Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 26. Okt. 2011 - 2 BvR 320/11

ECLI:ECLI:DE:BVerfG:2011:rk20111026.2bvr032011
bei uns veröffentlicht am26.10.2011

Tenor

Die Beschlüsse des Landgerichts Bautzen vom 5. Januar 2011 und vom 8. Februar 2011 - 3 T 111/10 - verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem grundrechtsgleichen Recht aus Artikel 103 Absatz 1 des Grundgesetzes. Sie werden aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Bautzen zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

...

Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 8.000,00 € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die mit einem Eilantrag verbundene Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Erteilung des Zuschlags in einem Zwangsversteigerungsverfahren.

2

1. a) Die Beschwerdeführerin war Eigentümerin eines mit einem Einfamilienwohnhaus und zwei Doppelgaragen bebauten Grundstücks. Die D... AG (im Folgenden: Gläubigerin) hatte die Zwangsversteigerung des Grundstücks beantragt. Das Amtsgericht hatte Versteigerungstermin auf den 15. Oktober 2010 bestimmt.

3

Mit Schriftsatz vom 6. Oktober 2010 hat die Beschwerdeführerin gemäß § 765a ZPO die Einstellung der Zwangsversteigerung beantragt und zur Begründung unter anderem ausgeführt, dass sie sich wegen des Zwangsversteigerungsverfahrens und des Versteigerungstermins in einer schweren Depression mit Selbstmordgefahr befinde. Die Durchführung des Zwangsversteigerungstermins stelle eine sittenwidrige Härte dar, da bei Durchführung der Versteigerung sich ihr schon kritischer psychischer Zustand erheblich verschlechtern werde und mit ihrem Suizid zu rechnen sei. Zum Beleg hat sie eine Bescheinigung der sie behandelnden Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. M... vom 4. Oktober 2010 vorgelegt, in der es heißt, dass sich die Beschwerdeführerin in einer mittelschweren depressiven Episode befinde und sie aufgrund ihrer derzeitigen psychischen Verfassung mit latenter Suizidalität nicht in der Lage sei, das Zwangsvollstreckungsverfahren emotional zu bewältigen.

4

Die Gläubigerin ist diesem Vorbringen mit Schriftsatz vom 11. Oktober 2010 entgegengetreten. Sie gehe davon aus, dass sämtliche Einlassungen der Beschwerdeführerin eine Verzögerungstaktik darstellten.

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b) Im Versteigerungstermin am 15. Oktober 2010 blieb Herr F... Meistbietender mit einem Gebot von 350.000 €. Über die Erteilung des Zuschlags wurde im Versteigerungstermin nicht entschieden. Das Amtsgericht bestimmte vielmehr durch Beschluss vom 15. Oktober 2010 Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 10. November 2010.

6

c) Mit weiterem Beschluss vom 15. Oktober 2010 regte das Amtsgericht (Vollstreckungsgericht) gegenüber dem Landratsamt und dem Amtsgericht (Betreuungsgericht) die Unterbringung der Beschwerdeführerin an. Darin führte das Amtsgericht (Vollstreckungsgericht) aus:

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Die Unterbringung der Beschwerdeführerin sei notwendig. Ihr werde attestiert, aufgrund ihrer derzeitigen psychischen Verfassung mit latenter Suizidalität nicht in der Lage zu sein, das Zwangsversteigerungsverfahren emotional zu bewältigen. Im Versteigerungstermin sei ein zuschlagsfähiges Gebot abgegeben worden. Die Entscheidung über den Zuschlag sei jedoch ausgesetzt und auf den 10. November 2010 vertagt worden, weil eine Gefährdung für Leib und Leben der Beschwerdeführerin durch Suizid im Falle der Zuschlagserteilung nicht ausgeschlossen werden könne. Die Zwangsvollstreckung werde jedoch fortzusetzen sein, wenn die für den Lebensschutz primär zuständigen Stellen (gemeint: Landratsamt und Betreuungsgericht) Maßnahmen zum Schutz der Beschwerdeführerin nicht für notwendig erachteten.

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d) Am 2. November 2010 führte eine beim Landratsamt - Gesundheitsamt - tätige Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie (im Folgenden: Amtsärztin) in Begleitung einer Sozialarbeiterin einen Hausbesuch bei der Beschwerdeführerin durch. Mit Schreiben vom 8. November 2010 teilte die Amtsärztin dem Landratsamt - Ordnungsamt - diesbezüglich Folgendes mit:

9

"Die psychiatrische Untersuchung ergab eine mittelgradige depressive Episode, ausgelöst durch das anhängige Zwangsversteigerungsverfahren. Es fand sich zum Untersuchungszeitpunkt kein Anhalt für aktuelle Suizidalität, sodass aus meiner Sicht die Bedingungen für die Unterbringung der Betroffenen (der Beschwerdeführerin) gegen ihren Willen in einer psychiatrischen Klinik nicht erfüllt sind.

10

Frau S... (die Beschwerdeführerin) befindet sich in regelmäßiger ambulanter psychiatrischer Behandlung bei Frau Dr. M..., Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, in Dresden.

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Der Betroffenen wurde nahe gelegt, sich auf Grund des Ausmaßes ihrer psychischen Störungen sich einer tagesklinischen bzw. bei Intensitätszunahme einer freiwilligen stationären psychiatrischen Behandlung zu unterziehen. Sie äußerte gegen diesen Vorschlag keine Einwände. Ihre behandelnde Fachärztin, Frau Dr. M..., versicherte im Rahmen eines Telefongespräches am 02.11.2010, ihr dabei behilflich zu sein.

12

Weiterhin wurde ihr Hilfe von Seiten des Sozialpsychiatrischen Dienstes, Standort Kamenz, angeboten."

13

Daraufhin sah das Landratsamt - Ordnungsamt - von einem Antrag auf Unterbringung der Beschwerdeführerin ab und stellte das Verwaltungsverfahren ein. Mit Schreiben vom 9. November 2010 setzte es das Amtsgericht (Vollstreckungsgericht) hiervon in Kenntnis.

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e) Ebenfalls mit Schreiben vom 9. November 2010 teilte das Amtsgericht (Betreuungsgericht) dem Amtsgericht (Vollstreckungsgericht) Folgendes mit:

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"... auf Ihre Anregung zur Einrichtung einer Betreuung und Unterbringung der Betroffenen hat die zuständige Betreuungsbehörde den Sachverhalt ermittelt und insbesondere ein ausführliches Gespräch mit der Betroffenen geführt. Die Betroffene hat angegeben, ab dem 15.11.2010 eine Behandlung in der Tagesklinik des SKH Arnsdorf aufnehmen zu wollen. Die Klinik ist von mir angeschrieben worden. Für den Fall, dass die Betroffene die Behandlung am 15.11.2010 aufnimmt, beabsichtige ich, das hiesige Verfahren einzustellen."

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2. Ohne das Schreiben der Amtsärztin vom 8. November 2010, das Schreiben des Landratsamts - Ordnungsamt - vom 9. November 2010 und das Schreiben des Amtsgerichts (Betreuungsgericht) vom selben Tage der Beschwerdeführerin vorher zu übermitteln, verkündete das Amtsgericht (Vollstreckungsgericht) am 10. November 2010 den Zuschlagsbeschluss. Darin erteilte es dem Meistbietenden den Zuschlag und führte zur Begründung aus, dass Zuschlagsversagungsgründe nicht gegeben seien, insbesondere ein Zuschlagsversagungsgrund nach § 765a ZPO nicht vorliege. Die für den Lebensschutz primär zuständigen Stellen hätten eine Unterbringung der Beschwerdeführerin nicht für notwendig erachtet. Diese habe angegeben, ab dem 15. November 2010 freiwillig eine Behandlung in einer Tagesklinik aufnehmen zu wollen.

17

3. Gegen den Zuschlagsbeschluss erhob die Beschwerdeführerin sofortige Beschwerde.

18

a) Im Beschwerdeverfahren rügte sie zunächst, das Schreiben der Amtsärztin vom 8. November 2010, das Schreiben des Landratsamts - Ordnungsamt - vom 9. November 2010 und das Schreiben des Amtsgerichts (Betreuungsgericht) vom selben Tage seien ihr unbekannt. Den Inhalt der Schreiben bestritt sie mit Nichtwissen und beantragte Akteneinsicht.

19

Des Weiteren legte sie dar, es bestehe weiterhin die konkrete Gefahr der Selbsttötung und diese Gefahr habe sich durch den Zuschlagsbeschluss noch verstärkt. Diese Gefahr sei durch flankierende Maßnahmen nicht zu beseitigen.

20

Eine ordnungsgemäße Untersuchung und Diagnosestellung durch die Behörden sei nicht erfolgt. Die Amtsärztin habe mit ihr nur ein kurzes Gespräch geführt. Sie habe jedoch die akute Suizidgefahr gesehen und von einer zwangsweisen Einweisung gesprochen.

21

Am 15. November 2010, als die Beschwerdeführerin die Klinik in Arnsdorf aufgesucht habe, habe sie dort nicht aufgenommen werden können. Von der Klinik sei ihr mitgeteilt worden, dass kein Platz zur Aufnahme zur Verfügung stehe; bei dem Termin habe es sich lediglich um eine von der (die Beschwerdeführerin ambulant behandelnden) Ärztin vorgenommene Vorreservierung gehandelt, die von der Klinik nicht bestätigt worden sei.

22

b) Nachdem die Beschwerdeführerin von ihr benannte Aktenbestandteile in Mehrfertigung erhalten hatte, brachte sie ergänzend vor, die "Stellungnahme" der Amtsärztin vom 8. November 2010 widerspreche den Ausführungen der Amtsärztin beim Hausbesuch am 2. November 2010 diametral. Damals habe ihr die Amtsärztin wiederholt mitgeteilt, dass sie wählen könne, ob sie freiwillig die Klinik in Arnsdorf aufsuche oder andernfalls von der Behörde zwangsweise eingewiesen werde.

23

Im Übrigen seien ausreichende Untersuchungen durch die Behörden nicht durchgeführt und der Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin nicht ausreichend festgestellt worden. Ein Gutachten sei nicht erstellt worden.

24

c) Bezüglich des Vortrags der konkreten Suizidgefahr und des von ihr behaupteten Umstands, dass die Suizidgefahr durch flankierende Maßnahmen nicht zu beseitigen sei, bot die Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren ausdrücklich Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens an. Für den Ablauf des Hausbesuchs der Amtsärztin am 2. November 2010 und die Abweisung durch die Klinik in Arnsdorf am 15. November 2010 benannte sie ihren Ehemann Herrn S.... als Zeugen.

25

4. Mit angegriffenem Beschluss vom 5. Januar 2011 wies das Landgericht die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts zurück. Zur Begründung referierte das Landgericht zunächst Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und wies darauf hin, dass sowohl das Amtsgericht (Betreuungsgericht) als auch das Landratsamt es nicht für notwendig erachtet hätten, weitere Maßnahmen zum Schutze des Lebens der Beschwerdeführerin zu ergreifen. Alsdann gab es den Inhalt des - an das Landratsamt - Ordnungsamt - gerichteten - Schreibens der Amtsärztin vom 8. November 2010 wieder:

26

"Ausweislich des hier vorliegenden amtsärztlichen Zeugnisses der Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie Frau Z... ergab die psychiatrische Untersuchung der Schuldnerin eine mittelgradige depressive Episode, ausgelöst durch das anhängige Zwangsversteigerungsverfahren. Es fand sich zum Untersuchungszeitpunkt kein Anhalt für aktuelle Suizidalität, sodass aus Sicht der Amtsärztin die Voraussetzungen für eine Unterbringung der Schuldnerin gegen ihren Willen in einer psychiatrischen Klinik nicht erfüllt sind. Die Schuldnerin be-findet sich zudem in regelmäßiger ambulanter psychiatrischer Behandlung bei Frau Dr. M..., Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, in Dresden. Der Schuldnerin wurde von der Amtsärztin zudem nahegelegt, sich auf Grund des Ausmaßes ihrer psychischen Störungen einer tagesklinischen bzw. bei Intensitätszunahme einer freiwilligen stationären psychiatrischen Behandlung zu unterziehen. Sie äußerte gegen diesen Vorschlag laut Amtsärztin keine Einwände. Ihre behandelnde Fachärztin Frau Dr. M... versicherte im Rahmen eines Telefongesprächs am 2. November 2010, ihr dabei behilflich zu sein. Weiterhin wurde der Schuldnerin Hilfe von Seiten des Sozialpsychiatrischen Dienstes, Standort Kamenz, angeboten."

27

Hieraus zog das Gericht den Schluss, "dass die Schuldnerin durchaus in der Lage ist, selbst geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die für sie schwierige Situation zu bewältigen". Die Einstellung der Zwangsversteigerung sei aus diesen Gründen nicht gerechtfertigt.

28

5. Gegen den Beschluss des Landgerichts vom 5. Januar 2011 erhob die Beschwerdeführerin Gehörsrüge.

29

a) Das Gericht habe ihren im Beschwerdeverfahren unterbreiteten Sachvortrag, dass sich die Suizidgefahr nach Verkündung des Zuschlagsbeschlusses noch verstärkt und verdichtet habe, vollkommen übergangen und ihr diesbezügliches Beweisangebot - Einholung eines Sachverständigengutachtens - ohne Gründe unberücksichtigt gelassen.

30

Entsprechendes - nämlich Übergehen des Sachvortrags und des Beweisangebots - gelte bezüglich ihres Bestreitens, dass die vorliegende Suizidgefahr durch flankierende Maßnahmen zu beseitigen sei.

31

b) Das Gericht habe zudem ihr Vorbringen, eine ordnungsgemäße Untersuchung und Diagnosestellung habe nicht stattgefunden, sondern nur ein kurzes Gespräch mit der Amtsärztin, und das entsprechende Beweisangebot - Zeugnis ihres Ehemannes - übergangen. Die Stellungnahme der Amtsärztin stelle lediglich eine kurze Momentaufnahme einer Ärztin dar, die die Geschichte und das Leiden der Beschwerdeführerin mangels ausreichender Beurteilungsgrundlagen sowie Zeit nicht sicher beurteilen könne.

32

c) Außerdem habe das Gericht im Beschluss vom 5. Januar 2011 den durch das Zeugnis ihres Ehemannes unter Beweis gestellten Sachvortrag mit keinem Wort erwähnt, dass die Amtsärztin sie beim Hausbesuch am 2. November 2010 aufgefordert habe, die Klinik in Arnsdorf freiwillig aufzusuchen, andernfalls sie sie zwangsweise einweisen werde. Die Aussage stehe diametral dem Inhalt der Stellungnahme der Amtsärztin vom 8. November 2010 entgegen; diese habe vor Ort die Notwendigkeit einer Einweisung der Beschwerdeführerin gesehen, notfalls auch gegen deren Willen.

33

d) Darüber hinaus habe das Gericht auch das ebenfalls unter Zeugenbeweis gestellte weitere Beschwerdevorbringen zur Nichtaufnahme - wegen Platzmangels - in die Klinik in Arnsdorf am 15. November 2010 übergangen.

34

6. Mit angegriffenem Beschluss vom 8. Februar 2011 wies das Landgericht die Gehörsrüge zurück. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin habe es berücksichtigt, auch wenn es in seiner Begründung mangels Entscheidungserheblichkeit nicht zu jedem einzelnen Punkt Stellung bezogen habe.

35

In dem Beschluss über die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde gegen den Zuschlagsbeschluss sei ausgeführt, dass weder das Amtsgericht (Betreuungsgericht) noch das Landratsamt es für notwendig erachtet hätten, weitere Maßnahmen zum Schutz der Beschwerdeführerin zu ergreifen. Weiter sei ausgeführt, dass sich die Beschwerdeführerin in regelmäßiger ambulanter psychiatrischer Behandlung bei einer Fachärztin befinde und durchaus in der Lage sei, selbst geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die für sie schwierige Situation zu bewältigen. Wenn die Beschwerdeführerin zudem in der Tagesklinik nicht aufgenommen worden sei, zeige dies umso mehr, dass die Notwendigkeit einer Einweisung nicht gegeben sei und die bisherigen Hilfeleistungen ausreichten. Der Einholung eines Sachverständigengutachtens habe es daher nicht bedurft.

36

Das weitere Vorbringen der Beschwerdeführerin in der Gehörsrüge sei nicht entscheidungserheblich beziehungsweise rechtfertige keine anderslautende Entscheidung.

II.

37

1. Mit der Verfassungsbeschwerde macht die Beschwerdeführerin geltend, in ihrem grundrechtsgleichen Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt zu sein. Wäre das Gericht dem Sachvortrag und den Beweisangeboten nachgegangen, hätte es aller Voraussicht nach nach Einholung des Sachverständigengutachtens dem Antrag nach § 765a ZPO stattgegeben. Die angefochtene Entscheidung beruhe auch auf dem Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG. Darüber hinaus liege eine Verletzung weiterer Grundrechte und grundrechtsgleicher Rechte der Beschwerdeführerin vor, insbesondere aus Art. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG.

