1 S 3 f; BSG SozR 3-1200 § 39 Nr 1 S 3 f; BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 3 RdNr 35; BSG SozR 4-5765 § 7 Nr 1 RdNr 11; BSG Urteil vom 12.12.2011 - B 13 R 21/10 R - Juris RdNr 27; stRspr). Es kann dahingestellt bleiben, ob die fehlende Möglichkeit des Leistungsträgers, dieses Auswahlermessen auszuüben, das Entstehen des Kostenerstattungsanspruchs im Einzelfall hindern könnte. Denn nach den nicht angegriffenen und damit bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG war die Versorgung der Klägerin mit dem Premiumhörgerät zur Fortsetzung ihrer Erwerbstätigkeit zwingend erforderlich, sodass eine sog "Ermessensreduzierung auf Null" vorliegt. Damit sind die der Klägerin entstandenen Kosten in Höhe von 1956,90 Euro auch erforderlich iS von § 15 Abs 1 S 3 SGB IX. Die Klägerin hat somit materiell-rechtlich gegen die Beigeladene Anspruch auf Erstattung der den Festbetrag übersteigenden Kosten der von ihr gewählten notwendigen Hörgeräteversorgung.

52

15. Die Beigeladene hätte somit bei rechtmäßigem Verfahrensablauf dem Antrag der Klägerin auf Gewährung des erforderlichen neuen Hörgeräts in Premiumausführung stattgeben müssen, und zwar einerseits als originär zuständiger Krankenversicherungsträger in Höhe des Festbetrags (§ 36 iVm § 12 Abs 2 SGB V), weil das Hörgerät als Ersatz für das unbrauchbar gewordene alte Gerät dient und trotz seiner berufsbedingt erforderlichen aufwändigen Ausstattung auch im Alltagsleben benutzt wird (§ 33 SGB V), und andererseits als erstangegangener Rehabilitationsträger (§ 14 SGB IX) in Höhe der Mehrkosten, weil sie auch für die rentenversicherungsrechtlichen Ansprüche zuständig geworden ist und das Hörgerät zur Berufsausübung als Hilfsmittel zur medizinischen Rehabilitation im Zuge der Teilhabe am Arbeitsleben benötigt wird (§§ 9, 15 SGB VI iVm § 26 Abs 2 Nr 6 und § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX). Die Zuständigkeit nach § 14 SGB IX hätte die Beigeladene dadurch vermeiden können, dass sie innerhalb der Prüfungsfrist des § 14 Abs 1 S 1 und 2 SGB IX zugleich mit der Bewilligung des Festbetrags den Leistungsantrag hinsichtlich der Mehrkosten an die Beklagte als insoweit zuständigen Rentenversicherungsträger weitergeleitet hätte.

53

Dieses Nebeneinander von zwei sozialversicherungsrechtlichen Zuständigkeiten für eine einheitliche Sozialleistung ist sachlich geboten und im Hilfsmittelbereich auch nicht systemfremd. Wählt ein Versicherter ein zum Behinderungsausgleich geeignetes Hilfsmittel in einer über das medizinisch Notwendige hinausgehenden aufwändigeren Ausführung, trägt die Krankenkasse nur die Kosten des Hilfsmittels in der notwendigen Ausstattung, während die Mehrkosten grundsätzlich vom Versicherten selbst zu tragen sind (§ 33 Abs 1 S 5 SGB V und § 31 Abs 3 SGB IX). Ist die höherwertige Ausstattung dagegen zwar nicht für den Alltagsgebrauch, wohl aber aus rein beruflichen Gründen erforderlich, fallen die Mehrkosten, die sonst der Versicherte selbst tragen müsste, dem Rentenversicherungsträger zur Last. Für medizinische Hilfsmittel (§ 33 SGB V), die zugleich Pflegehilfsmittel sind (§ 40 Abs 1 SGB XI) und deswegen als Hilfsmittel mit Doppelfunktion sowohl von den Krankenkassen als auch von den Pflegekassen zu finanzieren sind, hat der Gesetzgeber einen eigenständigen Finanzausgleich nach § 40 Abs 5 SGB XI geschaffen.

54

16. Die Verurteilung der Beigeladenen zur Erstattung des Betrages von 1956,90 Euro ist nach § 75 Abs 5 SGG möglich. Insbesondere besteht die hierfür nötige Wechselwirkung, weil der streitige Anspruch sich nur entweder gegen die Beklagte oder gegen die Beigeladene richten kann.

55

Der Verurteilung der Beigeladenen steht auch nicht ihre Entscheidung vom 12.7.2006 entgegen, dem Leistungsantrag der Klägerin nur in Form des Festbetrags (§ 36 iVm § 12 Abs 2 SGB V) stattzugeben, die Übernahme der darüber hinausgehenden Kosten aber abzulehnen; denn diese Entscheidung ist im Verhältnis zur Klägerin nicht in Bestandskraft erwachsen.

56

a) Bei dieser Entscheidung der Beigeladenen handelt es sich um einen Verwaltungsakt (§ 31 SGB X), der zwar dem Hörakustiker entsprechend den vertraglichen Regelungen (vgl § 4 Nr 1 des Vertrages) in Gestalt eines formlosen Bewilligungsschreibens zur Kenntnis gegeben worden ist, nicht aber als förmlicher, mit einer Rechtsmittelbelehrung versehener Bescheid der Klägerin zugesandt oder auf andere Weise bekannt gegeben worden ist, wie es § 37 SGB X verlangt. Dennoch ist der Verwaltungsakt gegenüber der Klägerin wirksam geworden, weil offensichtlich der Hörakustiker die Klägerin im Zeitraum zwischen dem 12. und 25.7.2006 über die Entscheidung der Beigeladenen, nur den Festbetrag zu zahlen, unterrichtet hat. Mit dieser - von der Beigeladenen auch so gewollten - Unterrichtung ist der Verwaltungsakt der Klägerin bekannt gegeben und damit auch wirksam geworden (§ 39 Abs 1 SGB X). Nicht nachvollziehbar ist allerdings, weshalb die Beigeladene ihre Entscheidung nicht in Form eines ordnungsgemäßen Bescheids bekannt gegeben hat (§ 37 SGB X).

57

b) Dieser Verwaltungsakt hat gegenüber der Klägerin keine Bestandskraft erlangt (§ 77 SGG). Zwar hat die Klägerin gegen die Entscheidung bei der Beigeladenen nicht ausdrücklich Widerspruch erhoben (§ 83 SGG). Sie hat aber mit ihrer Antragstellung bei der Beklagten am 25.7.2006, die als unmittelbare Reaktion auf die kurz zuvor erhaltene Mitteilung über die Leistungsbegrenzung auf den Festbetrag zu werten ist, deutlich gemacht, mit dieser Leistungsbegrenzung nicht einverstanden zu sein.

58

Diesen Antrag, der inhaltlich nichts anderes ist als die Einwendung gegen die Leistungsbegrenzung auf den Festbetrag, muss sich die Beigeladene nach der Zielsetzung des § 14 SGB IX als Rechtsbehelf gegen ihre Entscheidung zurechnen lassen. Ziel des § 14 SGB IX ist es, im Interesse des behinderten Menschen durch die rasche Klärung von Zuständigkeiten Nachteilen des gegliederten Systems entgegenzuwirken(BT-Drucks 14/5074 S 102). Ein möglicher Nachteil des gegliederten Systems ist es, dass der behinderte Mensch die von ihm begehrte Rehabilitationsleistung bei allen in Betracht kommenden Leistungsträgern verfolgen und dabei ggf eine Vielzahl von Verwaltungs- und weitergehenden Rechtsbehelfsverfahren führen muss, um keinen Nachteil zu erleiden. Diesem "Systemmangel" begegnet § 14 SGB IX erstens durch die Verpflichtung des erstangegangenen Leistungsträgers, kurzfristig die Zuständigkeit zu prüfen, um zweitens den Antrag an den für zuständig erkannten anderen Träger weiterzuleiten oder anderenfalls selbst umfassend zu prüfen. Für den behinderten Menschen soll es einen Antrag bzw ein Antragsverfahren mit einer abschließenden Verwaltungsentscheidung geben. Lässt aber der erstangegangene Leistungsträger - wie hier - die Vorgaben des § 14 SGB IX unberücksichtigt, sodass sich der behinderte Mensch selbst auf die Suche nach einem ggf anderweitig zuständigen Rehabilitationsträger macht, müssen - um der Zielsetzung des § 14 SGB IX zu entsprechen, keinen Nachteil durch das gegliederte System auszulösen - die von ihm angestoßenen Verwaltungsverfahren rechtstechnisch als ein einheitliches Verwaltungsverfahren angesehen werden. Dies muss zumindest dann gelten, wenn - wie im vorliegenden Fall - der erstangegangene Leistungsträger seine Ablehnungsentscheidung nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen hat, sodass für den behinderten Menschen nicht erkennbar ist, welche Maßnahmen er treffen muss, um seine Rechte weiterverfolgen zu können.

59

Geht man aber von einem einheitlichen Verwaltungsverfahren aus, das bei der Beigeladenen begonnen und durch die Antragstellung bei der Beklagten fortgeführt wurde, muss der Antrag der Klägerin vom 25.7.2006 auf Versorgung mit dem Premiumhörgerät zumindest auch als Widerspruch gegen die entsprechend ablehnende Entscheidung der Beigeladenen vom 12.7.2006 angesehen werden, sodass diese Entscheidung nicht bestandskräftig werden konnte. Der fehlende Abschluss des Widerspruchsverfahrens hindert eine Verurteilung der Beigeladenen im vorliegenden Rechtsstreit nicht (Leitherer, aaO, § 75 RdNr 18b unter Hinweis auf BSG SozR Nr 27 zu § 75 SGG).

60

17. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Krankenkassen, ihre Landesverbände oder Arbeitsgemeinschaften schließen im Wege von Vertragsverhandlungen Verträge mit Leistungserbringern oder Verbänden oder sonstigen Zusammenschlüssen der Leistungserbringer über die Einzelheiten der Versorgung mit Hilfsmitteln, deren Wiedereinsatz, die Qualität der Hilfsmittel und zusätzlich zu erbringender Leistungen, die Anforderungen an die Fortbildung der Leistungserbringer, die Preise und die Abrechnung. Darüber hinaus können die Vertragsparteien in den Verträgen nach Satz 1 auch einen Ausgleich der Kosten für erhöhte Hygienemaßnahmen infolge der COVID-19-Pandemie vereinbaren. Dabei haben Krankenkassen, ihre Landesverbände oder Arbeitsgemeinschaften jedem Leistungserbringer oder Verband oder sonstigen Zusammenschlüssen der Leistungserbringer Vertragsverhandlungen zu ermöglichen. In den Verträgen nach Satz 1 sind eine hinreichende Anzahl an mehrkostenfreien Hilfsmitteln, die Qualität der Hilfsmittel, die notwendige Beratung der Versicherten und die sonstigen zusätzlichen Leistungen im Sinne des § 33 Absatz 1 Satz 5 sicherzustellen und ist für eine wohnortnahe Versorgung der Versicherten zu sorgen. Den Verträgen sind mindestens die im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 2 festgelegten Anforderungen an die Qualität der Versorgung und Produkte zugrunde zu legen. Die Absicht, über die Versorgung mit bestimmten Hilfsmitteln Verträge zu schließen, ist auf einem geeigneten Portal der Europäischen Union oder mittels einem vergleichbaren unionsweit publizierenden Medium unionsweit öffentlich bekannt zu machen. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen legt bis zum 30. September 2020 ein einheitliches, verbindliches Verfahren zur unionsweiten Bekanntmachung der Absicht, über die Versorgung mit bestimmten Hilfsmitteln Verträge zu schließen, fest. Über die Inhalte abgeschlossener Verträge einschließlich der Vertragspartner sind andere Leistungserbringer auf Nachfrage unverzüglich zu informieren. Werden nach Abschluss des Vertrages die Anforderungen an die Qualität der Versorgung und der Produkte nach § 139 Absatz 2 durch Fortschreibung des Hilfsmittelverzeichnisses verändert, liegt darin eine wesentliche Änderung der Verhältnisse, die die Vertragsparteien zur Vertragsanpassung oder Kündigung berechtigt.

(1a) Im Fall der Nichteinigung wird der streitige Inhalt der Verträge nach Absatz 1 auf Anruf einer der Verhandlungspartner durch eine von den jeweiligen Vertragspartnern zu bestimmende unabhängige Schiedsperson innerhalb von drei Monaten ab Bestimmung der Schiedsperson festgelegt. Eine Nichteinigung nach Satz 1 liegt vor, wenn mindestens einer der Vertragspartner intensive Bemühungen zur Erreichung eines Vertrages auf dem Verhandlungswege nachweisen kann. Einigen sich die Vertragspartner nicht auf eine Schiedsperson, so wird diese von der für die vertragschließende Krankenkasse zuständigen Aufsichtsbehörde innerhalb eines Monats nach Vorliegen der für die Bestimmung der Schiedsperson notwendigen Informationen bestimmt. Die Schiedsperson gilt als bestimmt, sobald sie sich gegenüber den Vertragspartnern zu ihrer Bestellung bereiterklärt hat. Der bisherige Vertrag und die bisherigen Preise gelten bis zur Entscheidung durch die Schiedsperson fort. Legt die Schiedsperson Preise fest, hat sie diese so festzusetzen, dass eine in der Qualität gesicherte, ausreichende, zweckmäßige sowie wirtschaftliche Versorgung gewährleistet ist. Zur Ermittlung hat die Schiedsperson insbesondere die Kalkulationsgrundlagen der jeweiligen Verhandlungspartner und die marktüblichen Preise zu berücksichtigen. Die Verhandlungspartner sind verpflichtet, der Schiedsperson auf Verlangen alle für die zu treffende Festlegung erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Die Kosten des Schiedsverfahrens tragen die Vertragspartner zu gleichen Teilen. Widerspruch und Klage gegen die Bestimmung der Schiedsperson durch die Aufsichtsbehörde haben keine aufschiebende Wirkung. Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts sind gegen den Vertragspartner zu richten. Der von der Schiedsperson festgelegte Vertragsinhalt oder von der Schiedsperson festgelegte einzelne Bestimmungen des Vertrages gelten bis zur gerichtlichen Ersetzung oder gerichtlichen Feststellung der Unbilligkeit weiter.

(2) Den Verträgen nach Absatz 1 Satz 1 können Leistungserbringer zu den gleichen Bedingungen als Vertragspartner beitreten, soweit sie nicht auf Grund bestehender Verträge bereits zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Hierbei sind entsprechend Absatz 1 Satz 1 Vertragsverhandlungen zu ermöglichen. Verträgen, die mit Verbänden oder sonstigen Zusammenschlüssen der Leistungserbringer abgeschlossen wurden, können auch Verbände und sonstige Zusammenschlüsse der Leistungserbringer beitreten. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für fortgeltende Verträge, die vor dem 1. April 2007 abgeschlossen wurden. § 126 Abs. 1a und 2 bleibt unberührt.

(3) Soweit für ein erforderliches Hilfsmittel keine Verträge der Krankenkasse nach Absatz 1 mit Leistungserbringern bestehen oder durch Vertragspartner eine Versorgung der Versicherten in einer für sie zumutbaren Weise nicht möglich ist, trifft die Krankenkasse eine Vereinbarung im Einzelfall mit einem Leistungserbringer; Absatz 1 Satz 2, 4 und 5 gilt entsprechend. Sie kann vorher auch bei anderen Leistungserbringern in pseudonymisierter Form Preisangebote einholen. In den Fällen des § 33 Abs. 1 Satz 5 gilt Satz 1 entsprechend.

(4) Für Hilfsmittel, für die ein Festbetrag festgesetzt wurde, können in den Verträgen nach den Absätzen 1 und 3 Preise höchstens bis zur Höhe des Festbetrags vereinbart werden.

(5) Die Leistungserbringer haben die Versicherten vor Inanspruchnahme der Leistung zu beraten, welche Hilfsmittel und zusätzlichen Leistungen nach § 33 Absatz 1 Satz 1 und 5 für die konkrete Versorgungssituation im Einzelfall geeignet und notwendig sind. Die Leistungserbringer haben die Beratung nach Satz 1 schriftlich oder elektronisch zu dokumentieren und sich durch Unterschrift der Versicherten bestätigen zu lassen. Das Nähere ist in den Verträgen nach § 127 zu regeln. Im Falle des § 33 Absatz 1 Satz 9 sind die Versicherten vor der Wahl der Hilfsmittel oder zusätzlicher Leistungen auch über die von ihnen zu tragenden Mehrkosten zu informieren. Satz 2 gilt entsprechend.

(6) Die Krankenkassen haben ihre Versicherten über die zur Versorgung berechtigten Vertragspartner und über die wesentlichen Inhalte der Verträge zu informieren. Abweichend von Satz 1 informieren die Krankenkassen ihre Versicherten auf Nachfrage, wenn diese bereits einen Leistungserbringer gewählt oder die Krankenkassen auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichtet haben. Sie können auch den Vertragsärzten entsprechende Informationen zur Verfügung stellen. Die Krankenkassen haben die wesentlichen Inhalte der Verträge nach Satz 1 für Versicherte anderer Krankenkassen im Internet zu veröffentlichen.

(7) Die Krankenkassen überwachen die Einhaltung der vertraglichen und gesetzlichen Pflichten der Leistungserbringer nach diesem Gesetz. Zur Sicherung der Qualität in der Hilfsmittelversorgung führen sie Auffälligkeits- und Stichprobenprüfungen durch. Die Leistungserbringer sind verpflichtet, den Krankenkassen auf Verlangen die für die Prüfungen nach Satz 1 erforderlichen einrichtungsbezogenen Informationen und Auskünfte zu erteilen und die von den Versicherten unterzeichnete Bestätigung über die Durchführung der Beratung nach Absatz 5 Satz 1 vorzulegen. Soweit es für Prüfungen nach Satz 1 erforderlich ist und der Versicherte schriftlich oder elektronisch eingewilligt hat, können die Krankenkassen von den Leistungserbringern auch die personenbezogene Dokumentation über den Verlauf der Versorgung einzelner Versicherter anfordern. Die Leistungserbringer sind insoweit zur Datenübermittlung verpflichtet. Die Krankenkassen stellen vertraglich sicher, dass Verstöße der Leistungserbringer gegen ihre vertraglichen und gesetzlichen Pflichten nach diesem Gesetz angemessen geahndet werden. Schwerwiegende Verstöße sind der Stelle, die das Zertifikat nach § 126 Absatz 1a Satz 2 erteilt hat, mitzuteilen.

(8) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen gibt bis zum 30. Juni 2017 Rahmenempfehlungen zur Sicherung der Qualität in der Hilfsmittelversorgung ab, in denen insbesondere Regelungen zum Umfang der Stichprobenprüfungen in den jeweiligen Produktbereichen, zu möglichen weiteren Überwachungsinstrumenten und darüber getroffen werden, wann Auffälligkeiten anzunehmen sind.

(9) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die für die Wahrnehmung der Interessen der Leistungserbringer maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene geben bis zum 31. Dezember 2017 gemeinsam Rahmenempfehlungen zur Vereinfachung und Vereinheitlichung der Durchführung und Abrechnung der Versorgung mit Hilfsmitteln ab. Kommt eine Einigung bis zum Ablauf der nach Satz 1 bestimmten Frist nicht zustande, wird der Empfehlungsinhalt durch eine von den Empfehlungspartnern nach Satz 1 gemeinsam zu benennende unabhängige Schiedsperson festgelegt. Einigen sich die Empfehlungspartner nicht auf eine Schiedsperson, so wird diese von der für den Spitzenverband Bund der Krankenkassen zuständigen Aufsichtsbehörde bestimmt. Die Kosten des Schiedsverfahrens tragen der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die für die Wahrnehmung der Interessen der Leistungserbringer maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene je zur Hälfte. In den Empfehlungen können auch Regelungen über die in § 302 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 3 genannten Inhalte getroffen werden. § 139 Absatz 2 bleibt unberührt. In den Empfehlungen sind auch die notwendigen Regelungen für die Verwendung von Verordnungen von Leistungen nach § 33 in elektronischer Form zu treffen. Es ist festzulegen, dass für die Übermittlung der elektronischen Verordnung die Dienste der Anwendungen der Telematikinfrastruktur nach § 334 Absatz 1 Satz 2 genutzt werden, sobald diese Dienste zur Verfügung stehen. Die Regelungen müssen vereinbar sein mit den Festlegungen der Bundesmantelverträge nach § 86. Die Empfehlungen nach Satz 1 sind den Verträgen nach den Absätzen 1 und 3 zugrunde zu legen.

Tenor

Die Revision der Beigeladenen gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 25. November 2010 wird zurückgewiesen.

Die Beigeladene trägt die Kosten der Klägerin im Revisionsverfahren. Die Beklagte trägt die durch die Rücknahme der Revision entstandenen Kosten. Im Übrigen sind im Revisionsverfahren keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Erstattung der den Festbetrag übersteigenden Kosten der Hörgeräteversorgung der Klägerin in Höhe von 1956,90 Euro, wobei die Beklagte - insoweit in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen - die Beigeladene und umgekehrt die Beigeladene die Beklagte als im Außenverhältnis zur Klägerin zuständig und passivlegitimiert ansieht.

2

Die 1965 geborene Klägerin ist bei dem beklagten Rentenversicherungsträger renten- und bei der beigeladenen Krankenkasse krankenversichert. Sie leidet an einer progredienten hochgradigen Innenohrschwerhörigkeit rechts, einer mittelgradigen Innenohrschwerhörigkeit links sowie an einem beidseitigen Tinnitus. Deshalb ist sie seit langer Zeit auf ein Hörgerät angewiesen. Sie ist Diplom-Pflegewirtin und seit Mai 2006 als Qualitätsmanagementbeauftragte bei einem Wohlfahrtsverband beschäftigt.

3

Der behandelnde Vertragsarzt verordnete der Klägerin am 9.6.2006 wegen der beidseitigen Schallempfindungsschwerhörigkeit eine Hörhilfe links, da die bisherige Hörhilfe "zu alt" sei. In der Folgezeit versorgte das Hörakustikstudio S., ein Vertragspartner der Beigeladenen iS von § 126 Abs 1 S 1 SGB V, die Klägerin mit dem Hörgerät Savia 211 (Dokumentation zur Hörgeräteanpassung vom 28.9.2006). Zuvor hatte der Leistungserbringer zu einem nicht genau feststellbaren Zeitpunkt vor dem 12.7.2006 der Beigeladenen die Versorgung der Klägerin angezeigt und hierzu das Formular nach Anlage 3 des "Vertrages zur Komplettversorgung mit Hörsystemen" verwendet. Ausweislich eines Ausdrucks der unter dem Namen der Klägerin gespeicherten elektronischen Daten dokumentierte die Beigeladene einen "Antrag vom 12.07.2006", unter dem Status Preisprüfung den Vermerk "Endgültig entschieden am 12.07.2006" und unter der Überschrift Leistungsfälle und Zusätze "Hilfsmittel - 12.07.2006 - 132003. Hörgerät li. Versorgungspauschale bewilligt". Am 23.10.2006 stellte der Leistungserbringer der Klägerin für das Hörgerät nebst Nature-Otoplastik und Reparatur-Pauschale "abzüglich der Krankenkassen-Anteile" 1956,90 Euro in Rechnung, die diese vollständig beglich. Dem Leistungserbringer überwies die Beigeladene im November 2006 einen Betrag von 655 Euro; damit waren unter Abzug der Zuzahlung der Klägerin von 10 Euro (§ 33 Abs 8 iVm § 61 SGB V) der Festbetrag für das Hörgerät von 421 Euro sowie die Kosten der Otoplastik (35 Euro) und die Reparatur-Pauschale (209 Euro) abgedeckt.

4

Im Hinblick auf die absehbare Entscheidung der Beigeladenen, nur den Festbetrag zu leisten, hatte die Klägerin am 25.7.2006 bei der Beklagten Leistungen zur Rehabilitation für Versicherte in Form einer Kostenübernahme für ein höherwertiges Hörgerät beantragt und zur Begründung ausgeführt, ohne die begehrte Versorgung könne sie die Fortbildung von Mitarbeitern, die Moderation von Qualitätszirkeln und die Leitung von Arbeitsgruppen und damit Schwerpunkte ihrer Tätigkeit als Qualitätsmanagementbeauftragte nicht mehr ausüben. Die Beklagte lehnte dies ab, weil Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nur dann in Form eines Hilfsmittels erbracht werden könnten, wenn dieses ausschließlich zur Ausübung eines bestimmten Berufes oder zur Teilnahme an einer bestimmten beruflich vorbereitenden Maßnahme benötigt werde. Dies sei nach ärztlicher Prüfung bei der Klägerin nicht der Fall; die gewählte höherwertige Ausstattung des Hörgeräts diene nicht ausschließlich der Ausübung des Berufs als Qualitätsmanagementbeauftragte, sondern vielmehr für jeden Bereich des täglichen Lebens bzw für jedwede Form der Berufsausübung (Bescheid vom 3.8.2006, Widerspruchsbescheid vom 22.11.2006).

5

Das SG hat die Krankenkasse der Versicherten beigeladen und die gegen den Rentenversicherungsträger gerichtete Klage abgewiesen, gleichzeitig aber die Beigeladene verurteilt, der Klägerin die Kosten für das selbst beschaffte Hörgerät in Höhe von 1956,90 Euro zu erstatten (Urteil vom 30.11.2009). Das LSG hat die von der Beigeladenen eingelegte Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 3.8.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.11.2006 aufgehoben wird (Urteil vom 25.11.2010): Die Beigeladene sei nach § 14 SGB IX als erstangegangener Träger zuständig geworden. Bei der Versorgungsanzeige des Leistungserbringers handele es sich jedenfalls auch um einen Leistungsantrag der Klägerin, da die Beigeladene unmissverständlich darüber informiert worden sei, dass die Klägerin ein Hörgerät wünsche. Davon sei die Beigeladene selbst ausgegangen, weil sie durch die Zahlung des Festbetrags an den Leistungserbringer eine antragsabhängige Leistung erbracht habe. Der Anspruch der Klägerin gegen die Beigeladene auf Kostenerstattung beruhe auf § 15 Abs 1 SGB IX. Sie habe sich das Hörgerät erst am 23.10.2006 und damit nach der Ablehnung durch die Beklagte (Bescheid vom 3.8.2006) selbst beschafft. Der dem Anspruch auf Kostenerstattung zugrunde liegende Sachleistungsanspruch ergebe sich aus § 9 Abs 1 und 2, § 15 Abs 1 S 1 SGB VI iVm § 26 Abs 1 und 2 Nr 6, § 31 SGB IX, da die Klägerin ihre bisherige Tätigkeit ohne die begehrte Versorgung nicht weiter hätte ausüben können.

6

Mit der vom LSG zugelassenen Revision wendet sich die Beigeladene in erster Linie dagegen, nach § 14 SGB IX als erstangegangener Leistungsträger zu gelten und damit für den Versorgungsfall zuständig geworden zu sein. Bei ihr sei kein Antrag der Klägerin eingegangen. Die vom LSG als Antrag angesehene Versorgungsanzeige sei allein Bestandteil der Innenkommunikation zwischen Leistungserbringer und Krankenkasse zur Gewährung einer Sachleistung, durch die im Wesentlichen die Mitgliedschaft des Versicherten geklärt werde. Sie habe erstmals im Rahmen des Abschlussberichts des Hörakustikstudios Anhaltspunkte für entstandene Mehrkosten erhalten. Zu diesem Zeitpunkt habe die Klägerin aber längst ihren Teilhabeantrag bei der Beklagten gestellt. Im Übrigen bestehe kein Anspruch über den bereits bezahlten Festbetrag hinaus.

7

Die Beigeladene beantragt,
die Urteile des LSG Berlin-Brandenburg vom 25.11.2010 und des SG Berlin vom 30.11.2009 zu ändern und die Klage im Hinblick auf sie als Beigeladene abzuweisen.

8

Die Klägerin und die Beklagte verteidigen das angefochtene Berufungsurteil und beantragen jeweils,

        

die Revision zurückzuweisen.

9

Die Beklagte hatte ursprünglich ebenfalls Revision eingelegt (Telefax vom 22.2.2011), diese aber mangels Beschwer wieder zurückgenommen (Schriftsatz vom 18.3.2011).

Entscheidungsgründe

10

Die Revision der Beigeladenen ist zulässig, aber nicht begründet. Die Klägerin hat, wie die Vorinstanzen zu Recht entschieden haben, gegen die Beigeladene einen Anspruch auf Erstattung der durch den Festbetrag nicht gedeckten Kosten der Hörgeräteversorgung in Höhe von 1956,90 Euro. Dieser Anspruch besteht zwar nicht gegen die Beigeladene als für das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zuständigem Leistungsträger (§ 13 Abs 3 S 1 SGB V); leistungspflichtig ist die Beigeladene jedoch als im Verhältnis zur Klägerin auch für die rentenversicherungsrechtliche Hilfsmittelversorgung zuständig gewordener erstangegangener Leistungsträger (Erstattungsanspruch nach § 15 Abs 1 S 4 iVm § 14 Abs 1 SGB IX).

11

1. Streitgegenstand ist der Anspruch der Klägerin auf Erstattung der den Festbetrag (§ 36 SGB V) übersteigenden Kosten des Hörgeräts entweder durch die Beklagte oder durch die Beigeladene. Insoweit ist der beim LSG anhängig gewesene Streitstoff vollständig auch beim BSG angefallen, obwohl nach der Rücknahme des von der Beklagten eingelegten Rechtsmittels nur noch die von der Beigeladenen eingelegte Revision zur Entscheidung ansteht und die Klägerin schon gegen die Abweisung der Klage gegen die Beklagte nicht mit einem eigenen Rechtsmittel - etwa im Wege der Anschlussberufung zu der von der Beigeladenen eingelegten Berufung - vorgegangen war. Das ergibt sich aus der durch § 75 Abs 5 SGG eröffneten - und einer sowohl vom SG als auch vom LSG realisierten - Befugnis, anstelle des verklagten Versicherungs- oder Leistungsträgers nach Beiladung den tatsächlich leistungsverpflichteten, aber nicht verklagten Träger zu verurteilen. Diese prozessual vorgesehene Möglichkeit der Verurteilung auf Beiladung dient vor allem der Prozessökonomie, einer Klageänderung (§ 99 SGG) bedarf es dabei nicht. Um der Vorstellung des SGG-Gesetzgebers in vollem Umfang gerecht werden zu können, muss auch die nächste Instanz über alle in Frage kommenden prozessualen Ansprüche entscheiden können, wenn nur der unterlegene - beigeladene - Versicherungsträger Rechtsmittel eingelegt hat, wie es hier bereits im Berufungsrechtszug geschehen war und nunmehr auch im Revisionsverfahren der Fall ist. Anderenfalls könnten einander widersprechende Entscheidungen ergehen mit der Folge, dass der Kläger mit seinem Klagebegehren zunächst gegen den einen Versicherungsträger und in einer weiteren Instanz gegen den anderen Träger nicht durchdringt, obwohl feststeht, dass gegen einen von beiden jedenfalls der Anspruch besteht. Der Kläger müsste ggf ein Wiederaufnahmeverfahren nach § 180 SGG betreiben, also ein weiteres Verfahren einleiten; dies wäre in höchstem Maße prozessunökonomisch und soll durch die Regelung des § 75 Abs 5 SGG gerade vermieden werden. Deshalb muss im Revisionsverfahren - wie das BSG schon wiederholt ausgeführt hat - auch über den Anspruch entschieden werden, der gegen die Beklagte gerichtet war, obgleich die Klage gegen diese abgewiesen worden ist und nur die verurteilte Beigeladene im zweiten Rechtszug Berufung und im dritten Rechtszug Revision eingelegt hat (BSGE 9, 67, 69 f; BSG SozR 2200 § 1237a Nr 16 S 37; BSG SozR 2200 § 1236 Nr 31 S 57 f; BSGE 102, 90 = SozR 4-2500 § 33 Nr 21, RdNr 10).

12

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist also im Verhältnis zu der von der Klägerin im Klagewege in Anspruch genommenen Beklagten deren Bescheid vom 3.8.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.11.2006, mit der die Übernahme (Sachleistungsanspruch) bzw später die Erstattung (Kostenerstattungsanspruch) der den Festbetrag übersteigenden Kosten der Hörgeräteversorgung in Höhe von 1956,90 Euro abgelehnt worden war. Verfahrensgegenstand ist aber auch die für das Verhältnis der Klägerin zu der Beigeladenen maßgebende Entscheidung vom 12.7.2006, die begehrte Hörgeräteversorgung auf den Festbetrag zu beschränken, eine technisch aufwändigere und teurere Versorgung also abzulehnen. Über diese Verwaltungsentscheidung der Beigeladenen ist zu befinden, weil eine unmittelbare Verurteilung der Beigeladenen nach § 75 Abs 5 SGG voraussetzt, dass dieser Ablehnungsentscheidung im Verhältnis zwischen der Klägerin und der Beigeladenen keine Bindungswirkung zukommt. Im Falle einer solchen Bindungswirkung wäre eine Verurteilung der Beigeladenen nach § 75 Abs 5 SGG ausgeschlossen(BSG SozR 1500 § 75 Nr 38; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 75 RdNr 18b).

13

2. Die Klägerin macht den Anspruch auf Kostenerstattung für die in Höhe von 1956,90 Euro selbst finanzierte Hörgeräteversorgung zu Recht mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs 4 SGG geltend. Die Klage ist gegenüber der Beklagten fristgerecht nach erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren (§ 87 SGG) erhoben worden und auch ansonsten zulässig. Die Verurteilung der Beigeladenen kann auf der Grundlage des § 75 Abs 5 SGG erfolgen; hierzu bedarf es insbesondere keines abgeschlossenen Vorverfahrens iS des § 83 SGG(Leitherer, aaO, § 75 RdNr 18b unter Hinweis auf BSG SozR Nr 27 zu § 75 SGG).

14

3. Die Klägerin hat sich mit ihrem Begehren nach einer verbesserten Hörgeräteversorgung zunächst an die Beigeladene als krankenversicherungsrechtlichen Leistungsträger (§ 33 SGB V) und nach Kenntnis von deren auf den Festbetrag (§ 36 iVm § 12 Abs 2 SGB V) beschränkter Leistungsbewilligung zusätzlich an die Beklagte als rentenversicherungsrechtlichen Leistungsträger (§ 15 Abs 1 SGB VI iVm § 26 Abs 2 Nr 6 und § 31 SGB IX) gewandt, um auch den offenen Restbetrag als Versicherungsleistung gewährt zu bekommen. Die Zuständigkeit der Beklagten als für die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 9 Abs 1 S 1 SGB VI iVm § 5 Nr 2 und § 6 Abs 1 Nr 4 SGB IX) einstandspflichtigen Versicherungsträger kam hier in Betracht, weil die als Diplom-Pflegewirtin ausgebildete Klägerin die Notwendigkeit der verbesserten Hörgeräteversorgung damit begründet hat, anderenfalls ihre gerade erst angetretene neue Beschäftigung als Qualitätsmanagementbeauftragte für den Pflegesektor eines Wohlfahrtsverbandes nicht (mehr) ausüben zu können.

15

Der Frage nach der rentenversicherungsrechtlichen Zuständigkeit der Beklagten für die begehrte Rehabilitationsleistung stellt sich jedoch nur, wenn der Leistungsantrag der Klägerin vom 25.7.2006 mit Blick auf die Zuständigkeitsregelung des § 14 SGB IX als rehabilitationsrechtlicher Erstantrag zu werten ist. Ist er hingegen nur als wiederholender Antrag (Zweitantrag) im Rahmen eines durch den bereits Ende Juni/Anfang Juli 2006 bei der Beigeladenen gestellten Leistungsantrag eingeleiteten einheitlichen rehabilitationsrechtlichen Verwaltungsverfahrens anzusehen, wäre eine rentenversicherungsrechtliche Zuständigkeit der Beklagten nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX im ausschließlich maßgeblichen Außenverhältnis zur Klägerin ausgeschlossen. Vielmehr wäre dann die Beigeladene im Verhältnis zur Klägerin allein zuständiger Rehabilitationsträger für den Versorgungsfall geworden. Das ist nach den Gegebenheiten dieses Falles zu bejahen.

16

a) Nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX verliert der materiell-rechtlich - eigentlich - zuständige Rehabilitationsträger(§ 6 SGB IX) im Außenverhältnis zum Versicherten oder Leistungsempfänger seine Zuständigkeit für eine Teilhabeleistung, sobald der zuerst angegangene Rehabilitationsträger (hier: die beigeladene Krankenkasse) eine iS von § 14 Abs 1 SGB IX fristgerechte Zuständigkeitsklärung versäumt hat und demzufolge die Zuständigkeit nach allen in Betracht kommenden rehabilitationsrechtlichen Rechtsgrundlagen auf ihn übergegangen ist. Sinn dieser Regelung ist es, zwischen den betroffenen behinderten Menschen und Rehabilitationsträgern schnell und dauerhaft die Zuständigkeit zu klären und so Nachteilen des gegliederten Systems entgegenzuwirken (vgl BT-Drucks 14/5074 S 95 zu Nr 5 und S 102 f zu § 14). Deshalb ist der erstangegangene Rehabilitationsträger gehalten, innerhalb von zwei Wochen nach Eingang eines Antrags auf Leistungen zur Teilhabe festzustellen, ob er nach dem für ihn geltenden gesetzlichen Regelwerk für die Leistung zuständig ist; bei den Krankenkassen umfasst die Prüfung auch die Leistungspflicht nach § 40 Abs 4 SGB V(§ 14 Abs 1 S 1 SGB IX). Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu. Muss für eine solche Feststellung die Ursache der Behinderung geklärt werden - vor allem in den Systemen der Unfallversicherung und der sozialen Entschädigung - und ist diese Klärung in der Frist nach § 14 Abs 1 S 1 SGB IX nicht möglich, wird der Antrag unverzüglich dem Rehabilitationsträger zugeleitet, der dem Grunde nach zuständig wäre und die Leistung dann zunächst ohne Rücksicht auf die Ursache erbringt(§ 14 Abs 1 S 2 und 3 SGB IX). Anderenfalls bestimmt § 14 Abs 2 S 1 SGB IX: "Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf unverzüglich fest." Diese Zuständigkeit nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX erstreckt sich im Außenverhältnis zwischen dem Antragsteller und dem erstangegangenen Rehabilitationsträger auf alle Rechtsgrundlagen, die überhaupt in dieser Bedarfssituation rehabilitationsrechtlich vorgesehen sind(BSGE 93, 283 = SozR 4-3250 § 14 Nr 1, RdNr 15 ff; BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4, RdNr 14; BSGE 102, 90 = SozR 4-2500 § 33 Nr 21, RdNr 23). Dadurch wird eine nach außen verbindliche Zuständigkeit des erstangegangenen Rehabilitationsträgers geschaffen, die intern die Verpflichtungen des eigentlich zuständigen Leistungsträgers unberührt lässt und die Träger insoweit auf den nachträglichen Ausgleich nach § 14 Abs 4 S 1 SGB IX und §§ 102 ff SGB X verweist(BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4, RdNr 14-16).

17

b) Erstangegangener Rehabilitationsträger iS von § 14 SGB IX ist derjenige Träger, der von dem Versicherten bzw Leistungsbezieher erstmals mit dem zu beurteilenden Antrag auf Bewilligung einer Leistung zur Teilhabe befasst worden ist. Diese Befassungswirkung fällt nach der Rechtsprechung des BSG grundsätzlich auch nach einer verbindlichen abschließenden Entscheidung des erstangegangenen Trägers nicht weg. Vielmehr behält der erstmals befasste Rehabilitationsträger seine Zuständigkeit nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX im Außenverhältnis zum Antragsteller regelmäßig auch dann weiter bei, wenn er, ohne den Antrag an den aus seiner Sicht zuständigen Rehabilitationsträger weitergeleitet zu haben, das Verwaltungsverfahren durch Erlass eines Verwaltungsakts abschließt(vgl § 8 SGB X), selbst wenn dieser bindend wird. Er bleibt deshalb auch für ein mögliches Verfahren nach § 44 SGB X zuständig, selbst wenn die Rechtswidrigkeit im Sinne dieser Vorschrift dann nur darin liegt, dass er die außerhalb seiner "eigentlichen" Zuständigkeit liegenden, nach dem Vorstehenden einschlägigen Rechtsgrundlagen nicht beachtet hat(BSGE 93, 283 = SozR 4-3250 § 14 Nr 1, RdNr 10; BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7, RdNr 31; BSGE 102, 90 = SozR 4-2500 § 33 Nr 21, RdNr 24).

18

4. Nach diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Fall die beigeladene Krankenkasse als erstangegangener Rehabilitationsträger für die begehrte Hörgeräteversorgung iS des § 14 SGB IX anzusehen. Die Beigeladene ist im Außenverhältnis zur Klägerin mangels Weiterleitung des Leistungsantrags an die Beklagte nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX für das Versorgungsbegehren ausschließlich zuständig geworden; dies schließt eine Zuständigkeit der Beklagten für die Erfüllung des Kostenerstattungsanspruchs als Rentenversicherungsträger aus.

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a) Leistungen der GKV werden auf Antrag erbracht, soweit sich aus den Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige nichts Abweichendes ergibt (§ 19 S 1 SGB IV). Der Anspruch eines Versicherten auf Krankenbehandlung umfasst ua die Versorgung mit Hilfsmitteln (§ 27 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB V), und zwar nach Maßgabe des § 33 SGB V. Dieser Anspruch ist von der Krankenkasse grundsätzlich in Form einer Sachleistung (§ 2 Abs 2 S 1 SGB V) zu erbringen, wobei sie ihre Leistungspflicht gemäß § 12 Abs 2 SGB V mit dem Festbetrag erfüllt, wenn für die Leistung ein Festbetrag festgesetzt ist(BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 17 RdNr 13). Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels des SGB V Verträge mit den Leistungserbringern (§ 2 Abs 2 S 3 SGB V). Im vorliegenden Fall maßgeblich ist der zwischen der Bundesinnung der Hörgeräteakustiker KdöR und dem damaligen Verband der Angestellten-Krankenkassen e. V. sowie dem damaligen Arbeiter-Ersatzkassen-Verband e. V. für die Zeit ab 1.1.2004 geschlossene Vertrag nach §§ 126, 127 SGB V. Danach erfolgt die Abgabe von Hörhilfen auf der Grundlage einer ärztlichen Verordnung oder einer Bewilligung der Ersatzkassen (§ 4 Nr 1 S 1 des Vertrages). Unter der Überschrift "Verfahren bei vorheriger ärztlicher Verordnung" ist ua Folgendes vereinbart worden: "Nach Vorlage der Verordnung durch den Versicherten erstattet der Leistungserbringer eine Versorgungsanzeige (Anlage 3) gegenüber der leistungspflichtigen Ersatzkasse. Der Leistungserbringer erhält nach Prüfung der leistungsrechtlichen Voraussetzungen ein Bewilligungsschreiben der Ersatzkasse. Die Versorgung kann abgerechnet werden, wenn die zur Versorgung geeigneten Hörhilfen nach der Anpassung an den Versicherten ausgeliefert sind und der HNO-Arzt eine ausreichende Hörverbesserung und die Zweckmäßigkeit der Hörhilfe bestätigt hat" (§ 4 Nr 1 S 2 des Vertrages).

20

b) Der Senat kann offenlassen, ob die maßgebliche Antragstellung iS des § 14 SGB IX durch Übergabe der vertragsärztlichen Hörgeräteverordnung vom 9.6.2006 seitens der Klägerin an den Hörgeräteakustiker oder erst durch dessen Versorgungsanzeige bei der Krankenkasse erfolgt ist. In dem einen wie in dem anderen Fall läge ein Leistungsbegehren der Klägerin und damit ein Leistungsantrag iS des § 19 S 1 SGB IV vor, der in der Zeit zwischen dem 9.6.2006 (Tag der vertragsärztlichen Verordnung) und dem 12.7.2006 (Tag der Verwaltungsentscheidung) bei der Beigeladenen eingegangen ist. Deren Einwand, die vom LSG als Antrag angesehene Versorgungsanzeige sei allein Bestandteil der Innenkommunikation zwischen Leistungsbringer und Krankenkasse zur Gewährung einer Sachleistung (§ 2 Abs 2 S 1 SGB V), durch die im Wesentlichen die Mitgliedschaft des Versicherten (vgl § 19 Abs 1 SGB V) geklärt werde, ist unzutreffend und wirklichkeitsfremd. Wenn sich ein Rehabilitationsträger - wie hier und bei der Hörgeräteversorgung wohl allgemein üblich - seiner leistungsrechtlichen Verantwortung durch sog "Verträge zur Komplettversorgung" nahezu vollständig entzieht und dem Leistungserbringer quasi die Entscheidung darüber überlässt, ob dem Versicherten eine Teilhabeleistung (wenn auch nur zum Festbetrag) zuteil wird, dann erfüllt er weder seine Pflicht zur ordnungsgemäßen Einzelfallprüfung nach § 33 SGB V noch befolgt er die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit(§ 12 Abs 1 und § 70 Abs 1 S 2 SGB V). Wer sich der Pflicht zur Antragsentgegennahme (§ 16 SGB I) verweigert, kann sich nicht darauf berufen, es sei bei ihm kein Antrag gestellt worden. Es mutet zudem abenteuerlich an, dass die Rehabilitationsträger die Versorgung mit bestimmten Hilfsmitteln - hier: Hörgeräte - praktisch nicht mehr selbst vornehmen, sondern in die Hände der Leistungserbringer "outgesourced" haben. Dass ein solches Vorgehen weder dem Grundgedanken der Festbetragsregelung gerecht wird noch zur Kostendämpfung beiträgt, dürfte klar auf der Hand liegen. Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass die Beigeladene hinsichtlich der erfolgten Versorgung keinerlei nachprüfbare Unterlagen vorlegen konnte, wie dies in ihrem "Vertrag zur Komplettversorgung" mit den Hörgeräteakustikern vorgeschrieben ist. Es existiert lediglich ein Datenauszug, der mit Datum 12.7.2006 die Bewilligung eines Hörgeräts und des Festbetrages dokumentiert - ohne jede weitere Überprüfung des Leistungsfalles. Der Senat hält eine derartige Praxis im Umgang mit dem Leistungsrecht des SGB V für nicht mehr akzeptabel.

21

c) Der Antrag der Klägerin richtet sich auf die Versorgung mit einem Hörgerät und ist als solcher nach ständiger Rechtsprechung des BSG ein Antrag auf Teilhabeleistungen iS von § 14 Abs 1 S 1 SGB IX(BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7, RdNr 34; BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 8, RdNr 18). Dabei geht es nach der Auslegungsregel des § 2 Abs 2 SGB I um eine umfassende, nach Maßgabe des Leistungsrechts des Sozialgesetzbuches (hier: des Leistungsrechts der GKV nach dem SGB V sowie des Leistungsrechts der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem SGB VI) bestmögliche Versorgung mit einem neuen Hörgerät. Eine solche Auslegung des Leistungsbegehrens schließt die Aufspaltung des klägerischen Begehrens in zwei separate Leistungsanträge, nämlich in einem Antrag auf Bewilligung eines Festbetrages ("Normalversorgung", § 12 Abs 2 SGB V) und einen weiteren Antrag auf Bewilligung einer über den Festbetrag hinausgehenden, technisch anspruchsvolleren und teureren Versorgung ("Premiumversorgung"), von vornherein aus. Es ist also von einem einheitlichen, spätestens am 12.7.2006 bei der Beigeladenen gestellten Leistungsantrag auszugehen.

22

d) Dieser Antrag entspricht inhaltlich den Anforderungen, die an einen Antrag nach § 14 Abs 1 S 1 SGB IX zu stellen sind.

23

Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut genügt ein Antrag auf Leistungen zur Teilhabe, um die Zuständigkeitsprüfung des erstangegangenen Leistungsträgers und die Zwei-Wochen-Frist in Gang zu setzen. Ein solcher lag hier - wie bereits dargestellt - jedenfalls in Form der Versorgungsanzeige des Hörakustikstudios spätestens am 12.7.2006 vor. Eine andere Auslegung liefe dem Gesetzeszweck zuwider, im Interesse behinderter und von Behinderung bedrohter Menschen durch rasche Klärung von Zuständigkeiten Nachteilen im gegliederten System entgegenzuwirken (BT-Drucks 14/5074 S 102 f zu § 14). Soweit die Beigeladene darauf hinweist, dass dem Antrag der Klägerin, hier also der Versorgungsanzeige des Hörakustikstudios und der beigefügten vertragsärztlichen Verordnung, die für eine Zuständigkeitsprüfung notwendigen Angaben fehlten, wäre es ihre Aufgabe als Versicherungsträger gewesen, diese Angaben zu ermitteln. Dies ergibt sich unmittelbar aus der gesetzlichen Pflicht zur Zuständigkeitsprüfung nach § 14 Abs 1 S 1 SGB IX in Verbindung mit dem Amtsermittlungsgrundsatz nach § 20 Abs 1 SGB X.

24

Auch der Hinweis der Beigeladenen auf die "Gemeinsamen Empfehlungen" der Rehabilitationsträger nach § 13 SGB IX führt zu keiner anderen Bewertung. Die Beigeladene vertritt die Auffassung, ein Antrag auf Teilhabe iS des § 14 Abs 1 S 1 SGB IX liege erst vor, wenn der Rehabilitationsträger über jene Aufgaben und Unterlagen verfüge, die eine Beurteilung der Zuständigkeit ermöglichten(§ 1 Abs 1 S 2 und 3 der Gemeinsamen Empfehlung nach § 13 Abs 2 Nr 3 SGB IX über die Ausgestaltung des in § 14 SGB IX bestimmten Verfahrens idF vom 28.9.2010). Die Behörde müsse solange nicht von einem Teilhabeleistungsantrag ausgehen, als bei verständiger Würdigung nicht erkennbar sei, dass und aus welchem Sozialleistungsbereich der Antragsteller Sozialleistungen begehre. Jede andere Bewertung würde die Leistungsfähigkeit der Krankenkassen sprengen.

25

Die Frage, ob dieser Rechtsauffassung der Beigeladenen und der ihr zugrunde liegenden Empfehlung nach § 13 Abs 2 Nr 3 SGB IX partiell zugestimmt werden kann oder ob die Empfehlung in dieser Allgemeinheit überhaupt mit § 14 Abs 1 S 1 SGB IX zu vereinbaren ist, braucht an dieser Stelle nicht abschließend entschieden zu werden; denn ein an die Krankenkasse gerichteter Antrag auf Versorgung mit einem Hörgerät ist jedenfalls auch auf Leistungen zur Teilhabe iS von §§ 1, 4 und 5 SGB IX gerichtet. Wie bereits ausgeführt, will der Versicherte im Zweifel die ihm günstigste Art der Leistungsgewährung in Anspruch nehmen; ein einmal gestellter Antrag ist also umfassend, dh auf alle nach Lage des Falles in Betracht kommenden Leistungen und Anspruchsgrundlagen hin zu prüfen (BSG SozR 4-2600 § 236a Nr 2 RdNr 21; BSG SozR 4-2600 § 43 Nr 9 RdNr 27; BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 14; BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7, RdNr 34), und insbesondere nicht "künstlich" in separate Teil-Leistungsanträge für die verschiedenen in Betracht kommenden Teilhabeleistungen aufzuspalten. Deshalb hatte die Beigeladene den Leistungsantrag von vornherein sowohl unter dem Aspekt der Hilfsmittelversorgung zur medizinischen Rehabilitation (§ 5 Nr 1, § 31 SGB IX, § 33 SGB V) als auch unter dem Aspekt der Hilfsmittelversorgung zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 5 Nr 2, § 33 Abs 8 S 1 Nr 4 SGB IX, §§ 9, 15 SGB VI) zu prüfen und danach die Zuständigkeit zu bestimmen. Die Frage, ob die Hörgeräteversorgung auch (oder nur) zur weiteren Berufsausübung benötigt wurde, hätte ohne Weiteres durch eine Nachfrage bei der Klägerin (zB per Telefon) geklärt werden können und berechtigte grundsätzlich nicht zu einer Verschiebung des Beginns der Zwei-Wochen-Frist des § 14 Abs 1 S 1 SGB IX. Der Gesetzgeber hat mit gutem Grund eine strenge Zwei-Wochen-Frist für die Prüfung der Zuständigkeit für die Entscheidung von Anträgen auf Teilhabeleistungen gesetzt und deren Verlängerung nicht vorgesehen (vgl § 14 Abs 1 S 3 SGB IX).

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e) Nachdem die Beigeladene den Antrag der Klägerin auf Leistungen zur Teilhabe nicht innerhalb von zwei Wochen ab dessen Eingang weitergeleitet hat, oblag es ihr, unverzüglich den Rehabilitationsbedarf der Klägerin festzustellen (§ 14 Abs 2 S 1 SGB IX). Diese Zuständigkeit der Beigeladenen ist ausschließlicher Natur; denn die Zuständigkeit des erstangegangenen Rehabilitationsträgers nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX schließt im Außenverhältnis zum Versicherten die Zuständigkeiten aller anderen Träger aus(BSGE 93, 283 = SozR 4-3250 § 14 Nr 1, RdNr 15; BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4, RdNr 12 ff; BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7, RdNr 16; BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 8 RdNr 15; stRspr). Im Verhältnis zwischen dem erstangegangenen Träger und dem Leistungsberechtigten ist also der Anspruch anhand aller Rechtsgrundlagen zu prüfen, die überhaupt in der konkreten Bedarfssituation für Rehabilitationsträger vorgesehen sind. Darüber hinaus verlieren alle anderen Träger innerhalb des durch den Leistungsantrag ausgelösten Verwaltungsverfahrens ihre Zuständigkeit für die Gewährung von Rehabilitationsleistungen, was wiederum zur Folge hat, dass eventuell ergangene Bescheide wegen sachlicher Unzuständigkeit aufzuheben sind (BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 8 RdNr 16). Dementsprechend hat das LSG zu Recht die angefochtenen Entscheidungen der Beklagten mangels Zuständigkeit aufgehoben.

27

5. Zu Recht haben die Vorinstanzen die Beigeladene und nicht die Beklagte als für die Erstattung des von der Klägerin getragenen Kostenanteils in Höhe von 1956,90 Euro zuständig erachtet. Die Kostenerstattungspflicht der Beigeladenen beruht allerdings nicht auf ihrer Funktion als originär zuständiger Krankenversicherungsträger, sondern auf ihrer Eigenschaft als nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX umfassend zuständig gewordener erstangegangener Rehabilitationsträger, der die begehrte Teilhabeleistung auch unter dem Aspekt einer dem Rentenversicherungsträger obliegenden Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben(§ 5 Nr 2, § 6 Abs 1 Nr 4 SGB IX) zu prüfen hatte. Da die rentenversicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt waren, hätte die Beigeladene die der Klägerin angepasste Hörgeräteversorgung als Sachleistung erbringen müssen; die Beschränkung der Leistung auf den Festbetrag (§ 36 SGB V) war rechtswidrig.

28

6. Grundlage des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs gegen die Beigeladene als zuständiger Krankenversicherungsträger ist § 13 Abs 3 S 1 Fall 2 SGB V(hier idF des Art 5 Nr 7 Buchst b SGB IX - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - vom 19.6.2001, BGBl I 1046). Danach gilt: Hat die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Der Erstattungsanspruch reicht, wie in der Rechtsprechung des BSG geklärt ist, nicht weiter als ein entsprechender - primärer - Sachleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (stRspr; vgl zB BSGE 79, 125, 126 f = SozR 3-2500 § 13 Nr 11 S 51 f mwN; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 11 mwN; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 19 RdNr 12; vgl zum Ganzen auch Hauck in: Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Bd 1, Stand: 1.1.2012, § 13 SGB V RdNr 233 ff). Der Anspruch ist demgemäß gegeben, wenn die Krankenkasse die Erfüllung eines Naturalleistungsanspruchs rechtswidrig abgelehnt und der Versicherte sich die Leistung selbst beschafft hat, wenn weiterhin ein Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung besteht, die selbst beschaffte Leistung notwendig ist und die Selbstbeschaffung eine rechtlich wirksame Kostenbelastung des Versicherten ausgelöst hat (vgl zuletzt BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 25; eingehend Hauck, aaO, mwN). Diese Voraussetzungen wären nur erfüllt, wenn die Beigeladene ihre Leistungspflicht nach dem Leistungsrecht des SGB V zu Unrecht auf den Festbetrag begrenzt und die vollständige Erfüllung des gegebenen Leistungsanspruchs rechtswidrig abgelehnt hätte. Dies ist jedoch nicht der Fall, weil der Klägerin kein krankenversicherungsrechtlicher Anspruch auf die angepasste "Primärversorgung" zustand.

29

7. Rechtsgrundlage des in erster Linie verfolgten krankenversicherungsrechtlichen Leistungsanspruchs ist § 33 Abs 1 S 1 SGB V, hier in der zum Zeitpunkt der Leistungsverschaffung geltenden Fassung des Art 1 Nr 20 Buchst a bb des Gesetzes zur Modernisierung der GKV(GKV-Modernisierungsgesetz - GMG) vom 14.11.2003 (BGBl I 2190, im Folgenden: § 33 SGB V aF). Hiernach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, wenn sie erstens nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens oder nach § 34 Abs 4 SGB V aus der GKV-Versorgung ausgeschlossen und zweitens im Einzelfall erforderlich sind, um entweder den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. Demgemäß besteht nach § 33 Abs 1 S 1 SGB V ein Anspruch auf Hörhilfen, die nur von hörbehinderten Menschen benutzt werden und deshalb kein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens sind, auch nicht nach § 34 Abs 4 SGB V aus der GKV-Versorgung ausgeschlossen sind und weder der Krankenbehandlung noch der Vorbeugung einer Behinderung dienen, soweit sie im Rahmen des Notwendigen und Wirtschaftlichen(§ 12 Abs 1 SGB V) für den von der Krankenkasse geschuldeten Behinderungsausgleich erforderlich sind.

30

8. Der von den Krankenkassen geschuldete Behinderungsausgleich bemisst sich nach ständiger Rechtsprechung des für die GKV-Hilfsmittelversorgung ausschließlich zuständigen 3. Senats des BSG entscheidend danach, ob eine Leistung des unmittelbaren oder des mittelbaren Behinderungsausgleichs beansprucht wird (BSGE 105, 170 = SozR 4-2500 § 36 Nr 2, RdNr 14 ff). Insoweit hat der in § 33 Abs 1 S 1 SGB V als 3. Variante genannte Zweck (vgl jetzt auch § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX) für die im Rahmen der GKV gebotene Hilfsmittelversorgung zwei Ebenen.

31

a) Im Bereich des unmittelbaren Behinderungsausgleichs ist die Hilfsmittelversorgung grundsätzlich von dem Ziel eines vollständigen funktionellen Ausgleichs geleitet. Im Vordergrund steht dabei der unmittelbare Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion. Davon ist auszugehen, wenn das Hilfsmittel die Ausübung der beeinträchtigten Körperfunktion - hier das Hören - selbst ermöglicht, ersetzt oder erleichtert. Für diesen unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts (§ 2 Abs 1 S 3 SGB V). Dies dient in aller Regel ohne gesonderte weitere Prüfung der Befriedigung eines Grundbedürfnisses des täglichen Lebens iS von § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX, weil die Erhaltung bzw Wiederherstellung einer Körperfunktion als solche schon ein Grundbedürfnis in diesem Sinne ist. Deshalb kann auch die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem gesunden Menschen erreicht ist (BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 4 - C-Leg II). Das Maß der notwendigen Versorgung würde deshalb verkannt, wenn die Krankenkassen ihren Versicherten Hörgeräte ungeachtet hörgerätetechnischer Verbesserungen nur "zur Verständigung beim Einzelgespräch unter direkter Ansprache" zur Verfügung stellen müssten. Teil des von den Krankenkassen nach § 33 Abs 1 S 1 SGB V geschuldeten - möglichst vollständigen - Behinderungsausgleichs ist es vielmehr, hörbehinderten Menschen im Rahmen des Möglichen auch das Hören und Verstehen in größeren Räumen und bei störenden Umgebungsgeräuschen zu eröffnen und ihnen die dazu nach dem Stand der Hörgerätetechnik(§ 2 Abs 1 S 3 SGB V)jeweils erforderlichen Geräte zur Verfügung zu stellen. Das schließt - wie die Beigeladene zu Recht nicht in Zweifel gezogen hat - je nach Notwendigkeit auch die Versorgung mit digitalen Hörgeräten ein.

32

b) Beschränkter sind die Leistungspflichten der GKV, wenn die Erhaltung bzw Wiederherstellung der beeinträchtigten Körperfunktion nicht oder nicht ausreichend möglich ist und deshalb Hilfsmittel zum Ausgleich von direkten und indirekten Folgen der Behinderung benötigt werden (sog mittelbarer Behinderungsausgleich). Dann sind die Krankenkassen ständiger Rechtsprechung des Senats zufolge nur für einen Basisausgleich von Behinderungsfolgen eintrittspflichtig. Es geht hier nicht um einen Ausgleich im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten eines gesunden Menschen. Denn Aufgabe der GKV ist in allen Fällen allein die medizinische Rehabilitation (vgl § 1 SGB V sowie § 6 Abs 1 Nr 1 iVm § 5 Nr 1 und 3 SGB IX), also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolges, um ein selbstständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme. Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich ist von der GKV deshalb nur dann zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Zu diesen allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehören nach ständiger Rechtsprechung des BSG das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, die Nahrungsaufnahme, das Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums (BSGE 93, 176, 180 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7, RdNr 12; BSGE 91, 60, 63 = SozR 4-2500 § 33 Nr 3, RdNr 10; BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 14; stRspr). Für den Ausgleich darüber hinausreichender Behinderungsfolgen haben beim mittelbaren Behinderungsausgleich hingegen ggf andere Sozialleistungssysteme Sorge zu tragen.

33

c) Dies gilt entgegen einer als überholt anzusehenden (BSGE 105, 170 = SozR 4-2500 § 36 Nr 2, RdNr 17) Entscheidung des 13. Senats des BSG vom 21.8.2008 (BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7 - digitales Hörgerät für Lagerarbeiter) auch für Gebrauchsvorteile im Beruf. Seiner Ansicht nach sollten die Krankenkassen auch für Hilfsmittel in Anspruch genommen werden können, die (nur) für die Berufsausübung erforderlich sind (aaO, RdNr 43). Dem ist nicht zu folgen, weil Auswirkungen bei der oder auf die Berufsausübung für die Hilfsmittelgewährung nach dem SGB V grundsätzlich unbeachtlich sind. Für Leistungen der medizinischen Rehabilitation und demgemäß nach § 26 Abs 2 Nr 6 SGB IX auch für die Versorgung mit Hilfsmitteln sind die Krankenkassen nicht allein zuständig, sondern ebenso Rehabilitationsträger wie ua die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung(vgl §§ 9 Abs 1 S 1, 15 Abs 1 S 1 SGB VI iVm § 31 SGB IX) und die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung (vgl § 31 Abs 1 S 1 SGB VII). Dies rechtfertigt die Leistungsbegrenzung in der GKV auf solche Hilfsmittel, mit denen die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder gemildert werden können und die damit ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens betreffen (stRspr; vgl zuletzt BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7, RdNr 12 - schwenkbarer Autositz bei Wachkomaversorgung; BSGE 91, 60 RdNr 9 = SozR 4-2500 § 33 Nr 3 RdNr 10 - Rollstuhl-Ladeboy; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 31 S 185 - Rollstuhl-Bike; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 32 S 191 - Therapie-Tandem). Die demgegenüber vom 13. Senat des BSG angeführte und noch zu §§ 182, 182b Reichsversicherungsordnung ergangene frühere Rechtsprechung(insbesondere BSG SozR 2200 § 182b Nr 36 und BSG SozR 2200 § 182 Nr 116) ist unter Geltung des SGB V nicht weiterverfolgt worden. Hätte die GKV heute auch noch jenseits des elementaren Basisausgleichs für den Ausgleich jeglicher mittelbarer Behinderungsfolgen aufzukommen, wäre die überkommene und im SGB IX ausdrücklich bekräftigte (vgl § 6 Abs 1 und 2, § 7 S 2 SGB IX)Aufgabenteilung zwischen den Krankenkassen einerseits sowie den Trägern ua der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung andererseits auf dem Gebiet der medizinischen Rehabilitation hinfällig. Ausschließlich berufliche und arbeitsplatzspezifische Gebrauchsvorteile sind demgemäß für die Hilfsmittelversorgung nach dem SGB V grundsätzlich unbeachtlich. Ist ein Versicherter für die Anforderungen des allgemeinen Alltagslebens ausreichend versorgt, kommt es auf etwaige zusätzliche Nutzungsvorteile im Erwerbsleben ohnehin nicht an. Umgekehrt kann ein Hilfsmittelanspruch gegen die GKV nicht auf ausschließlich berufliche Nutzungsvorteile gestützt werden, wenn das Hilfsmittel ansonsten keine allgemeinen Grundbedürfnisse betrifft und seine Nutzung die Auswirkungen der Behinderung nicht im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert.

34

d) Begrenzt ist der so umrissene Anspruch auf eine Hilfsmittelversorgung nach § 33 SGB V durch das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs 1 SGB V. Die Leistungen müssen danach "ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein" und dürfen "das Maß des Notwendigen nicht überschreiten"; Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. Demzufolge verpflichtet auch § 33 Abs 1 S 1 SGB V nicht dazu, den Versicherten jede gewünschte, von ihnen für optimal gehaltene Versorgung zur Verfügung zu stellen. Ausgeschlossen sind danach Ansprüche auf teure Hilfsmittel, wenn eine kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Nachteilsausgleich funktionell ebenfalls geeignet ist (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 26 S 153; stRspr); Mehrkosten sind andernfalls selbst zu tragen (§ 33 Abs 1 S 5 SGB V). Eingeschlossen in den Versorgungsauftrag der GKV ist eine kostenaufwändige Versorgung dagegen dann, wenn durch sie eine Verbesserung bedingt ist, die einen wesentlichen Gebrauchsvorteil gegenüber einer kostengünstigeren Alternative bietet. Das gilt bei Hilfsmitteln zum unmittelbaren Behinderungsausgleich insbesondere durch Prothesen für grundsätzlich jede Innovation, die dem Versicherten in seinem Alltagsleben deutliche Gebrauchsvorteile bietet (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 44 S 249 - C-Leg I; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 45 S 255 - Damenperücke; BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 4 - C-Leg II). Keine Leistungspflicht besteht dagegen für solche Innovationen, die nicht die Funktionalität betreffen, sondern in erster Linie die Bequemlichkeit und den Komfort bei der Nutzung des Hilfsmittels (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 44 S 249; BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 15). Dasselbe gilt für lediglich ästhetische Vorteile (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 45 - Damenperücke). Desgleichen kann eine Leistungsbegrenzung zu erwägen sein, wenn die funktionalen Vorteile eines Hilfsmittels ausschließlich in bestimmten Lebensbereichen zum Tragen kommen (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 34 zur Versorgung mit einer - dem mittelbaren Behinderungsausgleich dienenden - Mikroportanlage). Weitere Grenzen der Leistungspflicht können schließlich berührt sein, wenn einer nur geringfügigen Verbesserung des Gebrauchsnutzens ein als unverhältnismäßig einzuschätzender Mehraufwand gegenübersteht (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 26 S 153 und Nr 44 S 250 - jeweils mwN).

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9. Nach diesen Grundsätzen zur Versorgung Versicherter mit Hilfsmitteln zum Ausgleich von Behinderungen steht der Klägerin der Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 S 1 SGB V nicht zu, weil es an dem hierfür nötigen Sachleistungsanspruch auf Ausstattung mit dem angepassten Hörgerät(§ 33 SGB V) fehlt.

36

Das LSG hat auf der Grundlage des Gutachtens des Hörgeräteakustikers W. vom 3.12.2008 festgestellt, die Klägerin benötige das höherwertige Premiumgerät lediglich wegen ihrer beruflichen Tätigkeit als Qualitätsmanagementbeauftragte eines Wohlfahrtsverbandes. Der Schwerpunkt dieser auf der Ausbildung der Klägerin als Diplom-Pflegewirtin aufbauenden Tätigkeit liege in der Leitung und Moderation von Arbeitsgruppen in Qualitätszirkeln sowie in der Durchführung von Fortbildungsmaßnahmen zur Altenpflege. Diese Moderatoren- und Dozententätigkeit stelle besondere Anforderungen an die Hörfähigkeit, weil der Betroffene wegen der üblicherweise vorhandenen Störgeräusche einem spezifischen akustischen Umfeld ausgesetzt sei, das sich zB von einer normalen Bürotätigkeit deutlich unterscheide. Außerdem bestehe bei der Klägerin die medizinische Besonderheit, dass sie nur auf einem Ohr mit einer Hörhilfe versorgt werden könne, wodurch sie im Hinblick auf das Richtungshören und Verstehen im Störgeräusch gegenüber einer beidseitigen Versorgung sehr im Nachteil sei, weil alle Schallereignisse auf das linke Ohr treffen würden und so der Nutzschall und der Störschall nur sehr schwer voneinander getrennt werden könnten. Ohne das gewählte Premiumgerät sei die weitere Berufsausübung als Qualitätsmanagementbeauftragte erheblich gefährdet; eine Versorgung mit einem - zum Festbetrag erhältlichen - Basis- oder Komfortgerät sei nicht ausreichend.

37

Diese Feststellungen des LSG sind im Revisionsverfahren nicht angegriffen worden und für den erkennenden Senat daher bindend (§ 163 SGG). Anhaltspunkte dafür, dass die zusätzlichen Nutzungsvorteile des gewählten Premiumgeräts über den beruflichen Nutzen hinaus Auswirkungen der Hörbehinderung der Klägerin im gesamten Alltagsleben mindern, sind weder vom LSG festgestellt worden noch anderweitig ersichtlich. So stellen insbesondere der Antrag der Klägerin bei der Beklagten vom 25.7.2006 sowie ihre Rechtsbehelfsbegründungen stets darauf ab, dass das neue Premiumgerät zur Berufsausübung nötig sei. Danach bleibt festzuhalten, dass die Beigeladene den gegen sie nach § 33 Abs 1 S 1 SGB V bestehenden krankenversicherungsrechtlichen Versorgungsanspruch durch die Zahlung des Festbetrages erfüllt hat(§ 12 Abs 2 SGB V), weil für den Alltagsgebrauch ein zum Festbetrag erhältliches Hörgerät als Ersatz für das unbrauchbar gewordene alte Hörgerät offenbar noch ausgereicht hätte. Für weitergehende Primäransprüche der Klägerin nach dem SGB V bestehe nach den Feststellungen des LSG keine Anhaltspunkte.

38

10. Die Klage ist allerdings begründet, weil der Klägerin ein solcher weitergehender Primäranspruch nach dem Rentenversicherungsrecht zugestanden hätte, für dessen Erfüllung die Beigeladene als erstangegangener Rehabilitationsträger nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX im Außenverhältnis zur Klägerin zuständig war.

39

Rechtsgrundlage des aus der Selbstbeschaffung der Leistung resultierenden rehabilitationsrechtlichen Kostenerstattungsanspruchs ist § 15 Abs 1 S 3 und 4 SGB IX: "Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist(gemeint ist damit die dem Rehabilitationsträger zu setzende angemessene Nachfrist nach § 15 Abs 1 S 2 SGB IX) eine erforderliche Leistung selbst, ist der zuständige Rehabilitationsträger unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zur Erstattung der Aufwendungen verpflichtet. Der Erstattungsanspruch besteht auch, wenn der Rehabilitationsträger eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann oder er die Leistung zu Unrecht abgelehnt hat." Im vorliegenden Fall geht es um einen Kostenerstattungsanspruch nach § 15 Abs 1 S 4 Fall 2 SGB IX, weil die Beigeladene ihre Leistungspflicht auf den Festbetrag beschränkt und damit den weitergehenden Antrag auf Ausstattung mit dem höherwertigen Premiumgerät abgelehnt hat(BSGE 105, 170 = SozR 4-2500 § 36 Nr 2, RdNr 9).

40

a) Die Regelungen des § 15 Abs 1 S 3 und 4 SGB IX sind auch im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung unmittelbar anwendbar(BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 8 RdNr 12). Dem steht insbesondere § 7 S 2 SGB IX nicht entgegen, wonach die Zuständigkeit der Träger und die Voraussetzungen für die Leistungen zur Teilhabe(§§ 4, 5 SGB IX) nach den für die jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen zu bestimmen sind. Schon nach dem Wortlaut dieser Vorschrift bezieht sich diese Verweisung nur auf Teilhabeleistungen - also die Primäransprüche - selbst, nicht jedoch auf den hier streitbefangenen Kostenerstattungsanspruch.

41

b) Die Beigeladene ist auch hinsichtlich des Kostenerstattungsanspruchs nach § 15 Abs 1 SGB IX passivlegitimiert. "Zuständiger Rehabilitationsträger" iS von § 15 Abs 1 S 4 SGB IX ist der nach § 14 SGB IX zuständige Träger(BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 8 RdNr 14).

42

11. Bei dem rehabilitationsrechtlichen Kostenerstattungsanspruch wegen rechtswidriger Leistungsablehnung nach § 15 Abs 1 S 4 Fall 2 SGB IX handelt es sich um einen Parallelanspruch zum krankenversicherungsrechtlichen Kostenerstattungsanspruch wegen rechtswidriger Leistungsablehnung nach § 13 Abs 3 S 1 Fall 2 SGB V. Der Anspruch ist demgemäß gegeben, wenn der nach § 14 SGB IX zuständige Rehabilitationsträger die Erfüllung eines Naturalleistungsanspruchs rechtswidrig abgelehnt und der Versicherte bzw Leistungsberechtigte sich die Leistung selbst beschafft hat, wenn weiterhin ein Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung besteht, die selbst beschaffte Leistung notwendig ist und die Selbstbeschaffung eine rechtlich wirksame Kostenbelastung des Versicherten bzw Leistungsberechtigten ausgelöst hat. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

43

12. Rechtsfehlerfrei hat das LSG entschieden, dass der Kostenerstattungsanspruch nicht an der fehlenden Kausalität zwischen Leistungsablehnung und Kostenbelastung scheitert. Ansprüche nach § 15 Abs 1 S 4 Fall 2 SGB IX sind - ebenso wie nach § 13 Abs 3 S 1 Fall 2 SGB V - zwar nur gegeben, wenn der zuständige Rehabilitationsträger (hier die Krankenkasse) eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dem Versicherten "dadurch" Kosten für die selbst beschaffte Leistung entstanden sind. Dazu muss die Kostenbelastung des Versicherten der ständigen Rechtsprechung des BSG zufolge wesentlich auf der Leistungsversagung des Trägers beruhen (vgl etwa BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 24). Hieran fehlt es, wenn dieser vor Inanspruchnahme der Versorgung mit dem Leistungsbegehren nicht befasst worden ist, obwohl dies möglich gewesen wäre (vgl BSG SozR 3-2500 § 13 Nr 15 S 74 mwN; BSGE 98, 26 = SozR 4-2500 § 13 Nr 12, RdNr 10; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 16, RdNr 13 mwN), oder wenn der Versicherte auf eine bestimmte Versorgung von vornherein festgelegt war (stRspr; vgl zuletzt BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 29). Das ist hier nicht der Fall.

44

"Selbst verschafft" ist eine Hilfsmittel-Leistung nicht schon mit deren Auswahl. Die Auswahl ist dem Hilfsmittelbewilligungsverfahren notwendig vorgeschaltet und scheidet deshalb mit Ausnahme von Fällen der Vorfestlegung - für die hier nichts festgestellt ist - als Anknüpfungspunkt für den Zeitpunkt der Hilfsmittelbeschaffung aus. Anspruchshindernd ist vielmehr, wie der erkennende Senat bereits entschieden hat, erst ein unbedingtes Verpflichtungsgeschäft im Verhältnis zwischen Versichertem und Leistungserbringer (vgl BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 10 RdNr 22). Unschädlich sind danach Auswahlentscheidungen, die den Versicherten nicht endgültig binden und die regelmäßig Voraussetzung für den Leistungsantrag sind, wie bei der Hörgeräteversorgung die Prüfung der Eignung und Anpassungsfähigkeit der in Betracht kommenden Geräte. Dazu gehört auch eine probeweise Hörgeräteüberlassung. Anders ist es erst dann, wenn der Versicherte bereits vor der Entscheidung des Trägers eine endgültige rechtliche Verpflichtung eingeht und der Leistungserbringer demgemäß auch im Falle der Ablehnung des Leistungsbegehrens durch den Träger die Abnahme und Bezahlung des Hilfsmittels verlangen kann. Ein solcher Leistungsausschlussgrund liegt nach den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen und den Senat deshalb bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG nicht vor. Das LSG hat vielmehr ausgeführt, dass die Klägerin die Entscheidung zur Selbstverschaffung erst deutlich nach der - in der Beschränkung auf den Festbetrag liegenden - Teil-Ablehnung der Beigeladenen vom 12.7.2006, nämlich im Oktober 2006, getroffen hat. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

45

Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die Klägerin die Entscheidung zur Selbstbeschaffung sogar auch erst nach dem Zugang des Ablehnungsbescheides der Beklagten vom 3.8.2006 getroffen hat, weil es im Hinblick auf den Kostenerstattungsanspruch nach § 15 Abs 1 S 4 Fall 2 SGB IX nur auf die rechtswidrige Leistungsablehnung durch den nach § 14 SGB IX zuständigen Rehabilitationsträger ankommt.

46

13. Die ablehnende Entscheidung der Beigeladenen war rechtswidrig, weil sie den Anspruch der Klägerin nach §§ 9, 15 SGB VI iVm § 26 Abs 2 Nr 6 und § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX unberücksichtigt gelassen hat.

47

a) Die gesetzliche Rentenversicherung erbringt als Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ua Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (§ 9 Abs 1 SGB VI), wenn die persönlichen (§ 10 SGB VI) und versicherungsrechtlichen (§ 11 SGB VI) Voraussetzungen erfüllt und die Leistungen nicht nach § 12 SGB VI ausgeschlossen sind. Diese Leistungsvoraussetzungen sind hier erfüllt.

