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| Sowohl die Berufung des Beklagten als auch die Anschlussberufung des Klägers sind zulässig, aber unbegründet. |
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| I. Berufung des Beklagten |
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| 1. Die Berufung ist nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthaft und auch sonst zulässig. Die Berufung wurde form- und fristgemäß beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht (vgl. § 124 a Abs. 2 VwGO). Die Begründung entspricht inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen (Begründungsfrist, Einreichung beim VGH, bestimmter Antrag, ausreichende Begründung; vgl. § 124 a Abs. 3 Sätze 1, 2, 4 und 5 VwGO). |
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| 2. Die Berufung des Beklagten ist unbegründet. Denn der Kläger hat einen - durch die Anbietungspflicht gegenüber dem Landesarchiv modifizierten (s. dazu unter II.) - Anspruch auf Löschung der streitgegenständlichen Dateien gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG (a). Einem solchen Löschungsanspruch stehen weder der Einwand des Rechtsmissbrauchs noch nachwirkende Pflichten des Klägers aus der Organtreue als ehemaliger Ministerpräsident des Landes (b) entgegen. |
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| a) Nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG sind personenbezogene Daten zu löschen, wenn ihre Kenntnis für die speichernde Stelle zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht mehr erforderlich ist. |
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| aa) Bei den streitgegenständlichen Dateien handelt es sich um personenbezogene Daten. Solche sind nach der Legaldefinition des § 3 Abs. 1 LDSG Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Betroffener). Die E-Mail-Postfach-Daten des Klägers betreffen Einzelangaben über dessen sachliche Verhältnisse, nämlich dessen Kommunikation mit Dritten, und sind daher - wie das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat und die Beteiligten auch nicht in Frage stellen - personenbezogene Daten. |
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| bb) Speichernde Stelle ist das Staatsministerium. Es ist die Stelle, die die E-Mail-Postfach-Daten für sich selbst verarbeitet beziehungsweise durch andere im Auftrag verarbeiten lässt (vgl. § 3 Abs. 3 LDSG). |
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| cc) Die streitgegenständlichen Dateien sind für das Staatsministerium nicht mehr i.S.d. § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG zur Aufgabenerfüllung erforderlich. |
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| (1) Die Kenntnis der Daten ist im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG für die Erfüllung der Aufgaben der speichernden Stelle noch erforderlich, wenn entweder die Kenntnis notwendig ist zur Erfüllung des Zwecks, zu dem die Daten im Sinne von § 15 Abs. 1 Nr. 2 LDSG oder § 15 Abs. 4 LDSG gespeichert wurden, oder die Kenntnis erforderlich ist für die Erfüllung eines anderen Zwecks als desjenigen, der der Datenspeicherung zugrunde lag, und dies gemäß § 15 Abs. 3 LDSG keine Zweckänderung im Rechtssinne ist oder diese Zweckänderung nach § 15 Abs. 2 LDSG zulässig ist. Diese Auslegung des Begriffs der Erforderlichkeit zur Aufgabenerfüllung folgt aus Wortlaut, Willen des Gesetzgebers, Sinn und Zweck der Vorschrift sowie den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Danach besteht zwischen dem Löschungsanspruch des Betroffenen nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG und der Regelung über Speicherung, Veränderung und Nutzung von Daten nach § 15 LDSG ein unmittelbarer Zusammenhang. |
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| Der Wortlaut von § 15 LDSG und § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG spricht zunächst nicht für diesen unmittelbaren Zusammenhang. Denn § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG macht den Löschungsanspruch davon abhängig, dass die Kenntnis der Daten für die Erfüllung der Aufgaben der speichernden Stelle nicht mehr erforderlich ist, während nach 15 Abs. 1 LDSG die Zulässigkeit der Speicherung nicht nur die Erforderlichkeit zur Erfüllung der Aufgaben der öffentlichen Stelle voraussetzt, sondern auch dass die Speicherung für die Zwecke, für die die Daten erhoben worden sind, erfolgt. Den Gesichtspunkt der Zweckbindung spricht der Wortlaut des § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG hingegen gar nicht an. |
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| Dem entspricht es, wenn in der rechtswissenschaftlichen Literatur zu den insoweit gleich lautenden Normen der § 20 Abs. 2 Nr. 2 BDSG, § 35 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 BDSG, § 84 Abs. 2 Satz 2 SGB X die Erforderlichkeit verneint wird, wenn die Daten keine praktische Bedeutung mehr haben und deshalb ausgeschlossen werden könne, dass sie die Arbeit der zuständigen Behörde noch fördern könnten (vgl. Mallmann, in: Simitis, BDSG, 8. Aufl., § 20 Rn. 42; Mester, in: Taeger/Gabel, BDSG, 2. Aufl., § 20 Rn. 18; Gola/Schomerus, BDSG, 11. Aufl., § 20 Rn. 11; Brink, in: Wolff/Brink, Datenschutzrecht in Bund und Ländern, 2013, § 35 Rn. 39; Bieresborn, in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl., § 84 Rn. 7; ähnlich Wedde, in: Roßnagel, Handbuch Datenschutzrecht, 2003, Kap. 4.4. Rn. 64, und ders., in: Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, BDSG, 4. Aufl., § 20 Rn. 12, auf die „Aufgabe“ abstellend, zu deren Erfüllung die Daten gespeichert wurden; unklar Worms, in: Wolff/Brink, a.a.O., § 20 BDSG Rn. 39; ähnlich auch BVerwG, Beschl. v. 12.11.1992 - 1 B 164.92 - juris Rn. 3 m.w.N., zur Speicherung von Daten aus strafrechtlichen Ermittlungsverfahren nach dem bad.-württ. Polizeigesetz; Beschl. v. 18.03.1994 - 11 B 76.93 - NJW 1994, 2499, zum Eintrag in der Führerscheinkartei). Nach dieser Auffassung dürfte die Erforderlichkeit noch gegeben sein - und bestünde folglich kein Löschungsanspruch des Betroffenen -, wenn der Zweck, zu dem die Daten gespeichert worden sind, inzwischen zwar erfüllt ist, die Daten jedoch allgemein für die Aufgaben der Behörde, mithin für andere Zwecke, als sie der Speicherung zugrunde lagen, noch von Bedeutung sein könnten. |
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| Gegen eine solche Auslegung der Norm spricht jedoch die Entstehungsgeschichte von § 14 Abs. 1 und § 20 Abs. 2 BDSG, denen auch im Wortlaut § 23 Abs. 1 Nr. 2 und § 15 Abs. 1 LDSG nachgebildet sind. Das Bundesdatenschutzgesetz 1977 (Gesetz zum Schutz vor Missbrauch personenbezogener Daten bei der Datenverarbeitung (Bundesdatenschutzgesetz - BDSG) vom 27.01.1977, BGBl. I, 201) bestimmte in § 9 Abs. 1: |
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| "Das Speichern oder Verändern personenbezogener Daten ist zulässig, wenn es zur rechtmäßigen Erfüllung der in der Zuständigkeit der speichernden Stelle liegenden Aufgaben erforderlich ist.“ |
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| Zur Sperrung und Löschung von Daten bestimmte § 14 BDSG 1977 unter anderem: |
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| „(2) Personenbezogene Daten sind zu sperren, wenn ihre Richtigkeit vom Betroffenen bestritten wird und sich weder die Richtigkeit noch die Unrichtigkeit feststellen läßt. Sie sind ferner zu sperren, wenn ihre Kenntnis für die speichernde Stelle zur rechtmäßigen Erfüllung der in ihrer Zuständigkeit liegenden Aufgaben nicht mehr erforderlich ist… |
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| (3) Personenbezogene Daten können gelöscht werden, wenn ihre Kenntnis für die speichernde Stelle zur rechtmäßigen Erfüllung der in ihrer Zuständigkeit liegenden Aufgaben nicht mehr erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, daß durch die Löschung schutzwürdige Belange des Betroffenen beeinträchtigt werden. Sie sind zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig war oder wenn es in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 der Betroffene verlangt.“ |