38

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seien Beweisangebote für das Vorbringen, ihr drohe eine schwerwiegende Gefahr für Leben und Gesundheit, besonders sorgfältig zu prüfen. Dies sei nicht geschehen.

39

Das angebotene Sachverständigengutachten sei nicht eingeholt worden, vielmehr habe das Gericht allein auf die Stellungnahme der Amtsärztin abgestellt. Diese sei jedoch aufgrund der knappen Zeit gar nicht in der Lage gewesen, die Beschwerdeführerin und deren Leiden eingehend zu beurteilen; außerdem habe sie die Beschwerdeführerin bei dem Hausbesuch aufgefordert, sich freiwillig in die psychiatrische Abteilung in Arnsdorf zu begeben, andernfalls sie sie zwangsweise einweisen werde. Diesbezüglich rügt die Beschwerdeführerin, dass dem angebotenen Beweis durch Einvernahme ihres Ehemannes als Zeugen nicht nachgegangen worden sei.

40

Darüber hinaus sei die Verneinung der Suizidgefahr auch auf den falschen Zeitpunkt bezogen worden, weil das Gericht auf den Zeitpunkt des Hausbesuchs der Amtsärztin am 2. November 2010 vor Zuschlagserteilung am 10. November 2010, und somit vor Verlust des Eigentums, abgestellt habe. Bei der Entscheidung über die Zuschlagsbeschwerde komme es dagegen vor allem auf den Zeitpunkt an, in dem der Eigentumsverlust endgültig feststehe.

41

Nicht berücksichtigt habe das Gericht außerdem den weiteren Vortrag der Beschwerdeführerin, dass sich durch den Zuschlagsbeschluss die Suizidgefahr bei ihr verstärkt habe.

42

2. Den Begünstigten des Ausgangsverfahrens und dem Staatsministerium der Justiz und für Europa des Freistaates Sachsen ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Das Staatsministerium hat von einer Stellungnahme abgesehen. Nach Ansicht der Begünstigten des Ausgangsverfahrens ist eine Verletzung der Beschwerdeführerin in ihren Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten durch die von ihr angegriffenen Beschlüsse nicht zu erkennen.

43

Zu Art. 103 Abs. 1 GG vertritt der Ersteher die Auffassung, dass eine Verletzung des Anspruchs der Beschwerdeführerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht vorliege. Sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht hätten den Sach- und Rechtsvortrag der Beschwerdeführerin zur Kenntnis genommen und gewürdigt. Zur behaupteten Suizidgefahr hätten sie Beweis erhoben und im Rahmen der Beschlüsse diesen gewürdigt. Die Beschwerdeführerin störe lediglich die Art der rechtlichen Bewertung.

44

Auch die Gläubigerin hält die Rüge der Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG für unbegründet. Für das Gericht erwachse aus Art. 103 Abs. 1 GG die Pflicht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Dem genügten die angegriffenen Beschlüsse. Das Amtsgericht habe sich ausführlich mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin beschäftigt und auseinandergesetzt. Dasselbe gelte für das Landgericht. Dabei sei ihr Vorbringen zu den eingeleiteten Selbsthilfemaßnahmen berücksichtigt und die Frage des Beweisantritts durch Einholung eines Sachverständigengutachtens diskutiert worden. Soweit die Beschwerdeführerin in der Verfassungsbeschwerde gleichwohl angeblich unberücksichtigte Aspekte ihres Vortrags anspreche, verkenne sie, dass Art. 103 Abs. 1 GG die Gerichte nicht dazu verpflichte, der von der Partei vertretenen Rechtsansicht zu folgen, und sie deren Sachvortrag aus Gründen des formellen und materiellen Rechts unberücksichtigt lassen dürften.

45

3. Die Akten des Ausgangsverfahrens sind beigezogen worden.

III.

46

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, soweit sie sich gegen die Beschlüsse des Landgerichts vom 5. Januar 2011 und 8. Februar 2011 richtet, und gibt ihr insoweit statt. Die Annahme in diesem Umfang ist zur Durchsetzung des verfassungsmäßigen Rechts der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen für eine stattgebende Entscheidung durch die Kammer liegen vor (§ 93c Abs. 1 BVerfGG).

47

Das Landgericht hat die Beschwerdeführerin durch die vorgenannten Beschlüsse in ihrem grundrechtsgleichen Recht auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, indem es zu dem Ergebnis gelangte, dass bei ihr keine Suizidgefahr bestehe, die eine (einstweilige) Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens unter Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses rechtfertige, ohne zuvor ein von ihr zum Nachweis der Behauptung, dass bei ihr im Falle des endgültigen Verlusts des Eigentums an Haus und Grundstück durch das Zwangsversteigerungsverfahren eine konkrete, durch flankierende Maßnahmen nicht zu beseitigende Suizidgefahr gegeben sei, beantragtes medizinisches Sachverständigengutachten zu erheben.

48

1. Der in Art. 103 Abs. 1 GG verbürgte Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl. BVerfGE 42, 364 <367 f.>; stRspr.). Art. 103 Abs. 1 GG ist allerdings erst verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Ein vom Bundesverfassungsgericht festzustellender Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG liegt vor, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen wurde (vgl. BVerfGE 65, 293 <295 f.>; 70, 288 <293>; 86, 133 <145 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 18. Januar 2011 - 1 BvR 2441/10 -, juris, Rn.10).

49

Art. 103 Abs. 1 GG in Verbindung mit den Grundsätzen der Zivilprozessordnung gebietet die Berücksichtigung erheblichen Vorbringens und erheblicher Beweisanträge (vgl. BVerfGE 60, 247 <249>; 60, 250 <252>; 65, 305 <307>; 69, 141 <143>; BVerfGK 12, 346 <350 f.>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 18. Juni 1993 - 2 BvR 1815/92 -, NVwZ 1994, S. 60 <61>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 18. Januar 2011, a.a.O., Rn. 11). Zwar gewährt Art. 103 Abs. 1 GG keinen Schutz dagegen, dass das Gericht Vorbringen der Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts ganz oder teilweise unberücksichtigt lässt (vgl. BVerfGE 50, 32 <35>; 60, 1 <5>; 60, 305 <310>; 62, 249 <254>; 69, 141 <143 f.>; BVerfGK 12, 346 <351>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 18. Juni 1993, a.a.O.; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 18. Januar 2011, a.a.O.); der Anspruch auf rechtliches Gehör ist jedoch verletzt, wenn die Nichtberücksichtigung von Vortrag oder von Beweisanträgen im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (vgl. BVerfGE 50, 32 <36>; 60, 250 <252>; 65, 305 <307>; 69, 141 <144>; BVerfGK 12, 346 <351>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 18. Juni 1993, a.a.O.; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 18. Januar 2011, a.a.O.).

50

2. Ein solcher Fall liegt hier vor.

51

a) Die Frage, ob die Beschwerdeführerin bei einem endgültigen Verlust des Eigentums an Haus und Grundstück im Zwangsversteigerungsverfahren konkret suizidgefährdet ist, war entscheidungserheblich.

52

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der mit ihr übereinstimmenden - ständigen - Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist in Fällen dieser Art zunächst zu klären, ob eine konkrete Suizidgefahr des Schuldners besteht und, wenn ja, ob diese gerade im endgültigen Eigentumsverlust durch den Eintritt der Rechtskraft des Zuschlagsbeschlusses - und nicht etwa in einer (möglicherweise) drohenden Zwangsräumung - ihre maßgebliche Ursache hat (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 11. Juli 2007 - 1 BvR 501/07 -, NJW 2007, S. 2910 <2911>; BGH, Beschlüsse vom 15. Juli 2010 - V ZB 1/10 -, NZM 2010, S. 836 <837>; vom 7. Oktober 2010 - V ZB 82/10 -, WM 2011, S. 74 <75>; vom 2. Dezember 2010 - V ZB 124/10 -, NZM 2011, S. 167 <168 f.>; vom 16. Dezember 2010 - V ZB 215/09 -, FamRZ 2011, S. 478 <479> und vom 17. Februar 2011 - V ZB 205/10 -, NJW-RR 2011, S. 1000 f.). Sind beide Fragen zugunsten des Schuldners zu bejahen, hat sich im Hinblick auf die Zuschlagserteilung eine umfassende, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierte Würdigung der Gesamtumstände anzuschließen, die sowohl den dem Schuldner in der Zwangsvollstreckung gewährleisteten Grundrechten als auch den gewichtigen, ebenfalls grundrechtlich geschützten Interessen der anderen Beteiligten des Zwangsversteigerungsverfahrens Rechnung trägt. Im Rahmen dieser gegebenenfalls vorzunehmenden Abwägung ist dann zugleich zu prüfen, ob der Gefahr nicht auf andere Weise als durch die Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses und eine vorübergehende Einstellung der Zwangsvollstreckung begegnet werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 11. Juli 2007, a.a.O.; BGH, Beschlüsse vom 15. Juli 2010, a.a.O.; vom 7. Oktober 2010, a.a.O.; vom 2. Dezember 2010, a.a.O., S. 169; vom 16. Dezember 2010, a.a.O.; vom 17. Februar 2011, a.a.O., S. 1000 <1001> und vom 31. März 2011 - V ZB 313/10 -, juris, Rn. 18).

53

b) Die Beschwerdeführerin hat substantiiert vorgetragen und - erstmals in ihrer sofortigen Beschwerde vom 24. November 2010 gegen den Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts - beantragt, durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens Beweis darüber zu erheben, dass sie bei einem endgültigen Verlust des Eigentums an Haus und Grundstück im Zwangsversteigerungsverfahren konkret suizidgefährdet sei und dieser Gefahr auf andere Weise als durch Einstellung der Zwangsversteigerung nicht wirksam begegnet werden könne. Zur Substantiierung hatte sie eine zeitnah erstellte ärztliche Bescheinigung einer sie ambulant behandelnden Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie vorgelegt, in der es unter anderem heißt, dass die Beschwerdeführerin an einer mittelschweren depressiven Episode leide und aufgrund ihrer derzeitigen psychischen Verfassung mit latenter Suizidalität nicht in der Lage sei, das Zwangsvollstreckungsverfahren emotional zu bewältigen.

54

Das reicht aus, um nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. Dezember 2010, a.a.O., S. 167 ff. und vom 31. März 2011, a.a.O., Rn. 2 und 16) den zivilprozessualen Substantiierungsanforderungen zu genügen. Im Hinblick auf die Bedeutung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG dürfen an die Darlegungslast des Schuldners keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Insbesondere ist der Schuldner nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs weder verpflichtet, das Gericht bereits durch seinen Vortrag davon zu überzeugen, dass eine konkrete Suizidgefahr bestehe, noch muss er diese Gefahr durch Beibringung von Attesten nachweisen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. Dezember 2010, a.a.O., S. 168; vom 16. Dezember 2010, a.a.O.; vom 17. Februar 2011, a.a.O. und vom 31. März 2011, a.a.O., Rn. 14); die Richtigkeit einer schlüssigen Behauptung muss sich vielmehr - wie auch sonst in Verfahren, die nach der Zivilprozessordnung durchzuführen sind - im Rahmen der Beweisaufnahme erweisen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Februar 2011, a.a.O.). Bestehen, wie hier, hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme einer konkreten Suizidgefahr, ist das Gericht - da es die Ernsthaftigkeit dieser Gefahr mangels eigener medizinischer Sachkunde ohne sachverständige Hilfe in aller Regel nicht beurteilen kann - regelmäßig gehalten, einem Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zu entsprechen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. Dezember 2010, a.a.O.; vom 17. Februar 2011, a.a.O. und vom 31. März 2011, a.a.O., Rn. 18).

55

c) Das Landgericht, das eigene Sachkunde zur Beurteilung medizinischer Fachfragen in den angegriffenen Beschlüssen nicht dargelegt hat, hätte demzufolge den angebotenen Beweis erheben und mittels eines medizinischen Sachverständigengutachtens klären müssen, ob bei Endgültigkeit der Zuschlagserteilung die Beschwerdeführerin konkret suizidgefährdet ist und, wenn dem so sein sollte, auf welche Weise dieser Gefahr wirksam begegnet werden kann.

56

aa) Daran ändert nichts, dass dem Landgericht das an das Landratsamt - Ordnungsamt - gerichtete Schreiben der Amtsärztin vom 8. November 2010 zur Verfügung gestanden hat.

57

(1) Zwangsversteigerungsverfahren sind, soweit es um Fragen der Beweisaufnahme geht, nach der Zivilprozessordnung durchzuführen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Februar 2011, a.a.O.). Somit ist auch § 411a ZPO zu beachten, der bestimmt, dass die schriftliche Begutachtung durch einen Sachverständigen durch die Verwertung eines gerichtlich oder staatsanwaltschaftlich eingeholten Sachverständigengutachtens aus einem anderen Verfahren ersetzt werden kann.

58

Das Landgericht hat nicht beachtet, dass die Voraussetzungen, die die Zivilprozessordnung in § 411a an die Ersetzung einer schriftlichen Begutachtung durch einen Sachverständigen stellt, im Ausgangsverfahren nicht gegeben waren.

59

(a) Bei dem Schreiben der Amtsärztin vom 8. November 2010, deren Ausführungen zur Sache nicht mehr als eine halbe DIN A 4 Seite umfassen, handelt es sich bereits nicht um ein Sachverständigengutachten im Sinne des § 411a ZPO, sondern lediglich - wie vom Landgericht im angegriffenen Beschluss vom 5. Januar 2011 zutreffend klassifiziert - um ein amtsärztliches Zeugnis. Ein solches in einem anderen Verfahren erteiltes Zeugnis reicht nicht aus, um von der Einholung eines Sachverständigengutachtens in einem nach der Zivilprozessordnung durchzuführenden Verfahren zu dispensieren (vgl. Zimmermann, ZPO, 9. Aufl. 2011, § 411a Rn. 2; ders., in: MünchKomm-ZPO, 3. Aufl. 2008, § 411a Rn. 3; jeweils zu ärztlichen Zeugnissen).

60

(b) Die Voraussetzungen des § 411a ZPO waren darüber hinaus nicht erfüllt, weil die Amtsärztin weder gerichtlich noch staatsanwaltschaftlich beauftragt war. Die Beauftragung durch eine Verwaltungsbehörde in einem Verwaltungsverfahren, wie sie hier stattgefunden hat, genügt den Anforderungen nicht (vgl. Katzenmeier, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, 3. Aufl. 2011, § 411a Rn. 6; Zimmermann, ZPO, 9. Aufl. 2011, § 411a Rn. 2; Greger, in: Zöller, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 411a Rn. 2; Ahrens, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 3. Aufl. 2010, § 411a Rn. 11; Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl. 2006, § 411a Rn. 7).

61

(2) Die im Wege des Urkundsbeweises zulässige Verwertung des Schreibens der Amtsärztin vom 8. November 2010 rechtfertigte es aber auch aus weiteren Gründen nicht, dem nach Verkündung des Zuschlagsbeschlusses im Beschwerdeverfahren von der Beschwerdeführerin gestellten Beweisantrag auf Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens nicht zu entsprechen.

62

(a) In Zwangsversteigerungsverfahren kommt es in Konstellationen, in denen der Zuschlag bereits erteilt worden ist, ausschlaggebend darauf an, ob eine konkrete Suizidgefahr für den Fall des endgültigen Eigentumsverlustes anzunehmen ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 30. September 2010 - V ZB 199/09 -, WuM 2011, S. 122 und vom 7. Oktober 2010, a.a.O., S. 74 <75, Rn. 19 und 21>). Bezogen auf diesen Zeitpunkt sind fundierte Feststellungen zur Gefährdungslage zu treffen (vgl. BGH, Beschluss vom 30. September 2010, a.a.O., S. 122 <123, Rn. 9>).

63

Solchermaßen fundierte Feststellungen lassen sich aus dem amtsärztlichen Zeugnis vom 8. November 2010 nicht ableiten. Es stellt für die Annahme, dass bei der Beschwerdeführerin "kein Anhalt für aktuelle Suizidalität" bestehe, ausschließlich auf den Untersuchungszeitpunkt ab, das heißt - soweit eine Untersuchung stattgefunden hat, was die Beschwerdeführerin im Ausgangsverfahren unter Beweisantritt in Abrede gestellt und das Landgericht unaufgeklärt gelassen hat - auf den 2. November 2010. Eine (fundierte) Prognose der Gefährdungslage für den Zeitpunkt des endgültigen Eigentumsverlusts durch den Eintritt der Rechtskraft des Zuschlagsbeschlusses enthält das Zeugnis nicht. Zudem berücksichtigt es - naturgemäß, weil vor Verkündung des Zuschlagsbeschlusses erteilt - nicht das erst im Beschwerdeverfahren erfolgte Vorbringen der Beschwerdeführerin, dass sich die Suizidgefahr nach Verkündung des Zuschlagsbeschlusses noch verstärkt und verdichtet habe.