48

Die Klägerin fällt in den persönlichen Anwendungsbereich (§ 10 SGB VI), weil sie hörbehindert ist und deshalb - wie bereits ausgeführt - typische Anforderungen ihrer Berufstätigkeit gemäß der Stellenbeschreibung ohne die notwendige Hörgeräteversorgung nicht (mehr) erfüllen konnte; dabei ist auf die konkret ausgeübte Beschäftigung - hier als Qualitätsmanagementbeauftragte eines Wohlfahrtsverbands - und nicht auf die generelle Erwerbsfähigkeit iS von § 43 Abs 2 S 2 SGB VI abzustellen. Für den Fall der Versorgung mit einem den Anforderungen ihrer Beschäftigung an die Hörfähigkeit entsprechenden Hörgerät bestand eine positive Rehabilitationsprognose. Anhaltspunkte für das Fehlen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (§ 11 SGB VI) oder einen Ausschluss der Leistungspflicht nach § 12 SGB VI bestehen nicht; dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.

49

b) Die Klägerin erfüllt zudem die besonderen Voraussetzungen der Hilfsmittelversorgung zur medizinischen Rehabilitation durch den Rentenversicherungsträger. Gemäß § 9 Abs 1 SGB VI kann die Rentenversicherung ua Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach § 15 SGB VI erbringen, für die in Abs 1 S 1 jener Vorschrift auf die rehabilitationsrechtlichen Bestimmungen der §§ 26 bis 31 SGB IX verwiesen wird. Nach § 26 Abs 1 Nr 2 SGB IX werden Leistungen zur medizinischen Rehabilitation behinderter Menschen erbracht, um Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit zu vermeiden, zu überwinden oder zu mindern. Zu diesen Leistungen gehören nach § 26 Abs 2 Nr 6 SGB IX auch Hilfsmittel, deren Erbringung wiederum in § 31 SGB IX näher geregelt ist. Hierzu zählen nach § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX ua Hilfsmittel, die unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls erforderlich sind, um eine Behinderung bei der Befriedigung von Grundbedürfnissen des täglichen Lebens auszugleichen, soweit sie nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen sind. Diese Leistungsvoraussetzungen sind ebenfalls erfüllt.

50

Als Hilfsmittel zum unmittelbaren Behinderungsausgleich dient ein Hörgerät ohne gesonderte weitere Prüfung der Befriedigung eines Grundbedürfnisses des täglichen Lebens iS von § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX, weil die Erhaltung bzw Wiederherstellung einer Körperfunktion als solche schon ein Grundbedürfnis in diesem Sinne ist(BSGE 105, 170 = SozR 4-2500 § 36 Nr 2, RdNr 15). Es kommt hingegen nicht darauf an, ob die Ausübung einer Erwerbstätigkeit ein Grundbedürfnis iS von § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX ist. Die vom erkennenden Senat im Rahmen der Anwendung von § 33 SGB V vorgenommene Begrenzung auf Nutzungsvorteile, die eine Behinderung (auch) im gesamten täglichen Leben ausgleichen oder mildern, begründet sich mit dem gegliederten System der Sozialversicherung und dient der Abgrenzung der Leistungen der Krankenkassen von denen anderer Rehabilitationsträger und kommt damit - außerhalb des Zuständigkeitsbereichs der GKV - naturgemäß nicht zur Anwendung.

51

14. Damit standen Art, Dauer, Umfang und Durchführung der Rehabilitationsleistung, dh welche Leistungen in Betracht kommen (§ 13 Abs 1 S 1 SGB VI), grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des zuständigen Leistungsträgers (BSGE 85, 298, 300 = SozR 3-2600 § 10 Nr 2 S 3; BSG SozR 3-5765 § 10 Nr 1 S 3 f; BSG SozR 3-1200 § 39 Nr 1 S 3 f; BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 3 RdNr 35; BSG SozR 4-5765 § 7 Nr 1 RdNr 11; BSG Urteil vom 12.12.2011 - B 13 R 21/10 R - Juris RdNr 27; stRspr). Es kann dahingestellt bleiben, ob die fehlende Möglichkeit des Leistungsträgers, dieses Auswahlermessen auszuüben, das Entstehen des Kostenerstattungsanspruchs im Einzelfall hindern könnte. Denn nach den nicht angegriffenen und damit bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG war die Versorgung der Klägerin mit dem Premiumhörgerät zur Fortsetzung ihrer Erwerbstätigkeit zwingend erforderlich, sodass eine sog "Ermessensreduzierung auf Null" vorliegt. Damit sind die der Klägerin entstandenen Kosten in Höhe von 1956,90 Euro auch erforderlich iS von § 15 Abs 1 S 3 SGB IX. Die Klägerin hat somit materiell-rechtlich gegen die Beigeladene Anspruch auf Erstattung der den Festbetrag übersteigenden Kosten der von ihr gewählten notwendigen Hörgeräteversorgung.

52

15. Die Beigeladene hätte somit bei rechtmäßigem Verfahrensablauf dem Antrag der Klägerin auf Gewährung des erforderlichen neuen Hörgeräts in Premiumausführung stattgeben müssen, und zwar einerseits als originär zuständiger Krankenversicherungsträger in Höhe des Festbetrags (§ 36 iVm § 12 Abs 2 SGB V), weil das Hörgerät als Ersatz für das unbrauchbar gewordene alte Gerät dient und trotz seiner berufsbedingt erforderlichen aufwändigen Ausstattung auch im Alltagsleben benutzt wird (§ 33 SGB V), und andererseits als erstangegangener Rehabilitationsträger (§ 14 SGB IX) in Höhe der Mehrkosten, weil sie auch für die rentenversicherungsrechtlichen Ansprüche zuständig geworden ist und das Hörgerät zur Berufsausübung als Hilfsmittel zur medizinischen Rehabilitation im Zuge der Teilhabe am Arbeitsleben benötigt wird (§§ 9, 15 SGB VI iVm § 26 Abs 2 Nr 6 und § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX). Die Zuständigkeit nach § 14 SGB IX hätte die Beigeladene dadurch vermeiden können, dass sie innerhalb der Prüfungsfrist des § 14 Abs 1 S 1 und 2 SGB IX zugleich mit der Bewilligung des Festbetrags den Leistungsantrag hinsichtlich der Mehrkosten an die Beklagte als insoweit zuständigen Rentenversicherungsträger weitergeleitet hätte.

53

Dieses Nebeneinander von zwei sozialversicherungsrechtlichen Zuständigkeiten für eine einheitliche Sozialleistung ist sachlich geboten und im Hilfsmittelbereich auch nicht systemfremd. Wählt ein Versicherter ein zum Behinderungsausgleich geeignetes Hilfsmittel in einer über das medizinisch Notwendige hinausgehenden aufwändigeren Ausführung, trägt die Krankenkasse nur die Kosten des Hilfsmittels in der notwendigen Ausstattung, während die Mehrkosten grundsätzlich vom Versicherten selbst zu tragen sind (§ 33 Abs 1 S 5 SGB V und § 31 Abs 3 SGB IX). Ist die höherwertige Ausstattung dagegen zwar nicht für den Alltagsgebrauch, wohl aber aus rein beruflichen Gründen erforderlich, fallen die Mehrkosten, die sonst der Versicherte selbst tragen müsste, dem Rentenversicherungsträger zur Last. Für medizinische Hilfsmittel (§ 33 SGB V), die zugleich Pflegehilfsmittel sind (§ 40 Abs 1 SGB XI) und deswegen als Hilfsmittel mit Doppelfunktion sowohl von den Krankenkassen als auch von den Pflegekassen zu finanzieren sind, hat der Gesetzgeber einen eigenständigen Finanzausgleich nach § 40 Abs 5 SGB XI geschaffen.

54

16. Die Verurteilung der Beigeladenen zur Erstattung des Betrages von 1956,90 Euro ist nach § 75 Abs 5 SGG möglich. Insbesondere besteht die hierfür nötige Wechselwirkung, weil der streitige Anspruch sich nur entweder gegen die Beklagte oder gegen die Beigeladene richten kann.

55

Der Verurteilung der Beigeladenen steht auch nicht ihre Entscheidung vom 12.7.2006 entgegen, dem Leistungsantrag der Klägerin nur in Form des Festbetrags (§ 36 iVm § 12 Abs 2 SGB V) stattzugeben, die Übernahme der darüber hinausgehenden Kosten aber abzulehnen; denn diese Entscheidung ist im Verhältnis zur Klägerin nicht in Bestandskraft erwachsen.

56

a) Bei dieser Entscheidung der Beigeladenen handelt es sich um einen Verwaltungsakt (§ 31 SGB X), der zwar dem Hörakustiker entsprechend den vertraglichen Regelungen (vgl § 4 Nr 1 des Vertrages) in Gestalt eines formlosen Bewilligungsschreibens zur Kenntnis gegeben worden ist, nicht aber als förmlicher, mit einer Rechtsmittelbelehrung versehener Bescheid der Klägerin zugesandt oder auf andere Weise bekannt gegeben worden ist, wie es § 37 SGB X verlangt. Dennoch ist der Verwaltungsakt gegenüber der Klägerin wirksam geworden, weil offensichtlich der Hörakustiker die Klägerin im Zeitraum zwischen dem 12. und 25.7.2006 über die Entscheidung der Beigeladenen, nur den Festbetrag zu zahlen, unterrichtet hat. Mit dieser - von der Beigeladenen auch so gewollten - Unterrichtung ist der Verwaltungsakt der Klägerin bekannt gegeben und damit auch wirksam geworden (§ 39 Abs 1 SGB X). Nicht nachvollziehbar ist allerdings, weshalb die Beigeladene ihre Entscheidung nicht in Form eines ordnungsgemäßen Bescheids bekannt gegeben hat (§ 37 SGB X).

57

b) Dieser Verwaltungsakt hat gegenüber der Klägerin keine Bestandskraft erlangt (§ 77 SGG). Zwar hat die Klägerin gegen die Entscheidung bei der Beigeladenen nicht ausdrücklich Widerspruch erhoben (§ 83 SGG). Sie hat aber mit ihrer Antragstellung bei der Beklagten am 25.7.2006, die als unmittelbare Reaktion auf die kurz zuvor erhaltene Mitteilung über die Leistungsbegrenzung auf den Festbetrag zu werten ist, deutlich gemacht, mit dieser Leistungsbegrenzung nicht einverstanden zu sein.

58

Diesen Antrag, der inhaltlich nichts anderes ist als die Einwendung gegen die Leistungsbegrenzung auf den Festbetrag, muss sich die Beigeladene nach der Zielsetzung des § 14 SGB IX als Rechtsbehelf gegen ihre Entscheidung zurechnen lassen. Ziel des § 14 SGB IX ist es, im Interesse des behinderten Menschen durch die rasche Klärung von Zuständigkeiten Nachteilen des gegliederten Systems entgegenzuwirken(BT-Drucks 14/5074 S 102). Ein möglicher Nachteil des gegliederten Systems ist es, dass der behinderte Mensch die von ihm begehrte Rehabilitationsleistung bei allen in Betracht kommenden Leistungsträgern verfolgen und dabei ggf eine Vielzahl von Verwaltungs- und weitergehenden Rechtsbehelfsverfahren führen muss, um keinen Nachteil zu erleiden. Diesem "Systemmangel" begegnet § 14 SGB IX erstens durch die Verpflichtung des erstangegangenen Leistungsträgers, kurzfristig die Zuständigkeit zu prüfen, um zweitens den Antrag an den für zuständig erkannten anderen Träger weiterzuleiten oder anderenfalls selbst umfassend zu prüfen. Für den behinderten Menschen soll es einen Antrag bzw ein Antragsverfahren mit einer abschließenden Verwaltungsentscheidung geben. Lässt aber der erstangegangene Leistungsträger - wie hier - die Vorgaben des § 14 SGB IX unberücksichtigt, sodass sich der behinderte Mensch selbst auf die Suche nach einem ggf anderweitig zuständigen Rehabilitationsträger macht, müssen - um der Zielsetzung des § 14 SGB IX zu entsprechen, keinen Nachteil durch das gegliederte System auszulösen - die von ihm angestoßenen Verwaltungsverfahren rechtstechnisch als ein einheitliches Verwaltungsverfahren angesehen werden. Dies muss zumindest dann gelten, wenn - wie im vorliegenden Fall - der erstangegangene Leistungsträger seine Ablehnungsentscheidung nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen hat, sodass für den behinderten Menschen nicht erkennbar ist, welche Maßnahmen er treffen muss, um seine Rechte weiterverfolgen zu können.

59

Geht man aber von einem einheitlichen Verwaltungsverfahren aus, das bei der Beigeladenen begonnen und durch die Antragstellung bei der Beklagten fortgeführt wurde, muss der Antrag der Klägerin vom 25.7.2006 auf Versorgung mit dem Premiumhörgerät zumindest auch als Widerspruch gegen die entsprechend ablehnende Entscheidung der Beigeladenen vom 12.7.2006 angesehen werden, sodass diese Entscheidung nicht bestandskräftig werden konnte. Der fehlende Abschluss des Widerspruchsverfahrens hindert eine Verurteilung der Beigeladenen im vorliegenden Rechtsstreit nicht (Leitherer, aaO, § 75 RdNr 18b unter Hinweis auf BSG SozR Nr 27 zu § 75 SGG).

60

17. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten.

Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt. In Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 172a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, sind die §§ 63 bis 80 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt.

(1) Der Prüfung des Revisionsgerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge.

(2) Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegen auch diejenigen Entscheidungen, die dem Endurteil vorausgegangen sind, sofern sie nicht nach den Vorschriften dieses Gesetzes unanfechtbar sind.

(3) Das Revisionsgericht ist an die geltend gemachten Revisionsgründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf das angefochtene Urteil nur geprüft werden, wenn die Mängel nach den §§ 551 und 554 Abs. 3 gerügt worden sind.

(1) Die Revision ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils oder des Beschlusses über die Zulassung der Revision (§ 160a Absatz 4 Satz 1 oder § 161 Abs. 3 Satz 2) schriftlich einzulegen. Die Revision muß das angefochtene Urteil angeben; eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils soll beigefügt werden, sofern dies nicht schon nach § 160a Abs. 1 Satz 3 geschehen ist. Satz 2 zweiter Halbsatz gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Revision ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils oder des Beschlusses über die Zulassung der Revision zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden. Die Begründung muß einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 24. Juni 2011 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe des Elterngeldanspruchs des Klägers.

2

Der Kläger wurde am 19.6.2007 Vater eines Sohnes und beantragte am 18.9.2007 bei der beklagten Freien und Hansestadt Hamburg Elterngeld. Dazu legte er eine Bestätigung seines Arbeitgebers über die vom 1.10.2007 bis 30.11.2007 beantragte Elternzeit vor. Mit Bescheid vom 20.9.2007 gewährte die Beklagte dem Kläger Elterngeld für den vierten und fünften Lebensmonat seines Sohnes. Für den vierten Lebensmonat (19.9.2007 bis 18.10.2007) errechnete sie einen Elterngeldanspruch in Höhe von 848,65 Euro, für den fünften Lebensmonat (19.10.2007 bis 18.11.2007) in Höhe von 1423,25 Euro. Die Beklagte legte ihrer Berechnung ein im Zeitraum von Juni 2006 bis Mai 2007 erzieltes, durchschnittliches monatliches Erwerbseinkommen des Klägers in Höhe von 1931,13 Euro netto zugrunde, wobei sie das dem Kläger von seinem Arbeitgeber im Juni 2006 ausgezahlte Urlaubsgeld in Höhe von 993 Euro sowie das im November 2006 ausgezahlte Weihnachtsgeld in Höhe eines regelmäßigen festen Bruttomonatsgehaltes von 3236 Euro außer Acht ließ. Für den vierten Lebensmonat des Sohnes berücksichtigte die Beklagte das vom Kläger in der Zeit vom 19.9. bis 30.9.2007 erzielte Einkommen. Schließlich erhöhte sie das danach zustehende Elterngeld wegen eines weiteren unter dreijährigen, im selben Haushalt lebenden Kindes um zehn Prozent.

3

Der Kläger erhob gegen diese Entscheidung Widerspruch und machte geltend: Die Bewilligung für den vierten und fünften Lebensmonat entspreche nicht seinem Antrag. Vielmehr habe er Elterngeld für die beiden Kalendermonate Oktober und November 2007 beantragt. Die davon abweichenden Eintragungen im Vordruck habe die Beklagte gegen seinen Willen vorgenommen. Die Anknüpfung an die Lebensmonate des Kindes sei rechtswidrig und verstoße gegen Art 6 Grundgesetz (GG). § 4 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) sei verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass ihm Elterngeld für die Kalendermonate Oktober und November 2007 zu zahlen sei. Ferner seien die Urlaubs- und Weihnachtsgeldzahlungen ebenfalls in die Berechnung miteinzubeziehen. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.4.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

4

Die hiergegen beim Sozialgericht Hamburg (SG) erhobene Klage ist mit Urteil vom 5.8.2009 abgewiesen worden. Das Landessozialgericht Hamburg (LSG) hat die Berufung des Klägers durch Urteil vom 24.6.2011 im Wesentlichen mit folgenden Erwägungen zurückgewiesen:

Der Kläger habe keinen Anspruch auf höheres Elterngeld; insbesondere müssten die in den letzten zwölf Monaten vor der Geburt des Kindes ausgezahlten Sonderzuwendungen (Urlaubs- und Weihnachtsgeld) unberücksichtigt bleiben. Denn gemäß § 2 Abs 7 S 2 BEEG seien sonstige Bezüge iS von § 38a Abs 1 S 3 Einkommensteuergesetz (EStG) nicht als Einnahmen in die Bemessung des Elterngeldanspruchs einzubeziehen, da sie keinen laufenden Arbeitslohn darstellten. Diese Zahlungen wiesen keinen Bezug zur laufenden Arbeitsleistung und zu einzelnen Lohnabrechnungszeiträumen auf, sondern würden für die Arbeit des Jahres geleistet. Die Nichtberücksichtigung eines dreizehnten und vierzehnten Monatsgehaltes laufe dem Sinn und Zweck des Elterngeldes nicht zuwider, denn ein vollständiger Ausgleich der mit der Kinderbetreuung einhergehenden Einkommenseinbußen habe der Gesetzgeber, wie bereits die Begrenzung des Elterngeldanspruchs auf 1800 Euro monatlich zeige, nicht beabsichtigt. Zudem prägten diese Zahlungen die maßgeblichen Verhältnisse nicht mit der gleichen Nachhaltigkeit wie das laufende monatliche Arbeitsentgelt.

5

Dass das Elterngeld für Lebensmonate des Kindes gewährt werde, begegne keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Regelungen über den Anspruch auf Elternzeit sollten ebenso wie die Bestimmungen über den Bezug von Elterngeld die Betreuung und Erziehung eines Kindes in den ersten Lebensjahren durch einen Elternteil fördern. Dazu schaffe das Gesetz einen Anspruch auf Freistellung von der Arbeit ohne Verlust des Arbeitsplatzes sowie einen finanziellen Teilausgleich für das entfallende Erwerbseinkommen. Für die Inanspruchnahme von Elternzeit sei keine Vereinbarung mit dem Arbeitgeber erforderlich. Eine Benachteiligung, insbesondere ein Eingriff in Grundrechte, sei mit den bestehenden Regelungen insoweit nicht verbunden. Die Lebensmonatsregelung knüpfe vielmehr an den einer näheren Begründung nicht bedürfenden besonderen Betreuungsbedarf des neugeborenen Kindes an.

6

Da eine "Verschiebung des Bezugszeitraums" nicht in Betracht komme, sei das vom Kläger ab dem 19.9.2007 erwirtschaftete Erwerbseinkommen auf den Elterngeldanspruch anzurechnen. Die von der Beklagten in der Anlage zum Bewilligungsbescheid vorgenommene Berechnung nach § 2 Abs 3 BEEG sei nicht zu beanstanden.

7

Mit seiner vom LSG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision macht der Kläger insbesondere geltend:

Die Nichtberücksichtigung des ihm ausgezahlten Urlaubs- und Weihnachtsgeldes bei der Berechnung der Höhe des Elterngeldanspruchs sowie die Auszahlung der Leistung nach Lebensmonaten verletze materielles Bundesrecht. Weder das BEEG noch das EStG enthalte eine Definition des Begriffs der sonstigen Bezüge. Er habe arbeitsvertraglich einen Anspruch auf die beiden zusätzlichen Entgeltzahlungen. Die Zahlungen seien im Rahmen des Gesamtjahresgehaltes vereinbart worden, wobei er die Wahl gehabt habe, dieses Gehalt in zwölf oder vierzehn Teilbeträgen ausgezahlt zu bekommen. Beide Zahlungen stellten daher laufenden Arbeitslohn dar und seien bei der Berechnung des Elterngeldanspruchs dementsprechend zu berücksichtigen. Da durch das Elterngeld die wirtschaftliche Existenz während der Kinderbetreuung abgesichert werden solle, müsse tatsächlich vorhandenes, regelmäßig erzieltes Einkommen berücksichtigt werden. Andernfalls erfolge eine Schlechterstellung gegenüber Arbeitnehmern, die ihr Entgelt anteilig auf zwölf Monatsbeträge verteilt erhielten. Zudem prägten diese Zahlungen auch das Familieneinkommen nachhaltig. Arbeitslohn im Sinne des zu berücksichtigenden Einkommens nach dem BEEG sei daher dann laufender Arbeitslohn, wenn er auf einen bestimmten Zeitraum bezogen und regelmäßig wiederkehrend gezahlt werde, wobei es dem Grunde nach ausreiche, wenn bestimmte Einkommensbestandteile periodisch wiederkehrten. Die nunmehrige Änderung des § 2 Abs 7 S 2 BEEG, wonach die im Lohnsteuerabzugsverfahren als besondere Bezüge behandelten Einnahmen keine Berücksichtigung mehr fänden, zeige, dass die ursprüngliche Fassung die Berücksichtigung zusätzlicher, nicht monatlich gezahlter Entgelte zugelassen habe.

8

Ein striktes Lebensmonatsprinzip bei der Leistungsgewährung verkehre den Zweck des Elterngeldes ins Gegenteil. Denn es stelle einen in den Schutz der Familie eingreifenden Zwang dar, zur Vermeidung erheblicher finanzieller Nachteile die Elternzeit gerade in Lebensmonatsabschnitten in Anspruch nehmen zu müssen. Dadurch werde er in seinen Grundrechten aus Art 6 GG verletzt, wonach der Staat verpflichtet sei, die Kinderbetreuung in der jeweils von den Eltern gewählten Form zu fördern und dafür Sorge zu tragen, dass es beiden Elternteilen gleichermaßen möglich sei, Familie und Erwerbstätigkeit miteinander zu verknüpfen. Der Gesetzgeber müsse die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass die Eltern dieses Wahlrecht tatsächlich ausüben könnten. § 4 Abs 2 S 1 BEEG regele lediglich die verwaltungstechnische Abwicklung der Auszahlung und stehe einer Bemessung des Elterngeldes nach Kalendermonaten nicht entgegen. Darüber hinaus verletze die gegenteilige Auffassung ihn auch in seinen Grundrechten aus Art 3 und Art 12 iVm Art 2 und Art 1 GG.

9

Schließlich beruhe die Entscheidung des LSG auf Verfahrensmängeln. Zum einen hätte das LSG eine Vorlage zum Bundesverfassungsgericht (BVerfG) veranlassen müssen. Zum anderen sei sein Anspruch auf ein faires und rechtsstaatliches Verfahren verletzt worden, da die Entscheidungsgründe des LSG erst unmittelbar vor Ablauf der Fünfmonatsfrist abgesetzt worden seien, sodass der Inhalt der Beratung des vollständigen Senats nicht zwingend in die abgefassten Entscheidungsgründe habe mit einfließen können.

10

Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Urteile des LSG Hamburg vom 24.6.2011 und des SG Hamburg vom 5.8.2009 aufzuheben und die Beklagte in Abänderung des Bescheides vom 20.9.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.4.2008 zu verurteilen, ihm Elterngeld für die Zeit vom 1.10.2007 bis 30.11.2007 in ungekürzter Form unter Einbeziehung des im Juni 2006 ausgezahlten Urlaubsgeldes sowie des im November 2006 ausgezahlten dreizehnten Monatsgehalts zu gewähren.

11

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

12

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

13

Die Beteiligten haben dem Senat gegenüber unstreitig gestellt, dass beim Kläger in den streitbefangenen Zeiträumen (1.10. bis 30.11.2007 bzw 19.9. bis 18.11.2007) alle anspruchsberechtigenden Tatsachen nach § 1 BEEG vorlagen. Ferner haben sie ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

Entscheidungsgründe

14

Die Revision des Klägers ist zulässig.

15

Allerdings hat der Kläger die von ihm geltend gemachten Verfahrensfehler nicht ausreichend begründet (vgl § 164 Abs 2 SGG). Gemäß § 164 Abs 2 S 3 SGG müssen bei Verfahrensrügen die Tatsachen bezeichnet werden, die den Mangel ergeben. Die maßgeblichen Vorgänge müssen so genau angegeben sein, dass das Revisionsgericht sie, die Richtigkeit des Vorbringens unterstellt, ohne weitere Ermittlungen beurteilen kann (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 164 RdNr 12 mwN). Daran fehlt es hier.

16

Mit seiner Behauptung, das zur Überprüfung vorliegende Urteil sei bereits deshalb verfahrensfehlerhaft ergangen, weil es erst unmittelbar vor Ablauf von fünf Monaten nach seiner Verkündung abgefasst worden sei, rügt der Kläger sinngemäß das Fehlen von Tatbestand und Entscheidungsgründen (§ 136 Abs 1 Nr 5 und 6 SGG), also das Vorliegen des absoluten Revisionsgrundes gemäß § 202 SGG iVm § 547 Nr 6 ZPO(idF der Bekanntmachung der Neufassung der Zivilprozessordnung vom 5.12.2005, BGBl I 3202). Sein Vorbringen reicht jedoch nicht aus, um einen solchen Mangel hinreichend darzutun.

17

Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen, wenn die Entscheidung entgegen den Bestimmungen des Gesetzes nicht mit Gründen versehen ist. Dem steht es gleich, wenn das Urteil erst so spät schriftlich abgesetzt wird, dass Zweifel angebracht erscheinen, ob es dem der Verkündung zugrunde liegenden Beratungsergebnis entspricht (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 134 RdNr 4). Zwar soll gemäß § 134 Abs 2 S 1 SGG(idF durch Art 4 Nr 12 Buchst a Gesetz über die Verwendung elektronischer Kommunikationsformen in der Justiz vom 22.3.2005, BGBl I 837) das Urteil vor Ablauf eines Monats, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefasst der Geschäftsstelle übermittelt werden, jedoch liegt in der Überschreitung dieser Monatsfrist noch keine Verletzung des § 547 Nr 6 ZPO. Denn es handelt sich nicht um eine zwingende Bestimmung, sondern um eine Sollvorschrift. Ein Verstoß hiergegen ist grundsätzlich unschädlich (Keller, aaO, RdNr 3 f).

18

Nach dem Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) vom 27.4.1993 (BVerwGE 92, 367 = SozR 3-1750 § 551 Nr 4) gilt ein bei Verkündung noch nicht vollständig abgefasstes Urteil dann als nicht mit Gründen versehen, wenn Tatbestand und Entscheidungsgründe nicht binnen fünf Monaten nach Verkündung schriftlich niedergelegt, von den Richtern besonders unterschrieben und der Geschäftsstelle übergeben worden sind. Die vom GmSOGB gezogene Fünfmonatsgrenze trägt dem Erfordernis Rechnung, dass die abgefassten Entscheidungsgründe auf der Überzeugung des Gerichts im Zeitpunkt der Entscheidung und Verkündung beruhen müssen (Keller, aaO, § 134 RdNr 4) und konkretisiert die Anforderungen des Rechtsstaatsprinzips an das gerichtliche Verfahren in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise (vgl BVerfG Kammerbeschluss vom 26.3.2001 - 1 BvR 383/00 - NJW 2001, 2161, 2162). Denn mit zunehmendem Abstand zwischen Beratung der Entscheidung und ihrer Begründung wird die Gefahr eines Auseinanderfallens von Beratungsergebnis und Entscheidungsgründen zwangsläufig ständig größer (BVerfG aaO). Das Bundessozialgericht (BSG) hat sich dieser Grundsatzentscheidung in ständiger Rechtsprechung angeschlossen (vgl Urteil vom 22.9.1993 - 12 RK 39/93 - SozR 3-1750 § 551 Nr 5 S 14 f; Urteil vom 3.3.1994 - 1 RK 6/93 - SozR 3-1750 § 551 Nr 7 S 20 f; Urteil vom 10.3.1994 - 12 RK 47/93 - USK 9405 S 20 = juris RdNr 15; Urteil vom 24.3.1994 - 5 RJ 30/91 - juris RdNr 12; Urteil vom 6.3.1996 - 9 RVg 3/94 - juris RdNr 11; Urteil vom 14.9.1994 - 3/1 RK 36/93 - BSGE 75, 74, 75 = SozR 3-2500 § 33 Nr 12 S 43; Beschluss vom 6.3.2003 - B 11 AL 129/02 B - juris RdNr 14; Urteil vom 20.11.2003 - B 13 RJ 41/03 R - BSGE 91, 283 = SozR 4-1500 § 120 Nr 1, RdNr 4; Beschluss vom 18.11.2009 - B 1 KR 74/08 B - SozR 4-1500 § 10 Nr 3 RdNr 16).

19

Wie der Kläger selbst eingeräumt hat, ist das Urteil des LSG kurz vor Ablauf der insoweit maßgeblichen Fünfmonatsfrist abgefasst worden (und auch mit den Unterschriften der Richter zur Geschäftsstelle gelangt). Demnach kann er die Rüge eines Fehlens von Gründen nicht allein auf die zwischen Verkündung und Absetzung des Berufungsurteils verstrichene Zeit stützen.

20

Ausnahmsweise kann auch bei Einhaltung der maßgeblichen Fünfmonatsgrenze ein Verfahrensmangel vorliegen, wenn sich aus den Umständen des Falls ergibt, dass infolge der verzögerten Absetzung der Entscheidungsgründe die zuverlässige Wiedergabe des Beratungsergebnisses nicht mehr gewährleistet ist (Keller, aaO, § 134 RdNr 4). Dafür müssen bei summarischer Überprüfung jedoch konkrete fallbezogene Anhaltspunkte ersichtlich sein, wie etwa die Maßgeblichkeit einer aufwendigen Beweisaufnahme (BSG Beschluss vom 18.11.2009 - B 1 KR 74/08 B - SozR 4-1500 § 10 Nr 3 RdNr 17).

21

Solche Umstände werden in der klägerischen Revisionsbegründung nicht aufgezeigt. Insbesondere lässt sich - entgegen der Ansicht des Klägers - allein daraus, dass die an der Entscheidung beteiligt gewesenen beiden ehrenamtlichen Richter die abgefasste Entscheidung - wie im Berufungsverfahren üblich - nicht zur Kenntnis erhalten haben, keine Verpflichtung zu einer zeitnäheren Abfassung der Entscheidungsgründe herleiten. Anderenfalls wäre die Fünfmonatsfrist bei allen unter Beiziehung ehrenamtlicher Richter getroffenen erst- und zweitinstanzlichen Hauptsacheentscheidungen praktisch hinfällig.

22

Auch der vom Kläger angenommene Verstoß gegen das sich aus dem GG ergebende Prinzip des gesetzlichen Richters (Art 101 Abs 1 S 2 GG) ist nicht ausreichend bezeichnet worden. Zwar kann ein solcher Verfahrensmangel auch in der Nichtvorlage der dem Rechtsstreit zugrundeliegenden Rechtsnormen im Wege eines konkreten Normenkontrollverfahrens gemäß Art 100 Abs 1 GG an das BVerfG liegen. Eine Verpflichtung des LSG, den Rechtsstreit auszusetzen und dem BVerfG vorzulegen, ergibt sich jedoch bereits aus dem klägerischen Vortrag nicht.

23

Art 101 Abs 1 S 2 GG garantiert, dass niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden darf. Diese Garantie kann verletzt sein, wenn ein Gericht in willkürlicher Weise gegen die sich aus Art 100 Abs 1 GG ergebende Vorlagepflicht verstößt (BVerfG Beschluss vom 16.6.2009 - 1 BvR 2269/07 - juris RdNr 3 mit Verweis auf stRspr). Art 100 Abs 1 S 1 GG verpflichtet die Fachgerichte ua, das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des BVerfG einzuholen, wenn sie von der Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, überzeugt sind.

24

Der Kläger hat nicht geltend gemacht, dass das LSG von der Verfassungswidrigkeit der dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Rechtsnormen, auf die es für die Entscheidung maßgeblich ankommt, ausgegangen ist. Eine solche Behauptung wäre angesichts der Entscheidungsgründe auch nicht ernstlich aufzustellen gewesen. Denn aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung ergibt sich eindeutig, dass das Berufungsgericht keine Verfassungswidrigkeit der anzuwendenden Vorschriften des BEEG angenommen hat.

25

Mit seiner Rüge einer Verletzung materiellen Rechts hat der Kläger die Anforderungen des § 164 Abs 2 S 3 SGG erfüllt, indem er die seiner Ansicht nach verletzten Rechtsnormen in Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgründen des LSG bezeichnet hat.

26

Die Revision ist im Sinne einer Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet. Für eine abschließende Entscheidung reichen die berufungsgerichtlichen Tatsachenfeststellungen nicht aus.

27

Der vom Kläger verfolgte Anspruch auf Elterngeld wegen seines am 19.6.2007 geborenen Sohnes richtet sich nach dem am 1.1.2007 durch das Gesetz zur Einführung des Elterngeldes vom 5.12.2006 (BGBl I 2748) in Kraft getretenen BEEG.

28

Der Kläger ist dem Grunde nach berechtigt, Elterngeld für seinen am 19.6.2007 geborenen Sohn zu beziehen. Gemäß § 1 Abs 1 BEEG hat Anspruch auf Elterngeld, wer einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat (Nr 1), mit seinem Kind in einem Haushalt lebt (Nr 2), dieses Kind selbst betreut und erzieht (Nr 3) und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt (Nr 4). Zwar hat das LSG dazu keine konkreten Tatsachenfeststellungen getroffen. Im Hinblick auf die erfolgte Leistungsbewilligung und die dem Senat gegenüber abgegebenen übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten geht der Senat jedoch davon aus, dass der Kläger diese Voraussetzungen erfüllt und daher anspruchsberechtigt ist.

29

Der angefochtene Verwaltungsakt (Bescheid der Beklagten vom 20.9.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.4.2008) ist zunächst insoweit nicht zu beanstanden, als dem Kläger Elterngeld für zwei Lebensmonate seines am 19.6.2007 geborenen Sohnes gewährt worden ist. Der Kläger kann keine Leistungsbewilligung nach Kalendermonaten beanspruchen.

30

Nach § 4 Abs 1 S 1 kann Elterngeld in der Zeit vom Tag der Geburt bis zur Vollendung des vierzehnten Lebensmonats des Kindes bezogen werden. § 4 Abs 2 S 1 BEEG bestimmt insoweit konkretisierend: "Elterngeld wird in Monatsbeträgen für Lebensmonate des Kindes gezahlt." Auch wenn der Gesetzgeber die Begriffe Monatsbeträge und Lebensmonate abwechselnd verwendet, sind hinsichtlich der Anspruchsausgestaltung stets die Lebensmonate entscheidend (Buchner/Becker, MuSchG/BEEG, 8. Aufl 2008, § 4 BEEG RdNr 7; Lenz in Rancke, Mutterschutz/Elterngeld/Elternzeit 2. Aufl 2010, § 4 BEEG RdNr 1). Entgegen der Ansicht des Klägers beinhaltet § 4 BEEG nicht lediglich eine verwaltungstechnische Berechnungsmodalität, sondern gestaltet den Elterngeldanspruch selbst aus. Dabei ist das sog Lebensmonatsprinzip festgelegt worden (Urteil vom 15.12.2011 - B 10 EG 1/11 R - SozR 4-7837 § 4 Nr 3 RdNr 29; Teil-Urteil vom 30.9.2010 - B 10 EG 9/09 R - BSGE 107, 1 = SozR 4-7837 § 1 Nr 2, RdNr 38; BSG Urteile vom 26.5.2011 - B 10 EG 11/10 R - RdNr 14 und - B 10 EG 12/10 R - RdNr 20, letzteres zur Veröffentlichung in SozR 4-7837 § 4 Nr 2 vorgesehen). Dazu hat der Senat bereits unter Hinweis auf die auch in Rechtsprechung und Literatur vertretene Auffassung ausgeführt, dass § 4 Abs 2 S 1 BEEG nicht nur die Zahlungsweise, sondern auch die Entstehung monatlicher Zahlungsansprüche regelt(Urteil vom 30.9.2010 - B 10 EG 9/09 R - BSGE 107, 1 = SozR 4-7837 § 1 Nr 2, RdNr 38 mwN).

31

Soweit sich der Kläger dadurch in seinen Grundrechten verletzt sieht, dass das Elterngeld als eine an den Lebensmonaten des Kindes orientierte Leistung ausgestaltet worden ist, vermag der Senat ihm nicht zu folgen. Er ist insbesondere nicht davon überzeugt, dass ein Verstoß gegen Art 6 bzw Art 12 GG vorliegt.

32

Nach Art 6 Abs 1 GG stehen Ehe und Familie unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft (Art 6 Abs 2 GG).

33

Zum Umfang des Schutzbereichs von Art 6 Abs 1 GG hat das BVerfG gerade betreffend die Förderung durch das Elterngeld ausgeführt (vgl BVerfG Kammerbeschluss vom 20.4.2011 - 1 BvR 1811/08 - ZFSH/SGB 2011, 337, 338 = juris RdNr 9):

        

"Zwar garantiert Art. 6 Abs. 1 GG als Abwehrrecht die Freiheit, über die Art und Weise der Gestaltung des ehelichen und familiären Zusammenlebens selbst zu entscheiden. Deshalb hat der Staat die Familiengemeinschaft sowohl im immateriell-persönlichen als auch im materiell-wirtschaftlichen Bereich in ihrer jeweiligen eigenständigen und selbstverantwortlichen Ausgestaltung zu respektieren. Demgemäß dürfen die Eltern ihr familiäres Leben nach ihren Vorstellungen planen und verwirklichen und insbesondere in ihrer Erziehungsverantwortung entscheiden, ob und in welchem Entwicklungsstadium das Kind überwiegend von einem Elternteil allein, von beiden Eltern in wechselseitiger Ergänzung oder von einem Dritten betreut werden soll (vgl. BVerfGE 99, 216 <231>). Neben der Pflicht, die von den Eltern im Dienst des Kindeswohls getroffenen Entscheidungen anzuerkennen und daran keine benachteiligenden Rechtsfolgen zu knüpfen, ergibt sich aus der Schutzpflicht des Art. 6 Abs. 1 GG auch die Aufgabe des Staates, die Kinderbetreuung in der jeweils von den Eltern gewählten Form in ihren tatsächlichen Voraussetzungen zu ermöglichen und zu fördern. Der Staat hat dafür Sorge zu tragen, dass es Eltern gleichermaßen möglich ist, teilweise und zeitweise auf eine eigene Erwerbstätigkeit zugunsten der persönlichen Betreuung ihrer Kinder zu verzichten wie auch Familientätigkeit und Erwerbstätigkeit miteinander zu verbinden (vgl. BVerfGE 99, 216 <234>). Dabei ist allerdings in Rechnung zu stellen, dass dem Gesetzgeber im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit für die Abgrenzung der begünstigten Personengruppen grundsätzlich ein weiter Gestaltungsspielraum zukommt (vgl. BVerfGE 99, 165 <178>; 106, 166 <175 f.>). Weit ist der Gestaltungsspielraum auch hinsichtlich der Ausgestaltung der Familienförderung (vgl. BVerfGE 87, 1 <35 f.>; 103, 242 <260>)."

34

Der Gesetzgeber hat den ihm zukommenden Gestaltungsspielraum bei der Regelung des Elterngeldanspruchs nach Lebensmonaten des Kindes eingehalten. Aus der allgemeinen Verpflichtung des Staates, die Kinderbetreuung in der jeweils von den Eltern gewählten Form in ihren tatsächlichen Voraussetzungen zu ermöglichen und zu fördern, folgt kein unbegrenzter Anspruch auf Ausweitung und Individualisierung bestehender Förderungsinstrumente. Dabei ist für den Bereich des BEEG auch zu beachten, dass der Gesetzgeber bereits eine beachtliche Förderung der Eigenbetreuung von Kindern durch die Eltern vorgesehen hat (vgl Senatsurteil vom 15.12.2011 - B 10 EG 1/11 R - SozR 4-7837 § 4 Nr 3 RdNr 46; BVerfG Beschluss vom 6.6.2011 - 1 BvR 2712/09 - NJW 2011, 2869, 2870). Deshalb können insoweit aus verfassungsrechtlicher Sicht grundsätzlich keine weitergehenden Verpflichtungen des Gesetzgebers angenommen werden (BVerfG Beschluss vom 6.6.2011 - 1 BvR 2712/09 - NJW 2011, 2869, 2870).

35

Zwar kann die Gewährung von Elterngeld, wie vom Kläger behauptet, durchaus Einfluss darauf haben, wie Eltern ihre grundrechtlich verankerte Erziehungsverantwortung wahrnehmen und das Leben in der Familie gestalten (so bereits BVerfG Beschluss vom 20.4.2011 - 1 BvR 1811/08 - juris RdNr 8). Mit Rücksicht auf die durch das Elterngeld bezweckte Förderung der erziehungsbedingten Unterbrechung bzw Einschränkung der Erwerbstätigkeit, erweist sich dieser mögliche faktische Einfluss jedoch allenfalls als "Nebenwirkung" der jeweiligen elterlichen Ausübung des freien Wahlrechts, ob und wie die Eltern Elterngeld und Elternzeit in Anspruch nehmen wollen.

36

Das dem Bewilligungsanspruch auf Elterngeld zugrundeliegende Lebensmonatsprinzip ist daher sachlich nicht zu beanstanden und folgerichtig. Denn es trägt nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers dem besonderen Betreuungsbedarf des neugeborenen Kindes Rechnung, wobei die Regelungen zur Elternzeit von dieser Ausgestaltung unberührt bleiben sollten (BT-Drucks 16/1889 S 23). Dieser besondere Betreuungsbedarf entsteht mit der Geburt des Kindes und damit unabhängig vom Beginn eines Kalendermonats. Deshalb ist ein Anknüpfen des Elterngeldanspruchs an die Lebensmonate des Kindes sachgerecht.

37

Das Lebensmonatsprinzip im Elterngeldrecht steht darüber hinaus im Einklang mit den Vorschriften zur Elternzeit. Entsprechend der Entscheidungsfreiheit beim Elterngeld (vgl §§ 4, 5 BEEG) hat der Gesetzgeber durch die Regelungen zur Elternzeit für Eltern ebenfalls freie Gestaltungsmöglichkeiten geschaffen. Eltern können selbst bestimmen, ob und inwieweit sie die zur Betreuung des Kindes vorgesehene Freistellung von der Arbeitspflicht in Anspruch nehmen wollen.

38

Der Anspruch auf Elternzeit besteht grundsätzlich bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres eines Kindes (§ 15 Abs 2 S 1 BEEG) und kann von den Elternteilen anteilig, allein oder von beiden gemeinsam genommen werden (§ 15 Abs 3 S 1 BEEG). Zur tatsächlichen Umsetzung dieses Anspruchs auf Elternzeit sieht das Gesetz vor, dass ein Ausschluss oder eine Beschränkung durch Vertrag nicht möglich (§ 15 Abs 2 S 6 BEEG)und die Inanspruchnahme lediglich von einer einseitigen Anzeige und Erklärung gegenüber dem Arbeitgeber abhängig ist (§ 16 Abs 1 S 1 BEEG). Einer Zustimmung zur Freistellung seitens des Arbeitgebers bedarf es gerade nicht, worauf die Vorinstanzen bereits zutreffend hingewiesen haben. Ferner hat der Gesetzgeber den Eltern einen Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit gegenüber dem Arbeitgeber während der Elternzeit (§ 15 Abs 6 iVm Abs 7 BEEG) eingeräumt sowie weitgehende Kündigungsschutzvorschriften geschaffen (§§ 18, 19 BEEG).

39

Der vom Kläger eingewandte Umstand, die "moderne Arbeitswelt" verhindere eine Inanspruchnahme der Elternzeit nach Lebensmonaten, führt zu keiner anderen verfassungsrechtlichen Beurteilung. Der Gesetzgeber ist nicht verpflichtet, vom Lebensmonatsprinzip des Elterngeldes allein deshalb abzuweichen, weil es möglicherweise praktische Schwierigkeiten bei der Inanspruchnahme von Elternzeit nach Lebensmonaten gibt.

40

Die vom Kläger gerügte Verletzung seiner Berufsausübungsfreiheit (Art 12 Abs 1 GG) durch das Lebensmonatsprinzip liegt fern. Nach Art 12 Abs 1 S 1 GG haben alle Deutschen das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden (Art 12 Abs 1 S 2 GG). Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht (Art 12 Abs 2 GG).

41

Dem BEEG kommt keine den Schutzbereich der Berufswahl- und Berufsausübungsfreiheit berührende Tendenz zu. Die sich aus dem BEEG ergebende Förderung einer frei wählbaren Unterbrechung der Erwerbstätigkeit wirkt sich vollständig berufsneutral aus. Die Entscheidung über die Inanspruchnahme von Elterngeld obliegt den Eltern. Ebenso wenig - und darauf hat der Senat bereits hingewiesen (Urteil vom 15.12.2011 - B 10 EG 1/11 R - SozR 4-7837 § 4 Nr 3 RdNr 45) - wie durch die Gewährung von Elterngeld ein mittelbarer Zwang zur Aufnahme oder Fortführung einer Erwerbstätigkeit ausgeübt wird, gibt das BEEG vor, ab und ggf zu welchem bestimmten Zeitpunkt die Erwerbstätigkeit unterbrochen wird. Vielmehr bietet die Einkommensersatzfunktion des Elterngeldes vielen Eltern gerade erst die Möglichkeit, eine Unterbrechung oder Reduzierung der Erwerbstätigkeit wegen der Betreuung eines Kindes zu wagen (dazu bereits BSG Urteil vom 18.8.2011 - B 10 EG 8/10 R - ZFSH/SGB 2012, 24 = juris RdNr 36 mwN; Urteil vom 15.12.2011 - B 10 EG 1/11 R - aaO).

42

Danach hat die Beklagte zwar zu Recht eine Bewilligung des Elterngeldes des Klägers nach Lebensmonaten des Kindes vorgenommen. Zu prüfen bleibt jedoch, ob sie dabei die richtigen Lebensmonate erfasst hat. Da der Kläger sein Begehren bislang auf eine Leistungsgewährung für Kalendermonate beschränkt hat, ist ihm nunmehr - auch im Hinblick auf Unklarheiten im Antragsformular - Gelegenheit zu geben, sein Anspruchsbegehren hinsichtlich der Bezugsmonate klarzustellen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass es sich für den Kläger als günstiger erweisen könnte, nicht für den vierten und fünften, sondern für den fünften und sechsten Lebensmonat seines Sohnes Elterngeld zu beziehen. Das hängt von der Höhe des jeweiligen gemäß § 2 Abs 3 S 1 BEEG anrechenbaren Einkommens aus Erwerbstätigkeit ab.

43

Die Höhe des dem Kläger zustehenden Anspruchs auf Elterngeld lässt sich ohne weitere Tatsachenfeststellungen des LSG nicht abschließend bestimmen.

44

Für die Höhe des Elterngeldanspruchs des Klägers bestimmt § 2 Abs 1 S 1 BEEG, dass Elterngeld in Höhe von 67 Prozent des in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit bis zu einem Höchstbetrag von 1800 Euro monatlich für volle Monate gezahlt wird, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt. § 2 Abs 3 BEEG regelt die Leistungshöhe, wenn für die Zeit nach der Geburt des Kindes Erwerbseinkommen zu berücksichtigen ist.

45

Als Bemessungszeitraum hat die Beklagte hier rechtsfehlerfrei die Zeit vom 1.6.2006 bis 31.5.2007 zugrunde gelegt. Da der Sohn des Klägers am 19.6.2007 geboren wurde, entspricht dieser Zeitraum den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes. Die in § 2 Abs 7 S 5 und 6 BEEG geregelten Abweichungen kommen hier nicht in Betracht.

46

Bei der Ermittlung des für den Bemessungszeitraum zugrunde zu legenden Bemessungseinkommens ist gemäß § 2 Abs 1 S 2 BEEG zwischen dem Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbstständiger Arbeit und nichtselbstständiger Arbeit iS von § 2 Abs 1 S 1 Nr 1 bis 4 des EStG zu unterscheiden.

47

Da der Kläger vor der Geburt seines Sohnes eine versicherungspflichtige Beschäftigung als Einkäufer einer Baumarktkette ausgeübt hat, ist für die Bestimmung des maßgeblichen Einkommens § 2 Abs 7 BEEG einschlägig. Nach Satz 1 dieser Vorschrift ist als Einkommen aus nichtselbstständiger Arbeit der um die auf dieses Einkommen entfallenden Steuern und die aufgrund dieser Erwerbstätigkeit geleisteten Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung in Höhe des gesetzlichen Anteils der beschäftigten Person einschließlich der Beiträge zur Arbeitsförderung verminderte Überschuss der Einnahmen in Geld oder Geldeswert über die mit einem Zwölftel des Pauschbetrags nach § 9a Abs 1 S 1 Nr 1 Buchst a EStG anzusetzenden Werbungskosten zu berücksichtigen. Als auf die Einnahmen entfallende Steuern gelten die abgeführte Lohnsteuer einschließlich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer, im Falle einer Steuervorauszahlung der auf die Einnahmen entfallende monatliche Anteil. Grundlage der Einkommensermittlung sind die entsprechenden monatlichen Lohn- und Gehaltsbescheinigungen des Arbeitgebers (vgl § 2 Abs 7 S 3 und 4 BEEG). § 2 Abs 7 S 2 BEEG bestimmt, dass sonstige Bezüge iS von § 38a Abs 1 S 3 EStG dabei nicht als Einnahmen berücksichtigt werden.

48

Streitig ist hier, ob die vom Kläger bezogenen Urlaubs- und Weihnachtsgeldzahlungen als sonstige Bezüge iS von § 38a Abs 1 S 3 EStG anzusehen sind. Bereits die Bezugnahme auf § 38a Abs 1 S 3 EStG macht deutlich, dass sich die nähere Bestimmung des in § 2 Abs 7 S 2 BEEG gebrauchten Begriffs der sonstigen Bezüge am Steuerrecht auszurichten hat(so bereits Senatsurteil vom 3.12.2009 - B 10 EG 3/09 R - BSGE 105, 84 = SozR 4-7837 § 2 Nr 4, RdNr 28).

49

§ 38a Abs 1 S 3 EStG(idF vom 19.10.2002, gültig vom 21.9.2002 bis 31.8.2009) regelt für die Bemessung der Jahreslohnsteuer, dass Arbeitslohn, der nicht als laufender Arbeitslohn gezahlt wird (sonstige Bezüge), in dem Kalenderjahr bezogen wird, in dem er dem Arbeitnehmer zufließt. Sonstige Bezüge iS des § 2 Abs 7 S 2 BEEG sind demnach Teile des Arbeitslohns, die nicht als laufender Lohn gezahlt werden(so bereits Senatsurteil vom 3.12.2009, aaO). Die sonstigen Bezüge stellen somit auch Arbeitslohn dar. Es handelt sich nicht um gegensätzliche Begrifflichkeiten. Entscheidend ist, ob eine Lohnzahlung dem laufenden Arbeitslohn zuzuordnen ist oder nicht (vgl Krüger in Schmidt, EStG, 31. Aufl 2012, § 38a RdNr 2).

50

Wie der Senat bereits ausgeführt hat, enthält § 38a Abs 1 S 2 EStG selbst keine Definition des Arbeitslohnbegriffs. Allerdings ergibt sich aus § 38 Abs 1 S 1 EStG, der als Lohnsteuer die durch Abzug vom Arbeitslohn zu erhebende Einkommensteuer "bei Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit" bezeichnet, dass unter dem Begriff des Arbeitslohns Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit zu verstehen sind, wozu wiederum § 19 EStG nähere Bestimmungen enthält(Senatsurteil vom 3.12.2009, aaO).

51

Gemäß § 19 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG gehören insbesondere Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit. Dabei müssen solche Einkünfte nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) abstrakt durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst und im weitesten Sinne die Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der Arbeitskraft des Arbeitnehmers sein, mithin aus dem Dienstverhältnis heraus zufließen (vgl zB BFH Urteil vom 20.5.2010 - VI R 41/09 - BFHE 229, 346, 348 RdNr 9 mwN sowie zuletzt BSG Urteile vom 5.4.2012 - B 10 EG 3/11 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 16 RdNr 16 mwN und - B 10 EG 17/11 R - juris RdNr 20 mwN; Tillmann in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Stand 11/2010, § 38a RdNr 13).

52

Danach gehören die im Juni bzw November 2006 erfolgten, als Urlaubs- bzw Weihnachtsgeld deklarierten Zahlungen zum Arbeitslohn des Klägers. Zu prüfen bleibt, ob diese Zahlungen als laufender Arbeitslohn oder als sonstige Bezüge anzusehen sind. Nach Auffassung des Senats stellen Arbeitsentgeltbeträge im Rahmen des BEEG dann keine sonstigen Bezüge, sondern laufenden Arbeitslohn dar, wenn es sich um mindestens zwei zusammenhängende Zahlungen innerhalb des Bemessungszeitraums handelt, die nicht anlassgebunden, sondern zeitraumbezogen geleistet werden und eine hinreichende Beziehung zu der tatsächlich erbrachten Arbeit haben. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

53

Wann Arbeitslöhne laufend sind oder wann sonstige Bezüge iS des § 38a Abs 1 S 3 EStG vorliegen, definiert das Gesetz nicht. Es findet sich lediglich eine negative Abgrenzung, wonach jedweder Arbeitslohn, der nicht als laufend geleistet wird, sonstiger Bezug ist (vgl Eisgruber in Kirchhof, EStG, 10. Aufl 2011, § 38a RdNr 5; Tillmann in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Stand 11/2010, § 38a RdNr 21; Trzaskalik in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, Stand 8/2012, § 38a B7). Das Erfordernis einer Abgrenzung der beiden Begriffe ergibt sich nach der Rechtsprechung des BFH bereits aus § 39b EStG und R 30 Abs 2 S 2 Nr 1 Buchst a Lohnsteuer-Richtlinien(vgl BFH Urteil vom 17.6.2010 - VI R 50/09 - BFHE 230, 150, 153 RdNr 13).

54

Der Senat ist im Jahre 2009 davon ausgegangen, dass auch höchstrichterlich nicht näher bestimmt ist, was laufender Arbeitslohn ist (Urteil vom 3.12.2009 - B 10 EG 3/09 R - BSGE 105, 84 = SozR 4-7837 § 2 Nr 4, RdNr 30 mwN der bis dahin ergangenen Entscheidungen). Die bereits in dieser Entscheidung getroffene Feststellung, dass vor allem einige Entscheidungen des BFH existieren, in denen sich Ausführungen dazu finden, wann kein laufender Arbeitslohn vorliegt, mithin nur eine Negativabgrenzung vorgenommen worden ist, trifft weiterhin zu (vgl beispielhaft: BFH Beschluss vom 15.12.2011 - VI R 26/11 - BFHE 236, 127). Jetzt gibt es auch Entscheidungen des BFH, in denen weitere Konkretisierungen des Begriffs des laufenden Arbeitslohns formuliert werden. So hat der BFH ausgeführt (vgl BFH Urteil vom 16.12.2010 - VI R 27/10 - BFHE 232, 174, 181 RdNr 12; Urteil vom 17.6.2010 - VI R 50/09 - BFHE 230, 150, 153 f RdNr 13): "Laufender Arbeitslohn ist das dem Arbeitnehmer regelmäßig zufließende Arbeitsentgelt (Monatsgehalt, Wochen- oder Tageslohn, Überstundenvergütung, laufend gezahlte Zulagen oder Zuschläge und geldwerte Vorteile aus regelmäßigen Sachbezügen)". Der laufende Arbeitslohn könne der Höhe nach schwanken, jedoch sei kein laufender Bezug und damit ein sonstiger Bezug im Falle von einmalig zugewandten Bezügen "wie Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, Jubiläumszuwendungen, Gratifikationen und das 13. Monatsgehalt" gegeben (BFH Urteil vom 17.6.2010 - VI R 50/09 - BFHE 230, 150, 154 RdNr 13). Der sonstige Bezug unterscheide sich vom laufenden Arbeitslohn durch die Einmaligkeit des Bezugs (BFH Urteil vom 17.6.2010 - VI R 50/09 - BFHE 230, 150, 154 RdNr 15).

55

Das in diesen Entscheidungen hervorgehobene Kriterium des regelmäßigen Bezuges steht nicht allein für sich, sondern wird im EStG stets auf den Kontext des Lohnzahlungszeitraums bezogen (vgl zB § 3b Abs 2 S 1; § 38a Abs 1 S 2 Halbs 1; § 38a Abs 3; § 39b Abs 2 S 1 EStG). Dementsprechend wird auch von Seiten der steuerrechtlichen Literatur für das Vorliegen eines laufenden Arbeitslohns gefordert, dass es sich um einen zeitraumbezogenen, fortlaufenden, regelmäßig wiederkehrenden Bezug handeln muss (vgl Eisgruber in Kirchhof, EStG, 10. Aufl 2011, § 38a RdNr 4). Maßstab dieser Zeitraumbezogenheit ist insoweit entsprechend der Bemessung der Einkommensteuer das Kalenderjahr, mit der Folge, dass Zahlungen, die lediglich einmal jährlich geleistet werden, steuerrechtlich kein Teil des laufenden Arbeitslohns, sondern vielmehr sonstige Bezüge sind, wobei es unerheblich ist, ob sie jährlich wiederkehrend geleistet werden (Tillmann in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Stand 11/2010, § 38a RdNr 17; Trzaskalik in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, Stand 8/2012, § 38a B3). Für die erforderliche zeitliche Zuordnung ist bei sonstigen Bezügen steuerrechtlich der tatsächliche Zuflusszeitpunkt maßgeblich, mithin das Erlangen der wirtschaftlichen Verfügungsmacht des Arbeitnehmers über den Arbeitslohn (vgl BFH Urteil vom 3.2.2011 - VI R 66/09 - BFHE 232, 497, 499 RdNr 12, mwN; Heß in Lademann, EStG, Stand 7/2012, § 38a RdNr 16).

56

Demnach kann auch an der bisherigen Auffassung des Senats festgehalten werden, dass bei dem Begriff des laufenden Arbeitslohnes ein rein zeitliches Verständnis zugrunde zu legen ist (Urteil vom 30.9.2010 - B 10 EG 19/09 R - BSGE 107, 18 = SozR 4-7837 § 2 Nr 6, RdNr 22; Urteil vom 3.12.2009 - B 10 EG 3/09 R - BSGE 105, 84 = SozR 4-7837 § 2 Nr 4, RdNr 31). Den insoweit maßgeblichen Zeitraum gibt das BEEG selbst vor, weshalb nicht auf das steuerrechtliche Kalenderjahr zurückzugreifen ist. Entsprechend der Regelung des § 2 Abs 1 S 1 iVm § 2 Abs 7 S 5 und 6 BEEG ist der gesetzlich vorgesehene zwölfmonatige Bemessungszeitraum für die Abgrenzung des laufenden Arbeitslohns von den sonstigen Bezügen maßgeblich.

57

Liegen einmalige, anlassbezogene Zahlungen vor, sind diese als sonstige Bezüge nicht Teil der Bemessungsgrundlage des Elterngeldanspruchs. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn mehrere solcher nicht zeitraumbezogen erwirtschafteten, ggf jedoch arbeitsrechtlich begründeten Zahlungen aus verschiedenen Anlässen im maßgeblichen Zwölfmonatszeitraum geleistet werden, wie dies in der Regel bei Urlaubs- und Weihnachtsgeldzahlungen der Fall ist. Denn jede dieser Zahlungen wird einmalig zugewandt, einmal anlässlich des (bevorstehenden) Urlaubs und einmal anlässlich der bevorstehenden Advents- und Weihnachtszeit. Beides sind einmalige Ereignisse innerhalb des zu betrachtenden Bemessungszeitraums (so im Ergebnis für das Kalenderjahr auch: BFH Urteil vom 17.6.2010 - VI R 50/09 - BFHE 230, 150, 154 RdNr 13).

58

Aufgrund des in § 2 Abs 7 S 2 BEEG enthaltenen eindeutigen Verweises auf die steuerrechtliche Vorschrift des § 38a Abs 1 S 3 EStG ergibt sich demnach, dass zu den sonstige Bezügen, die bei der Bestimmung des für die Berechnung des Elterngeldanspruchs maßgeblichen Einkommens unberücksichtigt bleiben, grundsätzlich auch das ausgezahlte Urlaubs- und Weihnachtsgeld gehört(so im Ergebnis auch: LSG Baden-Württemberg Urteil vom 24.10.2011 - L 11 EG 1929/10 - juris RdNr 33 ff; Jung/Wiegand in Wiegand, BEEG, Stand Februar 2011, § 2 RdNr 27 f; Lenz in Rancke, Mutterschutz/Elterngeld/Elternzeit, 2. Aufl 2010, § 2 BEEG RdNr 18; Fuchsloch/Scheiwe, Leitfaden Elterngeld, RdNr 176 ff: Wersig, jurisPK, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, 2009, § 2 BEEG RdNr 12; Oyda, Probleme bei der Ermittlung des Elterngeldes, NZS 2010, 194, 195).

59

In Ermangelung von Regelungen des BEEG zum Ausgleich von Härtefällen wird teilweise angeregt, jedenfalls solches Arbeitsentgelt bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage des Elterngeldanspruchs zu berücksichtigen, auf das ein Anspruch bestanden habe. Da sich der Gesetzgeber für eine individuelle Ermittlung des Elterngeldanspruchs entschieden habe, überzeuge das Argument nicht, mittels eines typisierten und pauschalierten Verweises auf die steuerrechtlichen Regelungen eine leichtere Bearbeitung von Massenverfahren zu ermöglichen (so Eberhardt, Berücksichtigung von Gehaltsnachzahlungen beim Elterngeld, NZS 2011, 575, 577). Auch spreche der Umstand, dass von den Folgen der Ausklammerung bestimmter Lohnbestandteile primär abhängig Beschäftigte betroffen seien, wohingegen bei Selbstständigen stets sämtliche Einnahmen berücksichtigt würden, für eine enge Interpretation des Begriffs der "sonstigen Bezüge" (so Dau, jurisPR-SozR 21/2009, Anm 5 C).

60

Die Auswirkungen der "steuerrechtlichen" Ausgestaltung der elterngeldlichen Bemessungsgrundlage mögen im Einzelfall kritisch zu sehen sein, angesichts des Gesetzeswortlauts, der ins Steuerrecht verweisenden Systematik und des sich in der Gesetzesentwicklung bereits ausdrücklich bestätigten Willens des Gesetzgebers sieht der Senat jedoch keinen gangbaren Auslegungsweg, diesen Bedenken Rechnung zu tragen, zumal auch der Sinn und Zweck des Elterngeldes keine Einbeziehung der während der vorgeburtlichen zwölf Kalendermonate erzielten sonstigen Bezüge gebietet.

61

Bereits aus den Gesetzesmaterialien zur Einführung des BEEG ergibt sich, dass der Gesetzgeber bewusst gerade das 13. und 14. Monatsgehalt nicht in das Bemessungseinkommen mit einfließen lassen wollte (BT-Drucks 16/1889 S 21; BT-Drucks 16/2785 S 32). Die Bemessung des Elterngeldanspruchs sollte sich nach dem Willen des Gesetzgebers an dem zuletzt tatsächlich monatlich zur Verfügung stehenden Einkommen ausrichten (BT-Drucks 16/1889 S 21), um insbesondere auch Reduzierungen des Elterngeldanspruchs durch den Zufluss einmaliger Bezüge in der Zeit nach der Geburt des Kindes zu vermeiden (BT-Drucks 16/2785 S 37).

62

Dieser Wille des Gesetzgebers hat zwischenzeitlich in der zum 1.1.2011 erfolgten Änderung des § 2 Abs 7 S 2 BEEG durch Art 14 Nr 2 Buchst c bb des Haushaltsbegleitgesetzes 2011 - HBeglG 2011 - vom 9.12.2010 (BGBl I 1885) seinen Niederschlag gefunden. Denn der bis dahin geltende Verweis auf § 38a Abs 1 S 3 EStG wurde durch folgenden Wortlaut ersetzt: "Im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge behandelte Einnahmen werden nicht berücksichtigt." Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich, dass damit die Auswirkungen der Rechtsprechung des Senats in seinem Urteil vom 3.12.2009 (B 10 EG 3/09 R) korrigiert werden sollten, mit der Folge, dass künftig sonstige Bezüge iS des § 38a Abs 1 S 3 und § 39b EStG als Einnahmen bei der Bestimmung der Bemessungsgrundlage des Elterngeldanspruchs unberücksichtigt bleiben, um eine verwaltungspraktikable Feststellbarkeit der maßgeblichen Bezüge sicherzustellen(vgl BT-Drucks 17/3030 S 48; dazu Dau, Das Elterngeld nach dem Haushaltsbegleitgesetz 2011, SGb 2011, 198, 201).

63

Im Hinblick auf den Sinn und Zweck des Elterngeldes muss allerdings bei mehrmals, dh mindestens zweimal, im Bemessungszeitraum erfolgten Zahlungen genau geprüft werden, ob es sich dabei um sonstige Bezüge oder um laufenden Arbeitslohn handelt. So hat der Senat bereits entschieden, dass im Bemessungszeitraum fortlaufend wiederkehrende Einkommensbestandteile, die wegen der in diesem Zeitraum geleisteten Arbeitstätigkeit gezahlt werden, keine sonstigen Bezüge iS des § 2 Abs 7 S 2 iVm § 38a Abs 1 S 3 EStG darstellen(vgl Urteil vom 3.12.2009 - B 10 EG 3/09 R - BSGE 105, 84 = SozR 4-7837 § 2 Nr 4, RdNr 34), wobei nicht erforderlich ist, dass diese monatlich ausgezahlt werden. Sonstige Bezüge liegen danach nicht vor, wenn mit den Zahlungen ein verbindlich geschuldeter Teil des tatsächlich erwirtschafteten Gesamtarbeitslohnes befriedigt und die Auszahlungen dieser Lohnanteile zwar unterjährig, jedoch nicht monatlich mit dem Grundgehalt erfolgen. Zwar können die in der Lohn- und Gehaltsabrechnung enthaltenen Bezeichnungen solcher Zahlungen als "Urlaubs- bzw Weihnachtsgeld" ein Indiz für im Bemessungszeitraum jeweils einmalige, anlassbezogene Zahlungen sein, jedoch ist im Zweifelsfall zu klären, ob sie "Monat für Monat" erwirtschaftet wurden, mithin Teil der Gesamtvergütung der Arbeitsleistung im Zwölfmonatszeitraum sind.

64

Um sie als laufenden Arbeitslohn einzuordnen, müssen den Zahlungen jeweils unterjährige Arbeitszeiträume entsprechen. Davon kann im Regelfall ausgegangen werden, wenn diese zusätzlich zum Monatsentgelt geleisteten Zahlungen ausdrücklich Teil des Jahresgesamtlohnanspruchs sind und ihre mindestens zwei Fälligkeitszeitpunkte arbeitsvertraglich einem unterjährigen Intervall zugeordnet werden können (erstes Kriterium). Je enger die vereinbarten regelmäßigen unterjährigen Zahlungsintervalle beieinander liegen, desto eher kann von einem laufenden Arbeitslohn ausgegangen werden. Ferner müssen Vereinbarungen vorliegen, die einen der erbrachten Arbeitsleistung entsprechenden anteiligen Auszahlungsanspruch begründen (zweites Kriterium). Besteht ein Anspruch auf anteilsmäßig angemessene Auszahlung der unterjährigen Lohntantiemen auch etwa für den Fall eines vorzeitigen Ausscheidens aus dem Beschäftigungsverhältnis bzw einer Unterbrechung der Arbeitstätigkeit, spricht dies für die anlassunabhängige Zahlung von weiteren laufenden Arbeitslohnbestandteilen. Ergeben sich solche konkreten "Abfindungsansprüche" arbeitsvertraglich oder aus der bestehenden betrieblichen Übung nicht, ist im Regelfall von einmaligen, anlassbezogenen Zuwendungen auszugehen. Gleiches gilt für Regelungen betreffend die Höhe des Auszahlungsanspruchs bei Eintritt bzw Rückkehr in das Unternehmen nach Ablauf des letzten Fälligkeitszeitpunkts. Bleibt der auf den (Wieder)eintritt folgende Auszahlungsanspruch der Höhe nach vom geleisteten Arbeitszeitraum unberührt, ist dies ein Indiz dafür, dass gerade nicht die bis dahin geleistete Arbeitstätigkeit, sondern ein von ihr unabhängiger Anlass maßgebend für den Zahlungsanspruch ist.

65

Nach Überzeugung des Senats begegnet es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass sich nach diesen Maßgaben im Bemessungszeitraum geleistete einmalige, anlassbezogene Zahlungen nicht erhöhend auf den Elterngeldanspruch auswirken. Insbesondere wird dadurch der sich aus Art 3 Abs 1 GG ergebende Gleichheitssatz nicht verletzt.

66

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln; dies gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen. Der allgemeine Gleichheitssatz untersagt dem Gesetzgeber jedoch nicht jede Differenzierung. Vielmehr bedürfen Differenzierungen stets einer Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Eine Verletzung des Gleichheitssatzes liegt immer dann vor, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerfG Beschlüsse vom 7.2.2012 - 1 BvL 14/07 - SozR 4-7835 Art 1 Nr 1 RdNr 40 mwN; vom 9.11.2011 - 1 BvR 1853/11 - NJW 2012, 214, 215 mwN; vom 6.6.2011 - 1 BvR 2712/09 - NJW 2011, 2869, 2870 und vom 21.7.2010 - 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07 - BVerfGE 126, 400, 416 mwN).

67

Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz unterschiedliche Grenzen, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Dem Gesetzgeber werden dabei umso engere Grenzen gesetzt, je stärker sich die Ungleichbehandlung auf verfassungsrechtlich gewährleistete Freiheiten auswirkt und je weniger der Einzelne nachteilige Folgen durch eigenes Verhalten vermeiden kann (zB BVerfG Beschluss vom 21.7.2010 - 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07 - aaO, 418 mwN).

68

Dadurch, dass § 2 Abs 7 S 2 BEEG auf § 38a Abs 1 S 3 EStG verweist und damit einmalige Einnahmen aus der Bemessungsgrundlage für den Elterngeldanspruch ausgeschlossen werden, werden Berechtigte je nach Ausgestaltung ihres Arbeitslohns unterschiedlich behandelt. Bei Arbeitnehmern, die ihre Urlaubs- und Weihnachtsgeldzahlungen bzw ein 13. bzw 14. Monatsgehalt nicht gesondert, sondern als regelmäßigen Anteil ihres Monatsgehalts erhalten, fließen diese Zahlungen ohne Weiteres als Teil des laufenden Arbeitslohns in die Berechnung des Elterngeldanspruchs erhöhend ein. Anders verhält es sich bei Arbeitnehmern, die Urlaubs- und Weihnachtsgeld als einmalige, anlassbezogene Zahlungen erhalten.

69

Unter Berücksichtigung des im Rahmen der gewährenden Staatstätigkeit weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers (vgl BVerfG Beschluss vom 6.6.2011 - 1 BvR 2712/09 - NJW 2011, 2869, 2870; BSG Urteil vom 18.8.2011 - B 10 EG 8/10 R - ZFSH/SGB 2012, 24, 26) ist diese Ungleichbehandlung von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Die Unterscheidung zwischen laufendem Arbeitslohn und sonstigen Bezügen bei der Bemessung des Elterngeldanspruchs lässt sich hinreichend sachlich rechtfertigen. Beachtlich ist insoweit, dass die Regelungen zur Höhe des Elterngeldanspruchs nicht an Persönlichkeitsmerkmalen anknüpfen, die dem Einzelnen nicht verfügbar sind (vgl BVerfG Beschluss vom 9.11.2011 - 1 BvR 1853/11 - NJW 2012, 214, 215). Dasselbe gilt für die vertragliche Ausgestaltung der Entgeltansprüche aus abhängiger Beschäftigung.

70

Gesetzgeberisch formuliertes Ziel der Leistung ist es, jedem betreuenden Elternteil, der seine Erwerbstätigkeit unterbricht oder reduziert, einen an seinem individuellen Einkommen orientierten Ausgleich für finanzielle Einschränkungen im ersten Lebensjahr des Kindes und eine Unterstützung bei der Sicherung der Lebensgrundlage der Familie zu gewähren (vgl BT-Drucks 16/1889 S 2; Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, BT-Drucks 16/2785 S 2). Die Orientierung der Leistung am individuellen Einkommen soll dazu beitragen, dass es Müttern und Vätern auf Dauer besser gelingt, ihre wirtschaftliche Existenz möglichst unabhängig von staatlichen Fürsorgeleistungen zu sichern (BT-Drucks 16/1889 S 15, 19). Damit ist das Elterngeld, soweit es über den Mindestbetrag von 300 Euro als Entgeltersatzleistung ausgestaltet ist (§ 2 Abs 5 S 1 BEEG), eine an die unterschiedlichen Lebensumstände der jeweiligen Familie anknüpfende Leistung (BT-Drucks 16/1889 S 19), wobei es jedoch - und das geht aus den Beratungen zum Gesetzentwurf sowie aus der gesetzgeberischen Ausgestaltung eindeutig hervor - nicht um einen vollständigen Lohnersatz geht (vgl ausführlich dazu Senatsurteile vom 5.4.2012 - B 10 EG 3/11 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 16 RdNr 25 ff und - B 10 EG 17/11 R - juris RdNr 29 ff).

71

Gemessen daran ist es jedenfalls nicht willkürlich, einmalige Einnahmen und Entgeltansprüche, die nicht Teil des erwirtschafteten Arbeitslohns sind und lediglich anlassbezogen gewährt werden, von der Bemessung anhand des individuellen Einkommens auszunehmen und die Höhe des Elterngeldes an dem Einkommen zu orientieren, das regelmäßig im vorgeburtlichen Bemessungszeitraum zur Verfügung steht. Denn der zwölf Kalendermonate umfassende Bemessungszeitraum bildet die familiäre Lebenssituation, in die das Kind geboren wird, für dessen Betreuung die Erwerbstätigkeit reduziert bzw unterbrochen wird, zeitraumaktuell und konkret ab. In diesem Zeitrahmen kann von einem regelmäßigen Einkommenszufluss nur dann im Wortsinne und auch tatsächlich ausgegangen werden, wenn es sich nicht um lediglich einmalig erfolgende, sondern um anlassunabhängige, wiederkehrende und verbindlich geschuldete Lohnzahlungen handelt. Eine Berücksichtigung einmalig zufließender Zahlungen könnte die Höhe des Elterngeldanspruchs letztlich mehr von der Zufälligkeit des Zuflusszeitpunkts als von der vorgeburtlich tatsächlich bestehenden Einkommenssituation abhängig machen.

72

Schließlich ist ebenfalls beachtlich, dass Art und Weise der Zahlungsvereinbarung sowie die Gesamthöhe des laufenden Arbeitslohns Umstände sind, die nicht vom Gesetzgeber vorgegeben, sondern in der Regel von den Arbeitsvertragsparteien frei verhandelt werden. Handelt es sich nach deren eindeutigem und nachweisbarem Willen bei den nicht nur einmaligen unterjährigen Zahlungen um verbindliche Teile der Gesamtjahresvergütung, deren Fälligkeit lediglich in mehrmonatigen Intervallen festgelegt wurde und auf deren anteilige Erbringung der Arbeitnehmer auch im Falle des Nichterreichens des Zahlungszeitpunkts einen Anspruch hat, prägen sie die individuelle vorgeburtliche Lebenssituation in gleicher Weise wie das monatliche Grundgehalt. Insofern ist es sachgerecht, dass sie - anders als anlassbezogene Zahlungen - auch in die Bemessungsgrundlage des Elterngeldanspruchs mit einfließen.

73

Ob die vom Kläger im Bemessungszeitraum bezogenen Urlaubs- und Weihnachtsgeldzahlungen nach den vom Senat für richtig gehaltenen Kriterien von der Beklagten zu Recht als sonstige Bezüge eingeordnet worden sind, vermag der erkennende Senat anhand der bisherigen Tatsachenfeststellungen des LSG nicht zu beurteilen. Es fehlt an genaueren Feststellungen zur Eigenart und Ausgestaltung der betreffenden Zahlungen. Der Senat kann die erforderlichen Ermittlungen im Revisionsverfahren nicht selbst durchführen (vgl § 163 SGG). Deshalb ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 S 2 SGG).