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| Nach dem Bundesdatenschutzgesetz 1977 war mithin sowohl für die Zulässigkeit von Datenspeicherung und -veränderung nach § 9 Abs. 1 als auch für den Löschungsanspruch nach § 14 Abs. 3 Satz 2 maßgebliches Kriterium die Erforderlichkeit zur Aufgabenerfüllung der speichernden Stelle. Das Tatbestandsmerkmal der Zweckbindung bestand nicht. |
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| Der heutige Wortlaut von § 20 Abs. 2 und § 14 Abs. 1 BDSG geht zurück auf die Novelle von 1990 (Gesetz zur Fortentwicklung der Datenverarbeitung und des Datenschutzes vom 20.12.1990, BGBl. I, 2954). Mit diesem Gesetz reagierte der Gesetzgeber auf das Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts. Es sei nötig geworden, aufgrund des Volkszählungsurteils dem Grundsatz der Zweckbindung durchgehend Geltung zu verschaffen (vgl. BT-Drucks. 11/4306, S. 36). Wesentlicher Inhalt der Neufassung sei: |
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| „a) Verstärkung der Zweckbindung bei der Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten sowohl im öffentlichen als auch im nicht-öffentlichen Bereich, enumerative Aufzählung der Ausnahmen, |
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| b) Verstärkung der Rechte des Betroffenen sowohl im öffentlichen als auch im nicht-öffentlichen Bereich, insbesondere durch … - Löschungsrechte …“ |
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| (vgl. BT-Drucks. 11/4306, S. 37) |
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| Die Entstehungsgeschichte spricht mithin gerade nicht dafür, den Umfang der Zweckbindung bei der Datenspeicherung, -veränderung und -nutzung einerseits und den Löschungsanspruch andererseits unterschiedlich zu bestimmen. Die Gesetzgebungsgeschichte belegt nicht, dass ein Löschungsanspruch erst bestehen soll, wenn unabhängig von der Zweckbindung die Nutzung der gespeicherten Daten ganz allgemein für die Aufgabenerfüllung der Behörde nicht mehr erforderlich ist. Vielmehr wollte der Gesetzgeber im Gegenteil die Zweckbindung bei der Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten verstärken, ebenso die subjektiven Rechte des Betroffenen. Die Entstehungsgeschichte spricht mithin dafür, einen Zusammenhang zwischen Löschungsanspruch und Zweckbindungsgrundsatz zu bejahen. |
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| Zweck des Löschungsanspruchs nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG ist, die aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung folgende Zweckbindung der erhobenen Daten durchzusetzen. Dies folgt nicht zuletzt aus verfassungsrechtlichen Vorgaben. Die Verarbeitung personenbezogener Daten ist - wenn nicht der Betroffene eingewilligt hat (vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 2 LDSG) - nur zulässig, wenn das Landesdatenschutzgesetz oder eine andere Rechtsvorschrift sie erlaubt (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 LDSG). Dies folgt notwendig daraus, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten ein Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ist und ein solcher Eingriff einer bereichsspezifischen gesetzlichen Grundlage bedarf. Die Verwendung der Daten ist auf den gesetzlich bestimmten Zweck begrenzt (vgl. nur BVerfG, Urt. v. 15.12.1983 - 1 BvR 209/83 u.a. - BVerfGE 65, 1 <43 ff.>). Für den Bereich der Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten ist § 15 LDSG die gesetzliche Grundlage, die den Umfang der Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne des § 4 Abs. 1 LDSG regelt. Ist die Verarbeitung personenbezogener Daten nach § 15 LDSG nicht mehr zulässig, liegt ein nicht gerechtfertigter Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung vor, so dass - da das Grundrecht ein subjektiv-öffentliches Abwehrrecht gibt - ein Löschungsanspruch nach § 23 Abs. 1 LDSG gegeben sein muss. Wenn jedoch die Verarbeitung personenbezogener Daten weiterhin auf § 15 LDSG gestützt werden kann, ist eine ausreichende gesetzliche Grundlage für den Grundrechtseingriff vorhanden; ein Löschungsanspruch besteht dann nicht. Löschungsanspruch nach § 23 Abs. 1 LDSG und Zulässigkeit der Datenverarbeitung nach § 15 LDSG korrespondieren mithin. |
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| (2) Nach diesem Maßstab ist die Kenntnis der streitgegenständlichen Daten im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG für die Erfüllung der Aufgaben der speichernden Stelle nicht mehr erforderlich. Denn die Kenntnis ist nicht notwendig zur Erfüllung des Zwecks, zu dem die Daten im Sinne von § 15 Abs. 4 LDSG gespeichert wurden. Eine Zweckänderung nach § 15 Abs. 2 LDSG ist ausgeschlossen, denn § 15 Abs. 4 LDSG geht als Spezialregelung § 15 Abs. 2, 3 LDSG vor; diese sind nicht anwendbar (vgl. Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 106, 115; Albers, in: Wolff/Brink, a.a.O., § 14 BDSG Rn. 56; Dehoust, in: Giesen/Bannasch/Naumann/Mauersberger/Dehoust, SächsDSG, 2011, § 13 Rn. 37). |
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| (a) Nach § 15 Abs. 4 LDSG dürfen personenbezogene Daten, die ausschließlich zum Zweck der Datenschutzkontrolle, der Datensicherung oder zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Betriebs einer Datenverarbeitungsanlage gespeichert wurden, nur für diesen Zweck und hiermit in Zusammenhang stehende Maßnahmen gegenüber Bediensteten genutzt werden. § 15 Abs. 4 LDSG enthält, wie bereits der Wortlaut zeigt, ein absolutes Zweckentfremdungsverbot. Es besteht eine strenge Zweckbindung der für Zwecke der Datenschutzkontrolle und/oder Datensicherung gespeicherten Daten (vgl. Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 106; Weichert, in: Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, a.a.O., 31 Rn. 1; Gola/Schomerus, a.a.O., § 14 Rn. 27; Dehoust, a.a.O., § 13 Rn. 22; Bieresborn, a.a.O., § 67c Rn. 13; Jung, in: Eichenhofer/Wenner, SGB I, V, X, 2012, § 67c SGB X Rn. 13; Steinmeyer, in: Wannagat/Eichenhofer, SGB, § 67c SGB X Rn. 14 <83. Lfg.>). Durch den strikten Zweckbindungsgrundsatz soll verhindert werden, dass Datenbestände, die zu Zwecken des Datenschutzes und der Datensicherheit angelegt wurden, als allgemeine Informationsgrundlage verwendet werden (vgl. Heckmann, in: Taeger/Gabel, a.a.O., § 14 Rn. 108; Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 106; Albers, in: Wolff/Brink, a.a.O., § 14 BDSG Rn. 56). Der Gesetzgeber wollte sicherstellen, „…dass Daten, die nur den genannten Zwecken dienen, keiner anderen Verwendung zugeführt werden“ (so zur Parallelnorm des § 14 Abs. 4 die Beschlussempfehlung des BT-Innenausschusses zur Datenschutznovelle 1990, vgl. BT-Drucks. 11/7235, S. 88). |
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| Das strikte Zweckbindungsgebot des § 15 Abs. 4 LDSG gilt nur dann, wenn personenbezogene Daten ausschließlich zu den im Gesetz genannten Zwecken gespeichert werden (vgl. Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 108, 111; Buchner, in: Taeger/Gabel, a.a.O., § 31 Rn. 3; Gola/Schomerus, a.a.O., § 14 Rn. 27, § 31 Rn. 5). Ob eine solche ausschließliche Zwecksetzung verfolgt wird, bestimmt die Daten verarbeitende Stelle im Rahmen der Festlegung des Zweckes (vgl. Buchner, a.a.O., § 31 Rn. 3; Gola/Schomerus, a.a.O., § 31 Rn. 5). Ausschlaggebend ist mithin der von der verantwortlichen Stelle festgelegte Zweck (vgl. OVG Bln.-Bbg., Beschl. v. 02.03.2011 - OVG 60 PV 10.10 - juris Rn. 30, zu § 2 Abs. 2 Satz 1 BlnDSG i.V.m. § 31 BDSG; Beschl. v. 14.03.2013 - OVG 62 PV 13.12 - juris Rn. 45 zu § 31 BDSG; Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 113; Heckmann, a.a.O., § 14 Rn. 110; Dehoust, a.a.O., § 13 Rn. 37). Die Festlegung des Verwendungszwecks durch die verantwortliche Stelle führt zu deren Selbstbindung (vgl. Heckmann, a.a.O., § 14 Rn. 24; Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 39; je zu § 14 Abs. 1 BDSG). Die Zweckbindung haftet der Datenverarbeitung bis zur Zweckerfüllung an (vgl. Gola/Schomerus, a.a.O., § 14 Rn. 10, zu § 14 Abs. 1 BDSG). |