64

Auch aus diesen Gründen hätte das Landgericht nicht sich mit dem Schreiben der Amtsärztin vom 8. November 2010 begnügen und von der Einholung des beantragten Sachverständigengutachtens absehen dürfen.

65

(b) Einer ambulanten Behandlung kommt nur dann eine ausschlaggebende Bedeutung zu, wenn mit ihr die konkrete Gefahr eines Suizids bei Durchführung der Vollstreckung bereits ausgeschlossen, jedenfalls aber ganz wesentlich vermindert ist (BGH, Beschluss vom 7. Oktober 2010, a.a.O., S. 74 <76, Rn. 29>).

66

Eine entsprechende Aussage enthält das amtsärztliche Zeugnis vom 8. November 2010 nicht. Dort wird insoweit lediglich mitgeteilt, dass sich die Beschwerdeführerin in regelmäßiger ambulanter psychiatrischer Behandlung bei Frau Dr. M..., Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, in Dresden befinde. Zur Frage, ob und gegebenenfalls welchen Erfolg die ambulante Behandlung der Beschwerdeführerin gebracht hat und/oder nach welcher Behandlungsdauer mit welcher Wahrscheinlichkeit noch erbringen wird, trifft es keine Aussage.

67

Das Landgericht hätte deshalb auch in dieser Richtung mit sachverständiger Hilfe weitere Aufklärung betreiben müssen, wenn es - wie geschehen - den von ihm gezogenen Schluss, dies zeige, dass die Beschwerdeführerin durchaus in der Lage sei, selbst geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die für sie schwierige Situation zu bewältigen, (auch) mit dem im amtsärztlichen Zeugnis berichteten Umstand der ambulanten Behandlung der Beschwerdeführerin rechtfertigen will. Die vom Landgericht vorgenommene bloße Übernahme der Mitteilung über die ambulante Behandlung der Beschwerdeführerin aus dem amtsärztlichen Zeugnis in die angegriffenen Beschlüsse vom 5. Januar 2011 und 8. Februar 2011 reicht hingegen nicht aus.

68

bb) An der Pflicht des Landgerichts zur Erhebung des beantragten Sachverständigenbeweises ändert des Weiteren nichts, dass das Amtsgericht (Vollstreckungsgericht) gegenüber dem Landratsamt und dem Amtsgericht (Betreuungsgericht) die Unterbringung der Beschwerdeführerin angeregt hatte. Der Verweis auf die für den Lebensschutz primär zuständigen Behörden und Betreuungsgerichte dürfte zwar verfassungsrechtlich tragfähig sein, wenn diese entweder Maßnahmen zum Schutz des Lebens des Betroffenen getroffen oder aber eine erhebliche Suizidgefahr gerade für das diese Gefahr auslösende Moment - in Fällen wie hier den endgültigen Eigentumsverlust des Schuldners durch Eintritt der Rechtskraft des Zuschlagsbeschlusses - nach sorgfältiger Prüfung abschließend verneint haben. Davon konnte hier jedoch nicht ausgegangen werden. Das Amtsgericht (Betreuungsgericht) hatte ausweislich seines Schreibens vom 9. November 2010 die Einstellung der Verfahren zur Prüfung der Einrichtung einer Betreuung zugunsten der Beschwerdeführerin und der Unterbringung derselben davon abhängig machen wollen, dass die Beschwerdeführerin am 15. November 2010 die Behandlung in einer Tagesklinik aufnimmt, wozu es jedoch nicht gekommen ist. Mit Beschluss vom 6. Dezember 2010 hat es gleichwohl die Verfahren eingestellt, ohne dass aus dem Einstellungsbeschluss erkennbar wird, welche (weiteren) "Ermittlungen" es durchgeführt hat; in Sonderheit ist weder dargetan noch ersichtlich, dass es zuvor ein Sachverständigengutachten erhoben hätte.

69

cc) Schließlich enthob auch der Umstand, dass die Beschwerdeführerin am 15. November 2010 nicht in die Tagesklinik aufgenommen wurde, das Landgericht nicht der Notwendigkeit, durch Einholung des beantragten medizinischen Sachverständigengutachtens in die Beweisaufnahme einzutreten. Die Abweisung der Beschwerdeführerin durch die Tagesklinik - möglicherweise allein wegen Platzmangels durch nicht-ärztliches Personal, eine Untersuchung der Beschwerdeführerin durch einen Arzt der Tagesklinik hat das Landgericht in den angegriffenen Beschlüssen jedenfalls nicht festgestellt - vermag ein medizinisches Sachverständigengutachten ebenfalls nicht zu ersetzen.

70

d) Nach alledem findet die Nichteinholung des beantragten Sachverständigengutachtens im Prozessrecht keine Stütze. Sie verletzt vielmehr die Beschwerdeführerin in ihrem grundrechtsgleichen Recht auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG.

71

3. Die angegriffenen Beschlüsse des Landgerichts beruhen auf dem Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG, weil nicht auszuschließen ist, dass nach Einholung des Sachverständigengutachtens eine für die Beschwerdeführerin günstigere Entscheidung ergehen wird. Es sind deshalb nach § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG die angegriffenen Beschlüsse des Landgerichts aufzuheben und die Sache ist an das Landgericht zurückzuverweisen, ohne dass entschieden zu werden braucht, ob sie die Beschwerdeführerin auch noch in Grundrechten und/oder weiteren grundrechtsgleichen Rechten verletzen.

IV.

72

Soweit die Verfassungsbeschwerde gegen den Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts gerichtet wird, ist sie nicht zur Entscheidung anzunehmen. Diesbezüglich genügt sie möglicherweise schon nicht den Begründungsanforderungen nach § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG. Jedenfalls aber ist sie insoweit unbegründet. Dem Amtsgericht ist insbesondere, da die Beschwerdeführerin Beweis durch Antrag auf Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens erstmals im Beschwerdeverfahren angetreten hat, bei Erlass des Zuschlagsbeschlusses kein (schwerer) Verfahrensfehler unterlaufen.

73

Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

V.

74

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung im Verfassungsbeschwerdeverfahren beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

75

Der nach § 37 Abs. 2 RVG festzusetzende Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren beträgt mindestens 4.000,00 € und, wenn der Verfassungsbeschwerde durch die Entscheidung einer Kammer stattgegeben wird, in der Regel 8.000,00 €. Hier wird der Verfassungsbeschwerde gegen die Beschlüsse des Landgerichts stattgegeben. Weder die objektive Bedeutung der Sache noch Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit weisen Besonderheiten auf, die zu einer Abweichung Anlass geben.

VI.

76

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Urteilsbesprechung zu Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 26. Okt. 2011 - 2 BvR 320/11

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Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG

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(1) Die Entscheidung nach § 93b und § 93c ergeht ohne mündliche Verhandlung. Sie ist unanfechtbar. Die Ablehnung der Annahme der Verfassungsbeschwerde bedarf keiner Begründung. (2) Solange und soweit der Senat nicht über die Annahme der Verfassungsb

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(1) Erweist sich der Antrag auf Verwirkung der Grundrechte (§ 13 Nr. 1), die Anklage gegen den Bundespräsidenten (§ 13 Nr. 4) oder einen Richter (§ 13 Nr. 9) als unbegründet, so sind dem Antragsgegner oder dem Angeklagten die notwendigen Auslagen ein

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 93c


(1) Liegen die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 Buchstabe b vor und ist die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgebliche verfassungsrechtliche Frage durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, kann die Kammer der Verfassungsb

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Die schriftliche Begutachtung kann durch die Verwertung eines gerichtlich oder staatsanwaltschaftlich eingeholten Sachverständigengutachtens aus einem anderen Verfahren ersetzt werden.

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Tenor Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 10. August 2016 - 2 Sa 62/16 - wird zurückgewiesen.

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(1) Auf Antrag des Schuldners kann das Vollstreckungsgericht eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder einstweilen einstellen, wenn die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Es ist befugt, die in § 732 Abs. 2 bezeichneten Anordnungen zu erlassen. Betrifft die Maßnahme ein Tier, so hat das Vollstreckungsgericht bei der von ihm vorzunehmenden Abwägung die Verantwortung des Menschen für das Tier zu berücksichtigen.

(2) Eine Maßnahme zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen kann der Gerichtsvollzieher bis zur Entscheidung des Vollstreckungsgerichts, jedoch nicht länger als eine Woche, aufschieben, wenn ihm die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 glaubhaft gemacht werden und dem Schuldner die rechtzeitige Anrufung des Vollstreckungsgerichts nicht möglich war.

(3) In Räumungssachen ist der Antrag nach Absatz 1 spätestens zwei Wochen vor dem festgesetzten Räumungstermin zu stellen, es sei denn, dass die Gründe, auf denen der Antrag beruht, erst nach diesem Zeitpunkt entstanden sind oder der Schuldner ohne sein Verschulden an einer rechtzeitigen Antragstellung gehindert war.

(4) Das Vollstreckungsgericht hebt seinen Beschluss auf Antrag auf oder ändert ihn, wenn dies mit Rücksicht auf eine Änderung der Sachlage geboten ist.

(5) Die Aufhebung von Vollstreckungsmaßregeln erfolgt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 und des Absatzes 4 erst nach Rechtskraft des Beschlusses.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Auf Antrag des Schuldners kann das Vollstreckungsgericht eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder einstweilen einstellen, wenn die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Es ist befugt, die in § 732 Abs. 2 bezeichneten Anordnungen zu erlassen. Betrifft die Maßnahme ein Tier, so hat das Vollstreckungsgericht bei der von ihm vorzunehmenden Abwägung die Verantwortung des Menschen für das Tier zu berücksichtigen.

(2) Eine Maßnahme zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen kann der Gerichtsvollzieher bis zur Entscheidung des Vollstreckungsgerichts, jedoch nicht länger als eine Woche, aufschieben, wenn ihm die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 glaubhaft gemacht werden und dem Schuldner die rechtzeitige Anrufung des Vollstreckungsgerichts nicht möglich war.

(3) In Räumungssachen ist der Antrag nach Absatz 1 spätestens zwei Wochen vor dem festgesetzten Räumungstermin zu stellen, es sei denn, dass die Gründe, auf denen der Antrag beruht, erst nach diesem Zeitpunkt entstanden sind oder der Schuldner ohne sein Verschulden an einer rechtzeitigen Antragstellung gehindert war.

(4) Das Vollstreckungsgericht hebt seinen Beschluss auf Antrag auf oder ändert ihn, wenn dies mit Rücksicht auf eine Änderung der Sachlage geboten ist.

(5) Die Aufhebung von Vollstreckungsmaßregeln erfolgt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 und des Absatzes 4 erst nach Rechtskraft des Beschlusses.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Liegen die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 Buchstabe b vor und ist die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgebliche verfassungsrechtliche Frage durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, kann die Kammer der Verfassungsbeschwerde stattgeben, wenn sie offensichtlich begründet ist. Der Beschluß steht einer Entscheidung des Senats gleich. Eine Entscheidung, die mit der Wirkung des § 31 Abs. 2 ausspricht, daß ein Gesetz mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht unvereinbar oder nichtig ist, bleibt dem Senat vorbehalten.

(2) Auf das Verfahren finden § 94 Abs. 2 und 3 und § 95 Abs. 1 und 2 Anwendung.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 1/10
vom
15. Juli 2010
in dem Zwangsversteigerungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Erachtet das Vormundschaftsgericht Maßnahmen zum Schutz des Lebens des
Schuldners nicht für geboten, solange die Zwangsvollstreckung nicht durchgeführt
wird, so setzt die Fortsetzung der Vollstreckung gegen den suizidgefährdeten
Schuldner voraus, dass das Vollstreckungsgericht flankierende Maßnahmen ergreift,
die ein rechtzeitiges Tätigwerden des Vormundschaftsgerichts zur Abwendung der
Suizidgefahr ermöglichen.
BGH, Beschluss vom 15. Juli 2010 - V ZB 1/10 - LG Aachen
AG Aachen
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 15. Juli 2010 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Klein und Dr. Lemke, die
Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 11. Dezember 2009 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen. Die Vollstreckung aus dem Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts Aachen vom 21. Oktober 2009 (Az. 18 K 421/02) wird bis zur erneuten Entscheidung über die Beschwerde der Schuldnerin gegen den Zuschlagsbeschluss einstweilen eingestellt. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 107.200 €.

Gründe:

I.

1
Seit Januar 2003 ist die Zwangsversteigerung des Hof- und Gebäudegrundstücks der Schuldnerin angeordnet. Das Gebäude wird von der suizidgefährdeten Mutter der Schuldnerin bewohnt. Wegen der Gefahr der Selbsttötung hat zunächst das Vollstreckungsgericht das Verfahren einstweilen eingestellt, so dass der erste - auf den 10. Dezember 2003 anberaumte - Versteigerungstermin nicht zum Zuschlag führte. Auf weitere Versteigerungstermine in den Jahren 2004 und 2007 wurde zwar jeweils dem Meistbietenden der Zuschlag erteilt. Das hatte jedoch im Beschwerdeverfahren wegen akuter Suizidgefahr der Mutter keinen Bestand; das Verfahren wurde wiederum einstweilen eingestellt. Der Einstellungsbeschluss vom 2. Juni 2006 lautet auszugsweise: "Bei etwaigen künftigen Entscheidungen über die Frage einer nochmaligen Einstellung des Verfahrens wird das Verhalten der Schuldnerin und ihrer Mutter, die nunmehr einen zeitlichen Aufschub und damit die Gelegenheit einer entsprechenden therapeutischen Behandlung erhält, insoweit kritisch zu beleuchten sein, vor allem im Hinblick auf ein ernsthaftes Bemühen um eine Verringerung des Suizidrisikos."
2
In dem gerichtlich eingeholten Sachverständigengutachten vom 25. Januar 2008 heißt es u.a., es sei eine insbesondere an das Zwangsversteigerungsverfahren gekoppelte sehr ernst zu nehmende "suizidale Reaktionsbereitschaft" der Mutter der Schuldnerin zu bejahen. Diese sei mehrfach nachdrücklich auf das Erfordernis einer weiterführenden ambulanten Therapie hingewiesen worden.
3
Der Aufforderung zu einer ambulanten Behandlung wegen der psychischen Situation kam die Mutter nach den Ausführungen des Sachverständigen nicht nach. Nach ihren Angaben hat sie sich lediglich weiterhin von ihrer Hausärztin psychopharmakologisch behandeln lassen. Daher stellte das Beschwerdegericht mit Beschluss vom 21. Juli 2008 das Verfahren nur noch für die Dauer von drei Monaten unter der Auflage ein, die Schuldnerin möge binnen eines Monats die Stellung eines Antrages bei dem Vormundschaftsgericht mit dem Ziel der Bestellung eines Betreuers für ihre Mutter nachweisen. Da die Schuld- nerin dem nicht nachkam, ordnete das Vollstreckungsgericht im September 2008 die Fortsetzung des Verfahrens an. Auf den darauf von der Schuldnerin gestellten Antrag bestellte das Vormundschaftsgericht Ende März 2009 einen Betreuer mit den Aufgabenkreisen Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmungsrecht und Vermögenssorge.
4
Darauf hat das Vollstreckungsgericht einen neuen Versteigerungstermin auf den 2. Oktober 2009 anberaumt, die Terminsbestimmung auch dem Betreuer zugestellt und unter Schilderung der Problematik auch das Vormundschaftsgericht eingeschaltet. Dabei hat es darauf hingewiesen, dass ein Zuschlag nur erteilt werden könne, wenn die Mutter untergebracht oder dies von dem Vormundschaftsgericht abgelehnt werde.
5
Nachdem der Beteiligte zu 4 in dem Versteigerungstermin Meistbietender geblieben war, hat das Vollstreckungsgericht Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 21. Oktober 2009 bestimmt. Noch vor diesem Termin lehnte das Vormundschaftsgericht die Unterbringung der Mutter mit der Begründung ab, die Voraussetzungen für eine Unterbringung lägen - derzeit - nicht vor. Auch der Betreuer sehe nach Rücksprache mit dem behandelnden Psychologen keine akute Gefährdung. Am 20. Oktober 2009 hat die Schuldnerin erneut beantragt , den Zuschlag zu versagen und das Verfahren einstweilen einzustellen. Ihre Mutter habe abermals erklärt, sie werde das Haus "nur mit den Füßen voraus" verlassen.
6
In dem Verkündungstermin hat das Vollstreckungsgericht unter Zurückweisung des Vollstreckungsschutzantrages dem Meistbietenden den Zuschlag erteilt. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Schuldnerin ist erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt sie ihre Anträge weiter.

II.