74

Bei der Bewertung der rechtlichen Ausgestaltung der dem Kläger geleisteten zusätzlichen Zahlungen wird das LSG auch zu prüfen haben, inwieweit im Einzelfall die auf den Verdienstabrechnungen für Juni und November 2006 enthaltenen Hinweise einer arbeitsrechtlichen Anspruchsbegründung entgegenstehen. Dort heißt es:

75

"Soweit der Arbeitgeber freiwillige Sonderzahlungen zum Urlaub leistet, handelt es sich um einmalige, freiwillige, jederzeit widerrufliche Leistungen. Sie begründen keinen rechtlichen Anspruch des/der Arbeitnehmers/in, weder dem Grunde noch der Höhe nach, weder für die Vergangenheit noch für die Zukunft und führen auch für den Fall der wiederholten Leistung ohne ausdrückliche Wiederholung dieses Freiwilligkeitsvorbehaltes zu keinem Anspruch des/der Arbeitnehmers/in." (Verdienstabrechnung 06.06., Bl 35 der Verwaltungsakte)

76

Bzw. in der Novemberabrechnung:

"Soweit der Arbeitgeber freiwillige Sonderzahlungen leistet, z. B. im Zusammenhang mit Weihnachtsgeld oder Altersvorsorge, handelt es sich um einmalige freiwillige, jederzeit widerrufliche Leistungen. Sie begründen keinen rechtlichen Anspruch des/der Arbeitnehmers/in, weder dem Grunde noch der Höhe nach.." (Verdienstabrechnung 11.06., Bl 40 der Verwaltungsakte)

77

Darüber hinaus wird das LSG die Eigenart der im November 2006 neben den regelmäßigen Zahlungen zugeflossenen Zuwendungen ("AG-Zuschuss zur HPK" und "VWL AG-Zuschuss" sowie "Altersvorsorge AG-An") näher zu ermitteln haben, um darüber befinden zu können, ob diese Zahlungen zutreffend bei der Bemessung des Elterngeldanspruchs außer Betracht geblieben sind.

78

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten.

Vor jeder Entscheidung ist den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren; die Anhörung kann schriftlich oder elektronisch geschehen.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 29. Oktober 2010 wird als unzulässig verworfen.

Der Kläger hat der Beigeladenen zu 3. die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten. Weitere außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Der Kläger begehrt in dem der Beschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit die Feststellung, dass eine für die Beigeladene zu 3. in den Jahren 1986 bis 2004 ausgeübte Tätigkeit eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung gewesen ist. Zunächst war die beklagte Krankenkasse durch den damals für den Kläger zuständigen Rentenversicherungsträger aus Anlass eines Kontenklärungsverfahrens um Prüfung des Vorliegens einer Beschäftigung iS des § 7 SGB IV gebeten worden. Nachfolgend hat auch der Kläger bei der Beklagten die Feststellung der Versicherungspflicht beantragt. Daraufhin hat diese gegenüber dem Kläger festgestellt, dass er bei der Beigeladenen zu 3. nicht als Arbeitnehmer im sozialversicherungsrechtlichen Sinne beschäftigt gewesen sei. Widerspruch, Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben.

2

Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG vom 29.10.2010.

3

II. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG ist unzulässig, denn er hat in seiner Begründung keinen Zulassungsgrund in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise dargelegt oder bezeichnet. Die Beschwerde ist deshalb in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 2 und 3 SGG zu verwerfen.

4

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn

-       

die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder

-       

das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder

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bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

5

Die Behauptung inhaltlicher Unrichtigkeit der Berufungsentscheidung ist dagegen kein Revisionszulassungsgrund.

6

1. Zunächst macht der Kläger einen Verfahrensmangel geltend. Für die Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) müssen die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 34, 36). Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Verfahrensmangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 36). Dies hat der Kläger nicht in der gebotenen Weise getan.

7

Der Kläger macht geltend, die Entscheidung des LSG sei ein unzulässiges Überraschungsurteil. Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung habe das LSG nicht darauf hingewiesen, dass der Senat davon ausgehe, der Antrag des Klägers beim Rentenversicherungsträger sei auf Kontenklärung nach § 149 SGB VI und nicht auf die Durchführung eines Statusfeststellungsverfahrens nach § 7a SGB IV gerichtet gewesen. Durch diese Auslegung sei er völlig überrascht worden. Mit diesem Vortrag wird die Gehörsrüge nicht hinreichend bezeichnet. Der Kläger versäumt es darzulegen, dass die Entscheidung des LSG nach dem damaligen Sach- und Streitstand von keiner Seite als möglich vorausgesehen werden konnte (vgl BSG vom 20.8.2008 - B 13 R 217/08 B - Juris RdNr 8; BSG vom 5.3.2007 - B 4 RS 58/06 B - Juris RdNr 8; BSG vom 21.9.2006 - B 12 KR 24/06 B - Juris RdNr 9). Insbesondere versäumt es der Kläger, den Widerspruch zwischen seinem in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG gestellten Antrag und der geltend gemachten Unvorhersehbarkeit der Entscheidung des LSG aufzuklären. Denn hätte er nicht mit der Möglichkeit gerechnet, dass das LSG seinen seinerzeit beim Rentenversicherungsträger gestellten Antrag statt als Antrag auf Statusfeststellung nach § 7a SGB IV auch als Antrag auf Kontenklärung nach § 149 SGB VI auslegen könnte, hätte der Kläger neben der Anfechtung der Bescheide der Beklagten nicht auch noch die Feststellung eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses beantragen müssen. Vielmehr wäre dieser Antrag auf Grundlage der vom Kläger in der Beschwerdebegründung insoweit zutreffend dargelegten Rechtsauffassung unzulässig gewesen, da die Beklagte zu einer Entscheidung nach § 7a SGB IV nicht berufen gewesen wäre und die ausschließlich zuständige, aber am Verfahren nicht beteiligte Deutsche Rentenversicherung Bund diesen Antrag noch nicht beschieden hatte.

8

Auch ein Verstoß des LSG gegen die richterliche Hinweispflicht (§ 153 Abs 1 iVm § 112 Abs 2 Satz 2 SGG) wird mit der impliziten Behauptung, das Gericht habe die Pflicht gehabt, auf die von ihm beabsichtigte Auslegung des Antrags des Klägers beim Rentenversicherungsträger hinzuweisen, nicht in der gebotenen Weise dargelegt. Denn es gibt keinen allgemeinen Verfahrensgrundsatz, der das Gericht verpflichten würde, die Beteiligten vor einer Entscheidung auf eine in Aussicht genommene Beweiswürdigung hinzuweisen oder die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gesichtspunkte zuvor mit den Beteiligten zu erörtern (BSG SozR 3-1500 § 112 Nr 2 S 3; BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 1 S 3). Etwas anderes gilt nur dann, wenn der vom Berufungsgericht eingenommene Standpunkt dem Verfahren eine überraschende Wende gibt (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 62 RdNr 8a f). Dass ein solcher Ausnahmetatbestand vorliegt, hat der Kläger schon aufgrund des bereits benannten Widerspruchs zum protokollierten Antrag nicht ausreichend dargelegt.

9

Den Zulässigkeitsanforderungen genügt die Beschwerdebegründung auch nicht, soweit der Kläger im Zusammenhang mit dem vorgenannten Sachverhalt sinngemäß rügt, in der Auslegung seines beim Rentenversicherungsträger gestellten Antrags als Antrag auf Kontenklärung liege eine willkürliche Sachverhaltswürdigung durch das LSG. Die Ausführungen hierzu sind der Sache nach als Rüge der Verletzung allgemeiner Sachverhalts- oder Beweiswürdigungsgrundsätze, also einer Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG durch das LSG zu qualifizieren. Jedoch kann nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG der Antrag auf Zulassung der Revision hierauf nicht gestützt werden.

10

2. Der Kläger beruft sich zudem auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache lässt sich nur darlegen, indem die Beschwerdebegründung ausführt, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN; vgl auch BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

11

Neben der Frage nach dem Verhältnis von § 7a SGB IV zu § 28h SGB IV hält der Kläger für klärungsbedürftig:

        

"ob im Rahmen eines Anfrageverfahrens nach § 7a SGB IV über eine Klärung des Beschäftigungsverhältnisses hinaus eine Feststellung der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht möglich ist".

12

Der Senat kann offen lassen, ob mit diesen Fragen überhaupt hinreichend konkrete, über den Einzelfall hinausweisende Rechtsfragen formuliert worden sind, denn jedenfalls wird deren Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit nicht ordnungsgemäß dargelegt. So hätte sich der Kläger zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit zumindest mit der bisherigen Rechtsprechung des Senats zum Inhalt der nach § 7a SGB IV zu treffenden Feststellung(SozR 4-2400 § 7a Nr 2 und Nr 3), die auch Ausführungen zum Verhältnis von § 7a SGB IV zu § 28h SGB IV enthalten, auseinandersetzen und darlegen müssen, dass die aufgeworfene Frage auf Grundlage dieser Rechtsprechung nicht ohne Weiteres beantwortet werden kann oder die Frage erneut klärungsbedürftig geworden ist bzw welche Fragen zum Verhältnis von § 7a SGB IV zu § 28h SGB IV konkret unbeantwortet geblieben sind. Hierzu fehlen jedwede Ausführungen. Ebenso geht der Kläger mit keinem Wort auf die Klärungsfähigkeit der von ihm formulierten Frage ein. Insbesondere wegen des Vortrags, der behauptete Antrag nach § 7a SGB IV sei noch nicht beschieden, hätte dargelegt werden müssen, wieso der Senat im Falle der Revisionszulassung dennoch die Frage nach dem Inhalt der nach § 7a SGB IV zu treffenden Feststellungen würde beantworten müssen.

13

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbs 2 SGG).

14

4. Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 Abs 1 Satz 1 und Abs 4 SGG. Der Kläger muss als nach § 183 SGG Kostenprivilegierter nicht die außergerichtlichen Kosten der Beklagten, wohl aber die der Beigeladenen zu 3. tragen, die im Beschwerdeverfahren einen eigenen Antrag auf Zurückweisung der Beschwerde gestellt und begründet hat. Denn nach § 193 Abs 4 SGG sind nur die Aufwendungen der in § 184 Abs 1 SGG genannten Gebührenpflichtigen nicht erstattungsfähig. Das sind lediglich Kläger und Beklagte, die nicht zu den in § 183 SGG genannten privilegierten Personen gehören, nicht aber Beigeladene(vgl BSG SozR 4-4200 § 7 Nr 5; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 17). Dabei kann vorliegend offen bleiben, ob nach § 183 SGG kostenprivilegierte Beteiligte von der Erstattungspflicht gegenüber beigeladenen Trägern öffentlicher Verwaltung freizustellen sind, weil sie nicht durch eine drohende Kostenlast von der Anstrengung eines gerichtlichen Verfahrens abgehalten werden sollen(BSG Urteil vom 1.3.2011 - B 1 KR 10/10 R - SozR 4-2500 § 35 Nr 4 RdNr 90, zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen). Es entspricht jedoch nicht der Billigkeit, nach § 183 SGG kostenprivilegierte Beteiligte auch gegenüber einer beigeladenen natürlichen oder juristischen Person von der Erstattung außergerichtlicher Kosten freizustellen, wenn diese sich anders als die in § 73 Abs 4 Satz 4 SGG Genannten nicht durch eigene Beschäftigte vertreten lassen können. § 183 SGG entlastet den dort benannten Personenkreis lediglich von Gerichtskosten; das Risiko der Kostenerstattung gegenüber anderen Beteiligten - beispielsweise in Fällen unmittelbarer Drittbetroffenheit (vgl Legde, SGb 1996, 468) - wird hierdurch nicht berührt. Zwar enthält § 193 Abs 4 SGG auch insoweit eine Privilegierung, doch gilt diese nicht umfassend, sondern nur gegenüber den nach § 184 Abs 1 SGG Pauschgebührenpflichtigen(vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 193 RdNr 11). Eine vollständige Entlastung auch des in § 183 SGG benannten Personenkreises von jeglichem Kostenrisiko im sozialgerichtlichen Verfahren ist hiernach nicht vorgesehen(vgl schon BSGE 44, 51 = SozR 2200 § 405 Nr 6). Vor diesem Hintergrund hat in Fällen wie dem Vorliegenden das Interesse kostenprivilegierter Personen an einem möglichst niederschwelligem Zugang zu sozialgerichtlichem Rechtsschutz hinter dem anderer Beteiligter an einer Erstattung der durch eine aktive Rechtsverteidigung entstandenen außergerichtlichen Kosten jedenfalls dann zurückzutreten.

Das Bundessozialgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten.

Das Bundessozialgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

(1) Ist die Revision unbegründet, so weist das Bundessozialgericht die Revision zurück. Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Gesetzesverletzung, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision ebenfalls zurückzuweisen.

(2) Ist die Revision begründet, so hat das Bundessozialgericht in der Sache selbst zu entscheiden. Sofern dies untunlich ist, kann es das angefochtene Urteil mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Gericht zurückverweisen, welches das angefochtene Urteil erlassen hat.

(3) Die Entscheidung über die Revision braucht nicht begründet zu werden, soweit das Bundessozialgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 202 in Verbindung mit § 547 der Zivilprozeßordnung und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.

(4) Verweist das Bundessozialgericht die Sache bei der Sprungrevision nach § 161 zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück, so kann es nach seinem Ermessen auch an das Landessozialgericht zurückverweisen, das für die Berufung zuständig gewesen wäre. Für das Verfahren vor dem Landessozialgericht gelten dann die gleichen Grundsätze, wie wenn der Rechtsstreit auf eine ordnungsgemäß eingelegte Berufung beim Landessozialgericht anhängig geworden wäre.

(5) Das Gericht, an das die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts zugrunde zu legen.

(1) Werden Leistungen zur Teilhabe beantragt, stellt der Rehabilitationsträger innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist; bei den Krankenkassen umfasst die Prüfung auch die Leistungspflicht nach § 40 Absatz 4 des Fünften Buches. Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung insgesamt nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu und unterrichtet hierüber den Antragsteller. Muss für eine solche Feststellung die Ursache der Behinderung geklärt werden und ist diese Klärung in der Frist nach Satz 1 nicht möglich, soll der Antrag unverzüglich dem Rehabilitationsträger zugeleitet werden, der die Leistung ohne Rücksicht auf die Ursache der Behinderung erbringt. Wird der Antrag bei der Bundesagentur für Arbeit gestellt, werden bei der Prüfung nach den Sätzen 1 und 2 keine Feststellungen nach § 11 Absatz 2a Nummer 1 des Sechsten Buches und § 22 Absatz 2 des Dritten Buches getroffen.

(2) Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf anhand der Instrumente zur Bedarfsermittlung nach § 13 unverzüglich und umfassend fest und erbringt die Leistungen (leistender Rehabilitationsträger). Muss für diese Feststellung kein Gutachten eingeholt werden, entscheidet der leistende Rehabilitationsträger innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang. Ist für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs ein Gutachten erforderlich, wird die Entscheidung innerhalb von zwei Wochen nach Vorliegen des Gutachtens getroffen. Wird der Antrag weitergeleitet, gelten die Sätze 1 bis 3 für den Rehabilitationsträger, an den der Antrag weitergeleitet worden ist, entsprechend; die Frist beginnt mit dem Antragseingang bei diesem Rehabilitationsträger. In den Fällen der Anforderung einer gutachterlichen Stellungnahme bei der Bundesagentur für Arbeit nach § 54 gilt Satz 3 entsprechend.

(3) Ist der Rehabilitationsträger, an den der Antrag nach Absatz 1 Satz 2 weitergeleitet worden ist, nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung insgesamt nicht zuständig, kann er den Antrag im Einvernehmen mit dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger an diesen weiterleiten, damit von diesem als leistendem Rehabilitationsträger über den Antrag innerhalb der bereits nach Absatz 2 Satz 4 laufenden Fristen entschieden wird und unterrichtet hierüber den Antragsteller.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten sinngemäß, wenn der Rehabilitationsträger Leistungen von Amts wegen erbringt. Dabei tritt an die Stelle des Tages der Antragstellung der Tag der Kenntnis des voraussichtlichen Rehabilitationsbedarfs.

(5) Für die Weiterleitung des Antrages ist § 16 Absatz 2 Satz 1 des Ersten Buches nicht anzuwenden, wenn und soweit Leistungen zur Teilhabe bei einem Rehabilitationsträger beantragt werden.

(1) Stellt der leistende Rehabilitationsträger fest, dass der Antrag neben den nach seinem Leistungsgesetz zu erbringenden Leistungen weitere Leistungen zur Teilhabe umfasst, für die er nicht Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 sein kann, leitet er den Antrag insoweit unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu. Dieser entscheidet über die weiteren Leistungen nach den für ihn geltenden Leistungsgesetzen in eigener Zuständigkeit und unterrichtet hierüber den Antragsteller.

(2) Hält der leistende Rehabilitationsträger für die umfassende Feststellung des Rehabilitationsbedarfs nach § 14 Absatz 2 die Feststellungen weiterer Rehabilitationsträger für erforderlich und liegt kein Fall nach Absatz 1 vor, fordert er von diesen Rehabilitationsträgern die für den Teilhabeplan nach § 19 erforderlichen Feststellungen unverzüglich an und berät diese nach § 19 trägerübergreifend. Die Feststellungen binden den leistenden Rehabilitationsträger bei seiner Entscheidung über den Antrag, wenn sie innerhalb von zwei Wochen nach Anforderung oder im Fall der Begutachtung innerhalb von zwei Wochen nach Vorliegen des Gutachtens beim leistenden Rehabilitationsträger eingegangen sind. Anderenfalls stellt der leistende Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf nach allen in Betracht kommenden Leistungsgesetzen umfassend fest.

(3) Die Rehabilitationsträger bewilligen und erbringen die Leistungen nach den für sie jeweils geltenden Leistungsgesetzen im eigenen Namen, wenn im Teilhabeplan nach § 19 dokumentiert wurde, dass

1.
die erforderlichen Feststellungen nach allen in Betracht kommenden Leistungsgesetzen von den zuständigen Rehabilitationsträgern getroffen wurden,
2.
auf Grundlage des Teilhabeplans eine Leistungserbringung durch die nach den jeweiligen Leistungsgesetzen zuständigen Rehabilitationsträger sichergestellt ist und
3.
die Leistungsberechtigten einer nach Zuständigkeiten getrennten Leistungsbewilligung und Leistungserbringung nicht aus wichtigem Grund widersprechen.
Anderenfalls entscheidet der leistende Rehabilitationsträger über den Antrag in den Fällen nach Absatz 2 und erbringt die Leistungen im eigenen Namen.

(4) In den Fällen der Beteiligung von Rehabilitationsträgern nach den Absätzen 1 bis 3 ist abweichend von § 14 Absatz 2 innerhalb von sechs Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wird eine Teilhabeplankonferenz nach § 20 durchgeführt, ist innerhalb von zwei Monaten nach Antragseingang zu entscheiden. Die Antragsteller werden von dem leistenden Rehabilitationsträger über die Beteiligung von Rehabilitationsträgern sowie über die für die Entscheidung über den Antrag maßgeblichen Zuständigkeiten und Fristen unverzüglich unterrichtet.

(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht.

(2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber haben sie ihre Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis zu setzen. Der Leistungserbringer hat die Versicherten vor Inanspruchnahme der Leistung darüber zu informieren, dass Kosten, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, von dem Versicherten zu tragen sind. Eine Einschränkung der Wahl auf den Bereich der ärztlichen Versorgung, der zahnärztlichen Versorgung, den stationären Bereich oder auf veranlasste Leistungen ist möglich. Nicht im Vierten Kapitel genannte Leistungserbringer dürfen nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Eine Zustimmung kann erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigen und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet ist. Die Inanspruchnahme von Leistungserbringern nach § 95b Absatz 3 Satz 1 im Wege der Kostenerstattung ist ausgeschlossen. Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie kann dabei Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent in Abzug bringen. Im Falle der Kostenerstattung nach § 129 Absatz 1 Satz 6 sind die der Krankenkasse entgangenen Rabatte nach § 130a Absatz 8 sowie die Mehrkosten im Vergleich zur Abgabe eines Arzneimittels nach § 129 Absatz 1 Satz 3 und 5 zu berücksichtigen; die Abschläge sollen pauschaliert werden. Die Versicherten sind an ihre Wahl der Kostenerstattung mindestens ein Kalendervierteljahr gebunden.

(3) Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Neunten Buch werden nach § 18 des Neunten Buches erstattet. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen, die durch einen Psychotherapeuten erbracht werden, sind erstattungsfähig, sofern dieser die Voraussetzungen des § 95c erfüllt.

(3a) Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren gemäß § 87 Absatz 1c durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich oder elektronisch mit; für die elektronische Mitteilung gilt § 37 Absatz 2b des Zehnten Buches entsprechend. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. Die Krankenkasse berichtet dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen jährlich über die Anzahl der Fälle, in denen Fristen nicht eingehalten oder Kostenerstattungen vorgenommen wurden. Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14 bis 24 des Neunten Buches zur Koordinierung der Leistungen und zur Erstattung selbst beschaffter Leistungen.

(4) Versicherte sind berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen. Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen.

(5) Abweichend von Absatz 4 können in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz Krankenhausleistungen nach § 39 nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkassen in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann.

(6) § 18 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 gilt in den Fällen der Absätze 4 und 5 entsprechend.

(1) Stellt der leistende Rehabilitationsträger fest, dass der Antrag neben den nach seinem Leistungsgesetz zu erbringenden Leistungen weitere Leistungen zur Teilhabe umfasst, für die er nicht Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 sein kann, leitet er den Antrag insoweit unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu. Dieser entscheidet über die weiteren Leistungen nach den für ihn geltenden Leistungsgesetzen in eigener Zuständigkeit und unterrichtet hierüber den Antragsteller.

(2) Hält der leistende Rehabilitationsträger für die umfassende Feststellung des Rehabilitationsbedarfs nach § 14 Absatz 2 die Feststellungen weiterer Rehabilitationsträger für erforderlich und liegt kein Fall nach Absatz 1 vor, fordert er von diesen Rehabilitationsträgern die für den Teilhabeplan nach § 19 erforderlichen Feststellungen unverzüglich an und berät diese nach § 19 trägerübergreifend. Die Feststellungen binden den leistenden Rehabilitationsträger bei seiner Entscheidung über den Antrag, wenn sie innerhalb von zwei Wochen nach Anforderung oder im Fall der Begutachtung innerhalb von zwei Wochen nach Vorliegen des Gutachtens beim leistenden Rehabilitationsträger eingegangen sind. Anderenfalls stellt der leistende Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf nach allen in Betracht kommenden Leistungsgesetzen umfassend fest.

(3) Die Rehabilitationsträger bewilligen und erbringen die Leistungen nach den für sie jeweils geltenden Leistungsgesetzen im eigenen Namen, wenn im Teilhabeplan nach § 19 dokumentiert wurde, dass

1.
die erforderlichen Feststellungen nach allen in Betracht kommenden Leistungsgesetzen von den zuständigen Rehabilitationsträgern getroffen wurden,
2.
auf Grundlage des Teilhabeplans eine Leistungserbringung durch die nach den jeweiligen Leistungsgesetzen zuständigen Rehabilitationsträger sichergestellt ist und
3.
die Leistungsberechtigten einer nach Zuständigkeiten getrennten Leistungsbewilligung und Leistungserbringung nicht aus wichtigem Grund widersprechen.
Anderenfalls entscheidet der leistende Rehabilitationsträger über den Antrag in den Fällen nach Absatz 2 und erbringt die Leistungen im eigenen Namen.

(4) In den Fällen der Beteiligung von Rehabilitationsträgern nach den Absätzen 1 bis 3 ist abweichend von § 14 Absatz 2 innerhalb von sechs Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wird eine Teilhabeplankonferenz nach § 20 durchgeführt, ist innerhalb von zwei Monaten nach Antragseingang zu entscheiden. Die Antragsteller werden von dem leistenden Rehabilitationsträger über die Beteiligung von Rehabilitationsträgern sowie über die für die Entscheidung über den Antrag maßgeblichen Zuständigkeiten und Fristen unverzüglich unterrichtet.

(1) Werden Leistungen zur Teilhabe beantragt, stellt der Rehabilitationsträger innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist; bei den Krankenkassen umfasst die Prüfung auch die Leistungspflicht nach § 40 Absatz 4 des Fünften Buches. Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung insgesamt nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu und unterrichtet hierüber den Antragsteller. Muss für eine solche Feststellung die Ursache der Behinderung geklärt werden und ist diese Klärung in der Frist nach Satz 1 nicht möglich, soll der Antrag unverzüglich dem Rehabilitationsträger zugeleitet werden, der die Leistung ohne Rücksicht auf die Ursache der Behinderung erbringt. Wird der Antrag bei der Bundesagentur für Arbeit gestellt, werden bei der Prüfung nach den Sätzen 1 und 2 keine Feststellungen nach § 11 Absatz 2a Nummer 1 des Sechsten Buches und § 22 Absatz 2 des Dritten Buches getroffen.

(2) Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf anhand der Instrumente zur Bedarfsermittlung nach § 13 unverzüglich und umfassend fest und erbringt die Leistungen (leistender Rehabilitationsträger). Muss für diese Feststellung kein Gutachten eingeholt werden, entscheidet der leistende Rehabilitationsträger innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang. Ist für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs ein Gutachten erforderlich, wird die Entscheidung innerhalb von zwei Wochen nach Vorliegen des Gutachtens getroffen. Wird der Antrag weitergeleitet, gelten die Sätze 1 bis 3 für den Rehabilitationsträger, an den der Antrag weitergeleitet worden ist, entsprechend; die Frist beginnt mit dem Antragseingang bei diesem Rehabilitationsträger. In den Fällen der Anforderung einer gutachterlichen Stellungnahme bei der Bundesagentur für Arbeit nach § 54 gilt Satz 3 entsprechend.

(3) Ist der Rehabilitationsträger, an den der Antrag nach Absatz 1 Satz 2 weitergeleitet worden ist, nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung insgesamt nicht zuständig, kann er den Antrag im Einvernehmen mit dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger an diesen weiterleiten, damit von diesem als leistendem Rehabilitationsträger über den Antrag innerhalb der bereits nach Absatz 2 Satz 4 laufenden Fristen entschieden wird und unterrichtet hierüber den Antragsteller.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten sinngemäß, wenn der Rehabilitationsträger Leistungen von Amts wegen erbringt. Dabei tritt an die Stelle des Tages der Antragstellung der Tag der Kenntnis des voraussichtlichen Rehabilitationsbedarfs.

(5) Für die Weiterleitung des Antrages ist § 16 Absatz 2 Satz 1 des Ersten Buches nicht anzuwenden, wenn und soweit Leistungen zur Teilhabe bei einem Rehabilitationsträger beantragt werden.

(1) Stellt der leistende Rehabilitationsträger fest, dass der Antrag neben den nach seinem Leistungsgesetz zu erbringenden Leistungen weitere Leistungen zur Teilhabe umfasst, für die er nicht Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 sein kann, leitet er den Antrag insoweit unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu. Dieser entscheidet über die weiteren Leistungen nach den für ihn geltenden Leistungsgesetzen in eigener Zuständigkeit und unterrichtet hierüber den Antragsteller.

(2) Hält der leistende Rehabilitationsträger für die umfassende Feststellung des Rehabilitationsbedarfs nach § 14 Absatz 2 die Feststellungen weiterer Rehabilitationsträger für erforderlich und liegt kein Fall nach Absatz 1 vor, fordert er von diesen Rehabilitationsträgern die für den Teilhabeplan nach § 19 erforderlichen Feststellungen unverzüglich an und berät diese nach § 19 trägerübergreifend. Die Feststellungen binden den leistenden Rehabilitationsträger bei seiner Entscheidung über den Antrag, wenn sie innerhalb von zwei Wochen nach Anforderung oder im Fall der Begutachtung innerhalb von zwei Wochen nach Vorliegen des Gutachtens beim leistenden Rehabilitationsträger eingegangen sind. Anderenfalls stellt der leistende Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf nach allen in Betracht kommenden Leistungsgesetzen umfassend fest.

(3) Die Rehabilitationsträger bewilligen und erbringen die Leistungen nach den für sie jeweils geltenden Leistungsgesetzen im eigenen Namen, wenn im Teilhabeplan nach § 19 dokumentiert wurde, dass

1.
die erforderlichen Feststellungen nach allen in Betracht kommenden Leistungsgesetzen von den zuständigen Rehabilitationsträgern getroffen wurden,
2.
auf Grundlage des Teilhabeplans eine Leistungserbringung durch die nach den jeweiligen Leistungsgesetzen zuständigen Rehabilitationsträger sichergestellt ist und
3.
die Leistungsberechtigten einer nach Zuständigkeiten getrennten Leistungsbewilligung und Leistungserbringung nicht aus wichtigem Grund widersprechen.
Anderenfalls entscheidet der leistende Rehabilitationsträger über den Antrag in den Fällen nach Absatz 2 und erbringt die Leistungen im eigenen Namen.

(4) In den Fällen der Beteiligung von Rehabilitationsträgern nach den Absätzen 1 bis 3 ist abweichend von § 14 Absatz 2 innerhalb von sechs Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wird eine Teilhabeplankonferenz nach § 20 durchgeführt, ist innerhalb von zwei Monaten nach Antragseingang zu entscheiden. Die Antragsteller werden von dem leistenden Rehabilitationsträger über die Beteiligung von Rehabilitationsträgern sowie über die für die Entscheidung über den Antrag maßgeblichen Zuständigkeiten und Fristen unverzüglich unterrichtet.

(1) Werden Leistungen zur Teilhabe beantragt, stellt der Rehabilitationsträger innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist; bei den Krankenkassen umfasst die Prüfung auch die Leistungspflicht nach § 40 Absatz 4 des Fünften Buches. Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung insgesamt nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu und unterrichtet hierüber den Antragsteller. Muss für eine solche Feststellung die Ursache der Behinderung geklärt werden und ist diese Klärung in der Frist nach Satz 1 nicht möglich, soll der Antrag unverzüglich dem Rehabilitationsträger zugeleitet werden, der die Leistung ohne Rücksicht auf die Ursache der Behinderung erbringt. Wird der Antrag bei der Bundesagentur für Arbeit gestellt, werden bei der Prüfung nach den Sätzen 1 und 2 keine Feststellungen nach § 11 Absatz 2a Nummer 1 des Sechsten Buches und § 22 Absatz 2 des Dritten Buches getroffen.

(2) Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf anhand der Instrumente zur Bedarfsermittlung nach § 13 unverzüglich und umfassend fest und erbringt die Leistungen (leistender Rehabilitationsträger). Muss für diese Feststellung kein Gutachten eingeholt werden, entscheidet der leistende Rehabilitationsträger innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang. Ist für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs ein Gutachten erforderlich, wird die Entscheidung innerhalb von zwei Wochen nach Vorliegen des Gutachtens getroffen. Wird der Antrag weitergeleitet, gelten die Sätze 1 bis 3 für den Rehabilitationsträger, an den der Antrag weitergeleitet worden ist, entsprechend; die Frist beginnt mit dem Antragseingang bei diesem Rehabilitationsträger. In den Fällen der Anforderung einer gutachterlichen Stellungnahme bei der Bundesagentur für Arbeit nach § 54 gilt Satz 3 entsprechend.

(3) Ist der Rehabilitationsträger, an den der Antrag nach Absatz 1 Satz 2 weitergeleitet worden ist, nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung insgesamt nicht zuständig, kann er den Antrag im Einvernehmen mit dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger an diesen weiterleiten, damit von diesem als leistendem Rehabilitationsträger über den Antrag innerhalb der bereits nach Absatz 2 Satz 4 laufenden Fristen entschieden wird und unterrichtet hierüber den Antragsteller.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten sinngemäß, wenn der Rehabilitationsträger Leistungen von Amts wegen erbringt. Dabei tritt an die Stelle des Tages der Antragstellung der Tag der Kenntnis des voraussichtlichen Rehabilitationsbedarfs.

(5) Für die Weiterleitung des Antrages ist § 16 Absatz 2 Satz 1 des Ersten Buches nicht anzuwenden, wenn und soweit Leistungen zur Teilhabe bei einem Rehabilitationsträger beantragt werden.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 5. Januar 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger Leistungen zur Teilhabe in Form eines trägerübergreifenden Persönlichen Budgets (PB) zu gewähren sind.

2

Der am 1956 geborene Kläger hat den Beruf des Heizungsbauers erlernt und überwiegend ausgeübt. Er leidet an einer - im Jahr 1992 festgestellten - Multiplen Sklerose. Seit 1997 sind ein Grad der Behinderung (GdB) von 70 sowie die Merkzeichen "G" und "B" zuerkannt. Die Beklagte bewilligte dem Kläger ab 1989 Rente wegen Berufsunfähigkeit, zeitweise Erwerbsunfähigkeit, sowie ab 2001 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer (Bescheid vom 27.6.2001). Von Dezember 2001 bis Dezember 2002 war der Kläger als technischer Angestellter bei einer Heizungs- und Klimafirma tätig. Die Bewilligung der am 19.8.2004 begonnenen Umschulung zum Techniker im Heizungsbau hob die Beklagte wegen Nichtteilnahme am Unterricht und damit fehlender Erfolgsaussicht zum 28.9.2005 auf (Bescheid vom 5.1.2006; Widerspruchsbescheid vom 15.5.2006), die Klage vor dem SG Hannover hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 19.9.2007 zurückgenommen. Den gleichzeitig gestellten Antrag auf Fortsetzung der abgebrochenen Maßnahme lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 8.10.2007). Widerspruch und Klage blieben ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 26.3.2008; SG Hannover - S 14 R 329/08 - Rücknahme der Klage am 18.11.2008).

3

Den an das Sozialamt der Stadt S. gestellten Antrag vom 18.1.2008 auf ein PB unter Einbeziehung des Antrags von 2007 auf Eingliederungshilfe leitete diese an die Beklagte weiter. Diese lehnte den Antrag ab, weil Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ihren Lasten nicht gegeben seien (Bescheid vom 21.4.2008). Der Widerspruch wurde zurückgewiesen, ein Anspruch auf eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben bestehe nicht (Widerspruchsbescheid vom 20.5.2008).

4

Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 6.11.2008). Ob ein Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bestehe, sei Gegenstand des noch anhängigen Verfahrens S 14 R 329/08. Bis dahin könne eine Entscheidung über die Ausführung der Leistung - hier in Form eines PB - nicht getroffen werden. Auch eine Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (hier: Eingliederungshilfe) könne der Kläger nicht beanspruchen. Zwar sei die Beklagte kraft Weiterleitung nach § 14 SGB IX zuständig. Der Kläger habe jedoch gegenüber dem Sozialhilfeträger jegliche Auskünfte über die Einkommensverhältnisse seiner Ehefrau verweigert, sodass nicht entschieden werden könne, ob die Aufbringung der Mittel dem Kläger unzumutbar sei.

5

Das LSG Niedersachsen-Bremen hat nach Beiladung des Sozialhilfeträgers die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 5.1.2010). Zur Begründung hat es ausgeführt, die persönlichen Voraussetzungen des § 10 Abs 1, insbesondere der Nr 2b SGB VI, lägen nicht vor. Die beim Kläger gegebene verminderte Erwerbsfähigkeit könne voraussichtlich durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht "wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden". Denn dem Kläger fehle die entsprechende Rehabilitationsfähigkeit. Der Kläger strebe zwar eine Wiedereingliederung in das Erwerbsleben an. Nach seinem medizinischen Leistungsvermögen sei aber unter Berücksichtigung des eingeholten fachmedizinischen (neurologischen) Gutachtens eine Teilnahme am Erwerbsleben unter betriebsüblichen Bedingungen weder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch (erst recht) in dem vom Kläger angestrebten Berufsfeld des Technikers möglich. Dagegen sprächen insbesondere die eingeschränkte Wegefähigkeit und die Einschränkungen namentlich im kognitiven Bereich.

6

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 17, 33 SGB IX iVm § 10 SGB VI. Mit dem LSG bestehe Übereinstimmung, dass die persönlichen Voraussetzungen gemäß § 10 SGB VI erfüllt sein müssten, damit Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben durch den Rentenversicherungsträger erbracht werden können. Nicht gefolgt werden könne dem LSG, soweit es eine dauerhafte Erwerbsfähigkeit aufgrund eingeschränkter Wegefähigkeit nach "rentenrechtlichen Maßstäben" nicht mehr als gegeben ansehe. Denn der Begriff der Erwerbsfähigkeit im Rehabilitationsrecht stimme mit dem Begriff der Erwerbsfähigkeit im Rentenrecht nicht überein. So sei eine Rehabilitationsfähigkeit unter Beachtung der Definition der Erwerbsfähigkeit iS des § 10 Abs 1 Nr 1 SGB VI stattdessen gegeben, wenn eine Eingliederung in das Erwerbsleben nach Leistungsbereitschaft und -fähigkeit des Versicherten nicht völlig aussichtslos erscheine und keine Gründe erkennbar seien, derentwegen Teilhabeleistungen als von vornherein nicht aussichtsreich beurteilt werden müssten. So könne das Rehabilitationsziel durchaus darauf gerichtet sein, einen Versicherten in die ihm grundsätzlich mögliche halbschichtige Erwerbstätigkeit auf Dauer einzugliedern und qualitative Leistungseinschränkungen und Behinderungen mit Maßnahmen der Behindertenhilfe (insbesondere zur Verbesserung der Wegefähigkeit) auszugleichen.

7

           

Der Kläger beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 5. Januar 2010, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hannover vom 6. November 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 21. April 2008 und den Widerspruchsbescheid vom 20. Mai 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

8

           

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

9

Sie hält die angefochtene Entscheidung des LSG für zutreffend. Auch unter Zugrundelegung rein rehabilitationsrechtlicher Maßstäbe lasse die Summe der vom LSG festgestellten qualitativen Einschränkungen eine auch nur teilweise Erwerbsfähigkeit als nicht erreichbar erscheinen.

10

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Ein Anspruch auf Bereitstellung eines PB ergebe sich auch nicht aus §§ 5 Nr 4, 17, 55 ff SGB IX als Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, weil die Grundvoraussetzungen hierfür nach §§ 53, 54, 57 SGB XII iVm § 55 SGB IX nicht erfüllt seien. Denn gemäß § 19 Abs 3 SGB XII werde Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nur geleistet, soweit dem Leistungsberechtigten und seinem nicht getrennt lebenden Ehegatten die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nicht zuzumuten sei. Seiner Mitwirkungspflicht sei der Kläger nicht nachgekommen. Er habe in seinem Antrag vom 18.1.2008 erklärt, dass er Auskünfte über die Einkommensverhältnisse seiner Ehefrau verweigere. Mit Schreiben vom 6.5.2008 habe der Kläger mitgeteilt, dass er seinen Antrag auf Eingliederungshilfe zurückziehe. Seine wirtschaftliche Situation habe sich gebessert, sodass er nicht (mehr) auf Hilfe durch das Sozialamt angewiesen sei.

Entscheidungsgründe

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Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Der Senat kann schon deshalb keine abschließende Entscheidung treffen, weil es an einer individuellen Feststellung des - nicht auf einzelne Leistungsgruppen oder den Zuständigkeitsbereich eines einzelnen Leistungsträgers begrenzten - Rehabilitationsbedarfs des Klägers fehlt. Damit kann von vornherein nicht beurteilt werden, ob dem Kläger zur Deckung dieses im umfassenden Sinne verstandenen Bedarfs Ansprüche auf Leistungen zur Teilhabe als Grundlage eines PB zustehen. Insbesondere bleibt aufgrund der defizitären Sachaufklärung des Berufungsgerichts offen, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die im Bereich der Rehabilitation grundsätzlich und in aller Regel zu treffenden Leistungsentscheidungen vorliegen, die von selbstständigen Spielräumen der Verwaltung abhängen.

12

1. Das Rechtsmittel ist zulässig. Insbesondere ist die Revision noch ausreichend iS von § 164 Abs 2 Satz 1 SGG begründet(zu den Anforderungen allgemein vgl BSG SozR 4-1500 § 164 Nr 3 RdNr 9 ff mwN). Streitgegenstand der Klage ist im Wesentlichen der Anspruch des Klägers auf fehlerfreie Ermessensausübung hinsichtlich seines Rechts auf ein PB (s hierzu im Einzelnen nachfolgend unter 3.). Anspruchsgrundlage ist hierfür im Zuständigkeitsbereich der Beklagten § 13 Abs 1 Satz 2 Halbs 2 SGB VI, der seinerseits "auf § 17 Abs 2 bis 4 SGB IX in Verbindung mit der Budgetverordnung und § 159 SGB IX" verweist. Das vom Kläger im Verwaltungsverfahren beantragte und mit der Klage begehrte "Persönliche Budget" (PB) wird nach § 17 Abs 3 Satz 1 SGB IX in der Regel als Geldleistung ausgeführt, bei laufenden Leistungen monatlich. Der zuständige Träger entscheidet durch einheitlichen Verwaltungsakt über Grund und Höhe des entsprechenden - monatlichen - Geldbetrags, auch wenn in die Bemessung dieses Betrags die Leistungen mehrerer Träger eingegangen sind (vgl § 17 Abs 4 Satz 1 SGB IX: "den Verwaltungsakt"; ebenso § 3 Abs 5 Satz 1 der Budgetverordnung vom 27.5.2004, BGBl I 1055: "den Verwaltungsakt" bzw "die Leistung"). Der zuständige Träger handelt damit nicht rechtmäßig, wenn er ungeachtet der - wie auch hier - grundsätzlich weiten Fassung des Antragsbegehrens eine Entscheidung dennoch nur auf der Grundlage einzelner Bewertungselemente bzw auf den Zuständigkeitsbereich einzelner Träger begrenzt trifft und insofern den Antrag nicht ausschöpft. Die Beklagte, deren Verwaltungsakte das Revisionsgericht in eigener Zuständigkeit auslegt (BSGE 67, 104, 110 = SozR 3-1300 § 32 Nr 2 S 11 mwN; BFHE 214, 18, 23 mwN), und die Vorinstanzen haben - ungeachtet insbesondere des fragmentarischen Charakters ihrer Begründungen - jeweils über ein PB in diesem umfassenden Sinne entschieden und nicht zu erkennen gegeben, sie wollten entgegen der Gesetzeslage etwa nur eine Teil-Entscheidung treffen.

13

Die Revision des Klägers, die der Senat uneingeschränkt zugelassen hat, wendet sich ihrerseits in vollem Umfang gegen das Urteil des LSG vom 5.1.2010. Auch die Begründung hierzu geht jedenfalls in ihren allgemeinen rechtlichen Ausführungen auf die Komplexnatur des persönlichen trägerübergreifenden Budgets ein, beschränkt sich dann aber auf eine Auseinandersetzung mit den rechtlichen Ausführungen des Berufungsgerichts zu den Voraussetzungen der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach dem SGB VI.

14

Hierin ist indessen keine nachträgliche sinngemäße Beschränkung des revisionsrechtlichen Streitgegenstands (vgl hierzu Urteile des erkennenden Senats vom 27.4.2010 in SozR 4-2600 § 233a Nr 1 und des 4. Senats vom 29.9.1994 in SozR 3-2200 § 1251 Nr 6) durch den Kläger zu sehen, der in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat nochmals ausdrücklich bestätigt hat, der Anspruch auf ein persönliches trägerübergreifendes Budget solle "im Hinblick auf alle in Betracht kommenden Aspekte weiter verfolgt werden". Auch liegt nicht ausnahmsweise ein verfahrensrechtlich relevantes Begründungsdefizit vor. Zwar muss sich die Revisionsbegründung grundsätzlich mit allen Aspekten befassen, die den mit der Klage geltend gemachten Anspruch betreffen und vor das Revisionsgericht getragen werden sollen. Allerdings ist vorliegend die Situation dadurch gekennzeichnet, dass es hinsichtlich des zum 1.1.2008 als Pflichtleistung eingeführten PB bisher an oberstgerichtlicher Rechtsprechung fehlt und gleichermaßen im Verwaltungsverfahren wie in zwei Gerichtsinstanzen der materielle Gehalt des neuen Rechtsinstituts wie das sich hieraus ergebende Verfahrensrecht nicht annähernd erfasst worden sind. Unter diesen Umständen würde das Grundrecht des Klägers auf effektiven Rechtsschutz (Art 19 Abs 4 GG) in unzumutbarer Weise verkürzt, wollte man ihm erstmals als Voraussetzung für den Zugang zur Revisionsinstanz abverlangen, diese Defizite zu kompensieren und die maßgeblichen Aspekte zu thematisieren. Nicht anders als bei der Herbeiführung der Statthaftigkeit eines Rechtsmittels im Rahmen der gesonderten Entscheidung über seine Zulassung muss auch bei der Prüfung der Zulässigkeit des statthaften Rechtsmittels der begrenzte Sinn und Zweck der Zulässigkeitsprüfung und der dort vernünftigerweise zu leistende Prüfungsumfang beachtet werden. In die Zulässigkeitsprüfung dürfen unter diesem Gesichtspunkt insbesondere nicht Gesichtspunkte Eingang finden, die bisher im Verfahren keine Rolle gespielt haben und die zu erörtern im Blick auf eine offensichtliche oder geklärte Rechtslage auch sonst kein Anlass bestanden hat (vgl etwa BVerfG Kammerbeschluss vom 24.1.2007, NVwZ 2007, 805 ff). Dem Kläger würden andernfalls unter Verkennung der Funktion des Revisionsverfahrens im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung Gesichtspunkte entgegengehalten, denen angesichts einer offensichtlich in bedeutendem Umfang die Gesetzeslage verfehlenden Praxis ihrerseits grundsätzliche Bedeutung zukommt (vgl BVerfG aaO).

15

2. Die zulässige Revision erweist sich nicht bereits deshalb als unbegründet, weil die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 6.11.2008 mangels Statthaftigkeit unzulässig gewesen wäre. Die Berufung gegen Urteile und Gerichtsbescheide (§ 105 Abs 2 Satz 1 SGG) ist grundsätzlich statthaft (§ 143 SGG). Vorliegend bedurfte es auch nicht ausnahmsweise der Zulassung der Berufung durch das SG oder auf Beschwerde durch das LSG, die sich beide zu dieser Frage nicht verhalten haben. Der Kläger hat nämlich mit der Klage, die sich ua auf die gegenüber dem beigeladenen Träger der Sozialhilfe geltend gemachten Leistungen zur Teilhabe an der Gemeinschaft ("Hilfe beim Spazierengehen") bezieht, von Anfang an einen Anspruch auf laufende Geldleistungen für mehr als ein Jahr geltend gemacht (§ 144 Abs 1 Satz 2 SGG) und diesen Anspruch unverändert auch mit der Berufung geltend gemacht. Unter diesen Umständen bedarf es keiner näheren Ausführungen dazu, dass der ausnahmsweise Ausschluss der Berufung nach Satz 1 Nr 1 aaO zu Lasten des Rechtsmittelführers dann nicht eingreifen kann, wenn es - wie hier - an jeder Grundlage für eine Schätzung des Werts des Beschwerdegegenstands fehlt.

16

3. Der Kläger hat nach seinem "wahren" Begehren, das auch im Revisionsverfahren von der äußeren Fassung seiner Anträge zu unterscheiden ist (§ 123 SGG), zutreffend eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 Regelung 1, Abs 4 SGG) erhoben. Dies ergibt sich im Blick auf die Gesetzeslage aus dem mit der Klage erstrebten Erfolg. Gemäß § 159 Abs 5 SGB IX(eingeführt durch Art 8 Nr 13 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003, BGBl I 3022 mWv 1.1.2005) ist nämlich § 17 Abs 2 Satz 1 SGB IX vom 1.1.2008 an mit der Maßgabe anzuwenden, dass auf Antrag Leistungen durch ein PB ausgeführt werden. § 17 Abs 2 Satz 1 SGB IX räumt damit seither - bei unverändertem Wortlaut dieser Norm selbst - einen Rechtsanspruch hierauf ein.

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Welches die im Blick auf das Begehren des Klägers zutreffende Entscheidungsform ist - Verurteilung zur Leistung (§ 130 Abs 1 Satz 1 SGG) bzw zum Erlass eines Verwaltungsakts des Inhalts, die Leistung in genau bezeichnetem Umfang zu gewähren (§ 131 Abs 2 Satz 1 SGG) oder zur Bescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts - hängt davon ab, ob der Beklagten auch nach vollständiger Klärung der Sachlage noch ein Entscheidungsspielraum bei der Entscheidung über den Antrag des Klägers auf ein trägerübergreifendes PB verbleibt. Diese Unterscheidung ist durch § 159 Abs 5 SGB IX nicht etwa von vornherein überflüssig geworden. Der Anspruch auf ein PB findet nämlich seinerseits seine Grundlage erst in der Zusammenfassung aller nach Maßgabe des individuell festgestellten Bedarfs zuzuerkennenden Leistungen (§ 17 Abs 3 Satz 3 SGB IX), die bei einer isolierten Entscheidung hierüber rechtlich grundsätzlich und faktisch in aller Regel nur in Abhängigkeit vom Ermessen des zuständigen Leistungsträgers beansprucht werden können. Dieses "Ermessen" bleibt zumindest als von der dritten Gewalt zu beachtender eigener Entscheidungsspielraum der Verwaltung auch erhalten, soweit - wie hier - der Anspruch auf derartige Leistungen in einem gestuften Verfahren zur Tatbestandsvoraussetzung des PB geworden ist. Es ist nämlich nicht erkennbar, dass mit der Entscheidung über die Einführung von § 159 Abs 5 SGB IX, der ua ausdrücklich auch für die Beklagte gilt(§ 13 Abs 1 Satz 2 Halbs 2 SGB VI), gleichzeitig eine generelle Änderung der Entscheidungskompetenzen hinsichtlich der Gewährung der mit dem PB "auszuführenden" Teilhabeleistungen angeordnet werden sollte. Steht daher hinsichtlich auch nur einer der als unselbstständiger Teil des PB möglicherweise in dessen Bemessung eingehenden Leistungen eine erforderliche "Ermessensausübung" noch aus, kann das Gericht die Spruchreife schon zum Grund dieses Anspruchs (§ 130 Abs 1 Satz 1 SGG) aus rechtlichen Gründen nicht selbst herbeiführen und muss den eigenen Entscheidungsraum der Verwaltung berücksichtigen, den ihr der Parlaments-Gesetzgeber eingeräumt hat.

18

Der prozessuale Begriff der Spruchreife (vgl auch § 113 Abs 5 Satz 1 VwGO, § 101 Satz 1 FGO) bildet dabei ua die materiell-rechtliche Unterscheidung zwischen "freier" und "gebundener" Verwaltung ab (Wolff in Sodan/Ziekow, Kommentar zur VwGO, 3. Aufl, § 113 RdNr 422 f mwN). Jedenfalls solange daher nicht abschließend feststeht, dass überhaupt budgetfähige Leistungen zu erbringen sind, die ihrerseits grundsätzlich vom "Ermessen" des zuständigen Trägers abhängen, bleibt damit auch der Anspruch von Personen wie dem Kläger im Ergebnis zunächst unverändert auf die pflichtgemäße Ausübung dieses "Ermessens" begrenzt (§ 39 Abs 1 Satz 2 SGB I) bzw sind ihnen weitergehende subjektive öffentliche Rechte iS von Art 19 Abs 4 GG nicht eingeräumt (vgl insofern zuletzt BVerfG vom 31.5.2011, 1 BvR 857/07, Juris).

19

Die Frage der zutreffenden Entscheidungsform bedarf hiervon ausgehend derzeit noch keiner abschließenden Beantwortung. Auch wenn der gerichtlich geltend gemachte Anspruch von einer Ermessensentscheidung oder der Ausübung eines der Verwaltung vorbehaltenen Gestaltungsspielraums abhängt, umfasst das gerichtliche Prüfungs- und Entscheidungsprogramm die Herbeiführung der Spruchreife in tatsächlicher Hinsicht, dh die Sachaufklärung und Feststellung hinsichtlich aller Umstände, die erforderlich sind, um das Vorliegen eines Ermessensfehlers oder die Verletzung eines Beurteilungsspielraums festzustellen (Wolff, aaO RdNr 433). Hieran fehlt es vorliegend. Das Berufungsgericht hat das umfassende Prüfungsprogramm verkannt, das § 17 Abs 3 Satz 3 SGB IX dem zuständigen Träger und im Streitfall den Gerichten bereits hinsichtlich des Grundes eines Anspruchs auf ein PB zumutet und hat daher die Aufklärung des rechtlich einschlägigen Sachverhalts im Wesentlichen unterlassen. Im Revisionsverfahren kann damit bereits das Vorliegen wesentlicher gesetzlicher Voraussetzungen für Leistungen zur Teilhabe, die ihrerseits nach Maßgabe des festgestellten Bedarfs in ein PB eingehen könnten, nicht abschließend beurteilt werden, sodass nur eine Zurückverweisung an das Berufungsgericht in Frage kommt (vgl BSG vom 9.12.2010 - B 13 R 83/09 R, zur Veröffentlichung in SozR und BSGE vorgesehen). Dagegen steht derzeit keiner der Sachverhalte fest, die ausnahmsweise eine teilweise "Rückgabe an die Verwaltung" erlauben (vgl BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 5).

20

4. Das LSG hat zu Recht den zuständigen Sozialhilfeträger zum Verfahren beigeladen. Nicht erforderlich ist es, die vorliegend notwendige Beiladung nach § 75 Abs 2 Satz 1 Alt 1 SGG nachzuholen, wenn vom Gericht bereits - wie hier - eine einfache Beiladung nach § 75 Abs 1 SGG ausgesprochen worden ist. Anhaltspunkte dafür, dass die Beigeladene einen abweichenden Sachantrag gestellt hätte, bestehen nicht (vgl BSGE 67, 256, 259 = SozR 3-2500 § 92 Nr 1). Die Voraussetzungen einer echten notwendigen Beiladung liegen vor, weil die vom Kläger begehrte Entscheidung nur einheitlich auch gegenüber dem Sozialhilfeträger möglich ist. Dessen Verantwortungsbereich bleibt nämlich ungeachtet der externen Zuständigkeit der Beklagten im Innenverhältnis erhalten, wenn er Leistungen der Eingliederungshilfe als Teil eines trägerübergreifenden PB erbringt (§ 57 Satz 1 SGB XII). Nicht anders als bei § 14 SGB IX(vgl hierzu BSGE 93, 283 ff RdNr 5 = SozR 4-3250 § 14 Nr 1) bestehen damit erst recht im Rahmen von § 17 Abs 2 bis 4 SGB IX die notwendige Beiladung begründende Verpflichtungen der originär zuständigen Träger fort.

21

5. Das Leistungsrecht der einzelnen Träger enthält jeweils Bestimmungen des Inhalts, dass die dort vorgesehenen Leistungen zur Teilhabe auf Antrag auch als "Teil" eines trägerübergreifenden PB erbracht werden können und ordnet jeweils die Anwendung von "§ 17 Abs 2 bis 4 SGB IX in Verbindung mit der Budgetverordnung und § 159 SGB IX" an(vgl insofern für den beklagten Rentenversicherungsträger § 13 Abs 1 Satz 2 SGB VI). § 17 SGB IX, dem diese spezialgesetzlichen Regelungen zu Voraussetzungen und Inhalten der jeweiligen Leistungen zur Teilhabe vorgehen(§ 7 SGB IX), enthält seinerseits die näheren Bestimmungen zur Ausführung von "Leistungen zur Teilhabe … durch ein Persönliches Budget" (vgl zur Regelungstechnik insgesamt Masuch in jurisPR-SozR 22/2004 Anm 4 Nr 3). Diese Vorschrift lautet in der hier maßgeblichen Fassung ab dem 30.3.2005 wie folgt:

        

(1) Der zuständige Rehabilitationsträger kann Leistungen zur Teilhabe
1. allein oder gemeinsam mit anderen Leistungsträgern,
2. durch andere Leistungsträger oder
3. unter Inanspruchnahme von geeigneten, insbesondere auch freien und gemeinnützigen oder privaten Rehabilitationsdiensten und -einrichtungen (§ 19) ausführen. Er bleibt für die Ausführung der Leistungen verantwortlich. Satz 1 gilt insbesondere dann, wenn der Rehabilitationsträger die Leistung dadurch wirksamer oder wirtschaftlicher erbringen kann.

        

(2) Auf Antrag können Leistungen zur Teilhabe auch durch ein Persönliches Budget ausgeführt werden, um den Leistungsberechtigten in eigener Verantwortung ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Bei der Ausführung des Persönlichen Budgets sind nach Maßgabe des individuell festgestellten Bedarfs die Rehabilitationsträger, die Pflegekassen und die Integrationsämter beteiligt. Das Persönliche Budget wird von den beteiligten Leistungsträgern trägerübergreifend als Komplexleistung erbracht. Budgetfähig sind auch die neben den Leistungen nach Satz 1 erforderlichen Leistungen der Krankenkassen und der Pflegekassen, Leistungen der Träger der Unfallversicherung bei Pflegebedürftigkeit sowie Hilfe zur Pflege der Sozialhilfe, die sich auf alltägliche und regelmäßig wiederkehrende Bedarfe beziehen und als Geldleistungen oder durch Gutscheine erbracht werden können. An die Entscheidung ist der Antragsteller für die Dauer von sechs Monaten gebunden.

        

(3) Persönliche Budgets werden in der Regel als Geldleistung ausgeführt, bei laufenden Leistungen monatlich. In begründeten Fällen sind Gutscheine auszugeben. Persönliche Budgets werden auf der Grundlage der nach § 10 Abs. 1 getroffenen Feststellungen so bemessen, dass der individuell festgestellte Bedarf gedeckt wird und die erforderliche Beratung und Unterstützung erfolgen kann. Dabei soll die Höhe des Persönlichen Budgets die Kosten aller bisher individuell festgestellten, ohne das Persönliche Budget zu erbringenden Leistungen nicht überschreiten.

        

(4) Enthält das Persönliche Budget Leistungen mehrerer Leistungsträger, erlässt der nach § 14 zuständige der beteiligten Leistungsträger im Auftrag und im Namen der anderen beteiligten Leistungsträger den Verwaltungsakt und führt das weitere Verfahren durch. Ein anderer der beteiligten Leistungsträger kann mit den Aufgaben nach Satz 1 beauftragt werden, wenn die beteiligten Leistungsträger dies in Abstimmung mit den Leistungsberechtigten vereinbaren; in diesem Fall gilt § 93 des Zehnten Buches entsprechend. Die für den handelnden Leistungsträger zuständige Widerspruchsstelle erlässt auch den Widerspruchsbescheid.

        

(5) § 17 Abs. 3 in der am 30. Juni 2004 geltenden Fassung findet auf Modellvorhaben zur Erprobung der Einführung Persönlicher Budgets weiter Anwendung, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes begonnen haben.

        

(6) In der Zeit vom 1. Juli 2004 bis zum 31. Dezember 2007 werden Persönliche Budgets erprobt. Dabei sollen insbesondere modellhaft Verfahren zur Bemessung von budgetfähigen Leistungen in Geld und die Weiterentwicklung von Versorgungsstrukturen unter wissenschaftlicher Begleitung und Auswertung erprobt werden.

22

§ 17 ist mit dem SGB IX zum 1.7.2001 eingeführt worden. In der zunächst - bis 30.6.2004 - geltenden Fassung der Norm war das PB in Abs 1 Satz 1 Nr 4 als eine der - auch heute noch unverändert unter Nr 1 bis 3 aaO aufgeführten - Möglichkeiten der Ausführung von Leistungen zur Teilhabe durch den zuständigen Träger aufgeführt. Nach § 17 Abs 2 SGB IX in der ab 1.7.2001 geltenden Fassung war das PB so zu bemessen, dass eine Deckung des festgestellten Bedarfs unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit möglich ist. Abs 3 aaO sah vor, dass die Rehabilitationsträger die Einführung des PB durch Modellvorhaben prüfen.

23

§ 17 SGB IX wurde durch Art 8 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 (BGBl I 3022) mit Wirkung vom 1.7.2004 neu gefasst. Nur insofern anders als heute sah Abs 2 Satz 1 hiernach die Ausführung von Leistungen zur Teilhabe auch durch ein "monatliches" PB vor. Satz 2 und 3 des neuen Abs 2 gelten bis heute unverändert fort. Satz 4 bis 6 aaO lauteten in der ab 1.7.2004 zunächst vorgesehenen Fassung wie folgt:

        

Budgetfähige Leistungen sind Leistungen, die sich auf alltägliche, regelmäßig wiederkehrende und regiefähige Bedarfe beziehen und als Geldleistungen oder durch Gutscheine erbracht werden können. Eine Pauschalierung weiterer Leistungen bleibt unberührt. An die Entscheidung ist der Antragsteller für die Dauer von sechs Monaten gebunden.

Im Übrigen hatte § 17 SGB IX ab dem 1.7.2004 folgenden Wortlaut:

        

(3) Persönliche Budgets werden in der Regel als Geldleistung ausgeführt. In begründeten Fällen sind Gutscheine auszugeben. Persönliche Budgets werden im Verfahren nach § 10 so bemessen, dass der individuell festgestellte Bedarf gedeckt wird und die erforderliche Beratung und Unterstützung erfolgen kann. Dabei soll die Höhe des Persönlichen Budgets die Kosten aller bisher individuell festgestellten, ohne das Persönliche Budget zu erbringenden Leistungen nicht überschreiten.

        

(4) Enthält das Persönliche Budget Leistungen mehrerer Leistungsträger, erlässt der nach § 14 erstangegangene und beteiligte Leistungsträger im Auftrag und im Namen der anderen beteiligten Leistungsträger den Verwaltungsakt und führt das weitere Verfahren durch.

        

(5) § 17 Abs. 3 in der am 30. Juni 2004 geltenden Fassung findet auf Modellvorhaben zur Erprobung der Einführung Persönlicher Budgets weiter Anwendung, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes begonnen haben.

        

(6) In der Zeit vom 1. Juli 2004 bis zum 31. Dezember 2007 werden Persönliche Budgets erprobt. Dabei sollen insbesondere modellhaft Verfahren zur Bemessung von budgetfähigen Leistungen in Geld und die Weiterentwicklung von Versorgungsstrukturen unter wissenschaftlicher Begleitung und Auswertung erprobt werden.

24

Ebenfalls zum 1.7.2004 wurde § 17 SGB IX durch Art 8 Nr 3 des Gesetzes zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren im Sozialrecht vom 21.3.2005 (BGBl I 818) rückwirkend erneut geändert. In Abs 2 Satz 1 wurde nunmehr das Wort "monatliches" gestrichen. Abs 2 Satz 4 wurde wie folgt gefasst:

        

Budgetfähig sind auch die neben den Leistungen nach Satz 1 erforderlichen Leistungen der Krankenkassen und der Pflegekassen, Leistungen der Träger der Unfallversicherung bei Pflegebedürftigkeit sowie Hilfe zur Pflege der Sozialhilfe, die sich auf alltägliche und regelmäßig wiederkehrende Bedarfe beziehen und als Geldleistungen oder durch Gutscheine erbracht werden können.

25

Der bisherige Satz 5 aaO wurde aufgehoben, der bisherige Satz 6 wurde damit zum neuen Satz 5. In Abs 3 Satz 1 wurde der den Satz abschließende Punkt durch ein Komma ersetzt und die Wörter "bei laufenden Leistungen monatlich" angefügt. In Abs 3 Satz 3 wurden die Wörter "im Verfahren" durch die Wörter "auf der Grundlage der" und die Angabe "§ 10" durch die Angabe "§ 10 Abs. 1 getroffenen Feststellungen" ersetzt.

26

Schließlich wurden ebenfalls durch Art 8 Nr 3 des Gesetzes zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren im Sozialrecht vom 21.3.2005 mit Wirkung vom 30.3.2005 in Abs 4 die Wörter "erstangegangene und beteiligte" durch die Wörter "zuständige der beteiligten" ersetzt und die bis heute geltenden Sätze 2 und 3 angefügt.

27

6. Der Anspruch auf ein PB ist - mit Ausnahme des Sonderfalls der Ausgabe von Gutscheinen (§ 17 Abs 3 Satz 2 SGB IX) - grundsätzlich auf eine einheitliche - monatliche - Geldleistung (a) durch einen einzigen Träger (b) und auf der Grundlage einer einheitlichen Entscheidung (c) gerichtet.

28

a) "Leistungen zur Teilhabe" und ggf sonstige budgetfähige Leistungen (§ 17 Abs 2 Satz 4 SGB IX) werden auf Antrag durch ein "Persönliches Budget" - nicht etwa durch mehrere - ausgeführt (Satz 1 aaO). Auch soweit mehrere Träger an der Ausführung beteiligt sind, geht es im Außenverhältnis nur um ein PB (Abs 2 Satz 2 aaO) und erbringen die beteiligten Träger als Komplexleistung trägerübergreifend nur ein PB (Satz 3 aaO). Wie Abs 3 Satz 4 aaO zeigt, führt auch die Zusammenfassung von schon bisher individuell festgestellten und ohne das PB zu erbringenden Leistungen zu einer einheitlichen Höhe des PB. Dementsprechend wird auch das PB selbst "in der Regel" als - einheitliche - (monatliche) Geldleistung ausgeführt (Abs 3 Satz 1 aaO).

29

Dies entspricht Sinn und Zweck der Regelungen über das PB. Dem Gesetz liegt seit der Einführung des Rechtsinstituts die zentrale Vorstellung zugrunde, dass das PB dem Leistungsberechtigten ein selbstbestimmtes Leben in eigener Verantwortung ermöglicht (so ausdrücklich § 17 Abs 2 Satz 1 SGB IX; in diesem Sinne etwa auch BT-Drucks 14/5074 S 103 und 15/1514 S 72). Hierzu sollen den Betroffenen regelmäßige Geldzahlungen zur Verfügung gestellt werden, die es ihnen ermöglichen, auf der Grundlage eigener Vertragsschlüsse mit Leistungserbringern Betreuungsleistungen selbst zu organisieren und zu bezahlen (vgl BT-Drucks 15/1514 S 1, 72). Dieser Entkoppelung entspricht die Zuweisung eines pauschalen - monatlichen - Betrags, der keinen Bezug zu konkreten einzelnen Leistungen aufweist und der fehlenden Bindung an das System vereinbarungsgebundener Leistungsanbieter Rechnung trägt (vgl Luthe in: jurisPK-SGB IX § 9 RdNr 39, Stand: 13.4.2010).

30

b) Der Anspruch auf das PB richtet sich gegen einen einzigen Träger. Dies ist selbstverständlich, wenn nur ein Träger mehrere von ihm geschuldete Leistungen zur Teilhabe zusammenfasst. "Enthält" das PB Leistungen mehrerer Leistungsträger in dem Sinne, dass diese Leistungen im Innenverhältnis als Teil des PB erbracht werden und im Außenverhältnis als Grundlage für dessen Bemessung dienen, bestimmt sich die ausschließliche materielle Leistungszuständigkeit im Außenverhältnis auch insofern nach § 14 SGB IX. Dies ergibt sich schon aus der ausdrücklichen Anknüpfung an diese Norm in § 17 Abs 4 Satz 1 SGB IX. Zudem sieht das Gesetz das PB unverändert als eine Form der "Ausführung" von Leistungen zur Teilhabe neben den in § 17 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 3 SGB IX genannten an(Abs 2 Satz 1 SGB IX aaO: "… auch durch ein Persönliches Budget ausgeführt werden …") und setzt für alle Formen der "Ausführung" eine anderweitig bereits bestimmte Zuständigkeit voraus (§ 17 Abs 1 Satz 1 SGB IX), die sich nur aus den hierzu allgemein getroffenen Regelungen ergeben kann.

31

Für § 14 SGB IX ist durch die bisherige Rechtsprechung geklärt, dass derjenige Träger, der den Antrag auf Leistungen zur Teilhabe nicht weitergeleitet hat (erstangegangener Träger) und derjenige Träger, an den der Antrag weitergeleitet wurde (zweitangegangener Träger) und der daher zu einer erneuten Weiterleitung grundsätzlich nicht ermächtigt ist, ungeachtet seiner "eigentlichen" Zuständigkeit jeweils zur umfassenden Prüfung des Rehabilitationsbedarfs nach § 10 SGB IX verpflichtet ist(vgl Urteil des Senats in SozR 4-3250 § 14 Nr 8; BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7). Entsprechend dem Primärzweck der Norm, bei fortdauernder interner Verpflichtung des eigentlich zuständigen Leistungsträgers eine schnelle Klärung der Zuständigkeit im Außenverhältnis zu gewährleisten (BSGE 101, 79 = SozR 4-3500 § 54 Nr 1), hat dieser Träger auf den grundsätzlich in einem umfassenden Sinne zu verstehenden Antrag den Anspruch des Leistungsberechtigten an Hand aller Rechtsgrundlagen für Teilhabeleistungen, die überhaupt in der konkreten Bedarfssituation für Rehabilitationsträger vorgesehen sind, und unter Beachtung der persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der jeweiligen Leistungsgesetze zu prüfen (vgl Urteil des Senats aaO mwN und BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4 sowie BSGE 101, 79 = SozR 4-3500 § 54 Nr 1). Insofern bleibt der erst- bzw zweitangegangene Träger im Verhältnis zum Versicherten aufgrund "aufgedrängter Zuständigkeit" endgültig, ausschließlich und umfassend leistungspflichtig, auch wenn er nach den geltenden Normen außerhalb des SGB IX nicht für die beanspruchte Rehabilitationsleistung zuständig ist (Urteil des Senats in BSGE 104, 294 = SozR 4-3250 § 14 Nr 9). Soweit Leistungen verschiedener Leistungsgruppen oder mehrerer Rehabilitationsträger erforderlich sind, ist der nach § 14 SGB IX leistende Rehabilitationsträger dafür verantwortlich, dass die beteiligten Rehabilitationsträger im Benehmen miteinander und in Abstimmung mit dem Leistungsberechtigten die nach dem individuellen Bedarf voraussichtlich erforderlichen Leistungen funktionsbezogen feststellen und schriftlich so zusammenstellen, dass sie nahtlos ineinandergreifen(§ 10 Abs 1 Satz 1 SGB IX). Prozessual ergibt sich hieraus, dass sich Widerspruch und Klage allein gegen den nach § 14 SGB IX zuständigen Träger richten, ohne dass sich der Kläger um die innerhalb des gegliederten Systems verteilten Zuständigkeiten kümmern müsste. Der möglicherweise - im Innenverhältnis der Träger - endgültig zuständige ist notwendig beizuladen (BSGE 101, 79 = SozR 4-3500 § 54 Nr 1).

32

c) Auch wo die Leistungen mehrerer Träger in ein PB eingehen, ergeht nur eine Entscheidung des einzig zuständigen Trägers über die eine zu erbringende Leistung. Dies ergibt sich noch nicht aus dem unbestimmten Rechtsbegriff der "Komplexleistung" (§ 17 Abs 2 Satz 3 SGB IX). Aus dessen ergänzend heranzuziehender Verwendung im allgemeinen Sprachgebrauch (vgl zu dieser Methode: Europäischer Gerichtshof , EuZW 1997, 625, 628; Bundesgerichtshof , BGHSt 12, 366; BGH NJW 1982, 1278 und BGH MDR 1996, 188; Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Aufl 1986, § 17 RdNr 11; Gast, Juristische Rhetorik, 4. Aufl 2006, RdNr 668; Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht I, 12. Aufl 2007, § 28 RdNr 34) ist allenfalls zu entnehmen, dass es um die Leistung durch eine Gesamtheit geht. Die rechtliche Funktion dieser Gesamtheit im vorliegenden Zusammenhang kann jedoch zuverlässig aus dem Regelungskontext erschlossen werden. Hieraus ergibt sich, dass beim PB anders als bei § 14 SGB IX, wo der - eine - zuständige Träger entsprechend dem grundsätzlich am Gesamterfolg orientierten und damit weit zu verstehenden Antragsbegehren des behinderten Menschen ggf in Gestalt einer Mehrheit von Verwaltungsakten über ein Bündel von Einzelmaßnahmen zu entscheiden hat und damit den "Bedarf" abschließend feststellt, nur eine einheitliche Entscheidung ergeht. Bereits der Wortlaut von § 17 Abs 3 Satz 1 SGB IX und von § 3 Abs 5 Satz 1 der Budgetverordnung belegt dieses Ergebnis (vgl bereits vorstehend unter 1.), das durch die weitere Ausgestaltung bestätigt wird. So stellen nach § 3 Abs 5 Satz 3 Halbs 2 Budgetverordnung die anderen beteiligten Träger das auf sie entfallende Teilbudget dem zuständigen Träger zur Verfügung. Mit der Auszahlung oder der Ausgabe von Gutscheinen an die antragstellende Person gilt (!) der Anspruch gegen die beteiligten Leistungsträger insoweit als erfüllt (§ 3 Abs 5 Satz 4 Budgetverordnung). Die anderen beteiligten Träger erfüllen daher die ihnen obliegenden Verpflichtungen allein im Innenverhältnis der beteiligten Träger und ohne dem Berechtigten gegenüber hierzu Regelungen zu verlautbaren oder selbst an ihn Leistungen zu erbringen. Auch wo daher entsprechend der Formulierung in den Leistungsgesetzen Leistungen "als Teil eines trägerübergreifenden Budgets erbracht werden" (vgl etwa § 13 Abs 1 Satz 2 Halbs 1 SGB VI), bleiben diese im Verhältnis zum Leistungsberechtigten nicht etwa weiterhin dem hiernach zuständigen Träger zuzuordnende Teil-Beträge, über die gesondert durch Verwaltungsakt entschieden würde, sondern werden zu bloßen Berechnungselementen im Rahmen der Wertbemessung des PB durch den hierfür zuständigen Träger, ohne noch eigenständig nach außen in Erscheinung zu treten. In diesem Sinne ist auch der Begriff des "Teilbudgets" in § 3 Abs 4 der Budgetverordnung allein als Regelung des Innenverhältnisses zu verstehen.

33

Damit kann allerdings das PB der Sache nach nicht mehr als bloße "Form" der Erbringung von - in den Leistungsgesetzen vorgesehenen und konkret zuerkannten - Leistungen zur Teilhabe verstanden werden. Dies war schon bei der zum 1.7.2001 in Kraft getretenen Fassung des § 17 Abs 1 Satz 1 SGB IX fraglich. Mit der dort unter Nr 1 bis 3 geregelten Frage, durch wen der zuständige Rehabilitationsträger Leistungen zur Teilhabe "ausführt", dh der zuerkannte Anspruch erfüllt werden kann, weist eine Regelung der Frage, was der zuständige Träger zu erbringen hat, und damit den Anspruchsinhalt selbst betrifft, keinen unmittelbaren inneren Zusammenhang auf. Hinter der dennoch erfolgten Gleichordnung mag damals noch die Vorstellung gestanden haben, dass das PB zunächst als Ergänzung der in § 9 Abs 2 SGB IX vorgesehenen Umwandlung von Sach- in Geldleistungen gesehen wurde(BT-Drucks 14/5074 S 103) und insofern noch einen konkreten Bezug zu im Einzelnen konkret zuerkannten Ansprüchen und Leistungen aufwies. Jedenfalls mit der Verselbstständigung des PB zu einer eigenständigen Pauschalleistung zur Abgeltung nur ihrer Art nach bestimmter Ansprüche auf Leistungen zur Teilhabe dem Grunde nach und erst recht im Blick auf die Einbeziehung auch der budgetfähigen Leistungen weiterer Leistungsträger (§ 17 Abs 2 Satz 4 SGB IX) ist einem derartigen Verständnis jedoch die Grundlage entzogen. Das Gesetz trägt dem Rechnung, indem es das PB seit dem 1.7.2004 gesondert in der Überschrift der Norm aufführt, die Teil des Gesetzestextes ist. In dieselbe Richtung deutet die Verselbstständigung der entsprechenden Regelungen in besonderen Absätzen, wenn auch der Wortlaut von § 17 Abs 2 Satz 1 SGB IX ("… auch … ausgeführt …") unverändert eine Zugehörigkeit zu den in Abs 1 Satz 1 aaO geregelten Fällen nahelegt.

34

7. Der zuständige Träger wird damit zwar auch im vorliegenden Zusammenhang nach den Vorgaben des § 14 Abs 1 und 2 SGB IX bestimmt, doch erfüllt er bei der Erbringung des PB eine andere Funktion. Während - wie dargelegt - bei § 14 SGB IX der zuständige Träger hinsichtlich jedes einzelnen der in ihrer Gesamtheit den festgestellten Bedarf repräsentierenden Ansprüche an Stelle des jeweils sonst zuständigen Trägers leistungs- und entscheidungszuständig ist, führt § 17 SGB IX zugunsten der Berechtigten zu einer weiteren Beschränkung der sich aus dem gegliederten System ergebenden Vielfalt. Hier wird im Außenverhältnis nicht nur eine Mehrheit von Trägern, sondern auch eine Vielzahl von Leistungsansprüchen durch einen einzigen ersetzt. Der Leistungsberechtigte erhält das ihm Zustehende "aus einer Hand". Die Konzentration von Leistungen der Teilhabe sowie sonstiger budgetfähiger Leistungen in der Gestalt einer einheitlichen trägerübergreifenden Komplexleistung soll ihm die Auseinandersetzung mit einer Vielzahl in Betracht kommender Träger über die jeweils zu erbringenden Einzelleistungen ersparen. Umgekehrt müssen - mit Ausnahme des zuständigen - die beteiligten Träger kein eigenes Verwaltungsverfahren durchführen, soweit die von ihnen zu erbringenden Leistungen in das Budget eingehen. Zudem beschränkt sich die Höhe des PB iS der Ökonomie des Gesamtsystems grundsätzlich auf den Wert bisher individuell festgestellter Leistungen, an deren Stelle es ggf tritt.

35

§ 17 SGB IX erkennt dem zuständigen Träger dabei eine Funktion zu, die zwar potenziell jedem Rehabilitationsträger zukommen kann, im konkreten Fall aber - unter gleichzeitigem Ausschluss aller anderen - von vornherein stets nur einem von ihnen. Der Anspruch auf das PB als einer gebündelten Gesamtleistung richtet sich damit von vornherein und allein gegen den zuständigen Träger und ist von ihm zu erfüllen (vgl § 3 Abs 5 Satz 1 Budgetverordnung: "… und erbringt die Leistung"). Dem entspricht - vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung der beteiligten Leistungsträger in Abstimmung mit dem Leistungsberechtigten gemäß § 17 Abs 4 Satz 2 Halbs 1 SGB IX - grundsätzlich auch die exklusive Zuständigkeit hinsichtlich der das Verwaltungsverfahren abschließenden Entscheidungen. Der nach § 14 SGB IX zuständige Träger erlässt daher den Verwaltungsakt und bleibt ausdrücklich auch für das weitere Verfahren zuständig(§ 17 Abs 4 Satz 1 SGB IX). Da zudem die für ihn zuständige Widerspruchsstelle auch den Widerspruchsbescheid erlässt (Satz 3 aaO), kommt schließlich auch er allein als Adressat des Widerspruchs und als richtiger Beklagter im Prozess in Betracht (so auch § 3 Abs 5 Satz 2 Budgetverordnung), ohne dass der Widerspruchsführer/Kläger die innerhalb des gegliederten Systems verteilten Zuständigkeiten zu beachten hätte. Dies entspricht dem von den Entwurfsverfassern angestrebten Ziel der Komplexleistung, eine zwischen den jeweils beteiligten Leistungsträgern abgestimmte Leistungserbringung zu gewährleisten, die bei den Leistungsberechtigten aus einer Hand ankommt, ohne die Zuständigkeit der Leistungsträger zu ändern (BT-Drucks 15/1514 S 72).