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| Diese Festlegung der Zweckbindung muss im Voraus erfolgen. Wurde sie unterlassen, so ist der objektive Verwendungszweck maßgeblich, der sich nach dem erkennbar verfolgten Ziel bestimmt (vgl. Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 113; Heckmann, a.a.O., § 14 Rn. 110). Die öffentliche Stelle ist jedoch nicht frei in ihrer Festlegung des Zwecks. Sie hat es nicht in der Hand, durch eine allzu weite und unverbindliche Definition die Zweckbindung leerlaufen zu lassen; die Festlegung des Zwecks muss datenschutzrechtlich zulässig sein (vgl. Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 113, zu § 14 Abs. 4 BDSG; Dehoust, a.a.O., § 13 Rn. 37, 22, zu § 13 Abs. 4 SächsDSG). |
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| Sollen diese Daten für einen weiteren Zweck genutzt werden, bedarf es hierfür einer eigenständigen Legitimation durch eine Rechtsvorschrift (vgl. Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 115; Weichert, a.a.O., § 31 Rn. 4; Gola/Schomerus, a.a.O., § 14 Rn. 30) Eine nachträgliche Änderung der Zweckbindung ohne spezielle gesetzliche Grundlage hierfür ist ausgeschlossen (vgl. Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 113; Gola/Schomerus, a.a.O., § 31 Rn. 5; von Lewinsky, in: Wolff/Brink, a.a.O., § 31 BDSG Rn. 31 ff.). |
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| Die Vermeidung von Datenverlusten, Datenmanipulationen und unbefugtem Datenzugang sowie die Korrektur von Fehlern und die Wiederherstellung von Datenbeständen gehören zum Zweck der Datensicherung sowie zum Zweck der Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Betriebes einer Datenverarbeitungsanlage (vgl. Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 109, zur Datensicherung; Albers, a.a.O., § 14 BDSG Rn. 59, zum ordnungsgemäßen Betrieb einer Datenverarbeitungsanlage; Weichert, a.a.O., § 31 Rn. 1a: klare Trennung dieser Zwecke nicht möglich). Die Wiedergewinnung des gesicherten und verloren gegangenen Datenbestsands gehört daher grundsätzlich zu den nach § 15 Abs. 4 LDSG erlaubten Zwecken (vgl. Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 112, 114; Weichert, a.a.O., § 31 Rn. 5; von Lewinsky, a.a.O., § 31 BDSG Rn. 24). |
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| Zu Unrecht bringt der Beklagte vor, mit einem solchen Verständnis des § 15 Abs. 4 LDSG sei eine zu enge Zweckbindung verbunden, die unabweisbare Bedürfnisse der Allgemeinheit, insbesondere im Hinblick auf Belange der Strafrechtspflege bei der Verfolgung von Straftaten unzulässig hintanstelle. Zwar wird in der rechtwissenschaftlichen Literatur vertreten, dass strafrechtliche Zugriffsnormen, auch über § 1 Abs. 3 BDSG bzw. § 2 Abs. 5 LDSG die strikte Zweckbindung des § 14 Abs. 4 BDSG bzw. § 15 Abs. 4 LDSG nicht überwinden könnten (so Albers, a.a.O., § 14 BDSG Rn. 62; Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 115 ; a.A. wohl Weichert, a.a.O., § 31 Rn. 5; von Lewinsky, a.a.O., § 31 Rn. 29). Anderes gelte nur für die Verfolgung von Datenschutzdelikten; sie bewege sich im Rahmen des § 14 Abs. 4 BDSG (vgl. Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 115; Gola/Schomerus, a.a.O., § 14 Rn. 30; Weichert, a.a.O., § 31 Rn. 4). Dies trifft jedoch nach Auffassung des Senats - ohne dass dies hier entscheidungserheblich wäre - nicht zu. Soweit besondere Rechtsvorschriften des Bundes oder des Landes auf personenbezogene Daten anzuwenden sind, gehen sie gemäß § 2 Abs. 5 LDSG den Vorschriften dieses Gesetzes vor. Mit dem Erfordernis besonderer Rechtsvorschriften soll gewährleistet sein, dass nicht jede Rechtsnorm außerhalb des Datenschutzrechts einen Zugriff auf personenbezogene Daten ermöglichen soll. Einen solchen Zugriff soll nur eine spezielle Datenschutzvorschrift gestatten können; Normen, die Datenverarbeitungsvorgänge lediglich voraussetzen, reichen nicht aus (vgl. zu § 1 Abs. 3 BDSG: Dix, in: Simitis, a.a.O., § 1 Rn. 110; BT-Drucks. 7/1027, S. 16). Diesen Anforderungen des § 2 Abs. 5 LDSG an besondere Rechtsvorschriften entsprechen die Normen der §§ 160, 161, 163 StPO über die Beweiserhebung in Ermittlungsverfahren; diese sind die allgemeinen Rechtsgrundlagen für Datenerhebungen durch Strafverfolgungsbehörden (vgl. Dembowski, in: Roßnagel, a.a.O., Kap. 8.1 Rn. 17 ff.). Insbesondere ist § 161 Abs. 1 StPO eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die allgemeine Erhebung personenbezogener Daten im Ermittlungsverfahren (vgl. BVerfG, Kammerbeschl. v. 17.02.2009 - 2 BvR 1732, 1745/07 - NJW 2009, 1405 <1407>; Meyer-Goßner, stopp, 56. Aufl., § 161 Rn. 2). Die strafprozessualen Beweiserhebungsnormen sind daher besondere Vorschriften i.S.d. § 2 Abs. 5 LDSG, die sich über die Zwecksetzung des § 15 Abs. 4 LDSG hinwegsetzen können. Die Zulässigkeit der Erhebung und Beschlagnahme personenbezogener Daten im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren trotz einer bestehenden Zweckbindung nach § 15 Abs. 4 LDSG legt schließlich die Vorschrift des § 15 Abs. 2 Nr. 8 LDSG, dass eine datenschutzrechtliche Zweckänderung für Zwecke der Strafverfolgung zulässig ist, nahe. |
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| (b) Nach diesem Maßstab wäre mit einer Wiederherstellung der Originaldateien aus den streitgegenständlichen Sicherungskopien eine mit § 15 Abs. 4 LDSG unvereinbare Zweckänderung verbunden. Der ursprünglich mit der Erstellung der Sicherungskopien verbundene konkrete Zweck kann jetzt nicht mehr erreicht werden (aa). Der Schutzzweck des § 15 Abs. 4 LDSG erfasst auch die streitgegenständlichen Dateien (bb). Ein allgemeiner, vom ursprünglich verfolgten Zweck unabhängiger Zweck der Datensicherung könnte zudem mit einer Wiederherstellung der Originaldateien aus den streitgegenständlichen Sicherungskopien nicht zulässig verfolgt werden; denn der Zweck, zu dem die Originaldateien gespeichert wurden, ist weggefallen (cc). |
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| (aa) Wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, war maßgeblicher Zweck der Datensicherungen, eine Kopie vorzuhalten, um einen möglichen Datenverlust im Rahmen der Arbeiten zur Behebung der vom Büro des Klägers gemeldeten Probleme zu vermeiden und um technischen Problemen der vom Büro des Klägers gemeldeten Art mit dem Outlookkalender wirksam entgegentreten zu können. Damit hat der Beklagte Zwecke der Datensicherung und der Sicherstellung des ordnungsgemäßen Betriebs einer Datenverarbeitungsanlage i.S.d. § 15 Abs. 4 LDSG verfolgt. |
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| Diese Zwecke - eine Kopie vorzuhalten, um einen möglichen Datenverlust im Rahmen der Arbeiten zur Behebung der vom Büro des Klägers gemeldeten Art zu vermeiden und um technischen Problemen der vom Büro des Klägers gemeldeten Probleme mit dem Outlookkalender wirksam entgegentreten zu können - hat der Beklagte selbst im erstinstanzlichen Schriftsatz vom 31.01.2013 an das Verwaltungsgericht als diejenigen angegeben, zu denen die streitgegenständlichen Dateien erstellt wurden. An diese ursprünglich verfolgten Zwecke ist der Beklagte aufgrund des Grundsatzes der Selbstbindung gebunden. Diese Zwecke können bei Wiedergewinnung der in der Sicherungskopie enthaltenen Daten nun nicht mehr erreicht werden. Die Verfolgung anderer Zwecke schließt § 15 Abs. 4 LDSG aus. |
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| Auf einen allgemeinen, über den konkreten Anlass der Herstellung der streitgegenständlichen Sicherungskopien hinausgehenden allgemeinen Sicherungszweck kann sich der Beklagte hier nicht berufen. Zwar kann der datenschutzrechtlich relevante Zweck des § 15 Abs. 4 LDSG über den konkreten Anlass der Speicherung hinausgehen. Einen solchen allgemeinen Sicherungszweck verfolgte der Beklagte bei der Herstellung der streitgegenständlichen Sicherungskopien jedoch nicht: |