7
Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, die bestehende Suizidgefahr für die Mutter der Schuldnerin schließe die Zuschlagserteilung nach dem Ergebnis der Abwägung der widerstreitenden grundrechtsrelevanten Positionen der Beteiligten nicht aus. Wie der Verfahrensverlauf zeige, habe die Gläubigerin bisher in erheblichem Maße zurückstecken müssen. Zwar bestehe für den Fall der endgültigen Erteilung des Zuschlags auch weiterhin die konkrete und hohe Gefahr, dass sich die Mutter töten werde. Die Fortführung des Zwangsversteigerungsverfahrens sei jedoch auch in solchen Fällen möglich, wenn die Lebensgefahr anders als durch die Einstellung des Verfahrens - insbesondere durch eine Ingewahrsamnahme des Suizidgefährdeten - abgewendet werden könne. So liege es hier. Das Vollstreckungsgericht habe mit der Erteilung von Auflagen, der Anrufung des Vormundschaftsgerichts und der Einschaltung des Betreuers alles in seiner Macht stehende getan. Halte aber das zuständige Vormundschaftsgericht eine Unterbringung nicht für erforderlich und werde eine solche Entscheidung bestandskräftig, dürfe die Zwangsvollstreckung im Regelfall fortgesetzt werden. Die verbleibende Gefahr der Selbsttötung müsse nach einer Entscheidung des Vormundschaftsgerichts als der für die Frage der Unterbringung primär zuständigen Stelle entweder hingenommen werden oder aber der Betreuer sei gehalten, bei Eintritt einer akuten Gefahr die Unterbringung zu veranlassen.

III.

8
1. Die gemäß § 96 ZVG i.V.m. § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und nach § 575 ZPO auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). http://www.juris.de/jportal/portal/t/aa1/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=14&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR005330950BJNE095904301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/aa1/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=14&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE317122005&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/bkz/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=14&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE313762007&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/bkz/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=14&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE313762007&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/aa1/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=14&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR000010949BJNE001800314&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 6 -
9
a) Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen kommt zwar eine Zurückweisung des von der Schuldnerin nach § 765a ZPO beantragten Vollstreckungsschutzes in Betracht. Für eine abschließende Entscheidung bedarf es jedoch noch Feststellungen unter dem Blickwinkel der Verhältnismäßigkeit.
10
aa) (1) Das Beschwerdegericht legt zutreffend zugrunde, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Senat, BGHZ 163, 66, 73; Beschl. v. 24. November 2005, V ZB 99/05, NJW 2006, 505, 506 f.; Beschl. v. 14. Juni 2007, V ZB 28/07, WM 2007, 1667, 1668; Beschl. v. 6. Dezember 2007, V ZB 67/07, NJW 2008, 586, 587; vgl. auch BGH, Beschl. v. 4. Mai 2005, I ZB 10/05, NJW 2005, 1859, 1860 m.w.N.) selbst dann, wenn mit der Zwangsvollstreckung - wie hier - eine konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit des Schuldners oder eines nahen Angehörigen verbunden ist, eine Zwangsversteigerung nicht ohne weiteres (einstweilen) einzustellen ist. Geht die Lebensgefahr nicht von dem mit der Zuschlagserteilung einhergehenden Eigentumsverlust aus, sondern nur von der nach dem Zuschlag drohenden Zwangsräumung, darf der Zuschlag nicht versagt werden. Ist indessen - wie hier - davon auszugehen , dass die Lebensgefahr schon deshalb besteht, weil der Schuldner oder ein naher Angehöriger den Eigentumsverlust befürchtet, ist stets eine Abwägung der in solchen Fällen ganz besonders gewichtigen Interessen des Betroffenen (Lebensschutz, Art. 2 Abs. 2 GG) mit den Vollstreckungsinteressen des Gläubigers geboten. Dabei darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass sich auch der Gläubiger auf Grundrechte berufen kann. Unterbleibt die Fortsetzung des Zwangsversteigerungsverfahrens wegen der Annahme einer Suizidgefahr, die auch bei sorgfältiger fachlicher Prüfung nur auf der Beurteilung von Wahrscheinlichkeiten beruhen kann, wird in das Grundrecht des Gläubigers auf Schutz seines Eigentums (Art. 14 Abs. 1 GG) eingegriffen. Die Aufgabe des Staates, das Recht zu wahren, umfasst die Pflicht, titulierte Ansprüche notfalls mit Zwang durchzusetzen und dem Gläubiger zu seinem Recht zu verhelfen (BVerfGE 49, 220, 231). Der Gläubiger hat gemäß Art. 19 Abs. 4 GG einen verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch auf wirksamen Rechtsschutz (vgl. BVerfGE 49, 220, 225). Ihm dürfen nicht die Aufgaben überbürdet werden, die aufgrund des Sozialstaatsprinzips dem Staat und damit der Allgemeinheit obliegen (BGH, Beschl. v. 4. Mai 2005, I ZB 10/05, NJW 2005, 1859, 1860 m.w.N.). Mit Blick auf die Interessen des Erstehers gilt nichts anderes (vgl. auch Senat, Beschl. v. 14. Juni 2007, V ZB 28/07, NJW 2007, 3719, 3721).
11
(2) Vor diesem Hintergrund ist deshalb auch dann, wenn bei einer Räumungsvollstreckung eine konkrete Suizidgefahr für einen Betroffenen besteht, sorgfältig zu prüfen, ob dieser Gefahr nicht auch auf andere Weise als durch Einstellung der Zwangsvollstreckung wirksam begegnet werden kann. Hierzu gehören zum einen zumutbare Anstrengungen des Suizidgefährdeten selbst (vgl. etwa BVerfG NJW 1992, 1155; 1993, 463, 464; 2004, 49 f.), etwa die Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe, ggf. auch unter Einbeziehung eines stationären Klinikaufenthaltes. Darüber hinaus kommen als mögliche Maßnahmen auch die Ingewahrsamnahme des Gefährdeten insbesondere nach polizeirechtlichen Vorschriften oder dessen Unterbringung nach den landesrechtlichen Vorschriften in Betracht (Senat, Beschl. v. 24. November 2005, V ZB 99/05, NJW 2006, 505, 506; vgl. auch BGH, Beschl. v. 4. Mai 2005, I ZB 10/05, NJW 2005, 1859, 1860). Da die staatliche Aufgabe des Lebensschutzes des Schuldners nicht durch eine dauerhafte Einstellung der Vollstreckung gelöst werden kann, sind die Vollstreckungsorgane ggf. gehalten, bei den zuständigen Behörden eine Unterbringung des Schuldners oder bei dem Vormundschaftsgericht eine Betreuung anzuregen und dabei darauf hinzuweisen, dass die Vollstreckung fortzusetzen sein wird, wenn die für den Lebensschutz primär zuständigen Behörden und Vormundschaftsgerichte Maßnahmen zum Schutze des Lebens des Schuldners nicht für notwendig erachten. Wird danach eine Unterbringung zum Schutze des Lebens des Schuldners nicht für erforderlich gehalten und wird diese Entscheidung bestandskräftig, so liegt darin eine Entscheidung der für die Frage der Unterbringung unter dem Gesichtspunkt der Selbstgefährdung primär zuständigen Stelle, die es im Regelfall gestattet, die Zwangsvollstreckung fortzusetzen (Senat, Beschl. v. 14. Juni 2007, V ZB 28/07, NJW 2007, 3719, 3721). Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts liegt ein solcher Regelfall hier nicht vor.
12
Der Verweis auf die Primärzuständigkeit des Vormundschaftsgerichts ist nur tragfähig, wenn dieses Gericht lebensschützende Maßnahmen ergriffen oder aber eine erhebliche Suizidgefahr gerade für das diese Gefahr auslösende Moment - hier den endgültigen Eigentumsverlust der Schuldnerin - verneint hat. So verhält es sich hier jedoch nicht. Zwar hat das Vormundschaftsgericht eine Unterbringung der Mutter der Schuldnerin abgelehnt. Nicht aber hat es die akute Gefahr eines Suizides für den Fall des endgültigen Eigentumsverlustes verneint , sondern (nur) darauf abgestellt, dass "gegenwärtig" eine solche Gefahr nicht vorliege. Bliebe man hierbei stehen, wäre die Fortführung des Zwangsversteigerungsverfahrens - wie das Beschwerdegericht richtig sieht - blockiert. Solange kein endgültiger Eigentumsverlust eintritt, besteht nach der Auffassung des Vormundschaftsgerichts keine akute Suizidgefahr. Ohne eine solche Gefahr trifft dieses Gericht keine sichernden Maßnahmen. Das wiederum hätte zur Folge, dass der Zuschlag nicht aufrecht erhalten werden dürfte.
13
Den Ausweg aus dieser - insbesondere mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben eines effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) unvereinbaren - Blockadesituation sieht der Senat in Folgendem: Trägt die Entscheidung des Vormundschaftsgerichts zur Behebung des Dilemmas nicht bei, weil die Ablehnung lebenssichernder Maßnahmen nicht auf eine Bewertung der Bedrohungs- lage bezogen auf den Zeitpunkt des endgültigen Eigentumsverlustes gestützt wird, hindert dieser Umstand nicht, den Zuschlag (bzw. die Zurückweisung des Antrages auf weitere Verfahrenseinstellung) zu bestätigen, sofern der drohenden Suizidgefahr effektiv durch flankierende Maßnahmen Rechnung getragen wird. Das kann dadurch geschehen, dass das Vollstreckungsgericht die bestätigende Entscheidung zunächst nur dem Vormundschaftsgericht (sowie ggf. auch einem bestellten Betreuer) - unter deutlicher Hervorhebung der mit dem Bekanntwerden der abschlägigen Entscheidung mit hoher Wahrscheinlichkeit eintretenden akuten Lebensgefahr - zustellt, die Herausgabe des Beschlusses an die Verfahrensbeteiligten nach Ablauf einer bestimmten Frist ankündigt, sich des Eingangs dieser Ankündigung vergewissert, die Zustellung an die Verfahrensbeteiligten erst nach Fristablauf veranlasst und das Vormundschaftsgericht hiervon nochmals in geeigneter Weise unter erneuter Hervorhebung der Dringlichkeit und der Bedeutung der Sache informiert. Dann muss das - mit der Sache ohnehin schon vorbefasste - Vormundschaftsgericht im Rahmen der primär ihm zugewiesenen Verantwortung für den Lebensschutz darüber befinden, ob nunmehr eine akute Selbstgefährdung vorliegt oder nicht. Bejaht es eine solche Gefahr, obliegt es ihm, die erforderlichen (Eil-)Maßnahmen zu treffen.
14
bb) Nicht hinreichend beachtet hat das Beschwerdegericht indessen den auch im Zwangsversteigerungsverfahren zu beachtenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. nur Senat, Beschl. v. 14. Juni 2007, V ZB 28/07, NJW 2007, 3719, 3720 f.; Zöller/Stöber, ZPO, 28. Aufl., vor § 704 Rdn. 29 m.w.N.). Zwar hat es der Sache nach zu Recht angenommen, dass der Gefahr der Selbsttötung vorliegend nicht effektiv mit dem milderen Mittel ambulanter therapeutischer Maßnahmen begegnet werden kann. Nicht geprüft hat es jedoch, ob die Dauer einer Unterbringung außer Verhältnis steht zu dem damit verfolgten Zweck der Fortführung des Zwangsversteigerungsverfahrens. Steht fest oder ist aller Voraussicht nach davon auszugehen, dass die Anordnung der Unterbringung zu einer bloßen Verwahrung auf Dauer führte, so ist eine Freiheitsentziehung zur Ermöglichung der Zwangsvollstreckung unverhältnismäßig und das Verfahren (ggf. erneut) auf bestimmte Zeit einzustellen (Senat, Beschl. v. 6. Dezember 2007, V ZB 67/07, NJW 2008, 586). Gleiches gilt, wenn der Gefahr der Selbsttötung nur durch eine außer Verhältnis stehende jahrelange Unterbringung ohne erkennbaren therapeutischen Nutzen begegnet werden kann. Anders verhält es sich dagegen, wenn innerhalb eines überschaubaren Zeitraumes eine Chance dafür besteht, dass die Freiheitsentziehung zu einer Stabilisierung des Suizidgefährdeten führen und durch therapeutische Maßnahmen während der Unterbringung die Grundlage für ein Leben in Freiheit ohne konkrete Suizidgefährdung gelegt werden kann. Tatrichterliche Feststellungen hierzu hat das Beschwerdegericht nicht getroffen. Dies wird nachzuholen sein.
15
b) Kann die Beschwerdeentscheidung danach keinen Bestand haben, ist die Sache an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen, damit dieses die erforderlichen Feststellungen treffen kann (§ 577 Abs. 4 Satz 1 u. Abs. 5 Satz 1 ZPO).
16
2. Da aus dem Zuschlagsbeschluss bereits vor dem Eintritt der Rechtskraft vollstreckt werden kann und die Aufhebung der Entscheidung des Beschwerdegerichts dem Zuschlagsbeschluss die Vollstreckbarkeit nicht nimmt, ist die Aussetzung der Vollstreckung bis zur erneuten Entscheidung des Beschwerdegerichts nach §§ 574 Abs. 1, § 570 Abs. 3 ZPO durch das Rechtsbe- schwerdegericht auszusprechen (Senat, Beschl. v. 14. Juni 2007, V ZB 28/07, NJW 2007, 3719, 3721; vgl. auch BVerfG NJW 1994, 1719, 1720; NJW 2004, 49, 50; NZM 2005, 657, 659). Krüger Lemke Zugleich für RiBGH Dr. Klein, der wegen Urlaubs verhindert ist zu unterschreiben. Stresemann Czub
Vorinstanzen:
AG Aachen, Entscheidung vom 21.10.2009 - 18 K 421/02 -
LG Aachen, Entscheidung vom 11.12.2009 - 3 T 433/09 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 82/10
vom
7. Oktober 2010
in dem Zwangsversteigerungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der Umstand, dass ein Schuldner im Zwangsversteigerungsverfahren geltend
macht, dass sein Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit verletzt
wird, begründet - für sich genommen - keinen Grund für die Zulassung der
Rechtsbeschwerde.
BGH, Beschluss vom 7. Oktober 2010 - V ZB 82/10 - LG Essen
AG Essen
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. Oktober 2010 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richterin Dr. Stresemann, die Richter
Dr. Czub und Dr. Roth und die Richterin Dr. Brückner

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Essen vom 4. März 2010 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen. Die Vollstreckung aus dem Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts Essen vom 11. Juli 2008 (183 K 030/04) wird bis zur erneuten Entscheidung über die Beschwerde der Schuldnerin gegen den Zuschlagsbeschluss eingestellt. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 440.000 €.

Gründe:

I.

1
Die Schuldnerin (Beteiligte zu 1) ist Eigentümerin des im Rubrum bezeichneten Grundstücks. Auf Antrag der Beteiligten zu 3 wurde im Jahre 2004 die Zwangsversteigerung angeordnet. Die Beteiligten zu 4 und zu 5 sind dem Verfahren als weitere Gläubiger beigetreten. Im Verlauf des Zwangsversteige- rungsverfahrens wurde im Dezember 2007 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Beteiligte zu 2 zum Insolvenzverwalter ernannt.
2
Das Vollstreckungsgericht hat nach einem am 11. Juli 2008 durchgeführten Versteigerungstermin das Grundstück mit Beschluss vom gleichen Tage den Beteiligten zu 6 als Meistbietenden zugeschlagen. Gegen den Zuschlagsbeschluss hat die Schuldnerin Beschwerde eingelegt, die sie unter Hinweis auf ein von ihr vorgelegtes nervenfachärztliches Attest mit einer akuten Gefahr der Selbsttötung begründet hat.
3
Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen, das Landgericht hat sie unter Hinweis auf die Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters als unzulässig zurückgewiesen. Nach Aufhebung dieser Entscheidung durch Beschluss des Senats vom 12. März 2009 (V ZB 155/08; veröffentlicht in WuM 2009, 314 f.) hat das Landgericht nach Einholung eines neurologischpsychiatrischen Gutachtens die Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen; dagegen wendet sich die Schuldnerin mit ihrer von dem Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

4
Das Beschwerdegericht meint, dass ein Zuschlagsversagungsgrund nach § 83 Nr. 6 ZVG nicht vorliege. Die Zwangsversteigerung sei nicht aus einem sonstigen Grunde unzulässig, weil der Schuldnerin kein Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO zu gewähren sei. Eine besondere Härte liege nicht vor; der Gesundheitszustand der Schuldnerin gebiete weder eine Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses noch eine Einstellung oder Aufhebung der Zwangsvollstreckung.
5
Zwar verpflichte das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG die Vollstreckungsgerichte bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 765a ZPO die dem Schuldner in der Zwangsvollstreckung gewährten Grundrechte zu berücksichtigen. Bei der Abwägung der gegenläufigen Interessen sei aber auch den Belangen des Vollstreckungsgläubigers, die durch das Grundrecht in Art. 14 Abs. 1 GG geschützt seien, angemessen Rechnung zu tragen. Vorliegend überwögen die Interessen der Schuldnerin diejenigen der Gläubiger an der Fortsetzung der Zwangsvollstreckung nicht.
6
Eine konkrete Suizidgefahr sei nicht gegeben. Der Sachverständige habe bei der Schuldnerin eine leichtgradige depressive Episode festgestellt, eine akute Suizidgefahr aber verneint. Zwar sei durch das Zwangsversteigerungsverfahren mit einer Zuspitzung der depressiven Symptomatik zu rechnen, aber auch dann könne von einer akuten Suzidialität nicht unbedingt ausgegangen werden, wenn diese auch, wie in ähnlich gelagerten Zwangsversteigerungsverfahren , nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden könne. Die Verschlechterung des Gesundheitszustands der Schuldnerin, mit der zu rechnen sei, verbunden mit der Möglichkeit einer Kurzschlusshandlung stelle ein allgemeines Lebensrisiko dar, das eine Einstellung der Zwangsversteigerung nicht rechtfertige.
7
Der Umstand, dass die Schuldnerin sich - erst sehr spät - in eine ambulante Psychotherapie begeben habe und damit beitrage, ihre gesundheitlichen Probleme dauerhaft zu lösen, könne angesichts dessen, dass mit einer Kurzschlusshandlung keineswegs sicher zu rechnen sei, nicht dazu führen, die berechtigten Interessen der Gläubiger an einer Fortsetzung der Zwangsvollstreckung hinter denen der Schuldnerin zurücktreten zu lassen.