36

Dem widerspricht § 17 Abs 4 Satz 1 SGB IX nur scheinbar insofern, als dort vorgesehen ist, dass der "nach § 14 zuständige der beteiligten Leistungsträger" den Verwaltungsakt "im Auftrag und im Namen der anderen beteiligten Leistungsträger" erlässt und das weitere Verfahren durchführt. Hierauf kann es indessen vorliegend schon deshalb nicht ankommen, weil der beklagte Rentenversicherungsträger andere Leistungsträger nicht an seinem Verwaltungsverfahren beteiligt hat und in Ermangelung von Feststellungen zum Bedarf des Klägers auch nicht wenigstens erkennbar ist, wer diese Leistungsträger sein könnten. In derartigen Fällen bleibt es notwendig bei der durch § 14 Abs 1, 2 SGB IX begründeten sachlichen Zuständigkeit für die Durchführung des PB und die hieraus abgeleitete Rechtsmacht dieses Trägers hierüber im eigenen Namen durch Verwaltungsakt zu entscheiden.

37

Auch wenn ein Verwaltungsverfahren unter Beteiligung anderer Träger stattgefunden hat, dürfte § 17 Abs 4 Satz 1 SGB IX jedoch nicht in dem Sinne zu verstehen sein, dass er auch im Außenverhältnis zum Berechtigten Anwendung findet. Der Verwaltungsakt erginge andernfalls in Vertretung der anderen Beteiligten mit der Folge, dass ggf Rechtsbehelfe gegen sie zu erheben wären, obwohl diese Beteiligten - wie dargelegt - einzeln oder in ihrer Gesamtheit weder Schuldner des PB sind noch den Anspruch hierauf zu erfüllen haben oder zu entsprechenden Regelungen im Außenverhältnis ermächtigt sind. Unter diesen Umständen ist zur Vermeidung einer Selbstwidersprüchlichkeit des Gesetzes davon auszugehen, dass mit den Wörtern "im Auftrag und im Namen der anderen beteiligten Leistungsträger" nach dem Sinn des Gemeinten nur der Umstand bezeichnet werden sollte, dass aufgrund eines gesetzlichen Auftragsverhältnisses (§ 93 SGB X) im Innenverhältnis die Folgen des § 89 Abs 3 und 5 SGB X und des § 91 Abs 1 und 3 SGB X ausgelöst werden.

38

8. Tatbestandliche Voraussetzung des Anspruchs auf ein PB ist zunächst das Bestehen von Ansprüchen auf Leistungen zur Teilhabe (§ 17 Abs 2 Satz 1 SGB IX). Erst wenn daher feststeht, dass zumindest ein derartiger Anspruch gegen wenigstens einen der hierfür zuständigen Träger überhaupt besteht und die Gesamtheit derartiger Ansprüche - einschließlich ggf der in § 17 Abs 2 Satz 4 SGB IX genannten - insoweit konkretisiert ist, dass die jeweils intern zu leistenden Teilbudgets bestimmt werden können, kommt auf dieser Grundlage die Gewährung eines PB an den Antragsteller in Betracht. Ungeachtet des Umstandes, dass § 17 Abs 2 bis 4 SGB IX - wie ausgeführt (vgl vorstehend unter 6.c) - sachlich den Bereich bloßer Ausführungsregelungen überschreiten und mit dem PB vielmehr eine besondere Rechtsfolge einschließlich einiger spezieller Verfahrensregelungen verlautbaren, entspricht auch das insofern einzuhaltende Verfahren nach Inhalt und Ausgestaltung zunächst grundsätzlich demjenigen nach § 14 iVm § 10 SGB IX. Ausgangspunkt dieses Verfahrens ist die Feststellung des "individuellen Bedarfs", auf deren Grundlage anschließend beurteilt werden kann, aus welchen Bereichen Leistungen in Betracht kommen und welche Träger zu beteiligen sind (§ 17 Abs 2 Satz 2, § 10 SGB IX). Dabei meint das Gesetz in diesem früheren Stadium mit dem "individuell festgestellten Bedarf" die sich eingangs ergebende Bedarfslage, die erst die Grundlage für die Beteiligung bestimmter Träger und ua von deren nachfolgendem Tätigwerden nach § 3 Budgetverordnung bildet, während es etwa mit dem Wort "Rehabilitationsbedarf" in § 14 Abs 2 Satz 1 SGB IX, ausweislich des § 15 Abs 1 Satz 1 SGB IX die Gesamtheit der schlussendlich zu gewährenden Leistungen zur Teilhabe bezeichnet.

39

Die Beklagte hat bereits den Umfang des Prüfungsprogramms verkannt, das ihr das Gesetz als zweitangegangenem Träger in der Eingangsphase des Verfahrens auferlegt. Dieses umfasst auch hier die Gesamtheit der dem Kläger in seiner konkreten Bedarfssituation potenziell zustehenden Teilhabeleistungen zuzüglich ggf der daneben erforderlichen iS von § 17 Abs 2 Satz 4 SGB IX. Hätte sie - nach dem von vornherein aussichtslosen Versuch, den Antrag des Klägers abermals weiterzuleiten - derartige Ermittlungen getroffen und die hiernach als zuständig in Betracht kommenden Rehabilitationsträger bzw ggf die zuständige Pflegekasse und das Integrationsamt am Verfahren beteiligt, wie dies § 17 Abs 2 Satz 2 SGB IX ausdrücklich vorsieht, hätte dies die Möglichkeit zur Durchführung eines der Budgetverordnung entsprechenden weiteren Verfahrens eröffnet. Der Kläger stünde dann auch nicht trotz einer gemäß § 17 Abs 6 SGB IX bis zum 31.12.2007 währenden Erprobungsphase (vgl hierzu etwa BT-Drucks 16/3983) und mehr als drei Jahre nach Einleitung des Verwaltungsverfahrens durch seinen Antrag vom 18.1.2008 vor der Situation, dass die Grundlagen des geltend gemachten Anspruchs am Ende des Revisionsverfahrens noch immer allenfalls rudimentär geklärt sind. Vielmehr hätte nach Einholung einer Stellungnahme der beteiligten Leistungsträger (§ 3 Abs 1 Budgetverordnung) und einer gemeinsamen Beratung mit dem Kläger im Rahmen des gesetzlich vorgesehenen dialogischen Verfahrens über die getroffenen Feststellungen und den Inhalt der Zielvereinbarung (Abs 3 aaO) eine Feststellung des auf die einzelnen Träger jeweils entfallenen Teilbudgets (Abs 4 aaO) erfolgen können. Eine teilweise befürchtete Belastung des zuständigen Trägers mit Aufwendungen, die er aufgrund einer unzutreffenden Einschätzung der Lage in einem für ihn fremden Rechtsgebiet erbracht hat, ist damit bei Beachtung der zwingenden rechtlichen Vorgaben - zumindest in aller Regel - gerade ausgeschlossen. Demgegenüber rechtfertigt allein das Bestreben nach einer Vermeidung von Aufwendungen, die rechtlich im Außenverhältnis zu tragen sind, ungeachtet der diesem Bestreben innewohnenden "Rationalität", keine Beschränkung gesetzlicher Ansprüche durch ihrerseits an Recht und Gesetz gebundene (Art 20 Abs 3 GG) sowie einfachgesetzlich der weitgehenden Verwirklichung sozialer Rechte verpflichtete (§ 2 Abs 2 Halbs 2 SGB I) Verwaltungsträger.

40

Das LSG wird die von der Beklagten unterlassenen Ermittlungen nunmehr auf der Grundlage von § 103 SGG selbst nachzuholen haben. Insofern dürfte es ggf im Anschluss an eine Befragung insbesondere der behandelnden Ärzte des Klägers naheliegen, gemäß § 14 Abs 5 SGB IX zunächst einen sozialmedizinischen Sachverständigen zum Rehabilitationsbedarf im vorstehend benannten Sinne zu hören. Hiervon ausgehend wird das LSG zu prüfen haben, ob Leistungspflichten weiterer Träger in Betracht kommen und - nach deren notwendiger Beiladung - die Voraussetzungen von gegen diese Träger gerichteten Ansprüchen soweit aufzuklären haben, dass innerhalb des mehrstufigen Prüfungsverfahrens die (alle) Voraussetzungen der jeweils ersten Ermessensausübung feststehen.

41

9. Soweit der Kläger ein trägerübergreifendes PB begehrt, um die Ausbildung zum Techniker für Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechnik fortzuführen und dort einen Abschluss zu erzielen, kommt allerdings eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben durch die Beklagte nicht in Betracht. Damit entfällt auch von vornherein die Möglichkeit, auf der Grundlage eines entsprechenden Leistungsanspruchs ein Teilbudget festzustellen (§ 13 Abs 1 Satz 2 Halbs 1 SGB VI, § 3 Abs 4 Budgetverordnung).

42

Für eine solche Leistung kommt die Beklagte nach den für sie geltenden Leistungsgesetzen (§ 7 Satz 2 SGB IX) zwar als zuständig in Betracht (vgl § 5 Nr 2 iVm § 6 Abs 1 Nr 4 SGB IX). Entgegen der Ansicht der Klägers sind jedoch die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben iS der §§ 9 ff SGB VI in der hier maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 19.2.2002 (BGBl I 754) nicht erfüllt. Gemäß § 9 Abs 2 SGB VI können Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erbracht werden, wenn die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen dafür gegeben sind. Dabei unterliegt die Entscheidung über die Voraussetzungen, das "Ob" der Leistung der uneingeschränkten gerichtlichen Kontrolle, während das "Wie" der Leistung im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten steht (vgl ua BSGE 85, 298, 300 = SozR 3-2600 § 10 Nr 2 S 3 mwN).

43

Wie bereits das LSG zutreffend festgestellt hat, liegen beim Kläger die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 11 SGB VI vor. Auch ein Ausschlusstatbestand nach § 12 Abs 1 Nr 4a SGB VI greift nicht ein, weil der Kläger zwar seit 2001 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer bezieht, eine solche Rente jedoch nicht "regelmäßig bis zum Beginn einer Rente wegen Alters gezahlt wird"(vgl Luthe in: jurisPK-SGB VI, § 12 RdNr 49, Stand: 23.12.2010). Damit ist der Rentenversicherungsträger grundsätzlich gehalten, Maßnahmen zur Besserung der Erwerbsfähigkeit des Versicherten einzuleiten und kann sich nicht allein auf den - zum Teil zeitlich weit vorausliegenden - Eintritt in die Altersrente berufen, wenn entsprechende Erfolgsaussichten zur Verbesserung des Leistungsvermögens bestehen.

44

Der Kläger erfüllt jedoch die persönlichen Voraussetzungen des § 10 SGB VI nicht.

45

Nach § 10 Abs 1 SGB VI haben Versicherte die persönlichen Voraussetzungen erfüllt,

1.    

deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist und

2.    

bei denen voraussichtlich

a)    

bei erheblicher Gefährdung der Erwerbsfähigkeit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben abgewendet werden kann,

b)    

bei geminderter Erwerbsfähigkeit diese durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder hierdurch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden kann,

c)    

bei teilweiser Erwerbsminderung ohne Aussicht auf eine wesentliche Besserung der Erwerbsfähigkeit der Arbeitsplatz durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten werden kann.

46

Zutreffend hat das LSG entschieden, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers aus den in § 10 Abs 1 Nr 1 SGB VI genannten Gründen gemindert ist. Der Begriff der im Gesetz nicht definierten Erwerbsfähigkeit ist als Fähigkeit des Versicherten zu verstehen, seinen bisherigen Beruf oder seine bisherige Tätigkeit weiter ausüben zu können. Nicht hingegen sind die Kriterien anwendbar, die für die Erfüllung der Leistungsvoraussetzungen einer Rente wegen Erwerbsminderung maßgebend sind (vgl BSG Urteil vom 29.3.2006 - B 13 RJ 37/05 R - SozR 4-2600 § 10 Nr 1 RdNr 15; BSG Urteil vom 17.10.2006 - B 5 RJ 15/05 R - SozR 4-2600 § 10 Nr 2 RdNr 17). Nach den Feststellungen des LSG ist wegen der körperlichen, kognitiven und ermüdungsfördernden Störungen eine Einschränkung für zahlreiche herkömmliche Arbeitsplätze im gewerblichen Bereich und auch für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit (als Heizungsbauer) gegeben.

47

Ausgehend von den Feststellungen des LSG bieten Maßnahmen zur Teilhabe beim Kläger jedoch generell - unabhängig also von einer konkreten Einzelmaßnahme - keine Erfolgsaussicht in dem von § 10 Abs 1 Nr 2b SGB VI geforderten Sinne, dass hierdurch die bereits geminderte Erwerbsfähigkeit wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder eine wesentliche Verschlechterung abgewendet werden könnte. Wie der Senat bereits entschieden hat, hat der dortige Begriff der Erwerbsfähigkeit einen anderen Sinngehalt als derjenige des § 10 Abs 1 Nr 1 SGB VI. Während der Begriff der Erwerbsfähigkeit in § 10 Abs 1 Nr 1 SGB VI eng mit der bisherigen Tätigkeit des Versicherten verknüpft ist, umfasst § 10 Abs 1 Nr 2b SGB VI auch andere Tätigkeiten(vgl BSG SozR 4-2600 § 10 Nr 2 RdNr 21 f, 32). Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben müssen daher nicht allein auf die Erhaltung, wesentliche Besserung oder Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit des Versicherten in seinem bisherigen Beruf oder seiner bisherigen Tätigkeit gerichtet sein (vgl auch BSGE 48, 74, 76 = SozR 2200 § 1237a Nr 6 S 8 f). Nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG kommt für den Kläger indessen auch innerhalb des dort noch für möglich erachteten zeitlichen Umfangs einer "halbschichtigen Tätigkeit" auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt keine Verrichtung einer Erwerbstätigkeit unter betriebsüblichen Bedingungen in Betracht und ist eine Besserung dieses Zustands ausgeschlossen. Damit scheiden Erwerbstätigkeiten in ihrer Gesamtheit aus und kommt es entgegen der Revision schon deshalb nicht darauf an, ob für die Beurteilung der Erwerbsfähigkeit im Zusammenhang von § 10 Abs 1 Nr 2b SGB VI rehabilitationsrechtlich auf einen besonderen Kreis von Tätigkeiten oder einen besonderen zeitlichen Umfang ihrer Verrichtung abzustellen sein könnte. Die bestehende Erwerbsunfähigkeit des Klägers kann damit unter keinen Umständen behoben werden, sodass der Aufgabenbereich der Beklagten als Rehabilitationsträger nicht eröffnet ist. Wenn nämlich bereits Erwerbsunfähigkeit vorliegt, reicht es nicht aus, wenn zwar die geminderte Erwerbsfähigkeit gebessert, nicht aber die Erwerbsunfähigkeit beseitigt wird (BSG vom 23.2.2000 - B 5 RJ 8/99 R - SozR 3-2600 § 10 Nr 2 S 6 mwN).

48

Ebenso wenig ist § 10 Abs 1 Nr 2a SGB VI anwendbar. Denn eine "erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit" im Sinne dieser Norm liegt dann nicht vor, wenn - wie hier - eine Minderung der Erwerbsfähigkeit bereits eingetreten ist. Der Kläger ist bereits langjährig erwerbsgemindert, eine (bloße) Gefährdung der Erwerbsfähigkeit besteht nicht mehr.

49

Schließlich ist auch § 10 Abs 1 Nr 2c SGB VI nicht einschlägig. Danach darf eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben - neben anderen Voraussetzungen - nur dann bewilligt werden, wenn bei teilweiser Erwerbsminderung - wie beim Kläger - zwar keine Aussicht auf eine wesentliche Besserung der Erwerbsfähigkeit besteht, durch die Leistungen jedoch ein bereits innegehabter Arbeitsplatz erhalten werden kann (BT-Drucks 14/4230, S 24 f; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 29.10.2008, L 1 R 393/06 mwN). Einen Arbeitsplatz hat der Kläger jedoch nicht inne, sondern strebt einen solchen durch die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und das von ihm begehrte trägerübergreifende PB erst an.

50

10. Das SG - auf das sich das LSG gemäß § 153 Abs 2 SGG bezieht - hat in seiner Entscheidung vom 6.11.2008 einen Anspruch des Klägers auf Gewährung eines PB verneint, weil die Grundvoraussetzungen für eine Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nach den Vorschriften der §§ 53, 54, 57 SGB XII iVm § 55 SGB IX nicht erfüllt seien. Denn gemäß § 19 Abs 3 SGB XII werde Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nur geleistet, soweit dem Leistungsberechtigten und seinem nicht getrennt lebenden Ehegatten die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nicht zuzumuten sei. Ob diese Voraussetzungen erfüllt seien, lasse sich nicht feststellen, denn der Kläger habe mit Schreiben vom 18.1.2008 gegenüber dem Sozialhilfeträger jegliche Auskünfte über die Einkommensverhältnisse seiner Ehefrau verweigert. Hierauf allein kann eine ablehnende gerichtliche Entscheidung nicht gestützt werden. Das LSG wird dem Kläger zunächst Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben haben, ob er seine Weigerung auch im gerichtlichen Verfahren aufrechterhält. Insofern wird auch zu klären sein, ob der Antrag des Klägers mit Wirkung für das PB zurückgenommen worden ist bzw zurückgenommen werden konnte.

51

Die Kostenentscheidung bleibt der abschließenden Entscheidung des LSG vorbehalten.

(1) Werden Leistungen zur Teilhabe beantragt, stellt der Rehabilitationsträger innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist; bei den Krankenkassen umfasst die Prüfung auch die Leistungspflicht nach § 40 Absatz 4 des Fünften Buches. Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung insgesamt nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu und unterrichtet hierüber den Antragsteller. Muss für eine solche Feststellung die Ursache der Behinderung geklärt werden und ist diese Klärung in der Frist nach Satz 1 nicht möglich, soll der Antrag unverzüglich dem Rehabilitationsträger zugeleitet werden, der die Leistung ohne Rücksicht auf die Ursache der Behinderung erbringt. Wird der Antrag bei der Bundesagentur für Arbeit gestellt, werden bei der Prüfung nach den Sätzen 1 und 2 keine Feststellungen nach § 11 Absatz 2a Nummer 1 des Sechsten Buches und § 22 Absatz 2 des Dritten Buches getroffen.

(2) Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf anhand der Instrumente zur Bedarfsermittlung nach § 13 unverzüglich und umfassend fest und erbringt die Leistungen (leistender Rehabilitationsträger). Muss für diese Feststellung kein Gutachten eingeholt werden, entscheidet der leistende Rehabilitationsträger innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang. Ist für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs ein Gutachten erforderlich, wird die Entscheidung innerhalb von zwei Wochen nach Vorliegen des Gutachtens getroffen. Wird der Antrag weitergeleitet, gelten die Sätze 1 bis 3 für den Rehabilitationsträger, an den der Antrag weitergeleitet worden ist, entsprechend; die Frist beginnt mit dem Antragseingang bei diesem Rehabilitationsträger. In den Fällen der Anforderung einer gutachterlichen Stellungnahme bei der Bundesagentur für Arbeit nach § 54 gilt Satz 3 entsprechend.

(3) Ist der Rehabilitationsträger, an den der Antrag nach Absatz 1 Satz 2 weitergeleitet worden ist, nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung insgesamt nicht zuständig, kann er den Antrag im Einvernehmen mit dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger an diesen weiterleiten, damit von diesem als leistendem Rehabilitationsträger über den Antrag innerhalb der bereits nach Absatz 2 Satz 4 laufenden Fristen entschieden wird und unterrichtet hierüber den Antragsteller.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten sinngemäß, wenn der Rehabilitationsträger Leistungen von Amts wegen erbringt. Dabei tritt an die Stelle des Tages der Antragstellung der Tag der Kenntnis des voraussichtlichen Rehabilitationsbedarfs.

(5) Für die Weiterleitung des Antrages ist § 16 Absatz 2 Satz 1 des Ersten Buches nicht anzuwenden, wenn und soweit Leistungen zur Teilhabe bei einem Rehabilitationsträger beantragt werden.

(1) Stellt der leistende Rehabilitationsträger fest, dass der Antrag neben den nach seinem Leistungsgesetz zu erbringenden Leistungen weitere Leistungen zur Teilhabe umfasst, für die er nicht Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 sein kann, leitet er den Antrag insoweit unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu. Dieser entscheidet über die weiteren Leistungen nach den für ihn geltenden Leistungsgesetzen in eigener Zuständigkeit und unterrichtet hierüber den Antragsteller.

(2) Hält der leistende Rehabilitationsträger für die umfassende Feststellung des Rehabilitationsbedarfs nach § 14 Absatz 2 die Feststellungen weiterer Rehabilitationsträger für erforderlich und liegt kein Fall nach Absatz 1 vor, fordert er von diesen Rehabilitationsträgern die für den Teilhabeplan nach § 19 erforderlichen Feststellungen unverzüglich an und berät diese nach § 19 trägerübergreifend. Die Feststellungen binden den leistenden Rehabilitationsträger bei seiner Entscheidung über den Antrag, wenn sie innerhalb von zwei Wochen nach Anforderung oder im Fall der Begutachtung innerhalb von zwei Wochen nach Vorliegen des Gutachtens beim leistenden Rehabilitationsträger eingegangen sind. Anderenfalls stellt der leistende Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf nach allen in Betracht kommenden Leistungsgesetzen umfassend fest.

(3) Die Rehabilitationsträger bewilligen und erbringen die Leistungen nach den für sie jeweils geltenden Leistungsgesetzen im eigenen Namen, wenn im Teilhabeplan nach § 19 dokumentiert wurde, dass

1.
die erforderlichen Feststellungen nach allen in Betracht kommenden Leistungsgesetzen von den zuständigen Rehabilitationsträgern getroffen wurden,
2.
auf Grundlage des Teilhabeplans eine Leistungserbringung durch die nach den jeweiligen Leistungsgesetzen zuständigen Rehabilitationsträger sichergestellt ist und
3.
die Leistungsberechtigten einer nach Zuständigkeiten getrennten Leistungsbewilligung und Leistungserbringung nicht aus wichtigem Grund widersprechen.
Anderenfalls entscheidet der leistende Rehabilitationsträger über den Antrag in den Fällen nach Absatz 2 und erbringt die Leistungen im eigenen Namen.

(4) In den Fällen der Beteiligung von Rehabilitationsträgern nach den Absätzen 1 bis 3 ist abweichend von § 14 Absatz 2 innerhalb von sechs Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wird eine Teilhabeplankonferenz nach § 20 durchgeführt, ist innerhalb von zwei Monaten nach Antragseingang zu entscheiden. Die Antragsteller werden von dem leistenden Rehabilitationsträger über die Beteiligung von Rehabilitationsträgern sowie über die für die Entscheidung über den Antrag maßgeblichen Zuständigkeiten und Fristen unverzüglich unterrichtet.

(1) Werden Leistungen zur Teilhabe beantragt, stellt der Rehabilitationsträger innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist; bei den Krankenkassen umfasst die Prüfung auch die Leistungspflicht nach § 40 Absatz 4 des Fünften Buches. Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung insgesamt nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu und unterrichtet hierüber den Antragsteller. Muss für eine solche Feststellung die Ursache der Behinderung geklärt werden und ist diese Klärung in der Frist nach Satz 1 nicht möglich, soll der Antrag unverzüglich dem Rehabilitationsträger zugeleitet werden, der die Leistung ohne Rücksicht auf die Ursache der Behinderung erbringt. Wird der Antrag bei der Bundesagentur für Arbeit gestellt, werden bei der Prüfung nach den Sätzen 1 und 2 keine Feststellungen nach § 11 Absatz 2a Nummer 1 des Sechsten Buches und § 22 Absatz 2 des Dritten Buches getroffen.

(2) Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf anhand der Instrumente zur Bedarfsermittlung nach § 13 unverzüglich und umfassend fest und erbringt die Leistungen (leistender Rehabilitationsträger). Muss für diese Feststellung kein Gutachten eingeholt werden, entscheidet der leistende Rehabilitationsträger innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang. Ist für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs ein Gutachten erforderlich, wird die Entscheidung innerhalb von zwei Wochen nach Vorliegen des Gutachtens getroffen. Wird der Antrag weitergeleitet, gelten die Sätze 1 bis 3 für den Rehabilitationsträger, an den der Antrag weitergeleitet worden ist, entsprechend; die Frist beginnt mit dem Antragseingang bei diesem Rehabilitationsträger. In den Fällen der Anforderung einer gutachterlichen Stellungnahme bei der Bundesagentur für Arbeit nach § 54 gilt Satz 3 entsprechend.

(3) Ist der Rehabilitationsträger, an den der Antrag nach Absatz 1 Satz 2 weitergeleitet worden ist, nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung insgesamt nicht zuständig, kann er den Antrag im Einvernehmen mit dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger an diesen weiterleiten, damit von diesem als leistendem Rehabilitationsträger über den Antrag innerhalb der bereits nach Absatz 2 Satz 4 laufenden Fristen entschieden wird und unterrichtet hierüber den Antragsteller.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten sinngemäß, wenn der Rehabilitationsträger Leistungen von Amts wegen erbringt. Dabei tritt an die Stelle des Tages der Antragstellung der Tag der Kenntnis des voraussichtlichen Rehabilitationsbedarfs.

(5) Für die Weiterleitung des Antrages ist § 16 Absatz 2 Satz 1 des Ersten Buches nicht anzuwenden, wenn und soweit Leistungen zur Teilhabe bei einem Rehabilitationsträger beantragt werden.

Menschen mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohte Menschen erhalten Leistungen nach diesem Buch und den für die Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen, um ihre Selbstbestimmung und ihre volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern, Benachteiligungen zu vermeiden oder ihnen entgegenzuwirken. Dabei wird den besonderen Bedürfnissen von Frauen und Kindern mit Behinderungen und von Behinderung bedrohter Frauen und Kinder sowie Menschen mit seelischen Behinderungen oder von einer solchen Behinderung bedrohter Menschen Rechnung getragen.

(1) Die Leistungen zur Teilhabe umfassen die notwendigen Sozialleistungen, um unabhängig von der Ursache der Behinderung

1.
die Behinderung abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern,
2.
Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit oder Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder eine Verschlimmerung zu verhüten sowie den vorzeitigen Bezug anderer Sozialleistungen zu vermeiden oder laufende Sozialleistungen zu mindern,
3.
die Teilhabe am Arbeitsleben entsprechend den Neigungen und Fähigkeiten dauerhaft zu sichern oder
4.
die persönliche Entwicklung ganzheitlich zu fördern und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sowie eine möglichst selbständige und selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen oder zu erleichtern.

(2) Die Leistungen zur Teilhabe werden zur Erreichung der in Absatz 1 genannten Ziele nach Maßgabe dieses Buches und der für die zuständigen Leistungsträger geltenden besonderen Vorschriften neben anderen Sozialleistungen erbracht. Die Leistungsträger erbringen die Leistungen im Rahmen der für sie geltenden Rechtsvorschriften nach Lage des Einzelfalles so vollständig, umfassend und in gleicher Qualität, dass Leistungen eines anderen Trägers möglichst nicht erforderlich werden.

(3) Leistungen für Kinder mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohte Kinder werden so geplant und gestaltet, dass nach Möglichkeit Kinder nicht von ihrem sozialen Umfeld getrennt und gemeinsam mit Kindern ohne Behinderungen betreut werden können. Dabei werden Kinder mit Behinderungen alters- und entwicklungsentsprechend an der Planung und Ausgestaltung der einzelnen Hilfen beteiligt und ihre Sorgeberechtigten intensiv in Planung und Gestaltung der Hilfen einbezogen.

(4) Leistungen für Mütter und Väter mit Behinderungen werden gewährt, um diese bei der Versorgung und Betreuung ihrer Kinder zu unterstützen.

Zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden erbracht:

1.
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation,
2.
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben,
3.
unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen,
4.
Leistungen zur Teilhabe an Bildung und
5.
Leistungen zur sozialen Teilhabe.

(1) Werden Leistungen zur Teilhabe beantragt, stellt der Rehabilitationsträger innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist; bei den Krankenkassen umfasst die Prüfung auch die Leistungspflicht nach § 40 Absatz 4 des Fünften Buches. Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung insgesamt nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu und unterrichtet hierüber den Antragsteller. Muss für eine solche Feststellung die Ursache der Behinderung geklärt werden und ist diese Klärung in der Frist nach Satz 1 nicht möglich, soll der Antrag unverzüglich dem Rehabilitationsträger zugeleitet werden, der die Leistung ohne Rücksicht auf die Ursache der Behinderung erbringt. Wird der Antrag bei der Bundesagentur für Arbeit gestellt, werden bei der Prüfung nach den Sätzen 1 und 2 keine Feststellungen nach § 11 Absatz 2a Nummer 1 des Sechsten Buches und § 22 Absatz 2 des Dritten Buches getroffen.

(2) Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf anhand der Instrumente zur Bedarfsermittlung nach § 13 unverzüglich und umfassend fest und erbringt die Leistungen (leistender Rehabilitationsträger). Muss für diese Feststellung kein Gutachten eingeholt werden, entscheidet der leistende Rehabilitationsträger innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang. Ist für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs ein Gutachten erforderlich, wird die Entscheidung innerhalb von zwei Wochen nach Vorliegen des Gutachtens getroffen. Wird der Antrag weitergeleitet, gelten die Sätze 1 bis 3 für den Rehabilitationsträger, an den der Antrag weitergeleitet worden ist, entsprechend; die Frist beginnt mit dem Antragseingang bei diesem Rehabilitationsträger. In den Fällen der Anforderung einer gutachterlichen Stellungnahme bei der Bundesagentur für Arbeit nach § 54 gilt Satz 3 entsprechend.

(3) Ist der Rehabilitationsträger, an den der Antrag nach Absatz 1 Satz 2 weitergeleitet worden ist, nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung insgesamt nicht zuständig, kann er den Antrag im Einvernehmen mit dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger an diesen weiterleiten, damit von diesem als leistendem Rehabilitationsträger über den Antrag innerhalb der bereits nach Absatz 2 Satz 4 laufenden Fristen entschieden wird und unterrichtet hierüber den Antragsteller.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten sinngemäß, wenn der Rehabilitationsträger Leistungen von Amts wegen erbringt. Dabei tritt an die Stelle des Tages der Antragstellung der Tag der Kenntnis des voraussichtlichen Rehabilitationsbedarfs.

(5) Für die Weiterleitung des Antrages ist § 16 Absatz 2 Satz 1 des Ersten Buches nicht anzuwenden, wenn und soweit Leistungen zur Teilhabe bei einem Rehabilitationsträger beantragt werden.

(1) Die Leistungen zur Teilhabe umfassen die notwendigen Sozialleistungen, um unabhängig von der Ursache der Behinderung

1.
die Behinderung abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern,
2.
Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit oder Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder eine Verschlimmerung zu verhüten sowie den vorzeitigen Bezug anderer Sozialleistungen zu vermeiden oder laufende Sozialleistungen zu mindern,
3.
die Teilhabe am Arbeitsleben entsprechend den Neigungen und Fähigkeiten dauerhaft zu sichern oder
4.
die persönliche Entwicklung ganzheitlich zu fördern und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sowie eine möglichst selbständige und selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen oder zu erleichtern.

(2) Die Leistungen zur Teilhabe werden zur Erreichung der in Absatz 1 genannten Ziele nach Maßgabe dieses Buches und der für die zuständigen Leistungsträger geltenden besonderen Vorschriften neben anderen Sozialleistungen erbracht. Die Leistungsträger erbringen die Leistungen im Rahmen der für sie geltenden Rechtsvorschriften nach Lage des Einzelfalles so vollständig, umfassend und in gleicher Qualität, dass Leistungen eines anderen Trägers möglichst nicht erforderlich werden.

(3) Leistungen für Kinder mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohte Kinder werden so geplant und gestaltet, dass nach Möglichkeit Kinder nicht von ihrem sozialen Umfeld getrennt und gemeinsam mit Kindern ohne Behinderungen betreut werden können. Dabei werden Kinder mit Behinderungen alters- und entwicklungsentsprechend an der Planung und Ausgestaltung der einzelnen Hilfen beteiligt und ihre Sorgeberechtigten intensiv in Planung und Gestaltung der Hilfen einbezogen.

(4) Leistungen für Mütter und Väter mit Behinderungen werden gewährt, um diese bei der Versorgung und Betreuung ihrer Kinder zu unterstützen.

Zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden erbracht:

1.
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation,
2.
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben,
3.
unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen,
4.
Leistungen zur Teilhabe an Bildung und
5.
Leistungen zur sozialen Teilhabe.

(1) Ist die Revision unbegründet, so weist das Bundessozialgericht die Revision zurück. Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Gesetzesverletzung, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision ebenfalls zurückzuweisen.

(2) Ist die Revision begründet, so hat das Bundessozialgericht in der Sache selbst zu entscheiden. Sofern dies untunlich ist, kann es das angefochtene Urteil mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Gericht zurückverweisen, welches das angefochtene Urteil erlassen hat.

(3) Die Entscheidung über die Revision braucht nicht begründet zu werden, soweit das Bundessozialgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 202 in Verbindung mit § 547 der Zivilprozeßordnung und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.

(4) Verweist das Bundessozialgericht die Sache bei der Sprungrevision nach § 161 zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück, so kann es nach seinem Ermessen auch an das Landessozialgericht zurückverweisen, das für die Berufung zuständig gewesen wäre. Für das Verfahren vor dem Landessozialgericht gelten dann die gleichen Grundsätze, wie wenn der Rechtsstreit auf eine ordnungsgemäß eingelegte Berufung beim Landessozialgericht anhängig geworden wäre.

(5) Das Gericht, an das die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts zugrunde zu legen.

Das Bundessozialgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

(1) Werden Leistungen zur Teilhabe beantragt, stellt der Rehabilitationsträger innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist; bei den Krankenkassen umfasst die Prüfung auch die Leistungspflicht nach § 40 Absatz 4 des Fünften Buches. Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung insgesamt nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu und unterrichtet hierüber den Antragsteller. Muss für eine solche Feststellung die Ursache der Behinderung geklärt werden und ist diese Klärung in der Frist nach Satz 1 nicht möglich, soll der Antrag unverzüglich dem Rehabilitationsträger zugeleitet werden, der die Leistung ohne Rücksicht auf die Ursache der Behinderung erbringt. Wird der Antrag bei der Bundesagentur für Arbeit gestellt, werden bei der Prüfung nach den Sätzen 1 und 2 keine Feststellungen nach § 11 Absatz 2a Nummer 1 des Sechsten Buches und § 22 Absatz 2 des Dritten Buches getroffen.

(2) Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf anhand der Instrumente zur Bedarfsermittlung nach § 13 unverzüglich und umfassend fest und erbringt die Leistungen (leistender Rehabilitationsträger). Muss für diese Feststellung kein Gutachten eingeholt werden, entscheidet der leistende Rehabilitationsträger innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang. Ist für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs ein Gutachten erforderlich, wird die Entscheidung innerhalb von zwei Wochen nach Vorliegen des Gutachtens getroffen. Wird der Antrag weitergeleitet, gelten die Sätze 1 bis 3 für den Rehabilitationsträger, an den der Antrag weitergeleitet worden ist, entsprechend; die Frist beginnt mit dem Antragseingang bei diesem Rehabilitationsträger. In den Fällen der Anforderung einer gutachterlichen Stellungnahme bei der Bundesagentur für Arbeit nach § 54 gilt Satz 3 entsprechend.

(3) Ist der Rehabilitationsträger, an den der Antrag nach Absatz 1 Satz 2 weitergeleitet worden ist, nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung insgesamt nicht zuständig, kann er den Antrag im Einvernehmen mit dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger an diesen weiterleiten, damit von diesem als leistendem Rehabilitationsträger über den Antrag innerhalb der bereits nach Absatz 2 Satz 4 laufenden Fristen entschieden wird und unterrichtet hierüber den Antragsteller.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten sinngemäß, wenn der Rehabilitationsträger Leistungen von Amts wegen erbringt. Dabei tritt an die Stelle des Tages der Antragstellung der Tag der Kenntnis des voraussichtlichen Rehabilitationsbedarfs.

(5) Für die Weiterleitung des Antrages ist § 16 Absatz 2 Satz 1 des Ersten Buches nicht anzuwenden, wenn und soweit Leistungen zur Teilhabe bei einem Rehabilitationsträger beantragt werden.

Tenor

Die Revisionen der Kläger gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 10. April 2013 werden zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Im Streit steht die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1.1. bis 8.2.2009.

2

Die Kläger leben in einer Bedarfsgemeinschaft im Sinne des Grundsicherungsrechts. Der Kläger zu 1 war bis zum 31.12.2008 als Eisenflechter sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Die Bedarfsgemeinschaft bezog in dieser Zeit teilweise und in wechselnder Höhe aufstockende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Nach einer Kündigung durch seinen Arbeitgeber meldete sich der Kläger zu 1 am 22.12.2008 bei der zuständigen Arbeitsagentur arbeitslos und beantragte Alg, das ihm auch bewilligt wurde. Am 9.2.2009 stellte er zudem einen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bei dem Beklagten. Am 20.1.2009 wies er gegenüber der Arbeitsagentur telefonisch auf finanzielle Engpässe hin. Nach einem Vermerk, der sich in der Akte der Beklagten befindet, wurde er sodann auf die Möglichkeit hingewiesen sich an die "Arge" zu wenden. Dies habe der Kläger zu 1 abgelehnt.

3

Durch Bescheid vom 20.4.2009 bewilligte der Beklagte den klagenden Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 9.2. bis zum 31.8.2009, zunächst ohne Leistungen für Unterkunft und Heizung und unter Berücksichtigung von Alg und Kindergeld als Einkommen. Dem Widerspruch hiergegen gab der Beklagte insoweit statt, als er durch Änderungsbescheid vom 16.7.2009 monatliche Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 461,02 Euro ab dem 9.2.2009 zusprach. Den Widerspruch im Hinblick auf die Gewährung von SGB II-Leistungen für den Zeitraum vom 1.1. bis 8.2.2009 wies er durch Widerspruchsbescheid vom 8.7.2009 zurück. Das SG hat die Klage hiergegen abgewiesen (Urteil vom 20.6.2011) und das LSG hat die Berufung der Kläger zurückgewiesen (Urteil vom 10.4.2013). Es hat zur Begründung ausgeführt, die Kläger erfüllten im streitigen Zeitraum zwar die Voraussetzungen des § 7 SGB II, insbesondere seien sie hilfebedürftig iS des § 9 SGB II. Sie hätten jedoch keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vor dem 9.2.2009, denn sie hätten erst an diesem Tag einen Antrag hierauf gestellt und die Leistungen würden nicht für die Zeit vor der Antragstellung erbracht. Der Antrag auf Alg sei im konkreten Fall nicht zugleich ein Antrag auf Alg II. Zwar sei ein Antrag auf Sozialleistungen unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsgrundsatzes auszulegen. Wenn der Leistungsberechtigte allerdings einen Antrag auf eine bestimmte Sozialleistung gestellt habe, sei er nicht ohne Weiteres in einen solchen auf eine andere Leistung umzudeuten. Die Rechtsprechung, nach welcher ein Alg-Antrag zugleich ein solcher auf Arbeitslosenhilfe (Alhi) sei, könne nicht auf das Verhältnis von Alg zu Alg II übertragen werden. Denn der Leistungsanspruch nach dem 2. Abschnitt des 3. Kapitels des SGB II sei nicht allein ein Anspruch des erwerbsfähigen Arbeitsuchenden, sondern auch für die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger zu 1 bei der Arbeitsagentur zugleich auch Leistungen für die weiteren Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft habe beantragen wollen. Der Antrag auf Alg II vom 9.2.2009 könne im vorliegenden Fall auch nicht unter Berufung auf § 28 SGB X auf den 1.1.2009 zurückwirken, denn der Kläger zu 1 habe nicht erfolglos eine andere Sozialleistung - hier Alg - beantragt. Es mangele insoweit an einer negativen Verwaltungsentscheidung. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch scheitere an dem Fehlen eines Betreuungsfehlers bei der Auskunft und Beratung durch die Arbeitsagentur.

4

Mit der vom LSG zugelassenen Revision machen die Kläger unter Hinweis auf die Entscheidung des 14. Senats des BSG zum Aktenzeichen B 14 AS 16/09 R (Urteil vom 19.10.2010, SozR 4-4200 § 37 Nr 3)geltend, dass es nicht darauf ankomme, ob der Leistungsberechtigte Alg oder Alg II beantrage, denn als Laie sei er in der Regel nicht in der Lage zwischen den beiden Leistungen zu differenzieren und den Hilfebedarf zu kalkulieren. Auch sei der Antrag auf Sozialleistungen bei der Arbeitsagentur nach § 38 SGB II zugunsten aller Leistungsberechtigten der Bedarfsgemeinschaft vom Kläger zu 1 gestellt worden. Zumindest habe er die Beantragung von Alg II rechtzeitig nachgeholt, denn ein Versagen einer Sozialleistung iS des § 28 SGB X liege auch dann vor, wenn die bewilligte Leistung nicht ausreiche, um die Existenz zu sichern.

5

Die Kläger beantragen,
die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 10. April 2013 und des Sozialgerichts Lüneburg vom 20. Juni 2011 aufzuheben sowie den Bescheid des Beklagten vom 20. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juli 2009, diese in der Fassung des Änderungsbescheides vom 16. Juli 2009, zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1. Januar bis 8. Februar 2009 zu gewähren.

6

Der Beklagte beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.

7

Zur Begründung führt er aus, dass das Alg eine Entgeltersatzleistung aufgrund eines Sozialversicherungsverhältnisses sei und damit eine andere Zielrichtung als das Alg II habe. Bereits aus diesem Grunde könne in dem Antrag auf Alg nicht zugleich auch ein Antrag auf die Grundsicherungsleistungen erblickt werden. Im Übrigen hält er die Ausführungen des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässigen Revisionen sind unbegründet.

9

Die Kläger haben keine Ansprüche auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vor dem 9.2.2009. Der ausschließlich auf die Gewährung von Alg nach dem SGB III gerichtete Antrag des Klägers zu 1, der bei der Arbeitsagentur gestellt worden ist, umfasst nicht zugleich einen Antrag der Kläger auf Alg II/Sozialgeld (3). Ebenso wenig bewirkt der am 9.2.2009 bei dem Beklagten gestellte Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, als nachgeholter Antrag iS des § 28 SGB X, eine Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Beantragung von Alg bei der Arbeitsagentur (4). Nach den Feststellungen des LSG können die Kläger ihr Begehren auch nicht auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen (5).

10

1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1.1. bis 8.2.2009, die der Beklagte durch Bescheid vom 20.4.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.7.2009 und diese in der Fassung des Änderungsbescheides vom 16.7.2009 abgelehnt hat. Die Kläger verfolgen ihren Anspruch insoweit zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG).

11

2. Der Senat lässt es dahingestellt, ob die Feststellungen des LSG ausreichen, um die Leistungsberechtigung der Kläger iS des § 7 SGB II beurteilen zu können. Sie haben vor dem 9.2.2009 keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Der Kläger zu 1 hat nach den bindenden, nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG)vor dem 9.2.2009 keinen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II für sich und die Bedarfsgemeinschaft bei dem Beklagten gestellt.

12

Für Zeiten vor der Antragstellung sind nach § 37 Abs 2 S 1 SGB II in der Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl I 2954) keine Leistungen zu erbringen. Dem Antrag kommt im SGB II zwar keine Bedeutung als materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung zu. Hilfebedürftigkeit als Leistungsvoraussetzung iS von § 7 Abs 1 S 1 Nr 3 iVm § 9 SGB II kann schon vor der Antragstellung und unabhängig von einer Antragstellung vorliegen(vgl BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, RdNr 30; s auch zum Fortzahlungsantrag BSG Urteil vom 18.1.2011 - B 4 AS 99/10 R - SozR 4-4200 § 37 Nr 5 RdNr 17). Anders als im Sozialhilferecht (§ 18 SGB XII) ist für den Zeitpunkt des Leistungsbeginns im SGB II jedoch nicht die Kenntnis der Hilfebedürftigkeit durch die Leistungsträger ausreichend, sondern es bedarf des konstitutiven Akts des Antrags desjenigen, der Leistungen nach dem SGB II begehrt (BT-Drucks 15/1516, S 62; s auch BSG vom 16.5.2012 - B 4 AS 166/11 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 31 RdNr 15). Der Antrag hat insoweit "Türöffnerfunktion". Mit dem konstitutiven Akt der Antragstellung wird das Verwaltungsverfahren in Gang gesetzt - ab diesem Zeitpunkt hat der Leistungsträger die Verpflichtung, das Bestehen des Leistungsanspruchs zu prüfen und zu bescheiden (BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15; s auch BSG Urteil vom 22.3.2010 - B 4 AS 62/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 38).

13

Die Kläger können auch nicht unter Berufung auf § 37 Abs 2 S 2 SGB II für den Zeitraum vom 1.2. bis 8.2.2009 Alg II und Sozialgeld beanspruchen. Danach wirkt der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts auf den Ersten des Antragsmonats zurück. Diese Regelung findet für den hier streitigen Zeitraum noch keine Anwendung. Sie ist erst durch das RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG vom 24.3.2011 (BGBl I 453) eingeführt worden und gemäß dessen Art 14 zum 1.1.2011 in Kraft getreten. Eine Rückwirkung ist ihr nicht beigegeben worden (vgl auch zur Intention der Änderung: BR-Drucks 661/10, S 185).

14

3. Der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gilt auch nicht nach § 16 Abs 2 S 2 SGB I als zu dem Zeitpunkt gestellt, in dem der Antrag auf Alg nach dem SGB III bei der Arbeitsagentur einging(22.12.2008). Dieser bei der Arbeitsagentur gestellte Antrag des Klägers zu 1. umfasste nicht zugleich einen solchen auf Leistungen nach dem SGB II für ihn und die Kläger zu 2. bis 4. Nach der für den Senat bindenden Auslegung des Alg-Antrags durch das LSG (§ 163 SGG)war er im konkreten Fall ausschließlich auf das Alg nach dem SGB III gerichtet (a). Auch vermag sich der erkennende Senat nicht der Rechtsauffassung der Kläger anzuschließen, dass ein Alg-Antrag nach dem SGB III immer auch einen solchen auf die Leistungen nach dem SGB II umfasse (noch offen gelassen: BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 16/09 R - SozR 4-4200 § 37 Nr 3 RdNr 18; aA Link in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 37 RdNr 27; Striebinger in Gagel SGB II/SGB III, § 37 SGB II RdNr 61, Stand XII/12; Valgolio in Hauck/Noftz SGB II, § 37 RdNr 29, Stand IV/12; wohl auch Spellbrink/G.Becker in Kreikebohm/ Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 3. Aufl 2013, § 36-45 SGB II RdNr 10) (b).

15

a) Die Auslegung des LSG, dass der Antrag vom 22.12.2008 ausschließlich auf Alg nach dem SGB III gerichtet war, haben die Kläger weder mit Verfahrensrügen angegriffen, noch hat das LSG seiner Auslegung einen unzutreffenden Maßstab zugrunde gelegt (vgl zur Bindung an die Auslegung einer Willenserklärung durch das LSG: BSG Urteil vom 11.9.2001 - B 2 U 41/00 R - SozR 3-2200 § 1150 Nr 5, Juris-RdNr 24; BSG Urteil vom 24.11.1976 - 1 RA 151/75 - BSGE 43, 37, 39 = SozR 2200 § 1265 Nr 24, Juris-RdNr 13; BSG Urteil vom 24.10.1975 - 5 RJ 84/75 - SozR 1500 § 163 Nr 2, Juris-RdNr 25).

16

Bei dem Antrag handelt es sich um eine einseitige, empfangsbedürftige, öffentlich-rechtliche Willenserklärung, auf die - sofern das Sozialrecht keine speziellen Regelungen trifft - die Vorschriften des BGB, insbesondere des § 133 BGB, Anwendung finden(BSG Urteil vom 17.7.1990 - 12 RK 10/89 - SozR 3-1200 § 16 Nr 2 mwN, RdNr 20). Maßgebend für die Auslegung eines Antrags ist daher - unter Berücksichtigung aller Umstände - der erkennbare wirkliche Willen des Antragstellers (BSG Urteil vom 1.4.1981 - 9 RV 49/80 - SozR 3100 § 48 Nr 7, Juris RdNr 17; BSG Urteil vom 23.2.1973 - 3 RK 44/71 - BSGE 35, 220, 221 = SozR Nr 2 zu § 173a RVO, Juris RdNr 18). Die Auslegung hat nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung zu erfolgen (vgl BSG Urteil vom 6.5.2010 - B 14 AS 3/09 R - SozR 4-4200 § 28 Nr 3, RdNr 14). Danach ist, sofern eine ausdrückliche Beschränkung auf eine bestimmte Leistung nicht vorliegt, davon auszugehen, dass der Antragsteller die nach der Lage des Falls ernsthaft in Betracht kommenden Leistungen begehrt, unabhängig davon welchen Antragsvordruck er hierfür benutzt oder welchen Ausdruck er gewählt hat (BSG Urteil vom 11.9.2001 - B 2 U 41/00 R - SozR 3-2200 § 1150 Nr 5, Juris RdNr 24; BSG vom 1.4.1981 - 9 RV 49/80 - SozR 3100 § 48 Nr 7, Juris RdNr 17; BSG Urteil vom 15.11.1979 - 7 RAr 75/78 - BSGE 49, 114 = SozR 4100 § 100 Nr 5, Juris-RdNr 13).

17

Eine Berufung auf den Meistbegünstigungsgrundsatz kann jedoch in einer Konstellation wie der hier vorliegenden - also der ausdrücklichen Beantragung einer Sozialleistung (Alg nach dem SGB III) bei dem für die weitere Leistung (Alg II/Sozialgeld) unzuständigen Träger (vgl zur Trägerzuständigkeit unten unter b) - allenfalls dann angenommen werden, wenn der Antragsteller einen für den unzuständigen Leistungsträger erkennbaren Willen zum Ausdruck bringt, neben der beantragten Leistung noch weitere Sozialleistungen zu begehren. Zumindest bedarf es dann im Verhältnis von Alg zu Alg II (Sozialgeld) tatsächlicher Angaben - unter Berücksichtigung der Laiensicht -, aus denen insbesondere auf die Hilfebedürftigkeit, aber ggf auch das Vorliegen anderer Anspruchsvoraussetzungen der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu schließen ist (vgl zu den erforderlichen Angaben, um ein Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X auszulösen: BSG vom 13.2.2014 - B 4 AS 22/13 R - zur Veröffentlichung vorgesehen). Dies kann etwa dadurch geschehen, dass der Antragsteller zu erkennen gibt, ihm und ggf der Bedarfsgemeinschaft fehle es an hinreichenden finanziellen Mitteln, um den Lebensunterhalt zu bestreiten und sie seien deshalb auf weitere Sozialleistungen als die ausdrücklich beantragten angewiesen. Nur so kann im Übrigen ausgeschlossen werden, dass ein hilfebedürftiger Leistungsberechtigter, der keine Grundsicherungsleistungen in Anspruch nehmen möchte, gleichwohl in die Situation gelangt, als Antragsteller auf diese Leistungen behandelt zu werden, verbunden damit, dass für ihn - und ggf auch die restliche Bedarfsgemeinschaft - das System des Forderns und Förderns gilt (s zur Vermeidung des Grundsicherungsleistungsbezugs durch die Leistung des Kinderzuschlags nach § 6a BKGG: BT-Drucks 15/1516, S 83; vgl auch Spellbrink/G. Becker in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 6a BKGG RdNr 3). Einen Willen, Leistungen nach dem SGB II zu beantragen, hat der Kläger zu 1 hier nach den Feststellungen des LSG gegenüber der Arbeitsagentur jedoch gerade nicht bekundet.

18

Danach war der Arbeitsagentur zunächst nichts zur familiären und finanziellen Situation des Klägers zu 1 bekannt. Er hat gegenüber der Arbeitsagentur nur die Angaben gemacht, die erforderlich waren, um den Anspruch auf Alg nach dem SGB III prüfen zu können. Unabhängig davon, ob hierin bereits eine Beschränkung des Antrags auf Leistungen nach dem SGB III erblickt werden kann, hat der Kläger zu 1 nach den Feststellungen des LSG auch erstmals am 20.1.2009 seine finanziell prekäre Situation gegenüber der Arbeitsagentur thematisiert. Er ist jedoch deren Hinweis auf eine Antragstellung bei der Arge nicht nachgekommen. Nach einem Vermerk der Beklagten in der Akte hat der Kläger zu 1 eine Antragstellung beim Grundsicherungsträger ausdrücklich abgelehnt. Diese Feststellungen haben die Kläger in der Revisionsbegründung nicht angegriffen. Sie sind daher für den erkennenden Senat bindend (§ 163 SGG).

19

b) Die Kläger können - ungeachtet der konkreten Sachlage - auch nicht aus grundsätzlichen Erwägungen für sich in Anspruch nehmen, aus dem Meistbegünstigungsgrundsatz folge, dass ein bei der Arbeitsagentur gestellter Antrag auf Alg nach dem SGB III immer auch einen solchen auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II beinhalte (zur generellen Anwendbarkeit des Meistbegünstigungsgrundsatzes vgl nur BSG Urteil vom 21.7.1977 - 7 RAr 132/75 - BSGE 44, 164 = SozR 4100 § 134 Nr 3, Juris-RdNr 24). Alg und Alg II/Sozialgeld unterscheiden sich im Hinblick auf Anspruchsvoraussetzungen, Leistungssystem und -verantwortung grundlegend, sodass der Antrag auf die eine Leistung nicht zugleich grundsätzlich als ein Antrag auf die andere Leistung angesehen werden kann. Während ein Anspruch auf Alg nach § 117 SGB III(idF des Gesetzes zur Reform der Arbeitsförderung vom 24.3.1997, BGBl I 594, gültig bis 31.12.2004) bzw heute § 136 SGB III das Bestehen von Arbeitslosigkeit erfordert, ist dies nicht Voraussetzung für Ansprüche auf Alg II oder Sozialgeld. Sie setzen vielmehr ua Hilfebedürftigkeit (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB II) voraus, ohne dass diese durch Arbeitslosigkeit iS des § 118 SGB III bzw § 138 SGB III hervorgerufen worden sein müsste. Wegen dieser mangelnden Anknüpfung des Alg II an die Arbeitslosigkeit kommt auch eine Übertragung der Rechtsprechung des BSG zu dem Verhältnis von Alg-Antrag zu Alhi-Antrag auf das Verhältnis von Alg-Antrag zu Alg II-Antrag nicht in Betracht. Zwar war auch der Alhi-Anspruch nach § 190 Abs 1 Nr 5 SGB III(idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954, gültig bis zum 31.12.2004) von der Hilfebedürftigkeit des Antragstellers abhängig. Doch Alg und Alhi verband die gemeinsame Anknüpfungstatsache der Arbeitslosigkeit als Anspruchsvoraussetzung. Nach der Rechtsprechung des 7. Senats des BSG war daher Voraussetzung, um in einem Antrag auf Alg auch einen solchen auf Alhi oder umgekehrt erblicken zu können, dass der Antrag eindeutig auf Leistungen für den Fall der Arbeitslosigkeit gerichtet war (BSG Urteil vom 21.7.1977 - 7 RAr 132/75 - BSGE 44, 164 = SozR 4100 § 134 Nr 3, Juris-RdNr 24).

20

Dass das SGB II - zumindest soweit es den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten betrifft - auch Arbeitsmarktbezüge hat (vgl S. Knickrehm/Krauß, SRH, 5. Aufl 2012, § 24 RdNr 1; Stölting in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 1 RdNr 5, 6), wie sich etwa aus dem Grundsatz des Forderns nach § 2 SGB II, der Regelung des Erfordernisses der Zustimmung zur Ortsabwesenheit nach § 7 Abs 4a SGB II oder den Leistungen zur Eingliederung in Arbeit nach dem 1. Abschnitt des 3. Kapitels des SGB II ergibt, ändert an dem soeben gefundenen Ergebnis ebenso wenig wie die zeitgleiche Ablösung der Regelungen zur Alhi und der Einführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende zum 1.1.2005 (aA Link in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 37 RdNr 27; Striebinger in Gagel, SGB II/SGB III, § 37 SGB II RdNr 61, Stand XII/12; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, § 37 RdNr 29, Stand IV/12; wohl auch Spellbrink/G.Becker in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 3. Aufl 2013, § 36-45 SGB II RdNr 10). Alg und Alhi sollen und sollten nach dem SGB III den durch Arbeitslosigkeit eingetretenen Entgeltverlust ausgleichen (BSG Urteil vom 21.12.2009 - B 14 AS 46/08 R - RdNr 10). Die Alhi wurde als so genannte Entgeltersatzleistung gemäß § 116 Nr 6 SGB III (aF) in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes(in Höhe von 57 bzw 53 vH) bezogen auf das Leistungsentgelt und damit letztlich auf den zuletzt erzielten Verdienst gezahlt (vgl § 195 SGB III aF). Bis zum 31.12.2004 betrachtete man daher Alg und Alhi im Wege der Fiktion als ein einheitliches System gestufter Leistungen gegen die finanziellen Folgen von Arbeitslosigkeit (vgl Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, E 10, RdNr 65, Stand VI/13 mwN und unter Hinweis auf BT-Drucks 9/846, S 47). Der Anspruch auf Alhi setzte ab dem 1.1.2000 zudem voraus, dass der Arbeitslose in der Vorfrist des § 190 Abs 1 Nr 4 SGB III Alg bezogen hatte. Alg als Voraussetzung für den Anspruch auf Anschluss-Alhi wiederum erforderte, dass der Antragsteller in der Rahmenfrist 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hatte. Wenn das BSG hieraus auch nicht den Schluss gezogen hat, dass es sich bei der Alhi um eine Versicherungsleistung handelte (s nur BSG vom 5.6.2003 - B 11 AL 67/02 R - SozR 4-4300 § 434c Nr 3, Juris-RdNr 20), war der Rechtscharakter der Anschluss-Alhi doch wesentlich dadurch geprägt, dass sie von einer vorangegangenen Versicherungsleistung abhängig war (vgl Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, E 10, RdNr 66, Stand VI/13 mwN).

21

Für das Einsetzen der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ist es hingegen unerheblich, aus welchem Grund die Hilfebedürftigkeit eingetreten ist und ob zuvor Alg bezogen worden ist. Insoweit ist ein Systemwechsel eingetreten, der Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe in einem steuerfinanzierten Existenzsicherungssystem zusammengeführt hat (vgl hierzu S. Knickrehm/Krauß, SRH, 5. Aufl 2012, § 24 RdNr 1; Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, E 10, RdNr 92, Stand VI/13). Wie das BSG bereits erkannt hat, handelt es sich beim Alg II materiell-inhaltlich auch nicht um eine einfache Fortsetzung bzw Nachfolgeregelung zur früheren Alhi. Das Alg II gemäß §§ 19 ff SGB II wird in Höhe der Regelleistung/des Regelbedarfs nach § 20 SGB II für alle Empfängergruppen in den einzelnen Regelbedarfsstufen in gleicher Höhe und pauschaliert gewährt. Anders als bei der Alhi (vgl die Leistungssätze des § 194 SGB III aF) wird beim Alg II das Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft geprüft und danach für jedes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft gesondert Alg II/Sozialgeld als Einzelanspruch gewährt, während der Anspruch auf Alhi im Wesentlichen von der Größe der Familie bzw Bedarfsgemeinschaft unabhängig war. Insofern stellt der 1.1.2005 eine auch vom Gesetzgeber so beabsichtigte rechtliche und tatsächliche Zäsur dar (BSG Urteil vom 21.12.2009 - B 14 AS 46/08 R - RdNr 10).

22

Unabhängig davon hat sich die Situation im Verhältnis zur Rechtslage vor dem 1.1.2005 auch insoweit geändert, als nun nicht mehr ein und derselbe Leistungsträger für die Gewährung von Alg und Alg II/Sozialgeld Verantwortung trägt. Dies betrifft nicht nur den Fall, dass ein zugelassener kommunaler Träger nach § 6a SGB II ohne die BA die Aufgaben der Leistungsgewährung nach dem SGB II allein wahrnimmt, sondern gilt auch für die im hier streitigen Zeitpunkt noch tätigen Arbeitsgemeinschaften aus kommunalen Trägern und BA, in denen auch die Aufgaben der BA nach § 44b Abs 3 S 1 SGB II die Arge als Leistungsträger wahrgenommen hat(vgl hierzu Rixen in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 44b RdNr 17; nach der Entscheidung des BVerfG vom 20.12.2007 - 2 BvR 2433/04, 2 BvR 2434/04 - BVerfGE 119, 331 sollte § 44b SGB II bis zum 31.12.2010 in Kraft bleiben; aA Striebinger in Gagel, SGB II/SGB III, § 37 SGB II RdNr 61, Stand XII/12, die für beide Leistungen die BA als zuständigen Leistungsträger ansieht).

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4. Ebenso wenig können die Kläger § 40 Abs 1 S 1 SGB II iVm § 28 SGB X für sich nutzbar machen, um für den Zeitraum vom 1.1. bis 8.2.2009 zu einer Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts durch den Beklagten zu gelangen. Nach § 28 Satz 1 SGB X wirkt ein nachgeholter Antrag bis zu einem Jahr zurück, wenn ein Leistungsberechtigter von der Stellung eines Antrages auf eine Sozialleistung abgesehen hat, weil ein Anspruch auf eine andere Sozialleistung geltend gemacht worden ist, und diese Leistung versagt wird oder zu erstatten ist, wenn der nunmehr nachgeholte Antrag innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Monats gestellt ist, in dem die Ablehnung oder Erstattung der anderen Leistung bindend geworden ist. Nach Satz 2 gilt dies auch dann, wenn der rechtzeitige Antrag auf eine andere Leistung aus Unkenntnis über deren Anspruchsvoraussetzung unterlassen wurde und die zweite Leistung gegenüber der ersten Leistung, wäre diese erbracht worden, nachrangig gewesen wäre. Die hier vorliegende Fallkonstellation, dass die andere Sozialleistung - das Alg nach dem SGB III - nicht versagt worden ist, sondern bewilligt wurde und nur nicht ausreicht, um den Lebensunterhalt der Bedarfsgemeinschaft sicherzustellen, unterfällt dieser Regelung nicht. Dies ergibt sich eindeutig aus dem Wortlaut der Vorschrift.

24

Der Gesetzeswortlaut spricht in Satz 1 des § 28 SGB X von "versagen", also dem erfolglosen Beantragen einer anderen Sozialleistung(Siefert in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 28 RdNr 6) und ihrer "Ablehnung" durch eine negative Verwaltungsentscheidung (vgl BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 16/09 R - SozR 4-4200 § 37 Nr 3 RdNr 20; s auch Franz in jurisPK-SGB X, § 28 SGB X, RdNr 12, Stand 29.10.2013; Vogelsang in Hauck/Noftz, SGB X, § 28 RdNr 5, Stand VI/12). Nichts Anderes gilt für Satz 2 des § 28 SGB X, der davon ausgeht, dass die vorrangige Leistung tatsächlich nicht erbracht worden ist(BSG vom 24.9.2012 - B 14 AS 36/12 B - Juris RdNr 5). In der hier vorliegenden Fallkonstellation ist das Gegenteil dessen erfolgt. Die "andere Sozialleistung", also das Alg nach dem SGB III, ist antragsgemäß von der Arbeitsagentur bewilligt worden.

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Eine analoge Anwendung der Vorschrift auf die zuvor dargelegte Fallkonstellation scheidet ebenfalls aus. Es mangelt insoweit bereits an einer planwidrigen Lücke. Dies folgt aus der Gesetzesbegründung sowie dem Sinn und Zweck der Norm und systematischen Überlegungen. Zur Regelung des § 26a SGB X wird in den Gesetzesmaterialien ausgeführt, dass durch die Vorschrift Rechtsnachteile vermieden werden sollten, wenn ein Berechtigter in Erwartung eines positiven Bescheides einen Antrag auf andere Sozialleistungen nicht gestellt habe(BT-Drucks 8/4022 S 81 f). Wird seine Erwartung erfüllt, besteht mithin kein Bedürfnis, ihm zusätzlich die Vergünstigung des § 28 SGB X einzuräumen. Sinn und Zweck des § 28 SGB X ist es vielmehr Nachteile zu vermeiden, die dadurch entstehen, dass die beantragte Leistung abgelehnt wurde und die Leistung von einem anderen Leistungsträger, die statt dessen hätte in Anspruch genommen werden können, wegen des Verstreichens der Antragsfrist oder des fehlenden Antrags nicht für einen abgelaufenen Zeitraum gewährt werden kann(Siefert in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 28 RdNr 3). § 28 SGB X regelt insoweit zwei Spezialfälle der Wiedereinsetzung bei verspäteter Antragstellung auf eine Sozialleistung. Der Grundsatz, dass Leistungen erst ab dem Zeitpunkt der Antragstellung gewährt werden - und auch nur dieser - wird durch sie durchbrochen (Franz in jurisPK-SGB X, § 28 SGB X, RdNr 6, Stand 29.10.2013). Ziel der Vorschrift ist es hingegen nicht, wie vorliegend von den Klägern gefordert, materielle Gerechtigkeit unabhängig von dem Antragserfordernis herzustellen.

26

Zugleich soll die Regelung des § 28 SGB X verhindern, dass ein Betroffener zeitgleich mehrere Anträge auf verschiedene Leistungen stellen muss, um keinen Rechtsnachteil zu erlangen. Die Sozialverwaltung soll so von der Prüfung (unnötiger) Doppelanträge verschont werden (BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 16/09 R - SozR 4-4200 § 37 Nr 3 RdNr 20; Franz in jurisPK-SGB X, § 28 SGB X, RdNr 10, Stand 29.10.2013). Auch insoweit wird deutlich, dass § 28 SGB X nicht deswegen lückenhaft ist, weil die Vorschrift die hier vorliegende Konstellation, dass Alg nach dem SGB III bewilligt worden ist, dessen Höhe jedoch nicht zur Sicherung der Existenz ausreicht, nicht erfasst. Der Antrag auf die zweite Leistung - hier das aufstockende Alg II/Sozialgeld - wäre auch parallel zu dem wegen Alg nach dem SGB III von dem Grundsicherungsträger zu bearbeiten gewesen, ohne dass das Alg II bei der Bewilligung von Alg nach dem SGB III entfallen wäre; es sei denn, das Alg nach dem SGB III hätte zur Lebensunterhaltssicherung ausgereicht - dann hätte es des Alg II jedoch ohnehin nicht bedurft. Die Leistungen Alg und Alg II/Sozialgeld stehen eben gerade nicht in einem Ausschließlichkeitsverhältnis zueinander.

27

Die Kläger gehen ebenfalls mit der Auffassung fehl, mit der Bewilligung von Alg nach dem SGB III werde zugleich der Anspruch auf Alg II/Sozialgeld abgelehnt. Zwar umfasst nach der für die Angelegenheiten der Grundsicherung zuständigen Senate des BSG die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II immer auch die Ablehnung von weitergehenden Leistungen nach dem SGB II, soweit ungedeckte Bedarfe tatsächlich vorhanden sind. Diese Rechtsprechung setzt bei der "Türöffnerfunktion" des Leistungsantrags nach § 37 SGB II an. Außer in den in § 37 SGB II geregelten Ausnahmefällen und soweit es Eingliederungsleistungen betrifft, wird mit dem Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts die umfassende Bedarfsdeckung durch den Grundsicherungsträger beantragt. Angesichts der zuvor dargelegten Unterschiede der Leistungen nach dem SGB III und dem SGB II kann dies jedoch für einen Antrag, der ausschließlich auf Leistungen nach dem SGB III gerichtet ist, nicht gelten.

28

Auch soweit sich die Kläger auf die Entscheidung des 14. Senats des BSG vom 19.10.2010 (B 14 AS 16/09 R - SozR 4-4200 § 37 Nr 3) stützen, bleibt ihre Argumentation erfolglos. In dem dortigen Fall war von der Arbeitsagentur ein Antrag auf Überprüfung einer bindenden Ablehnung von Alg nach dem SGB III negativ im Sinne der Nichtgewährung von Alg beschieden worden. Dass - soweit die weiteren Voraussetzungen des § 28 SGB X und des § 7 Abs 1 SGB II gegeben sind - alsdann der spätere Antrag auf Grundsicherungsleistungen nach § 28 SGB X zurückwirken kann, steht außer Zweifel, trifft die Lage der Kläger jedoch wie schon dargelegt nicht.

29

5. Auch der sozialrechtliche Herstellungsanspruch verhilft den Klägern nicht zum Erfolg ihres Begehrens. Rechtsgrundlage für die Beratungspflicht in Form einer Hinweispflicht sind die §§ 14, 15 SGB I. Eine umfassende Beratungspflicht des Sozialversicherungsträgers bzw des Sozialleistungsträgers besteht zunächst regelmäßig bei einem entsprechenden Beratungs- und Auskunftsbegehren des Leistungsberechtigten (vgl BSG Urteil vom 17.8.2000 - B 13 RJ 87/98 R - Juris-RdNr 38; BSG Urteil vom 14.11.2002 - B 13 RJ 39/01 R - SozR 3-2600 § 115 Nr 9, Juris RdNr 43). Ausnahmsweise besteht nach ständiger Rechtsprechung des BSG auch dann eine Hinweis- und Beratungspflicht des Leistungsträgers, wenn anlässlich einer konkreten Sachbearbeitung in einem Sozialrechtsverhältnis dem jeweiligen Mitarbeiter eine naheliegende Gestaltungsmöglichkeit ersichtlich ist, die ein verständiger Versicherter/Leistungsberechtigter wahrnehmen würde, wenn sie ihm bekannt wäre (BSG Urteil vom 8.2.2007 - B 7a AL 22/06 R - BSGE 98, 108 = SozR 4-4100 § 324 Nr 3; stRspr des BSG; vgl BSG Urteil vom 27.7.2004 - B 7 SF 1/03 R - SozR 4-1200 § 14 Nr 5 mit Anm Münder, SGb 2005, 239; BSG Urteil vom 10.12.2003 - B 9 VJ 2/02 R - BSGE 92, 34 = SozR 4-3100 § 60 Nr 1; BSG Urteil vom 14.11.2002 - B 13 RJ 39/01 R - SozR 3-2600 § 115 Nr 9 mit Anm Köhler, SGb 2003, 407; BSG Urteil vom 22.10.1998 - B 5 RJ 56/97 R - SGb 1999, 26). Dabei ist die Frage, ob eine Gestaltungsmöglichkeit klar zu Tage liegt, allein nach objektiven Merkmalen zu beurteilen (BSG Urteil vom 26.10.1994 - 11 RAr 5/94 - SozR 3-1200 § 14 Nr 16). Eine derartige Situation lag hier nicht vor.

30

Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG, die die Kläger nicht mit Verfahrensrügen angegriffen haben, hat der Kläger zu 1 vor dem 20.1.2009 nichts gegenüber der Arbeitsagentur kund getan, was deren Beratungspflicht hätte auslösen können. Es wird insoweit auf die Ausführungen unter 3. verwiesen. Erstmals am 20.1.2009 hat er der Arbeitsagentur mitgeteilt, dass er keine Möglichkeit sehe, am Ende des Monats die Miete zu zahlen. Damit hatte die Arbeitsagentur Kenntnis von der finanziell prekären Situation der Kläger. Ausweislich der weiteren Feststellungen des LSG unter Bezug auf einen Vermerk in der Akte des Beklagten hat die Arbeitsagentur alsdann darauf hingewiesen, der Kläger zu 1 möge sich an die Arge wenden. Unabhängig davon, ob der Kläger zu 1 dies abgelehnt hat, hat die Arbeitsagentur damit jedoch ihre Beratungspflicht erfüllt. Dabei hat der Senat auch berücksichtigt, dass die Kläger schon vor dem 22.12.2008 aufstockende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bezogen haben, also mit dem System des SGB II durchaus vertraut waren.

31

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Tatbestand

1

Die Kläger begehren höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für den Zeitraum vom 29.3. bis 30.11.2007. Streitig ist dabei, ob dem im streitigen Zeitraum drei bzw vier Jahre alten Kläger zu 4 ein Mehrbedarf gemäß § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II nach Anerkennung des Merkzeichens "G" zusteht.

2

Die Kläger zu 1 und 2 sind die Eltern des 1998 geborenen Klägers zu 3 und des am 21.5.2003 geborenen Klägers zu 4. Die Kläger standen im streitgegenständlichen Zeitraum im Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bei dem Beklagten. Der Kläger zu 4 leidet an einer allgemeinen Entwicklungsstörung mit motorischer Unruhe, Aufmerksamkeitsdefizit, Verdauungsstörungen, Zöliakie, Wachstumsstörung und infektabhängigem Asthma bronchiale. Durch Bescheid des Versorgungsamtes G vom 11.5.2007 ist er ab dem 29.3.2007 als Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 70 und den Merkzeichen "G" und "B" anerkannt. Der Kläger zu 1 ging im streitigen Zeitraum einer Erwerbstätigkeit nach, aus der er monatlich wechselndes Nettoarbeitseinkommen bei einem gleichbleibenden Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 1340 Euro erzielte.

3

Der Beklagte bewilligte zunächst durch Bescheid vom 30.10.2006 den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit von Dezember 2006 bis zum 31.5.2007. In der Folgezeit bis zum 13.4.2007 erließ der Beklagte insgesamt fünf Änderungsbescheide, in denen er jeweils nach Vorlage von Lohnabrechnungen durch den Kläger zu 1 eine Neuberechnung unter Berücksichtigung des wechselnden Einkommens vornahm. Der Beklagte erließ sodann am 7.5.2007 einen weiteren Änderungsbescheid, in dem er die Leistungen für sämtliche Monate von Dezember 2006 bis Mai 2007 neu berechnete. Der Beklagte ging dabei von einem monatlichen Bedarf der Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 1673,66 Euro aus. Dabei legte er für die Kläger zu 1 und 2 jeweils eine Regelleistung von 311 Euro gemäß § 20 Abs 3 SGB II und für die Kläger zu 3 und 4 eine Regelleistung gemäß § 28 Abs 1 Nr 1 SGB II in Höhe von jeweils 207 Euro zu Grunde. Außerdem berücksichtigte er bei dem Kläger zu 4 einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von monatlich 66,74 Euro. Die angemessenen Kosten der Unterkunft gemäß § 22 Abs 1 SGB II wurden in Höhe von monatlich 571,19 Euro festgesetzt. Als Einkommen wurde neben dem Kindergeld für die Kläger zu 3 und 4 in Höhe von insgesamt 308 Euro das vom Kläger zu 1 erzielte Nettoarbeitsentgelt in Höhe von 1115 Euro (März 2007), 1075,27 Euro (April 2007) und 1200 Euro (Mai 2007) jeweils abzüglich eines Freibetrags in Höhe von 294 Euro berücksichtigt. Außerdem berücksichtigte der Beklagte in den Monaten März und April 2007 aus einer im Dezember 2006 erfolgten Überzahlung 127,86 Euro bzw 127,88 Euro als Einkommen. Am 18.6.2007 erließ der Beklagte einen weiteren Änderungsbescheid, in dem er eine Neuberechnung für den Monat Mai 2007 vornahm, bei der er nunmehr ein Nettoarbeitsentgelt von 1207,76 Euro bei dem Kläger zu 1 zu Grunde legte.

4

Der Beklagte bewilligte durch Bescheid vom 17.4.2007 den Klägern Leistungen für den Zeitraum vom 1.6. bis 30.11.2007. Dabei legte er für den Monat Juni 2007 für die Bedarfsgemeinschaft einen Gesamtbedarf von 1673,66 Euro zu Grunde. Für die Zeit ab dem 1.7. bis zum 30.11.2007 ging er von einem Gesamtbedarf in Höhe von 1680,12 Euro monatlich aus. Der um 6,46 Euro erhöhte Bedarf ergab sich aus der ab dem 1.7.2007 um jeweils 1 Euro erhöhten Regelleistung sowie dem um 2,46 Euro höheren Bedarf für Unterkunft und Heizung. Der Beklagte ging dabei von einem erzielten Nettoarbeitseinkommen des Klägers zu 1 in Höhe von 1200 Euro abzüglich eines Freibetrags in Höhe von 294 Euro aus. In der Folgezeit erließ der Beklagte für den Leistungszeitraum vom 1.6. bis 30.11.2007 insgesamt acht Änderungsbescheide, in denen er eine Neuberechnung unter Berücksichtigung des vom Kläger zu 1 monatlich in wechselnder Höhe erzielten Einkommens vornahm (Juni: 1141,59 Euro, Juli: 1054,82 Euro, August: 1078,72 Euro, September: 1183,22 Euro, Oktober: 923,63 Euro, November: 1148,55 Euro).