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| Die Bestimmung des maßgeblichen Zwecks einer Maßnahme nach § 15 Abs. 4 LDSG folgt im Kern denselben Grundsätzen wie die Bestimmung des Zwecks einer Datenspeicherung und -erhebung nach § 15 Abs. 1 LDSG. Maßgeblich ist dabei - wie Dammann zutreffend ausführt - der materielle Gehalt des Zweckbindungsgrundsatzes. Er resultiert daraus, dass jede Ermächtigung einer öffentlichen Stelle, personenbezogene Daten zu erheben und zu speichern, nur im Hinblick auf bestimmte Zwecke ergeht und daher auch eine Verwendung der Daten grundsätzlich nur im Rahmen dieser Zwecke legitimiert. Daher ist bei der Frage, wie der jeweilige Zweck zu fassen ist, bei der jeweiligen rechtlichen Legitimationsgrundlage für das Erheben bzw. Speichern anzuknüpfen. Maßgeblich ist entweder die gesetzliche Grundlage oder die vom Betroffenen im Sinne einer informationellen Selbstbestimmung getroffene Verfügung. Dies entspricht dem Inhalt der Aufklärungspflicht nach § 4 Abs. 3 BGSG. Liegt der Erhebung und Speicherung keine aufgabenspezifische Rechtsvorschrift zu Grunde oder bietet diese keine geeigneten Anknüpfungspunkte für die Bestimmung des Verarbeitungszwecks und hat auch der Betroffene keine einschränkende Verfügung getroffen, so kommt es auf den tatsächlich verfolgten Handlungszweck an. Dieser kann und wird häufig weiter sein als der konkrete Anlass der Speicherung (vgl. Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 39 ff., zu § 14 Abs. 1 BDSG). |
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| An einer Festlegung eines konkreten Zwecks hinsichtlich der streitgegenständlichen Dateien durch eine Rechtsvorschrift oder eine Verfügung des Betroffenen - hier des Klägers - fehlt es. Daher kommt es auf den tatsächlich verfolgten Zweck an. Dieser bestand nicht in der Herstellung von Sicherungskopien der Outlookdateien des Klägers für jeglichen Fall des Datenverlusts. Denn längerfristige allgemeine Sicherungsspeicherungen von Outlook-Postfachinhalten wurden - abgesehen von der begrenzten Speicherung gelöschter Mails für sieben Tage auf dem Server des Staatsministeriums und für 30 Tage im Ausfallrechenzentrum in Oberreichenbach - im Staatsministerium nicht vorgenommen. Nach der geübten Praxis im Staatsministerium entschied allein der Nutzer des Outlook-Postfachs, welche E-Mails er ausdruckte und den Akten beifügte und welche er löschte. Eine Speicherung von Postfachinhalten für allgemeine Zwecke war auch hier nicht beabsichtigt. Die streitgegenständlichen Dateien wurden vielmehr für den beschriebenen begrenzten Zweck - Behebung von Problemen im Outlook-Kalender des Klägers - hergestellt, zu dem sie nun nicht mehr verwendet werden können. |
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| (bb) Der Schutzzweck des § 15 Abs. 4 LDSG erfasst auch die streitgegenständlichen Dateien. Ohne Erfolg macht der Beklagte geltend, die Zweckbindung des § 15 Abs. 4 LDSG gelte nur für zusätzliche, bei der Datenschutzkontrolle etc., aus technischen Gründen anfallende Dateien wie Protokolle von Datenabrufen oder personenbezogene Daten der Mitarbeiter in der IT-Abteilung. Für die Zwecke der Datenschutzkontrolle und der Sicherstellung des ordnungsgemäßen Betriebs der Anlage wird dies in der Literatur in der Tat angenommen (vgl. Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 108, 110). Für im Rahmen der Datensicherung hergestellte Kopien kann dies jedenfalls nicht gelten (so wohl auch Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 109). Eine Einschränkung des Schutzzwecks des § 15 Abs. 4 LDSG lässt sich dem Wortlaut nicht entnehmen. Für Datenkopien ist der Schutzzweck auch einschlägig. Denn es entspricht gerade dem Zweck des § 15 Abs. 4 LDSG, dass zusätzlich angelegte Datenbestände nicht als allgemeine Informationsgrundlage dienen sollen. Hierunter fallen gerade nach Jahren immer noch vorhandene, vom ursprünglichen Speicherzweck losgelöste Kopien von Dateien |
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| (cc) Selbst wenn man mit dem Beklagten davon ausginge, dass aus nach § 15 Abs. 4 LDSG hergestellten Sicherungskopien bei jeglichem Datenverlust die Originaldateien wiederhergestellt werden dürften, wäre eine solche Wiederherstellung hier unzulässig. Denn eine Wiederherstellung der Originaldateien aus der Sicherungskopie ist vom Zweck des § 15 Abs. 4 LDSG nicht mehr gedeckt und daher unzulässig, wenn der Zweck, zu dem die Originaldateien nach § 15 Abs. 1 LDSG gespeichert wurden, inzwischen weggefallen ist und daher nicht mehr erfüllt werden kann (Zweckerreichung). Das folgt aus dem strengen Zweckbindungsgrundsatz des § 15 Abs. 4 LDSG. Dieser soll verhindern, dass Datenbestände, die zu Zwecken des Datenschutzes und der Datensicherheit angelegt wurden, als allgemeine Informationsgrundlage verwendet werden. Damit wäre es unvereinbar, wenn gemäß § 15 Abs. 4 LDSG erstellte Sicherungskopien von der speichernden Stelle noch genutzt werden dürften, obwohl der Speicherungszweck der Originaldateien bereits entfallen ist. So liegt der Fall hier: |
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| Bei der Bestimmung des Zwecks der ursprünglichen Datenspeicherung nach § 15 Abs. 1 LDSG ist, wie dargelegt, auf die rechtliche Legitimationsgrundlage für die Datenspeicherung abzustellen. Eine Rechtsvorschrift, die die Speicherung von E-Mails von Landesbediensteten datenschutzrechtlich gestattet, existiert nicht. Eine gesonderte Regelung des E-Mail-Verkehrs im Staatsministerium erfolgte nicht, eine datenschutzrechtlich relevante Selbstverpflichtung des Klägers zum E-Mail-Verkehr fehlt daher. Da die E-Mail-Accounts der Bediensteten des Staatsministeriums dem "Persönlichkeitsbereich" zugeordnet waren und der Nutzer des Postfachs selbst über die Verwendung der Postfachinhalte entscheiden durfte, diente die Speicherung von Postfachinhalten den persönlichen Belangen des Postfachinhabers. Dieser Zweck besteht, nachdem der Kläger seinen E-Mail-Account im Staatsministerium nicht mehr nutzt, nicht mehr. Andere datenschutzrechtlich i.S.v. § 15 Abs. 1 LDSG relevante Zwecke bestanden nicht. Selbst die Anlegung von Protokolldateien über die Internetnutzung diente nach den Sicherheitshinweisen im Antragsformular des Klägers auf Internetzugang vom 11.02.2010 Zwecken der Sicherheit der Datenverarbeitungsanlage des Staatsministeriums vor unerlaubten Zugriffen oder Angriffen von außen, nicht Datensicherungszwecken im allgemeinen. Der ursprünglich verfolgte Zweck der Speicherung der Originaldateien kann nicht mehr erreicht werden, diese dürfen daher nicht aus der Sicherungskopie wiederhergestellt werden. |
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| Unerheblich ist in diesem Zusammenhang das Vorbringen des Beklagten, nach der AnO Schriftgut und allgemeinen, aus dem Rechtsstaatsprinzip und der Rechtsschutzgarantie folgenden Grundsätzen seien E-Mails aufgrund des Grundsatzes der Aktenvollständigkeit zu den Akten zu nehmen. Dass aus diesen Gründen E-Mails gespeichert werden, ergibt sich weder aus einer gesetzlichen Grundlage noch aus einer datenschutzrechtlichen Einwilligung des Klägers. Ein datenschutzrechtlich relevanter Speicherzweck im Sinne des § 15 Abs. 1 LDSG liegt insoweit nicht vor. |
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| dd) Zutreffend hat das Verwaltungsgericht zum Löschungsanspruch des Klägers dargelegt, dass dieser sich nicht zusätzlich auf § 88 TKG berufen kann, dass § 36 LDSG keine Anwendung findet und dass § 23 Abs. 3 LDSG dem Grunde nach dem Löschungsanspruch nicht entgegensteht. Auf diese Ausführungen des Verwaltungsgerichts, die die Beteiligten im Berufungsverfahren nicht angreifen, nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen vollständig Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). |
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| b) Dem Löschungsanspruch des Klägers nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG stehen weder der Einwand des Rechtsmissbrauchs (aa) noch nachwirkende Pflichten des Klägers aus der Organtreue als ehemaliger Ministerpräsident des Landes (bb) entgegen. |