III.

8
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
9
1. Die form- und fristgerecht (§ 575 ZPO) eingelegte Rechtsbeschwerde ist allein auf Grund der Bindung des Senats an die Zulassung (§ 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO) als statthaft zu behandeln.
10
a) Die Zulassungsentscheidung des Beschwerdegerichts beruht allerdings auf einem Rechtsfehler, weil sie die an Allgemeinbelange gebundene Beschränkung des Zugangs zur Rechtsbeschwerde außer Acht lässt. Für die Rechtsbeschwerde gelten dieselben Zulassungsgründe (§ 574 Abs. 2 ZPO) wie für die Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO). Beide Rechtsmittel dienen in erster Linie der Wahrung der Rechtseinheit und der Rechtsfortbildung, hinter denen das Interesse des Einzelnen an einer nochmaligen Überprüfung der Entscheidung in einer dritten Instanz zurücktritt (BT-Drucks. 14/4722, S. 66). Das Beschwerdegericht hat dieser Beschränkung der Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde Rechnung zu tragen, und darf diese nur bei Vorliegen eines der im Gesetz benannten Zulassungsgründe zulassen (BT-Drucks. 14/4722, S. 116).
11
Das hat das Beschwerdegericht nicht beachtet. Die Rechtssache hat insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung, weil sie keine entscheidungserhebliche , klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann (dazu Senat, Beschlüsse vom 4. Juli 2002 - V ZR 16/02, BGHZ 151, 221, 223 und vom 27. März 2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 291). Eine derartige Bedeutung kommt einer Rechtsbeschwerde in einer Zwangsversteigerungssache nicht schon deshalb zu, weil der Schuldner bei einer Fortsetzung des Verfahrens möglicherweise suizidgefährdet ist. Ob das zutrifft, ist in erster Linie eine Tatfrage, deren Beantwortung von der Psyche des jeweiligen Schuldners abhängt.
12
b) Ein Zulassungsgrund ergibt sich nach dem Vorstehenden - entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts - auch nicht daraus, dass eine Gefährdung des Grundrechts der Beteiligten zu 1 auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) im Raum steht.
13
Der Gesetzgeber kann zwar dem besonderen Interesse eines Verfahrensbeteiligten , das sich aus einer möglichen Gefährdung eines Grundrechts ergibt, dadurch Rechnung tragen, dass er eine von den an Interessen der Allgemeinheit anknüpfenden Zulassungsvoraussetzungen unabhängige, zulassungsfreie Rechtsbeschwerde zur Verfügung stellt, wie er es für die Unterbringungssachen und die Freiheitsentziehungen in § 70 Abs. 3 FamFG bestimmt hat (vgl. dazu BT-Drucks. 16/9733, S. 290). Hat der Gesetzgeber jedoch - wie bei allen anderen Beschwerden - eine solche Anfechtbarkeit der Entscheidung über das Rechtsmittel nicht vorgesehen, ist es einem Gericht verwehrt, außerhalb der gesetzlichen Zulassungsgründe eine zusätzliche Instanz zu eröffnen.
14
Dem Gesetzgeber, der ein Rechtmittel einräumt, steht es nämlich auch frei, dieses auf die Rüge bestimmter Rechtsverletzungen zu beschränken (BVerfG, NJW 2004, 1371). Die gegenteilige Entscheidung des Beschwerdegerichts verstößt somit gegen den Grundsatz der gesetzlichen Bestimmtheit der zulässigen Rechtsmittel (BVerfG, NJW 2004, 1371, 1372) und gegen das Gebot , dass allen Bürgern unter den gleichen gesetzlichen Voraussetzungen Zugang zur Rechtsmittelinstanz gewährleistet sein muss.
15
2. Die Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg, weil die angefochtene Entscheidung nur im Ausgangspunkt richtig ist.
16
Die Gefährdung des unter den Schutz des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG stehenden Lebens des Schuldners durch die Versteigerung oder die Fortsetzung des Verfahrens ist ein im Zuschlagsbeschwerdeverfahren nach § 100 Abs. 1, 3 i.V.m. § 83 Nr. 6 ZVG von Amts wegen zu berücksichtigender Umstand, auch wenn - wie hier - ein mit der Suizidgefahr begründeter Vollstreckungsschutzantrag nach § 765a ZPO erst im Beschwerdeverfahren gestellt wird (Senat, Beschluss vom 24. November 2005 - V ZB 99/05, NJW 2006, 505, 507; BVerfG, NJW 2007, 2910, 2911).
17
3. Das Beschwerdegericht hat jedoch auf der Grundlage des Beweisergebnisses rechtsfehlerhaft eine konkrete Lebensgefahr verneint.
18
a) Eine Aufhebung oder Einstellung der Zwangsvollstreckung wegen einer Suizidgefahr gemäß § 765a ZPO kommt allerdings nur dann in Betracht, wenn mit der Durchführung der Zwangsvollstreckung eine konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit des Schuldners oder eines nahen Angehörigen verbunden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Januar 2010 - I ZB 34/09, WuM 2010, 250, 251; Senat, Beschluss vom 15. Juli 2010 - V ZB 1/10, WuM 2010, 587, 588).
19
Ist - wie hier - der Zuschlag bereits erteilt worden, kommt es für die Entscheidung über die Zuschlagsbeschwerde darauf an, ob eine Suizidgefahr für den Fall eines endgültigen Eigentumsverlusts zu bejahen ist (Senat, Beschlüsse vom 24. November 2005 - V ZB 99/05, NJW 2006, 505, 507 und vom 15. Juli 2010 - V ZB 1/10, aaO). Der Tatrichter hat darauf bezogen zu würdigen, ob die ernsthafte Befürchtung der Selbsttötung besteht. Seine damit einhergehende Prognoseentscheidung hat er nicht zuletzt mit Blick auf den hohen Rang, der dem Schutzgut Leben zukommt, nachvollziehbar zu begründen (Senat, Beschluss vom 30. September 2010 - V ZR 199/09, Umdr. S. 5 - zur Veröffentlichung vorgesehen).
20
b) Der angefochtene Beschluss wird den sich daraus ergebenden Anforderungen nicht gerecht, weil die Verneinung der konkreten Gefahr eines Sui- zids der Schuldnerin auf den falschen Zeitpunkt bezogen und die Möglichkeit einer Kurzschlusshandlung von dem Beschwerdegericht rechtsfehlerhaft dem allgemeinen Lebensrisiko der Schuldnerin zugerechnet worden ist.
21
aa) Das Beschwerdegericht stellt bei der Annahme, dass gegenwärtig keine Suizidgefahr bestehe, auf den Zeitpunkt der Untersuchung durch den Gutachter ab. Für den weiteren Verlauf der Zwangsversteigerung geht das Beschwerdegericht selbst von einer Verschlechterung des Gesundheitszustands der Schuldnerin infolge einer Zuspitzung der depressiven Symptomatik aus. Bei der Entscheidung über eine Zuschlagsbeschwerde kommt es jedoch vor allem auf den Zeitpunkt an, in dem der Eigentumsverlust des Hauses - in dem die Schuldnerin ihr Lebenswerk sieht - endgültig feststeht.
22
Der Verlust des Eigentums muss die konkrete Gefahr einer Selbsttötung der Schuldnerin hervorrufen. Welche Folgen der Eintritt der Rechtskraft des Zuschlagsbeschlusses bei der Schuldnerin auslösen würde, steht nach der Beweisaufnahme nicht fest, weil das Beschwerdegericht - wie der Gutachter - sowohl die Hinnahme des Verlustes des Hauses durch die Schuldnerin als auch eine Selbsttötung auf Grund einer Kurzschlusshandlung für möglich halten.
23
Bei der von dem Schuldner geltend gemachten Suizidgefahr ist der Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO jedoch nicht schon dann zu versagen, wenn - wie hier - das Beweisergebnis nach einer neurologisch-psychiatrischen Begutachtung in Bezug auf das künftige Verhalten der Schuldnerin offen ist. Die Einwendung des Schuldners setzt nicht den Nachweis voraus, dass es bei der Durchführung der Vollstreckung zu einer Selbsttötung kommen wird. Der Beweis einer konkreten Lebensgefahr ist erbracht, wenn nach den von dem Tatrichter zu würdigenden Umständen die ernsthafte Gefahr einer Selbsttötung besteht (Senat, Beschluss vom 30. September 2010 - V ZR 199/09, Umdr. S. 5 - zur Veröffentlichung vorgesehen).
24
Eine derartige Gefahr ist - trotz der entgegenstehenden Behauptung des Schuldners - allerdings zu verneinen, wenn die vorgebrachten Selbsttötungsgedanken nach den gesamten Umständen, insbesondere der Persönlichkeitsstruktur des Schuldners, sich als nur vorgespiegelt darstellen oder die Gefahr einer Selbsttötung nur noch so vage im Raume steht, dass von einer Verwirklichung ernsthaft nicht ausgegangen werden kann. Solche Umstände hat das Beschwerdegericht indes nicht festgestellt, und sie ergeben sich auch nicht aus dem in den Beschlussgründen mitgeteilten Inhalt des Gutachtens.
25
bb) Verfehlt ist es, die zu erwartende Verschlechterung des Gesundheitszustands der Schuldnerin und die sich daraus ergebende Möglichkeit einer Kurzschlusshandlung dem allgemeinen Lebensrisiko der Schuldnerin zuzuordnen , das eine Einstellung der Zwangsvollstreckung nicht rechtfertigen soll. Eine solche Sichtweise wird dem in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG enthaltenen Gebot zum Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit nicht gerecht. Sie verdrängt nämlich den Umstand, dass die Möglichkeit einer Kurzschlusshandlung allein durch die Zwangsvollstreckung hervorgerufen wird, und schließt damit die Gefahr der Selbsttötung infolge der Vollstreckung von der gebotenen Abwägung der widerstreitenden, grundrechtlich geschützten Interessen des Schuldners auf der einen und des Vollstreckungsgläubigers sowie des Erstehers auf der anderen Seite (dazu unten 3) von vornherein aus.
26
Das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit verpflichtet die Vollstreckungsgerichte jedoch dazu, das Verfahren so durchzuführen, dass den verfassungsrechtlichen Schutzpflichten Genüge getan wird (BVerfGE 52, 214, 219; NZM 2005, 657, 658). Kann das Leben des Schuldners durch eine Vollstreckungsmaßnahme in Gefahr geraten, weil dieser unfähig ist, aus eigener Kraft oder mit zumutbarer fremder Hilfe die Konfliktsituation situationsangemessen zu bewältigen, muss das Vollstreckungsgericht diesen Umstand beachten und ihm bei der Durchführung des Verfahrens Rechnung tragen (vgl. BVerfG NJW 1994, 1719, 1720; NJW-RR 2001, 1523, 1524).
27
3. Der Beschluss stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 577 Abs. 3 ZPO).
28
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichthofs ist allerdings selbst dann, wenn mit der Zwangsvollstreckung eine konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit des Schuldners oder eines nahen Angehörigen verbunden ist, die Zwangsversteigerung nicht ohne weiteres einzustellen (BGH, Beschluss vom 4. Mai 2005 - I ZB 10/05, BGHZ 163, 66, 73; zuletzt ausführlich dazu Senat, Beschluss vom 15. Juli 2010 - V ZB 17/10, WuM 2010, 587, 588 mwN). Vielmehr ist zur Wahrung der ebenfalls grundrechtlich geschützten Interessen des Vollstreckungsgläubigers und des Erstehers zu prüfen, ob der Suizidgefahr nicht anders als durch eine Einstellung der Zwangsversteigerung wirksam begegnet werden kann (BGH, Beschluss vom 14. Januar 2010 - I ZB 34/09, WuM 2010, 250, 251; Senat, Beschluss vom 15. Juli 2010 - V ZB 1/10, WuM 2010, 587, 588 - jeweils mwN). Solche Maßnahmen können die Art und Weise der Durchführung der Zwangsvollstreckung, aber auch die Ingewahrsamnahme des Suizidgefährdeten betreffen; sie sind jedoch nur dann geeignet, der Suizidgefahr entgegenzuwirken, wenn auch ihre Vornahme weitestgehend sichergestellt ist (Senat, Beschlüsse vom 24. November 2005 - V ZB 24/05, NJW 2006, 508 und vom 14. Juni 2007 - V ZB 28/07, NJW 2007, 3719, 3720).
29
b) Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Die Suizidgefahr ist nicht schon dadurch abgewendet, dass sich die Schuldnerin entsprechend dem Hinweis in dem gerichtlichen Gutachten in eine ambulante Psychotherapie begeben hat, um für zukünftige Belastungen und den Umgang mit ihren Ängsten besser gewappnet zu sein. Eine Psychotherapie gehört zwar zu den Maßnahmen , mit denen einer Suizidgefahr begegnet werden kann (vgl. Senat, Be- schluss vom 15. Juli 2010 - V ZB 1/10, WuM 2010, 587, 588). Einer ambulanten Behandlung kommt aber nur dann eine ausschlaggebende Bedeutung zu, wenn mit ihr die konkrete Gefahr eines Suizids bei Durchführung der Vollstreckung bereits ausgeschlossen, jedenfalls aber ganz wesentlich vermindert ist (vgl. BVerfG, NJW-RR 1993, 463, 464; NJW 1998, 295, 296). Dass die begonnene Therapie bereits solche Wirkungen herbeigeführt hätte, hat das Beschwerdegericht jedoch nicht festgestellt, sondern unabhängig davon den Vollstreckungsschutzantrag zurückgewiesen, weil es die noch bestehende Suizidgefahr rechtsfehlerhaft als Teil des allgemeinen Lebensrisikos der Schuldnerin gewürdigt hat, das bei einer Abwägung mit den Interessen der Vollstreckungsgläubiger nicht ins Gewicht falle.

IV.

30
1. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Dabei wird das Beschwerdegericht Folgendes zu beachten haben:
31
a) Es wird zunächst zu prüfen sein, ob eine Selbsttötung bei einem endgültigen Eigentumsverlust durch den Eintritt der Rechtskraft des Zuschlagsbeschlusses ernsthaft zu befürchten ist (dazu: BVerfG, NJW 2007, 2910, 2911; Senat, Beschlüsse vom 24. November 2005 - V ZB 99/05, NJW 2006, 505, 507 und vom 15. Juli 2010 - V ZB 1/10, WuM 2010, 587, 588). Soweit hieran - auch im Hinblick auf die Ausführungen in dem Gutachten zum psychischen Befund der Schuldnerin bei der Untersuchung - Zweifel bestehen, kommt als weitere Grundlage für die tatrichterliche Überzeugungsbildung eine Anhörung der Schuldnerin in Anwesenheit des Gutachters in Betracht.
32
b) Ist danach eine konkrete Suizidgefahr zu bejahen, wird das Beschwerdegericht andere Maßnahmen prüfen müssen, um der Gefahr einer Selbsttötung der Schuldnerin zu begegnen. Hierbei wird - wenn die begonnene ambulante Therapie keine Aussicht auf einen nachhaltigen Erfolg in angemessener Zeit verspricht - auch eine Anfrage beim Betreuungsgericht in Bezug auf eine befristete Betreuung oder Unterbringung für die Zeit bis zum Abschluss des Verfahrens in Erwägung zu ziehen sein (vgl. Senat, Beschluss vom 14. Juni 2007 - V ZB 28/07, NJW 2007, 3719, 3721). Für das weitere Verfahren zur Vermeidung einer Blockade zwischen Vollstreckungs- und Betreuungsgericht wird auf den Beschluss des Senats vom 15. Juli 2010 - V ZB 1/10, WuM 2010, 587, 588) verwiesen.
33
2. Da aus dem Zuschlagsbeschluss schon vor dem Eintritt der Rechtskraft vollstreckt werden kann und die Aufhebung der Entscheidung des Beschwerdegerichts dem Zuschlagsbeschluss die Vollstreckbarkeit nicht nimmt, ist die Aussetzung der Vollstreckung bis zur erneuten Entscheidung des Beschwerdegerichts gemäß §§ 575 Abs. 5, 570 Abs. 3 ZPO auszusprechen (vgl.
BGH, Beschluss vom 27. Juli 2006 - IX ZB 204/04, BGHZ 169, 17, 29; Senat, Beschluss vom 14. Juni 2007 - V ZB 28/07, NJW 2007, 3719, 3721). Krüger Stresemann Czub Roth Brückner
Vorinstanzen:
AG Essen, Entscheidung vom 11.07.2008 - (184) 183 K 30/04 -
LG Essen, Entscheidung vom 04.03.2010 - 7 T 427/08 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 124/10
vom
2. Dezember 2010
in dem Zwangsversteigerungsverfahren
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. Dezember 2010 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Dr. SchmidtRäntsch
, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1 wird der Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 25. März 2010 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückverwiesen. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 90.000 €.