5

Am 18.5.2007 legten die Kläger bei dem Beklagten den Bescheid des Versorgungsamts Gelsenkirchen vom 11.5.2007 vor, mit dem dieses bei dem Kläger zu 4 einen GdB von 70 sowie die Erfüllung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "G" und "B" rückwirkend zum 29.3.2007 festgestellt hatte. Die Kläger beantragten deshalb die Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für den Kläger zu 4. Der Beklagte lehnte durch Bescheid vom 14.8.2007 den Antrag auf Gewährung eines Mehrbedarfs für schwerbehinderte Menschen mit dem Merkzeichen "G" ab. Der Kläger zu 4 werde gerade erst fünf Jahre alt. Der Mehrbedarf sei für Kinder unter 15 Jahren nicht vorgesehen. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 24.8.2007).

6

Hiergegen haben die Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen erhoben, das diese durch Urteil vom 19.2.2008 abgewiesen hat. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, die Klage sei bezüglich der Zeiträume ab dem 1.6.2007 bereits unzulässig. Der Regelungsgegenstand eines Bescheides über Mehrbedarf beschränke sich jeweils auf den bei der Antragstellung geltenden Bewilligungsbescheid über die laufenden Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Bei Beantragung des Mehrbedarfs am 18.5.2007 sei maßgebend der Bewilligungsbescheid für die Zeit vom 1.12.2006 bis 31.5.2007 gewesen. Die Kläger müssten sich bezüglich eines Mehrbedarfs für die Zeit ab dem 1.6.2007 gegen die für diesen Zeitraum ergangenen weiteren Bescheide über die laufenden Leistungen wenden. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen für einen Mehrbedarf nach § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II in der Person des Klägers zu 4 nicht vor. Bei dem Kläger zu 4 handele es sich von vornherein um eine nicht erwerbsfähige Person iS des SGB II, für die § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II nicht einschlägig sei.

7

Die Berufung der Kläger hat das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen durch Urteil vom 11.12.2008 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es zunächst ausgeführt, streitiger Zeitraum sei hier der Zeitraum vom 29.3. bis zum 30.11.2007. Der Beklagte habe mit dem angefochtenen Bescheid vom 14.8.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.8.2007 eine Regelung hinsichtlich des gesamten streitigen Zeitraums getroffen. Es bestehe jedoch kein Anspruch der Kläger auf höhere Leistungen. Der monatliche Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft, die angemessenen Kosten der Unterkunft und die Nebeneinkommen des Klägers zu 1 seien für den gesamten Zeitraum zutreffend berücksichtigt und berechnet worden. Darüber hinaus bestehe kein weiterer Bedarf. Der im Jahre 2003 geborene Kläger zu 4 habe insbesondere keinen Anspruch auf Berücksichtigung eines Mehrbedarfs nach § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II. Der Kläger zu 4 sei keine "nicht erwerbsfähige Person" im Sinne dieser Vorschrift. Der Begriff der Erwerbsfähigkeit sei in § 8 Abs 1 SGB II definiert. Hiernach sei erwerbsfähig, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außer Stande sei, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Hieraus ergebe sich im Umkehrschluss auch eine Definition der Nichterwerbsfähigkeit, die im Wesentlichen dem Begriff der vollen Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) entspreche, auf den die Parallelvorschrift für die Sozialhilfe (§ 30 Abs 1 Nr 2 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) abstelle. Das Vorliegen von Nichterwerbsfähigkeit iS von § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II setze mithin voraus, dass es an der Fähigkeit zur Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes gerade auf Grund von Krankheit oder Behinderung mangele. So verhalte es sich bei dem im streitigen Zeitpunkt vierjährigen Kläger zu 4 gerade nicht, denn dieser sei von vornherein außer Stande, erwerbstätig zu sein. Dies ergebe sich jedoch nicht daraus, dass er krank oder behindert sei. Vielmehr sei jedes, auch ein völlig gesundes vierjähriges Kind, nicht erwerbsfähig.

8

Schon aus Gleichheitsgründen sei es geboten, den Mehrbedarf in § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II unter denselben Voraussetzungen zu gewähren wie denjenigen im Sozialhilferecht nach § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII. Für den Bereich des SGB XII sei aber unstreitig, dass nur Personen, die im Sinne des Rentenversicherungsrechts voll erwerbsgemindert seien, den Mehrbedarf erhalten können. Auch unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des Mehrbedarfs für Nichterwerbsfähige mit dem Merkzeichen "G" im SGB II komme ein anderes Ergebnis nicht in Betracht.

9

Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer Revision. Sie rügen eine Verletzung des § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II. Zur Begründung führen sie aus, die Beschränkung der Gewährung des Mehrbedarfszuschlags auf Personen, die älter als 15 Jahre sind, überzeuge nicht. Unter den Begriff des nicht erwerbsfähigen Angehörigen iS des § 28 Abs 1 Satz 1 SGB II fielen auch Minderjährige, sodass es keinen Grund gebe, den in § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II enthaltenen Begriff der "nicht erwerbsfähigen Person" anders auszulegen. Insbesondere könne keine Altersgrenze in die Vorschrift hineingelesen werden. Dies ergebe sich auch aus einem Vergleich der in Nr 2 und Nr 4 des § 28 SGB II geregelten Mehrbedarfe. Während in § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 2 SGB II ausdrücklich geregelt sei, dass der darin enthaltene Mehrbedarf nur Personen zustehe, die das 15. Lebensjahr vollendet hätten, fehle eine entsprechende Regelung in § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II. Es gebe keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass dies ein gesetzgeberisches Versehen sei. In der Gesetzesbegründung zu § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 2 SGB II werde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Mehrbedarf erst nach Vollendung des 15. Lebensjahres zustehen solle (BT-Drucks 16/1410, S 25 zu Buchst a). Wenn der Gesetzgeber eine überschaubare Vorschrift abändere und in einer Ziffer gezielt eine Altersgrenze einfüge, so sei davon auszugehen, dass er die identische bzw die vom LSG hineininterpretierte Altersgrenze in die übernächste Ziffer ebenfalls eingefügt hätte, wenn eine solche Altersgrenze beabsichtigt gewesen wäre. Im Übrigen gehe die Gewährung der Mehrbedarfe im SGB II so weit, dass sogar solche Personen, die prinzipiell vom Leistungsbezug ausgeschlossen seien, durch den Mehrbedarf wieder in das SGB II-Leistungssystem insgesamt einbezogen werden können. Dies gelte insbesondere für den Mehrbedarf für Alleinerziehende, der auch die Situation des Kindes berühre, sodass der Leistungsausschluss des § 7 Abs 5 SGB II nicht greife mit der Konsequenz, dass das minderjährige Kind aus dem Leistungssystem des SGB XII in dasjenige des SGB II gelangen könne. Der Mehrbedarf könne demnach einen eigenen Anspruch auf Arbeitslosengeld II (Alg II) begründen. Von daher überzeuge der Hinweis des LSG auf die strukturellen Unterschiede zwischen SGB II und SGB XII nicht. Der Begriff "nicht erwerbsfähige Person" beziehe sich im SGB II allgemein auf Bezieher von Sozialgeld, worunter gerade nicht zwingend erwerbsunfähige Menschen im medizinischen Sinne fallen würden. Alle Menschen, also auch Kinder bis zum 15. Geburtstag, hätten einen Anspruch auf Zuschlag nach § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II, wenn sie schwerbehindert mit Merkzeichen "G" oder "aG" seien. Nur durch die Gewährung solcher Mehrbedarfe für schwerbehinderte Kinder könne das Existenzminimum und der gesteigerte Bedarf von schwerbehinderten Kindern und damit ein Leben im Rahmen des soziokulturellen Existenzminimums (Art 1 Grundgesetz) sichergestellt werden. Im Übrigen müsse die vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seinem Urteil vom 9.2.2010 (1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09) geschaffene Härtefallregelung auf ihn Anwendung finden.

10

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 11. Dezember 2008 und des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 19. Februar 2008 aufzuheben. Den Bescheid des Beklagten vom 14. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. August 2007 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, unter Änderung aller Bewilligungs- und Änderungsbescheide für den Zeitraum vom 29. März bis zum 30. November 2007 den Klägern zusätzlich Leistungen in Höhe von 17 % der für den Kläger zu 4 maßgeblichen Regelleistung wegen eines Mehrbedarfs nach § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II zu bewilligen.

11

Der Beklagte beantragt,

die Revision der Kläger zurückzuweisen.

12

Er beruft sich auf das angefochtene Urteil des LSG.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision der Kläger ist nicht begründet. Zu Recht hat das LSG entschieden, dass den Klägern keine höheren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für den Kläger zu 4 gemäß § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II(idF, die die Norm des § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006, BGBl I 1706 erhalten hat) zustehen (vgl unter 2.). Zu Recht hat das LSG entschieden, dass der im Jahre 2003 geborene Kläger zu 4 keinen Anspruch auf einen Mehrbedarf gemäß § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II (alter Fassung) hat, weil er keine "nicht erwerbsfähige Person" im Sinne dieser Vorschrift ist (vgl unter 3.). Dem Kläger zu 4 steht auch der vom BVerfG am 9.2.2010 (aaO) geschaffene Anspruch auf Leistungen zur Sicherstellung eines unabweisbaren laufenden, nicht nur einmaligen besonderen Bedarfs nicht zu (hierzu unter 4.).

14

1. Streitiger Zeitraum ist der Zeitraum vom 29.3. bis zum 30.11.2007. Das Versorgungsamt hat durch Bescheid vom 11.5.2007 rückwirkend ab dem 29.3.2007 das Vorliegen des Merkzeichens "G" beim Kläger zu 4 festgestellt. Die Kläger haben zwar umgehend (am 18.5.2007) unter Vorlage dieses Bescheids einen "Antrag" bei dem Beklagten gestellt. Eines solchen Antrags hätte es jedoch im Lichte des § 37 SGB II nicht bedurft. Wie der Senat zuletzt entschieden hat (Urteil vom 23.3.2010 - B 14 AS 6/09 R) ist der Antrag im SGB II jeweils so auszulegen, dass das Begehren des Antragstellers möglichst weitgehend zum Tragen kommt (Grundsatz der Meistbegünstigung, vgl Urteil des Senats vom 2.7.2009 - B 14 AS 75/08 R und Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217, 230 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1 RdNr 11). Als beantragt sind dementsprechend alle Leistungen anzusehen, die nach Lage des Falls ernsthaft in Betracht kommen. Das sind bei einem Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts regelmäßig alle im ersten und zweiten Unterabschnitt des zweiten Abschnitts des dritten Kapitels SGB II genannten Leistungen. Mit dem Antrag wird mithin ein Hilfebedarf geltend gemacht, der alle Leistungen umfasst, die der Sicherung des Lebensunterhalts in Form des Alg II dienen. Auch bei dem Mehrbedarf nach § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II handelt es sich um eine Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts. Diese Leistung muss von daher nicht gesondert beantragt werden. Ein solches Erfordernis lässt sich jedenfalls § 37 SGB II nicht entnehmen.

15

Das LSG hat auch zu Recht die Kläger zu 1 bis 4 als Kläger geführt. Im Rahmen des Leistungssystems des SGB II gemäß § 7 iVm §§ 9 ff SGB II kann eine Leistungserhöhung auf Seiten des Klägers zu 4 in Form eines zusätzlichen Mehrbedarfs die Rechtsansprüche sämtlicher Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft auf Leistungen nach dem SGB II ggf erhöhen. Insofern wäre es nicht zweckdienlich gewesen, lediglich den Kläger zu 4 als Kläger zu führen.

16

2. Sämtliche streitgegenständliche Bescheide des Beklagten sind rechtmäßig und waren nicht gemäß §§ 44 ff SGB X (iVm § 40 Abs 1 SGB II) aufzuheben. Das LSG hat dabei zunächst zu Recht festgestellt, dass den Klägern zu 1 bis 4 für den streitigen Zeitraum vom 29.3. bis zum 1.11.2007 Leistungen nach den §§ 19 ff SGB II in richtiger Höhe bewilligt worden sind. Insofern bestehen gegen die in den einzelnen Bescheiden und für die einzelnen Zeiträume aufgeführten Berechnungen des LSG keine rechtlichen Bedenken. Im Übrigen liegen auch keine Angriffe der Revision gegen die Bedarfsermittlung und die Berücksichtigung des Einkommens des Klägers zu 1 seitens des Beklagten vor. Hinsichtlich der Höhe der Regelleistung der Kläger zu 3 und 4 (207 Euro gemäß § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 1 SGB II) folgt aus der Entscheidung des BVerfG vom 9.2.2010 (aaO), dass diese von der Höhe her - für den streitigen Zeitraum - nicht zu beanstanden sind.

17

Entgegen der Rechtsansicht der Revision sind durch die Bewilligung des Merkzeichens "G" für den im streitigen Zeitraum drei- bzw vierjährigen Kläger zu 4 die Bewilligungsbescheide auch nicht durch eine nachträglich eintretende wesentliche Änderung der Verhältnisse rechtswidrig geworden (§ 48 Abs 1 Satz 1 SGB X). Ebenso sind die nach diesem Zeitpunkt erlassenen Bescheide nicht ursprünglich rechtswidrig (§ 44 Abs 1 Satz 1 SGB X). Zu Recht hat das LSG nämlich entschieden, dass die Ablehnung eines Mehrbedarfs gemäß § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II aF rechtmäßig war, sodass auch unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt an der Rechtmäßigkeit der Bewilligungs- bzw Änderungsbescheide nicht zu zweifeln ist.

18

3. Den Klägern stehen im streitigen Zeitraum keine höheren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für den Kläger zu 4 gemäß § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II aF zu.

19

a) Nach § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II aF erhalten nicht erwerbsfähige Personen einen Mehrbedarf von 17 vH der nach § 20 SGB II maßgebenden Regelleistung, wenn sie Inhaber eines Ausweises nach § 69 Abs 5 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) mit dem Merkzeichen "G" sind. Der Kläger zu 4 war keine "nicht erwerbsfähige Person" im Sinne dieser Vorschrift, weil aus der Gesetzgebungsgeschichte und der systematischen Stellung der Norm folgt, dass Kinder unter 15 Jahren grundsätzlich nicht begünstigt werden sollten. Die Norm wurde gemeinsam mit § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 2 SGB II durch das sogenannte Fortentwicklungsgesetz vom 20.7.2006 zum 1.8.2006 neu gefasst (BGBl I 1706). Der Gesetzgeber wollte damit dem Gleichbehandlungsgrundsatz entsprechen und die Leistungen für behinderte Menschen im SGB II an die Leistungen für behinderte Menschen im SGB XII anpassen (BT-Drucks 16/1410, S 25). Vor dem 1. 8. 2006 gab es für Sozialgeldbezieher im SGB II keinen Mehrbedarf bei Nichterwerbsfähigkeit und gleichzeitiger Innehabung eines Nachteilsausgleichs "G". Aus der Übernahme der im Wesentlichen identischen Regelung aus § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII folgt, dass die Gewährung des Mehrbedarfs grundsätzlich unter den gleichen Voraussetzungen wie im SGB XII erfolgen sollte. Wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, ist für den Bereich des SGB XII aber unstreitig gewesen, dass nur Personen, die im Sinne des Rentenversicherungsrechts voll erwerbsgemindert sind, den Mehrbedarf erhalten können (vgl nur Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl 2008, § 30 RdNr 13 ff; Falterbaum in Hauck/Noftz, SGB XII, K § 30 RdNr 10, 13. Lieferung, Stand 6/08).

20

§ 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII entspricht im wesentlichen der Vorgängervorschrift in § 23 Abs 1 Nr 2 Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Auch zu dieser Norm war bereits unstreitig, dass der Bezug des Mehrbedarfs das Vorliegen von voller Erwerbsminderung bzw Erwerbsunfähigkeit nach dem SGB VI voraussetzte (vgl Hofmann in LPK BSHG, 6. Aufl 2003, § 23 RdNr 16). Mit dem Mehrbedarf für Erwerbsunfähige im BSHG sollte damals ein Ausgleich dafür geschaffen werden, dass der Erwerbsunfähige im Gegensatz zum arbeitsfähigen Hilfeempfänger auch unter Einsatz besonderer Tatkraft nicht in der Lage ist, durch eigene Arbeit etwas hinzuzuverdienen und sich dadurch ein über den notwendigen Bedarf hinausgehendes und zum Teil anrechnungsfreies Einkommen verschaffen kann (Dauber in Mergler/Zink, BSHG, 4. Aufl, 36. Lieferung, Stand März 2004, § 23 RdNr 19). Die Regelung des § 23 Abs 1 Nr 2 BSHG wurde in § 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII ohne weitere Begründung fortgeführt. An diese Vorgaben wollte der Gesetzgeber des SGB II anknüpfen (BT-Drucks 16/1410, S 25). Vor dem Hintergrund dieser Gesetzgebungsgeschichte kommt ein Mehrbedarf für ein vierjähriges Kind nicht in Betracht, weil es auch im gesunden Zustand rechtlich und tatsächlich nicht in der Lage ist, sich etwas hinzuzuverdienen.

21

Entgegen der Revision folgt auch aus der ebenfalls durch das Fortentwicklungsgesetz vom 20.7.2006 mit Wirkung zum 1.8.2006 vorgenommenen Änderung des § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 2 SGB II kein anderes Ergebnis. § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 2 SGB II wurde durch dieses Gesetz dahingehend geändert, dass Leistungen für Mehrbedarfe nach § 21 Abs 4 SGB II nur an behinderte Menschen gezahlt werden können, die das 15. Lebensjahr vollendet haben. Vor der Änderung zum 1.8.2006 enthielt die Vorschrift keinerlei Altersbeschränkungen. Soweit die Revision aus der gleichzeitigen Einführung des § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 2 und des § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II den Schluss zieht, aus einer fehlenden Altersbegrenzung in § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II müsse gefolgert werden, dass der Mehrbedarf nach Nr 4 allen Personen ohne jede Altersbeschränkung gewährt werden müsse, überzeugt dies nicht. Das LSG hat zutreffend darauf hingewiesen, dass der Mehrbedarf nach § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 2 SGB II anders als der Mehrbedarf nach Nr 4 gerade nicht auf das Tatbestandsmerkmal der Nichterwerbsfähigkeit abstelle, sondern die Norm lediglich von "behinderten Menschen" spreche. Damit folgt er der Regelung in § 30 Abs 4 SGB XII. Auch diese Regelung enthält eine Beschränkung auf Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet haben. Bei der Ergänzung des § 28 SGB II hat der Gesetzgeber ausdrücklich betont(BT-Drucks 16/1410, S 25), dass er im Bereich des SGB II keine weitergehende Leistungsgewährung beabsichtige als im Bereich des SGB XII. Die Einfügung einer entsprechenden Einschränkung hinsichtlich des Alters in § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II war mithin entbehrlich, weil bei diesem Mehrbedarf auch nach dem SGB XII der entsprechende Mehrbedarf nur bei Überschreitung der Altersgrenze nach § 41 Abs 2 SGB VI bzw beim Vorliegen voller Erwerbsminderung nach dem SGB VI gewährt wurde.

22

b) Der Senat sieht sich in seiner Auslegung des Begriffs "nicht erwerbsfähige Person" iS des § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II (idF des Fortentwicklungsgesetzes, aaO) durch die weitere Rechtsentwicklung bestätigt. Durch das Gesetz zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21.12.2008 (BGBl I 2917) wurde mit Wirkung vom 1.1.2009 § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II nochmals geändert. Die Norm enthält nunmehr eine Klarstellung im Sinne der hier vorgenommenen Auslegung. § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II lautet nunmehr: "Nicht erwerbsfähige Personen, die voll erwerbsgemindert nach dem Sechsten Buch sind, erhalten einen Mehrbedarf von 17 vom Hundert der nach § 20 maßgebenden Regelleistung, …." Zur Begründung dieser Neuregelung hat der Gesetzgeber ausgeführt (BT-Drucks 16/10810, S 49 zu Nr 11 Buchst bb), mit der Ergänzung in § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 werde die mit dem Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende verfolgte Gleichbehandlung von Menschen mit Behinderungen im SGB II und SGB XII sichergestellt. Der dort geregelte Mehrbedarf werde - wie im SGB XII - nur bei nicht erwerbsfähigen Personen berücksichtigt, die voll erwerbsgemindert nach dem SGB VI sind. Eine Berücksichtigung des Mehrbedarfs bei Angehörigen der Bedarfsgemeinschaft, die auf Grund ihres Alters zwar nicht erwerbsfähig iS des SGB II, aber nicht voll erwerbsgemindert nach dem SGB VI sind, sei ausgeschlossen (BT-Drucks 16/10810, aaO). Der Gesetzgeber hat diese Ergänzung des § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II ausdrücklich nicht als Neuregelung im Sinne einer konstitutiven Änderung definiert. Vielmehr hat er in seiner Gesetzesbegründung zum Ausdruck gebracht, dass es sich insofern um eine Klarstellung handelt, die den - bereits oben herausgestellten - Grundsatz der Gleichbehandlung von Menschen mit Behinderungen im SGB II und SGB XII, der durch das Fortentwicklungsgesetz eingeleitet wurde, sicherstellen soll. § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB II im Sinne des Gesetzes zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente hat damit lediglich klarstellende Funktion.

23

4. Dem Kläger zu 4 steht auch der vom BVerfG (Urteil vom 9.2.2010, aaO) geschaffene Anspruch auf Leistungen zur Sicherstellung eines unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarfs nicht zu. Der Senat kann dabei ausdrücklich offen lassen, ob dieser Anspruch für Zeiträume, die vor dem der Entscheidung des BVerfG liegen, überhaupt gegeben ist. Dies hat der 4. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) in seinem Urteil vom 18.2.2010 (B 4 AS 29/09 R, RdNr 34 ff) ausdrücklich bejaht (anders offenbar BVerfG Urteil vom 24.3.2010 - 1 BvR 395/09) und mithin auch eine rückwirkende Anwendung des neuen verfassungsrechtlichen Härteanspruchs im SGB II für möglich gehalten. Die Feststellungen der Vorinstanzen lassen jedenfalls nicht erkennen, dass die tatsächlichen Voraussetzungen eines solchen Härtefallanspruchs in der streitigen Zeit vorgelegen haben. Ermittlungen "ins Blaue hinein" sind insoweit auch nach der Rechtsprechung des 4. Senats des BSG (aaO, RdNr 32) nicht geboten, sodass eine Rückverweisung an das LSG zu weiteren Tatsachenfeststellungen nicht in Betracht kam.

24

Hierbei war auch zu berücksichtigen, dass nach dem Willen des BVerfG der neue Anspruch erst dann entsteht, wenn der Bedarf so erheblich ist, dass die Gesamtsumme der dem Hilfebedürftigen gewährten Leistung - einschließlich der Leistungen Dritter und unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten des Hilfebedürftigen - das menschenwürdige Existenzminimum nicht mehr gewährleistet (BVerfG Urteil vom 9.2.2010, Umdruck S 74; RdNr 208). Das BVerfG geht davon aus, dass dieser zusätzliche Anspruch angesichts seiner engen Tatbestandsvoraussetzungen nur in seltenen Fällen entstehen dürfte (BVerfG, aaO). Der Kläger zu 4 war im streitigen Zeitraum drei bzw vier Jahre alt. Ihm war bereits ein monatlicher Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung gemäß § 21 Abs 4 SGB II zuerkannt worden. Mit Anerkennung des Merkzeichens "G" stand ihm als Empfänger von Leistungen nach dem SGB II die Möglichkeit offen, ohne jede Eigenbeteiligung am öffentlichen Personennahverkehr teilzunehmen (§ 145 Abs 1 SGB IX; der Erwerb einer Wertmarke war gemäß § 145 Abs 1 Satz 5 Nr 2 SGB IX nicht erforderlich; vgl auch Bieritz-Harder in HK-SGB IX, 3. Aufl, § 145 RdNr 16). Weitere Gesichtspunkte, die einen besonderen Härtefall im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG begründen könnten, sind nicht ersichtlich oder vorgetragen.

25

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.

Das Bundessozialgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Das Bundessozialgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

Tenor

Die Revision der Beigeladenen gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 25. November 2010 wird zurückgewiesen.

Die Beigeladene trägt die Kosten der Klägerin im Revisionsverfahren. Die Beklagte trägt die durch die Rücknahme der Revision entstandenen Kosten. Im Übrigen sind im Revisionsverfahren keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Erstattung der den Festbetrag übersteigenden Kosten der Hörgeräteversorgung der Klägerin in Höhe von 1956,90 Euro, wobei die Beklagte - insoweit in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen - die Beigeladene und umgekehrt die Beigeladene die Beklagte als im Außenverhältnis zur Klägerin zuständig und passivlegitimiert ansieht.

2

Die 1965 geborene Klägerin ist bei dem beklagten Rentenversicherungsträger renten- und bei der beigeladenen Krankenkasse krankenversichert. Sie leidet an einer progredienten hochgradigen Innenohrschwerhörigkeit rechts, einer mittelgradigen Innenohrschwerhörigkeit links sowie an einem beidseitigen Tinnitus. Deshalb ist sie seit langer Zeit auf ein Hörgerät angewiesen. Sie ist Diplom-Pflegewirtin und seit Mai 2006 als Qualitätsmanagementbeauftragte bei einem Wohlfahrtsverband beschäftigt.

3

Der behandelnde Vertragsarzt verordnete der Klägerin am 9.6.2006 wegen der beidseitigen Schallempfindungsschwerhörigkeit eine Hörhilfe links, da die bisherige Hörhilfe "zu alt" sei. In der Folgezeit versorgte das Hörakustikstudio S., ein Vertragspartner der Beigeladenen iS von § 126 Abs 1 S 1 SGB V, die Klägerin mit dem Hörgerät Savia 211 (Dokumentation zur Hörgeräteanpassung vom 28.9.2006). Zuvor hatte der Leistungserbringer zu einem nicht genau feststellbaren Zeitpunkt vor dem 12.7.2006 der Beigeladenen die Versorgung der Klägerin angezeigt und hierzu das Formular nach Anlage 3 des "Vertrages zur Komplettversorgung mit Hörsystemen" verwendet. Ausweislich eines Ausdrucks der unter dem Namen der Klägerin gespeicherten elektronischen Daten dokumentierte die Beigeladene einen "Antrag vom 12.07.2006", unter dem Status Preisprüfung den Vermerk "Endgültig entschieden am 12.07.2006" und unter der Überschrift Leistungsfälle und Zusätze "Hilfsmittel - 12.07.2006 - 132003. Hörgerät li. Versorgungspauschale bewilligt". Am 23.10.2006 stellte der Leistungserbringer der Klägerin für das Hörgerät nebst Nature-Otoplastik und Reparatur-Pauschale "abzüglich der Krankenkassen-Anteile" 1956,90 Euro in Rechnung, die diese vollständig beglich. Dem Leistungserbringer überwies die Beigeladene im November 2006 einen Betrag von 655 Euro; damit waren unter Abzug der Zuzahlung der Klägerin von 10 Euro (§ 33 Abs 8 iVm § 61 SGB V) der Festbetrag für das Hörgerät von 421 Euro sowie die Kosten der Otoplastik (35 Euro) und die Reparatur-Pauschale (209 Euro) abgedeckt.

4

Im Hinblick auf die absehbare Entscheidung der Beigeladenen, nur den Festbetrag zu leisten, hatte die Klägerin am 25.7.2006 bei der Beklagten Leistungen zur Rehabilitation für Versicherte in Form einer Kostenübernahme für ein höherwertiges Hörgerät beantragt und zur Begründung ausgeführt, ohne die begehrte Versorgung könne sie die Fortbildung von Mitarbeitern, die Moderation von Qualitätszirkeln und die Leitung von Arbeitsgruppen und damit Schwerpunkte ihrer Tätigkeit als Qualitätsmanagementbeauftragte nicht mehr ausüben. Die Beklagte lehnte dies ab, weil Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nur dann in Form eines Hilfsmittels erbracht werden könnten, wenn dieses ausschließlich zur Ausübung eines bestimmten Berufes oder zur Teilnahme an einer bestimmten beruflich vorbereitenden Maßnahme benötigt werde. Dies sei nach ärztlicher Prüfung bei der Klägerin nicht der Fall; die gewählte höherwertige Ausstattung des Hörgeräts diene nicht ausschließlich der Ausübung des Berufs als Qualitätsmanagementbeauftragte, sondern vielmehr für jeden Bereich des täglichen Lebens bzw für jedwede Form der Berufsausübung (Bescheid vom 3.8.2006, Widerspruchsbescheid vom 22.11.2006).

5

Das SG hat die Krankenkasse der Versicherten beigeladen und die gegen den Rentenversicherungsträger gerichtete Klage abgewiesen, gleichzeitig aber die Beigeladene verurteilt, der Klägerin die Kosten für das selbst beschaffte Hörgerät in Höhe von 1956,90 Euro zu erstatten (Urteil vom 30.11.2009). Das LSG hat die von der Beigeladenen eingelegte Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 3.8.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.11.2006 aufgehoben wird (Urteil vom 25.11.2010): Die Beigeladene sei nach § 14 SGB IX als erstangegangener Träger zuständig geworden. Bei der Versorgungsanzeige des Leistungserbringers handele es sich jedenfalls auch um einen Leistungsantrag der Klägerin, da die Beigeladene unmissverständlich darüber informiert worden sei, dass die Klägerin ein Hörgerät wünsche. Davon sei die Beigeladene selbst ausgegangen, weil sie durch die Zahlung des Festbetrags an den Leistungserbringer eine antragsabhängige Leistung erbracht habe. Der Anspruch der Klägerin gegen die Beigeladene auf Kostenerstattung beruhe auf § 15 Abs 1 SGB IX. Sie habe sich das Hörgerät erst am 23.10.2006 und damit nach der Ablehnung durch die Beklagte (Bescheid vom 3.8.2006) selbst beschafft. Der dem Anspruch auf Kostenerstattung zugrunde liegende Sachleistungsanspruch ergebe sich aus § 9 Abs 1 und 2, § 15 Abs 1 S 1 SGB VI iVm § 26 Abs 1 und 2 Nr 6, § 31 SGB IX, da die Klägerin ihre bisherige Tätigkeit ohne die begehrte Versorgung nicht weiter hätte ausüben können.

6

Mit der vom LSG zugelassenen Revision wendet sich die Beigeladene in erster Linie dagegen, nach § 14 SGB IX als erstangegangener Leistungsträger zu gelten und damit für den Versorgungsfall zuständig geworden zu sein. Bei ihr sei kein Antrag der Klägerin eingegangen. Die vom LSG als Antrag angesehene Versorgungsanzeige sei allein Bestandteil der Innenkommunikation zwischen Leistungserbringer und Krankenkasse zur Gewährung einer Sachleistung, durch die im Wesentlichen die Mitgliedschaft des Versicherten geklärt werde. Sie habe erstmals im Rahmen des Abschlussberichts des Hörakustikstudios Anhaltspunkte für entstandene Mehrkosten erhalten. Zu diesem Zeitpunkt habe die Klägerin aber längst ihren Teilhabeantrag bei der Beklagten gestellt. Im Übrigen bestehe kein Anspruch über den bereits bezahlten Festbetrag hinaus.

7

Die Beigeladene beantragt,
die Urteile des LSG Berlin-Brandenburg vom 25.11.2010 und des SG Berlin vom 30.11.2009 zu ändern und die Klage im Hinblick auf sie als Beigeladene abzuweisen.

8

Die Klägerin und die Beklagte verteidigen das angefochtene Berufungsurteil und beantragen jeweils,

        

die Revision zurückzuweisen.

9

Die Beklagte hatte ursprünglich ebenfalls Revision eingelegt (Telefax vom 22.2.2011), diese aber mangels Beschwer wieder zurückgenommen (Schriftsatz vom 18.3.2011).

Entscheidungsgründe

10

Die Revision der Beigeladenen ist zulässig, aber nicht begründet. Die Klägerin hat, wie die Vorinstanzen zu Recht entschieden haben, gegen die Beigeladene einen Anspruch auf Erstattung der durch den Festbetrag nicht gedeckten Kosten der Hörgeräteversorgung in Höhe von 1956,90 Euro. Dieser Anspruch besteht zwar nicht gegen die Beigeladene als für das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zuständigem Leistungsträger (§ 13 Abs 3 S 1 SGB V); leistungspflichtig ist die Beigeladene jedoch als im Verhältnis zur Klägerin auch für die rentenversicherungsrechtliche Hilfsmittelversorgung zuständig gewordener erstangegangener Leistungsträger (Erstattungsanspruch nach § 15 Abs 1 S 4 iVm § 14 Abs 1 SGB IX).

11

1. Streitgegenstand ist der Anspruch der Klägerin auf Erstattung der den Festbetrag (§ 36 SGB V) übersteigenden Kosten des Hörgeräts entweder durch die Beklagte oder durch die Beigeladene. Insoweit ist der beim LSG anhängig gewesene Streitstoff vollständig auch beim BSG angefallen, obwohl nach der Rücknahme des von der Beklagten eingelegten Rechtsmittels nur noch die von der Beigeladenen eingelegte Revision zur Entscheidung ansteht und die Klägerin schon gegen die Abweisung der Klage gegen die Beklagte nicht mit einem eigenen Rechtsmittel - etwa im Wege der Anschlussberufung zu der von der Beigeladenen eingelegten Berufung - vorgegangen war. Das ergibt sich aus der durch § 75 Abs 5 SGG eröffneten - und einer sowohl vom SG als auch vom LSG realisierten - Befugnis, anstelle des verklagten Versicherungs- oder Leistungsträgers nach Beiladung den tatsächlich leistungsverpflichteten, aber nicht verklagten Träger zu verurteilen. Diese prozessual vorgesehene Möglichkeit der Verurteilung auf Beiladung dient vor allem der Prozessökonomie, einer Klageänderung (§ 99 SGG) bedarf es dabei nicht. Um der Vorstellung des SGG-Gesetzgebers in vollem Umfang gerecht werden zu können, muss auch die nächste Instanz über alle in Frage kommenden prozessualen Ansprüche entscheiden können, wenn nur der unterlegene - beigeladene - Versicherungsträger Rechtsmittel eingelegt hat, wie es hier bereits im Berufungsrechtszug geschehen war und nunmehr auch im Revisionsverfahren der Fall ist. Anderenfalls könnten einander widersprechende Entscheidungen ergehen mit der Folge, dass der Kläger mit seinem Klagebegehren zunächst gegen den einen Versicherungsträger und in einer weiteren Instanz gegen den anderen Träger nicht durchdringt, obwohl feststeht, dass gegen einen von beiden jedenfalls der Anspruch besteht. Der Kläger müsste ggf ein Wiederaufnahmeverfahren nach § 180 SGG betreiben, also ein weiteres Verfahren einleiten; dies wäre in höchstem Maße prozessunökonomisch und soll durch die Regelung des § 75 Abs 5 SGG gerade vermieden werden. Deshalb muss im Revisionsverfahren - wie das BSG schon wiederholt ausgeführt hat - auch über den Anspruch entschieden werden, der gegen die Beklagte gerichtet war, obgleich die Klage gegen diese abgewiesen worden ist und nur die verurteilte Beigeladene im zweiten Rechtszug Berufung und im dritten Rechtszug Revision eingelegt hat (BSGE 9, 67, 69 f; BSG SozR 2200 § 1237a Nr 16 S 37; BSG SozR 2200 § 1236 Nr 31 S 57 f; BSGE 102, 90 = SozR 4-2500 § 33 Nr 21, RdNr 10).

12

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist also im Verhältnis zu der von der Klägerin im Klagewege in Anspruch genommenen Beklagten deren Bescheid vom 3.8.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.11.2006, mit der die Übernahme (Sachleistungsanspruch) bzw später die Erstattung (Kostenerstattungsanspruch) der den Festbetrag übersteigenden Kosten der Hörgeräteversorgung in Höhe von 1956,90 Euro abgelehnt worden war. Verfahrensgegenstand ist aber auch die für das Verhältnis der Klägerin zu der Beigeladenen maßgebende Entscheidung vom 12.7.2006, die begehrte Hörgeräteversorgung auf den Festbetrag zu beschränken, eine technisch aufwändigere und teurere Versorgung also abzulehnen. Über diese Verwaltungsentscheidung der Beigeladenen ist zu befinden, weil eine unmittelbare Verurteilung der Beigeladenen nach § 75 Abs 5 SGG voraussetzt, dass dieser Ablehnungsentscheidung im Verhältnis zwischen der Klägerin und der Beigeladenen keine Bindungswirkung zukommt. Im Falle einer solchen Bindungswirkung wäre eine Verurteilung der Beigeladenen nach § 75 Abs 5 SGG ausgeschlossen(BSG SozR 1500 § 75 Nr 38; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 75 RdNr 18b).

13

2. Die Klägerin macht den Anspruch auf Kostenerstattung für die in Höhe von 1956,90 Euro selbst finanzierte Hörgeräteversorgung zu Recht mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs 4 SGG geltend. Die Klage ist gegenüber der Beklagten fristgerecht nach erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren (§ 87 SGG) erhoben worden und auch ansonsten zulässig. Die Verurteilung der Beigeladenen kann auf der Grundlage des § 75 Abs 5 SGG erfolgen; hierzu bedarf es insbesondere keines abgeschlossenen Vorverfahrens iS des § 83 SGG(Leitherer, aaO, § 75 RdNr 18b unter Hinweis auf BSG SozR Nr 27 zu § 75 SGG).

14

3. Die Klägerin hat sich mit ihrem Begehren nach einer verbesserten Hörgeräteversorgung zunächst an die Beigeladene als krankenversicherungsrechtlichen Leistungsträger (§ 33 SGB V) und nach Kenntnis von deren auf den Festbetrag (§ 36 iVm § 12 Abs 2 SGB V) beschränkter Leistungsbewilligung zusätzlich an die Beklagte als rentenversicherungsrechtlichen Leistungsträger (§ 15 Abs 1 SGB VI iVm § 26 Abs 2 Nr 6 und § 31 SGB IX) gewandt, um auch den offenen Restbetrag als Versicherungsleistung gewährt zu bekommen. Die Zuständigkeit der Beklagten als für die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 9 Abs 1 S 1 SGB VI iVm § 5 Nr 2 und § 6 Abs 1 Nr 4 SGB IX) einstandspflichtigen Versicherungsträger kam hier in Betracht, weil die als Diplom-Pflegewirtin ausgebildete Klägerin die Notwendigkeit der verbesserten Hörgeräteversorgung damit begründet hat, anderenfalls ihre gerade erst angetretene neue Beschäftigung als Qualitätsmanagementbeauftragte für den Pflegesektor eines Wohlfahrtsverbandes nicht (mehr) ausüben zu können.

15

Der Frage nach der rentenversicherungsrechtlichen Zuständigkeit der Beklagten für die begehrte Rehabilitationsleistung stellt sich jedoch nur, wenn der Leistungsantrag der Klägerin vom 25.7.2006 mit Blick auf die Zuständigkeitsregelung des § 14 SGB IX als rehabilitationsrechtlicher Erstantrag zu werten ist. Ist er hingegen nur als wiederholender Antrag (Zweitantrag) im Rahmen eines durch den bereits Ende Juni/Anfang Juli 2006 bei der Beigeladenen gestellten Leistungsantrag eingeleiteten einheitlichen rehabilitationsrechtlichen Verwaltungsverfahrens anzusehen, wäre eine rentenversicherungsrechtliche Zuständigkeit der Beklagten nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX im ausschließlich maßgeblichen Außenverhältnis zur Klägerin ausgeschlossen. Vielmehr wäre dann die Beigeladene im Verhältnis zur Klägerin allein zuständiger Rehabilitationsträger für den Versorgungsfall geworden. Das ist nach den Gegebenheiten dieses Falles zu bejahen.

16

a) Nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX verliert der materiell-rechtlich - eigentlich - zuständige Rehabilitationsträger(§ 6 SGB IX) im Außenverhältnis zum Versicherten oder Leistungsempfänger seine Zuständigkeit für eine Teilhabeleistung, sobald der zuerst angegangene Rehabilitationsträger (hier: die beigeladene Krankenkasse) eine iS von § 14 Abs 1 SGB IX fristgerechte Zuständigkeitsklärung versäumt hat und demzufolge die Zuständigkeit nach allen in Betracht kommenden rehabilitationsrechtlichen Rechtsgrundlagen auf ihn übergegangen ist. Sinn dieser Regelung ist es, zwischen den betroffenen behinderten Menschen und Rehabilitationsträgern schnell und dauerhaft die Zuständigkeit zu klären und so Nachteilen des gegliederten Systems entgegenzuwirken (vgl BT-Drucks 14/5074 S 95 zu Nr 5 und S 102 f zu § 14). Deshalb ist der erstangegangene Rehabilitationsträger gehalten, innerhalb von zwei Wochen nach Eingang eines Antrags auf Leistungen zur Teilhabe festzustellen, ob er nach dem für ihn geltenden gesetzlichen Regelwerk für die Leistung zuständig ist; bei den Krankenkassen umfasst die Prüfung auch die Leistungspflicht nach § 40 Abs 4 SGB V(§ 14 Abs 1 S 1 SGB IX). Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu. Muss für eine solche Feststellung die Ursache der Behinderung geklärt werden - vor allem in den Systemen der Unfallversicherung und der sozialen Entschädigung - und ist diese Klärung in der Frist nach § 14 Abs 1 S 1 SGB IX nicht möglich, wird der Antrag unverzüglich dem Rehabilitationsträger zugeleitet, der dem Grunde nach zuständig wäre und die Leistung dann zunächst ohne Rücksicht auf die Ursache erbringt(§ 14 Abs 1 S 2 und 3 SGB IX). Anderenfalls bestimmt § 14 Abs 2 S 1 SGB IX: "Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf unverzüglich fest." Diese Zuständigkeit nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX erstreckt sich im Außenverhältnis zwischen dem Antragsteller und dem erstangegangenen Rehabilitationsträger auf alle Rechtsgrundlagen, die überhaupt in dieser Bedarfssituation rehabilitationsrechtlich vorgesehen sind(BSGE 93, 283 = SozR 4-3250 § 14 Nr 1, RdNr 15 ff; BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4, RdNr 14; BSGE 102, 90 = SozR 4-2500 § 33 Nr 21, RdNr 23). Dadurch wird eine nach außen verbindliche Zuständigkeit des erstangegangenen Rehabilitationsträgers geschaffen, die intern die Verpflichtungen des eigentlich zuständigen Leistungsträgers unberührt lässt und die Träger insoweit auf den nachträglichen Ausgleich nach § 14 Abs 4 S 1 SGB IX und §§ 102 ff SGB X verweist(BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4, RdNr 14-16).

17

b) Erstangegangener Rehabilitationsträger iS von § 14 SGB IX ist derjenige Träger, der von dem Versicherten bzw Leistungsbezieher erstmals mit dem zu beurteilenden Antrag auf Bewilligung einer Leistung zur Teilhabe befasst worden ist. Diese Befassungswirkung fällt nach der Rechtsprechung des BSG grundsätzlich auch nach einer verbindlichen abschließenden Entscheidung des erstangegangenen Trägers nicht weg. Vielmehr behält der erstmals befasste Rehabilitationsträger seine Zuständigkeit nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX im Außenverhältnis zum Antragsteller regelmäßig auch dann weiter bei, wenn er, ohne den Antrag an den aus seiner Sicht zuständigen Rehabilitationsträger weitergeleitet zu haben, das Verwaltungsverfahren durch Erlass eines Verwaltungsakts abschließt(vgl § 8 SGB X), selbst wenn dieser bindend wird. Er bleibt deshalb auch für ein mögliches Verfahren nach § 44 SGB X zuständig, selbst wenn die Rechtswidrigkeit im Sinne dieser Vorschrift dann nur darin liegt, dass er die außerhalb seiner "eigentlichen" Zuständigkeit liegenden, nach dem Vorstehenden einschlägigen Rechtsgrundlagen nicht beachtet hat(BSGE 93, 283 = SozR 4-3250 § 14 Nr 1, RdNr 10; BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7, RdNr 31; BSGE 102, 90 = SozR 4-2500 § 33 Nr 21, RdNr 24).

18

4. Nach diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Fall die beigeladene Krankenkasse als erstangegangener Rehabilitationsträger für die begehrte Hörgeräteversorgung iS des § 14 SGB IX anzusehen. Die Beigeladene ist im Außenverhältnis zur Klägerin mangels Weiterleitung des Leistungsantrags an die Beklagte nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX für das Versorgungsbegehren ausschließlich zuständig geworden; dies schließt eine Zuständigkeit der Beklagten für die Erfüllung des Kostenerstattungsanspruchs als Rentenversicherungsträger aus.

19

a) Leistungen der GKV werden auf Antrag erbracht, soweit sich aus den Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige nichts Abweichendes ergibt (§ 19 S 1 SGB IV). Der Anspruch eines Versicherten auf Krankenbehandlung umfasst ua die Versorgung mit Hilfsmitteln (§ 27 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB V), und zwar nach Maßgabe des § 33 SGB V. Dieser Anspruch ist von der Krankenkasse grundsätzlich in Form einer Sachleistung (§ 2 Abs 2 S 1 SGB V) zu erbringen, wobei sie ihre Leistungspflicht gemäß § 12 Abs 2 SGB V mit dem Festbetrag erfüllt, wenn für die Leistung ein Festbetrag festgesetzt ist(BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 17 RdNr 13). Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels des SGB V Verträge mit den Leistungserbringern (§ 2 Abs 2 S 3 SGB V). Im vorliegenden Fall maßgeblich ist der zwischen der Bundesinnung der Hörgeräteakustiker KdöR und dem damaligen Verband der Angestellten-Krankenkassen e. V. sowie dem damaligen Arbeiter-Ersatzkassen-Verband e. V. für die Zeit ab 1.1.2004 geschlossene Vertrag nach §§ 126, 127 SGB V. Danach erfolgt die Abgabe von Hörhilfen auf der Grundlage einer ärztlichen Verordnung oder einer Bewilligung der Ersatzkassen (§ 4 Nr 1 S 1 des Vertrages). Unter der Überschrift "Verfahren bei vorheriger ärztlicher Verordnung" ist ua Folgendes vereinbart worden: "Nach Vorlage der Verordnung durch den Versicherten erstattet der Leistungserbringer eine Versorgungsanzeige (Anlage 3) gegenüber der leistungspflichtigen Ersatzkasse. Der Leistungserbringer erhält nach Prüfung der leistungsrechtlichen Voraussetzungen ein Bewilligungsschreiben der Ersatzkasse. Die Versorgung kann abgerechnet werden, wenn die zur Versorgung geeigneten Hörhilfen nach der Anpassung an den Versicherten ausgeliefert sind und der HNO-Arzt eine ausreichende Hörverbesserung und die Zweckmäßigkeit der Hörhilfe bestätigt hat" (§ 4 Nr 1 S 2 des Vertrages).

20

b) Der Senat kann offenlassen, ob die maßgebliche Antragstellung iS des § 14 SGB IX durch Übergabe der vertragsärztlichen Hörgeräteverordnung vom 9.6.2006 seitens der Klägerin an den Hörgeräteakustiker oder erst durch dessen Versorgungsanzeige bei der Krankenkasse erfolgt ist. In dem einen wie in dem anderen Fall läge ein Leistungsbegehren der Klägerin und damit ein Leistungsantrag iS des § 19 S 1 SGB IV vor, der in der Zeit zwischen dem 9.6.2006 (Tag der vertragsärztlichen Verordnung) und dem 12.7.2006 (Tag der Verwaltungsentscheidung) bei der Beigeladenen eingegangen ist. Deren Einwand, die vom LSG als Antrag angesehene Versorgungsanzeige sei allein Bestandteil der Innenkommunikation zwischen Leistungsbringer und Krankenkasse zur Gewährung einer Sachleistung (§ 2 Abs 2 S 1 SGB V), durch die im Wesentlichen die Mitgliedschaft des Versicherten (vgl § 19 Abs 1 SGB V) geklärt werde, ist unzutreffend und wirklichkeitsfremd. Wenn sich ein Rehabilitationsträger - wie hier und bei der Hörgeräteversorgung wohl allgemein üblich - seiner leistungsrechtlichen Verantwortung durch sog "Verträge zur Komplettversorgung" nahezu vollständig entzieht und dem Leistungserbringer quasi die Entscheidung darüber überlässt, ob dem Versicherten eine Teilhabeleistung (wenn auch nur zum Festbetrag) zuteil wird, dann erfüllt er weder seine Pflicht zur ordnungsgemäßen Einzelfallprüfung nach § 33 SGB V noch befolgt er die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit(§ 12 Abs 1 und § 70 Abs 1 S 2 SGB V). Wer sich der Pflicht zur Antragsentgegennahme (§ 16 SGB I) verweigert, kann sich nicht darauf berufen, es sei bei ihm kein Antrag gestellt worden. Es mutet zudem abenteuerlich an, dass die Rehabilitationsträger die Versorgung mit bestimmten Hilfsmitteln - hier: Hörgeräte - praktisch nicht mehr selbst vornehmen, sondern in die Hände der Leistungserbringer "outgesourced" haben. Dass ein solches Vorgehen weder dem Grundgedanken der Festbetragsregelung gerecht wird noch zur Kostendämpfung beiträgt, dürfte klar auf der Hand liegen. Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass die Beigeladene hinsichtlich der erfolgten Versorgung keinerlei nachprüfbare Unterlagen vorlegen konnte, wie dies in ihrem "Vertrag zur Komplettversorgung" mit den Hörgeräteakustikern vorgeschrieben ist. Es existiert lediglich ein Datenauszug, der mit Datum 12.7.2006 die Bewilligung eines Hörgeräts und des Festbetrages dokumentiert - ohne jede weitere Überprüfung des Leistungsfalles. Der Senat hält eine derartige Praxis im Umgang mit dem Leistungsrecht des SGB V für nicht mehr akzeptabel.

21

c) Der Antrag der Klägerin richtet sich auf die Versorgung mit einem Hörgerät und ist als solcher nach ständiger Rechtsprechung des BSG ein Antrag auf Teilhabeleistungen iS von § 14 Abs 1 S 1 SGB IX(BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7, RdNr 34; BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 8, RdNr 18). Dabei geht es nach der Auslegungsregel des § 2 Abs 2 SGB I um eine umfassende, nach Maßgabe des Leistungsrechts des Sozialgesetzbuches (hier: des Leistungsrechts der GKV nach dem SGB V sowie des Leistungsrechts der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem SGB VI) bestmögliche Versorgung mit einem neuen Hörgerät. Eine solche Auslegung des Leistungsbegehrens schließt die Aufspaltung des klägerischen Begehrens in zwei separate Leistungsanträge, nämlich in einem Antrag auf Bewilligung eines Festbetrages ("Normalversorgung", § 12 Abs 2 SGB V) und einen weiteren Antrag auf Bewilligung einer über den Festbetrag hinausgehenden, technisch anspruchsvolleren und teureren Versorgung ("Premiumversorgung"), von vornherein aus. Es ist also von einem einheitlichen, spätestens am 12.7.2006 bei der Beigeladenen gestellten Leistungsantrag auszugehen.

22

d) Dieser Antrag entspricht inhaltlich den Anforderungen, die an einen Antrag nach § 14 Abs 1 S 1 SGB IX zu stellen sind.

23

Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut genügt ein Antrag auf Leistungen zur Teilhabe, um die Zuständigkeitsprüfung des erstangegangenen Leistungsträgers und die Zwei-Wochen-Frist in Gang zu setzen. Ein solcher lag hier - wie bereits dargestellt - jedenfalls in Form der Versorgungsanzeige des Hörakustikstudios spätestens am 12.7.2006 vor. Eine andere Auslegung liefe dem Gesetzeszweck zuwider, im Interesse behinderter und von Behinderung bedrohter Menschen durch rasche Klärung von Zuständigkeiten Nachteilen im gegliederten System entgegenzuwirken (BT-Drucks 14/5074 S 102 f zu § 14). Soweit die Beigeladene darauf hinweist, dass dem Antrag der Klägerin, hier also der Versorgungsanzeige des Hörakustikstudios und der beigefügten vertragsärztlichen Verordnung, die für eine Zuständigkeitsprüfung notwendigen Angaben fehlten, wäre es ihre Aufgabe als Versicherungsträger gewesen, diese Angaben zu ermitteln. Dies ergibt sich unmittelbar aus der gesetzlichen Pflicht zur Zuständigkeitsprüfung nach § 14 Abs 1 S 1 SGB IX in Verbindung mit dem Amtsermittlungsgrundsatz nach § 20 Abs 1 SGB X.

24

Auch der Hinweis der Beigeladenen auf die "Gemeinsamen Empfehlungen" der Rehabilitationsträger nach § 13 SGB IX führt zu keiner anderen Bewertung. Die Beigeladene vertritt die Auffassung, ein Antrag auf Teilhabe iS des § 14 Abs 1 S 1 SGB IX liege erst vor, wenn der Rehabilitationsträger über jene Aufgaben und Unterlagen verfüge, die eine Beurteilung der Zuständigkeit ermöglichten(§ 1 Abs 1 S 2 und 3 der Gemeinsamen Empfehlung nach § 13 Abs 2 Nr 3 SGB IX über die Ausgestaltung des in § 14 SGB IX bestimmten Verfahrens idF vom 28.9.2010). Die Behörde müsse solange nicht von einem Teilhabeleistungsantrag ausgehen, als bei verständiger Würdigung nicht erkennbar sei, dass und aus welchem Sozialleistungsbereich der Antragsteller Sozialleistungen begehre. Jede andere Bewertung würde die Leistungsfähigkeit der Krankenkassen sprengen.

25

Die Frage, ob dieser Rechtsauffassung der Beigeladenen und der ihr zugrunde liegenden Empfehlung nach § 13 Abs 2 Nr 3 SGB IX partiell zugestimmt werden kann oder ob die Empfehlung in dieser Allgemeinheit überhaupt mit § 14 Abs 1 S 1 SGB IX zu vereinbaren ist, braucht an dieser Stelle nicht abschließend entschieden zu werden; denn ein an die Krankenkasse gerichteter Antrag auf Versorgung mit einem Hörgerät ist jedenfalls auch auf Leistungen zur Teilhabe iS von §§ 1, 4 und 5 SGB IX gerichtet. Wie bereits ausgeführt, will der Versicherte im Zweifel die ihm günstigste Art der Leistungsgewährung in Anspruch nehmen; ein einmal gestellter Antrag ist also umfassend, dh auf alle nach Lage des Falles in Betracht kommenden Leistungen und Anspruchsgrundlagen hin zu prüfen (BSG SozR 4-2600 § 236a Nr 2 RdNr 21; BSG SozR 4-2600 § 43 Nr 9 RdNr 27; BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 14; BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7, RdNr 34), und insbesondere nicht "künstlich" in separate Teil-Leistungsanträge für die verschiedenen in Betracht kommenden Teilhabeleistungen aufzuspalten. Deshalb hatte die Beigeladene den Leistungsantrag von vornherein sowohl unter dem Aspekt der Hilfsmittelversorgung zur medizinischen Rehabilitation (§ 5 Nr 1, § 31 SGB IX, § 33 SGB V) als auch unter dem Aspekt der Hilfsmittelversorgung zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 5 Nr 2, § 33 Abs 8 S 1 Nr 4 SGB IX, §§ 9, 15 SGB VI) zu prüfen und danach die Zuständigkeit zu bestimmen. Die Frage, ob die Hörgeräteversorgung auch (oder nur) zur weiteren Berufsausübung benötigt wurde, hätte ohne Weiteres durch eine Nachfrage bei der Klägerin (zB per Telefon) geklärt werden können und berechtigte grundsätzlich nicht zu einer Verschiebung des Beginns der Zwei-Wochen-Frist des § 14 Abs 1 S 1 SGB IX. Der Gesetzgeber hat mit gutem Grund eine strenge Zwei-Wochen-Frist für die Prüfung der Zuständigkeit für die Entscheidung von Anträgen auf Teilhabeleistungen gesetzt und deren Verlängerung nicht vorgesehen (vgl § 14 Abs 1 S 3 SGB IX).

26

e) Nachdem die Beigeladene den Antrag der Klägerin auf Leistungen zur Teilhabe nicht innerhalb von zwei Wochen ab dessen Eingang weitergeleitet hat, oblag es ihr, unverzüglich den Rehabilitationsbedarf der Klägerin festzustellen (§ 14 Abs 2 S 1 SGB IX). Diese Zuständigkeit der Beigeladenen ist ausschließlicher Natur; denn die Zuständigkeit des erstangegangenen Rehabilitationsträgers nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX schließt im Außenverhältnis zum Versicherten die Zuständigkeiten aller anderen Träger aus(BSGE 93, 283 = SozR 4-3250 § 14 Nr 1, RdNr 15; BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4, RdNr 12 ff; BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7, RdNr 16; BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 8 RdNr 15; stRspr). Im Verhältnis zwischen dem erstangegangenen Träger und dem Leistungsberechtigten ist also der Anspruch anhand aller Rechtsgrundlagen zu prüfen, die überhaupt in der konkreten Bedarfssituation für Rehabilitationsträger vorgesehen sind. Darüber hinaus verlieren alle anderen Träger innerhalb des durch den Leistungsantrag ausgelösten Verwaltungsverfahrens ihre Zuständigkeit für die Gewährung von Rehabilitationsleistungen, was wiederum zur Folge hat, dass eventuell ergangene Bescheide wegen sachlicher Unzuständigkeit aufzuheben sind (BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 8 RdNr 16). Dementsprechend hat das LSG zu Recht die angefochtenen Entscheidungen der Beklagten mangels Zuständigkeit aufgehoben.

27

5. Zu Recht haben die Vorinstanzen die Beigeladene und nicht die Beklagte als für die Erstattung des von der Klägerin getragenen Kostenanteils in Höhe von 1956,90 Euro zuständig erachtet. Die Kostenerstattungspflicht der Beigeladenen beruht allerdings nicht auf ihrer Funktion als originär zuständiger Krankenversicherungsträger, sondern auf ihrer Eigenschaft als nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX umfassend zuständig gewordener erstangegangener Rehabilitationsträger, der die begehrte Teilhabeleistung auch unter dem Aspekt einer dem Rentenversicherungsträger obliegenden Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben(§ 5 Nr 2, § 6 Abs 1 Nr 4 SGB IX) zu prüfen hatte. Da die rentenversicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt waren, hätte die Beigeladene die der Klägerin angepasste Hörgeräteversorgung als Sachleistung erbringen müssen; die Beschränkung der Leistung auf den Festbetrag (§ 36 SGB V) war rechtswidrig.

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6. Grundlage des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs gegen die Beigeladene als zuständiger Krankenversicherungsträger ist § 13 Abs 3 S 1 Fall 2 SGB V(hier idF des Art 5 Nr 7 Buchst b SGB IX - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - vom 19.6.2001, BGBl I 1046). Danach gilt: Hat die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Der Erstattungsanspruch reicht, wie in der Rechtsprechung des BSG geklärt ist, nicht weiter als ein entsprechender - primärer - Sachleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (stRspr; vgl zB BSGE 79, 125, 126 f = SozR 3-2500 § 13 Nr 11 S 51 f mwN; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 11 mwN; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 19 RdNr 12; vgl zum Ganzen auch Hauck in: Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Bd 1, Stand: 1.1.2012, § 13 SGB V RdNr 233 ff). Der Anspruch ist demgemäß gegeben, wenn die Krankenkasse die Erfüllung eines Naturalleistungsanspruchs rechtswidrig abgelehnt und der Versicherte sich die Leistung selbst beschafft hat, wenn weiterhin ein Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung besteht, die selbst beschaffte Leistung notwendig ist und die Selbstbeschaffung eine rechtlich wirksame Kostenbelastung des Versicherten ausgelöst hat (vgl zuletzt BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 25; eingehend Hauck, aaO, mwN). Diese Voraussetzungen wären nur erfüllt, wenn die Beigeladene ihre Leistungspflicht nach dem Leistungsrecht des SGB V zu Unrecht auf den Festbetrag begrenzt und die vollständige Erfüllung des gegebenen Leistungsanspruchs rechtswidrig abgelehnt hätte. Dies ist jedoch nicht der Fall, weil der Klägerin kein krankenversicherungsrechtlicher Anspruch auf die angepasste "Primärversorgung" zustand.

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7. Rechtsgrundlage des in erster Linie verfolgten krankenversicherungsrechtlichen Leistungsanspruchs ist § 33 Abs 1 S 1 SGB V, hier in der zum Zeitpunkt der Leistungsverschaffung geltenden Fassung des Art 1 Nr 20 Buchst a bb des Gesetzes zur Modernisierung der GKV(GKV-Modernisierungsgesetz - GMG) vom 14.11.2003 (BGBl I 2190, im Folgenden: § 33 SGB V aF). Hiernach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, wenn sie erstens nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens oder nach § 34 Abs 4 SGB V aus der GKV-Versorgung ausgeschlossen und zweitens im Einzelfall erforderlich sind, um entweder den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. Demgemäß besteht nach § 33 Abs 1 S 1 SGB V ein Anspruch auf Hörhilfen, die nur von hörbehinderten Menschen benutzt werden und deshalb kein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens sind, auch nicht nach § 34 Abs 4 SGB V aus der GKV-Versorgung ausgeschlossen sind und weder der Krankenbehandlung noch der Vorbeugung einer Behinderung dienen, soweit sie im Rahmen des Notwendigen und Wirtschaftlichen(§ 12 Abs 1 SGB V) für den von der Krankenkasse geschuldeten Behinderungsausgleich erforderlich sind.

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8. Der von den Krankenkassen geschuldete Behinderungsausgleich bemisst sich nach ständiger Rechtsprechung des für die GKV-Hilfsmittelversorgung ausschließlich zuständigen 3. Senats des BSG entscheidend danach, ob eine Leistung des unmittelbaren oder des mittelbaren Behinderungsausgleichs beansprucht wird (BSGE 105, 170 = SozR 4-2500 § 36 Nr 2, RdNr 14 ff). Insoweit hat der in § 33 Abs 1 S 1 SGB V als 3. Variante genannte Zweck (vgl jetzt auch § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX) für die im Rahmen der GKV gebotene Hilfsmittelversorgung zwei Ebenen.

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a) Im Bereich des unmittelbaren Behinderungsausgleichs ist die Hilfsmittelversorgung grundsätzlich von dem Ziel eines vollständigen funktionellen Ausgleichs geleitet. Im Vordergrund steht dabei der unmittelbare Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion. Davon ist auszugehen, wenn das Hilfsmittel die Ausübung der beeinträchtigten Körperfunktion - hier das Hören - selbst ermöglicht, ersetzt oder erleichtert. Für diesen unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts (§ 2 Abs 1 S 3 SGB V). Dies dient in aller Regel ohne gesonderte weitere Prüfung der Befriedigung eines Grundbedürfnisses des täglichen Lebens iS von § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX, weil die Erhaltung bzw Wiederherstellung einer Körperfunktion als solche schon ein Grundbedürfnis in diesem Sinne ist. Deshalb kann auch die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem gesunden Menschen erreicht ist (BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 4 - C-Leg II). Das Maß der notwendigen Versorgung würde deshalb verkannt, wenn die Krankenkassen ihren Versicherten Hörgeräte ungeachtet hörgerätetechnischer Verbesserungen nur "zur Verständigung beim Einzelgespräch unter direkter Ansprache" zur Verfügung stellen müssten. Teil des von den Krankenkassen nach § 33 Abs 1 S 1 SGB V geschuldeten - möglichst vollständigen - Behinderungsausgleichs ist es vielmehr, hörbehinderten Menschen im Rahmen des Möglichen auch das Hören und Verstehen in größeren Räumen und bei störenden Umgebungsgeräuschen zu eröffnen und ihnen die dazu nach dem Stand der Hörgerätetechnik(§ 2 Abs 1 S 3 SGB V)jeweils erforderlichen Geräte zur Verfügung zu stellen. Das schließt - wie die Beigeladene zu Recht nicht in Zweifel gezogen hat - je nach Notwendigkeit auch die Versorgung mit digitalen Hörgeräten ein.

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b) Beschränkter sind die Leistungspflichten der GKV, wenn die Erhaltung bzw Wiederherstellung der beeinträchtigten Körperfunktion nicht oder nicht ausreichend möglich ist und deshalb Hilfsmittel zum Ausgleich von direkten und indirekten Folgen der Behinderung benötigt werden (sog mittelbarer Behinderungsausgleich). Dann sind die Krankenkassen ständiger Rechtsprechung des Senats zufolge nur für einen Basisausgleich von Behinderungsfolgen eintrittspflichtig. Es geht hier nicht um einen Ausgleich im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten eines gesunden Menschen. Denn Aufgabe der GKV ist in allen Fällen allein die medizinische Rehabilitation (vgl § 1 SGB V sowie § 6 Abs 1 Nr 1 iVm § 5 Nr 1 und 3 SGB IX), also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolges, um ein selbstständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme. Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich ist von der GKV deshalb nur dann zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Zu diesen allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehören nach ständiger Rechtsprechung des BSG das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, die Nahrungsaufnahme, das Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums (BSGE 93, 176, 180 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7, RdNr 12; BSGE 91, 60, 63 = SozR 4-2500 § 33 Nr 3, RdNr 10; BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 14; stRspr). Für den Ausgleich darüber hinausreichender Behinderungsfolgen haben beim mittelbaren Behinderungsausgleich hingegen ggf andere Sozialleistungssysteme Sorge zu tragen.

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c) Dies gilt entgegen einer als überholt anzusehenden (BSGE 105, 170 = SozR 4-2500 § 36 Nr 2, RdNr 17) Entscheidung des 13. Senats des BSG vom 21.8.2008 (BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7 - digitales Hörgerät für Lagerarbeiter) auch für Gebrauchsvorteile im Beruf. Seiner Ansicht nach sollten die Krankenkassen auch für Hilfsmittel in Anspruch genommen werden können, die (nur) für die Berufsausübung erforderlich sind (aaO, RdNr 43). Dem ist nicht zu folgen, weil Auswirkungen bei der oder auf die Berufsausübung für die Hilfsmittelgewährung nach dem SGB V grundsätzlich unbeachtlich sind. Für Leistungen der medizinischen Rehabilitation und demgemäß nach § 26 Abs 2 Nr 6 SGB IX auch für die Versorgung mit Hilfsmitteln sind die Krankenkassen nicht allein zuständig, sondern ebenso Rehabilitationsträger wie ua die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung(vgl §§ 9 Abs 1 S 1, 15 Abs 1 S 1 SGB VI iVm § 31 SGB IX) und die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung (vgl § 31 Abs 1 S 1 SGB VII). Dies rechtfertigt die Leistungsbegrenzung in der GKV auf solche Hilfsmittel, mit denen die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder gemildert werden können und die damit ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens betreffen (stRspr; vgl zuletzt BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7, RdNr 12 - schwenkbarer Autositz bei Wachkomaversorgung; BSGE 91, 60 RdNr 9 = SozR 4-2500 § 33 Nr 3 RdNr 10 - Rollstuhl-Ladeboy; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 31 S 185 - Rollstuhl-Bike; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 32 S 191 - Therapie-Tandem). Die demgegenüber vom 13. Senat des BSG angeführte und noch zu §§ 182, 182b Reichsversicherungsordnung ergangene frühere Rechtsprechung(insbesondere BSG SozR 2200 § 182b Nr 36 und BSG SozR 2200 § 182 Nr 116) ist unter Geltung des SGB V nicht weiterverfolgt worden. Hätte die GKV heute auch noch jenseits des elementaren Basisausgleichs für den Ausgleich jeglicher mittelbarer Behinderungsfolgen aufzukommen, wäre die überkommene und im SGB IX ausdrücklich bekräftigte (vgl § 6 Abs 1 und 2, § 7 S 2 SGB IX)Aufgabenteilung zwischen den Krankenkassen einerseits sowie den Trägern ua der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung andererseits auf dem Gebiet der medizinischen Rehabilitation hinfällig. Ausschließlich berufliche und arbeitsplatzspezifische Gebrauchsvorteile sind demgemäß für die Hilfsmittelversorgung nach dem SGB V grundsätzlich unbeachtlich. Ist ein Versicherter für die Anforderungen des allgemeinen Alltagslebens ausreichend versorgt, kommt es auf etwaige zusätzliche Nutzungsvorteile im Erwerbsleben ohnehin nicht an. Umgekehrt kann ein Hilfsmittelanspruch gegen die GKV nicht auf ausschließlich berufliche Nutzungsvorteile gestützt werden, wenn das Hilfsmittel ansonsten keine allgemeinen Grundbedürfnisse betrifft und seine Nutzung die Auswirkungen der Behinderung nicht im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert.

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d) Begrenzt ist der so umrissene Anspruch auf eine Hilfsmittelversorgung nach § 33 SGB V durch das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs 1 SGB V. Die Leistungen müssen danach "ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein" und dürfen "das Maß des Notwendigen nicht überschreiten"; Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. Demzufolge verpflichtet auch § 33 Abs 1 S 1 SGB V nicht dazu, den Versicherten jede gewünschte, von ihnen für optimal gehaltene Versorgung zur Verfügung zu stellen. Ausgeschlossen sind danach Ansprüche auf teure Hilfsmittel, wenn eine kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Nachteilsausgleich funktionell ebenfalls geeignet ist (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 26 S 153; stRspr); Mehrkosten sind andernfalls selbst zu tragen (§ 33 Abs 1 S 5 SGB V). Eingeschlossen in den Versorgungsauftrag der GKV ist eine kostenaufwändige Versorgung dagegen dann, wenn durch sie eine Verbesserung bedingt ist, die einen wesentlichen Gebrauchsvorteil gegenüber einer kostengünstigeren Alternative bietet. Das gilt bei Hilfsmitteln zum unmittelbaren Behinderungsausgleich insbesondere durch Prothesen für grundsätzlich jede Innovation, die dem Versicherten in seinem Alltagsleben deutliche Gebrauchsvorteile bietet (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 44 S 249 - C-Leg I; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 45 S 255 - Damenperücke; BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 4 - C-Leg II). Keine Leistungspflicht besteht dagegen für solche Innovationen, die nicht die Funktionalität betreffen, sondern in erster Linie die Bequemlichkeit und den Komfort bei der Nutzung des Hilfsmittels (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 44 S 249; BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 15). Dasselbe gilt für lediglich ästhetische Vorteile (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 45 - Damenperücke). Desgleichen kann eine Leistungsbegrenzung zu erwägen sein, wenn die funktionalen Vorteile eines Hilfsmittels ausschließlich in bestimmten Lebensbereichen zum Tragen kommen (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 34 zur Versorgung mit einer - dem mittelbaren Behinderungsausgleich dienenden - Mikroportanlage). Weitere Grenzen der Leistungspflicht können schließlich berührt sein, wenn einer nur geringfügigen Verbesserung des Gebrauchsnutzens ein als unverhältnismäßig einzuschätzender Mehraufwand gegenübersteht (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 26 S 153 und Nr 44 S 250 - jeweils mwN).

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9. Nach diesen Grundsätzen zur Versorgung Versicherter mit Hilfsmitteln zum Ausgleich von Behinderungen steht der Klägerin der Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 S 1 SGB V nicht zu, weil es an dem hierfür nötigen Sachleistungsanspruch auf Ausstattung mit dem angepassten Hörgerät(§ 33 SGB V) fehlt.

36

Das LSG hat auf der Grundlage des Gutachtens des Hörgeräteakustikers W. vom 3.12.2008 festgestellt, die Klägerin benötige das höherwertige Premiumgerät lediglich wegen ihrer beruflichen Tätigkeit als Qualitätsmanagementbeauftragte eines Wohlfahrtsverbandes. Der Schwerpunkt dieser auf der Ausbildung der Klägerin als Diplom-Pflegewirtin aufbauenden Tätigkeit liege in der Leitung und Moderation von Arbeitsgruppen in Qualitätszirkeln sowie in der Durchführung von Fortbildungsmaßnahmen zur Altenpflege. Diese Moderatoren- und Dozententätigkeit stelle besondere Anforderungen an die Hörfähigkeit, weil der Betroffene wegen der üblicherweise vorhandenen Störgeräusche einem spezifischen akustischen Umfeld ausgesetzt sei, das sich zB von einer normalen Bürotätigkeit deutlich unterscheide. Außerdem bestehe bei der Klägerin die medizinische Besonderheit, dass sie nur auf einem Ohr mit einer Hörhilfe versorgt werden könne, wodurch sie im Hinblick auf das Richtungshören und Verstehen im Störgeräusch gegenüber einer beidseitigen Versorgung sehr im Nachteil sei, weil alle Schallereignisse auf das linke Ohr treffen würden und so der Nutzschall und der Störschall nur sehr schwer voneinander getrennt werden könnten. Ohne das gewählte Premiumgerät sei die weitere Berufsausübung als Qualitätsmanagementbeauftragte erheblich gefährdet; eine Versorgung mit einem - zum Festbetrag erhältlichen - Basis- oder Komfortgerät sei nicht ausreichend.

37

Diese Feststellungen des LSG sind im Revisionsverfahren nicht angegriffen worden und für den erkennenden Senat daher bindend (§ 163 SGG). Anhaltspunkte dafür, dass die zusätzlichen Nutzungsvorteile des gewählten Premiumgeräts über den beruflichen Nutzen hinaus Auswirkungen der Hörbehinderung der Klägerin im gesamten Alltagsleben mindern, sind weder vom LSG festgestellt worden noch anderweitig ersichtlich. So stellen insbesondere der Antrag der Klägerin bei der Beklagten vom 25.7.2006 sowie ihre Rechtsbehelfsbegründungen stets darauf ab, dass das neue Premiumgerät zur Berufsausübung nötig sei. Danach bleibt festzuhalten, dass die Beigeladene den gegen sie nach § 33 Abs 1 S 1 SGB V bestehenden krankenversicherungsrechtlichen Versorgungsanspruch durch die Zahlung des Festbetrages erfüllt hat(§ 12 Abs 2 SGB V), weil für den Alltagsgebrauch ein zum Festbetrag erhältliches Hörgerät als Ersatz für das unbrauchbar gewordene alte Hörgerät offenbar noch ausgereicht hätte. Für weitergehende Primäransprüche der Klägerin nach dem SGB V bestehe nach den Feststellungen des LSG keine Anhaltspunkte.

38

10. Die Klage ist allerdings begründet, weil der Klägerin ein solcher weitergehender Primäranspruch nach dem Rentenversicherungsrecht zugestanden hätte, für dessen Erfüllung die Beigeladene als erstangegangener Rehabilitationsträger nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX im Außenverhältnis zur Klägerin zuständig war.

39

Rechtsgrundlage des aus der Selbstbeschaffung der Leistung resultierenden rehabilitationsrechtlichen Kostenerstattungsanspruchs ist § 15 Abs 1 S 3 und 4 SGB IX: "Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist(gemeint ist damit die dem Rehabilitationsträger zu setzende angemessene Nachfrist nach § 15 Abs 1 S 2 SGB IX) eine erforderliche Leistung selbst, ist der zuständige Rehabilitationsträger unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zur Erstattung der Aufwendungen verpflichtet. Der Erstattungsanspruch besteht auch, wenn der Rehabilitationsträger eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann oder er die Leistung zu Unrecht abgelehnt hat." Im vorliegenden Fall geht es um einen Kostenerstattungsanspruch nach § 15 Abs 1 S 4 Fall 2 SGB IX, weil die Beigeladene ihre Leistungspflicht auf den Festbetrag beschränkt und damit den weitergehenden Antrag auf Ausstattung mit dem höherwertigen Premiumgerät abgelehnt hat(BSGE 105, 170 = SozR 4-2500 § 36 Nr 2, RdNr 9).

40

a) Die Regelungen des § 15 Abs 1 S 3 und 4 SGB IX sind auch im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung unmittelbar anwendbar(BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 8 RdNr 12). Dem steht insbesondere § 7 S 2 SGB IX nicht entgegen, wonach die Zuständigkeit der Träger und die Voraussetzungen für die Leistungen zur Teilhabe(§§ 4, 5 SGB IX) nach den für die jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen zu bestimmen sind. Schon nach dem Wortlaut dieser Vorschrift bezieht sich diese Verweisung nur auf Teilhabeleistungen - also die Primäransprüche - selbst, nicht jedoch auf den hier streitbefangenen Kostenerstattungsanspruch.

41

b) Die Beigeladene ist auch hinsichtlich des Kostenerstattungsanspruchs nach § 15 Abs 1 SGB IX passivlegitimiert. "Zuständiger Rehabilitationsträger" iS von § 15 Abs 1 S 4 SGB IX ist der nach § 14 SGB IX zuständige Träger(BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 8 RdNr 14).

42

11. Bei dem rehabilitationsrechtlichen Kostenerstattungsanspruch wegen rechtswidriger Leistungsablehnung nach § 15 Abs 1 S 4 Fall 2 SGB IX handelt es sich um einen Parallelanspruch zum krankenversicherungsrechtlichen Kostenerstattungsanspruch wegen rechtswidriger Leistungsablehnung nach § 13 Abs 3 S 1 Fall 2 SGB V. Der Anspruch ist demgemäß gegeben, wenn der nach § 14 SGB IX zuständige Rehabilitationsträger die Erfüllung eines Naturalleistungsanspruchs rechtswidrig abgelehnt und der Versicherte bzw Leistungsberechtigte sich die Leistung selbst beschafft hat, wenn weiterhin ein Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung besteht, die selbst beschaffte Leistung notwendig ist und die Selbstbeschaffung eine rechtlich wirksame Kostenbelastung des Versicherten bzw Leistungsberechtigten ausgelöst hat. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

43

12. Rechtsfehlerfrei hat das LSG entschieden, dass der Kostenerstattungsanspruch nicht an der fehlenden Kausalität zwischen Leistungsablehnung und Kostenbelastung scheitert. Ansprüche nach § 15 Abs 1 S 4 Fall 2 SGB IX sind - ebenso wie nach § 13 Abs 3 S 1 Fall 2 SGB V - zwar nur gegeben, wenn der zuständige Rehabilitationsträger (hier die Krankenkasse) eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dem Versicherten "dadurch" Kosten für die selbst beschaffte Leistung entstanden sind. Dazu muss die Kostenbelastung des Versicherten der ständigen Rechtsprechung des BSG zufolge wesentlich auf der Leistungsversagung des Trägers beruhen (vgl etwa BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 24). Hieran fehlt es, wenn dieser vor Inanspruchnahme der Versorgung mit dem Leistungsbegehren nicht befasst worden ist, obwohl dies möglich gewesen wäre (vgl BSG SozR 3-2500 § 13 Nr 15 S 74 mwN; BSGE 98, 26 = SozR 4-2500 § 13 Nr 12, RdNr 10; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 16, RdNr 13 mwN), oder wenn der Versicherte auf eine bestimmte Versorgung von vornherein festgelegt war (stRspr; vgl zuletzt BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 29). Das ist hier nicht der Fall.