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| aa)Dem datenschutzrechtlichen Löschungsanspruch des Betroffenen nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG kann im Einzelfall der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegenstehen, wenn der Betroffene seinerseits offenkundig und schwerwiegend gegen eine gegenüber der die Daten speichernden Stelle bestehenden Pflicht oder Obliegenheit verstoßen hat, die im sachlichen Zusammenhang mit den zu löschenden Daten steht (1). Diese Voraussetzungen sind hier jedoch nicht erfüllt (2). |
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| (1) Beim Rechtsmissbrauch handelt es sich um einen besonderen Fall des Verstoßes gegen Treu und Glauben. Das Gebot, sich so zu verhalten, wie Treu und Glauben es verlangen, gehört im Verwaltungsrecht zu den allgemeinen ungeschriebenen Grundsätzen, die sowohl im Verwaltungsrecht des Bundes als auch im Verwaltungsrecht der Länder existieren und Bürger und Verwaltung binden (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.04.1996 - 4 C 22.94 - BVerwGE 101, 58, juris Rn. 17; Urt. v. 18.04.1996 - 4 C 6.95 - BVerwGE 101, 64 <71>; Urt. v. 25.10.1996 - 8 C 24.96 - BVerwGE 102, 194 <199>; Urt. v. 26.03.2003 - 6 C 24.02 - BVerwGE 118, 84 <89>; Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 62 Rn. 29; Pitschas, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voß-kuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, 2. Aufl., Bd. II., § 42 Rn. 94). Der Einwand des Rechtsmissbrauchs kann daher auch subjektiv-öffentlichen Ansprüchen des Bürgers gegen die öffentliche Hand entgegenstehen (st. Rspr., vgl. nur BVerwG, Urt. v. 14.04.1978 - IV C 6.76 - BVerwGE 55, 337, juris Rn. 10, m.w.N.; Urt. v. 18.04.1996 - 4 C 22.94 - a.a.O.; Urt. v. 16.05.2000 - 4 C 4.99 - BVerwGE 111, 162, juris Rn. 31, m.w.N.). Auch verfassungsrechtlich sind missbräuchlich erworbene Rechtspositionen des Bürgers nicht notwendig geschützt (vgl. BVerfG, Urt. v. 24.05.2006 - 2 BvR 669/04 - BVerfGE 116, 24, juris Rn. 51, zur Rücknahme der erschlichenen Einbürgerung nach § 48 VwVfG; ebenso BVerwG, Urt. v. 03.06.2003 - 1 C 19.02 - BVerwGE 118, 216 <220>; ähnlich zur missbräuchlichen Berufung auf Grundfreiheiten: EuGH, Urt. v. 09.03.1999 - C-212/97 [Centros] - juris Rn. 24 m.w.N.). Entgegen der Auffassung des Klägers schließen Grundrechte des Betroffenen daher nicht von vornherein aus, dass sich die öffentliche Hand ihm gegenüber auf die Grundsätze von Treu und Glauben berufen kann. |
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| Ein Fall der nach dem Grundsatz von Treu und Glauben unzulässigen Rechtsausübung ist die Verletzung eigener Pflichten (vgl. nur Grüneberg, in: Palandt, BGB, 72. Aufl., § 242 Rn. 46, m.w.N.). Dabei bedarf es eines Zusammenhangs zwischen dem beanspruchten und dem selbst geübten Verhalten, damit der geltend gemachte Rechtsanspruch angesichts des eigenen Verhaltens rechtsmissbräuchlich erscheint (vgl. Roth/Schubert, in: MK-BGB, 6. Aufl., § 242 Rn. 389). |
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| Der Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben steht hier, anders als der Kläger meint, nicht entgegen, dass der Gesetzgeber in § 15 Abs. 2 LDSG Fälle der zulässigen Zweckänderung geregelt und insbesondere in § 15 Abs. 2 Nr. 5 LDSG Belange des Allgemeinwohls bereits berücksichtigt hat. Eine abschließende Regelung in dem Sinne, dass im Einzelfall ein Rückgriff auf die Grundsätze von Treu und Glauben ausgeschlossen ist, ist damit nicht verbunden (für eine Ausnahme von der strikten Zweckbindung des § 15 Abs. 4 LDSG oder vergleichbarer Normen in Sonderfällen auch: Weichert, a.a.O., § 31 Rn. 5; von Lewinsky, a.a.O., § 31 Rn. 29, 35: Dammann, a.a.O., § 14 Rn. 115). Der Einwand, das Verfolgen eines Anspruchs verstoße gegen Treu und Glauben, kann als allgemeines, in der Rechtsordnung anerkanntes Prinzip Geltung im Verhältnis auch zu Verfassungsrechtsätzen wie der Bindung an Recht und Gesetz und dem Gesetzesvorbehalt beanspruchen. Das Verbot des Rechtsmissbrauchs hat nämlich selbst eine Grundlage in der materialen Rechtsstaatlichkeit (vgl. Pitschas, a.a.O., m.w.N.). Die Bindung an Recht und Gesetz nach Art. 20 Abs. 3 GG wird folglich nicht dadurch infrage gestellt, dass der Bürger öffentlich-rechtliche Ansprüche mit Rücksicht auf Treu und Glauben nicht geltend machen kann (vgl. bereits BVerwG, Urt. v. 14.04.1978, a.a.O.). |
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| Die Grundsätze von Treu und Glauben können in der vorliegenden Konstellation jedoch nicht dazu führen, dass jeder Verstoß eines Betroffenen, der dem Grunde nach einen Löschungsanspruch nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG hat, gegen eigene Pflichten oder Obliegenheiten dem Löschungsanspruch hindernd entgegengehalten werden kann. Voraussetzung ist vielmehr ein offenkundiger und schwerwiegender Verstoß gegen eigene Pflichten oder Obliegenheiten (ähnlich in anderen Zusammenhängen: BVerwG, Urt. v. 08.02.1974 - VII C 35.73 - DÖV 1975, 137, juris Rn. 16 m.w.N.; Urt. v. 29.01.2009 - 4 C 15.07 - BVerwGE133, 85, juris Rn. 17; BSG, Urt. v. 18.07.2013 - B 3 KR 21/12 R - juris Rn. 37; BayVGH, Urt. v. 25.02.1977 - 6 X 77 - juris Rn. 26). Andernfalls könnte die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben dazu führen, dass eine vom Gesetzgeber nicht vorgesehene Nutzung personenbezogener Daten zulässig würde. Dies wäre mit der Bedeutung des Gesetzesvorbehalts, der im Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten wurzelt, unvereinbar. Der Gesetzesvorbehalt hat eine elementare freiheitssichernde Funktion. Indem er für jeden staatlichen Eingriff in eine grundrechtlich geschützte Freiheit eine gesetzliche Grundlage fordert, gewährleistet er, dass die Freiheitseinschränkung auf den Willen des Souveräns zurückzuführen ist und der betroffene Bürger vorab erkennen kann, welche Freiheitseinschränkungen er zu erwarten hat. Im Datenschutzrecht kommt ihm eine besondere Bedeutung zu. Der Ausgleich zwischen den Grundsätzen von Treu und Glauben und dem Gesetzesvorbehalt, die im Ansatz gleichrangig nebeneinander stehen, ist daher in dem Sinne vorzunehmen, dass nur schwerwiegende und offensichtliche Verstöße gegen eigene Pflichten oder Obliegenheiten des Betroffenen dem Löschungsanspruch nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG mit Erfolg entgegengehalten werden können. |
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| (2) Die Voraussetzungen eines offenkundigen und schwerwiegenden Verstoßes gegen eigene Pflichten oder Obliegenheiten liegen hier nicht vor. Zwar hat der Kläger möglicherweise gegen seine Pflicht zur Führung vollständiger Akten verstoßen (a). Ein solcher Verstoß des Klägers gegen den Grundsatz der Aktenvollständigkeit stünde in dem für den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung notwendigen Zusammenhang zum Löschungsanspruch. Denn beide Aspekte betreffen denselben Gegenstand (dieselben Dateien) und stehen auch inhaltlich in einem Zusammenhang, da es jeweils auch um die Frage geht, welche Dateien für die Aufgaben der Beklagten erforderlich sind. Ein solcher Verstoß wäre jedoch nicht offensichtlich und schwerwiegend (b). |
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| (a) Auch für Regierungshandeln besteht im Grundsatz eine Pflicht zur Führung vollständiger Akten, die jedoch durch den Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung begrenzt ist: |
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| (aa) Eine ausdrückliche landesrechtliche Regelung zur Führung vollständiger Akten in Behörden einschließlich Ministerien fehlt. Die im Staatsministerium geltende AnO Schriftgut vom 22.12.2005 ist lediglich ein Erlass. Aus ihr lässt sich eine Pflicht, Dokumente zur Akte zu nehmen und eine vollständige Akte zu führen, nur mittelbar entnehmen: Danach umfasst das Schriftgut alle aus der Verwaltungstätigkeit anfallenden Dokumente und ihre Anlagen (Nr. 1.2). Schriftgut ist vor Verlust, Beschädigung und unbefugtem Zugang sowie vor Änderung des Inhalts zu schützen (Nr. 2). Dokumente werden mit einem Aktenzeichen registriert (Nr. 3.1). Eine klare Bestimmung zur Führung vollständiger Akten fehlt jedoch in der AnO Schriftgut. |