Gründe:

I.

1
Auf Antrag der Beteiligten zu 3 ordnete das Vollstreckungsgericht im Mai 2008 die Zwangsversteigerung des Grundstücks der Beteiligten zu 1 und 2 an. Dessen Verkehrswert wurde auf 90.000 € festgesetzt. In dem Versteigerungstermin am 10. November 2009 blieben die Beteiligten zu 5 und 6 mit einem Gebot von 71.000 € Meistbietende. Das Vollstreckungsgericht bestimmte den Termin zur Verkündung der Zuschlagsentscheidung auf den 10. Dezember 2009.
2
Am 10. November 2009 beantragte der Beteiligte zu 1 die Gewährung von Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO und trug dazu unter anderem vor, bei seiner Frau seien Krebserkrankungen festgestellt worden, eines ihrer Kinder sei chronisch krank und er selbst seelisch und körperlich am Ende. Nachfolgend reichte er eine Bescheinigung des Arztes J. R. ein, nach der er an einer schweren depressiven Störung mit latenter Suizidalität erkrankt sei, welche durch das Zwangsversteigerungsverfahren aufrechterhalten und verstärkt werde.
3
Mit Beschluss vom 10. Dezember 2009 hat das Vollstreckungsgericht den Antrag zurückgewiesen und den Beteiligten zu 5 und 6 den Zuschlag erteilt. Auf die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1 ist dieser von dem Landgericht darauf hingewiesen worden, dass die ärztliche Bescheinigung zur Darlegung von schwerwiegenden Beeinträchtigungen seines Lebens und seiner Gesundheit ungeeignet sei. Der Beteiligte zu 1 hat daraufhin mitgeteilt, dass er sich seit kurzem in psychotherapeutischer Behandlung befinde, und hat die behandelnde Ärztin von ihrer Schweigepflicht entbunden. Zum Beweis für die bestehende , in einem engen kausalen Zusammenhang mit der Zwangsversteigerung und ihren Folgen stehende Suizidgefahr hat er sich auf ein einzuholendes Sachverständigengutachten bezogen. Die sofortige Beschwerde ist von dem Landgericht zurückgewiesen worden. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Beteiligte zu 1 seinen Antrag auf Versagung des Zuschlags und Gewährung von Vollstreckungsschutz weiter.

II.

4
Das Beschwerdegericht meint, eine (einstweilige) Einstellung des Verfahrens komme nur in Betracht, wenn hinreichend konkrete Anhaltspunkte dafür bestünden, dass bei Fortsetzung des Zwangsversteigerungsverfahrens mit einer ernsthaften Gesundheits- und Lebensgefahr für den Beteiligten zu 1 oder einen seiner Familienangehörigen zu rechnen sei. Dies sei auf der Grundlage von dessen Vortrag nicht festzustellen. Die Ausführungen des Arztes J. R.
seien völlig ungeeignet und unbrauchbar; die Bescheinigung sei als Gefälligkeitsgutachten zu werten. Abgesehen davon, dass der Arzt vor dem Hintergrund, dass er gegen das Berufsverbot gemäß § 20 Abs. 1 Satz 2 der Berufsordnung der Landesärztekammer Brandenburg verstoße, unglaubwürdig sei, lägen weitere Anhaltspunkte dafür vor, dass er das Gutachten nicht unparteiisch und nach bestem Wissen und Gewissen (§ 410 Abs. 1 ZPO) erstattet habe. Mangels hinreichender Anknüpfungstatsachen für das Bestehen einer durch das Zwangsversteigerungsverfahren bedingten Gefahrensituation komme die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht in Betracht. Die Krebserkrankungen der Ehefrau des Beteiligten zu 1 rechtfertigten eine einstweilige Einstellung des Verfahrens nicht.

III.

5
1. Die Rechtsbeschwerde ist aufgrund ihrer Zulassung durch das Beschwerdegericht statthaft (§ 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO). Diese gibt allerdings Anlass zu dem Hinweis, dass eine Zulassung nur zulässig ist, wenn die Sache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 ZPO). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Ob der Vortrag des Beteiligten zu 1 zu einer bestehenden Suizidgefahr als unsubstantiiert angesehen werden durfte oder Anlass zur Einholung eines Sachverständigengutachtens gab, ist eine Frage des Einzelfalls. Ein Zulassungsgrund ergibt sich auch nicht daraus, dass eine Gefährdung des Grundrechts des Beteiligten zu 1 auf Leben und körperliche Unversehrtheit im Raum steht (vgl. näher Senat, Beschluss vom 7. Oktober 2010 - V ZB 82/10, juris).
6
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
7
a) Ohne Rechtsfehler nimmt das Beschwerdegericht allerdings an, der Vortrag des Beteiligten zu 1 zu den Krebserkrankungen seiner Ehefrau rechtfertige eine einstweilige Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens nicht, weil das vorgelegte Attest über eine, offenbar erfolgreiche, Operation bereits ein Jahr alt und nicht näher dargelegt worden sei, dass ein Umzug zu einer erheblichen Verschlechterung des Gesundheitszustands der Ehefrau führen werde. Die Rüge der Rechtsbeschwerde, es bedürfe keiner weiteren Darlegungen, dass sich eine Zwangsräumung des bewohnten und gewohnten Hauses negativ auf die Heilungschancen auswirke, ist unbegründet. Die einstweilige Einstellung eines Zwangsversteigerungsverfahrens nach § 765a ZPO kommt nicht schon in Betracht, wenn die Fortsetzung des Verfahrens zu physischen oder psychischen Belastungen des Schuldners oder einer seiner Angehörigen führt, sondern nur dann, wenn sie einen schwerwiegenden und vor allem nicht anders abwendbaren Eingriff in die körperliche Unversehrtheit bedeutet. Diese Voraussetzungen werden allein durch den Hinweis auf bestehende Krebserkrankungen eines Familienangehörigen nicht darlegt.
8
b) Mit Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde jedoch, dass das Beschwerdegericht dem sich aus der Vorlage der Bescheinigung des Arztes J. R. ergebenden Vortrag des Beteiligten zu 1, die bei ihm bestehende latente Suizidgefahr werde durch die Fortsetzung des Zwangsversteigerungsverfahrens aufrechterhalten und verstärkt, nicht durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nachgegangen ist.
9
aa) Es ist bereits zweifelhaft, ob das Beschwerdegericht erkannt hat, dass die schriftliche Äußerung des Arztes J. R. - die mit "ärztliche Bescheinigung" überschrieben ist, von dem Gericht aber durchweg als "Gutachten" bezeichnet wird - verfahrensrechtlich als qualifizierter Vortrag des Beteiligten zu 1 und nicht etwa als Sachverständigengutachten anzusehen ist.
10
(1) Das Beschwerdegericht verweist zur Begründung seiner Annahme, aus dem Vortrag des Beteiligten zu 1 ergäben sich keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte für die Gefahr einer ernsthaften und nachhaltigen Verschlechterung von dessen Gesundheitszustand bei Fortsetzung des Zwangsversteigerungsverfahrens , nämlich zuvörderst auf die von ihm als zutreffend erachteten Ausführungen des Vollstreckungsgerichts. Dabei verkennt es, dass das Vollstreckungsgericht rechtsfehlerhaft davon ausgegangen ist, der Beteiligte zu 1 müsse die Voraussetzungen für die Gewährung von Vollstreckungsschutz glaubhaft machen. Es hat nicht nur das "Gutachten" des Arztes J. R. als "zur Glaubhaftmachung des Vortrages [des Beteiligten zu 1] nicht geeignet" angesehen, sondern dem Beteiligten zu 1 Gelegenheit gegeben, "die Glaubhaftmachung seines Antrages… vorzunehmen", und schließlich den Antrag zurückgewiesen, weil "keine Glaubhaftmachung des…Vortrages feststellbar" sei.
11
Eine Glaubhaftmachung (§ 294 ZPO) ist im Verfahren nach § 765a ZPO nicht vorgesehen, vielmehr gelten aufgrund von § 869 ZPO die allgemeinen Verfahrensgrundsätze des Zivilprozessrechts. Der Schuldner hat daher die Tatsachen vorzutragen, auf die er den Vollstreckungsschutzantrag stützt, und diese im Streitfall zu beweisen (vgl. Stöber, ZVG, 19. Aufl., Einl. Anm 58.2), wobei die Beweise, wie auch sonst im Zivilprozess, von dem Gericht zu erheben sind. Eine Glaubhaftmachung des Vortrags ist weder erforderlich noch ausreichend. Etwas anderes gilt nur für einstweilige Eilmaßnahmen nach § 765a Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 732 Abs. 2 ZPO (vgl. Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 765a Rn. 28), um die es hier aber nicht geht.
12
(2) Dafür, dass das Beschwerdegericht die verfahrensrechtliche Bedeutung der ärztlichen Bescheinigung verkannt hat, spricht auch, dass es annimmt, das "Gutachten" sei "nicht unparteiisch und nach bestem Wissen und Gewissen (§ 410 Abs. 1 ZPO)" erstattet worden. Die Vorschrift des § 410 Abs. 1 ZPO re- gelt den Beweis durch Sachverständige und ist deshalb auf Gutachten, die eine Partei selbst eingeholt hat, nicht anwendbar. Bei einem solchen Privatgutachten handelt es sich vielmehr um substantiierten Parteivortrag (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juli 1998 - VIII ZR 220/97, NJW 1998, 3197, 3199 mwN).
13
bb) Aber auch wenn das Beschwerdegericht erkannt haben sollte, dass es sich bei der Bestätigung des Arztes nicht um ein Gutachten, sondern um substantiierten Parteivortrag handelt, erweist sich der angefochtene Beschluss als rechtsfehlerhaft. Die Gerichte haben durch ihre Verfahrensgestaltung die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, damit Verfassungsverletzungen durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen tunlichst ausgeschlossen werden. Dies kann es erfordern, dass Beweisangeboten des Schuldners hinsichtlich seines Vorbringens , ihm drohten schwerwiegende Gesundheitsbeeinträchtigungen, besonders sorgfältig nachgegangen wird (vgl. BVerfG, FamRZ 2005, 1972, 1973 mwN).
14
Dabei muss die Gefahr solcher Beeinträchtigungen zwar vorgetragen sein; entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts sind an die Konkretisierung dieser Gefahr aber keine besonders strengen Anforderungen zu stellen. Im Hinblick auf die Bedeutung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG dürfen - umgekehrt - gerade keine überzogenen Anforderungen an die Darlegungslast des Schuldners gestellt werden. Insbesondere ist der Schuldner weder verpflichtet, das Gericht bereits durch seinen Vortrag davon zu überzeugen, dass eine konkrete Suizidgefahr besteht, noch muss er diese Gefahr durch Beibringung von Attesten nachweisen. Bestehen, wie hier, hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme einer Suizidgefahr, ist das Gericht - da es die Ernsthaftigkeit dieser Gefahr mangels eigener medizinischer Sachkunde ohne sachverständige Hilfe in aller Regel nicht beurteilen kann - gehalten, einem Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens, wie er auch hier gestellt worden ist, zu entsprechen.
15
Die Erheblichkeit des Vortrags, bei dem Beteiligten zu 1 bestehe eine latente Suizidgefahr, die durch die Fortsetzung des Zwangsversteigerungsverfahrens aufrechterhalten und verstärkt werde, durfte nicht deshalb verneint werden , weil der Arzt J. R. kein Facharzt für Neurologie und Psychiatrie und deshalb nach § 20 Abs. 1 Satz 2 der Berufsordnung der Landesärztekammer Brandenburg grundsätzlich nicht berechtigt ist, den Facharzt H. - J. R. zu vertreten und ärztliche Bescheinigungen, wie geschehen , unter dessen Briefkopf zu erstellen. Eine ernsthafte und erhebliche Gefahr für das Leben und die körperliche Unversehrtheit des Schuldners oder einer seiner Angehörigen kann auch durch die Stellungnahme eines Allgemeinmediziners substantiiert werden. Dass J. R. Arzt ist und als solcher praktizieren darf, stellt das Beschwerdegericht nicht in Abrede. Der Verstoß gegen die Berufsordnung lässt für sich genommen auch nicht den Schluss zu, dass der Arzt unglaubwürdig ist, also vorsätzlich eine falsche Diagnose gestellt hat.
16
Auch aus den von dem Beschwerdegericht angeführten Schreib- oder Übertragungsfehlern (psychischer Befund vom 12. November 2009, Bezeichnung des Beteiligten zu 1 als "die Patientin") konnte ohne weitere Sachaufklärung nicht geschlossen werden, der Arzt habe ein "Gefälligkeitsgutachten" erstellt. Vielmehr hätte, wenn die Ablehnung von Vollstreckungsschutz hierauf gestützt werden sollte, der Grund für die unzutreffenden Angaben aufgeklärt werden müssen. Entsprechendes gilt für den Vorwurf, in einem anderen Verfahren läge dem Gericht ein Gutachten des Arztes mit teilweise wortgetreuen Ausführungen vor.
17
Hiervon konnte das Beschwerdegericht nicht deshalb absehen, weil es am 1. März 2010 auf die unzutreffenden Angaben in der ärztlichen Bescheinigung hingewiesen hatte, ohne dass der Beteiligte zu 1 sich dazu geäußert hat. Aus dem Hinweis ergab sich nämlich, dass das Gericht die ärztliche Bescheini- gung aus mehreren Gründen für unbrauchbar hielt, und zwar auch aus solchen, die von dem Beteiligten zu 1 nicht ausgeräumt werden konnten (zB der Verstoß gegen die Berufsordnung). Demgemäß hat das Beschwerdegericht dem Beteiligten zu 1 auch nicht etwa Gelegenheit gegeben, zu den Einwänden gegen die ärztliche Bescheinigung Stellung zu nehmen, sondern hat anheimgestellt, ein aussagekräftiges psychiatrisches Attest, d.h. die Bescheinigung eines anderen Arztes, vorzulegen. Versprach eine Aufklärung darüber, dass es sich bei den unzutreffenden Angaben (möglicherweise) um einen Schreibfehler oder ein sonstiges Versehen des Arztes handelt, aber keinen Erfolg, weil das Beschwerdegericht zu erkennen gegeben hatte, dass es dessen Bescheinigung auch aus anderen Gründen für unglaubwürdig hielt, kann dem Beteiligten zu 1 nicht vorgehalten werden, dass er eine solche Richtigstellung unterlassen hat.

IV.

18
Der angefochtene Beschluss kann daher keinen Bestand haben, er ist aufzuheben (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).
19
Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass es nunmehr darauf ankommt, ob bei Fortsetzung des Verfahrens, unter Berücksichtigung der im März 2010 von dem Beteiligten zu 1 begonnenen psychotherapeutischen Behandlung, auch jetzt noch mit ernsthaften Gefahren für dessen Leben oder körperliche Unversehrtheit zu rechnen ist, was dieser zunächst darzutun hat. Über den Vortrag, der den übrigen Verfahrensbeteiligten zwecks Gewährung rechtlichen Gehörs zur Kenntnis zu geben ist, muss gegebenenfalls Beweis erhoben werden (zu den Anforderungen an die Würdigung vgl. Senat, Beschluss vom 30. September 2010 - V ZB 199/09, juris). Festzustellen ist, ob bei einem endgültigen Eigentumsverlust durch den Eintritt der Rechtskraft des Zuschlagsbeschlusses ernsthaft mit einem Suizid des Schuldners zu rechnen ist. Der Nachweis, dass es bei Fortsetzung des Verfahrens zu einer Selbsttötung kom- men wird, ist nicht erforderlich (vgl. Senat, Beschluss vom 7. Oktober 2010 - V ZB 82/10 Rn. 23, juris).
20
Ist danach von einer ernsthaften Suizidgefahr auszugehen, wird weiter zu prüfen sein, ob dieser Gefahr auf andere Weise als durch Einstellung der Zwangsvollstreckung wirksam begegnet werden kann, zum Beispiel durch eine einstweilige Unterbringung des Beteiligten zu 1 (vgl. näher Senat, Beschluss vom 14. Juni 2007 - V ZB 28/07, NJW 2007, 3719, 3720 f.). Für das in diesem Fall notwendige Verfahren zur Vermeidung einer Blockade zwischen Vollstreckungs - und Betreuungsgericht wird auf den Beschluss des Senats vom 15. Juli 2010 (V ZB 1/10, WuM 2010, 587, 588) verwiesen. Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann Czub
Vorinstanzen:
AG Strausberg, Entscheidung vom 10.12.2009 - 3 K 254/08 -
LG Frankfurt (Oder), Entscheidung vom 25.03.2010 - 19 T 76/10 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 215/09
vom
16. Dezember 2010
in dem Zwangsversteigerungsverfahren
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 16. Dezember 2010 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richterin Dr. Stresemann, die Richter
Dr. Czub und Dr. Roth und die Richterin Dr. Brückner

beschlossen:
Den Beteiligten zu 1 und 2 wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde gewährt. Auf die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 und 2 wird der Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Essen vom 8. Dezember 2009 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückverwiesen. Die Vollstreckung aus dem Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts Bottrop vom 19. August 2008 (16 K 40/05) wird bis zur erneuten Entscheidung über die Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2 gegen den Zuschlagbeschluss eingestellt. Der Gegenstandswert für die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 1 und 2 beträgt 234.000 €, für die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 5 beträgt er 224.968,43 €.