44

"Selbst verschafft" ist eine Hilfsmittel-Leistung nicht schon mit deren Auswahl. Die Auswahl ist dem Hilfsmittelbewilligungsverfahren notwendig vorgeschaltet und scheidet deshalb mit Ausnahme von Fällen der Vorfestlegung - für die hier nichts festgestellt ist - als Anknüpfungspunkt für den Zeitpunkt der Hilfsmittelbeschaffung aus. Anspruchshindernd ist vielmehr, wie der erkennende Senat bereits entschieden hat, erst ein unbedingtes Verpflichtungsgeschäft im Verhältnis zwischen Versichertem und Leistungserbringer (vgl BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 10 RdNr 22). Unschädlich sind danach Auswahlentscheidungen, die den Versicherten nicht endgültig binden und die regelmäßig Voraussetzung für den Leistungsantrag sind, wie bei der Hörgeräteversorgung die Prüfung der Eignung und Anpassungsfähigkeit der in Betracht kommenden Geräte. Dazu gehört auch eine probeweise Hörgeräteüberlassung. Anders ist es erst dann, wenn der Versicherte bereits vor der Entscheidung des Trägers eine endgültige rechtliche Verpflichtung eingeht und der Leistungserbringer demgemäß auch im Falle der Ablehnung des Leistungsbegehrens durch den Träger die Abnahme und Bezahlung des Hilfsmittels verlangen kann. Ein solcher Leistungsausschlussgrund liegt nach den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen und den Senat deshalb bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG nicht vor. Das LSG hat vielmehr ausgeführt, dass die Klägerin die Entscheidung zur Selbstverschaffung erst deutlich nach der - in der Beschränkung auf den Festbetrag liegenden - Teil-Ablehnung der Beigeladenen vom 12.7.2006, nämlich im Oktober 2006, getroffen hat. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

45

Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die Klägerin die Entscheidung zur Selbstbeschaffung sogar auch erst nach dem Zugang des Ablehnungsbescheides der Beklagten vom 3.8.2006 getroffen hat, weil es im Hinblick auf den Kostenerstattungsanspruch nach § 15 Abs 1 S 4 Fall 2 SGB IX nur auf die rechtswidrige Leistungsablehnung durch den nach § 14 SGB IX zuständigen Rehabilitationsträger ankommt.

46

13. Die ablehnende Entscheidung der Beigeladenen war rechtswidrig, weil sie den Anspruch der Klägerin nach §§ 9, 15 SGB VI iVm § 26 Abs 2 Nr 6 und § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX unberücksichtigt gelassen hat.

47

a) Die gesetzliche Rentenversicherung erbringt als Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ua Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (§ 9 Abs 1 SGB VI), wenn die persönlichen (§ 10 SGB VI) und versicherungsrechtlichen (§ 11 SGB VI) Voraussetzungen erfüllt und die Leistungen nicht nach § 12 SGB VI ausgeschlossen sind. Diese Leistungsvoraussetzungen sind hier erfüllt.

48

Die Klägerin fällt in den persönlichen Anwendungsbereich (§ 10 SGB VI), weil sie hörbehindert ist und deshalb - wie bereits ausgeführt - typische Anforderungen ihrer Berufstätigkeit gemäß der Stellenbeschreibung ohne die notwendige Hörgeräteversorgung nicht (mehr) erfüllen konnte; dabei ist auf die konkret ausgeübte Beschäftigung - hier als Qualitätsmanagementbeauftragte eines Wohlfahrtsverbands - und nicht auf die generelle Erwerbsfähigkeit iS von § 43 Abs 2 S 2 SGB VI abzustellen. Für den Fall der Versorgung mit einem den Anforderungen ihrer Beschäftigung an die Hörfähigkeit entsprechenden Hörgerät bestand eine positive Rehabilitationsprognose. Anhaltspunkte für das Fehlen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (§ 11 SGB VI) oder einen Ausschluss der Leistungspflicht nach § 12 SGB VI bestehen nicht; dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.

49

b) Die Klägerin erfüllt zudem die besonderen Voraussetzungen der Hilfsmittelversorgung zur medizinischen Rehabilitation durch den Rentenversicherungsträger. Gemäß § 9 Abs 1 SGB VI kann die Rentenversicherung ua Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach § 15 SGB VI erbringen, für die in Abs 1 S 1 jener Vorschrift auf die rehabilitationsrechtlichen Bestimmungen der §§ 26 bis 31 SGB IX verwiesen wird. Nach § 26 Abs 1 Nr 2 SGB IX werden Leistungen zur medizinischen Rehabilitation behinderter Menschen erbracht, um Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit zu vermeiden, zu überwinden oder zu mindern. Zu diesen Leistungen gehören nach § 26 Abs 2 Nr 6 SGB IX auch Hilfsmittel, deren Erbringung wiederum in § 31 SGB IX näher geregelt ist. Hierzu zählen nach § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX ua Hilfsmittel, die unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls erforderlich sind, um eine Behinderung bei der Befriedigung von Grundbedürfnissen des täglichen Lebens auszugleichen, soweit sie nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen sind. Diese Leistungsvoraussetzungen sind ebenfalls erfüllt.

50

Als Hilfsmittel zum unmittelbaren Behinderungsausgleich dient ein Hörgerät ohne gesonderte weitere Prüfung der Befriedigung eines Grundbedürfnisses des täglichen Lebens iS von § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX, weil die Erhaltung bzw Wiederherstellung einer Körperfunktion als solche schon ein Grundbedürfnis in diesem Sinne ist(BSGE 105, 170 = SozR 4-2500 § 36 Nr 2, RdNr 15). Es kommt hingegen nicht darauf an, ob die Ausübung einer Erwerbstätigkeit ein Grundbedürfnis iS von § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX ist. Die vom erkennenden Senat im Rahmen der Anwendung von § 33 SGB V vorgenommene Begrenzung auf Nutzungsvorteile, die eine Behinderung (auch) im gesamten täglichen Leben ausgleichen oder mildern, begründet sich mit dem gegliederten System der Sozialversicherung und dient der Abgrenzung der Leistungen der Krankenkassen von denen anderer Rehabilitationsträger und kommt damit - außerhalb des Zuständigkeitsbereichs der GKV - naturgemäß nicht zur Anwendung.

51

14. Damit standen Art, Dauer, Umfang und Durchführung der Rehabilitationsleistung, dh welche Leistungen in Betracht kommen (§ 13 Abs 1 S 1 SGB VI), grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des zuständigen Leistungsträgers (BSGE 85, 298, 300 = SozR 3-2600 § 10 Nr 2 S 3; BSG SozR 3-5765 § 10 Nr 1 S 3 f; BSG SozR 3-1200 § 39 Nr 1 S 3 f; BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 3 RdNr 35; BSG SozR 4-5765 § 7 Nr 1 RdNr 11; BSG Urteil vom 12.12.2011 - B 13 R 21/10 R - Juris RdNr 27; stRspr). Es kann dahingestellt bleiben, ob die fehlende Möglichkeit des Leistungsträgers, dieses Auswahlermessen auszuüben, das Entstehen des Kostenerstattungsanspruchs im Einzelfall hindern könnte. Denn nach den nicht angegriffenen und damit bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG war die Versorgung der Klägerin mit dem Premiumhörgerät zur Fortsetzung ihrer Erwerbstätigkeit zwingend erforderlich, sodass eine sog "Ermessensreduzierung auf Null" vorliegt. Damit sind die der Klägerin entstandenen Kosten in Höhe von 1956,90 Euro auch erforderlich iS von § 15 Abs 1 S 3 SGB IX. Die Klägerin hat somit materiell-rechtlich gegen die Beigeladene Anspruch auf Erstattung der den Festbetrag übersteigenden Kosten der von ihr gewählten notwendigen Hörgeräteversorgung.

52

15. Die Beigeladene hätte somit bei rechtmäßigem Verfahrensablauf dem Antrag der Klägerin auf Gewährung des erforderlichen neuen Hörgeräts in Premiumausführung stattgeben müssen, und zwar einerseits als originär zuständiger Krankenversicherungsträger in Höhe des Festbetrags (§ 36 iVm § 12 Abs 2 SGB V), weil das Hörgerät als Ersatz für das unbrauchbar gewordene alte Gerät dient und trotz seiner berufsbedingt erforderlichen aufwändigen Ausstattung auch im Alltagsleben benutzt wird (§ 33 SGB V), und andererseits als erstangegangener Rehabilitationsträger (§ 14 SGB IX) in Höhe der Mehrkosten, weil sie auch für die rentenversicherungsrechtlichen Ansprüche zuständig geworden ist und das Hörgerät zur Berufsausübung als Hilfsmittel zur medizinischen Rehabilitation im Zuge der Teilhabe am Arbeitsleben benötigt wird (§§ 9, 15 SGB VI iVm § 26 Abs 2 Nr 6 und § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX). Die Zuständigkeit nach § 14 SGB IX hätte die Beigeladene dadurch vermeiden können, dass sie innerhalb der Prüfungsfrist des § 14 Abs 1 S 1 und 2 SGB IX zugleich mit der Bewilligung des Festbetrags den Leistungsantrag hinsichtlich der Mehrkosten an die Beklagte als insoweit zuständigen Rentenversicherungsträger weitergeleitet hätte.

53

Dieses Nebeneinander von zwei sozialversicherungsrechtlichen Zuständigkeiten für eine einheitliche Sozialleistung ist sachlich geboten und im Hilfsmittelbereich auch nicht systemfremd. Wählt ein Versicherter ein zum Behinderungsausgleich geeignetes Hilfsmittel in einer über das medizinisch Notwendige hinausgehenden aufwändigeren Ausführung, trägt die Krankenkasse nur die Kosten des Hilfsmittels in der notwendigen Ausstattung, während die Mehrkosten grundsätzlich vom Versicherten selbst zu tragen sind (§ 33 Abs 1 S 5 SGB V und § 31 Abs 3 SGB IX). Ist die höherwertige Ausstattung dagegen zwar nicht für den Alltagsgebrauch, wohl aber aus rein beruflichen Gründen erforderlich, fallen die Mehrkosten, die sonst der Versicherte selbst tragen müsste, dem Rentenversicherungsträger zur Last. Für medizinische Hilfsmittel (§ 33 SGB V), die zugleich Pflegehilfsmittel sind (§ 40 Abs 1 SGB XI) und deswegen als Hilfsmittel mit Doppelfunktion sowohl von den Krankenkassen als auch von den Pflegekassen zu finanzieren sind, hat der Gesetzgeber einen eigenständigen Finanzausgleich nach § 40 Abs 5 SGB XI geschaffen.

54

16. Die Verurteilung der Beigeladenen zur Erstattung des Betrages von 1956,90 Euro ist nach § 75 Abs 5 SGG möglich. Insbesondere besteht die hierfür nötige Wechselwirkung, weil der streitige Anspruch sich nur entweder gegen die Beklagte oder gegen die Beigeladene richten kann.

55

Der Verurteilung der Beigeladenen steht auch nicht ihre Entscheidung vom 12.7.2006 entgegen, dem Leistungsantrag der Klägerin nur in Form des Festbetrags (§ 36 iVm § 12 Abs 2 SGB V) stattzugeben, die Übernahme der darüber hinausgehenden Kosten aber abzulehnen; denn diese Entscheidung ist im Verhältnis zur Klägerin nicht in Bestandskraft erwachsen.

56

a) Bei dieser Entscheidung der Beigeladenen handelt es sich um einen Verwaltungsakt (§ 31 SGB X), der zwar dem Hörakustiker entsprechend den vertraglichen Regelungen (vgl § 4 Nr 1 des Vertrages) in Gestalt eines formlosen Bewilligungsschreibens zur Kenntnis gegeben worden ist, nicht aber als förmlicher, mit einer Rechtsmittelbelehrung versehener Bescheid der Klägerin zugesandt oder auf andere Weise bekannt gegeben worden ist, wie es § 37 SGB X verlangt. Dennoch ist der Verwaltungsakt gegenüber der Klägerin wirksam geworden, weil offensichtlich der Hörakustiker die Klägerin im Zeitraum zwischen dem 12. und 25.7.2006 über die Entscheidung der Beigeladenen, nur den Festbetrag zu zahlen, unterrichtet hat. Mit dieser - von der Beigeladenen auch so gewollten - Unterrichtung ist der Verwaltungsakt der Klägerin bekannt gegeben und damit auch wirksam geworden (§ 39 Abs 1 SGB X). Nicht nachvollziehbar ist allerdings, weshalb die Beigeladene ihre Entscheidung nicht in Form eines ordnungsgemäßen Bescheids bekannt gegeben hat (§ 37 SGB X).

57

b) Dieser Verwaltungsakt hat gegenüber der Klägerin keine Bestandskraft erlangt (§ 77 SGG). Zwar hat die Klägerin gegen die Entscheidung bei der Beigeladenen nicht ausdrücklich Widerspruch erhoben (§ 83 SGG). Sie hat aber mit ihrer Antragstellung bei der Beklagten am 25.7.2006, die als unmittelbare Reaktion auf die kurz zuvor erhaltene Mitteilung über die Leistungsbegrenzung auf den Festbetrag zu werten ist, deutlich gemacht, mit dieser Leistungsbegrenzung nicht einverstanden zu sein.

58

Diesen Antrag, der inhaltlich nichts anderes ist als die Einwendung gegen die Leistungsbegrenzung auf den Festbetrag, muss sich die Beigeladene nach der Zielsetzung des § 14 SGB IX als Rechtsbehelf gegen ihre Entscheidung zurechnen lassen. Ziel des § 14 SGB IX ist es, im Interesse des behinderten Menschen durch die rasche Klärung von Zuständigkeiten Nachteilen des gegliederten Systems entgegenzuwirken(BT-Drucks 14/5074 S 102). Ein möglicher Nachteil des gegliederten Systems ist es, dass der behinderte Mensch die von ihm begehrte Rehabilitationsleistung bei allen in Betracht kommenden Leistungsträgern verfolgen und dabei ggf eine Vielzahl von Verwaltungs- und weitergehenden Rechtsbehelfsverfahren führen muss, um keinen Nachteil zu erleiden. Diesem "Systemmangel" begegnet § 14 SGB IX erstens durch die Verpflichtung des erstangegangenen Leistungsträgers, kurzfristig die Zuständigkeit zu prüfen, um zweitens den Antrag an den für zuständig erkannten anderen Träger weiterzuleiten oder anderenfalls selbst umfassend zu prüfen. Für den behinderten Menschen soll es einen Antrag bzw ein Antragsverfahren mit einer abschließenden Verwaltungsentscheidung geben. Lässt aber der erstangegangene Leistungsträger - wie hier - die Vorgaben des § 14 SGB IX unberücksichtigt, sodass sich der behinderte Mensch selbst auf die Suche nach einem ggf anderweitig zuständigen Rehabilitationsträger macht, müssen - um der Zielsetzung des § 14 SGB IX zu entsprechen, keinen Nachteil durch das gegliederte System auszulösen - die von ihm angestoßenen Verwaltungsverfahren rechtstechnisch als ein einheitliches Verwaltungsverfahren angesehen werden. Dies muss zumindest dann gelten, wenn - wie im vorliegenden Fall - der erstangegangene Leistungsträger seine Ablehnungsentscheidung nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen hat, sodass für den behinderten Menschen nicht erkennbar ist, welche Maßnahmen er treffen muss, um seine Rechte weiterverfolgen zu können.

59

Geht man aber von einem einheitlichen Verwaltungsverfahren aus, das bei der Beigeladenen begonnen und durch die Antragstellung bei der Beklagten fortgeführt wurde, muss der Antrag der Klägerin vom 25.7.2006 auf Versorgung mit dem Premiumhörgerät zumindest auch als Widerspruch gegen die entsprechend ablehnende Entscheidung der Beigeladenen vom 12.7.2006 angesehen werden, sodass diese Entscheidung nicht bestandskräftig werden konnte. Der fehlende Abschluss des Widerspruchsverfahrens hindert eine Verurteilung der Beigeladenen im vorliegenden Rechtsstreit nicht (Leitherer, aaO, § 75 RdNr 18b unter Hinweis auf BSG SozR Nr 27 zu § 75 SGG).

60

17. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Werden Leistungen zur Teilhabe beantragt, stellt der Rehabilitationsträger innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist; bei den Krankenkassen umfasst die Prüfung auch die Leistungspflicht nach § 40 Absatz 4 des Fünften Buches. Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung insgesamt nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu und unterrichtet hierüber den Antragsteller. Muss für eine solche Feststellung die Ursache der Behinderung geklärt werden und ist diese Klärung in der Frist nach Satz 1 nicht möglich, soll der Antrag unverzüglich dem Rehabilitationsträger zugeleitet werden, der die Leistung ohne Rücksicht auf die Ursache der Behinderung erbringt. Wird der Antrag bei der Bundesagentur für Arbeit gestellt, werden bei der Prüfung nach den Sätzen 1 und 2 keine Feststellungen nach § 11 Absatz 2a Nummer 1 des Sechsten Buches und § 22 Absatz 2 des Dritten Buches getroffen.

(2) Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf anhand der Instrumente zur Bedarfsermittlung nach § 13 unverzüglich und umfassend fest und erbringt die Leistungen (leistender Rehabilitationsträger). Muss für diese Feststellung kein Gutachten eingeholt werden, entscheidet der leistende Rehabilitationsträger innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang. Ist für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs ein Gutachten erforderlich, wird die Entscheidung innerhalb von zwei Wochen nach Vorliegen des Gutachtens getroffen. Wird der Antrag weitergeleitet, gelten die Sätze 1 bis 3 für den Rehabilitationsträger, an den der Antrag weitergeleitet worden ist, entsprechend; die Frist beginnt mit dem Antragseingang bei diesem Rehabilitationsträger. In den Fällen der Anforderung einer gutachterlichen Stellungnahme bei der Bundesagentur für Arbeit nach § 54 gilt Satz 3 entsprechend.

(3) Ist der Rehabilitationsträger, an den der Antrag nach Absatz 1 Satz 2 weitergeleitet worden ist, nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung insgesamt nicht zuständig, kann er den Antrag im Einvernehmen mit dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger an diesen weiterleiten, damit von diesem als leistendem Rehabilitationsträger über den Antrag innerhalb der bereits nach Absatz 2 Satz 4 laufenden Fristen entschieden wird und unterrichtet hierüber den Antragsteller.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten sinngemäß, wenn der Rehabilitationsträger Leistungen von Amts wegen erbringt. Dabei tritt an die Stelle des Tages der Antragstellung der Tag der Kenntnis des voraussichtlichen Rehabilitationsbedarfs.

(5) Für die Weiterleitung des Antrages ist § 16 Absatz 2 Satz 1 des Ersten Buches nicht anzuwenden, wenn und soweit Leistungen zur Teilhabe bei einem Rehabilitationsträger beantragt werden.

(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.

(1a) Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Krankenkasse erteilt für Leistungen nach Satz 1 vor Beginn der Behandlung eine Kostenübernahmeerklärung, wenn Versicherte oder behandelnde Leistungserbringer dies beantragen. Mit der Kostenübernahmeerklärung wird die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung nach Satz 1 festgestellt.

(2) Die Versicherten erhalten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen. Die Leistungen werden auf Antrag durch ein Persönliches Budget erbracht; § 29 des Neunten Buches gilt entsprechend. Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern.

(3) Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihre Vielfalt zu beachten. Den religiösen Bedürfnissen der Versicherten ist Rechnung zu tragen.

(4) Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte haben darauf zu achten, daß die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden.

(1) Der Anspruch auf Leistungen erlischt mit dem Ende der Mitgliedschaft, soweit in diesem Gesetzbuch nichts Abweichendes bestimmt ist.

(1a) Endet die Mitgliedschaft durch die Schließung oder Insolvenz einer Krankenkasse, gelten die von dieser Krankenkasse getroffenen Leistungsentscheidungen mit Wirkung für die aufnehmende Krankenkasse fort. Hiervon ausgenommen sind Leistungen aufgrund von Satzungsregelungen. Beim Abschluss von Wahltarifen, die ein Mitglied zum Zeitpunkt der Schließung in vergleichbarer Form bei der bisherigen Krankenkasse abgeschlossen hatte, dürfen von der aufnehmenden Krankenkasse keine Wartezeiten geltend gemacht werden. Die Vorschriften des Zehnten Buches, insbesondere zur Rücknahme von Leistungsentscheidungen, bleiben hiervon unberührt.

(2) Endet die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger, besteht Anspruch auf Leistungen längstens für einen Monat nach dem Ende der Mitgliedschaft, solange keine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird. Eine Versicherung nach § 10 hat Vorrang vor dem Leistungsanspruch nach Satz 1.

(3) Endet die Mitgliedschaft durch Tod, erhalten die nach § 10 versicherten Angehörigen Leistungen längstens für einen Monat nach dem Tode des Mitglieds.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind. Die Hilfsmittel müssen mindestens die im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 2 festgelegten Anforderungen an die Qualität der Versorgung und der Produkte erfüllen, soweit sie im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 1 gelistet oder von den dort genannten Produktgruppen erfasst sind. Der Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich hängt bei stationärer Pflege nicht davon ab, in welchem Umfang eine Teilhabe am Leben der Gemeinschaft noch möglich ist; die Pflicht der stationären Pflegeeinrichtungen zur Vorhaltung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln, die für den üblichen Pflegebetrieb jeweils notwendig sind, bleibt hiervon unberührt. Für nicht durch Satz 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 Abs. 1 unberührt. Der Anspruch umfasst auch zusätzlich zur Bereitstellung des Hilfsmittels zu erbringende, notwendige Leistungen wie die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Ein Anspruch besteht auch auf solche Hilfsmittel, die eine dritte Person durch einen Sicherheitsmechanismus vor Nadelstichverletzungen schützen, wenn der Versicherte selbst nicht zur Anwendung des Hilfsmittels in der Lage ist und es hierfür einer Tätigkeit der dritten Person bedarf, bei der durch mögliche Stichverletzungen eine Infektionsgefahr besteht oder angenommen werden kann. Zu diesen Tätigkeiten gehören insbesondere Blutentnahmen und Injektionen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 bis zum 31. Januar 2020 die Tätigkeiten, bei denen eine erhöhte Infektionsgefährdung angenommen werden kann. Wählen Versicherte Hilfsmittel oder zusätzliche Leistungen, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen, haben sie die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Folgekosten selbst zu tragen. § 18 Absatz 6a des Elften Buches ist zu beachten.

(2) Versicherte haben bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen entsprechend den Voraussetzungen nach Absatz 1. Für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, besteht der Anspruch auf Sehhilfen, wenn sie

1.
nach ICD 10-GM 2017 auf Grund ihrer Sehbeeinträchtigung oder Blindheit bei bestmöglicher Brillenkorrektur auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 oder
2.
einen verordneten Fern-Korrekturausgleich für einen Refraktionsfehler von mehr als 6 Dioptrien bei Myopie oder Hyperopie oder mehr als 4 Dioptrien bei Astigmatismus
aufweisen; Anspruch auf therapeutische Sehhilfen besteht, wenn diese der Behandlung von Augenverletzungen oder Augenerkrankungen dienen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen therapeutische Sehhilfen verordnet werden. Der Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen umfaßt nicht die Kosten des Brillengestells.

(3) Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen besteht für anspruchsberechtigte Versicherte nach Absatz 2 nur in medizinisch zwingend erforderlichen Ausnahmefällen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen Kontaktlinsen verordnet werden. Wählen Versicherte statt einer erforderlichen Brille Kontaktlinsen und liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht vor, zahlt die Krankenkasse als Zuschuß zu den Kosten von Kontaktlinsen höchstens den Betrag, den sie für eine erforderliche Brille aufzuwenden hätte. Die Kosten für Pflegemittel werden nicht übernommen.

(4) Ein erneuter Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen nach Absatz 2 besteht für Versicherte, die das vierzehnte Lebensjahr vollendet haben, nur bei einer Änderung der Sehfähigkeit um mindestens 0,5 Dioptrien; für medizinisch zwingend erforderliche Fälle kann der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Ausnahmen zulassen.

(5) Die Krankenkasse kann den Versicherten die erforderlichen Hilfsmittel auch leihweise überlassen. Sie kann die Bewilligung von Hilfsmitteln davon abhängig machen, daß die Versicherten sich das Hilfsmittel anpassen oder sich in seinem Gebrauch ausbilden lassen.

(5a) Eine vertragsärztliche Verordnung ist für die Beantragung von Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 nur erforderlich, soweit eine erstmalige oder erneute ärztliche Diagnose oder Therapieentscheidung medizinisch geboten ist. Abweichend von Satz 1 können die Krankenkassen eine vertragsärztliche Verordnung als Voraussetzung für die Kostenübernahme verlangen, soweit sie auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichtet haben. § 18 Absatz 6a und § 40 Absatz 6 des Elften Buches sind zu beachten.

(5b) Sofern die Krankenkassen nicht auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichten, haben sie den Antrag auf Bewilligung eines Hilfsmittels mit eigenem weisungsgebundenem Personal zu prüfen. Sie können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst vor Bewilligung eines Hilfsmittels nach § 275 Absatz 3 Nummer 1 prüfen lassen, ob das Hilfsmittel erforderlich ist. Eine Beauftragung Dritter ist nicht zulässig.

(6) Die Versicherten können alle Leistungserbringer in Anspruch nehmen, die Vertragspartner ihrer Krankenkasse sind. Vertragsärzte oder Krankenkassen dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder Verordnungen bestimmten Leistungserbringern zuweisen, noch die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einem bestimmten Leistungserbringer einzulösen. Die Sätze 1 und 2 gelten auch bei der Einlösung von elektronischen Verordnungen.

(7) Die Krankenkasse übernimmt die jeweils vertraglich vereinbarten Preise.

(8) Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegebenen Hilfsmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag zu dem von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrag an die abgebende Stelle. Der Vergütungsanspruch nach Absatz 7 verringert sich um die Zuzahlung; § 43c Abs. 1 Satz 2 findet keine Anwendung. Die Zuzahlung bei zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln beträgt 10 vom Hundert des insgesamt von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrags, jedoch höchstens 10 Euro für den gesamten Monatsbedarf.

(9) Absatz 1 Satz 9 gilt entsprechend für Intraokularlinsen beschränkt auf die Kosten der Linsen.

(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.

(2) Ist für eine Leistung ein Festbetrag festgesetzt, erfüllt die Krankenkasse ihre Leistungspflicht mit dem Festbetrag.

(3) Hat die Krankenkasse Leistungen ohne Rechtsgrundlage oder entgegen geltendem Recht erbracht und hat ein Vorstandsmitglied hiervon gewußt oder hätte es hiervon wissen müssen, hat die zuständige Aufsichtsbehörde nach Anhörung des Vorstandsmitglieds den Verwaltungsrat zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat das Regreßverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(1) Die Krankenkassen und die Leistungserbringer haben eine bedarfsgerechte und gleichmäßige, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Versorgung der Versicherten zu gewährleisten. Die Versorgung der Versicherten muß ausreichend und zweckmäßig sein, darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten und muß in der fachlich gebotenen Qualität sowie wirtschaftlich erbracht werden.

(2) Die Krankenkassen und die Leistungserbringer haben durch geeignete Maßnahmen auf eine humane Krankenbehandlung ihrer Versicherten hinzuwirken.

(1) Anträge auf Sozialleistungen sind beim zuständigen Leistungsträger zu stellen. Sie werden auch von allen anderen Leistungsträgern, von allen Gemeinden und bei Personen, die sich im Ausland aufhalten, auch von den amtlichen Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland entgegengenommen.

(2) Anträge, die bei einem unzuständigen Leistungsträger, bei einer für die Sozialleistung nicht zuständigen Gemeinde oder bei einer amtlichen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland gestellt werden, sind unverzüglich an den zuständigen Leistungsträger weiterzuleiten. Ist die Sozialleistung von einem Antrag abhängig, gilt der Antrag als zu dem Zeitpunkt gestellt, in dem er bei einer der in Satz 1 genannten Stellen eingegangen ist.

(3) Die Leistungsträger sind verpflichtet, darauf hinzuwirken, daß unverzüglich klare und sachdienliche Anträge gestellt und unvollständige Angaben ergänzt werden.

(1) Werden Leistungen zur Teilhabe beantragt, stellt der Rehabilitationsträger innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist; bei den Krankenkassen umfasst die Prüfung auch die Leistungspflicht nach § 40 Absatz 4 des Fünften Buches. Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung insgesamt nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu und unterrichtet hierüber den Antragsteller. Muss für eine solche Feststellung die Ursache der Behinderung geklärt werden und ist diese Klärung in der Frist nach Satz 1 nicht möglich, soll der Antrag unverzüglich dem Rehabilitationsträger zugeleitet werden, der die Leistung ohne Rücksicht auf die Ursache der Behinderung erbringt. Wird der Antrag bei der Bundesagentur für Arbeit gestellt, werden bei der Prüfung nach den Sätzen 1 und 2 keine Feststellungen nach § 11 Absatz 2a Nummer 1 des Sechsten Buches und § 22 Absatz 2 des Dritten Buches getroffen.

(2) Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf anhand der Instrumente zur Bedarfsermittlung nach § 13 unverzüglich und umfassend fest und erbringt die Leistungen (leistender Rehabilitationsträger). Muss für diese Feststellung kein Gutachten eingeholt werden, entscheidet der leistende Rehabilitationsträger innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang. Ist für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs ein Gutachten erforderlich, wird die Entscheidung innerhalb von zwei Wochen nach Vorliegen des Gutachtens getroffen. Wird der Antrag weitergeleitet, gelten die Sätze 1 bis 3 für den Rehabilitationsträger, an den der Antrag weitergeleitet worden ist, entsprechend; die Frist beginnt mit dem Antragseingang bei diesem Rehabilitationsträger. In den Fällen der Anforderung einer gutachterlichen Stellungnahme bei der Bundesagentur für Arbeit nach § 54 gilt Satz 3 entsprechend.

(3) Ist der Rehabilitationsträger, an den der Antrag nach Absatz 1 Satz 2 weitergeleitet worden ist, nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung insgesamt nicht zuständig, kann er den Antrag im Einvernehmen mit dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger an diesen weiterleiten, damit von diesem als leistendem Rehabilitationsträger über den Antrag innerhalb der bereits nach Absatz 2 Satz 4 laufenden Fristen entschieden wird und unterrichtet hierüber den Antragsteller.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten sinngemäß, wenn der Rehabilitationsträger Leistungen von Amts wegen erbringt. Dabei tritt an die Stelle des Tages der Antragstellung der Tag der Kenntnis des voraussichtlichen Rehabilitationsbedarfs.

(5) Für die Weiterleitung des Antrages ist § 16 Absatz 2 Satz 1 des Ersten Buches nicht anzuwenden, wenn und soweit Leistungen zur Teilhabe bei einem Rehabilitationsträger beantragt werden.

Tenor

Die Revision der Beigeladenen gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 25. November 2010 wird zurückgewiesen.

Die Beigeladene trägt die Kosten der Klägerin im Revisionsverfahren. Die Beklagte trägt die durch die Rücknahme der Revision entstandenen Kosten. Im Übrigen sind im Revisionsverfahren keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Erstattung der den Festbetrag übersteigenden Kosten der Hörgeräteversorgung der Klägerin in Höhe von 1956,90 Euro, wobei die Beklagte - insoweit in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen - die Beigeladene und umgekehrt die Beigeladene die Beklagte als im Außenverhältnis zur Klägerin zuständig und passivlegitimiert ansieht.

2

Die 1965 geborene Klägerin ist bei dem beklagten Rentenversicherungsträger renten- und bei der beigeladenen Krankenkasse krankenversichert. Sie leidet an einer progredienten hochgradigen Innenohrschwerhörigkeit rechts, einer mittelgradigen Innenohrschwerhörigkeit links sowie an einem beidseitigen Tinnitus. Deshalb ist sie seit langer Zeit auf ein Hörgerät angewiesen. Sie ist Diplom-Pflegewirtin und seit Mai 2006 als Qualitätsmanagementbeauftragte bei einem Wohlfahrtsverband beschäftigt.

3

Der behandelnde Vertragsarzt verordnete der Klägerin am 9.6.2006 wegen der beidseitigen Schallempfindungsschwerhörigkeit eine Hörhilfe links, da die bisherige Hörhilfe "zu alt" sei. In der Folgezeit versorgte das Hörakustikstudio S., ein Vertragspartner der Beigeladenen iS von § 126 Abs 1 S 1 SGB V, die Klägerin mit dem Hörgerät Savia 211 (Dokumentation zur Hörgeräteanpassung vom 28.9.2006). Zuvor hatte der Leistungserbringer zu einem nicht genau feststellbaren Zeitpunkt vor dem 12.7.2006 der Beigeladenen die Versorgung der Klägerin angezeigt und hierzu das Formular nach Anlage 3 des "Vertrages zur Komplettversorgung mit Hörsystemen" verwendet. Ausweislich eines Ausdrucks der unter dem Namen der Klägerin gespeicherten elektronischen Daten dokumentierte die Beigeladene einen "Antrag vom 12.07.2006", unter dem Status Preisprüfung den Vermerk "Endgültig entschieden am 12.07.2006" und unter der Überschrift Leistungsfälle und Zusätze "Hilfsmittel - 12.07.2006 - 132003. Hörgerät li. Versorgungspauschale bewilligt". Am 23.10.2006 stellte der Leistungserbringer der Klägerin für das Hörgerät nebst Nature-Otoplastik und Reparatur-Pauschale "abzüglich der Krankenkassen-Anteile" 1956,90 Euro in Rechnung, die diese vollständig beglich. Dem Leistungserbringer überwies die Beigeladene im November 2006 einen Betrag von 655 Euro; damit waren unter Abzug der Zuzahlung der Klägerin von 10 Euro (§ 33 Abs 8 iVm § 61 SGB V) der Festbetrag für das Hörgerät von 421 Euro sowie die Kosten der Otoplastik (35 Euro) und die Reparatur-Pauschale (209 Euro) abgedeckt.

4

Im Hinblick auf die absehbare Entscheidung der Beigeladenen, nur den Festbetrag zu leisten, hatte die Klägerin am 25.7.2006 bei der Beklagten Leistungen zur Rehabilitation für Versicherte in Form einer Kostenübernahme für ein höherwertiges Hörgerät beantragt und zur Begründung ausgeführt, ohne die begehrte Versorgung könne sie die Fortbildung von Mitarbeitern, die Moderation von Qualitätszirkeln und die Leitung von Arbeitsgruppen und damit Schwerpunkte ihrer Tätigkeit als Qualitätsmanagementbeauftragte nicht mehr ausüben. Die Beklagte lehnte dies ab, weil Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nur dann in Form eines Hilfsmittels erbracht werden könnten, wenn dieses ausschließlich zur Ausübung eines bestimmten Berufes oder zur Teilnahme an einer bestimmten beruflich vorbereitenden Maßnahme benötigt werde. Dies sei nach ärztlicher Prüfung bei der Klägerin nicht der Fall; die gewählte höherwertige Ausstattung des Hörgeräts diene nicht ausschließlich der Ausübung des Berufs als Qualitätsmanagementbeauftragte, sondern vielmehr für jeden Bereich des täglichen Lebens bzw für jedwede Form der Berufsausübung (Bescheid vom 3.8.2006, Widerspruchsbescheid vom 22.11.2006).

5

Das SG hat die Krankenkasse der Versicherten beigeladen und die gegen den Rentenversicherungsträger gerichtete Klage abgewiesen, gleichzeitig aber die Beigeladene verurteilt, der Klägerin die Kosten für das selbst beschaffte Hörgerät in Höhe von 1956,90 Euro zu erstatten (Urteil vom 30.11.2009). Das LSG hat die von der Beigeladenen eingelegte Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 3.8.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.11.2006 aufgehoben wird (Urteil vom 25.11.2010): Die Beigeladene sei nach § 14 SGB IX als erstangegangener Träger zuständig geworden. Bei der Versorgungsanzeige des Leistungserbringers handele es sich jedenfalls auch um einen Leistungsantrag der Klägerin, da die Beigeladene unmissverständlich darüber informiert worden sei, dass die Klägerin ein Hörgerät wünsche. Davon sei die Beigeladene selbst ausgegangen, weil sie durch die Zahlung des Festbetrags an den Leistungserbringer eine antragsabhängige Leistung erbracht habe. Der Anspruch der Klägerin gegen die Beigeladene auf Kostenerstattung beruhe auf § 15 Abs 1 SGB IX. Sie habe sich das Hörgerät erst am 23.10.2006 und damit nach der Ablehnung durch die Beklagte (Bescheid vom 3.8.2006) selbst beschafft. Der dem Anspruch auf Kostenerstattung zugrunde liegende Sachleistungsanspruch ergebe sich aus § 9 Abs 1 und 2, § 15 Abs 1 S 1 SGB VI iVm § 26 Abs 1 und 2 Nr 6, § 31 SGB IX, da die Klägerin ihre bisherige Tätigkeit ohne die begehrte Versorgung nicht weiter hätte ausüben können.

6

Mit der vom LSG zugelassenen Revision wendet sich die Beigeladene in erster Linie dagegen, nach § 14 SGB IX als erstangegangener Leistungsträger zu gelten und damit für den Versorgungsfall zuständig geworden zu sein. Bei ihr sei kein Antrag der Klägerin eingegangen. Die vom LSG als Antrag angesehene Versorgungsanzeige sei allein Bestandteil der Innenkommunikation zwischen Leistungserbringer und Krankenkasse zur Gewährung einer Sachleistung, durch die im Wesentlichen die Mitgliedschaft des Versicherten geklärt werde. Sie habe erstmals im Rahmen des Abschlussberichts des Hörakustikstudios Anhaltspunkte für entstandene Mehrkosten erhalten. Zu diesem Zeitpunkt habe die Klägerin aber längst ihren Teilhabeantrag bei der Beklagten gestellt. Im Übrigen bestehe kein Anspruch über den bereits bezahlten Festbetrag hinaus.

7

Die Beigeladene beantragt,
die Urteile des LSG Berlin-Brandenburg vom 25.11.2010 und des SG Berlin vom 30.11.2009 zu ändern und die Klage im Hinblick auf sie als Beigeladene abzuweisen.

8

Die Klägerin und die Beklagte verteidigen das angefochtene Berufungsurteil und beantragen jeweils,

        

die Revision zurückzuweisen.

9

Die Beklagte hatte ursprünglich ebenfalls Revision eingelegt (Telefax vom 22.2.2011), diese aber mangels Beschwer wieder zurückgenommen (Schriftsatz vom 18.3.2011).

Entscheidungsgründe

10

Die Revision der Beigeladenen ist zulässig, aber nicht begründet. Die Klägerin hat, wie die Vorinstanzen zu Recht entschieden haben, gegen die Beigeladene einen Anspruch auf Erstattung der durch den Festbetrag nicht gedeckten Kosten der Hörgeräteversorgung in Höhe von 1956,90 Euro. Dieser Anspruch besteht zwar nicht gegen die Beigeladene als für das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zuständigem Leistungsträger (§ 13 Abs 3 S 1 SGB V); leistungspflichtig ist die Beigeladene jedoch als im Verhältnis zur Klägerin auch für die rentenversicherungsrechtliche Hilfsmittelversorgung zuständig gewordener erstangegangener Leistungsträger (Erstattungsanspruch nach § 15 Abs 1 S 4 iVm § 14 Abs 1 SGB IX).

11

1. Streitgegenstand ist der Anspruch der Klägerin auf Erstattung der den Festbetrag (§ 36 SGB V) übersteigenden Kosten des Hörgeräts entweder durch die Beklagte oder durch die Beigeladene. Insoweit ist der beim LSG anhängig gewesene Streitstoff vollständig auch beim BSG angefallen, obwohl nach der Rücknahme des von der Beklagten eingelegten Rechtsmittels nur noch die von der Beigeladenen eingelegte Revision zur Entscheidung ansteht und die Klägerin schon gegen die Abweisung der Klage gegen die Beklagte nicht mit einem eigenen Rechtsmittel - etwa im Wege der Anschlussberufung zu der von der Beigeladenen eingelegten Berufung - vorgegangen war. Das ergibt sich aus der durch § 75 Abs 5 SGG eröffneten - und einer sowohl vom SG als auch vom LSG realisierten - Befugnis, anstelle des verklagten Versicherungs- oder Leistungsträgers nach Beiladung den tatsächlich leistungsverpflichteten, aber nicht verklagten Träger zu verurteilen. Diese prozessual vorgesehene Möglichkeit der Verurteilung auf Beiladung dient vor allem der Prozessökonomie, einer Klageänderung (§ 99 SGG) bedarf es dabei nicht. Um der Vorstellung des SGG-Gesetzgebers in vollem Umfang gerecht werden zu können, muss auch die nächste Instanz über alle in Frage kommenden prozessualen Ansprüche entscheiden können, wenn nur der unterlegene - beigeladene - Versicherungsträger Rechtsmittel eingelegt hat, wie es hier bereits im Berufungsrechtszug geschehen war und nunmehr auch im Revisionsverfahren der Fall ist. Anderenfalls könnten einander widersprechende Entscheidungen ergehen mit der Folge, dass der Kläger mit seinem Klagebegehren zunächst gegen den einen Versicherungsträger und in einer weiteren Instanz gegen den anderen Träger nicht durchdringt, obwohl feststeht, dass gegen einen von beiden jedenfalls der Anspruch besteht. Der Kläger müsste ggf ein Wiederaufnahmeverfahren nach § 180 SGG betreiben, also ein weiteres Verfahren einleiten; dies wäre in höchstem Maße prozessunökonomisch und soll durch die Regelung des § 75 Abs 5 SGG gerade vermieden werden. Deshalb muss im Revisionsverfahren - wie das BSG schon wiederholt ausgeführt hat - auch über den Anspruch entschieden werden, der gegen die Beklagte gerichtet war, obgleich die Klage gegen diese abgewiesen worden ist und nur die verurteilte Beigeladene im zweiten Rechtszug Berufung und im dritten Rechtszug Revision eingelegt hat (BSGE 9, 67, 69 f; BSG SozR 2200 § 1237a Nr 16 S 37; BSG SozR 2200 § 1236 Nr 31 S 57 f; BSGE 102, 90 = SozR 4-2500 § 33 Nr 21, RdNr 10).

12

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist also im Verhältnis zu der von der Klägerin im Klagewege in Anspruch genommenen Beklagten deren Bescheid vom 3.8.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.11.2006, mit der die Übernahme (Sachleistungsanspruch) bzw später die Erstattung (Kostenerstattungsanspruch) der den Festbetrag übersteigenden Kosten der Hörgeräteversorgung in Höhe von 1956,90 Euro abgelehnt worden war. Verfahrensgegenstand ist aber auch die für das Verhältnis der Klägerin zu der Beigeladenen maßgebende Entscheidung vom 12.7.2006, die begehrte Hörgeräteversorgung auf den Festbetrag zu beschränken, eine technisch aufwändigere und teurere Versorgung also abzulehnen. Über diese Verwaltungsentscheidung der Beigeladenen ist zu befinden, weil eine unmittelbare Verurteilung der Beigeladenen nach § 75 Abs 5 SGG voraussetzt, dass dieser Ablehnungsentscheidung im Verhältnis zwischen der Klägerin und der Beigeladenen keine Bindungswirkung zukommt. Im Falle einer solchen Bindungswirkung wäre eine Verurteilung der Beigeladenen nach § 75 Abs 5 SGG ausgeschlossen(BSG SozR 1500 § 75 Nr 38; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 75 RdNr 18b).

13

2. Die Klägerin macht den Anspruch auf Kostenerstattung für die in Höhe von 1956,90 Euro selbst finanzierte Hörgeräteversorgung zu Recht mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs 4 SGG geltend. Die Klage ist gegenüber der Beklagten fristgerecht nach erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren (§ 87 SGG) erhoben worden und auch ansonsten zulässig. Die Verurteilung der Beigeladenen kann auf der Grundlage des § 75 Abs 5 SGG erfolgen; hierzu bedarf es insbesondere keines abgeschlossenen Vorverfahrens iS des § 83 SGG(Leitherer, aaO, § 75 RdNr 18b unter Hinweis auf BSG SozR Nr 27 zu § 75 SGG).

14

3. Die Klägerin hat sich mit ihrem Begehren nach einer verbesserten Hörgeräteversorgung zunächst an die Beigeladene als krankenversicherungsrechtlichen Leistungsträger (§ 33 SGB V) und nach Kenntnis von deren auf den Festbetrag (§ 36 iVm § 12 Abs 2 SGB V) beschränkter Leistungsbewilligung zusätzlich an die Beklagte als rentenversicherungsrechtlichen Leistungsträger (§ 15 Abs 1 SGB VI iVm § 26 Abs 2 Nr 6 und § 31 SGB IX) gewandt, um auch den offenen Restbetrag als Versicherungsleistung gewährt zu bekommen. Die Zuständigkeit der Beklagten als für die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 9 Abs 1 S 1 SGB VI iVm § 5 Nr 2 und § 6 Abs 1 Nr 4 SGB IX) einstandspflichtigen Versicherungsträger kam hier in Betracht, weil die als Diplom-Pflegewirtin ausgebildete Klägerin die Notwendigkeit der verbesserten Hörgeräteversorgung damit begründet hat, anderenfalls ihre gerade erst angetretene neue Beschäftigung als Qualitätsmanagementbeauftragte für den Pflegesektor eines Wohlfahrtsverbandes nicht (mehr) ausüben zu können.

15

Der Frage nach der rentenversicherungsrechtlichen Zuständigkeit der Beklagten für die begehrte Rehabilitationsleistung stellt sich jedoch nur, wenn der Leistungsantrag der Klägerin vom 25.7.2006 mit Blick auf die Zuständigkeitsregelung des § 14 SGB IX als rehabilitationsrechtlicher Erstantrag zu werten ist. Ist er hingegen nur als wiederholender Antrag (Zweitantrag) im Rahmen eines durch den bereits Ende Juni/Anfang Juli 2006 bei der Beigeladenen gestellten Leistungsantrag eingeleiteten einheitlichen rehabilitationsrechtlichen Verwaltungsverfahrens anzusehen, wäre eine rentenversicherungsrechtliche Zuständigkeit der Beklagten nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX im ausschließlich maßgeblichen Außenverhältnis zur Klägerin ausgeschlossen. Vielmehr wäre dann die Beigeladene im Verhältnis zur Klägerin allein zuständiger Rehabilitationsträger für den Versorgungsfall geworden. Das ist nach den Gegebenheiten dieses Falles zu bejahen.

16

a) Nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX verliert der materiell-rechtlich - eigentlich - zuständige Rehabilitationsträger(§ 6 SGB IX) im Außenverhältnis zum Versicherten oder Leistungsempfänger seine Zuständigkeit für eine Teilhabeleistung, sobald der zuerst angegangene Rehabilitationsträger (hier: die beigeladene Krankenkasse) eine iS von § 14 Abs 1 SGB IX fristgerechte Zuständigkeitsklärung versäumt hat und demzufolge die Zuständigkeit nach allen in Betracht kommenden rehabilitationsrechtlichen Rechtsgrundlagen auf ihn übergegangen ist. Sinn dieser Regelung ist es, zwischen den betroffenen behinderten Menschen und Rehabilitationsträgern schnell und dauerhaft die Zuständigkeit zu klären und so Nachteilen des gegliederten Systems entgegenzuwirken (vgl BT-Drucks 14/5074 S 95 zu Nr 5 und S 102 f zu § 14). Deshalb ist der erstangegangene Rehabilitationsträger gehalten, innerhalb von zwei Wochen nach Eingang eines Antrags auf Leistungen zur Teilhabe festzustellen, ob er nach dem für ihn geltenden gesetzlichen Regelwerk für die Leistung zuständig ist; bei den Krankenkassen umfasst die Prüfung auch die Leistungspflicht nach § 40 Abs 4 SGB V(§ 14 Abs 1 S 1 SGB IX). Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu. Muss für eine solche Feststellung die Ursache der Behinderung geklärt werden - vor allem in den Systemen der Unfallversicherung und der sozialen Entschädigung - und ist diese Klärung in der Frist nach § 14 Abs 1 S 1 SGB IX nicht möglich, wird der Antrag unverzüglich dem Rehabilitationsträger zugeleitet, der dem Grunde nach zuständig wäre und die Leistung dann zunächst ohne Rücksicht auf die Ursache erbringt(§ 14 Abs 1 S 2 und 3 SGB IX). Anderenfalls bestimmt § 14 Abs 2 S 1 SGB IX: "Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf unverzüglich fest." Diese Zuständigkeit nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX erstreckt sich im Außenverhältnis zwischen dem Antragsteller und dem erstangegangenen Rehabilitationsträger auf alle Rechtsgrundlagen, die überhaupt in dieser Bedarfssituation rehabilitationsrechtlich vorgesehen sind(BSGE 93, 283 = SozR 4-3250 § 14 Nr 1, RdNr 15 ff; BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4, RdNr 14; BSGE 102, 90 = SozR 4-2500 § 33 Nr 21, RdNr 23). Dadurch wird eine nach außen verbindliche Zuständigkeit des erstangegangenen Rehabilitationsträgers geschaffen, die intern die Verpflichtungen des eigentlich zuständigen Leistungsträgers unberührt lässt und die Träger insoweit auf den nachträglichen Ausgleich nach § 14 Abs 4 S 1 SGB IX und §§ 102 ff SGB X verweist(BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4, RdNr 14-16).

17

b) Erstangegangener Rehabilitationsträger iS von § 14 SGB IX ist derjenige Träger, der von dem Versicherten bzw Leistungsbezieher erstmals mit dem zu beurteilenden Antrag auf Bewilligung einer Leistung zur Teilhabe befasst worden ist. Diese Befassungswirkung fällt nach der Rechtsprechung des BSG grundsätzlich auch nach einer verbindlichen abschließenden Entscheidung des erstangegangenen Trägers nicht weg. Vielmehr behält der erstmals befasste Rehabilitationsträger seine Zuständigkeit nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX im Außenverhältnis zum Antragsteller regelmäßig auch dann weiter bei, wenn er, ohne den Antrag an den aus seiner Sicht zuständigen Rehabilitationsträger weitergeleitet zu haben, das Verwaltungsverfahren durch Erlass eines Verwaltungsakts abschließt(vgl § 8 SGB X), selbst wenn dieser bindend wird. Er bleibt deshalb auch für ein mögliches Verfahren nach § 44 SGB X zuständig, selbst wenn die Rechtswidrigkeit im Sinne dieser Vorschrift dann nur darin liegt, dass er die außerhalb seiner "eigentlichen" Zuständigkeit liegenden, nach dem Vorstehenden einschlägigen Rechtsgrundlagen nicht beachtet hat(BSGE 93, 283 = SozR 4-3250 § 14 Nr 1, RdNr 10; BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7, RdNr 31; BSGE 102, 90 = SozR 4-2500 § 33 Nr 21, RdNr 24).

18

4. Nach diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Fall die beigeladene Krankenkasse als erstangegangener Rehabilitationsträger für die begehrte Hörgeräteversorgung iS des § 14 SGB IX anzusehen. Die Beigeladene ist im Außenverhältnis zur Klägerin mangels Weiterleitung des Leistungsantrags an die Beklagte nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX für das Versorgungsbegehren ausschließlich zuständig geworden; dies schließt eine Zuständigkeit der Beklagten für die Erfüllung des Kostenerstattungsanspruchs als Rentenversicherungsträger aus.

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a) Leistungen der GKV werden auf Antrag erbracht, soweit sich aus den Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige nichts Abweichendes ergibt (§ 19 S 1 SGB IV). Der Anspruch eines Versicherten auf Krankenbehandlung umfasst ua die Versorgung mit Hilfsmitteln (§ 27 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB V), und zwar nach Maßgabe des § 33 SGB V. Dieser Anspruch ist von der Krankenkasse grundsätzlich in Form einer Sachleistung (§ 2 Abs 2 S 1 SGB V) zu erbringen, wobei sie ihre Leistungspflicht gemäß § 12 Abs 2 SGB V mit dem Festbetrag erfüllt, wenn für die Leistung ein Festbetrag festgesetzt ist(BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 17 RdNr 13). Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels des SGB V Verträge mit den Leistungserbringern (§ 2 Abs 2 S 3 SGB V). Im vorliegenden Fall maßgeblich ist der zwischen der Bundesinnung der Hörgeräteakustiker KdöR und dem damaligen Verband der Angestellten-Krankenkassen e. V. sowie dem damaligen Arbeiter-Ersatzkassen-Verband e. V. für die Zeit ab 1.1.2004 geschlossene Vertrag nach §§ 126, 127 SGB V. Danach erfolgt die Abgabe von Hörhilfen auf der Grundlage einer ärztlichen Verordnung oder einer Bewilligung der Ersatzkassen (§ 4 Nr 1 S 1 des Vertrages). Unter der Überschrift "Verfahren bei vorheriger ärztlicher Verordnung" ist ua Folgendes vereinbart worden: "Nach Vorlage der Verordnung durch den Versicherten erstattet der Leistungserbringer eine Versorgungsanzeige (Anlage 3) gegenüber der leistungspflichtigen Ersatzkasse. Der Leistungserbringer erhält nach Prüfung der leistungsrechtlichen Voraussetzungen ein Bewilligungsschreiben der Ersatzkasse. Die Versorgung kann abgerechnet werden, wenn die zur Versorgung geeigneten Hörhilfen nach der Anpassung an den Versicherten ausgeliefert sind und der HNO-Arzt eine ausreichende Hörverbesserung und die Zweckmäßigkeit der Hörhilfe bestätigt hat" (§ 4 Nr 1 S 2 des Vertrages).

20

b) Der Senat kann offenlassen, ob die maßgebliche Antragstellung iS des § 14 SGB IX durch Übergabe der vertragsärztlichen Hörgeräteverordnung vom 9.6.2006 seitens der Klägerin an den Hörgeräteakustiker oder erst durch dessen Versorgungsanzeige bei der Krankenkasse erfolgt ist. In dem einen wie in dem anderen Fall läge ein Leistungsbegehren der Klägerin und damit ein Leistungsantrag iS des § 19 S 1 SGB IV vor, der in der Zeit zwischen dem 9.6.2006 (Tag der vertragsärztlichen Verordnung) und dem 12.7.2006 (Tag der Verwaltungsentscheidung) bei der Beigeladenen eingegangen ist. Deren Einwand, die vom LSG als Antrag angesehene Versorgungsanzeige sei allein Bestandteil der Innenkommunikation zwischen Leistungsbringer und Krankenkasse zur Gewährung einer Sachleistung (§ 2 Abs 2 S 1 SGB V), durch die im Wesentlichen die Mitgliedschaft des Versicherten (vgl § 19 Abs 1 SGB V) geklärt werde, ist unzutreffend und wirklichkeitsfremd. Wenn sich ein Rehabilitationsträger - wie hier und bei der Hörgeräteversorgung wohl allgemein üblich - seiner leistungsrechtlichen Verantwortung durch sog "Verträge zur Komplettversorgung" nahezu vollständig entzieht und dem Leistungserbringer quasi die Entscheidung darüber überlässt, ob dem Versicherten eine Teilhabeleistung (wenn auch nur zum Festbetrag) zuteil wird, dann erfüllt er weder seine Pflicht zur ordnungsgemäßen Einzelfallprüfung nach § 33 SGB V noch befolgt er die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit(§ 12 Abs 1 und § 70 Abs 1 S 2 SGB V). Wer sich der Pflicht zur Antragsentgegennahme (§ 16 SGB I) verweigert, kann sich nicht darauf berufen, es sei bei ihm kein Antrag gestellt worden. Es mutet zudem abenteuerlich an, dass die Rehabilitationsträger die Versorgung mit bestimmten Hilfsmitteln - hier: Hörgeräte - praktisch nicht mehr selbst vornehmen, sondern in die Hände der Leistungserbringer "outgesourced" haben. Dass ein solches Vorgehen weder dem Grundgedanken der Festbetragsregelung gerecht wird noch zur Kostendämpfung beiträgt, dürfte klar auf der Hand liegen. Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass die Beigeladene hinsichtlich der erfolgten Versorgung keinerlei nachprüfbare Unterlagen vorlegen konnte, wie dies in ihrem "Vertrag zur Komplettversorgung" mit den Hörgeräteakustikern vorgeschrieben ist. Es existiert lediglich ein Datenauszug, der mit Datum 12.7.2006 die Bewilligung eines Hörgeräts und des Festbetrages dokumentiert - ohne jede weitere Überprüfung des Leistungsfalles. Der Senat hält eine derartige Praxis im Umgang mit dem Leistungsrecht des SGB V für nicht mehr akzeptabel.

21

c) Der Antrag der Klägerin richtet sich auf die Versorgung mit einem Hörgerät und ist als solcher nach ständiger Rechtsprechung des BSG ein Antrag auf Teilhabeleistungen iS von § 14 Abs 1 S 1 SGB IX(BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7, RdNr 34; BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 8, RdNr 18). Dabei geht es nach der Auslegungsregel des § 2 Abs 2 SGB I um eine umfassende, nach Maßgabe des Leistungsrechts des Sozialgesetzbuches (hier: des Leistungsrechts der GKV nach dem SGB V sowie des Leistungsrechts der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem SGB VI) bestmögliche Versorgung mit einem neuen Hörgerät. Eine solche Auslegung des Leistungsbegehrens schließt die Aufspaltung des klägerischen Begehrens in zwei separate Leistungsanträge, nämlich in einem Antrag auf Bewilligung eines Festbetrages ("Normalversorgung", § 12 Abs 2 SGB V) und einen weiteren Antrag auf Bewilligung einer über den Festbetrag hinausgehenden, technisch anspruchsvolleren und teureren Versorgung ("Premiumversorgung"), von vornherein aus. Es ist also von einem einheitlichen, spätestens am 12.7.2006 bei der Beigeladenen gestellten Leistungsantrag auszugehen.

22

d) Dieser Antrag entspricht inhaltlich den Anforderungen, die an einen Antrag nach § 14 Abs 1 S 1 SGB IX zu stellen sind.

23

Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut genügt ein Antrag auf Leistungen zur Teilhabe, um die Zuständigkeitsprüfung des erstangegangenen Leistungsträgers und die Zwei-Wochen-Frist in Gang zu setzen. Ein solcher lag hier - wie bereits dargestellt - jedenfalls in Form der Versorgungsanzeige des Hörakustikstudios spätestens am 12.7.2006 vor. Eine andere Auslegung liefe dem Gesetzeszweck zuwider, im Interesse behinderter und von Behinderung bedrohter Menschen durch rasche Klärung von Zuständigkeiten Nachteilen im gegliederten System entgegenzuwirken (BT-Drucks 14/5074 S 102 f zu § 14). Soweit die Beigeladene darauf hinweist, dass dem Antrag der Klägerin, hier also der Versorgungsanzeige des Hörakustikstudios und der beigefügten vertragsärztlichen Verordnung, die für eine Zuständigkeitsprüfung notwendigen Angaben fehlten, wäre es ihre Aufgabe als Versicherungsträger gewesen, diese Angaben zu ermitteln. Dies ergibt sich unmittelbar aus der gesetzlichen Pflicht zur Zuständigkeitsprüfung nach § 14 Abs 1 S 1 SGB IX in Verbindung mit dem Amtsermittlungsgrundsatz nach § 20 Abs 1 SGB X.

24

Auch der Hinweis der Beigeladenen auf die "Gemeinsamen Empfehlungen" der Rehabilitationsträger nach § 13 SGB IX führt zu keiner anderen Bewertung. Die Beigeladene vertritt die Auffassung, ein Antrag auf Teilhabe iS des § 14 Abs 1 S 1 SGB IX liege erst vor, wenn der Rehabilitationsträger über jene Aufgaben und Unterlagen verfüge, die eine Beurteilung der Zuständigkeit ermöglichten(§ 1 Abs 1 S 2 und 3 der Gemeinsamen Empfehlung nach § 13 Abs 2 Nr 3 SGB IX über die Ausgestaltung des in § 14 SGB IX bestimmten Verfahrens idF vom 28.9.2010). Die Behörde müsse solange nicht von einem Teilhabeleistungsantrag ausgehen, als bei verständiger Würdigung nicht erkennbar sei, dass und aus welchem Sozialleistungsbereich der Antragsteller Sozialleistungen begehre. Jede andere Bewertung würde die Leistungsfähigkeit der Krankenkassen sprengen.

25

Die Frage, ob dieser Rechtsauffassung der Beigeladenen und der ihr zugrunde liegenden Empfehlung nach § 13 Abs 2 Nr 3 SGB IX partiell zugestimmt werden kann oder ob die Empfehlung in dieser Allgemeinheit überhaupt mit § 14 Abs 1 S 1 SGB IX zu vereinbaren ist, braucht an dieser Stelle nicht abschließend entschieden zu werden; denn ein an die Krankenkasse gerichteter Antrag auf Versorgung mit einem Hörgerät ist jedenfalls auch auf Leistungen zur Teilhabe iS von §§ 1, 4 und 5 SGB IX gerichtet. Wie bereits ausgeführt, will der Versicherte im Zweifel die ihm günstigste Art der Leistungsgewährung in Anspruch nehmen; ein einmal gestellter Antrag ist also umfassend, dh auf alle nach Lage des Falles in Betracht kommenden Leistungen und Anspruchsgrundlagen hin zu prüfen (BSG SozR 4-2600 § 236a Nr 2 RdNr 21; BSG SozR 4-2600 § 43 Nr 9 RdNr 27; BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 14; BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7, RdNr 34), und insbesondere nicht "künstlich" in separate Teil-Leistungsanträge für die verschiedenen in Betracht kommenden Teilhabeleistungen aufzuspalten. Deshalb hatte die Beigeladene den Leistungsantrag von vornherein sowohl unter dem Aspekt der Hilfsmittelversorgung zur medizinischen Rehabilitation (§ 5 Nr 1, § 31 SGB IX, § 33 SGB V) als auch unter dem Aspekt der Hilfsmittelversorgung zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 5 Nr 2, § 33 Abs 8 S 1 Nr 4 SGB IX, §§ 9, 15 SGB VI) zu prüfen und danach die Zuständigkeit zu bestimmen. Die Frage, ob die Hörgeräteversorgung auch (oder nur) zur weiteren Berufsausübung benötigt wurde, hätte ohne Weiteres durch eine Nachfrage bei der Klägerin (zB per Telefon) geklärt werden können und berechtigte grundsätzlich nicht zu einer Verschiebung des Beginns der Zwei-Wochen-Frist des § 14 Abs 1 S 1 SGB IX. Der Gesetzgeber hat mit gutem Grund eine strenge Zwei-Wochen-Frist für die Prüfung der Zuständigkeit für die Entscheidung von Anträgen auf Teilhabeleistungen gesetzt und deren Verlängerung nicht vorgesehen (vgl § 14 Abs 1 S 3 SGB IX).

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e) Nachdem die Beigeladene den Antrag der Klägerin auf Leistungen zur Teilhabe nicht innerhalb von zwei Wochen ab dessen Eingang weitergeleitet hat, oblag es ihr, unverzüglich den Rehabilitationsbedarf der Klägerin festzustellen (§ 14 Abs 2 S 1 SGB IX). Diese Zuständigkeit der Beigeladenen ist ausschließlicher Natur; denn die Zuständigkeit des erstangegangenen Rehabilitationsträgers nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX schließt im Außenverhältnis zum Versicherten die Zuständigkeiten aller anderen Träger aus(BSGE 93, 283 = SozR 4-3250 § 14 Nr 1, RdNr 15; BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4, RdNr 12 ff; BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7, RdNr 16; BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 8 RdNr 15; stRspr). Im Verhältnis zwischen dem erstangegangenen Träger und dem Leistungsberechtigten ist also der Anspruch anhand aller Rechtsgrundlagen zu prüfen, die überhaupt in der konkreten Bedarfssituation für Rehabilitationsträger vorgesehen sind. Darüber hinaus verlieren alle anderen Träger innerhalb des durch den Leistungsantrag ausgelösten Verwaltungsverfahrens ihre Zuständigkeit für die Gewährung von Rehabilitationsleistungen, was wiederum zur Folge hat, dass eventuell ergangene Bescheide wegen sachlicher Unzuständigkeit aufzuheben sind (BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 8 RdNr 16). Dementsprechend hat das LSG zu Recht die angefochtenen Entscheidungen der Beklagten mangels Zuständigkeit aufgehoben.

27

5. Zu Recht haben die Vorinstanzen die Beigeladene und nicht die Beklagte als für die Erstattung des von der Klägerin getragenen Kostenanteils in Höhe von 1956,90 Euro zuständig erachtet. Die Kostenerstattungspflicht der Beigeladenen beruht allerdings nicht auf ihrer Funktion als originär zuständiger Krankenversicherungsträger, sondern auf ihrer Eigenschaft als nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX umfassend zuständig gewordener erstangegangener Rehabilitationsträger, der die begehrte Teilhabeleistung auch unter dem Aspekt einer dem Rentenversicherungsträger obliegenden Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben(§ 5 Nr 2, § 6 Abs 1 Nr 4 SGB IX) zu prüfen hatte. Da die rentenversicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt waren, hätte die Beigeladene die der Klägerin angepasste Hörgeräteversorgung als Sachleistung erbringen müssen; die Beschränkung der Leistung auf den Festbetrag (§ 36 SGB V) war rechtswidrig.

28

6. Grundlage des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs gegen die Beigeladene als zuständiger Krankenversicherungsträger ist § 13 Abs 3 S 1 Fall 2 SGB V(hier idF des Art 5 Nr 7 Buchst b SGB IX - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - vom 19.6.2001, BGBl I 1046). Danach gilt: Hat die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Der Erstattungsanspruch reicht, wie in der Rechtsprechung des BSG geklärt ist, nicht weiter als ein entsprechender - primärer - Sachleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (stRspr; vgl zB BSGE 79, 125, 126 f = SozR 3-2500 § 13 Nr 11 S 51 f mwN; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 11 mwN; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 19 RdNr 12; vgl zum Ganzen auch Hauck in: Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Bd 1, Stand: 1.1.2012, § 13 SGB V RdNr 233 ff). Der Anspruch ist demgemäß gegeben, wenn die Krankenkasse die Erfüllung eines Naturalleistungsanspruchs rechtswidrig abgelehnt und der Versicherte sich die Leistung selbst beschafft hat, wenn weiterhin ein Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung besteht, die selbst beschaffte Leistung notwendig ist und die Selbstbeschaffung eine rechtlich wirksame Kostenbelastung des Versicherten ausgelöst hat (vgl zuletzt BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 25; eingehend Hauck, aaO, mwN). Diese Voraussetzungen wären nur erfüllt, wenn die Beigeladene ihre Leistungspflicht nach dem Leistungsrecht des SGB V zu Unrecht auf den Festbetrag begrenzt und die vollständige Erfüllung des gegebenen Leistungsanspruchs rechtswidrig abgelehnt hätte. Dies ist jedoch nicht der Fall, weil der Klägerin kein krankenversicherungsrechtlicher Anspruch auf die angepasste "Primärversorgung" zustand.

29

7. Rechtsgrundlage des in erster Linie verfolgten krankenversicherungsrechtlichen Leistungsanspruchs ist § 33 Abs 1 S 1 SGB V, hier in der zum Zeitpunkt der Leistungsverschaffung geltenden Fassung des Art 1 Nr 20 Buchst a bb des Gesetzes zur Modernisierung der GKV(GKV-Modernisierungsgesetz - GMG) vom 14.11.2003 (BGBl I 2190, im Folgenden: § 33 SGB V aF). Hiernach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, wenn sie erstens nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens oder nach § 34 Abs 4 SGB V aus der GKV-Versorgung ausgeschlossen und zweitens im Einzelfall erforderlich sind, um entweder den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. Demgemäß besteht nach § 33 Abs 1 S 1 SGB V ein Anspruch auf Hörhilfen, die nur von hörbehinderten Menschen benutzt werden und deshalb kein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens sind, auch nicht nach § 34 Abs 4 SGB V aus der GKV-Versorgung ausgeschlossen sind und weder der Krankenbehandlung noch der Vorbeugung einer Behinderung dienen, soweit sie im Rahmen des Notwendigen und Wirtschaftlichen(§ 12 Abs 1 SGB V) für den von der Krankenkasse geschuldeten Behinderungsausgleich erforderlich sind.

30

8. Der von den Krankenkassen geschuldete Behinderungsausgleich bemisst sich nach ständiger Rechtsprechung des für die GKV-Hilfsmittelversorgung ausschließlich zuständigen 3. Senats des BSG entscheidend danach, ob eine Leistung des unmittelbaren oder des mittelbaren Behinderungsausgleichs beansprucht wird (BSGE 105, 170 = SozR 4-2500 § 36 Nr 2, RdNr 14 ff). Insoweit hat der in § 33 Abs 1 S 1 SGB V als 3. Variante genannte Zweck (vgl jetzt auch § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX) für die im Rahmen der GKV gebotene Hilfsmittelversorgung zwei Ebenen.

31

a) Im Bereich des unmittelbaren Behinderungsausgleichs ist die Hilfsmittelversorgung grundsätzlich von dem Ziel eines vollständigen funktionellen Ausgleichs geleitet. Im Vordergrund steht dabei der unmittelbare Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion. Davon ist auszugehen, wenn das Hilfsmittel die Ausübung der beeinträchtigten Körperfunktion - hier das Hören - selbst ermöglicht, ersetzt oder erleichtert. Für diesen unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts (§ 2 Abs 1 S 3 SGB V). Dies dient in aller Regel ohne gesonderte weitere Prüfung der Befriedigung eines Grundbedürfnisses des täglichen Lebens iS von § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX, weil die Erhaltung bzw Wiederherstellung einer Körperfunktion als solche schon ein Grundbedürfnis in diesem Sinne ist. Deshalb kann auch die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem gesunden Menschen erreicht ist (BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 4 - C-Leg II). Das Maß der notwendigen Versorgung würde deshalb verkannt, wenn die Krankenkassen ihren Versicherten Hörgeräte ungeachtet hörgerätetechnischer Verbesserungen nur "zur Verständigung beim Einzelgespräch unter direkter Ansprache" zur Verfügung stellen müssten. Teil des von den Krankenkassen nach § 33 Abs 1 S 1 SGB V geschuldeten - möglichst vollständigen - Behinderungsausgleichs ist es vielmehr, hörbehinderten Menschen im Rahmen des Möglichen auch das Hören und Verstehen in größeren Räumen und bei störenden Umgebungsgeräuschen zu eröffnen und ihnen die dazu nach dem Stand der Hörgerätetechnik(§ 2 Abs 1 S 3 SGB V)jeweils erforderlichen Geräte zur Verfügung zu stellen. Das schließt - wie die Beigeladene zu Recht nicht in Zweifel gezogen hat - je nach Notwendigkeit auch die Versorgung mit digitalen Hörgeräten ein.

32

b) Beschränkter sind die Leistungspflichten der GKV, wenn die Erhaltung bzw Wiederherstellung der beeinträchtigten Körperfunktion nicht oder nicht ausreichend möglich ist und deshalb Hilfsmittel zum Ausgleich von direkten und indirekten Folgen der Behinderung benötigt werden (sog mittelbarer Behinderungsausgleich). Dann sind die Krankenkassen ständiger Rechtsprechung des Senats zufolge nur für einen Basisausgleich von Behinderungsfolgen eintrittspflichtig. Es geht hier nicht um einen Ausgleich im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten eines gesunden Menschen. Denn Aufgabe der GKV ist in allen Fällen allein die medizinische Rehabilitation (vgl § 1 SGB V sowie § 6 Abs 1 Nr 1 iVm § 5 Nr 1 und 3 SGB IX), also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolges, um ein selbstständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme. Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich ist von der GKV deshalb nur dann zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Zu diesen allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehören nach ständiger Rechtsprechung des BSG das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, die Nahrungsaufnahme, das Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums (BSGE 93, 176, 180 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7, RdNr 12; BSGE 91, 60, 63 = SozR 4-2500 § 33 Nr 3, RdNr 10; BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 14; stRspr). Für den Ausgleich darüber hinausreichender Behinderungsfolgen haben beim mittelbaren Behinderungsausgleich hingegen ggf andere Sozialleistungssysteme Sorge zu tragen.

33

c) Dies gilt entgegen einer als überholt anzusehenden (BSGE 105, 170 = SozR 4-2500 § 36 Nr 2, RdNr 17) Entscheidung des 13. Senats des BSG vom 21.8.2008 (BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7 - digitales Hörgerät für Lagerarbeiter) auch für Gebrauchsvorteile im Beruf. Seiner Ansicht nach sollten die Krankenkassen auch für Hilfsmittel in Anspruch genommen werden können, die (nur) für die Berufsausübung erforderlich sind (aaO, RdNr 43). Dem ist nicht zu folgen, weil Auswirkungen bei der oder auf die Berufsausübung für die Hilfsmittelgewährung nach dem SGB V grundsätzlich unbeachtlich sind. Für Leistungen der medizinischen Rehabilitation und demgemäß nach § 26 Abs 2 Nr 6 SGB IX auch für die Versorgung mit Hilfsmitteln sind die Krankenkassen nicht allein zuständig, sondern ebenso Rehabilitationsträger wie ua die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung(vgl §§ 9 Abs 1 S 1, 15 Abs 1 S 1 SGB VI iVm § 31 SGB IX) und die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung (vgl § 31 Abs 1 S 1 SGB VII). Dies rechtfertigt die Leistungsbegrenzung in der GKV auf solche Hilfsmittel, mit denen die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder gemildert werden können und die damit ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens betreffen (stRspr; vgl zuletzt BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7, RdNr 12 - schwenkbarer Autositz bei Wachkomaversorgung; BSGE 91, 60 RdNr 9 = SozR 4-2500 § 33 Nr 3 RdNr 10 - Rollstuhl-Ladeboy; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 31 S 185 - Rollstuhl-Bike; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 32 S 191 - Therapie-Tandem). Die demgegenüber vom 13. Senat des BSG angeführte und noch zu §§ 182, 182b Reichsversicherungsordnung ergangene frühere Rechtsprechung(insbesondere BSG SozR 2200 § 182b Nr 36 und BSG SozR 2200 § 182 Nr 116) ist unter Geltung des SGB V nicht weiterverfolgt worden. Hätte die GKV heute auch noch jenseits des elementaren Basisausgleichs für den Ausgleich jeglicher mittelbarer Behinderungsfolgen aufzukommen, wäre die überkommene und im SGB IX ausdrücklich bekräftigte (vgl § 6 Abs 1 und 2, § 7 S 2 SGB IX)Aufgabenteilung zwischen den Krankenkassen einerseits sowie den Trägern ua der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung andererseits auf dem Gebiet der medizinischen Rehabilitation hinfällig. Ausschließlich berufliche und arbeitsplatzspezifische Gebrauchsvorteile sind demgemäß für die Hilfsmittelversorgung nach dem SGB V grundsätzlich unbeachtlich. Ist ein Versicherter für die Anforderungen des allgemeinen Alltagslebens ausreichend versorgt, kommt es auf etwaige zusätzliche Nutzungsvorteile im Erwerbsleben ohnehin nicht an. Umgekehrt kann ein Hilfsmittelanspruch gegen die GKV nicht auf ausschließlich berufliche Nutzungsvorteile gestützt werden, wenn das Hilfsmittel ansonsten keine allgemeinen Grundbedürfnisse betrifft und seine Nutzung die Auswirkungen der Behinderung nicht im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert.

34

d) Begrenzt ist der so umrissene Anspruch auf eine Hilfsmittelversorgung nach § 33 SGB V durch das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs 1 SGB V. Die Leistungen müssen danach "ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein" und dürfen "das Maß des Notwendigen nicht überschreiten"; Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. Demzufolge verpflichtet auch § 33 Abs 1 S 1 SGB V nicht dazu, den Versicherten jede gewünschte, von ihnen für optimal gehaltene Versorgung zur Verfügung zu stellen. Ausgeschlossen sind danach Ansprüche auf teure Hilfsmittel, wenn eine kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Nachteilsausgleich funktionell ebenfalls geeignet ist (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 26 S 153; stRspr); Mehrkosten sind andernfalls selbst zu tragen (§ 33 Abs 1 S 5 SGB V). Eingeschlossen in den Versorgungsauftrag der GKV ist eine kostenaufwändige Versorgung dagegen dann, wenn durch sie eine Verbesserung bedingt ist, die einen wesentlichen Gebrauchsvorteil gegenüber einer kostengünstigeren Alternative bietet. Das gilt bei Hilfsmitteln zum unmittelbaren Behinderungsausgleich insbesondere durch Prothesen für grundsätzlich jede Innovation, die dem Versicherten in seinem Alltagsleben deutliche Gebrauchsvorteile bietet (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 44 S 249 - C-Leg I; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 45 S 255 - Damenperücke; BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 4 - C-Leg II). Keine Leistungspflicht besteht dagegen für solche Innovationen, die nicht die Funktionalität betreffen, sondern in erster Linie die Bequemlichkeit und den Komfort bei der Nutzung des Hilfsmittels (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 44 S 249; BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 15). Dasselbe gilt für lediglich ästhetische Vorteile (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 45 - Damenperücke). Desgleichen kann eine Leistungsbegrenzung zu erwägen sein, wenn die funktionalen Vorteile eines Hilfsmittels ausschließlich in bestimmten Lebensbereichen zum Tragen kommen (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 34 zur Versorgung mit einer - dem mittelbaren Behinderungsausgleich dienenden - Mikroportanlage). Weitere Grenzen der Leistungspflicht können schließlich berührt sein, wenn einer nur geringfügigen Verbesserung des Gebrauchsnutzens ein als unverhältnismäßig einzuschätzender Mehraufwand gegenübersteht (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 26 S 153 und Nr 44 S 250 - jeweils mwN).