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| Für E-Mails enthält die AnO Schriftgut keine ausdrückliche Regelung. Nach der Praxis im Staatsministerium entschied jeder Nutzer des Postfachs selbst, welche E-Mails er ausdruckt und den Akten beigefügt oder löscht. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang der in der von dem Beklagten vorgelegten Akte vorhandene Leitfaden für die Schriftgutverwaltung im Innenministerium vom März 2010. Er enthält u.a. die Regelung - auf die sich der Kläger zu Unrecht beruft -, dass E-Mails, die keine Entscheidungen enthalten, vernichtet werden, es sei denn, der Bearbeiter ordnet die Aufbewahrung an. Dieser Leitfaden des Innenministeriums galt im Staatsministerium nicht. |
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| Eine Pflicht, die erforderlichen Unterlagen zur Akte zu nehmen und die Akte vollständig zu führen, folgt bereits aus allgemeinen Grundsätzen, wie sie die Rechtsprechung seit langem anerkennt: Der Grundsatz der Aktenvollständigkeit ist für die vollziehende Gewalt nicht ausdrücklich geregelt. Eine solche ausdrückliche Regelung ist jedoch auch nicht erforderlich. Die den Behörden nach dem Grundgesetz obliegende Vollziehung der Gesetze ist nicht ohne eine Dokumentation der einzelnen Verwaltungsvorgänge denkbar, die das bisherige sachbezogene Geschehen sowie mögliche Erkenntnisquellen für das künftig in Frage kommende behördliche Handeln enthält. Dies macht die Führung von Akten erforderlich, ohne dass dies eines ausdrücklichen Ausspruchs im Gesetz bedürfte. Das Prinzip der Aktenvollständigkeit folgt aus der Bindung der Verwaltung an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) und der aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Pflicht zur Objektivität (vgl. BVerfG, Beschl. v. 06.06.1983 - 2 BVR 244, 310/83 - NJW 1983, 2135; BVerwG, Beschl. v. 16.03.1988 - 1 B 153.87 - NJW 1988, 621 <622>; OVG Meckl.-Vorp., Beschl. v. 22.12.2000 - 2 L 38/99 - juris Rn. 55 f., m.w.N.; ebenso Bonk/Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 29 Rn. 16). |
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| (bb) Für Handeln von Regierungen gelten diese für Verwaltungshandeln von Behörden entwickelten Grundsätze im Ansatz ebenso. Dies folgt zum einen daraus, dass auch ein Handeln der Regierung, vor allem außerhalb von Gesetzgebungsverfahren Verwaltungstätigkeit sein kann (vgl. BerlVerfGH, Urt. v. 20.12.2011 - 159/10 - juris Rn. 28). Im Hinblick auf eigentliches Regierungshandeln ergibt sich das zum anderen aus dem Gewaltenteilungsgrundsatz. Zwar besteht ein nicht ausforschbarer Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung, der auch der Pflicht, Unterlagen zur Akte zu nehmen, Grenzen setzt. Jedoch gebietet der Gewaltenteilungsgrundsatz - nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die auf das Land Baden-Württemberg übertragbar ist - eine Auslegung der Verfassung dahin, dass parlamentarische Kontrolle wirksam ausgeübt werden kann. Dies wäre nicht der Fall, wenn die dazu nötigen Informationen aus dem Bereich der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen dem Parlament auch nach Abschluss der jeweiligen Vorgänge grundsätzlich verschlossen blieben. Die Entscheidungen der Regierung unterlägen dem parlamentarischen Kontrollrecht dann nur hinsichtlich des verlautbarten Entscheidungsinhalts und solcher Entscheidungsgrundlagen, die keine Rückschlüsse auf die Willensbildung innerhalb der Regierung zulassen. Eine solche grundsätzliche Begrenzung der parlamentarischen Kontrolle wäre mit dem Gewaltenteilungsgrundsatz unvereinbar (vgl. BVerfG, Beschl. v. 30.03.2004 - 2 BvK 1/01 - BVerfGE 100, 199, juris Rn. 44 f., 51; Beschl. v. 17.06.2009 - 2 BvE 3/07 - BVerfGE 124, 78, juris Rn. 123 ff., 141, m.w.N.). Folglich müssen insoweit auch Pflichten zur vollständigen Aktenführung bestehen, da andernfalls die parlamentarische Kontrolle leerliefe. |
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| Dies gilt jedoch nicht für den geschützten Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung. Die Verantwortung der Regierung gegenüber Parlament und Volk setzt notwendigerweise einen Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung voraus, der einen auch von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativbereich, Beratungsbereich und Handlungsbereich einschließt.Dazu gehört die Willensbildung der Regierung selbst, sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen vollzieht.Die Kontrollkompetenz des Parlaments erstreckt sich demnach grundsätzlich nur auf bereits abgeschlossene Vorgänge. Sie enthält nicht die Befugnis, in laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen einzugreifen. Aber auch bei abgeschlossenen Vorgängen sind Fälle möglich, in denen die Regierung aus dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung geheimzuhaltende Tatsachen mitzuteilen nicht verpflichtet ist (vgl. BVerfG, Urt. v. 17.07.1984 - 2 BvE 11/83 u.a. - BVerfGE 67, 100, juris Rn. 127 f.; Beschl. v. 01.10.1987 - 2 BvR 1178/86 - BVerfGE 77, 1, juris Rn. 140; Beschl. v. 30.03.2004, a.a.O., Rn. 43; StGH, Urt. v. 26.07.2007 - GR 2/07 - juris Rn. 94 ff.). |
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| In Bezug auf abgeschlossene Vorgänge scheiden parlamentarische Informationsrechte nicht grundsätzlich immer schon dann aus, wenn es sich um Informationen aus dem Bereich der Willensbildung der Regierung, einschließlich der vorbereitenden Willensbildung innerhalb der Ressorts und der Abstimmung zwischen ihnen, handelt. Eine Pflicht der Regierung, parlamentarischen Informationswünschen zu entsprechen, besteht in der Regel nicht, wenn die Information zu einem Mitregieren Dritter bei Entscheidungen führen kann, die in der alleinigen Kompetenz der Regierung liegen.Auch dem nachträglichen parlamentarischen Zugriff auf Informationen aus der Phase der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen setzt der Gewaltenteilungsgrundsatz Grenzen. Bei abgeschlossenen Vorgängen sind Fälle möglich, in denen die Regierung geheimzuhaltende Tatsachen aus dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung mitzuteilen nicht verpflichtet ist. Ein - sei es auch erst nach Abschluss des jeweiligen Entscheidungsprozesses einsetzender - schrankenloser parlamentarischer Informationsanspruch würde vor allem durch seine einengenden Vorwirkungen die Regierung in der selbständigen Funktion beeinträchtigen, die das Gewaltenteilungsprinzip ihr zuweist. |
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| Der Gewaltenteilungsgrundsatz gebietet allerdings gerade im Hinblick auf die starke Stellung der Regierung eine Auslegung des Grundgesetzes dahin, dass - wie bereits dargelegt - parlamentarische Kontrolle wirksam sein kann. Die Entscheidungen der Regierung unterliegen daher dem parlamentarischen Kontrollrecht nicht nur hinsichtlich des verlautbarten Entscheidungsinhalts und solcher Entscheidungsgrundlagen, die keine Rückschlüsse auf die Willensbildung innerhalb der Regierung zulassen. Weitere Hintergründe könnten sonst nach Belieben unzugänglich gehalten werden, auch solche, ohne deren Kenntnis die getroffene Entscheidung politisch nicht beurteilt und die politische Verantwortung für Fehler, die gerade das Zustandekommen dieser Entscheidungen betreffen, nicht aufgeklärt werden kann.Parlamentarische Informationsrechte in Bezug auf abgeschlossene Vorgänge scheiden danach nicht grundsätzlich immer dann aus, wenn es sich um Akten aus dem Bereich der Willensbildung der Regierung, einschließlich der vorbereitenden Willensbildung innerhalb der Ressorts und der Abstimmung zwischen ihnen, handelt. Ob zu erwarten ist, dass die Herausgabe solcher Informationen die Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Regierung beeinträchtigen würde, lässt sich nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände feststellen. Informationen