Gründe:


I.

1
Die Beteiligten zu 4 und 5 betreiben die Zwangsversteigerung in das Grundstück der miteinander verheirateten Schuldner. Dieses ist mit einem Einfamilienhaus bebaut, in welchem die Schuldner leben. In dem Versteigerungstermin vom 15. Juli 2008 blieb die Beteiligte zu 7 Meistbietende. Mit Beschluss vom 19. August 2008 hat das Vollstreckungsgericht ihr den Zuschlag erteilt.
2
Hiergegen haben die Schuldner sofortige Beschwerde mit der Begründung erhoben, sie seien psychisch erkrankt und würden sich selbst töten, sollten sie aufgrund des Zuschlags ihr Heim verlieren. Das Landgericht hat die Beschwerde im Hinblick auf das Insolvenzverfahren, welches über das Vermögen der Schuldner eröffnet worden ist, zunächst als unzulässig verworfen. Nach Aufhebung dieses Beschlusses durch den Senat und Zurückverweisung der Sache hat das Landgericht die sofortige Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen. Dagegen wenden sich die Schuldner mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

3
Das Beschwerdegericht hält eine konkrete Suizidgefahr bei den Schuldnern für nicht erkennbar. Der Zustand der Schuldnerin habe sich nach ärztlicher Auskunft so weit verbessert, dass der Verlust des Hauses sie nicht mehr in den Freitod treiben werde. Soweit hinsichtlich ihres Ehemanns eine akute Suizidgefahr behauptet werde, vermöge sich die Kammer dieser Einschätzung nicht anzuschließen. In dem vorgelegten Attest werde die Gefahr eines Suizids nicht angesprochen. Die Ordnungsbehörde habe im September und Oktober 2008 keine Notwendigkeit für eine Unterbringung nach dem PsychKG gesehen. In einem Schreiben des Gesundheitsamts vom September 2008 heiße es, dass aus psy- chiatrischer Sicht im Moment kein Anhaltspunkt für eine Eigen- oder Fremdgefährdung vorliege. Entsprechend habe auch die Betreuungsstelle für Erwachsene keinen Handlungsbedarf gesehen. Soweit nunmehr mit Schriftsatz vom 17. September 2009 geltend gemacht werde, dass bei dem Schuldner immer noch eine akute Suizidgefahr bestehe, gebe es für die Richtigkeit dieses Vorbringens keine Anhaltspunkte. Weitere Ermittlungen seien deshalb abzulehnen. Allein das erhöhte Selbsttötungsrisiko bei Vorliegen einer Depressionserkrankung rechtfertige nicht die einstweilige oder dauerhafte Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens; dargelegt und nachgewiesen werden müsse eine konkrete Suizidgefahr.
4
Dabei werde nicht verkannt, dass die Schuldner im Juli 2008 für den Fall eines Verlusts des Privathauses mit dem Freitod gedroht hätten. Eine solche Drohung könne jedoch nicht zur Aufhebung oder Einstellung einer Zwangsvollstreckungsmaßnahme führen, wenn erkennbar sei, dass der Schuldner im Hinblick auf seine aus seiner Sicht aussichtslose wirtschaftliche und persönliche Lage den Freitod wähle, wenn also die Entscheidung für den Suizid auf einem freien, von einer Krankheit unbeeinflussten Willen beruhe. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Berufung auf den grundrechtlichen Schutz von Leben und Gesundheit nicht selten rechtsmissbräuchlich sei. Vorliegend spreche viel, wenn nicht alles dafür, dass die Schuldner die nicht auszuschließende Suizidgefahr instrumentalisierten.

III.

5
1. Den Rechtsbeschwerdeführern ist gemäß § 233 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde zu gewähren. Sie waren ohne ihr Verschulden gehindert, die Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde zu wahren, weil sie zur Fertigung der Begründung auf die - rechtzeitig beantragte - Bewilligung von Prozesskostenhilfe angewiesen waren, der Senat diese aber erst nach Ablauf der Begründungsfrist ausgesprochen hat. Die Frist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO ist gewahrt.
6
2. Die Rechtsbeschwerde ist aufgrund ihrer Zulassung durch das Beschwerdegericht statthaft (§ 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO), obwohl einer der im Gesetz genannten Zulassungsgründe (§ 574 Abs. 2 ZPO) nicht vorliegt. Ein solcher ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit eines der Beteiligten gefährdet sein könnte (vgl. näher Senat, Beschluss vom 7. Oktober 2010 - V ZB 82/10, juris).
7
3. Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
8
a) Wie das Beschwerdegericht im Ausgangspunkt nicht verkennt, kann die ernsthafte Gefahr einer Selbsttötung des Schuldners oder eines nahen Angehörigen wegen der Zwangsversteigerung seines Grundstücks zur Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses und zur einstweiligen Einstellung des Verfahrens gemäß § 765a ZPO führen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die auf den Zuschlagsbeschluss zurückzuführende Gefahr der Selbsttötung sich erstmals nach dessen Erlass gezeigt hat, oder ob sie schon zuvor latent vorhanden war und sich durch den Zuschlag im Rahmen eines dynamischen Geschehens weiter vertieft hat (Senat, Beschluss vom 18. September 2008 - V ZB 22/08, NJW 2009, 80; Beschluss vom 24. November 2005 - V ZB 99/05, NJW 2006, 505).
9
Rechtsfehlerhaft nimmt das Beschwerdegericht aber an, dass eine vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung nicht in Betracht komme, wenn der drohende Suizid auf einem freien, von einer Krankheit unbeeinflussten Willen beruht. Eine solche Sichtweise wird dem in Art. 2 Abs. 2 GG enthaltenen Gebot zum Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit nicht gerecht. Die Unfähigkeit , aus eigener Kraft oder mit zumutbarer fremder Hilfe die Konfliktsituation situationsangemessen zu bewältigen, verdient auch dann Beachtung, wenn ihr kein Krankheitswert zukommt. Die Einstufung eines drohenden Suizids als "Bi- lanzselbstmord" ändert nichts daran, dass das Leben des Schuldners durch die bevorstehenden Zwangsvollstreckungsmaßnahme in Gefahr ist und diese Gefahr bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen berücksichtigt werden muss (BVerfG NJW-RR 2001, 1523, 1524). Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Beschwerdegericht einen drohenden Suizid des Schuldners als "Bilanzselbstmord" eingestuft und deshalb die Voraussetzungen für die Gewährung von Vollstreckungsschutz verneint hat, unterliegt der angefochtene Beschluss bereits aus diesem Grund der Aufhebung.
10
b) Aber auch unabhängig von den Erwägungen zu einem "Bilanzselbstmord" hält der Beschluss rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
11
Das Beschwerdegericht beachtet nicht, dass die Gerichte durch ihre Verfahrensgestaltung die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen haben, damit Verfassungsverletzungen durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen tunlichst ausgeschlossen werden. Dies kann es insbesondere erfordern, Beweisangeboten des Schuldners hinsichtlich seines Vorbringens, ihm drohten schwerwiegende Gesundheitsbeeinträchtigungen , im Hinblick auf die Bedeutung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG besonders sorgfältig nachzugehen (vgl. BVerfG FamRZ 2005, 1972, 1973 mwN). Hierfür besteht Anlass, wenn das Gericht zwar von einer erhöhten Suizidgefahr ausgeht, diese aber nach dem Vortrag des Schuldners als nicht hinreichend konkret ansieht. Da das Gericht die Ernsthaftigkeit einer Suizidgefahr mangels eigener medizinischer Sachkunde ohne sachverständige Hilfe in aller Regel nicht beurteilen kann, ist es im Zweifel gehalten, dem Antrag des Schuldners auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nachzugehen.
12
So verhält es sich auch hier. Das Beschwerdegericht geht hinsichtlich des Schuldners einerseits von einem erhöhten bzw. nicht auszuschließenden Selbsttötungsrisiko aus, meint aber andererseits, dass eine konkrete Suizidgefahr nicht überzeugend dargelegt worden sei. Es verkennt damit, dass der Schuldner weder verpflichtet ist, das Gericht bereits durch seinen Vortrag davon zu überzeugen, dass eine konkrete Suizidgefahr besteht, noch dass er diese Gefahr durch Beibringung von Attesten nachweisen muss. Die Richtigkeit der Behauptungen des Schuldners muss sich, wie auch sonst in Verfahren, die nach der Zivilprozessordnung durchzuführen sind, im Rahmen der Beweisaufnahme erweisen. Diese durchzuführen, ist Sache des Gerichts. Deshalb ist es verfehlt, wenn das Beschwerdegericht den Vortrag des Schuldners in dessen Schriftsatz vom 17. September 2009 mit der Begründung für unerheblich hält, für die Richtigkeit des Vorbringens gebe es keine Anhaltspunkte. Ein solcher Anhaltspunkt stellte im Übrigen die Äußerung des Sozialpsychiatrischen Dienstes vom 14. April 2009 dar, wonach eine Suizidgefahr bei den Schuldnern nicht auszuschließen sei. Demgegenüber lagen die anderen Äußerungen von Behördenseite zeitlich zu lange zurück, um auf ihrer Grundlage eine Suizidgefahr zu verneinen. Das Beschwerdegericht hätte deshalb den angebotenen Beweis erheben und mit sachverständiger Hilfe klären müssen, ob bei endgültiger Erteilung des Zuschlags und der aus dem Zuschlagsbeschluss zu erwartenden Zwangsräumung die behauptete ernsthafte Gefahr einer Selbsttötung besteht.
13
c) Die angefochtene Entscheidung stellt sich schließlich nicht aufgrund der Annahme des Beschwerdegerichts als richtig dar, es spreche viel, wenn nicht alles dafür, dass die Schuldner die nicht auszuschließende Suizidgefahr instrumentalisierten , um ihren Grundbesitz zu erhalten. Dass Suizidabsichten vorgespiegelt sein können, um unberechtigt Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO zu erlangen , ist bekannt. Es ist dem Tatrichter daher unbenommen, einen Sachverhalt unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände entsprechend zu würdigen und den beantragten Vollstreckungsschutz zu versagen. Bleibt, wie hier, aber letztlich offen, ob eine Suizidgefahr nur vorgespiegelt wird oder tatsächlich besteht , darf von einer notwendigen Beweisaufnahme nicht aufgrund des bloßen Verdachts, der Schuldner handele rechtsmissbräuchlich, abgesehen werden.

IV.

14
Der angefochtene Beschluss kann daher keinen Bestand haben, er ist aufzuheben (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
15
Es werden zunächst Feststellungen dazu zu treffen sein, ob bei einem endgültigen Eigentumsverlust durch den Eintritt der Rechtskraft des Zuschlagsbeschlusses ernsthaft mit einem Suizid des Schuldners zu rechnen ist. Der Nachweis , dass es bei Fortsetzung des Verfahrens zu einer Selbsttötung kommen wird, ist nicht erforderlich (vgl. Senat, Beschluss vom 7. Oktober 2010 - V ZB 82/10 Rn. 23, juris).
16
Ist danach eine konkrete Suizidgefahr zu bejahen, wird weiter zu prüfen sein, ob dieser Gefahr auf andere Weise als durch die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung wirksam begegnet werden kann, zum Beispiel durch eine vorläufige Unterbringung des Beteiligten zu 2 (vgl. näher Senat, Beschluss vom 14. Juni 2007 - V ZB 28/07, NJW 2007, 3719, 3720 f.). Für das in diesem Fall notwendige Verfahren zur Vermeidung einer Blockade zwischen Vollstreckungs- und Betreuungsgericht wird auf den Beschluss des Senats vom 15. Juli 2010 (V ZB 1/10, WuM 2010, 587, 588) verwiesen.

V.

17
Da aus dem Zuschlagsbeschluss schon vor dem Eintritt der Rechtskraft vollstreckt werden kann und die Aufhebung der Entscheidung des Beschwerdegerichts dem Zuschlagsbeschluss die Vollstreckbarkeit nicht nimmt, ist die Aussetzung der Vollstreckung bis zur erneuten Entscheidung des Beschwerdegerichts auszusprechen (§ 575 Abs. 5, § 570 Abs. 3 ZPO).

VI.

18
Eine Entscheidung über die Kosten der Rechtsbeschwerde wird nicht veranlasst sein. Gerichtskosten sind nicht entstanden. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten kommt nicht in Betracht, da sich die Beteiligten bei einer Zuschlagsbeschwerde in der Regel, und so auch hier, nicht als Parteien im Sinne der §§ 91 ff. ZPO gegenüberstehen (Senat, BGHZ 170, 378, 381 Rn. 7).
19
Die Wertfestsetzung für die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 1 und 2 beruht auf § 26 Nr. 2 RVG, diejenige für die Kosten der Beteiligten zu 5 auf § 26 Nr. 1 RVG. Krüger Stresemann Czub Brückner Roth
Vorinstanzen:
AG Bottrop, Entscheidung vom 19.08.2008 - 16 K 40/05 -
LG Essen, Entscheidung vom 08.12.2009 - 7 T 470/08 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 205/10
vom
17. Februar 2011
in der Zwangsversteigerungssache
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Februar 2011 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richterin Dr. Stresemann, den Richter
Dr. Roth und die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 3 wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 7. Juli 2010 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückverwiesen. Der Gegenstandswert für die anwaltliche Vertretung des Rechtsbeschwerdeführers im Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 95.000 €.

Gründe:

I.

1
Die Beteiligten zu 1 und 2 betreiben die Zwangsversteigerung des mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks der Beteiligten zu 3 und 4. Der Verkehrswert wurde auf 95.000 € festgesetzt. In dem Termin vom 13. April 2010 blieb der Beteiligte zu 5 mit einem Gebot von 65.000 € Meistbietender und erhielt den Zuschlag.
2
Am 19. April 2010 beantragte der Beteiligte zu 3, den Zuschlag zu versagen und das Zwangsversteigerungsverfahren für sechs Monate einzustellen. Zur Begründung führte er an, dass er seit September 2009 mit seiner schwerstbehinderten Tochter allein in dem Einfamilienhaus wohne. Ein Herausreißen der Tochter aus der gewohnten Umgebung wäre für ihren Zustand schädlich. Er habe 2009 einen Herzinfarkt erlitten und befinde sich noch in medizinischer Nachsorge. Seitdem er Kenntnis von der Zwangsversteigerung habe, leide er an einer depressiven Erkrankung, und es verfestigte sich ein Suizidgedanke stetig.
3
Gegen den ihm am 3. Mai 2010 zugestellten Zuschlagsbeschluss hat der Beteiligte zu 3, gestützt auf den Einstellungsantrag und unter Vorlage eines ärztlichen Attests, sofortige Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt der Beteiligte zu 3 weiterhin die Versagung des Zuschlags und die Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens.

II.

4
Das Beschwerdegericht meint, der Schuldner könne nach Erteilung des Zuschlags einen Schutzantrag nach § 765a ZPO nicht (neu) stellen und diesen auch nicht erstmals mit der Beschwerde gegen den Zuschlag anbringen. Der Zuschlagsbeschluss könne im Beschwerdeweg nur in den in § 100 ZVG aufgeführten Fällen aufgehoben werden, in denen dem Vollstreckungsgericht ein wesentlicher Rechtsfehler unterlaufen sei

III.