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9. Nach diesen Grundsätzen zur Versorgung Versicherter mit Hilfsmitteln zum Ausgleich von Behinderungen steht der Klägerin der Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 S 1 SGB V nicht zu, weil es an dem hierfür nötigen Sachleistungsanspruch auf Ausstattung mit dem angepassten Hörgerät(§ 33 SGB V) fehlt.

36

Das LSG hat auf der Grundlage des Gutachtens des Hörgeräteakustikers W. vom 3.12.2008 festgestellt, die Klägerin benötige das höherwertige Premiumgerät lediglich wegen ihrer beruflichen Tätigkeit als Qualitätsmanagementbeauftragte eines Wohlfahrtsverbandes. Der Schwerpunkt dieser auf der Ausbildung der Klägerin als Diplom-Pflegewirtin aufbauenden Tätigkeit liege in der Leitung und Moderation von Arbeitsgruppen in Qualitätszirkeln sowie in der Durchführung von Fortbildungsmaßnahmen zur Altenpflege. Diese Moderatoren- und Dozententätigkeit stelle besondere Anforderungen an die Hörfähigkeit, weil der Betroffene wegen der üblicherweise vorhandenen Störgeräusche einem spezifischen akustischen Umfeld ausgesetzt sei, das sich zB von einer normalen Bürotätigkeit deutlich unterscheide. Außerdem bestehe bei der Klägerin die medizinische Besonderheit, dass sie nur auf einem Ohr mit einer Hörhilfe versorgt werden könne, wodurch sie im Hinblick auf das Richtungshören und Verstehen im Störgeräusch gegenüber einer beidseitigen Versorgung sehr im Nachteil sei, weil alle Schallereignisse auf das linke Ohr treffen würden und so der Nutzschall und der Störschall nur sehr schwer voneinander getrennt werden könnten. Ohne das gewählte Premiumgerät sei die weitere Berufsausübung als Qualitätsmanagementbeauftragte erheblich gefährdet; eine Versorgung mit einem - zum Festbetrag erhältlichen - Basis- oder Komfortgerät sei nicht ausreichend.

37

Diese Feststellungen des LSG sind im Revisionsverfahren nicht angegriffen worden und für den erkennenden Senat daher bindend (§ 163 SGG). Anhaltspunkte dafür, dass die zusätzlichen Nutzungsvorteile des gewählten Premiumgeräts über den beruflichen Nutzen hinaus Auswirkungen der Hörbehinderung der Klägerin im gesamten Alltagsleben mindern, sind weder vom LSG festgestellt worden noch anderweitig ersichtlich. So stellen insbesondere der Antrag der Klägerin bei der Beklagten vom 25.7.2006 sowie ihre Rechtsbehelfsbegründungen stets darauf ab, dass das neue Premiumgerät zur Berufsausübung nötig sei. Danach bleibt festzuhalten, dass die Beigeladene den gegen sie nach § 33 Abs 1 S 1 SGB V bestehenden krankenversicherungsrechtlichen Versorgungsanspruch durch die Zahlung des Festbetrages erfüllt hat(§ 12 Abs 2 SGB V), weil für den Alltagsgebrauch ein zum Festbetrag erhältliches Hörgerät als Ersatz für das unbrauchbar gewordene alte Hörgerät offenbar noch ausgereicht hätte. Für weitergehende Primäransprüche der Klägerin nach dem SGB V bestehe nach den Feststellungen des LSG keine Anhaltspunkte.

38

10. Die Klage ist allerdings begründet, weil der Klägerin ein solcher weitergehender Primäranspruch nach dem Rentenversicherungsrecht zugestanden hätte, für dessen Erfüllung die Beigeladene als erstangegangener Rehabilitationsträger nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX im Außenverhältnis zur Klägerin zuständig war.

39

Rechtsgrundlage des aus der Selbstbeschaffung der Leistung resultierenden rehabilitationsrechtlichen Kostenerstattungsanspruchs ist § 15 Abs 1 S 3 und 4 SGB IX: "Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist(gemeint ist damit die dem Rehabilitationsträger zu setzende angemessene Nachfrist nach § 15 Abs 1 S 2 SGB IX) eine erforderliche Leistung selbst, ist der zuständige Rehabilitationsträger unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zur Erstattung der Aufwendungen verpflichtet. Der Erstattungsanspruch besteht auch, wenn der Rehabilitationsträger eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann oder er die Leistung zu Unrecht abgelehnt hat." Im vorliegenden Fall geht es um einen Kostenerstattungsanspruch nach § 15 Abs 1 S 4 Fall 2 SGB IX, weil die Beigeladene ihre Leistungspflicht auf den Festbetrag beschränkt und damit den weitergehenden Antrag auf Ausstattung mit dem höherwertigen Premiumgerät abgelehnt hat(BSGE 105, 170 = SozR 4-2500 § 36 Nr 2, RdNr 9).

40

a) Die Regelungen des § 15 Abs 1 S 3 und 4 SGB IX sind auch im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung unmittelbar anwendbar(BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 8 RdNr 12). Dem steht insbesondere § 7 S 2 SGB IX nicht entgegen, wonach die Zuständigkeit der Träger und die Voraussetzungen für die Leistungen zur Teilhabe(§§ 4, 5 SGB IX) nach den für die jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen zu bestimmen sind. Schon nach dem Wortlaut dieser Vorschrift bezieht sich diese Verweisung nur auf Teilhabeleistungen - also die Primäransprüche - selbst, nicht jedoch auf den hier streitbefangenen Kostenerstattungsanspruch.

41

b) Die Beigeladene ist auch hinsichtlich des Kostenerstattungsanspruchs nach § 15 Abs 1 SGB IX passivlegitimiert. "Zuständiger Rehabilitationsträger" iS von § 15 Abs 1 S 4 SGB IX ist der nach § 14 SGB IX zuständige Träger(BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 8 RdNr 14).

42

11. Bei dem rehabilitationsrechtlichen Kostenerstattungsanspruch wegen rechtswidriger Leistungsablehnung nach § 15 Abs 1 S 4 Fall 2 SGB IX handelt es sich um einen Parallelanspruch zum krankenversicherungsrechtlichen Kostenerstattungsanspruch wegen rechtswidriger Leistungsablehnung nach § 13 Abs 3 S 1 Fall 2 SGB V. Der Anspruch ist demgemäß gegeben, wenn der nach § 14 SGB IX zuständige Rehabilitationsträger die Erfüllung eines Naturalleistungsanspruchs rechtswidrig abgelehnt und der Versicherte bzw Leistungsberechtigte sich die Leistung selbst beschafft hat, wenn weiterhin ein Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung besteht, die selbst beschaffte Leistung notwendig ist und die Selbstbeschaffung eine rechtlich wirksame Kostenbelastung des Versicherten bzw Leistungsberechtigten ausgelöst hat. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

43

12. Rechtsfehlerfrei hat das LSG entschieden, dass der Kostenerstattungsanspruch nicht an der fehlenden Kausalität zwischen Leistungsablehnung und Kostenbelastung scheitert. Ansprüche nach § 15 Abs 1 S 4 Fall 2 SGB IX sind - ebenso wie nach § 13 Abs 3 S 1 Fall 2 SGB V - zwar nur gegeben, wenn der zuständige Rehabilitationsträger (hier die Krankenkasse) eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dem Versicherten "dadurch" Kosten für die selbst beschaffte Leistung entstanden sind. Dazu muss die Kostenbelastung des Versicherten der ständigen Rechtsprechung des BSG zufolge wesentlich auf der Leistungsversagung des Trägers beruhen (vgl etwa BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 24). Hieran fehlt es, wenn dieser vor Inanspruchnahme der Versorgung mit dem Leistungsbegehren nicht befasst worden ist, obwohl dies möglich gewesen wäre (vgl BSG SozR 3-2500 § 13 Nr 15 S 74 mwN; BSGE 98, 26 = SozR 4-2500 § 13 Nr 12, RdNr 10; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 16, RdNr 13 mwN), oder wenn der Versicherte auf eine bestimmte Versorgung von vornherein festgelegt war (stRspr; vgl zuletzt BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 29). Das ist hier nicht der Fall.

44

"Selbst verschafft" ist eine Hilfsmittel-Leistung nicht schon mit deren Auswahl. Die Auswahl ist dem Hilfsmittelbewilligungsverfahren notwendig vorgeschaltet und scheidet deshalb mit Ausnahme von Fällen der Vorfestlegung - für die hier nichts festgestellt ist - als Anknüpfungspunkt für den Zeitpunkt der Hilfsmittelbeschaffung aus. Anspruchshindernd ist vielmehr, wie der erkennende Senat bereits entschieden hat, erst ein unbedingtes Verpflichtungsgeschäft im Verhältnis zwischen Versichertem und Leistungserbringer (vgl BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 10 RdNr 22). Unschädlich sind danach Auswahlentscheidungen, die den Versicherten nicht endgültig binden und die regelmäßig Voraussetzung für den Leistungsantrag sind, wie bei der Hörgeräteversorgung die Prüfung der Eignung und Anpassungsfähigkeit der in Betracht kommenden Geräte. Dazu gehört auch eine probeweise Hörgeräteüberlassung. Anders ist es erst dann, wenn der Versicherte bereits vor der Entscheidung des Trägers eine endgültige rechtliche Verpflichtung eingeht und der Leistungserbringer demgemäß auch im Falle der Ablehnung des Leistungsbegehrens durch den Träger die Abnahme und Bezahlung des Hilfsmittels verlangen kann. Ein solcher Leistungsausschlussgrund liegt nach den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen und den Senat deshalb bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG nicht vor. Das LSG hat vielmehr ausgeführt, dass die Klägerin die Entscheidung zur Selbstverschaffung erst deutlich nach der - in der Beschränkung auf den Festbetrag liegenden - Teil-Ablehnung der Beigeladenen vom 12.7.2006, nämlich im Oktober 2006, getroffen hat. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

45

Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die Klägerin die Entscheidung zur Selbstbeschaffung sogar auch erst nach dem Zugang des Ablehnungsbescheides der Beklagten vom 3.8.2006 getroffen hat, weil es im Hinblick auf den Kostenerstattungsanspruch nach § 15 Abs 1 S 4 Fall 2 SGB IX nur auf die rechtswidrige Leistungsablehnung durch den nach § 14 SGB IX zuständigen Rehabilitationsträger ankommt.

46

13. Die ablehnende Entscheidung der Beigeladenen war rechtswidrig, weil sie den Anspruch der Klägerin nach §§ 9, 15 SGB VI iVm § 26 Abs 2 Nr 6 und § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX unberücksichtigt gelassen hat.

47

a) Die gesetzliche Rentenversicherung erbringt als Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ua Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (§ 9 Abs 1 SGB VI), wenn die persönlichen (§ 10 SGB VI) und versicherungsrechtlichen (§ 11 SGB VI) Voraussetzungen erfüllt und die Leistungen nicht nach § 12 SGB VI ausgeschlossen sind. Diese Leistungsvoraussetzungen sind hier erfüllt.

48

Die Klägerin fällt in den persönlichen Anwendungsbereich (§ 10 SGB VI), weil sie hörbehindert ist und deshalb - wie bereits ausgeführt - typische Anforderungen ihrer Berufstätigkeit gemäß der Stellenbeschreibung ohne die notwendige Hörgeräteversorgung nicht (mehr) erfüllen konnte; dabei ist auf die konkret ausgeübte Beschäftigung - hier als Qualitätsmanagementbeauftragte eines Wohlfahrtsverbands - und nicht auf die generelle Erwerbsfähigkeit iS von § 43 Abs 2 S 2 SGB VI abzustellen. Für den Fall der Versorgung mit einem den Anforderungen ihrer Beschäftigung an die Hörfähigkeit entsprechenden Hörgerät bestand eine positive Rehabilitationsprognose. Anhaltspunkte für das Fehlen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (§ 11 SGB VI) oder einen Ausschluss der Leistungspflicht nach § 12 SGB VI bestehen nicht; dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.

49

b) Die Klägerin erfüllt zudem die besonderen Voraussetzungen der Hilfsmittelversorgung zur medizinischen Rehabilitation durch den Rentenversicherungsträger. Gemäß § 9 Abs 1 SGB VI kann die Rentenversicherung ua Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach § 15 SGB VI erbringen, für die in Abs 1 S 1 jener Vorschrift auf die rehabilitationsrechtlichen Bestimmungen der §§ 26 bis 31 SGB IX verwiesen wird. Nach § 26 Abs 1 Nr 2 SGB IX werden Leistungen zur medizinischen Rehabilitation behinderter Menschen erbracht, um Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit zu vermeiden, zu überwinden oder zu mindern. Zu diesen Leistungen gehören nach § 26 Abs 2 Nr 6 SGB IX auch Hilfsmittel, deren Erbringung wiederum in § 31 SGB IX näher geregelt ist. Hierzu zählen nach § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX ua Hilfsmittel, die unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls erforderlich sind, um eine Behinderung bei der Befriedigung von Grundbedürfnissen des täglichen Lebens auszugleichen, soweit sie nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen sind. Diese Leistungsvoraussetzungen sind ebenfalls erfüllt.

50

Als Hilfsmittel zum unmittelbaren Behinderungsausgleich dient ein Hörgerät ohne gesonderte weitere Prüfung der Befriedigung eines Grundbedürfnisses des täglichen Lebens iS von § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX, weil die Erhaltung bzw Wiederherstellung einer Körperfunktion als solche schon ein Grundbedürfnis in diesem Sinne ist(BSGE 105, 170 = SozR 4-2500 § 36 Nr 2, RdNr 15). Es kommt hingegen nicht darauf an, ob die Ausübung einer Erwerbstätigkeit ein Grundbedürfnis iS von § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX ist. Die vom erkennenden Senat im Rahmen der Anwendung von § 33 SGB V vorgenommene Begrenzung auf Nutzungsvorteile, die eine Behinderung (auch) im gesamten täglichen Leben ausgleichen oder mildern, begründet sich mit dem gegliederten System der Sozialversicherung und dient der Abgrenzung der Leistungen der Krankenkassen von denen anderer Rehabilitationsträger und kommt damit - außerhalb des Zuständigkeitsbereichs der GKV - naturgemäß nicht zur Anwendung.

51

14. Damit standen Art, Dauer, Umfang und Durchführung der Rehabilitationsleistung, dh welche Leistungen in Betracht kommen (§ 13 Abs 1 S 1 SGB VI), grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des zuständigen Leistungsträgers (BSGE 85, 298, 300 = SozR 3-2600 § 10 Nr 2 S 3; BSG SozR 3-5765 § 10 Nr 1 S 3 f; BSG SozR 3-1200 § 39 Nr 1 S 3 f; BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 3 RdNr 35; BSG SozR 4-5765 § 7 Nr 1 RdNr 11; BSG Urteil vom 12.12.2011 - B 13 R 21/10 R - Juris RdNr 27; stRspr). Es kann dahingestellt bleiben, ob die fehlende Möglichkeit des Leistungsträgers, dieses Auswahlermessen auszuüben, das Entstehen des Kostenerstattungsanspruchs im Einzelfall hindern könnte. Denn nach den nicht angegriffenen und damit bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG war die Versorgung der Klägerin mit dem Premiumhörgerät zur Fortsetzung ihrer Erwerbstätigkeit zwingend erforderlich, sodass eine sog "Ermessensreduzierung auf Null" vorliegt. Damit sind die der Klägerin entstandenen Kosten in Höhe von 1956,90 Euro auch erforderlich iS von § 15 Abs 1 S 3 SGB IX. Die Klägerin hat somit materiell-rechtlich gegen die Beigeladene Anspruch auf Erstattung der den Festbetrag übersteigenden Kosten der von ihr gewählten notwendigen Hörgeräteversorgung.

52

15. Die Beigeladene hätte somit bei rechtmäßigem Verfahrensablauf dem Antrag der Klägerin auf Gewährung des erforderlichen neuen Hörgeräts in Premiumausführung stattgeben müssen, und zwar einerseits als originär zuständiger Krankenversicherungsträger in Höhe des Festbetrags (§ 36 iVm § 12 Abs 2 SGB V), weil das Hörgerät als Ersatz für das unbrauchbar gewordene alte Gerät dient und trotz seiner berufsbedingt erforderlichen aufwändigen Ausstattung auch im Alltagsleben benutzt wird (§ 33 SGB V), und andererseits als erstangegangener Rehabilitationsträger (§ 14 SGB IX) in Höhe der Mehrkosten, weil sie auch für die rentenversicherungsrechtlichen Ansprüche zuständig geworden ist und das Hörgerät zur Berufsausübung als Hilfsmittel zur medizinischen Rehabilitation im Zuge der Teilhabe am Arbeitsleben benötigt wird (§§ 9, 15 SGB VI iVm § 26 Abs 2 Nr 6 und § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX). Die Zuständigkeit nach § 14 SGB IX hätte die Beigeladene dadurch vermeiden können, dass sie innerhalb der Prüfungsfrist des § 14 Abs 1 S 1 und 2 SGB IX zugleich mit der Bewilligung des Festbetrags den Leistungsantrag hinsichtlich der Mehrkosten an die Beklagte als insoweit zuständigen Rentenversicherungsträger weitergeleitet hätte.

53

Dieses Nebeneinander von zwei sozialversicherungsrechtlichen Zuständigkeiten für eine einheitliche Sozialleistung ist sachlich geboten und im Hilfsmittelbereich auch nicht systemfremd. Wählt ein Versicherter ein zum Behinderungsausgleich geeignetes Hilfsmittel in einer über das medizinisch Notwendige hinausgehenden aufwändigeren Ausführung, trägt die Krankenkasse nur die Kosten des Hilfsmittels in der notwendigen Ausstattung, während die Mehrkosten grundsätzlich vom Versicherten selbst zu tragen sind (§ 33 Abs 1 S 5 SGB V und § 31 Abs 3 SGB IX). Ist die höherwertige Ausstattung dagegen zwar nicht für den Alltagsgebrauch, wohl aber aus rein beruflichen Gründen erforderlich, fallen die Mehrkosten, die sonst der Versicherte selbst tragen müsste, dem Rentenversicherungsträger zur Last. Für medizinische Hilfsmittel (§ 33 SGB V), die zugleich Pflegehilfsmittel sind (§ 40 Abs 1 SGB XI) und deswegen als Hilfsmittel mit Doppelfunktion sowohl von den Krankenkassen als auch von den Pflegekassen zu finanzieren sind, hat der Gesetzgeber einen eigenständigen Finanzausgleich nach § 40 Abs 5 SGB XI geschaffen.

54

16. Die Verurteilung der Beigeladenen zur Erstattung des Betrages von 1956,90 Euro ist nach § 75 Abs 5 SGG möglich. Insbesondere besteht die hierfür nötige Wechselwirkung, weil der streitige Anspruch sich nur entweder gegen die Beklagte oder gegen die Beigeladene richten kann.

55

Der Verurteilung der Beigeladenen steht auch nicht ihre Entscheidung vom 12.7.2006 entgegen, dem Leistungsantrag der Klägerin nur in Form des Festbetrags (§ 36 iVm § 12 Abs 2 SGB V) stattzugeben, die Übernahme der darüber hinausgehenden Kosten aber abzulehnen; denn diese Entscheidung ist im Verhältnis zur Klägerin nicht in Bestandskraft erwachsen.

56

a) Bei dieser Entscheidung der Beigeladenen handelt es sich um einen Verwaltungsakt (§ 31 SGB X), der zwar dem Hörakustiker entsprechend den vertraglichen Regelungen (vgl § 4 Nr 1 des Vertrages) in Gestalt eines formlosen Bewilligungsschreibens zur Kenntnis gegeben worden ist, nicht aber als förmlicher, mit einer Rechtsmittelbelehrung versehener Bescheid der Klägerin zugesandt oder auf andere Weise bekannt gegeben worden ist, wie es § 37 SGB X verlangt. Dennoch ist der Verwaltungsakt gegenüber der Klägerin wirksam geworden, weil offensichtlich der Hörakustiker die Klägerin im Zeitraum zwischen dem 12. und 25.7.2006 über die Entscheidung der Beigeladenen, nur den Festbetrag zu zahlen, unterrichtet hat. Mit dieser - von der Beigeladenen auch so gewollten - Unterrichtung ist der Verwaltungsakt der Klägerin bekannt gegeben und damit auch wirksam geworden (§ 39 Abs 1 SGB X). Nicht nachvollziehbar ist allerdings, weshalb die Beigeladene ihre Entscheidung nicht in Form eines ordnungsgemäßen Bescheids bekannt gegeben hat (§ 37 SGB X).

57

b) Dieser Verwaltungsakt hat gegenüber der Klägerin keine Bestandskraft erlangt (§ 77 SGG). Zwar hat die Klägerin gegen die Entscheidung bei der Beigeladenen nicht ausdrücklich Widerspruch erhoben (§ 83 SGG). Sie hat aber mit ihrer Antragstellung bei der Beklagten am 25.7.2006, die als unmittelbare Reaktion auf die kurz zuvor erhaltene Mitteilung über die Leistungsbegrenzung auf den Festbetrag zu werten ist, deutlich gemacht, mit dieser Leistungsbegrenzung nicht einverstanden zu sein.

58

Diesen Antrag, der inhaltlich nichts anderes ist als die Einwendung gegen die Leistungsbegrenzung auf den Festbetrag, muss sich die Beigeladene nach der Zielsetzung des § 14 SGB IX als Rechtsbehelf gegen ihre Entscheidung zurechnen lassen. Ziel des § 14 SGB IX ist es, im Interesse des behinderten Menschen durch die rasche Klärung von Zuständigkeiten Nachteilen des gegliederten Systems entgegenzuwirken(BT-Drucks 14/5074 S 102). Ein möglicher Nachteil des gegliederten Systems ist es, dass der behinderte Mensch die von ihm begehrte Rehabilitationsleistung bei allen in Betracht kommenden Leistungsträgern verfolgen und dabei ggf eine Vielzahl von Verwaltungs- und weitergehenden Rechtsbehelfsverfahren führen muss, um keinen Nachteil zu erleiden. Diesem "Systemmangel" begegnet § 14 SGB IX erstens durch die Verpflichtung des erstangegangenen Leistungsträgers, kurzfristig die Zuständigkeit zu prüfen, um zweitens den Antrag an den für zuständig erkannten anderen Träger weiterzuleiten oder anderenfalls selbst umfassend zu prüfen. Für den behinderten Menschen soll es einen Antrag bzw ein Antragsverfahren mit einer abschließenden Verwaltungsentscheidung geben. Lässt aber der erstangegangene Leistungsträger - wie hier - die Vorgaben des § 14 SGB IX unberücksichtigt, sodass sich der behinderte Mensch selbst auf die Suche nach einem ggf anderweitig zuständigen Rehabilitationsträger macht, müssen - um der Zielsetzung des § 14 SGB IX zu entsprechen, keinen Nachteil durch das gegliederte System auszulösen - die von ihm angestoßenen Verwaltungsverfahren rechtstechnisch als ein einheitliches Verwaltungsverfahren angesehen werden. Dies muss zumindest dann gelten, wenn - wie im vorliegenden Fall - der erstangegangene Leistungsträger seine Ablehnungsentscheidung nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen hat, sodass für den behinderten Menschen nicht erkennbar ist, welche Maßnahmen er treffen muss, um seine Rechte weiterverfolgen zu können.

59

Geht man aber von einem einheitlichen Verwaltungsverfahren aus, das bei der Beigeladenen begonnen und durch die Antragstellung bei der Beklagten fortgeführt wurde, muss der Antrag der Klägerin vom 25.7.2006 auf Versorgung mit dem Premiumhörgerät zumindest auch als Widerspruch gegen die entsprechend ablehnende Entscheidung der Beigeladenen vom 12.7.2006 angesehen werden, sodass diese Entscheidung nicht bestandskräftig werden konnte. Der fehlende Abschluss des Widerspruchsverfahrens hindert eine Verurteilung der Beigeladenen im vorliegenden Rechtsstreit nicht (Leitherer, aaO, § 75 RdNr 18b unter Hinweis auf BSG SozR Nr 27 zu § 75 SGG).

60

17. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Die Leistungserbringer im Bereich der Heil- und Hilfsmittel sowie der digitalen Gesundheitsanwendungen und die weiteren Leistungserbringer sind verpflichtet, den Krankenkassen im Wege elektronischer Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Datenträgern die von ihnen erbrachten Leistungen nach Art, Menge und Preis zu bezeichnen und den Tag der Leistungserbringung sowie die Arztnummer des verordnenden Arztes, die Verordnung des Arztes mit der Diagnose und den erforderlichen Angaben über den Befund und die Angaben nach § 291a Absatz 2 Nummer 1 bis 10 anzugeben; bei der Abrechnung über die Abgabe von Hilfsmitteln sind dabei die Bezeichnungen des Hilfsmittelverzeichnisses nach § 139 zu verwenden und die Höhe der mit dem Versicherten abgerechneten Mehrkosten nach § 33 Absatz 1 Satz 9 anzugeben. Bei der Abrechnung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 sowie der außerklinischen Intensivpflege nach § 37c ist zusätzlich zu den Angaben nach Satz 1 die Zeit der Leistungserbringung und nach § 293 Absatz 8 Satz 11 spätestens ab dem 1. Januar 2023 die Beschäftigtennummer der Person, die die Leistung erbracht hat, anzugeben.

(2) Das Nähere über Form und Inhalt des Abrechnungsverfahrens bestimmt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen in Richtlinien, die in den Leistungs- oder Lieferverträgen zu beachten sind. Die Leistungserbringer nach Absatz 1 können zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen Rechenzentren in Anspruch nehmen. Die Rechenzentren dürfen die ihnen hierzu übermittelten Daten für im Sozialgesetzbuch bestimmte Zwecke und nur in einer auf diese Zwecke ausgerichteten Weise verarbeiten, soweit sie dazu von einer berechtigten Stelle beauftragt worden sind; anonymisierte Daten dürfen auch für andere Zwecke verarbeitet werden. Die Rechenzentren dürfen die Daten nach Absatz 1 den Kassenärztlichen Vereinigungen übermitteln, soweit diese Daten zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach § 73 Absatz 8 und § 84 erforderlich sind. Soweit die Daten nach Absatz 1 für die Aufgabenerfüllung nach § 305a erforderlich sind, haben die Rechenzentren den Kassenärztlichen Vereinigungen diese Daten auf Anforderung im Wege elektronischer Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Datenträgern zu übermitteln. § 300 Absatz 2 Satz 5 bis 7 gilt entsprechend. Im Rahmen der Abrechnung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 sowie der außerklinischen Intensivpflege nach § 37c sind vorbehaltlich des Satzes 8 von den Krankenkassen und den Leistungserbringern ab dem 1. März 2021 ausschließlich elektronische Verfahren zur Übermittlung von Abrechnungsunterlagen einschließlich des Leistungsnachweises zu nutzen, wenn der Leistungserbringer

1.
an die Telematikinfrastruktur angebunden ist,
2.
ein von der Gesellschaft für Telematik nach § 311 Absatz 6 zugelassenes Verfahren zur Übermittlung der Daten nutzt und
3.
der Krankenkasse die für die elektronische Abrechnung erforderlichen Angaben übermittelt hat.
Die Verpflichtung nach Satz 7 besteht nach Ablauf von drei Monaten, nachdem der Leistungserbringer die für die elektronische Übermittlung von Abrechnungsunterlagen erforderlichen Angaben an die Krankenkasse übermittelt hat.

(3) Die Richtlinien haben auch die Voraussetzungen und das Verfahren bei Teilnahme an einer Abrechnung im Wege elektronischer Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Datenträgern sowie bis zum 31. Dezember 2020 das Verfahren bei der Verwendung von Verordnungen in elektronischer Form zu regeln.

(4) Soweit der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die für die Wahrnehmung der Interessen der Leistungserbringer maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene in Rahmenempfehlungen oder in den Verträgen nach § 125 Regelungen zur Abrechnung der Leistungen getroffen haben, die von den Richtlinien nach den Absätzen 2 und 3 abweichen, sind die Rahmenempfehlungen oder die Verträge nach § 125 maßgeblich; dies gilt nicht für Abrechnungen nach Absatz 2 Satz 7 und 8.

(5) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen veröffentlicht erstmals bis zum 30. Juni 2018 und danach jährlich einen nach Produktgruppen differenzierten Bericht über die Entwicklung der Mehrkostenvereinbarungen für Versorgungen mit Hilfsmittelleistungen. Der Bericht informiert ohne Versicherten- oder Einrichtungsbezug insbesondere über die Zahl der abgeschlossenen Mehrkostenvereinbarungen und die durchschnittliche Höhe der mit ihnen verbundenen Aufzahlungen der Versicherten. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen bestimmt zu diesem Zweck die von seinen Mitgliedern zu übermittelnden statistischen Informationen sowie Art und Umfang der Übermittlung.

(6) Sind im Rahmen der Abrechnung nach Absatz 1 Auszahlungen für Lieferungen und Dienstleistungen durch Rechnungen des Leistungserbringers als zahlungsbegründende Unterlage zu belegen, darf die Rechnung des Leistungserbringers durch eine von den Krankenkassen ausgestellte Rechnung (Gutschrift) ersetzt werden, wenn dies zuvor zwischen dem Leistungserbringer und der Krankenkasse vereinbart wurde. Die Krankenkassen sind verpflichtet, dem Leistungserbringer die Gutschrift schriftlich oder elektronisch zur Prüfung zu übermitteln. Widerspricht der Leistungserbringer der von der Krankenkasse übermittelten Gutschrift, verliert diese ihre Wirkung als zahlungsbegründende Unterlage. Das Nähere zu dem Verfahren nach den Sätzen 1 bis 3 einschließlich einer zeitlichen Begrenzung des Widerspruchsrechts der Leistungserbringer regelt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen in seinen Richtlinien nach Absatz 2 Satz 1.

(1) Die Träger der Sozialversicherung (Versicherungsträger) sind rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung.

(2) Die Selbstverwaltung wird, soweit § 44 nichts Abweichendes bestimmt, durch die Versicherten und die Arbeitgeber ausgeübt.

(3) Die Versicherungsträger erfüllen im Rahmen des Gesetzes und des sonstigen für sie maßgebenden Rechts ihre Aufgaben in eigener Verantwortung.

Menschen mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohte Menschen erhalten Leistungen nach diesem Buch und den für die Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen, um ihre Selbstbestimmung und ihre volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern, Benachteiligungen zu vermeiden oder ihnen entgegenzuwirken. Dabei wird den besonderen Bedürfnissen von Frauen und Kindern mit Behinderungen und von Behinderung bedrohter Frauen und Kinder sowie Menschen mit seelischen Behinderungen oder von einer solchen Behinderung bedrohter Menschen Rechnung getragen.

(1) Die Leistungen zur Teilhabe umfassen die notwendigen Sozialleistungen, um unabhängig von der Ursache der Behinderung

1.
die Behinderung abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern,
2.
Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit oder Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder eine Verschlimmerung zu verhüten sowie den vorzeitigen Bezug anderer Sozialleistungen zu vermeiden oder laufende Sozialleistungen zu mindern,
3.
die Teilhabe am Arbeitsleben entsprechend den Neigungen und Fähigkeiten dauerhaft zu sichern oder
4.
die persönliche Entwicklung ganzheitlich zu fördern und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sowie eine möglichst selbständige und selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen oder zu erleichtern.

(2) Die Leistungen zur Teilhabe werden zur Erreichung der in Absatz 1 genannten Ziele nach Maßgabe dieses Buches und der für die zuständigen Leistungsträger geltenden besonderen Vorschriften neben anderen Sozialleistungen erbracht. Die Leistungsträger erbringen die Leistungen im Rahmen der für sie geltenden Rechtsvorschriften nach Lage des Einzelfalles so vollständig, umfassend und in gleicher Qualität, dass Leistungen eines anderen Trägers möglichst nicht erforderlich werden.

(3) Leistungen für Kinder mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohte Kinder werden so geplant und gestaltet, dass nach Möglichkeit Kinder nicht von ihrem sozialen Umfeld getrennt und gemeinsam mit Kindern ohne Behinderungen betreut werden können. Dabei werden Kinder mit Behinderungen alters- und entwicklungsentsprechend an der Planung und Ausgestaltung der einzelnen Hilfen beteiligt und ihre Sorgeberechtigten intensiv in Planung und Gestaltung der Hilfen einbezogen.

(4) Leistungen für Mütter und Väter mit Behinderungen werden gewährt, um diese bei der Versorgung und Betreuung ihrer Kinder zu unterstützen.

Zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden erbracht:

1.
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation,
2.
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben,
3.
unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen,
4.
Leistungen zur Teilhabe an Bildung und
5.
Leistungen zur sozialen Teilhabe.

(1) Die vertragsärztliche Versorgung gliedert sich in die hausärztliche und die fachärztliche Versorgung. Die hausärztliche Versorgung beinhaltet insbesondere

1.
die allgemeine und fortgesetzte ärztliche Betreuung eines Patienten in Diagnostik und Therapie bei Kenntnis seines häuslichen und familiären Umfeldes; Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen,
2.
die Koordination diagnostischer, therapeutischer und pflegerischer Maßnahmen einschließlich der Vermittlung eines aus medizinischen Gründen dringend erforderlichen Behandlungstermins bei einem an der fachärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringer,
3.
die Dokumentation, insbesondere Zusammenführung, Bewertung und Aufbewahrung der wesentlichen Behandlungsdaten, Befunde und Berichte aus der ambulanten und stationären Versorgung,
4.
die Einleitung oder Durchführung präventiver und rehabilitativer Maßnahmen sowie die Integration nichtärztlicher Hilfen und flankierender Dienste in die Behandlungsmaßnahmen.

(1a) An der hausärztlichen Versorgung nehmen

1.
Allgemeinärzte,
2.
Kinder- und Jugendärzte,
3.
Internisten ohne Schwerpunktbezeichnung, die die Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung gewählt haben,
4.
Ärzte, die nach § 95a Abs. 4 und 5 Satz 1 in das Arztregister eingetragen sind und
5.
Ärzte, die am 31. Dezember 2000 an der hausärztlichen Versorgung teilgenommen haben,
teil (Hausärzte).
Die übrigen Fachärzte nehmen an der fachärztlichen Versorgung teil. Der Zulassungsausschuss kann für Kinder- und Jugendärzte und Internisten ohne Schwerpunktbezeichnung eine von Satz 1 abweichende befristete Regelung treffen, wenn eine bedarfsgerechte Versorgung nicht gewährleistet ist. Hat der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen für die Arztgruppe der Hausärzte, der Kinder- und Jugendärzte oder der Fachinternisten eine Feststellung nach § 100 Absatz 1 Satz 1 getroffen, fasst der Zulassungsausschuss innerhalb von sechs Monaten den Beschluss, ob eine Regelung nach Satz 3 getroffen wird. Kinder- und Jugendärzte mit Schwerpunktbezeichnung können auch an der fachärztlichen Versorgung teilnehmen. Der Zulassungsausschuss kann Allgemeinärzten und Ärzten ohne Gebietsbezeichnung, die im Wesentlichen spezielle Leistungen erbringen, auf deren Antrag die Genehmigung zur ausschließlichen Teilnahme an der fachärztlichen Versorgung erteilen.

(1b) Die einen Versicherten behandelnden Leistungserbringer sind verpflichtet, den Versicherten nach dem von ihm gewählten Hausarzt zu fragen; sie sind verpflichtet, die den Versicherten betreffenden Behandlungsdaten und Befunde mit dessen Zustimmung zum Zwecke der bei dem Hausarzt durchzuführenden Dokumentation und der weiteren Behandlung zu übermitteln. Der Hausarzt ist mit Zustimmung des Versicherten verpflichtet, die für die Behandlung erforderlichen Daten und Befunde an die den Versicherten behandelnden Leistungserbringer zu übermitteln. Bei einem Hausarztwechsel ist der bisherige Hausarzt mit Zustimmung des Versicherten verpflichtet, dem neuen Hausarzt die bei ihm über den Versicherten gespeicherten Unterlagen vollständig zu übermitteln.

(1c) (weggefallen)

(2) Die vertragsärztliche Versorgung umfaßt die

1.
ärztliche Behandlung,
2.
zahnärztliche Behandlung und kieferorthopädische Behandlung nach Maßgabe des § 28 Abs. 2,
2a.
Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen, soweit sie § 56 Abs. 2 entspricht,
3.
Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten,
4.
ärztliche Betreuung bei Schwangerschaft und Mutterschaft,
5.
Verordnung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation,
6.
Anordnung der Hilfeleistung anderer Personen,
7.
Verordnung von Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, Krankentransporten sowie Krankenhausbehandlung oder Behandlung in Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen,
7a.
Verordnung von digitalen Gesundheitsanwendungen,
8.
Verordnung häuslicher Krankenpflege und außerklinischer Intensivpflege,
9.
Ausstellung von Bescheinigungen und Erstellung von Berichten, die die Krankenkassen oder der Medizinische Dienst (§ 275) zur Durchführung ihrer gesetzlichen Aufgaben oder die die Versicherten für den Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts benötigen; die Bescheinigung über eine Arbeitsunfähigkeit ist auch auszustellen, wenn die Arbeitsunfähigkeitsdaten nach § 295 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 übermittelt werden,
10.
medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nach § 27a Abs. 1,
11.
ärztlichen Maßnahmen nach den §§ 24a und 24b,
12.
Verordnung von Soziotherapie,
13.
Zweitmeinung nach § 27b,
14.
Verordnung von spezialisierter ambulanter Palliativversorgung nach § 37b.
Satz 1 Nummer 2 bis 4, 6, 10, 11 und 14 gilt nicht für Psychotherapeuten; Satz 1 Nummer 9 gilt nicht für Psychotherapeuten, soweit sich diese Regelung auf die Feststellung und die Bescheinigung von Arbeitsunfähigkeit bezieht. Satz 1 Nummer 5 gilt für Psychotherapeuten in Bezug auf die Verordnung von Leistungen zur psychotherapeutischen Rehabilitation. Satz 1 Nummer 7 gilt für Psychotherapeuten in Bezug auf die Verordnung von Ergotherapie, Krankentransporten sowie Krankenhausbehandlung. Satz 1 Nummer 8 gilt für Psychotherapeuten in Bezug auf die Verordnung von Leistungen der psychiatrischen häuslichen Krankenpflege. Das Nähere zu den Verordnungen durch Psychotherapeuten bestimmt der Gemeinsame Bundesausschuss in seinen Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6, 8 und 12.

(3) In den Gesamtverträgen ist zu vereinbaren, inwieweit Maßnahmen zur Vorsorge und Rehabilitation, soweit sie nicht zur kassenärztlichen Versorgung nach Absatz 2 gehören, Gegenstand der kassenärztlichen Versorgung sind.

(4) Krankenhausbehandlung darf nur verordnet werden, wenn eine ambulante Versorgung der Versicherten zur Erzielung des Heil- oder Linderungserfolgs nicht ausreicht. Die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung ist bei der Verordnung zu begründen. In der Verordnung von Krankenhausbehandlung sind in den geeigneten Fällen auch die beiden nächsterreichbaren, für die vorgesehene Krankenhausbehandlung geeigneten Krankenhäuser anzugeben. Das Verzeichnis nach § 39 Abs. 3 ist zu berücksichtigen.

(5) Der an der kassenärztlichen Versorgung teilnehmende Arzt und die ermächtigte Einrichtung sollen bei der Verordnung von Arzneimitteln die Preisvergleichsliste nach § 92 Abs. 2 beachten. Sie können auf dem Verordnungsblatt oder in dem elektronischen Verordnungsdatensatz ausschließen, dass die Apotheken ein preisgünstigeres wirkstoffgleiches Arzneimittel anstelle des verordneten Mittels abgeben. Verordnet der Arzt ein Arzneimittel, dessen Preis den Festbetrag nach § 35 überschreitet, hat der Arzt den Versicherten über die sich aus seiner Verordnung ergebende Pflicht zur Übernahme der Mehrkosten hinzuweisen.

(6) Zur kassenärztlichen Versorgung gehören Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten nicht, wenn sie im Rahmen der Krankenhausbehandlung oder der stationären Entbindung durchgeführt werden, es sei denn, die ärztlichen Leistungen werden von einem Belegarzt erbracht.

(7) Es ist Vertragsärzten nicht gestattet, für die Zuweisung von Versicherten oder für die Vergabe und Dokumentation von Diagnosen ein Entgelt oder sonstige wirtschaftliche Vorteile sich versprechen oder sich gewähren zu lassen oder selbst zu versprechen oder zu gewähren. § 128 Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.

(8) Zur Sicherung der wirtschaftlichen Verordnungsweise haben die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen sowie die Krankenkassen und ihre Verbände die Vertragsärzte auch vergleichend über preisgünstige verordnungsfähige Leistungen und Bezugsquellen, einschließlich der jeweiligen Preise und Entgelte zu informieren sowie nach dem allgemeinen anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse Hinweise zu Indikation und therapeutischen Nutzen zu geben. Die Informationen und Hinweise für die Verordnung von Arznei-, Verband- und Heilmitteln erfolgen insbesondere auf der Grundlage der Hinweise nach § 92 Abs. 2 Satz 3, der Rahmenvorgaben nach § 84 Abs. 7 Satz 1 und der getroffenen Arzneimittelvereinbarungen nach § 84 Abs. 1. In den Informationen und Hinweisen sind Handelsbezeichnung, Indikationen und Preise sowie weitere für die Verordnung von Arzneimitteln bedeutsame Angaben insbesondere auf Grund der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 in einer Weise anzugeben, die unmittelbar einen Vergleich ermöglichen; dafür können Arzneimittel ausgewählt werden, die einen maßgeblichen Anteil an der Versorgung der Versicherten im Indikationsgebiet haben. Die Kosten der Arzneimittel je Tagesdosis sind nach den Angaben der anatomisch-therapeutisch-chemischen Klassifikation anzugeben. Es gilt die vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte im Auftrage des Bundesministeriums für Gesundheit herausgegebene Klassifikation in der jeweils gültigen Fassung. Die Übersicht ist für einen Stichtag zu erstellen und in geeigneten Zeitabständen, im Regelfall jährlich, zu aktualisieren.

(9) Vertragsärzte dürfen für die Verordnung von Arzneimitteln, von Verbandmitteln, von digitalen Gesundheitsanwendungen und von Produkten, die gemäß den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden können, nur solche elektronischen Programme nutzen, die mindestens folgende Inhalte mit dem jeweils aktuellen Stand enthalten:

1.
die Informationen nach Absatz 8 Satz 2 und 3,
2.
die Informationen über das Vorliegen von Rabattverträgen nach § 130a Absatz 8,
3.
die Informationen nach § 131 Absatz 4 Satz 2,
4.
die zur Erstellung und Aktualisierung des Medikationsplans nach § 31a und des elektronischen Medikationsplans nach § 334 Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 notwendigen Funktionen und Informationen,
5.
die Informationen nach § 35a Absatz 3a Satz 1 und
6.
ab dem 1. Oktober 2023 das Schulungsmaterial nach § 34 Absatz 1f Satz 2 des Arzneimittelgesetzes und die Informationen nach § 34 Absatz 1h Satz 3 des Arzneimittelgesetzes, auch in Verbindung mit § 39 Absatz 2e des Arzneimittelgesetzes oder § 39d Absatz 6 des Arzneimittelgesetzes
und die von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung für die vertragsärztliche Versorgung zugelassen sind. Das Bundesministerium für Gesundheit wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates das Nähere insbesondere zu den Mindestanforderungen der Informationen nach Satz 1 Nummer 5 zu regeln. Es kann in der Rechtsverordnung auch das Nähere zu den weiteren Anforderungen nach Satz 1 regeln. Es kann dabei Vorgaben zur Abbildung der für die vertragsärztliche Versorgung geltenden Regelungen zur Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Verordnung von Arzneimitteln im Vergleich zu anderen Therapiemöglichkeiten machen. Es kann auch Vorgaben zu semantischen und technischen Voraussetzungen zur Interoperabilität machen. Weitere Einzelheiten sind in den Verträgen nach § 82 Absatz 1 zu vereinbaren. Die Vereinbarungen in den Verträgen nach § 82 Absatz 1 sind innerhalb von drei Monaten nach dem erstmaligen Inkrafttreten der Rechtsverordnung nach den Sätzen 2 bis 4 sowie nach dem jeweiligen Inkrafttreten einer Änderung der Rechtsverordnung anzupassen. Sie sind davon unabhängig in regelmäßigen Abständen zu überprüfen und bei Bedarf anzupassen. Auf die Verordnung von digitalen Gesundheitsanwendungen nach § 33a findet Satz 1 vor dem 1. Januar 2023 keine Anwendung.

(10) Für die Verordnung von Heilmitteln dürfen Vertragsärzte ab dem 1. Januar 2017 nur solche elektronischen Programme nutzen, die die Informationen der Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 in Verbindung mit § 92 Absatz 6 und über besondere Verordnungsbedarfe nach § 106b Absatz 2 Satz 4 sowie die sich aus den Verträgen nach § 125a ergebenden Besonderheiten enthalten und die von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung für die vertragsärztliche Versorgung zugelassen sind. Das Nähere ist in den Verträgen nach § 82 Absatz 1 zu vereinbaren.

(11) Stellt ein Vertragsarzt bei einem Versicherten eine Diagnose nach § 125a und die Indikation für ein Heilmittel, sind Auswahl und Dauer der Therapie sowie die Frequenz der Behandlungseinheiten vom Heilmittelerbringer festzulegen. In medizinisch begründeten Fällen kann der Vertragsarzt auch bei Vorliegen einer Diagnose nach § 125a selbst über die Auswahl und Dauer der Therapie sowie die Frequenz der Behandlungseinheiten entscheiden; in diesem Fall sind auf die Verordnung die Regelungen der Verträge nach § 125 Absatz 1 anzuwenden. Die Vertragsärzte sollen zum Beginn des auf den rechtskräftigen Abschluss des Vertrages nach § 125a folgenden Quartals, frühestens jedoch nach sechs Wochen, nach den Regelungen dieses Absatzes verordnen.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind. Die Hilfsmittel müssen mindestens die im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 2 festgelegten Anforderungen an die Qualität der Versorgung und der Produkte erfüllen, soweit sie im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 1 gelistet oder von den dort genannten Produktgruppen erfasst sind. Der Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich hängt bei stationärer Pflege nicht davon ab, in welchem Umfang eine Teilhabe am Leben der Gemeinschaft noch möglich ist; die Pflicht der stationären Pflegeeinrichtungen zur Vorhaltung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln, die für den üblichen Pflegebetrieb jeweils notwendig sind, bleibt hiervon unberührt. Für nicht durch Satz 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 Abs. 1 unberührt. Der Anspruch umfasst auch zusätzlich zur Bereitstellung des Hilfsmittels zu erbringende, notwendige Leistungen wie die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Ein Anspruch besteht auch auf solche Hilfsmittel, die eine dritte Person durch einen Sicherheitsmechanismus vor Nadelstichverletzungen schützen, wenn der Versicherte selbst nicht zur Anwendung des Hilfsmittels in der Lage ist und es hierfür einer Tätigkeit der dritten Person bedarf, bei der durch mögliche Stichverletzungen eine Infektionsgefahr besteht oder angenommen werden kann. Zu diesen Tätigkeiten gehören insbesondere Blutentnahmen und Injektionen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 bis zum 31. Januar 2020 die Tätigkeiten, bei denen eine erhöhte Infektionsgefährdung angenommen werden kann. Wählen Versicherte Hilfsmittel oder zusätzliche Leistungen, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen, haben sie die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Folgekosten selbst zu tragen. § 18 Absatz 6a des Elften Buches ist zu beachten.

(2) Versicherte haben bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen entsprechend den Voraussetzungen nach Absatz 1. Für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, besteht der Anspruch auf Sehhilfen, wenn sie

1.
nach ICD 10-GM 2017 auf Grund ihrer Sehbeeinträchtigung oder Blindheit bei bestmöglicher Brillenkorrektur auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 oder
2.
einen verordneten Fern-Korrekturausgleich für einen Refraktionsfehler von mehr als 6 Dioptrien bei Myopie oder Hyperopie oder mehr als 4 Dioptrien bei Astigmatismus
aufweisen; Anspruch auf therapeutische Sehhilfen besteht, wenn diese der Behandlung von Augenverletzungen oder Augenerkrankungen dienen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen therapeutische Sehhilfen verordnet werden. Der Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen umfaßt nicht die Kosten des Brillengestells.

(3) Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen besteht für anspruchsberechtigte Versicherte nach Absatz 2 nur in medizinisch zwingend erforderlichen Ausnahmefällen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen Kontaktlinsen verordnet werden. Wählen Versicherte statt einer erforderlichen Brille Kontaktlinsen und liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht vor, zahlt die Krankenkasse als Zuschuß zu den Kosten von Kontaktlinsen höchstens den Betrag, den sie für eine erforderliche Brille aufzuwenden hätte. Die Kosten für Pflegemittel werden nicht übernommen.

(4) Ein erneuter Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen nach Absatz 2 besteht für Versicherte, die das vierzehnte Lebensjahr vollendet haben, nur bei einer Änderung der Sehfähigkeit um mindestens 0,5 Dioptrien; für medizinisch zwingend erforderliche Fälle kann der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Ausnahmen zulassen.

(5) Die Krankenkasse kann den Versicherten die erforderlichen Hilfsmittel auch leihweise überlassen. Sie kann die Bewilligung von Hilfsmitteln davon abhängig machen, daß die Versicherten sich das Hilfsmittel anpassen oder sich in seinem Gebrauch ausbilden lassen.

(5a) Eine vertragsärztliche Verordnung ist für die Beantragung von Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 nur erforderlich, soweit eine erstmalige oder erneute ärztliche Diagnose oder Therapieentscheidung medizinisch geboten ist. Abweichend von Satz 1 können die Krankenkassen eine vertragsärztliche Verordnung als Voraussetzung für die Kostenübernahme verlangen, soweit sie auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichtet haben. § 18 Absatz 6a und § 40 Absatz 6 des Elften Buches sind zu beachten.

(5b) Sofern die Krankenkassen nicht auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichten, haben sie den Antrag auf Bewilligung eines Hilfsmittels mit eigenem weisungsgebundenem Personal zu prüfen. Sie können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst vor Bewilligung eines Hilfsmittels nach § 275 Absatz 3 Nummer 1 prüfen lassen, ob das Hilfsmittel erforderlich ist. Eine Beauftragung Dritter ist nicht zulässig.

(6) Die Versicherten können alle Leistungserbringer in Anspruch nehmen, die Vertragspartner ihrer Krankenkasse sind. Vertragsärzte oder Krankenkassen dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder Verordnungen bestimmten Leistungserbringern zuweisen, noch die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einem bestimmten Leistungserbringer einzulösen. Die Sätze 1 und 2 gelten auch bei der Einlösung von elektronischen Verordnungen.

(7) Die Krankenkasse übernimmt die jeweils vertraglich vereinbarten Preise.

(8) Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegebenen Hilfsmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag zu dem von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrag an die abgebende Stelle. Der Vergütungsanspruch nach Absatz 7 verringert sich um die Zuzahlung; § 43c Abs. 1 Satz 2 findet keine Anwendung. Die Zuzahlung bei zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln beträgt 10 vom Hundert des insgesamt von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrags, jedoch höchstens 10 Euro für den gesamten Monatsbedarf.

(9) Absatz 1 Satz 9 gilt entsprechend für Intraokularlinsen beschränkt auf die Kosten der Linsen.

(1) Ärztliche oder zahnärztliche Behandlung wird von Ärzten oder Zahnärzten erbracht, soweit nicht in Modellvorhaben nach § 63 Abs. 3c etwas anderes bestimmt ist. Sind Hilfeleistungen anderer Personen erforderlich, dürfen sie nur erbracht werden, wenn sie vom Arzt (Zahnarzt) angeordnet und von ihm verantwortet werden.

(2) Versicherte, die ärztliche, zahnärztliche oder psychotherapeutische Behandlung in Anspruch nehmen, haben dem Arzt, Zahnarzt oder Psychotherapeuten vor Beginn der Behandlung ihre elektronische Gesundheitskarte zum Nachweis der Berechtigung zur Inanspruchnahme von Leistungen auszuhändigen. Ab dem 1. Januar 2024 kann der Versicherte den Nachweis nach Satz 1 auch durch eine digitale Identität nach § 291 Absatz 8 erbringen.

(3) Für die Inanspruchnahme anderer Leistungen stellt die Krankenkasse den Versicherten Berechtigungsscheine aus, soweit es zweckmäßig ist. Der Berechtigungsschein ist vor der Inanspruchnahme der Leistung dem Leistungserbringer auszuhändigen.

(4) In den Berechtigungsscheinen sind die Angaben nach § 291a Absatz 2 Nummer 1 bis 9 und 11, bei befristeter Gültigkeit das Datum des Fristablaufs, aufzunehmen. Weitere Angaben dürfen nicht aufgenommen werden.

(5) In dringenden Fällen kann die elektronische Gesundheitskarte oder der Berechtigungsschein nachgereicht werden.

(6) Jeder Versicherte erhält die elektronische Gesundheitskarte bei der erstmaligen Ausgabe und bei Beginn der Versicherung bei einer Krankenkasse sowie bei jeder weiteren, nicht vom Versicherten verschuldeten erneuten Ausgabe gebührenfrei. Die Krankenkassen haben einem Missbrauch der Karten durch geeignete Maßnahmen entgegenzuwirken. Muß die Karte auf Grund von vom Versicherten verschuldeten Gründen neu ausgestellt werden, kann eine Gebühr von 5 Euro erhoben werden; diese Gebühr ist auch von den nach § 10 Versicherten zu zahlen. Satz 3 gilt entsprechend, wenn die Karte aus vom Versicherten verschuldeten Gründen nicht ausgestellt werden kann und von der Krankenkasse eine zur Überbrückung von Übergangszeiten befristete Ersatzbescheinigung zum Nachweis der Berechtigung zur Inanspruchnahme von Leistungen ausgestellt wird. Die wiederholte Ausstellung einer Bescheinigung nach Satz 4 kommt nur in Betracht, wenn der Versicherte bei der Ausstellung der elektronischen Gesundheitskarte mitwirkt; hierauf ist der Versicherte bei der erstmaligen Ausstellung einer Ersatzbescheinigung hinzuweisen. Die Krankenkasse kann die Aushändigung der elektronischen Gesundheitskarte vom Vorliegen der Meldung nach § 10 Abs. 6 abhängig machen.

Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das angefochtene Urteil auf der Verletzung einer Vorschrift des Bundesrechts oder einer sonstigen im Bezirk des Berufungsgerichts geltenden Vorschrift beruht, deren Geltungsbereich sich über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt.

(1) Anträge auf Sozialleistungen sind beim zuständigen Leistungsträger zu stellen. Sie werden auch von allen anderen Leistungsträgern, von allen Gemeinden und bei Personen, die sich im Ausland aufhalten, auch von den amtlichen Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland entgegengenommen.

(2) Anträge, die bei einem unzuständigen Leistungsträger, bei einer für die Sozialleistung nicht zuständigen Gemeinde oder bei einer amtlichen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland gestellt werden, sind unverzüglich an den zuständigen Leistungsträger weiterzuleiten. Ist die Sozialleistung von einem Antrag abhängig, gilt der Antrag als zu dem Zeitpunkt gestellt, in dem er bei einer der in Satz 1 genannten Stellen eingegangen ist.

(3) Die Leistungsträger sind verpflichtet, darauf hinzuwirken, daß unverzüglich klare und sachdienliche Anträge gestellt und unvollständige Angaben ergänzt werden.

Tenor

Die Revision der Beigeladenen gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 25. November 2010 wird zurückgewiesen.

Die Beigeladene trägt die Kosten der Klägerin im Revisionsverfahren. Die Beklagte trägt die durch die Rücknahme der Revision entstandenen Kosten. Im Übrigen sind im Revisionsverfahren keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Erstattung der den Festbetrag übersteigenden Kosten der Hörgeräteversorgung der Klägerin in Höhe von 1956,90 Euro, wobei die Beklagte - insoweit in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen - die Beigeladene und umgekehrt die Beigeladene die Beklagte als im Außenverhältnis zur Klägerin zuständig und passivlegitimiert ansieht.

2

Die 1965 geborene Klägerin ist bei dem beklagten Rentenversicherungsträger renten- und bei der beigeladenen Krankenkasse krankenversichert. Sie leidet an einer progredienten hochgradigen Innenohrschwerhörigkeit rechts, einer mittelgradigen Innenohrschwerhörigkeit links sowie an einem beidseitigen Tinnitus. Deshalb ist sie seit langer Zeit auf ein Hörgerät angewiesen. Sie ist Diplom-Pflegewirtin und seit Mai 2006 als Qualitätsmanagementbeauftragte bei einem Wohlfahrtsverband beschäftigt.

3

Der behandelnde Vertragsarzt verordnete der Klägerin am 9.6.2006 wegen der beidseitigen Schallempfindungsschwerhörigkeit eine Hörhilfe links, da die bisherige Hörhilfe "zu alt" sei. In der Folgezeit versorgte das Hörakustikstudio S., ein Vertragspartner der Beigeladenen iS von § 126 Abs 1 S 1 SGB V, die Klägerin mit dem Hörgerät Savia 211 (Dokumentation zur Hörgeräteanpassung vom 28.9.2006). Zuvor hatte der Leistungserbringer zu einem nicht genau feststellbaren Zeitpunkt vor dem 12.7.2006 der Beigeladenen die Versorgung der Klägerin angezeigt und hierzu das Formular nach Anlage 3 des "Vertrages zur Komplettversorgung mit Hörsystemen" verwendet. Ausweislich eines Ausdrucks der unter dem Namen der Klägerin gespeicherten elektronischen Daten dokumentierte die Beigeladene einen "Antrag vom 12.07.2006", unter dem Status Preisprüfung den Vermerk "Endgültig entschieden am 12.07.2006" und unter der Überschrift Leistungsfälle und Zusätze "Hilfsmittel - 12.07.2006 - 132003. Hörgerät li. Versorgungspauschale bewilligt". Am 23.10.2006 stellte der Leistungserbringer der Klägerin für das Hörgerät nebst Nature-Otoplastik und Reparatur-Pauschale "abzüglich der Krankenkassen-Anteile" 1956,90 Euro in Rechnung, die diese vollständig beglich. Dem Leistungserbringer überwies die Beigeladene im November 2006 einen Betrag von 655 Euro; damit waren unter Abzug der Zuzahlung der Klägerin von 10 Euro (§ 33 Abs 8 iVm § 61 SGB V) der Festbetrag für das Hörgerät von 421 Euro sowie die Kosten der Otoplastik (35 Euro) und die Reparatur-Pauschale (209 Euro) abgedeckt.

4

Im Hinblick auf die absehbare Entscheidung der Beigeladenen, nur den Festbetrag zu leisten, hatte die Klägerin am 25.7.2006 bei der Beklagten Leistungen zur Rehabilitation für Versicherte in Form einer Kostenübernahme für ein höherwertiges Hörgerät beantragt und zur Begründung ausgeführt, ohne die begehrte Versorgung könne sie die Fortbildung von Mitarbeitern, die Moderation von Qualitätszirkeln und die Leitung von Arbeitsgruppen und damit Schwerpunkte ihrer Tätigkeit als Qualitätsmanagementbeauftragte nicht mehr ausüben. Die Beklagte lehnte dies ab, weil Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nur dann in Form eines Hilfsmittels erbracht werden könnten, wenn dieses ausschließlich zur Ausübung eines bestimmten Berufes oder zur Teilnahme an einer bestimmten beruflich vorbereitenden Maßnahme benötigt werde. Dies sei nach ärztlicher Prüfung bei der Klägerin nicht der Fall; die gewählte höherwertige Ausstattung des Hörgeräts diene nicht ausschließlich der Ausübung des Berufs als Qualitätsmanagementbeauftragte, sondern vielmehr für jeden Bereich des täglichen Lebens bzw für jedwede Form der Berufsausübung (Bescheid vom 3.8.2006, Widerspruchsbescheid vom 22.11.2006).

5

Das SG hat die Krankenkasse der Versicherten beigeladen und die gegen den Rentenversicherungsträger gerichtete Klage abgewiesen, gleichzeitig aber die Beigeladene verurteilt, der Klägerin die Kosten für das selbst beschaffte Hörgerät in Höhe von 1956,90 Euro zu erstatten (Urteil vom 30.11.2009). Das LSG hat die von der Beigeladenen eingelegte Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 3.8.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.11.2006 aufgehoben wird (Urteil vom 25.11.2010): Die Beigeladene sei nach § 14 SGB IX als erstangegangener Träger zuständig geworden. Bei der Versorgungsanzeige des Leistungserbringers handele es sich jedenfalls auch um einen Leistungsantrag der Klägerin, da die Beigeladene unmissverständlich darüber informiert worden sei, dass die Klägerin ein Hörgerät wünsche. Davon sei die Beigeladene selbst ausgegangen, weil sie durch die Zahlung des Festbetrags an den Leistungserbringer eine antragsabhängige Leistung erbracht habe. Der Anspruch der Klägerin gegen die Beigeladene auf Kostenerstattung beruhe auf § 15 Abs 1 SGB IX. Sie habe sich das Hörgerät erst am 23.10.2006 und damit nach der Ablehnung durch die Beklagte (Bescheid vom 3.8.2006) selbst beschafft. Der dem Anspruch auf Kostenerstattung zugrunde liegende Sachleistungsanspruch ergebe sich aus § 9 Abs 1 und 2, § 15 Abs 1 S 1 SGB VI iVm § 26 Abs 1 und 2 Nr 6, § 31 SGB IX, da die Klägerin ihre bisherige Tätigkeit ohne die begehrte Versorgung nicht weiter hätte ausüben können.

6

Mit der vom LSG zugelassenen Revision wendet sich die Beigeladene in erster Linie dagegen, nach § 14 SGB IX als erstangegangener Leistungsträger zu gelten und damit für den Versorgungsfall zuständig geworden zu sein. Bei ihr sei kein Antrag der Klägerin eingegangen. Die vom LSG als Antrag angesehene Versorgungsanzeige sei allein Bestandteil der Innenkommunikation zwischen Leistungserbringer und Krankenkasse zur Gewährung einer Sachleistung, durch die im Wesentlichen die Mitgliedschaft des Versicherten geklärt werde. Sie habe erstmals im Rahmen des Abschlussberichts des Hörakustikstudios Anhaltspunkte für entstandene Mehrkosten erhalten. Zu diesem Zeitpunkt habe die Klägerin aber längst ihren Teilhabeantrag bei der Beklagten gestellt. Im Übrigen bestehe kein Anspruch über den bereits bezahlten Festbetrag hinaus.

7

Die Beigeladene beantragt,
die Urteile des LSG Berlin-Brandenburg vom 25.11.2010 und des SG Berlin vom 30.11.2009 zu ändern und die Klage im Hinblick auf sie als Beigeladene abzuweisen.

8

Die Klägerin und die Beklagte verteidigen das angefochtene Berufungsurteil und beantragen jeweils,

        

die Revision zurückzuweisen.

9

Die Beklagte hatte ursprünglich ebenfalls Revision eingelegt (Telefax vom 22.2.2011), diese aber mangels Beschwer wieder zurückgenommen (Schriftsatz vom 18.3.2011).

Entscheidungsgründe

10

Die Revision der Beigeladenen ist zulässig, aber nicht begründet. Die Klägerin hat, wie die Vorinstanzen zu Recht entschieden haben, gegen die Beigeladene einen Anspruch auf Erstattung der durch den Festbetrag nicht gedeckten Kosten der Hörgeräteversorgung in Höhe von 1956,90 Euro. Dieser Anspruch besteht zwar nicht gegen die Beigeladene als für das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zuständigem Leistungsträger (§ 13 Abs 3 S 1 SGB V); leistungspflichtig ist die Beigeladene jedoch als im Verhältnis zur Klägerin auch für die rentenversicherungsrechtliche Hilfsmittelversorgung zuständig gewordener erstangegangener Leistungsträger (Erstattungsanspruch nach § 15 Abs 1 S 4 iVm § 14 Abs 1 SGB IX).

11

1. Streitgegenstand ist der Anspruch der Klägerin auf Erstattung der den Festbetrag (§ 36 SGB V) übersteigenden Kosten des Hörgeräts entweder durch die Beklagte oder durch die Beigeladene. Insoweit ist der beim LSG anhängig gewesene Streitstoff vollständig auch beim BSG angefallen, obwohl nach der Rücknahme des von der Beklagten eingelegten Rechtsmittels nur noch die von der Beigeladenen eingelegte Revision zur Entscheidung ansteht und die Klägerin schon gegen die Abweisung der Klage gegen die Beklagte nicht mit einem eigenen Rechtsmittel - etwa im Wege der Anschlussberufung zu der von der Beigeladenen eingelegten Berufung - vorgegangen war. Das ergibt sich aus der durch § 75 Abs 5 SGG eröffneten - und einer sowohl vom SG als auch vom LSG realisierten - Befugnis, anstelle des verklagten Versicherungs- oder Leistungsträgers nach Beiladung den tatsächlich leistungsverpflichteten, aber nicht verklagten Träger zu verurteilen. Diese prozessual vorgesehene Möglichkeit der Verurteilung auf Beiladung dient vor allem der Prozessökonomie, einer Klageänderung (§ 99 SGG) bedarf es dabei nicht. Um der Vorstellung des SGG-Gesetzgebers in vollem Umfang gerecht werden zu können, muss auch die nächste Instanz über alle in Frage kommenden prozessualen Ansprüche entscheiden können, wenn nur der unterlegene - beigeladene - Versicherungsträger Rechtsmittel eingelegt hat, wie es hier bereits im Berufungsrechtszug geschehen war und nunmehr auch im Revisionsverfahren der Fall ist. Anderenfalls könnten einander widersprechende Entscheidungen ergehen mit der Folge, dass der Kläger mit seinem Klagebegehren zunächst gegen den einen Versicherungsträger und in einer weiteren Instanz gegen den anderen Träger nicht durchdringt, obwohl feststeht, dass gegen einen von beiden jedenfalls der Anspruch besteht. Der Kläger müsste ggf ein Wiederaufnahmeverfahren nach § 180 SGG betreiben, also ein weiteres Verfahren einleiten; dies wäre in höchstem Maße prozessunökonomisch und soll durch die Regelung des § 75 Abs 5 SGG gerade vermieden werden. Deshalb muss im Revisionsverfahren - wie das BSG schon wiederholt ausgeführt hat - auch über den Anspruch entschieden werden, der gegen die Beklagte gerichtet war, obgleich die Klage gegen diese abgewiesen worden ist und nur die verurteilte Beigeladene im zweiten Rechtszug Berufung und im dritten Rechtszug Revision eingelegt hat (BSGE 9, 67, 69 f; BSG SozR 2200 § 1237a Nr 16 S 37; BSG SozR 2200 § 1236 Nr 31 S 57 f; BSGE 102, 90 = SozR 4-2500 § 33 Nr 21, RdNr 10).

12

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist also im Verhältnis zu der von der Klägerin im Klagewege in Anspruch genommenen Beklagten deren Bescheid vom 3.8.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.11.2006, mit der die Übernahme (Sachleistungsanspruch) bzw später die Erstattung (Kostenerstattungsanspruch) der den Festbetrag übersteigenden Kosten der Hörgeräteversorgung in Höhe von 1956,90 Euro abgelehnt worden war. Verfahrensgegenstand ist aber auch die für das Verhältnis der Klägerin zu der Beigeladenen maßgebende Entscheidung vom 12.7.2006, die begehrte Hörgeräteversorgung auf den Festbetrag zu beschränken, eine technisch aufwändigere und teurere Versorgung also abzulehnen. Über diese Verwaltungsentscheidung der Beigeladenen ist zu befinden, weil eine unmittelbare Verurteilung der Beigeladenen nach § 75 Abs 5 SGG voraussetzt, dass dieser Ablehnungsentscheidung im Verhältnis zwischen der Klägerin und der Beigeladenen keine Bindungswirkung zukommt. Im Falle einer solchen Bindungswirkung wäre eine Verurteilung der Beigeladenen nach § 75 Abs 5 SGG ausgeschlossen(BSG SozR 1500 § 75 Nr 38; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 75 RdNr 18b).

13

2. Die Klägerin macht den Anspruch auf Kostenerstattung für die in Höhe von 1956,90 Euro selbst finanzierte Hörgeräteversorgung zu Recht mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs 4 SGG geltend. Die Klage ist gegenüber der Beklagten fristgerecht nach erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren (§ 87 SGG) erhoben worden und auch ansonsten zulässig. Die Verurteilung der Beigeladenen kann auf der Grundlage des § 75 Abs 5 SGG erfolgen; hierzu bedarf es insbesondere keines abgeschlossenen Vorverfahrens iS des § 83 SGG(Leitherer, aaO, § 75 RdNr 18b unter Hinweis auf BSG SozR Nr 27 zu § 75 SGG).

14

3. Die Klägerin hat sich mit ihrem Begehren nach einer verbesserten Hörgeräteversorgung zunächst an die Beigeladene als krankenversicherungsrechtlichen Leistungsträger (§ 33 SGB V) und nach Kenntnis von deren auf den Festbetrag (§ 36 iVm § 12 Abs 2 SGB V) beschränkter Leistungsbewilligung zusätzlich an die Beklagte als rentenversicherungsrechtlichen Leistungsträger (§ 15 Abs 1 SGB VI iVm § 26 Abs 2 Nr 6 und § 31 SGB IX) gewandt, um auch den offenen Restbetrag als Versicherungsleistung gewährt zu bekommen. Die Zuständigkeit der Beklagten als für die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 9 Abs 1 S 1 SGB VI iVm § 5 Nr 2 und § 6 Abs 1 Nr 4 SGB IX) einstandspflichtigen Versicherungsträger kam hier in Betracht, weil die als Diplom-Pflegewirtin ausgebildete Klägerin die Notwendigkeit der verbesserten Hörgeräteversorgung damit begründet hat, anderenfalls ihre gerade erst angetretene neue Beschäftigung als Qualitätsmanagementbeauftragte für den Pflegesektor eines Wohlfahrtsverbandes nicht (mehr) ausüben zu können.

15

Der Frage nach der rentenversicherungsrechtlichen Zuständigkeit der Beklagten für die begehrte Rehabilitationsleistung stellt sich jedoch nur, wenn der Leistungsantrag der Klägerin vom 25.7.2006 mit Blick auf die Zuständigkeitsregelung des § 14 SGB IX als rehabilitationsrechtlicher Erstantrag zu werten ist. Ist er hingegen nur als wiederholender Antrag (Zweitantrag) im Rahmen eines durch den bereits Ende Juni/Anfang Juli 2006 bei der Beigeladenen gestellten Leistungsantrag eingeleiteten einheitlichen rehabilitationsrechtlichen Verwaltungsverfahrens anzusehen, wäre eine rentenversicherungsrechtliche Zuständigkeit der Beklagten nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX im ausschließlich maßgeblichen Außenverhältnis zur Klägerin ausgeschlossen. Vielmehr wäre dann die Beigeladene im Verhältnis zur Klägerin allein zuständiger Rehabilitationsträger für den Versorgungsfall geworden. Das ist nach den Gegebenheiten dieses Falles zu bejahen.

16

a) Nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX verliert der materiell-rechtlich - eigentlich - zuständige Rehabilitationsträger(§ 6 SGB IX) im Außenverhältnis zum Versicherten oder Leistungsempfänger seine Zuständigkeit für eine Teilhabeleistung, sobald der zuerst angegangene Rehabilitationsträger (hier: die beigeladene Krankenkasse) eine iS von § 14 Abs 1 SGB IX fristgerechte Zuständigkeitsklärung versäumt hat und demzufolge die Zuständigkeit nach allen in Betracht kommenden rehabilitationsrechtlichen Rechtsgrundlagen auf ihn übergegangen ist. Sinn dieser Regelung ist es, zwischen den betroffenen behinderten Menschen und Rehabilitationsträgern schnell und dauerhaft die Zuständigkeit zu klären und so Nachteilen des gegliederten Systems entgegenzuwirken (vgl BT-Drucks 14/5074 S 95 zu Nr 5 und S 102 f zu § 14). Deshalb ist der erstangegangene Rehabilitationsträger gehalten, innerhalb von zwei Wochen nach Eingang eines Antrags auf Leistungen zur Teilhabe festzustellen, ob er nach dem für ihn geltenden gesetzlichen Regelwerk für die Leistung zuständig ist; bei den Krankenkassen umfasst die Prüfung auch die Leistungspflicht nach § 40 Abs 4 SGB V(§ 14 Abs 1 S 1 SGB IX). Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu. Muss für eine solche Feststellung die Ursache der Behinderung geklärt werden - vor allem in den Systemen der Unfallversicherung und der sozialen Entschädigung - und ist diese Klärung in der Frist nach § 14 Abs 1 S 1 SGB IX nicht möglich, wird der Antrag unverzüglich dem Rehabilitationsträger zugeleitet, der dem Grunde nach zuständig wäre und die Leistung dann zunächst ohne Rücksicht auf die Ursache erbringt(§ 14 Abs 1 S 2 und 3 SGB IX). Anderenfalls bestimmt § 14 Abs 2 S 1 SGB IX: "Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf unverzüglich fest." Diese Zuständigkeit nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX erstreckt sich im Außenverhältnis zwischen dem Antragsteller und dem erstangegangenen Rehabilitationsträger auf alle Rechtsgrundlagen, die überhaupt in dieser Bedarfssituation rehabilitationsrechtlich vorgesehen sind(BSGE 93, 283 = SozR 4-3250 § 14 Nr 1, RdNr 15 ff; BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4, RdNr 14; BSGE 102, 90 = SozR 4-2500 § 33 Nr 21, RdNr 23). Dadurch wird eine nach außen verbindliche Zuständigkeit des erstangegangenen Rehabilitationsträgers geschaffen, die intern die Verpflichtungen des eigentlich zuständigen Leistungsträgers unberührt lässt und die Träger insoweit auf den nachträglichen Ausgleich nach § 14 Abs 4 S 1 SGB IX und §§ 102 ff SGB X verweist(BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4, RdNr 14-16).

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b) Erstangegangener Rehabilitationsträger iS von § 14 SGB IX ist derjenige Träger, der von dem Versicherten bzw Leistungsbezieher erstmals mit dem zu beurteilenden Antrag auf Bewilligung einer Leistung zur Teilhabe befasst worden ist. Diese Befassungswirkung fällt nach der Rechtsprechung des BSG grundsätzlich auch nach einer verbindlichen abschließenden Entscheidung des erstangegangenen Trägers nicht weg. Vielmehr behält der erstmals befasste Rehabilitationsträger seine Zuständigkeit nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX im Außenverhältnis zum Antragsteller regelmäßig auch dann weiter bei, wenn er, ohne den Antrag an den aus seiner Sicht zuständigen Rehabilitationsträger weitergeleitet zu haben, das Verwaltungsverfahren durch Erlass eines Verwaltungsakts abschließt(vgl § 8 SGB X), selbst wenn dieser bindend wird. Er bleibt deshalb auch für ein mögliches Verfahren nach § 44 SGB X zuständig, selbst wenn die Rechtswidrigkeit im Sinne dieser Vorschrift dann nur darin liegt, dass er die außerhalb seiner "eigentlichen" Zuständigkeit liegenden, nach dem Vorstehenden einschlägigen Rechtsgrundlagen nicht beachtet hat(BSGE 93, 283 = SozR 4-3250 § 14 Nr 1, RdNr 10; BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7, RdNr 31; BSGE 102, 90 = SozR 4-2500 § 33 Nr 21, RdNr 24).

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4. Nach diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Fall die beigeladene Krankenkasse als erstangegangener Rehabilitationsträger für die begehrte Hörgeräteversorgung iS des § 14 SGB IX anzusehen. Die Beigeladene ist im Außenverhältnis zur Klägerin mangels Weiterleitung des Leistungsantrags an die Beklagte nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX für das Versorgungsbegehren ausschließlich zuständig geworden; dies schließt eine Zuständigkeit der Beklagten für die Erfüllung des Kostenerstattungsanspruchs als Rentenversicherungsträger aus.

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a) Leistungen der GKV werden auf Antrag erbracht, soweit sich aus den Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige nichts Abweichendes ergibt (§ 19 S 1 SGB IV). Der Anspruch eines Versicherten auf Krankenbehandlung umfasst ua die Versorgung mit Hilfsmitteln (§ 27 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB V), und zwar nach Maßgabe des § 33 SGB V. Dieser Anspruch ist von der Krankenkasse grundsätzlich in Form einer Sachleistung (§ 2 Abs 2 S 1 SGB V) zu erbringen, wobei sie ihre Leistungspflicht gemäß § 12 Abs 2 SGB V mit dem Festbetrag erfüllt, wenn für die Leistung ein Festbetrag festgesetzt ist(BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 17 RdNr 13). Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels des SGB V Verträge mit den Leistungserbringern (§ 2 Abs 2 S 3 SGB V). Im vorliegenden Fall maßgeblich ist der zwischen der Bundesinnung der Hörgeräteakustiker KdöR und dem damaligen Verband der Angestellten-Krankenkassen e. V. sowie dem damaligen Arbeiter-Ersatzkassen-Verband e. V. für die Zeit ab 1.1.2004 geschlossene Vertrag nach §§ 126, 127 SGB V. Danach erfolgt die Abgabe von Hörhilfen auf der Grundlage einer ärztlichen Verordnung oder einer Bewilligung der Ersatzkassen (§ 4 Nr 1 S 1 des Vertrages). Unter der Überschrift "Verfahren bei vorheriger ärztlicher Verordnung" ist ua Folgendes vereinbart worden: "Nach Vorlage der Verordnung durch den Versicherten erstattet der Leistungserbringer eine Versorgungsanzeige (Anlage 3) gegenüber der leistungspflichtigen Ersatzkasse. Der Leistungserbringer erhält nach Prüfung der leistungsrechtlichen Voraussetzungen ein Bewilligungsschreiben der Ersatzkasse. Die Versorgung kann abgerechnet werden, wenn die zur Versorgung geeigneten Hörhilfen nach der Anpassung an den Versicherten ausgeliefert sind und der HNO-Arzt eine ausreichende Hörverbesserung und die Zweckmäßigkeit der Hörhilfe bestätigt hat" (§ 4 Nr 1 S 2 des Vertrages).