aus dem Bereich der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen, die Aufschluss über den Prozess der Willensbildung geben, sind umso schutzwürdiger, je näher sie der gouvernamentalen Entscheidung stehen. So kommt den Erörterungen im Kabinett besonders hohe Schutzwürdigkeit zu. Je weiter ein parlamentarisches Informationsbegehren in den innersten Bereich der Willensbildung der Regierung eindringt, desto gewichtiger muss das parlamentarische Informationsbegehren sein, um sich gegen ein von der Regierung geltend gemachtes Interesse an Vertraulichkeit durchsetzen zu können. Die vorgelagerten Beratungs- und Entscheidungsabläufe sind demgegenüber einer parlamentarischen Kontrolle in einem geringeren Maße entzogen. Besonders hohes Gewicht kommt dem parlamentarischen Informationsinteresse zu, soweit es um die Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße und vergleichbarer Missstände innerhalb der Regierung geht. Die Frage, ob die Vorlage von Akten aus dem Bereich der Vorbereitung abgeschlossener Regierungsentscheidungen, aus denen Aufschluss über die Willensbildung der Regierung und ihrer Mitglieder gewonnen werden kann, die Eigenverantwortung der Regierung beeinträchtigen würde, kann demnach nicht pauschal verneint werden. Ebensowenig ist sie aber pauschal zu bejahen (vgl. zum Ganzen: BVerfG, Beschl. v. 30.03.2004, a.a.O., Rn. 44 f., 51; Beschl. v. 17.06.2009, a.a.O., Rn. 123 ff., 141, m.w.N.) |
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| Dabei geht es - zumindest vor allem - um den Schutz der Willensbildung innerhalb der Regierung als Verfassungsorgan. Das Bundesverfassungsgericht hat daher die Ermittlung einer etwaigen Einflussnahme Dritter auf Mitglieder der Bundesregierung in einem zurückliegenden Zeitraum als einen Vorgang angesehen, der den nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich der Regierung nicht berührte (vgl. BVerfG, Beschl. v. 01.10.1987, a.a.O., juris Rn. 140). Auch die Vorlage von Akten, die nicht die Beratungen der Regierung als Kollegium, sondern deren Vorbereitung innerhalb der Ressorts und zwischen den Ressorts betreffen, berührt die Eigenverantwortung der Regierung nicht. Zu prüfen ist insoweit jedoch, ob die schützenswerte Freiheit und Offenheit des der Regierungsentscheidung über den Haushaltsentwurf vorgelagerten interministeriellen Abstimmungsprozesses durch die Verpflichtung zur Vorlage von Unterlagen aus diesem Abstimmungsprozess beeinträchtigt wird; dies könnte anzunehmen sein, wenn die dadurch ausgelöste Befürchtung eventueller späterer Publizität geeignet wäre, eine sachlich förderliche Kommunikation zwischen den Beteiligten zu hemmen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 30.03.2004, a.a.O., juris Rn. 65 f.). Daher kann auch Kommunikation von Regierungsmitgliedern mit externen Beratern, die der Vorbereitung von Regierungshandeln dient, schützenswert sein. Solche Überlegungen mit externen Beratern können insbesondere Fragen der politischen Opportunität betreffen. Unbeeinträchtigte Kommunikation hierüber zu ermöglichen, kann wesentlich sein, um eine Regierungsentscheidung möglichst sachgerecht und ohne die einengende Befürchtung, dass Vorüberlegungen nachträglich einer Kontrolle unterliegen, vorbereiten zu können (ebenso StGH, Urt. v. 26.07.2007, a.a.O., Rn. 114 ff. zu Verhandlungen der Regierung mit einem privaten Dritten). |
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| (cc) Der danach für die Regierung mit Ausnahme des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung bestehenden Pflicht, Unterlagen zur Akte zu nehmen, steht die nach der Verwaltungspraxis des Staatsministeriums bestehende Befugnis, selbst zu entscheiden, welche E-Mails zur Akte genommen oder gelöscht werden, nicht entgegen. Eine solche Befugnis kann - gerade für einen Ministerpräsidenten, dem die Staatsleitung obliegt (vgl. zum Amtseid Art. 48 LV) - kein freies, sondern allenfalls ein pflichtgemäßes Ermessen begründen, das nur im Rahmen der dargestellten allgemeinen Grundsätze ausgeübt werden kann. |
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| (b) An einem offensichtlichen und schwerwiegenden Verstoß des Klägers gegen die Pflicht, vollständige Akten zu führen, fehlt es jedoch. |
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| Dies folgt bereits daraus, dass eine klare und eindeutige Regelung dieser Pflicht nicht bestand. Die AnO Schriftgut normiert eine solche Pflicht nicht ausdrücklich. Vielmehr bestand im Staatsministerium die Praxis, dass jeder Mitarbeiter selbst entscheiden durfte, welche E-Mails er zur Akte nimmt. Zwar kann daraus nur - wie dargelegt - ein pflichtgemäßes, kein freies Ermessen folgen, da sich eine Pflicht zur Führung vollständiger Akten aus allgemeinen Grundsätzen ergibt. Jedoch sind diese Grundsätze, auch wenn sie im Hinblick auf Verwaltungshandeln für die pflichtigen Mitarbeiter allgemein bekannt sein sollten, nur ungeschriebene Prinzipien. Zudem sind sie, soweit ersichtlich, in der Rechtsprechung bisher - wenngleich ihre grundsätzliche Geltung für Regierungshandeln aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Staatsgerichtshofs zum Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung folgt - nur auf die Verwaltungstätigkeit angewandt worden. |
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| Zudem war es, ohne dass es einer Entscheidung bedarf, ob alle streitgegenständlichen Daten dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung unterfallen, zum damaligen Zeitpunkt nicht offensichtlich fehlsam, davon auszugehen, dass die Vorbereitung des zwischen den Beteiligten streitigen Erwerbs von Anteilen an der EnBW AG durch das Land Baden-Württemberg dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung unterfallen kann. Die gespeicherten E-Mails stammen jedenfalls aus dem Zeitraum vor dem 18.11.2010 und betreffen daher den Zeitraum der Vorbereitung des Ankaufs, der grundsätzlich geeignet ist, in diesen geschützten Bereich zu gehören. Für die von dem Beklagten vorgelegten, nicht bei den Sachakten sich befindenden E-Mails war es damals nicht unvertretbar anzunehmen, diese würden als Informationen über die Vorbereitung und öffentlichkeitswirksame Darstellung des Anteilserwerbs dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung unterfallen. |
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| bb) Dem Löschungsanspruch des Klägers aus § 23 Abs. 1 Nr. 2 LDSG stehen Pflichten aus Organtreue als ehemaliger Ministerpräsident des Landes nicht entgegen. Denn der Grundsatz der Organtreue begründet keine nachwirkenden Pflichten. |
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| Nach dem Grundsatz der Verfassungsorgantreue haben oberste Staatsorgane bei der Ausübung ihrer Kompetenzen von Verfassungs wegen aufeinander Rücksicht zu nehmen (vgl. BVerfG, Urt. v. 28.02.1961 - 2 BvG 1, 2/60 - BVerfGE 12, 205 <254>; Beschl. v. 04.06.1973 - 2 BvG 1/73 - BVerfGE 35, 193 <199>; Urt. v. 25.05.1977 - 2 BvE 1/74 - BVerfGE 45, 1 <39>; Urt. v. 12.07.1994 - 2 BvE 3/92 u.a. - BVerfGE 90, 286, juris Rn. 203; StGH, Urt. v. 21.10.2002 - 11/02 - ESVGH 53, 15, juris Rn. 84; Urt. v. 11.10.2007 - GR 1/07 - juris Rn. 58). Dieser Grundsatz vermag für sich genommen jedoch keine Rechte zu begründen. Vielmehr bedarf er, um seine Wirkung entfalten zu können, eines bereits bestehenden Verfassungsrechtsverhältnisses. Er ist insoweit akzessorischer Natur und kann ein vorhandenes Verfassungsrechtsverhältnis ausgestalten, aber nicht neu begründen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 17.09.2013 - 2 BvE 6/08 u.a. - NVwZ 2013, 1468, juris Rn. 183, unter Bezugnahme auf die Grundsätze zum bundesfreundlichen Verhalten, vgl. dazu BVerfG, Beschl. v. 05.02.2001 - 2 BvG 1/00 - BVerfGE 104, 238 <248>). |