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b) Der Senat kann offenlassen, ob die maßgebliche Antragstellung iS des § 14 SGB IX durch Übergabe der vertragsärztlichen Hörgeräteverordnung vom 9.6.2006 seitens der Klägerin an den Hörgeräteakustiker oder erst durch dessen Versorgungsanzeige bei der Krankenkasse erfolgt ist. In dem einen wie in dem anderen Fall läge ein Leistungsbegehren der Klägerin und damit ein Leistungsantrag iS des § 19 S 1 SGB IV vor, der in der Zeit zwischen dem 9.6.2006 (Tag der vertragsärztlichen Verordnung) und dem 12.7.2006 (Tag der Verwaltungsentscheidung) bei der Beigeladenen eingegangen ist. Deren Einwand, die vom LSG als Antrag angesehene Versorgungsanzeige sei allein Bestandteil der Innenkommunikation zwischen Leistungsbringer und Krankenkasse zur Gewährung einer Sachleistung (§ 2 Abs 2 S 1 SGB V), durch die im Wesentlichen die Mitgliedschaft des Versicherten (vgl § 19 Abs 1 SGB V) geklärt werde, ist unzutreffend und wirklichkeitsfremd. Wenn sich ein Rehabilitationsträger - wie hier und bei der Hörgeräteversorgung wohl allgemein üblich - seiner leistungsrechtlichen Verantwortung durch sog "Verträge zur Komplettversorgung" nahezu vollständig entzieht und dem Leistungserbringer quasi die Entscheidung darüber überlässt, ob dem Versicherten eine Teilhabeleistung (wenn auch nur zum Festbetrag) zuteil wird, dann erfüllt er weder seine Pflicht zur ordnungsgemäßen Einzelfallprüfung nach § 33 SGB V noch befolgt er die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit(§ 12 Abs 1 und § 70 Abs 1 S 2 SGB V). Wer sich der Pflicht zur Antragsentgegennahme (§ 16 SGB I) verweigert, kann sich nicht darauf berufen, es sei bei ihm kein Antrag gestellt worden. Es mutet zudem abenteuerlich an, dass die Rehabilitationsträger die Versorgung mit bestimmten Hilfsmitteln - hier: Hörgeräte - praktisch nicht mehr selbst vornehmen, sondern in die Hände der Leistungserbringer "outgesourced" haben. Dass ein solches Vorgehen weder dem Grundgedanken der Festbetragsregelung gerecht wird noch zur Kostendämpfung beiträgt, dürfte klar auf der Hand liegen. Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass die Beigeladene hinsichtlich der erfolgten Versorgung keinerlei nachprüfbare Unterlagen vorlegen konnte, wie dies in ihrem "Vertrag zur Komplettversorgung" mit den Hörgeräteakustikern vorgeschrieben ist. Es existiert lediglich ein Datenauszug, der mit Datum 12.7.2006 die Bewilligung eines Hörgeräts und des Festbetrages dokumentiert - ohne jede weitere Überprüfung des Leistungsfalles. Der Senat hält eine derartige Praxis im Umgang mit dem Leistungsrecht des SGB V für nicht mehr akzeptabel.

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c) Der Antrag der Klägerin richtet sich auf die Versorgung mit einem Hörgerät und ist als solcher nach ständiger Rechtsprechung des BSG ein Antrag auf Teilhabeleistungen iS von § 14 Abs 1 S 1 SGB IX(BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7, RdNr 34; BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 8, RdNr 18). Dabei geht es nach der Auslegungsregel des § 2 Abs 2 SGB I um eine umfassende, nach Maßgabe des Leistungsrechts des Sozialgesetzbuches (hier: des Leistungsrechts der GKV nach dem SGB V sowie des Leistungsrechts der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem SGB VI) bestmögliche Versorgung mit einem neuen Hörgerät. Eine solche Auslegung des Leistungsbegehrens schließt die Aufspaltung des klägerischen Begehrens in zwei separate Leistungsanträge, nämlich in einem Antrag auf Bewilligung eines Festbetrages ("Normalversorgung", § 12 Abs 2 SGB V) und einen weiteren Antrag auf Bewilligung einer über den Festbetrag hinausgehenden, technisch anspruchsvolleren und teureren Versorgung ("Premiumversorgung"), von vornherein aus. Es ist also von einem einheitlichen, spätestens am 12.7.2006 bei der Beigeladenen gestellten Leistungsantrag auszugehen.

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d) Dieser Antrag entspricht inhaltlich den Anforderungen, die an einen Antrag nach § 14 Abs 1 S 1 SGB IX zu stellen sind.

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Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut genügt ein Antrag auf Leistungen zur Teilhabe, um die Zuständigkeitsprüfung des erstangegangenen Leistungsträgers und die Zwei-Wochen-Frist in Gang zu setzen. Ein solcher lag hier - wie bereits dargestellt - jedenfalls in Form der Versorgungsanzeige des Hörakustikstudios spätestens am 12.7.2006 vor. Eine andere Auslegung liefe dem Gesetzeszweck zuwider, im Interesse behinderter und von Behinderung bedrohter Menschen durch rasche Klärung von Zuständigkeiten Nachteilen im gegliederten System entgegenzuwirken (BT-Drucks 14/5074 S 102 f zu § 14). Soweit die Beigeladene darauf hinweist, dass dem Antrag der Klägerin, hier also der Versorgungsanzeige des Hörakustikstudios und der beigefügten vertragsärztlichen Verordnung, die für eine Zuständigkeitsprüfung notwendigen Angaben fehlten, wäre es ihre Aufgabe als Versicherungsträger gewesen, diese Angaben zu ermitteln. Dies ergibt sich unmittelbar aus der gesetzlichen Pflicht zur Zuständigkeitsprüfung nach § 14 Abs 1 S 1 SGB IX in Verbindung mit dem Amtsermittlungsgrundsatz nach § 20 Abs 1 SGB X.

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Auch der Hinweis der Beigeladenen auf die "Gemeinsamen Empfehlungen" der Rehabilitationsträger nach § 13 SGB IX führt zu keiner anderen Bewertung. Die Beigeladene vertritt die Auffassung, ein Antrag auf Teilhabe iS des § 14 Abs 1 S 1 SGB IX liege erst vor, wenn der Rehabilitationsträger über jene Aufgaben und Unterlagen verfüge, die eine Beurteilung der Zuständigkeit ermöglichten(§ 1 Abs 1 S 2 und 3 der Gemeinsamen Empfehlung nach § 13 Abs 2 Nr 3 SGB IX über die Ausgestaltung des in § 14 SGB IX bestimmten Verfahrens idF vom 28.9.2010). Die Behörde müsse solange nicht von einem Teilhabeleistungsantrag ausgehen, als bei verständiger Würdigung nicht erkennbar sei, dass und aus welchem Sozialleistungsbereich der Antragsteller Sozialleistungen begehre. Jede andere Bewertung würde die Leistungsfähigkeit der Krankenkassen sprengen.

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Die Frage, ob dieser Rechtsauffassung der Beigeladenen und der ihr zugrunde liegenden Empfehlung nach § 13 Abs 2 Nr 3 SGB IX partiell zugestimmt werden kann oder ob die Empfehlung in dieser Allgemeinheit überhaupt mit § 14 Abs 1 S 1 SGB IX zu vereinbaren ist, braucht an dieser Stelle nicht abschließend entschieden zu werden; denn ein an die Krankenkasse gerichteter Antrag auf Versorgung mit einem Hörgerät ist jedenfalls auch auf Leistungen zur Teilhabe iS von §§ 1, 4 und 5 SGB IX gerichtet. Wie bereits ausgeführt, will der Versicherte im Zweifel die ihm günstigste Art der Leistungsgewährung in Anspruch nehmen; ein einmal gestellter Antrag ist also umfassend, dh auf alle nach Lage des Falles in Betracht kommenden Leistungen und Anspruchsgrundlagen hin zu prüfen (BSG SozR 4-2600 § 236a Nr 2 RdNr 21; BSG SozR 4-2600 § 43 Nr 9 RdNr 27; BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 14; BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7, RdNr 34), und insbesondere nicht "künstlich" in separate Teil-Leistungsanträge für die verschiedenen in Betracht kommenden Teilhabeleistungen aufzuspalten. Deshalb hatte die Beigeladene den Leistungsantrag von vornherein sowohl unter dem Aspekt der Hilfsmittelversorgung zur medizinischen Rehabilitation (§ 5 Nr 1, § 31 SGB IX, § 33 SGB V) als auch unter dem Aspekt der Hilfsmittelversorgung zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 5 Nr 2, § 33 Abs 8 S 1 Nr 4 SGB IX, §§ 9, 15 SGB VI) zu prüfen und danach die Zuständigkeit zu bestimmen. Die Frage, ob die Hörgeräteversorgung auch (oder nur) zur weiteren Berufsausübung benötigt wurde, hätte ohne Weiteres durch eine Nachfrage bei der Klägerin (zB per Telefon) geklärt werden können und berechtigte grundsätzlich nicht zu einer Verschiebung des Beginns der Zwei-Wochen-Frist des § 14 Abs 1 S 1 SGB IX. Der Gesetzgeber hat mit gutem Grund eine strenge Zwei-Wochen-Frist für die Prüfung der Zuständigkeit für die Entscheidung von Anträgen auf Teilhabeleistungen gesetzt und deren Verlängerung nicht vorgesehen (vgl § 14 Abs 1 S 3 SGB IX).

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e) Nachdem die Beigeladene den Antrag der Klägerin auf Leistungen zur Teilhabe nicht innerhalb von zwei Wochen ab dessen Eingang weitergeleitet hat, oblag es ihr, unverzüglich den Rehabilitationsbedarf der Klägerin festzustellen (§ 14 Abs 2 S 1 SGB IX). Diese Zuständigkeit der Beigeladenen ist ausschließlicher Natur; denn die Zuständigkeit des erstangegangenen Rehabilitationsträgers nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX schließt im Außenverhältnis zum Versicherten die Zuständigkeiten aller anderen Träger aus(BSGE 93, 283 = SozR 4-3250 § 14 Nr 1, RdNr 15; BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4, RdNr 12 ff; BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7, RdNr 16; BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 8 RdNr 15; stRspr). Im Verhältnis zwischen dem erstangegangenen Träger und dem Leistungsberechtigten ist also der Anspruch anhand aller Rechtsgrundlagen zu prüfen, die überhaupt in der konkreten Bedarfssituation für Rehabilitationsträger vorgesehen sind. Darüber hinaus verlieren alle anderen Träger innerhalb des durch den Leistungsantrag ausgelösten Verwaltungsverfahrens ihre Zuständigkeit für die Gewährung von Rehabilitationsleistungen, was wiederum zur Folge hat, dass eventuell ergangene Bescheide wegen sachlicher Unzuständigkeit aufzuheben sind (BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 8 RdNr 16). Dementsprechend hat das LSG zu Recht die angefochtenen Entscheidungen der Beklagten mangels Zuständigkeit aufgehoben.

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5. Zu Recht haben die Vorinstanzen die Beigeladene und nicht die Beklagte als für die Erstattung des von der Klägerin getragenen Kostenanteils in Höhe von 1956,90 Euro zuständig erachtet. Die Kostenerstattungspflicht der Beigeladenen beruht allerdings nicht auf ihrer Funktion als originär zuständiger Krankenversicherungsträger, sondern auf ihrer Eigenschaft als nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX umfassend zuständig gewordener erstangegangener Rehabilitationsträger, der die begehrte Teilhabeleistung auch unter dem Aspekt einer dem Rentenversicherungsträger obliegenden Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben(§ 5 Nr 2, § 6 Abs 1 Nr 4 SGB IX) zu prüfen hatte. Da die rentenversicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt waren, hätte die Beigeladene die der Klägerin angepasste Hörgeräteversorgung als Sachleistung erbringen müssen; die Beschränkung der Leistung auf den Festbetrag (§ 36 SGB V) war rechtswidrig.

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6. Grundlage des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs gegen die Beigeladene als zuständiger Krankenversicherungsträger ist § 13 Abs 3 S 1 Fall 2 SGB V(hier idF des Art 5 Nr 7 Buchst b SGB IX - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - vom 19.6.2001, BGBl I 1046). Danach gilt: Hat die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Der Erstattungsanspruch reicht, wie in der Rechtsprechung des BSG geklärt ist, nicht weiter als ein entsprechender - primärer - Sachleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (stRspr; vgl zB BSGE 79, 125, 126 f = SozR 3-2500 § 13 Nr 11 S 51 f mwN; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 11 mwN; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 19 RdNr 12; vgl zum Ganzen auch Hauck in: Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Bd 1, Stand: 1.1.2012, § 13 SGB V RdNr 233 ff). Der Anspruch ist demgemäß gegeben, wenn die Krankenkasse die Erfüllung eines Naturalleistungsanspruchs rechtswidrig abgelehnt und der Versicherte sich die Leistung selbst beschafft hat, wenn weiterhin ein Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung besteht, die selbst beschaffte Leistung notwendig ist und die Selbstbeschaffung eine rechtlich wirksame Kostenbelastung des Versicherten ausgelöst hat (vgl zuletzt BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 25; eingehend Hauck, aaO, mwN). Diese Voraussetzungen wären nur erfüllt, wenn die Beigeladene ihre Leistungspflicht nach dem Leistungsrecht des SGB V zu Unrecht auf den Festbetrag begrenzt und die vollständige Erfüllung des gegebenen Leistungsanspruchs rechtswidrig abgelehnt hätte. Dies ist jedoch nicht der Fall, weil der Klägerin kein krankenversicherungsrechtlicher Anspruch auf die angepasste "Primärversorgung" zustand.

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7. Rechtsgrundlage des in erster Linie verfolgten krankenversicherungsrechtlichen Leistungsanspruchs ist § 33 Abs 1 S 1 SGB V, hier in der zum Zeitpunkt der Leistungsverschaffung geltenden Fassung des Art 1 Nr 20 Buchst a bb des Gesetzes zur Modernisierung der GKV(GKV-Modernisierungsgesetz - GMG) vom 14.11.2003 (BGBl I 2190, im Folgenden: § 33 SGB V aF). Hiernach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, wenn sie erstens nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens oder nach § 34 Abs 4 SGB V aus der GKV-Versorgung ausgeschlossen und zweitens im Einzelfall erforderlich sind, um entweder den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. Demgemäß besteht nach § 33 Abs 1 S 1 SGB V ein Anspruch auf Hörhilfen, die nur von hörbehinderten Menschen benutzt werden und deshalb kein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens sind, auch nicht nach § 34 Abs 4 SGB V aus der GKV-Versorgung ausgeschlossen sind und weder der Krankenbehandlung noch der Vorbeugung einer Behinderung dienen, soweit sie im Rahmen des Notwendigen und Wirtschaftlichen(§ 12 Abs 1 SGB V) für den von der Krankenkasse geschuldeten Behinderungsausgleich erforderlich sind.

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8. Der von den Krankenkassen geschuldete Behinderungsausgleich bemisst sich nach ständiger Rechtsprechung des für die GKV-Hilfsmittelversorgung ausschließlich zuständigen 3. Senats des BSG entscheidend danach, ob eine Leistung des unmittelbaren oder des mittelbaren Behinderungsausgleichs beansprucht wird (BSGE 105, 170 = SozR 4-2500 § 36 Nr 2, RdNr 14 ff). Insoweit hat der in § 33 Abs 1 S 1 SGB V als 3. Variante genannte Zweck (vgl jetzt auch § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX) für die im Rahmen der GKV gebotene Hilfsmittelversorgung zwei Ebenen.

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a) Im Bereich des unmittelbaren Behinderungsausgleichs ist die Hilfsmittelversorgung grundsätzlich von dem Ziel eines vollständigen funktionellen Ausgleichs geleitet. Im Vordergrund steht dabei der unmittelbare Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion. Davon ist auszugehen, wenn das Hilfsmittel die Ausübung der beeinträchtigten Körperfunktion - hier das Hören - selbst ermöglicht, ersetzt oder erleichtert. Für diesen unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts (§ 2 Abs 1 S 3 SGB V). Dies dient in aller Regel ohne gesonderte weitere Prüfung der Befriedigung eines Grundbedürfnisses des täglichen Lebens iS von § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX, weil die Erhaltung bzw Wiederherstellung einer Körperfunktion als solche schon ein Grundbedürfnis in diesem Sinne ist. Deshalb kann auch die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem gesunden Menschen erreicht ist (BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 4 - C-Leg II). Das Maß der notwendigen Versorgung würde deshalb verkannt, wenn die Krankenkassen ihren Versicherten Hörgeräte ungeachtet hörgerätetechnischer Verbesserungen nur "zur Verständigung beim Einzelgespräch unter direkter Ansprache" zur Verfügung stellen müssten. Teil des von den Krankenkassen nach § 33 Abs 1 S 1 SGB V geschuldeten - möglichst vollständigen - Behinderungsausgleichs ist es vielmehr, hörbehinderten Menschen im Rahmen des Möglichen auch das Hören und Verstehen in größeren Räumen und bei störenden Umgebungsgeräuschen zu eröffnen und ihnen die dazu nach dem Stand der Hörgerätetechnik(§ 2 Abs 1 S 3 SGB V)jeweils erforderlichen Geräte zur Verfügung zu stellen. Das schließt - wie die Beigeladene zu Recht nicht in Zweifel gezogen hat - je nach Notwendigkeit auch die Versorgung mit digitalen Hörgeräten ein.

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b) Beschränkter sind die Leistungspflichten der GKV, wenn die Erhaltung bzw Wiederherstellung der beeinträchtigten Körperfunktion nicht oder nicht ausreichend möglich ist und deshalb Hilfsmittel zum Ausgleich von direkten und indirekten Folgen der Behinderung benötigt werden (sog mittelbarer Behinderungsausgleich). Dann sind die Krankenkassen ständiger Rechtsprechung des Senats zufolge nur für einen Basisausgleich von Behinderungsfolgen eintrittspflichtig. Es geht hier nicht um einen Ausgleich im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten eines gesunden Menschen. Denn Aufgabe der GKV ist in allen Fällen allein die medizinische Rehabilitation (vgl § 1 SGB V sowie § 6 Abs 1 Nr 1 iVm § 5 Nr 1 und 3 SGB IX), also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolges, um ein selbstständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme. Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich ist von der GKV deshalb nur dann zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Zu diesen allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehören nach ständiger Rechtsprechung des BSG das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, die Nahrungsaufnahme, das Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums (BSGE 93, 176, 180 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7, RdNr 12; BSGE 91, 60, 63 = SozR 4-2500 § 33 Nr 3, RdNr 10; BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 14; stRspr). Für den Ausgleich darüber hinausreichender Behinderungsfolgen haben beim mittelbaren Behinderungsausgleich hingegen ggf andere Sozialleistungssysteme Sorge zu tragen.

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c) Dies gilt entgegen einer als überholt anzusehenden (BSGE 105, 170 = SozR 4-2500 § 36 Nr 2, RdNr 17) Entscheidung des 13. Senats des BSG vom 21.8.2008 (BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7 - digitales Hörgerät für Lagerarbeiter) auch für Gebrauchsvorteile im Beruf. Seiner Ansicht nach sollten die Krankenkassen auch für Hilfsmittel in Anspruch genommen werden können, die (nur) für die Berufsausübung erforderlich sind (aaO, RdNr 43). Dem ist nicht zu folgen, weil Auswirkungen bei der oder auf die Berufsausübung für die Hilfsmittelgewährung nach dem SGB V grundsätzlich unbeachtlich sind. Für Leistungen der medizinischen Rehabilitation und demgemäß nach § 26 Abs 2 Nr 6 SGB IX auch für die Versorgung mit Hilfsmitteln sind die Krankenkassen nicht allein zuständig, sondern ebenso Rehabilitationsträger wie ua die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung(vgl §§ 9 Abs 1 S 1, 15 Abs 1 S 1 SGB VI iVm § 31 SGB IX) und die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung (vgl § 31 Abs 1 S 1 SGB VII). Dies rechtfertigt die Leistungsbegrenzung in der GKV auf solche Hilfsmittel, mit denen die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder gemildert werden können und die damit ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens betreffen (stRspr; vgl zuletzt BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7, RdNr 12 - schwenkbarer Autositz bei Wachkomaversorgung; BSGE 91, 60 RdNr 9 = SozR 4-2500 § 33 Nr 3 RdNr 10 - Rollstuhl-Ladeboy; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 31 S 185 - Rollstuhl-Bike; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 32 S 191 - Therapie-Tandem). Die demgegenüber vom 13. Senat des BSG angeführte und noch zu §§ 182, 182b Reichsversicherungsordnung ergangene frühere Rechtsprechung(insbesondere BSG SozR 2200 § 182b Nr 36 und BSG SozR 2200 § 182 Nr 116) ist unter Geltung des SGB V nicht weiterverfolgt worden. Hätte die GKV heute auch noch jenseits des elementaren Basisausgleichs für den Ausgleich jeglicher mittelbarer Behinderungsfolgen aufzukommen, wäre die überkommene und im SGB IX ausdrücklich bekräftigte (vgl § 6 Abs 1 und 2, § 7 S 2 SGB IX)Aufgabenteilung zwischen den Krankenkassen einerseits sowie den Trägern ua der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung andererseits auf dem Gebiet der medizinischen Rehabilitation hinfällig. Ausschließlich berufliche und arbeitsplatzspezifische Gebrauchsvorteile sind demgemäß für die Hilfsmittelversorgung nach dem SGB V grundsätzlich unbeachtlich. Ist ein Versicherter für die Anforderungen des allgemeinen Alltagslebens ausreichend versorgt, kommt es auf etwaige zusätzliche Nutzungsvorteile im Erwerbsleben ohnehin nicht an. Umgekehrt kann ein Hilfsmittelanspruch gegen die GKV nicht auf ausschließlich berufliche Nutzungsvorteile gestützt werden, wenn das Hilfsmittel ansonsten keine allgemeinen Grundbedürfnisse betrifft und seine Nutzung die Auswirkungen der Behinderung nicht im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert.

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d) Begrenzt ist der so umrissene Anspruch auf eine Hilfsmittelversorgung nach § 33 SGB V durch das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs 1 SGB V. Die Leistungen müssen danach "ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein" und dürfen "das Maß des Notwendigen nicht überschreiten"; Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. Demzufolge verpflichtet auch § 33 Abs 1 S 1 SGB V nicht dazu, den Versicherten jede gewünschte, von ihnen für optimal gehaltene Versorgung zur Verfügung zu stellen. Ausgeschlossen sind danach Ansprüche auf teure Hilfsmittel, wenn eine kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Nachteilsausgleich funktionell ebenfalls geeignet ist (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 26 S 153; stRspr); Mehrkosten sind andernfalls selbst zu tragen (§ 33 Abs 1 S 5 SGB V). Eingeschlossen in den Versorgungsauftrag der GKV ist eine kostenaufwändige Versorgung dagegen dann, wenn durch sie eine Verbesserung bedingt ist, die einen wesentlichen Gebrauchsvorteil gegenüber einer kostengünstigeren Alternative bietet. Das gilt bei Hilfsmitteln zum unmittelbaren Behinderungsausgleich insbesondere durch Prothesen für grundsätzlich jede Innovation, die dem Versicherten in seinem Alltagsleben deutliche Gebrauchsvorteile bietet (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 44 S 249 - C-Leg I; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 45 S 255 - Damenperücke; BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 4 - C-Leg II). Keine Leistungspflicht besteht dagegen für solche Innovationen, die nicht die Funktionalität betreffen, sondern in erster Linie die Bequemlichkeit und den Komfort bei der Nutzung des Hilfsmittels (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 44 S 249; BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 15). Dasselbe gilt für lediglich ästhetische Vorteile (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 45 - Damenperücke). Desgleichen kann eine Leistungsbegrenzung zu erwägen sein, wenn die funktionalen Vorteile eines Hilfsmittels ausschließlich in bestimmten Lebensbereichen zum Tragen kommen (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 34 zur Versorgung mit einer - dem mittelbaren Behinderungsausgleich dienenden - Mikroportanlage). Weitere Grenzen der Leistungspflicht können schließlich berührt sein, wenn einer nur geringfügigen Verbesserung des Gebrauchsnutzens ein als unverhältnismäßig einzuschätzender Mehraufwand gegenübersteht (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 26 S 153 und Nr 44 S 250 - jeweils mwN).

35

9. Nach diesen Grundsätzen zur Versorgung Versicherter mit Hilfsmitteln zum Ausgleich von Behinderungen steht der Klägerin der Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 S 1 SGB V nicht zu, weil es an dem hierfür nötigen Sachleistungsanspruch auf Ausstattung mit dem angepassten Hörgerät(§ 33 SGB V) fehlt.

36

Das LSG hat auf der Grundlage des Gutachtens des Hörgeräteakustikers W. vom 3.12.2008 festgestellt, die Klägerin benötige das höherwertige Premiumgerät lediglich wegen ihrer beruflichen Tätigkeit als Qualitätsmanagementbeauftragte eines Wohlfahrtsverbandes. Der Schwerpunkt dieser auf der Ausbildung der Klägerin als Diplom-Pflegewirtin aufbauenden Tätigkeit liege in der Leitung und Moderation von Arbeitsgruppen in Qualitätszirkeln sowie in der Durchführung von Fortbildungsmaßnahmen zur Altenpflege. Diese Moderatoren- und Dozententätigkeit stelle besondere Anforderungen an die Hörfähigkeit, weil der Betroffene wegen der üblicherweise vorhandenen Störgeräusche einem spezifischen akustischen Umfeld ausgesetzt sei, das sich zB von einer normalen Bürotätigkeit deutlich unterscheide. Außerdem bestehe bei der Klägerin die medizinische Besonderheit, dass sie nur auf einem Ohr mit einer Hörhilfe versorgt werden könne, wodurch sie im Hinblick auf das Richtungshören und Verstehen im Störgeräusch gegenüber einer beidseitigen Versorgung sehr im Nachteil sei, weil alle Schallereignisse auf das linke Ohr treffen würden und so der Nutzschall und der Störschall nur sehr schwer voneinander getrennt werden könnten. Ohne das gewählte Premiumgerät sei die weitere Berufsausübung als Qualitätsmanagementbeauftragte erheblich gefährdet; eine Versorgung mit einem - zum Festbetrag erhältlichen - Basis- oder Komfortgerät sei nicht ausreichend.

37

Diese Feststellungen des LSG sind im Revisionsverfahren nicht angegriffen worden und für den erkennenden Senat daher bindend (§ 163 SGG). Anhaltspunkte dafür, dass die zusätzlichen Nutzungsvorteile des gewählten Premiumgeräts über den beruflichen Nutzen hinaus Auswirkungen der Hörbehinderung der Klägerin im gesamten Alltagsleben mindern, sind weder vom LSG festgestellt worden noch anderweitig ersichtlich. So stellen insbesondere der Antrag der Klägerin bei der Beklagten vom 25.7.2006 sowie ihre Rechtsbehelfsbegründungen stets darauf ab, dass das neue Premiumgerät zur Berufsausübung nötig sei. Danach bleibt festzuhalten, dass die Beigeladene den gegen sie nach § 33 Abs 1 S 1 SGB V bestehenden krankenversicherungsrechtlichen Versorgungsanspruch durch die Zahlung des Festbetrages erfüllt hat(§ 12 Abs 2 SGB V), weil für den Alltagsgebrauch ein zum Festbetrag erhältliches Hörgerät als Ersatz für das unbrauchbar gewordene alte Hörgerät offenbar noch ausgereicht hätte. Für weitergehende Primäransprüche der Klägerin nach dem SGB V bestehe nach den Feststellungen des LSG keine Anhaltspunkte.

38

10. Die Klage ist allerdings begründet, weil der Klägerin ein solcher weitergehender Primäranspruch nach dem Rentenversicherungsrecht zugestanden hätte, für dessen Erfüllung die Beigeladene als erstangegangener Rehabilitationsträger nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX im Außenverhältnis zur Klägerin zuständig war.

39

Rechtsgrundlage des aus der Selbstbeschaffung der Leistung resultierenden rehabilitationsrechtlichen Kostenerstattungsanspruchs ist § 15 Abs 1 S 3 und 4 SGB IX: "Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist(gemeint ist damit die dem Rehabilitationsträger zu setzende angemessene Nachfrist nach § 15 Abs 1 S 2 SGB IX) eine erforderliche Leistung selbst, ist der zuständige Rehabilitationsträger unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zur Erstattung der Aufwendungen verpflichtet. Der Erstattungsanspruch besteht auch, wenn der Rehabilitationsträger eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann oder er die Leistung zu Unrecht abgelehnt hat." Im vorliegenden Fall geht es um einen Kostenerstattungsanspruch nach § 15 Abs 1 S 4 Fall 2 SGB IX, weil die Beigeladene ihre Leistungspflicht auf den Festbetrag beschränkt und damit den weitergehenden Antrag auf Ausstattung mit dem höherwertigen Premiumgerät abgelehnt hat(BSGE 105, 170 = SozR 4-2500 § 36 Nr 2, RdNr 9).

40

a) Die Regelungen des § 15 Abs 1 S 3 und 4 SGB IX sind auch im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung unmittelbar anwendbar(BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 8 RdNr 12). Dem steht insbesondere § 7 S 2 SGB IX nicht entgegen, wonach die Zuständigkeit der Träger und die Voraussetzungen für die Leistungen zur Teilhabe(§§ 4, 5 SGB IX) nach den für die jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen zu bestimmen sind. Schon nach dem Wortlaut dieser Vorschrift bezieht sich diese Verweisung nur auf Teilhabeleistungen - also die Primäransprüche - selbst, nicht jedoch auf den hier streitbefangenen Kostenerstattungsanspruch.

41

b) Die Beigeladene ist auch hinsichtlich des Kostenerstattungsanspruchs nach § 15 Abs 1 SGB IX passivlegitimiert. "Zuständiger Rehabilitationsträger" iS von § 15 Abs 1 S 4 SGB IX ist der nach § 14 SGB IX zuständige Träger(BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 8 RdNr 14).

42

11. Bei dem rehabilitationsrechtlichen Kostenerstattungsanspruch wegen rechtswidriger Leistungsablehnung nach § 15 Abs 1 S 4 Fall 2 SGB IX handelt es sich um einen Parallelanspruch zum krankenversicherungsrechtlichen Kostenerstattungsanspruch wegen rechtswidriger Leistungsablehnung nach § 13 Abs 3 S 1 Fall 2 SGB V. Der Anspruch ist demgemäß gegeben, wenn der nach § 14 SGB IX zuständige Rehabilitationsträger die Erfüllung eines Naturalleistungsanspruchs rechtswidrig abgelehnt und der Versicherte bzw Leistungsberechtigte sich die Leistung selbst beschafft hat, wenn weiterhin ein Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung besteht, die selbst beschaffte Leistung notwendig ist und die Selbstbeschaffung eine rechtlich wirksame Kostenbelastung des Versicherten bzw Leistungsberechtigten ausgelöst hat. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

43

12. Rechtsfehlerfrei hat das LSG entschieden, dass der Kostenerstattungsanspruch nicht an der fehlenden Kausalität zwischen Leistungsablehnung und Kostenbelastung scheitert. Ansprüche nach § 15 Abs 1 S 4 Fall 2 SGB IX sind - ebenso wie nach § 13 Abs 3 S 1 Fall 2 SGB V - zwar nur gegeben, wenn der zuständige Rehabilitationsträger (hier die Krankenkasse) eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dem Versicherten "dadurch" Kosten für die selbst beschaffte Leistung entstanden sind. Dazu muss die Kostenbelastung des Versicherten der ständigen Rechtsprechung des BSG zufolge wesentlich auf der Leistungsversagung des Trägers beruhen (vgl etwa BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 24). Hieran fehlt es, wenn dieser vor Inanspruchnahme der Versorgung mit dem Leistungsbegehren nicht befasst worden ist, obwohl dies möglich gewesen wäre (vgl BSG SozR 3-2500 § 13 Nr 15 S 74 mwN; BSGE 98, 26 = SozR 4-2500 § 13 Nr 12, RdNr 10; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 16, RdNr 13 mwN), oder wenn der Versicherte auf eine bestimmte Versorgung von vornherein festgelegt war (stRspr; vgl zuletzt BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 29). Das ist hier nicht der Fall.

44

"Selbst verschafft" ist eine Hilfsmittel-Leistung nicht schon mit deren Auswahl. Die Auswahl ist dem Hilfsmittelbewilligungsverfahren notwendig vorgeschaltet und scheidet deshalb mit Ausnahme von Fällen der Vorfestlegung - für die hier nichts festgestellt ist - als Anknüpfungspunkt für den Zeitpunkt der Hilfsmittelbeschaffung aus. Anspruchshindernd ist vielmehr, wie der erkennende Senat bereits entschieden hat, erst ein unbedingtes Verpflichtungsgeschäft im Verhältnis zwischen Versichertem und Leistungserbringer (vgl BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 10 RdNr 22). Unschädlich sind danach Auswahlentscheidungen, die den Versicherten nicht endgültig binden und die regelmäßig Voraussetzung für den Leistungsantrag sind, wie bei der Hörgeräteversorgung die Prüfung der Eignung und Anpassungsfähigkeit der in Betracht kommenden Geräte. Dazu gehört auch eine probeweise Hörgeräteüberlassung. Anders ist es erst dann, wenn der Versicherte bereits vor der Entscheidung des Trägers eine endgültige rechtliche Verpflichtung eingeht und der Leistungserbringer demgemäß auch im Falle der Ablehnung des Leistungsbegehrens durch den Träger die Abnahme und Bezahlung des Hilfsmittels verlangen kann. Ein solcher Leistungsausschlussgrund liegt nach den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen und den Senat deshalb bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG nicht vor. Das LSG hat vielmehr ausgeführt, dass die Klägerin die Entscheidung zur Selbstverschaffung erst deutlich nach der - in der Beschränkung auf den Festbetrag liegenden - Teil-Ablehnung der Beigeladenen vom 12.7.2006, nämlich im Oktober 2006, getroffen hat. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

45

Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die Klägerin die Entscheidung zur Selbstbeschaffung sogar auch erst nach dem Zugang des Ablehnungsbescheides der Beklagten vom 3.8.2006 getroffen hat, weil es im Hinblick auf den Kostenerstattungsanspruch nach § 15 Abs 1 S 4 Fall 2 SGB IX nur auf die rechtswidrige Leistungsablehnung durch den nach § 14 SGB IX zuständigen Rehabilitationsträger ankommt.

46

13. Die ablehnende Entscheidung der Beigeladenen war rechtswidrig, weil sie den Anspruch der Klägerin nach §§ 9, 15 SGB VI iVm § 26 Abs 2 Nr 6 und § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX unberücksichtigt gelassen hat.

47

a) Die gesetzliche Rentenversicherung erbringt als Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ua Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (§ 9 Abs 1 SGB VI), wenn die persönlichen (§ 10 SGB VI) und versicherungsrechtlichen (§ 11 SGB VI) Voraussetzungen erfüllt und die Leistungen nicht nach § 12 SGB VI ausgeschlossen sind. Diese Leistungsvoraussetzungen sind hier erfüllt.

48

Die Klägerin fällt in den persönlichen Anwendungsbereich (§ 10 SGB VI), weil sie hörbehindert ist und deshalb - wie bereits ausgeführt - typische Anforderungen ihrer Berufstätigkeit gemäß der Stellenbeschreibung ohne die notwendige Hörgeräteversorgung nicht (mehr) erfüllen konnte; dabei ist auf die konkret ausgeübte Beschäftigung - hier als Qualitätsmanagementbeauftragte eines Wohlfahrtsverbands - und nicht auf die generelle Erwerbsfähigkeit iS von § 43 Abs 2 S 2 SGB VI abzustellen. Für den Fall der Versorgung mit einem den Anforderungen ihrer Beschäftigung an die Hörfähigkeit entsprechenden Hörgerät bestand eine positive Rehabilitationsprognose. Anhaltspunkte für das Fehlen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (§ 11 SGB VI) oder einen Ausschluss der Leistungspflicht nach § 12 SGB VI bestehen nicht; dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.

49

b) Die Klägerin erfüllt zudem die besonderen Voraussetzungen der Hilfsmittelversorgung zur medizinischen Rehabilitation durch den Rentenversicherungsträger. Gemäß § 9 Abs 1 SGB VI kann die Rentenversicherung ua Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach § 15 SGB VI erbringen, für die in Abs 1 S 1 jener Vorschrift auf die rehabilitationsrechtlichen Bestimmungen der §§ 26 bis 31 SGB IX verwiesen wird. Nach § 26 Abs 1 Nr 2 SGB IX werden Leistungen zur medizinischen Rehabilitation behinderter Menschen erbracht, um Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit zu vermeiden, zu überwinden oder zu mindern. Zu diesen Leistungen gehören nach § 26 Abs 2 Nr 6 SGB IX auch Hilfsmittel, deren Erbringung wiederum in § 31 SGB IX näher geregelt ist. Hierzu zählen nach § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX ua Hilfsmittel, die unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls erforderlich sind, um eine Behinderung bei der Befriedigung von Grundbedürfnissen des täglichen Lebens auszugleichen, soweit sie nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen sind. Diese Leistungsvoraussetzungen sind ebenfalls erfüllt.

50

Als Hilfsmittel zum unmittelbaren Behinderungsausgleich dient ein Hörgerät ohne gesonderte weitere Prüfung der Befriedigung eines Grundbedürfnisses des täglichen Lebens iS von § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX, weil die Erhaltung bzw Wiederherstellung einer Körperfunktion als solche schon ein Grundbedürfnis in diesem Sinne ist(BSGE 105, 170 = SozR 4-2500 § 36 Nr 2, RdNr 15). Es kommt hingegen nicht darauf an, ob die Ausübung einer Erwerbstätigkeit ein Grundbedürfnis iS von § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX ist. Die vom erkennenden Senat im Rahmen der Anwendung von § 33 SGB V vorgenommene Begrenzung auf Nutzungsvorteile, die eine Behinderung (auch) im gesamten täglichen Leben ausgleichen oder mildern, begründet sich mit dem gegliederten System der Sozialversicherung und dient der Abgrenzung der Leistungen der Krankenkassen von denen anderer Rehabilitationsträger und kommt damit - außerhalb des Zuständigkeitsbereichs der GKV - naturgemäß nicht zur Anwendung.

51

14. Damit standen Art, Dauer, Umfang und Durchführung der Rehabilitationsleistung, dh welche Leistungen in Betracht kommen (§ 13 Abs 1 S 1 SGB VI), grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des zuständigen Leistungsträgers (BSGE 85, 298, 300 = SozR 3-2600 § 10 Nr 2 S 3; BSG SozR 3-5765 § 10 Nr 1 S 3 f; BSG SozR 3-1200 § 39 Nr 1 S 3 f; BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 3 RdNr 35; BSG SozR 4-5765 § 7 Nr 1 RdNr 11; BSG Urteil vom 12.12.2011 - B 13 R 21/10 R - Juris RdNr 27; stRspr). Es kann dahingestellt bleiben, ob die fehlende Möglichkeit des Leistungsträgers, dieses Auswahlermessen auszuüben, das Entstehen des Kostenerstattungsanspruchs im Einzelfall hindern könnte. Denn nach den nicht angegriffenen und damit bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG war die Versorgung der Klägerin mit dem Premiumhörgerät zur Fortsetzung ihrer Erwerbstätigkeit zwingend erforderlich, sodass eine sog "Ermessensreduzierung auf Null" vorliegt. Damit sind die der Klägerin entstandenen Kosten in Höhe von 1956,90 Euro auch erforderlich iS von § 15 Abs 1 S 3 SGB IX. Die Klägerin hat somit materiell-rechtlich gegen die Beigeladene Anspruch auf Erstattung der den Festbetrag übersteigenden Kosten der von ihr gewählten notwendigen Hörgeräteversorgung.

52

15. Die Beigeladene hätte somit bei rechtmäßigem Verfahrensablauf dem Antrag der Klägerin auf Gewährung des erforderlichen neuen Hörgeräts in Premiumausführung stattgeben müssen, und zwar einerseits als originär zuständiger Krankenversicherungsträger in Höhe des Festbetrags (§ 36 iVm § 12 Abs 2 SGB V), weil das Hörgerät als Ersatz für das unbrauchbar gewordene alte Gerät dient und trotz seiner berufsbedingt erforderlichen aufwändigen Ausstattung auch im Alltagsleben benutzt wird (§ 33 SGB V), und andererseits als erstangegangener Rehabilitationsträger (§ 14 SGB IX) in Höhe der Mehrkosten, weil sie auch für die rentenversicherungsrechtlichen Ansprüche zuständig geworden ist und das Hörgerät zur Berufsausübung als Hilfsmittel zur medizinischen Rehabilitation im Zuge der Teilhabe am Arbeitsleben benötigt wird (§§ 9, 15 SGB VI iVm § 26 Abs 2 Nr 6 und § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX). Die Zuständigkeit nach § 14 SGB IX hätte die Beigeladene dadurch vermeiden können, dass sie innerhalb der Prüfungsfrist des § 14 Abs 1 S 1 und 2 SGB IX zugleich mit der Bewilligung des Festbetrags den Leistungsantrag hinsichtlich der Mehrkosten an die Beklagte als insoweit zuständigen Rentenversicherungsträger weitergeleitet hätte.

53

Dieses Nebeneinander von zwei sozialversicherungsrechtlichen Zuständigkeiten für eine einheitliche Sozialleistung ist sachlich geboten und im Hilfsmittelbereich auch nicht systemfremd. Wählt ein Versicherter ein zum Behinderungsausgleich geeignetes Hilfsmittel in einer über das medizinisch Notwendige hinausgehenden aufwändigeren Ausführung, trägt die Krankenkasse nur die Kosten des Hilfsmittels in der notwendigen Ausstattung, während die Mehrkosten grundsätzlich vom Versicherten selbst zu tragen sind (§ 33 Abs 1 S 5 SGB V und § 31 Abs 3 SGB IX). Ist die höherwertige Ausstattung dagegen zwar nicht für den Alltagsgebrauch, wohl aber aus rein beruflichen Gründen erforderlich, fallen die Mehrkosten, die sonst der Versicherte selbst tragen müsste, dem Rentenversicherungsträger zur Last. Für medizinische Hilfsmittel (§ 33 SGB V), die zugleich Pflegehilfsmittel sind (§ 40 Abs 1 SGB XI) und deswegen als Hilfsmittel mit Doppelfunktion sowohl von den Krankenkassen als auch von den Pflegekassen zu finanzieren sind, hat der Gesetzgeber einen eigenständigen Finanzausgleich nach § 40 Abs 5 SGB XI geschaffen.

54

16. Die Verurteilung der Beigeladenen zur Erstattung des Betrages von 1956,90 Euro ist nach § 75 Abs 5 SGG möglich. Insbesondere besteht die hierfür nötige Wechselwirkung, weil der streitige Anspruch sich nur entweder gegen die Beklagte oder gegen die Beigeladene richten kann.

55

Der Verurteilung der Beigeladenen steht auch nicht ihre Entscheidung vom 12.7.2006 entgegen, dem Leistungsantrag der Klägerin nur in Form des Festbetrags (§ 36 iVm § 12 Abs 2 SGB V) stattzugeben, die Übernahme der darüber hinausgehenden Kosten aber abzulehnen; denn diese Entscheidung ist im Verhältnis zur Klägerin nicht in Bestandskraft erwachsen.

56

a) Bei dieser Entscheidung der Beigeladenen handelt es sich um einen Verwaltungsakt (§ 31 SGB X), der zwar dem Hörakustiker entsprechend den vertraglichen Regelungen (vgl § 4 Nr 1 des Vertrages) in Gestalt eines formlosen Bewilligungsschreibens zur Kenntnis gegeben worden ist, nicht aber als förmlicher, mit einer Rechtsmittelbelehrung versehener Bescheid der Klägerin zugesandt oder auf andere Weise bekannt gegeben worden ist, wie es § 37 SGB X verlangt. Dennoch ist der Verwaltungsakt gegenüber der Klägerin wirksam geworden, weil offensichtlich der Hörakustiker die Klägerin im Zeitraum zwischen dem 12. und 25.7.2006 über die Entscheidung der Beigeladenen, nur den Festbetrag zu zahlen, unterrichtet hat. Mit dieser - von der Beigeladenen auch so gewollten - Unterrichtung ist der Verwaltungsakt der Klägerin bekannt gegeben und damit auch wirksam geworden (§ 39 Abs 1 SGB X). Nicht nachvollziehbar ist allerdings, weshalb die Beigeladene ihre Entscheidung nicht in Form eines ordnungsgemäßen Bescheids bekannt gegeben hat (§ 37 SGB X).

57

b) Dieser Verwaltungsakt hat gegenüber der Klägerin keine Bestandskraft erlangt (§ 77 SGG). Zwar hat die Klägerin gegen die Entscheidung bei der Beigeladenen nicht ausdrücklich Widerspruch erhoben (§ 83 SGG). Sie hat aber mit ihrer Antragstellung bei der Beklagten am 25.7.2006, die als unmittelbare Reaktion auf die kurz zuvor erhaltene Mitteilung über die Leistungsbegrenzung auf den Festbetrag zu werten ist, deutlich gemacht, mit dieser Leistungsbegrenzung nicht einverstanden zu sein.

58

Diesen Antrag, der inhaltlich nichts anderes ist als die Einwendung gegen die Leistungsbegrenzung auf den Festbetrag, muss sich die Beigeladene nach der Zielsetzung des § 14 SGB IX als Rechtsbehelf gegen ihre Entscheidung zurechnen lassen. Ziel des § 14 SGB IX ist es, im Interesse des behinderten Menschen durch die rasche Klärung von Zuständigkeiten Nachteilen des gegliederten Systems entgegenzuwirken(BT-Drucks 14/5074 S 102). Ein möglicher Nachteil des gegliederten Systems ist es, dass der behinderte Mensch die von ihm begehrte Rehabilitationsleistung bei allen in Betracht kommenden Leistungsträgern verfolgen und dabei ggf eine Vielzahl von Verwaltungs- und weitergehenden Rechtsbehelfsverfahren führen muss, um keinen Nachteil zu erleiden. Diesem "Systemmangel" begegnet § 14 SGB IX erstens durch die Verpflichtung des erstangegangenen Leistungsträgers, kurzfristig die Zuständigkeit zu prüfen, um zweitens den Antrag an den für zuständig erkannten anderen Träger weiterzuleiten oder anderenfalls selbst umfassend zu prüfen. Für den behinderten Menschen soll es einen Antrag bzw ein Antragsverfahren mit einer abschließenden Verwaltungsentscheidung geben. Lässt aber der erstangegangene Leistungsträger - wie hier - die Vorgaben des § 14 SGB IX unberücksichtigt, sodass sich der behinderte Mensch selbst auf die Suche nach einem ggf anderweitig zuständigen Rehabilitationsträger macht, müssen - um der Zielsetzung des § 14 SGB IX zu entsprechen, keinen Nachteil durch das gegliederte System auszulösen - die von ihm angestoßenen Verwaltungsverfahren rechtstechnisch als ein einheitliches Verwaltungsverfahren angesehen werden. Dies muss zumindest dann gelten, wenn - wie im vorliegenden Fall - der erstangegangene Leistungsträger seine Ablehnungsentscheidung nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen hat, sodass für den behinderten Menschen nicht erkennbar ist, welche Maßnahmen er treffen muss, um seine Rechte weiterverfolgen zu können.

59

Geht man aber von einem einheitlichen Verwaltungsverfahren aus, das bei der Beigeladenen begonnen und durch die Antragstellung bei der Beklagten fortgeführt wurde, muss der Antrag der Klägerin vom 25.7.2006 auf Versorgung mit dem Premiumhörgerät zumindest auch als Widerspruch gegen die entsprechend ablehnende Entscheidung der Beigeladenen vom 12.7.2006 angesehen werden, sodass diese Entscheidung nicht bestandskräftig werden konnte. Der fehlende Abschluss des Widerspruchsverfahrens hindert eine Verurteilung der Beigeladenen im vorliegenden Rechtsstreit nicht (Leitherer, aaO, § 75 RdNr 18b unter Hinweis auf BSG SozR Nr 27 zu § 75 SGG).

60

17. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Das Gericht entscheidet über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein.

(1) Werden Leistungen zur Teilhabe beantragt, stellt der Rehabilitationsträger innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist; bei den Krankenkassen umfasst die Prüfung auch die Leistungspflicht nach § 40 Absatz 4 des Fünften Buches. Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung insgesamt nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu und unterrichtet hierüber den Antragsteller. Muss für eine solche Feststellung die Ursache der Behinderung geklärt werden und ist diese Klärung in der Frist nach Satz 1 nicht möglich, soll der Antrag unverzüglich dem Rehabilitationsträger zugeleitet werden, der die Leistung ohne Rücksicht auf die Ursache der Behinderung erbringt. Wird der Antrag bei der Bundesagentur für Arbeit gestellt, werden bei der Prüfung nach den Sätzen 1 und 2 keine Feststellungen nach § 11 Absatz 2a Nummer 1 des Sechsten Buches und § 22 Absatz 2 des Dritten Buches getroffen.

(2) Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf anhand der Instrumente zur Bedarfsermittlung nach § 13 unverzüglich und umfassend fest und erbringt die Leistungen (leistender Rehabilitationsträger). Muss für diese Feststellung kein Gutachten eingeholt werden, entscheidet der leistende Rehabilitationsträger innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang. Ist für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs ein Gutachten erforderlich, wird die Entscheidung innerhalb von zwei Wochen nach Vorliegen des Gutachtens getroffen. Wird der Antrag weitergeleitet, gelten die Sätze 1 bis 3 für den Rehabilitationsträger, an den der Antrag weitergeleitet worden ist, entsprechend; die Frist beginnt mit dem Antragseingang bei diesem Rehabilitationsträger. In den Fällen der Anforderung einer gutachterlichen Stellungnahme bei der Bundesagentur für Arbeit nach § 54 gilt Satz 3 entsprechend.

(3) Ist der Rehabilitationsträger, an den der Antrag nach Absatz 1 Satz 2 weitergeleitet worden ist, nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung insgesamt nicht zuständig, kann er den Antrag im Einvernehmen mit dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger an diesen weiterleiten, damit von diesem als leistendem Rehabilitationsträger über den Antrag innerhalb der bereits nach Absatz 2 Satz 4 laufenden Fristen entschieden wird und unterrichtet hierüber den Antragsteller.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten sinngemäß, wenn der Rehabilitationsträger Leistungen von Amts wegen erbringt. Dabei tritt an die Stelle des Tages der Antragstellung der Tag der Kenntnis des voraussichtlichen Rehabilitationsbedarfs.

(5) Für die Weiterleitung des Antrages ist § 16 Absatz 2 Satz 1 des Ersten Buches nicht anzuwenden, wenn und soweit Leistungen zur Teilhabe bei einem Rehabilitationsträger beantragt werden.

(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.

(2) Ist für eine Leistung ein Festbetrag festgesetzt, erfüllt die Krankenkasse ihre Leistungspflicht mit dem Festbetrag.

(3) Hat die Krankenkasse Leistungen ohne Rechtsgrundlage oder entgegen geltendem Recht erbracht und hat ein Vorstandsmitglied hiervon gewußt oder hätte es hiervon wissen müssen, hat die zuständige Aufsichtsbehörde nach Anhörung des Vorstandsmitglieds den Verwaltungsrat zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat das Regreßverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind. Die Hilfsmittel müssen mindestens die im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 2 festgelegten Anforderungen an die Qualität der Versorgung und der Produkte erfüllen, soweit sie im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 1 gelistet oder von den dort genannten Produktgruppen erfasst sind. Der Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich hängt bei stationärer Pflege nicht davon ab, in welchem Umfang eine Teilhabe am Leben der Gemeinschaft noch möglich ist; die Pflicht der stationären Pflegeeinrichtungen zur Vorhaltung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln, die für den üblichen Pflegebetrieb jeweils notwendig sind, bleibt hiervon unberührt. Für nicht durch Satz 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 Abs. 1 unberührt. Der Anspruch umfasst auch zusätzlich zur Bereitstellung des Hilfsmittels zu erbringende, notwendige Leistungen wie die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Ein Anspruch besteht auch auf solche Hilfsmittel, die eine dritte Person durch einen Sicherheitsmechanismus vor Nadelstichverletzungen schützen, wenn der Versicherte selbst nicht zur Anwendung des Hilfsmittels in der Lage ist und es hierfür einer Tätigkeit der dritten Person bedarf, bei der durch mögliche Stichverletzungen eine Infektionsgefahr besteht oder angenommen werden kann. Zu diesen Tätigkeiten gehören insbesondere Blutentnahmen und Injektionen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 bis zum 31. Januar 2020 die Tätigkeiten, bei denen eine erhöhte Infektionsgefährdung angenommen werden kann. Wählen Versicherte Hilfsmittel oder zusätzliche Leistungen, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen, haben sie die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Folgekosten selbst zu tragen. § 18 Absatz 6a des Elften Buches ist zu beachten.

(2) Versicherte haben bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen entsprechend den Voraussetzungen nach Absatz 1. Für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, besteht der Anspruch auf Sehhilfen, wenn sie

1.
nach ICD 10-GM 2017 auf Grund ihrer Sehbeeinträchtigung oder Blindheit bei bestmöglicher Brillenkorrektur auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 oder
2.
einen verordneten Fern-Korrekturausgleich für einen Refraktionsfehler von mehr als 6 Dioptrien bei Myopie oder Hyperopie oder mehr als 4 Dioptrien bei Astigmatismus
aufweisen; Anspruch auf therapeutische Sehhilfen besteht, wenn diese der Behandlung von Augenverletzungen oder Augenerkrankungen dienen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen therapeutische Sehhilfen verordnet werden. Der Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen umfaßt nicht die Kosten des Brillengestells.

(3) Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen besteht für anspruchsberechtigte Versicherte nach Absatz 2 nur in medizinisch zwingend erforderlichen Ausnahmefällen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen Kontaktlinsen verordnet werden. Wählen Versicherte statt einer erforderlichen Brille Kontaktlinsen und liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht vor, zahlt die Krankenkasse als Zuschuß zu den Kosten von Kontaktlinsen höchstens den Betrag, den sie für eine erforderliche Brille aufzuwenden hätte. Die Kosten für Pflegemittel werden nicht übernommen.

(4) Ein erneuter Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen nach Absatz 2 besteht für Versicherte, die das vierzehnte Lebensjahr vollendet haben, nur bei einer Änderung der Sehfähigkeit um mindestens 0,5 Dioptrien; für medizinisch zwingend erforderliche Fälle kann der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Ausnahmen zulassen.

(5) Die Krankenkasse kann den Versicherten die erforderlichen Hilfsmittel auch leihweise überlassen. Sie kann die Bewilligung von Hilfsmitteln davon abhängig machen, daß die Versicherten sich das Hilfsmittel anpassen oder sich in seinem Gebrauch ausbilden lassen.

(5a) Eine vertragsärztliche Verordnung ist für die Beantragung von Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 nur erforderlich, soweit eine erstmalige oder erneute ärztliche Diagnose oder Therapieentscheidung medizinisch geboten ist. Abweichend von Satz 1 können die Krankenkassen eine vertragsärztliche Verordnung als Voraussetzung für die Kostenübernahme verlangen, soweit sie auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichtet haben. § 18 Absatz 6a und § 40 Absatz 6 des Elften Buches sind zu beachten.

(5b) Sofern die Krankenkassen nicht auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichten, haben sie den Antrag auf Bewilligung eines Hilfsmittels mit eigenem weisungsgebundenem Personal zu prüfen. Sie können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst vor Bewilligung eines Hilfsmittels nach § 275 Absatz 3 Nummer 1 prüfen lassen, ob das Hilfsmittel erforderlich ist. Eine Beauftragung Dritter ist nicht zulässig.

(6) Die Versicherten können alle Leistungserbringer in Anspruch nehmen, die Vertragspartner ihrer Krankenkasse sind. Vertragsärzte oder Krankenkassen dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder Verordnungen bestimmten Leistungserbringern zuweisen, noch die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einem bestimmten Leistungserbringer einzulösen. Die Sätze 1 und 2 gelten auch bei der Einlösung von elektronischen Verordnungen.

(7) Die Krankenkasse übernimmt die jeweils vertraglich vereinbarten Preise.

(8) Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegebenen Hilfsmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag zu dem von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrag an die abgebende Stelle. Der Vergütungsanspruch nach Absatz 7 verringert sich um die Zuzahlung; § 43c Abs. 1 Satz 2 findet keine Anwendung. Die Zuzahlung bei zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln beträgt 10 vom Hundert des insgesamt von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrags, jedoch höchstens 10 Euro für den gesamten Monatsbedarf.

(9) Absatz 1 Satz 9 gilt entsprechend für Intraokularlinsen beschränkt auf die Kosten der Linsen.

Die Leistungen und sonstigen Ausgaben der Krankenkassen werden durch Beiträge finanziert. Dazu entrichten die Mitglieder und die Arbeitgeber Beiträge, die sich in der Regel nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder richten. Für versicherte Familienangehörige werden Beiträge nicht erhoben.

(1) Die Träger der Rentenversicherung erbringen Leistungen zur Prävention, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, Leistungen zur Nachsorge sowie ergänzende Leistungen, um

1.
den Auswirkungen einer Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit der Versicherten vorzubeugen, entgegenzuwirken oder sie zu überwinden und
2.
dadurch Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit der Versicherten oder ihr vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu verhindern oder sie möglichst dauerhaft in das Erwerbsleben wiedereinzugliedern.
Die Leistungen zur Prävention haben Vorrang vor den Leistungen zur Teilhabe. Die Leistungen zur Teilhabe haben Vorrang vor Rentenleistungen, die bei erfolgreichen Leistungen zur Teilhabe nicht oder voraussichtlich erst zu einem späteren Zeitpunkt zu erbringen sind.

(2) Die Leistungen nach Absatz 1 sind zu erbringen, wenn die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen dafür erfüllt sind.

Eltern, Vormünder, Pfleger und Betreuer, die bei den ihnen anvertrauten Personen Beeinträchtigungen (§ 2 Absatz 1) wahrnehmen oder durch die in § 34 genannten Personen hierauf hingewiesen werden, sollen im Rahmen ihres Erziehungs- oder Betreuungsauftrags diese Personen einer Beratungsstelle nach § 32 oder einer sonstigen Beratungsstelle für Rehabilitation zur Beratung über die geeigneten Leistungen zur Teilhabe vorstellen.

(1) Die Träger der Rentenversicherung erbringen im Rahmen von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation Leistungen nach den §§ 42 bis 47a des Neunten Buches, ausgenommen Leistungen nach § 42 Abs. 2 Nr. 2 und § 46 des Neunten Buches. Zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz wird nur erbracht, wenn sie unmittelbar und gezielt zur wesentlichen Besserung oder Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit, insbesondere zur Ausübung des bisherigen Berufs, erforderlich und soweit sie nicht als Leistung der Krankenversicherung oder als Hilfe nach dem Fünften Kapitel des Zwölften Buches zu erbringen ist.

(2) Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach den §§ 15, 15a und 31 Absatz 1 Nummer 2, die nach Art und Schwere der Erkrankung erforderlich sind, werden durch Rehabilitationseinrichtungen erbracht, die unter ständiger ärztlicher Verantwortung und Mitwirkung von besonders geschultem Personal entweder vom Träger der Rentenversicherung selbst oder von anderen betrieben werden und nach Absatz 4 zugelassen sind oder als zugelassen gelten (zugelassene Rehabilitationseinrichtungen). Die Rehabilitationseinrichtung braucht nicht unter ständiger ärztlicher Verantwortung zu stehen, wenn die Art der Behandlung dies nicht erfordert. Leistungen einschließlich der erforderlichen Unterkunft und Verpflegung sollen für längstens drei Wochen erbracht werden. Sie können für einen längeren Zeitraum erbracht werden, wenn dies erforderlich ist, um das Rehabilitationsziel zu erreichen.

(3) Rehabilitationseinrichtungen haben einen Anspruch auf Zulassung, wenn sie

1.
fachlich geeignet sind,
2.
sich verpflichten, an den externen Qualitätssicherungsverfahren der Deutschen Rentenversicherung Bund oder einem anderen von der Deutschen Rentenversicherung Bund anerkannten Verfahren teilzunehmen,
3.
sich verpflichten, das Vergütungssystem der Deutschen Rentenversicherung Bund anzuerkennen,
4.
den elektronischen Datenaustausch mit den Trägern der Rentenversicherung sicherstellen und
5.
die datenschutzrechtlichen Regelungen beachten und umsetzen, insbesondere den besonderen Anforderungen an den Sozialdatenschutz Rechnung tragen.
Fachlich geeignet sind Rehabilitationseinrichtungen, die zur Durchführung der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation die personellen, strukturellen und qualitativen Anforderungen erfüllen. Dabei sollen die Empfehlungen nach § 37 Absatz 1 des Neunten Buches beachtet werden. Zur Ermittlung und Bemessung einer leistungsgerechten Vergütung der Leistungen hat die Deutsche Rentenversicherung Bund ein transparentes, nachvollziehbares und diskriminierungsfreies Vergütungssystem bis zum 31. Dezember 2025 zu entwickeln, wissenschaftlich zu begleiten und zu evaluieren. Dabei hat sie tariflich vereinbarte Vergütungen sowie entsprechende Vergütungen nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen zu beachten.

(4) Mit der Zulassungsentscheidung wird die Rehabilitationseinrichtung für die Dauer der Zulassung zur Erbringung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zugelassen. Für Rehabilitationseinrichtungen, die vom Träger der Rentenversicherung selbst betrieben werden oder zukünftig vom Träger der Rentenversicherung selbst betrieben werden, gilt die Zulassung als erteilt.

(5) Der federführende Träger der Rentenversicherung entscheidet über die Zulassung von Rehabilitationseinrichtungen auf deren Antrag. Federführend ist der Träger der Rentenversicherung, der durch die beteiligten Träger der Rentenversicherung vereinbart wird. Er steuert den Prozess der Zulassung in allen Verfahrensschritten und trifft mit Wirkung für alle Träger der Rentenversicherung Entscheidungen. Die Entscheidung zur Zulassung ist im Amtsblatt der Europäischen Union zu veröffentlichen. Die Zulassungsentscheidung bleibt wirksam, bis sie durch eine neue Zulassungsentscheidung abgelöst oder widerrufen wird. Die Zulassungsentscheidung nach Absatz 4 Satz 1 oder die fiktive Zulassung nach Absatz 4 Satz 2 kann jeweils widerrufen werden, wenn die Rehabilitationseinrichtung die Anforderungen nach Absatz 3 Satz 1 nicht mehr erfüllt. Widerspruch und Klage gegen den Widerruf der Zulassungsentscheidung haben keine aufschiebende Wirkung.

(6) Die Inanspruchnahme einer zugelassenen Rehabilitationseinrichtung, in der die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation entsprechend ihrer Form auch einschließlich der erforderlichen Unterkunft und Verpflegung erbracht werden, erfolgt durch einen Vertrag. Der federführende Träger der Rentenversicherung schließt mit Wirkung für alle Träger der Rentenversicherung den Vertrag mit der zugelassenen Rehabilitationseinrichtung ab. Der Vertrag begründet keinen Anspruch auf Inanspruchnahme durch den Träger der Rentenversicherung.

(6a) Der Versicherte kann dem zuständigen Träger der Rentenversicherung Rehabilitationseinrichtungen vorschlagen. Der zuständige Träger der Rentenversicherung prüft, ob die von dem Versicherten vorgeschlagenen Rehabilitationseinrichtungen die Leistung in der nachweislich besten Qualität erbringen. Erfüllen die vom Versicherten vorgeschlagenen Rehabilitationseinrichtungen die objektiven sozialmedizinischen Kriterien für die Bestimmung einer Rehabilitationseinrichtung, weist der zuständige Träger der Rentenversicherung dem Versicherten eine Rehabilitationseinrichtung zu. Liegt ein Vorschlag des Versicherten nach Satz 1 nicht vor oder erfüllen die vom Versicherten vorgeschlagenen Rehabilitationseinrichtungen die objektiven sozialmedizinischen Kriterien für die Bestimmung einer Rehabilitationseinrichtung nicht, hat der zuständige Träger der Rentenversicherung dem Versicherten unter Darlegung der ergebnisrelevanten objektiven Kriterien Rehabilitationseinrichtungen vorzuschlagen. Der Versicherte ist berechtigt, unter den von dem zuständigen Träger der Rentenversicherung vorgeschlagenen Rehabilitationseinrichtungen innerhalb von 14 Tagen auszuwählen.

(7) Die Deutsche Rentenversicherung Bund ist verpflichtet, die Daten der externen Qualitätssicherung zu veröffentlichen und den Trägern der Rentenversicherung als Grundlage für die Inanspruchnahme einer Rehabilitationseinrichtung sowie den Versicherten in einer wahrnehmbaren Form zugänglich zu machen.

(8) Die Rehabilitationseinrichtung hat gegen den jeweiligen Träger der Rentenversicherung einen Anspruch auf Vergütung nach Absatz 9 Satz 1 Nummer 2 der gegenüber dem Versicherten erbrachten Leistungen. Der federführende Träger der Rentenversicherung vereinbart mit der Rehabilitationseinrichtung den Vergütungssatz; dabei sind insbesondere zu beachten:

1.
leistungsspezifische Besonderheiten, Innovationen, neue Konzepte, Methoden,
2.
der regionale Faktor und
3.
tariflich vereinbarte Vergütungen sowie entsprechende Vergütungen nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen.

(9) Die Deutsche Rentenversicherung Bund hat in Wahrnehmung der ihr nach § 138 Absatz 1 Satz 2 Nummer 4a zugewiesenen Aufgaben für alle Rehabilitationseinrichtungen, die entweder vom Träger der Rentenversicherung selbst oder von anderen betrieben werden, folgende verbindliche Entscheidungen herbeizuführen:

1.
zur näheren inhaltlichen Ausgestaltung der Anforderungen nach Absatz 3 für die Zulassung einer Rehabilitationseinrichtung für die Erbringung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation,
2.
zu einem verbindlichen, transparenten, nachvollziehbaren und diskriminierungsfreien Vergütungssystem für alle zugelassenen Rehabilitationseinrichtungen nach Absatz 3; dabei sind insbesondere zu berücksichtigen:
a)
die Indikation,
b)
die Form der Leistungserbringung,
c)
spezifische konzeptuelle Aspekte und besondere medizinische Bedarfe,
d)
ein geeignetes Konzept der Bewertungsrelationen zur Gewichtung der Rehabilitationsleistungen und
e)
eine geeignete Datengrundlage für die Kalkulation der Bewertungsrelationen,
3.
zu den objektiven sozialmedizinischen Kriterien, die für die Bestimmung einer Rehabilitationseinrichtung im Rahmen einer Inanspruchnahme nach Absatz 6 maßgebend sind, um die Leistung für den Versicherten in der nachweislich besten Qualität zu erbringen; dabei sind insbesondere zu berücksichtigen:
a)
die Indikation,
b)
die Nebenindikation,
c)
die unabdingbaren Sonderanforderungen,
d)
die Qualität der Rehabilitationseinrichtung,
e)
die Entfernung zum Wohnort und
f)
die Wartezeit bis zur Aufnahme;
das Wunsch- und Wahlrecht der Versicherten nach § 8 des Neunten Buches sowie der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sind zu berücksichtigen,
4.
zum näheren Inhalt und Umfang der Daten der externen Qualitätssicherung bei den zugelassenen Rehabilitationseinrichtungen nach Absatz 7 und deren Form der Veröffentlichung; dabei sollen die Empfehlungen nach § 37 Absatz 1 des Neunten Buches beachtet werden.
Die verbindlichen Entscheidungen zu Satz 1 Nummer 1 bis 4 erfolgen bis zum 30. Juni 2023. Die für die Wahrnehmung der Interessen der Rehabilitationseinrichtungen maßgeblichen Vereinigungen der Rehabilitationseinrichtungen und die für die Wahrnehmung der Interessen der Rehabilitandinnen und Rehabilitanden maßgeblichen Verbände erhalten die Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Stellungnahmen sind bei der Beschlussfassung durch eine geeignete Organisationsform mit dem Ziel einzubeziehen, eine konsensuale Regelung zu erreichen.

(10) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales untersucht die Wirksamkeit der Regelungen nach den Absätzen 3 bis 9 ab dem 1. Januar 2026.

(1) Die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 bis 5 vereinbaren zur Sicherung der Zusammenarbeit nach § 25 Absatz 1 gemeinsame Empfehlungen.

(2) Die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 bis 5 vereinbaren darüber hinaus gemeinsame Empfehlungen,

1.
welche Maßnahmen nach § 3 geeignet sind, um den Eintritt einer Behinderung zu vermeiden,
2.
in welchen Fällen und in welcher Weise rehabilitationsbedürftigen Menschen notwendige Leistungen zur Teilhabe angeboten werden, insbesondere, um eine durch eine Chronifizierung von Erkrankungen bedingte Behinderung zu verhindern,
3.
über die einheitliche Ausgestaltung des Teilhabeplanverfahrens,
4.
in welcher Weise die Bundesagentur für Arbeit nach § 54 zu beteiligen ist,
5.
wie Leistungen zur Teilhabe nach den §§ 14 und 15 koordiniert werden,
6.
in welcher Weise und in welchem Umfang Selbsthilfegruppen, -organisationen und -kontaktstellen, die sich die Prävention, Rehabilitation, Früherkennung und Bewältigung von Krankheiten und Behinderungen zum Ziel gesetzt haben, gefördert werden,
7.
für Grundsätze der Instrumente zur Ermittlung des Rehabilitationsbedarfs nach § 13,
8.
in welchen Fällen und in welcher Weise der behandelnde Hausarzt oder Facharzt und der Betriebs- oder Werksarzt in die Einleitung und Ausführung von Leistungen zur Teilhabe einzubinden sind,
9.
zu einem Informationsaustausch mit Beschäftigten mit Behinderungen, Arbeitgebern und den in § 166 genannten Vertretungen zur möglichst frühzeitigen Erkennung des individuellen Bedarfs voraussichtlich erforderlicher Leistungen zur Teilhabe sowie
10.
über ihre Zusammenarbeit mit Sozialdiensten und vergleichbaren Stellen.

(3) Bestehen für einen Rehabilitationsträger Rahmenempfehlungen auf Grund gesetzlicher Vorschriften und soll bei den gemeinsamen Empfehlungen von diesen abgewichen werden oder sollen die gemeinsamen Empfehlungen Gegenstände betreffen, die nach den gesetzlichen Vorschriften Gegenstand solcher Rahmenempfehlungen werden sollen, stellt der Rehabilitationsträger das Einvernehmen mit den jeweiligen Partnern der Rahmenempfehlungen sicher.

(4) Die Träger der Renten-, Kranken- und Unfallversicherung können sich bei der Vereinbarung der gemeinsamen Empfehlungen durch ihre Spitzenverbände vertreten lassen. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen schließt die gemeinsamen Empfehlungen auch als Spitzenverband Bund der Pflegekassen ab, soweit die Aufgaben der Pflegekassen von den gemeinsamen Empfehlungen berührt sind.

(5) An der Vorbereitung der gemeinsamen Empfehlungen werden die Träger der Eingliederungshilfe und der öffentlichen Jugendhilfe über die Bundesvereinigung der Kommunalen Spitzenverbände, die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe, die Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter sowie die Integrationsämter in Bezug auf Leistungen und sonstige Hilfen für schwerbehinderte Menschen nach Teil 3 über die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen beteiligt. Die Träger der Eingliederungshilfe und der öffentlichen Jugendhilfe orientieren sich bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach diesem Buch an den vereinbarten Empfehlungen oder können diesen beitreten.

(6) Die Verbände von Menschen mit Behinderungen einschließlich der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege, der Selbsthilfegruppen und der Interessenvertretungen von Frauen mit Behinderungen sowie die für die Wahrnehmung der Interessen der ambulanten und stationären Rehabilitationseinrichtungen auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenverbände werden an der Vorbereitung der gemeinsamen Empfehlungen beteiligt. Ihren Anliegen wird bei der Ausgestaltung der Empfehlungen nach Möglichkeit Rechnung getragen. Die Empfehlungen berücksichtigen auch die besonderen Bedürfnisse von Frauen und Kindern mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohter Frauen und Kinder.

(7) Die beteiligten Rehabilitationsträger vereinbaren die gemeinsamen Empfehlungen im Rahmen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation im Benehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und den Ländern auf der Grundlage eines von ihnen innerhalb der Bundesarbeitsgemeinschaft vorbereiteten Vorschlags. Der oder die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit wird beteiligt. Hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu einem Vorschlag aufgefordert, legt die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation den Vorschlag innerhalb von sechs Monaten vor. Dem Vorschlag wird gefolgt, wenn ihm berechtigte Interessen eines Rehabilitationsträgers nicht entgegenstehen. Einwände nach Satz 4 sind innerhalb von vier Wochen nach Vorlage des Vorschlags auszuräumen.

(8) Die Rehabilitationsträger teilen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation alle zwei Jahre ihre Erfahrungen mit den gemeinsamen Empfehlungen mit, die Träger der Renten-, Kranken- und Unfallversicherung über ihre Spitzenverbände. Die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation stellt dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und den Ländern eine Zusammenfassung zur Verfügung.

(9) Die gemeinsamen Empfehlungen können durch die regional zuständigen Rehabilitationsträger konkretisiert werden.

Eltern, Vormünder, Pfleger und Betreuer, die bei den ihnen anvertrauten Personen Beeinträchtigungen (§ 2 Absatz 1) wahrnehmen oder durch die in § 34 genannten Personen hierauf hingewiesen werden, sollen im Rahmen ihres Erziehungs- oder Betreuungsauftrags diese Personen einer Beratungsstelle nach § 32 oder einer sonstigen Beratungsstelle für Rehabilitation zur Beratung über die geeigneten Leistungen zur Teilhabe vorstellen.

(1) Die Träger der Rentenversicherung erbringen Leistungen zur Prävention, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, Leistungen zur Nachsorge sowie ergänzende Leistungen, um

1.
den Auswirkungen einer Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit der Versicherten vorzubeugen, entgegenzuwirken oder sie zu überwinden und
2.
dadurch Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit der Versicherten oder ihr vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu verhindern oder sie möglichst dauerhaft in das Erwerbsleben wiedereinzugliedern.
Die Leistungen zur Prävention haben Vorrang vor den Leistungen zur Teilhabe. Die Leistungen zur Teilhabe haben Vorrang vor Rentenleistungen, die bei erfolgreichen Leistungen zur Teilhabe nicht oder voraussichtlich erst zu einem späteren Zeitpunkt zu erbringen sind.

(2) Die Leistungen nach Absatz 1 sind zu erbringen, wenn die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen dafür erfüllt sind.

(1) Für Leistungen zur Teilhabe haben Versicherte die persönlichen Voraussetzungen erfüllt,

1.
deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist und
2.
bei denen voraussichtlich
a)
bei erheblicher Gefährdung der Erwerbsfähigkeit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben abgewendet werden kann,
b)
bei geminderter Erwerbsfähigkeit diese durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder hierdurch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden kann,
c)
bei teilweiser Erwerbsminderung ohne Aussicht auf eine wesentliche Besserung der Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
aa)
der bisherige Arbeitsplatz erhalten werden kann oder
bb)
ein anderer in Aussicht stehender Arbeitsplatz erlangt werden kann, wenn die Erhaltung des bisherigen Arbeitsplatzes nach Feststellung des Trägers der Rentenversicherung nicht möglich ist.

(2) Für Leistungen zur Teilhabe haben auch Versicherte die persönlichen Voraussetzungen erfüllt,

1.
die im Bergbau vermindert berufsfähig sind und bei denen voraussichtlich durch die Leistungen die Erwerbsfähigkeit wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden kann oder
2.
bei denen der Eintritt von im Bergbau verminderter Berufsfähigkeit droht und bei denen voraussichtlich durch die Leistungen der Eintritt der im Bergbau verminderten Berufsfähigkeit abgewendet werden kann.

(3) Für die Leistungen nach den §§ 14, 15a und 17 haben die Versicherten oder die Kinder die persönlichen Voraussetzungen bei Vorliegen der dortigen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt.

(1) Für Leistungen zur Teilhabe haben Versicherte die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt, die bei Antragstellung

1.
die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt haben oder
2.
eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit beziehen.

(2) Für die Leistungen zur Prävention und zur medizinischen Rehabilitation haben Versicherte die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen auch erfüllt, die

1.
in den letzten zwei Jahren vor der Antragstellung sechs Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben,
2.
innerhalb von zwei Jahren nach Beendigung einer Ausbildung eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit aufgenommen und bis zum Antrag ausgeübt haben oder nach einer solchen Beschäftigung oder Tätigkeit bis zum Antrag arbeitsunfähig oder arbeitslos gewesen sind oder
3.
vermindert erwerbsfähig sind oder bei denen dies in absehbarer Zeit zu erwarten ist, wenn sie die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
§ 55 Abs. 2 ist entsprechend anzuwenden. Der Zeitraum von zwei Jahren nach Nummer 1 verlängert sich um Anrechnungszeiten wegen des Bezugs von Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 des Zweiten Buches. Für die Leistungen nach § 15a an Kinder von Versicherten sind die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt, wenn der Versicherte die allgemeine Wartezeit oder die in Satz 1 oder in Absatz 1 genannten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt hat.

(2a) Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben werden an Versicherte auch erbracht,

1.
wenn ohne diese Leistungen Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu leisten wäre oder
2.
wenn sie für eine voraussichtlich erfolgreiche Rehabilitation unmittelbar im Anschluss an Leistungen zur medizinischen Rehabilitation der Träger der Rentenversicherung erforderlich sind.

(3) Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen haben auch überlebende Ehegatten erfüllt, die Anspruch auf große Witwenrente oder große Witwerrente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit haben. Sie gelten für die Vorschriften dieses Abschnitts als Versicherte.