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| Voraussetzung für die Berufung auf den Grundsatz der Organtreue ist daher, dass dem Verfassungsorgan aktuell verfassungsrechtliche Zuständigkeiten zustehen. Die verfassungsrechtlich gebotene Organtreue kann nur solange eingefordert werden, wie das Verfassungsorgan selbst durch die Verfassung mit eigenen Rechten ausgestattet sei (vgl. HambVerfG, Urt. v. 27.04.2007 - 3/06 - juris Rn. 89). Nachwirkende Pflichten einer Person, die - wie der Kläger - Verfassungsorgan war, aber nicht mehr ist, bestehen daher nicht. |
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| II. Anschlussberufung des Klägers |
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| Die Anschlussberufung des Klägers ist zulässig, jedoch unbegründet. |
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| 1. Die Anschlussberufung ist nach § 127 Abs. 1 Satz 1 VwGO statthaft und auch sonst zulässig. Die Anschlussberufung wurde form- und fristgemäß beim Verwaltungsgerichtshof eingereicht (vgl. § 127 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 VwGO). Die Begründung entspricht inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen (Begründungsfrist, Begründung in Anschlussschrift, bestimmter Antrag, ausreichende Begründung; vgl. § 127 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1, Satz 2 i.V.m. 124 a Abs. 3 Sätze 2, 4 und 5 VwGO). |
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| 2. Die Anschlussberufung des Klägers ist nicht begründet. Er hat keinen unbedingten Anspruch auf Löschung der streitgegenständlichen Dateien. Vielmehr ist sein Löschungsanspruch durch die Anbietungspflicht gegenüber dem Landesarchiv beschränkt. Auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts hierzu nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen vollständig Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Das Vorbringen der Anschlussberufung rechtfertigt keine andere Beurteilung: |
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| Unzutreffend ist der Kläger der Auffassung, dass die streitgegenständlichen Daten als privat einzustufen seien und daher nur mit seinem Einvernehmen nach § 2 Abs. 3 LArchG angeboten werden dürften. Unter Hinweis auf die Gesetzgebungsmaterialien hat das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt, dass § 2 Abs. 3 LArchG Daten aus privater Hand meint. Darum handelt es sich hier gerade nicht. |
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| Ohne Erfolg muss auch das Vorbringen bleiben, es handele sich bei den streitgegenständlichen Sicherungskopien nicht um Daten, die i.S.v. § 3 Abs. 1 Satz 1 LArchG der Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Aufgaben des Ministerpräsidenten als Stelle im Sinne von § 2 Abs. 1 LArchG gedient hätten, da sie lediglich aus datenverarbeitungstechnischen Gründen zur Sicherstellung des Betriebs der Datenverarbeitungsanlage im Staatsministerium gespeichert worden seien. Für die behauptete Konkordanz zwischen den datenschutzrechtlichen Prinzipien des Erforderlichkeits- und des Zweckbindungsgrundsatzes und der Frage, welche Unterlagen als potentielles Archivgut überhaupt dem Landesarchiv anzubieten sind, ist nichts ersichtlich. § 3 Abs. 1 Satz 1 LArchG knüpft lediglich daran an, dass Unterlagen bei Behörden, Gerichten und sonstigen Stellen des Landes entstanden sind und dort vorhanden sind und von diesen nicht mehr zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigt werden. Nach der eindeutigen Regelung des § 23 Abs. 3 LDSG sind auch Daten, deren Speicherung unzulässig war - z.B. da von vornherein keine Erforderlichkeit für die Speicherung gegeben war - dem Landesarchiv anzubieten. Der datenschutzrechtliche Erforderlichkeitsgrundsatz ist für die Anbietungspflicht gegenüber dem Landesarchiv unerheblich. |
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| Unbegründet macht der Kläger geltend, aus § 5 Abs. 3 Satz 2 LArchG folge, dass der Löschungsanspruch des Betroffenen erst dann ausgeschlossen sei, wenn sich erst im Nachhinein, also nach der Übergabe der Daten zur Archivierung herausstelle, dass die weitere Speicherung datenschutzrechtlich unzulässig sei. § 5 Abs. 3 Satz 2 LArchG regelt, dass Löschungsansprüche bei Archivgut ausgeschlossen sind. Für einen Umkehrschluss, dass vor Anbieten gegenüber dem Landesarchiv sich Löschungsansprüche gegenüber dem Archivrecht durchsetzten, fehlen Gründe. |
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| Schließlich ist auch keine Verletzung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung des Klägers gegeben. Die schlichte Behauptung, § 23 Abs. 3 LDSG in Verbindung mit § 5 Abs. 3 Satz 2 LArchG sei keine ausreichende gesetzliche Grundlage für einen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, ist nicht nachzuvollziehen. Warum den vom Kläger angesprochenen Bestimmtheitsanforderungen nicht genügt sein soll, erschließt sich nicht. Die sich aus der gesetzlichen Regelung ergebenden Rechtsfolgen sind klar und eindeutig. Wie das Verwaltungsgericht ausführlich dargelegt hat, bestehen zudem zahlreiche Schutzvorkehrungen zugunsten der etwaig in ihren Grundrechten Betroffenen. |
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| Erfolglos bleibt schließlich der Einwand des Klägers, nach der Auffassung des Verwaltungsgerichts müssten alle bei der Landesverwaltung anfallenden E-Mails dem Landesarchiv angeboten werden und dies könne nicht richtig sein. § 3 Abs. 1 Satz 1 LArchG sieht für die Behörden, Gerichte und sonstigen Stellen des Landes eine unbeschränkte Anbietungspflicht für alle Unterlagen vor. Unterlagen in diesem Sinne sind gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 LArchG insbesondere Schriftstücke, Karteien, Karten, Pläne, Bild-, Film- und Tonmaterialien sowie sonstige Informationsträger und maschinenlesbar auf diesen gespeicherte Informationen und Programme; dazu gehören mithin auch E-Mails. Eine § 2 Abs. 6 BArchG vergleichbare Norm - nach der Unterlagen, die nach Auffassung der anbietungspflichtigen Stellen und des zuständigen Archivs von offensichtlich geringer Bedeutung sind, nicht angeboten werden müssen - gibt es in Baden-Württemberg nicht. Einschränkungen können allerdings gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 LArchG gerade im Hinblick auf maschinenlesbare Informationen zwischen dem Landesarchiv und der anbietenden Stelle getroffen werden. |
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| Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Auch bei einem Anschlussrechtsmittel ist nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.11.1980 - 1 B 802.90 - juris) diese einheitlich zu treffen (vgl. BFH, Beschl. v. 17.12.2002 - I R 87/00 - juris; OVG Saarl., Beschl. v. 28.06.2010 - 2 B 36/10.NC u.a. - juris Rn. 158, m.w.N.). |
|
| Die Revision ist nicht zuzulassen. Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor. Insbesondere hat der Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung. Das Landesdatenschutzgesetz und das Landesarchivgesetz sind Landesrecht. Ebenso haben der Einwand des Rechtsmissbrauchs (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.04.1978 - IV C 6.76 - BVerwGE 55, 337, juris Rn. 13, 14 und Urt. v. 14.08.1982 - 8 C 19.90 - BVerwGE 90, 310, juris Rn. 16) und die Grundsätze der Organtreue ihre Grundlage im Landesrecht. |
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| Beschluss vom 30. Juli 2014 |
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| Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf 5.000.—EUR festgesetzt. Wechselseitig eingelegte Rechtsmittel sind, soweit sie nicht in getrennten Prozessen verhandelt werden, zusammenzurechnen (§ 45 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 GKG). Das gilt auch für den Fall eines unselbständigen Anschlussrechtsmittels (vgl. BGH -GrS-, Beschl. v. 05.10.1978 - GSZ 1/78 - BGHZ 72, 339; BayVGH, Urt. v. 22.07.2010 - 6 B 09.584 - juris Rn. 50). Da die Rechtsmittel denselben Gegenstand betreffen, ist der Auffangwert von 5.000.-- EUR nur einmal festzusetzen (vgl. OVG Saarl., Beschl. v. 28.06.2010, a.a.O., Rn. 160; OVG Meckl.-Vorp., Beschl. v. 07.09.2010 - 1 M 210/09 - juris Rn. 57). |
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| Der Beschluss ist unanfechtbar. |
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