5
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.
6
1. Ohne Erfolg bleibt allerdings die erstmals im Rechtsbeschwerdeverfahren erhobene Rüge, es liege ein Zuschlagsversagungsgrund gemäß § 83 Nr. 1 ZVG vor, weil nach Nr. 6 der Hinweise des Vollstreckungsgerichts an Bietinteressenten die Ausweispapiere bei der Gebotsabgabe vorzulegen seien, dem Protokoll über den Versteigerungstermin jedoch nicht entnommen werden könne, dass sich der Beteiligte zu 5 ausgewiesen habe. Die Unbeachtlichkeit dieser Rüge folgt bereits daraus, dass die Rechtsbeschwerde nur auf Rechtsfehler der Entscheidung des Beschwerdegerichts gestützt werden kann (§ 576 Abs. 1 ZPO) und ein solcher schon deshalb nicht in Betracht kommt, weil das Beschwerdegericht einen etwaigen Zuschlagsversagungsgrund nach § 83 Nr. 1 ZVG nur auf eine Beanstandung des Beschwerdeführers hin prüfen musste (vgl. § 100 Abs. 3 ZVG). Eine solche ist in den Vorinstanzen jedoch nicht erhoben worden. Im Übrigen erfasst § 83 Nr. 1 ZVG nur eine Verletzung von Versteigerungsbedingungen im Sinne des Gesetzes (§§ 44 bis 65 ZVG).
7
2. Rechtsfehlerhaft nimmt das Beschwerdegericht aber an, dass der nach Erteilung des Zuschlags gestellte Vollstreckungsschutzantrag des Beschwerdeführers (§ 765a ZPO) unbeachtlich sei. Das Gegenteil ergibt sich aus der von ihm zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (vom 24. November 2005 - V ZB 99/05, NJW 2006, 505) und der herangezogenen Kommentierung von Stöber (ZVG, 19. Aufl., Einleitung 59.10 b) sowie aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (NJW 2007, 2910).
8
Zwar kann ein Zuschlagsbeschluss im Beschwerdeweg grundsätzlich nur in den in § 100 ZVG aufgeführten Fällen aufgehoben werden, in denen dem Vollstreckungsgericht ein wesentlicher Rechtsfehler unterlaufen ist. Die verfassungsrechtliche Schutzpflicht der Vollstreckungsorgane aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zwingt aber zu einer Ausnahme, wenn der durch den Zuschlag eintretende Eigentumsverlust zu einer konkreten Suizidgefahr bei dem Schuldner oder einem seiner Angehörigen führt. In diesem Fall ist es selbst dann, wenn die Suizidgefahr ein neuer Umstand ist, den das Vollstreckungsgericht (so) noch nicht hat wahrnehmen können, in keinem Fall gerechtfertigt, dass das Beschwerdegericht vor der nunmehr (möglicherweise) bestehenden Gefahr die Augen verschließt und unter Berufung auf die formale Verfahrensgestaltung eine Entscheidung bestehen lässt, die Ursache für den Tod des Schuldners werden kann (Senat, Beschluss vom 24. November 2005 - V ZB 99/05, NJW 2006, 505 Rn. 19 u. 24). Dabei spielt es keine Rolle, ob sich die auf den Zuschlagsbeschluss zurückzuführende Gefahr der Selbsttötung erstmals nach dessen Erlass gezeigt hat und deshalb erstmals mit der dagegen gerichteten sofortigen Beschwerde geltend gemacht wird, oder ob sie latent bereits vor dem Zuschlag vorhanden war und sich durch diesen im Rahmen eines dynamischen Geschehens weiter vertieft hat. Die fehlende inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Schuldners zu einer möglichen Suizidgefahr verletzt in beiden Fällen Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (BVerfG, NJW 2007, 2910 Rn. 11 f.). Erst wenn der Zuschlagsbeschluss rechtskräftig ist, kommt ein Vollstreckungsschutzantrag nach § 765a ZPO mit dem Ziel der Aufhebung des Zuschlags nicht mehr in Betracht (Senat, Beschluss vom 1. Oktober 2009 - V ZB 37/09, WM 2010, 522; BVerfG, WM 2010, 767).

IV.

9
Der angefochtene Beschluss kann daher keinen Bestand haben, er ist aufzuheben (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
10
Es wird zunächst zu prüfen sein, ob nach dem Vortrag des Rechtsbeschwerdeführers bei einem endgültigen Eigentumsverlust durch Eintritt der Rechtskraft des Zuschlagsbeschlusses - und nicht erst im Hinblick auf die drohende Zwangsräumung (zur Unterscheidung: Senat, Beschluss vom 24. November 2005 - V ZB 99/05, NJW 2006, 505 Rn. 23 f.; BVerfG, NJW 2007, 2910 Rn. 13 f.) - ernsthaft mit seinem Suizid zu rechnen ist (vgl. Senat, Beschluss vom 7. Oktober 2010 - V ZB 82/10, WM 2011, 74 Rn. 23). Der Nachweis, dass es bei Fortsetzung des Verfahrens in jedem Fall zu einer Selbsttötung kommen wird, ist nicht erforderlich (vgl. Senat, Beschluss vom 7. Oktober 2010 - V ZB 82/10, WM 2011, 74 Rn. 23).
11
Zu beachten ist, dass der Rechtsbeschwerdeführer nicht verpflichtet ist, das Gericht bereits durch seinen Vortrag oder durch die vorgelegten Atteste davon zu überzeugen, dass eine konkrete Suizidgefahr besteht. Die Richtigkeit einer schlüssigen Behauptung muss sich, wie auch sonst in Verfahren, die nach der Zivilprozessordnung durchzuführen sind, im Rahmen der Beweisaufnahme erweisen. Da das Gericht die Ernsthaftigkeit einer Suizidgefahr mangels eigener medizinischer Sachkunde ohne sachverständige Hilfe in aller Regel nicht beurteilen kann, ist es im Zweifel gehalten, einem Antrag des Schuldners auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nachzugehen (vgl. BVerfG FamRZ 2005, 1972, 1973 mwN; vgl. auch Senat, Beschluss vom 2. Dezember 2010 - V ZB 124/10, juris, und Beschluss vom 16. Dezember 2010 - V ZB 215/09, juris).
12
Ist danach eine konkrete Suizidgefahr aufgrund einer endgültigen Zuschlagserteilung zu bejahen, wird weiter zu prüfen sein, ob dieser Gefahr auf andere Weise als durch die Versagung des Zuschlags und die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung wirksam begegnet werden kann, zum Beispiel durch eine vorläufige Unterbringung des Rechtsbeschwerdeführers (vgl. näher Senat, Beschluss vom 14. Juni 2007 - V ZB 28/07, NJW 2007, 3719, 3720 f.). Für das in diesem Fall notwendige Verfahren zur Vermeidung einer Blockade zwischen Vollstreckungs- und Betreuungsgericht wird auf den Beschluss des Senats vom 15. Juli 2010 (V ZB 1/10, NJW-RR 2010, 1649 Rn. 12 f.) verwiesen. Verspricht auch eine solche Maßnahme keinen Erfolg, muss über die Zuschlagsversagung anhand einer am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierten Würdigung der Gesamtumstände entschieden werden, bei der sowohl den dem Schuldner in der Zwangsvollstreckung gewährleisteten Grundrechten als auch den gewichtigen, ebenfalls grundrechtlich geschützten Interessen der anderen Beteiligten des Zwangsvollstreckungsverfahrens Rechnung getragen wird. Krüger Stresemann Roth Weinland Brückner
Vorinstanzen:
AG Luckenwalde, Entscheidung vom 13.04.2010 - 17 K 425/06 -
LG Potsdam, Entscheidung vom 07.07.2010 - 5 T 323/10 u. 5 T 324/10 -
18
Es wird nunmehr darauf ankommen, ob bei Fortsetzung des Verfahrens auch weiterhin mit ernsthaften Gefahren für Leben und körperliche Unversehrtheit der Beschwerdeführerin zu rechnen ist. Das hat die Beschwerdeführerin darzutun. Den Vortrag, der den übrigen Verfahrensbeteiligten zwecks Gewährung rechtlichen Gehörs zur Kenntnis zu geben ist, hat das Beschwerdegericht zunächst nach den gesamten Umständen zu würdigen (dazu Senat, Beschluss vom 30. September 2010 - V ZB 199/09, WuM 2011, 122 Rn. 11; Beschluss vom 7. Oktober 2010 - V ZB 82/10, NZM 2010, 915 Rn. 23 f.; Beschluss vom 16. Dezember 2010 - V ZB 215/09, NZM 2011, 166 Rn. 13). Sodann hat es gegebenenfalls Beweis zu erheben. In diesem Fall ist das Gericht - da es die Ernsthaftigkeit dieser Gefahr mangels eigener medizinischer Sachkunde ohne sachverständige Hilfe in aller Regel nicht beurteilen kann - gehalten, einem Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens, wie er auch hier gestellt worden ist, zu entsprechen (vgl. Senat, Beschluss vom 2. Dezember 2010 - V ZB 124/10, NZM 2011, 167 Rn. 14; Beschluss vom 16. Dezember 2010 - V ZB 215/09, juris Rn. 11, insoweit in NZM 2011, 166 nicht abgedruckt). Ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme von einer ernsthaften Suizidgefahr auszugehen, führt dies nicht ohne weiteres zu einer einstweiligen Einstellung des Verfahrens. Es wird zunächst sorgfältig zu prüfen sein, ob dieser Gefahr auf andere Weise als durch Einstellung der Zwangsvollstreckung wirksam begegnet werden kann, zum Beispiel durch eine einstweilige Unterbringung der Beschwerdeführerin (näher Senat, Beschluss vom 14. Juni 2007 - V ZB 28/07, NJW 2007, 3719, 3720 f. mwN). Für das in diesem Fall notwendige Verfahren zur Vermeidung einer Blockade zwischen Vollstreckungs- und Betreuungsgericht wird auf den Beschluss des Senats vom 15. Juli 2010 (V ZB 1/10, NZM 2010, 836, 837) verwiesen.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Die schriftliche Begutachtung kann durch die Verwertung eines gerichtlich oder staatsanwaltschaftlich eingeholten Sachverständigengutachtens aus einem anderen Verfahren ersetzt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 199/09
vom
30. September 2010
in dem Zwangsversteigerungsverfahren
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. September 2010 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und
Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Roth

beschlossen:
Dem Schuldner wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren mit Wirkung vom 19. März 2010 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin Buchholz-Duffner bewilligt. Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen. Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 17. November 2009 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückverwiesen. Die Vollstreckung aus dem Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts Potsdam vom 12. März 2009 (Az. 2 K 6/06) wird bis zur erneuten Entscheidung über die Beschwerde des Schuldners gegen den Zuschlagsbeschluss einstweilen eingestellt. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird für die Gerichtskosten auf 11.900 € festgesetzt.

Gründe:

I.

1
Seit Januar 2006 ist die Zwangsversteigerung des im Rubrum näher bezeichneten Grundstücks angeordnet. In dem Versteigerungstermin vom 21. Januar 2009 ist der Beteiligte zu 3 Meistbietender geblieben. In dem auf den 5. Februar 2009 anberaumten Verkündungstermin und in der Folgezeit hat der Schuldner - gestützt auf ärztliche Atteste - geltend gemacht, die Suizidgefährdung seiner Ehefrau stehe einer Fortführung des Verfahrens entgegen. Dem ist das Vollstreckungsgericht nicht gefolgt und hat den Zuschlag erteilt.
2
Gegen die Zuschlagsentscheidung hat der Schuldner sofortige Beschwerde eingelegt und zur Begründung unter anderem auf ein Schreiben des behandelnden Facharztes vom 11. Juni 2009 verwiesen. In diesem heißt es, die Krisensituation spitze sich weiter zu. Als verantwortlicher Nervenarzt könne er die Verantwortung nicht mehr allein tragen. In dem von dem Landgericht eingeholten Sachverständigengutachten kommt der Gutachter zu dem Ergebnis, dass eine akute Suizidgefahr derzeit "wohl nicht vorhanden" sei. Es liege aber eine "erhöhte Suizidgefahr" vor. Die bisherige fachärztliche Therapie sei "völlig unzureichend" gewesen. Um der derzeit bestehenden Gefahrenlage zu begegnen , sei baldmöglichst eine stationäre psychiatrische Therapie angezeigt. Sollte sich die Ehefrau einer solchen Maßnahme nicht freiwillig unterziehen, sei die Bestellung eines Betreuers erforderlich, um eine Heilbehandlung auch gegen den Willen durchzusetzen. Aus ärztlicher Sicht werde eine Einstellung des Verfahrens auf die Dauer von etwa drei Monaten unter Auflagen empfohlen.
3
Das Landgericht hat die Zuschlagsbeschwerde zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde möchte der Schuldner die Versagung des Zuschlages erreichen. Die Gläubigerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels. http://www.juris.de/jportal/portal/t/aa1/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=14&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR000010949BJNE001800314&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/aa1/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=14&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE317122005&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint - 4 -

II.

4
Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, die Voraussetzungen des § 765a ZPO seien nicht gegeben. Eine akute Suizidalität liege "im jetzigen Verfahren" derzeit nicht vor. Der lediglich erhöhten Suizidgefahr könne durch eine stationäre psychiatrische Therapie und eine engmaschige medizinische Betreuung poststationär begegnet werden. Da sich die Ehefrau in der Vergangenheit von ihrem Facharzt habe behandeln lassen, sei davon auszugehen, dass sie auch bei einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes fachärztliche Hilfe in Anspruch nehmen werde.

III.

5
1. Die gemäß § 96 ZVG i.V.m. § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und nach § 575 ZPO auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Auf der Grundlage des derzeitigen Verfahrensstandes lassen sich die Voraussetzungen des § 765a ZPO nicht verneinen.
6
a) Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass selbst dann, wenn mit der Zwangsvollstreckung eine konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit des Schuldners oder eines nahen Angehörigen verbunden ist, eine Zwangsversteigerung nicht ohne weiteres einstweilen einzustellen ist. Vielmehr ist in solchen Fällen stets eine Abwägung erforderlich zwischen dem Interesse des Lebensschutzes (Art. 2 Abs. 2 GG), dem Vollstreckungsinteresse des Gläubigers und dem Interesse des Erstehers an einem endgültigen Eigentumserwerb (ausführlich dazu zuletzt Senat, Beschluss vom 15. Juli 2010 - V ZB 1/10, Rn. 10 ff. mwN; ferner etwa BGH, Beschluss vom 4. Mai 2005 - I ZB 10/05, BGHZ 163, 66, 73; Senat, Beschluss vom 6. Dezember 2007 - V ZB 67/07, NJW 2008, 586, 587).
7
In die Abwägung einzustellen ist nach der Rechtsprechung des Senats nur eine konkrete Suizidgefahr. Dabei kommt es in Konstellationen, in denen der Zuschlag bereits erteilt worden ist, ausschlaggebend darauf an, ob eine solche Gefahr für den Fall des endgültigen Eigentumsverlustes anzunehmen ist (vgl. Senat, Beschluss vom 15. Juli 2010 - V ZB 1/10, WM 2010, 1810 Rn. 12 f.). Bezogen auf diesen Zeitpunkt ist tatrichterlich zu würdigen, ob die ernsthafte Befürchtung der Selbsttötung besteht. Verneint der Tatrichter diese Voraussetzung, hat er dies nicht zuletzt mit Blick auf den hohen Rang, der dem Schutzgut Leben zukommt, nachvollziehbar zu begründen (§ 286 Abs. 1 ZPO i.V.m. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG). Das gilt umso mehr, wenn das Gericht - wie hier - selbst von einer erhöhten Suizidgefahr ausgeht, diese aber nicht für hinreichend erachtet.
8
b) Diesen Anforderungen wird die Beschwerdeentscheidung nicht gerecht. Zweifelhaft ist bereits, ob das Beschwerdegericht das Vorliegen einer konkreten Suizidgefährdung bezogen auf einen endgültigen Eigentumsverlust überhaupt geprüft und verneint hat. Ausdrücklich verhält sich das Beschwerdegericht hierzu nicht; auch das eingeholte Sachverständigengutachten nimmt diese Situation nicht in den Blick. Soweit das Beschwerdegericht ausführt, es sei davon auszugehen, die Ehefrau des Schuldners werde auch bei einer Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes in der Lage sein, fachärztliche Hilfe in Anspruch nehmen, fehlt für diese Annahme jedenfalls eine plausible Begründung. Allein aus dem Umstand, dass die Ehefrau des Schuldners bislang regelmäßig ihren Facharzt aufgesucht hat, lässt sich nicht ohne weiteres folgern, diese werde sich auch bei einer Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes weiterhin verantwortungsvoll verhalten. Durch das eingeholte Sachverständigengutachten wird diese Annahme denn auch nicht gestützt, wenn in diesem eine weitere nur ambulante Behandlung für "völlig unzureichend" angesehen und jedenfalls bei einer Zunahme der Krankheitssymptomatik eine stationären Behandlung notfalls auch gegen den Willen der Betroffenen für erforderlich angesehen wird.
9
c) Kann die Beschwerdeentscheidung danach keinen Bestand haben, ist die Sache an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen, damit dieses fundierte Feststellungen zu der Gefährdungslage bezogen auf den Zeitpunkt des endgültigen Eigentumsverlustes treffen kann (§ 577 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 ZPO).
10
2. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
11
a) Die von dem Sachverständigen für den Bereich der Suizidgefährdung vorgenommene und von dem Beschwerdegericht offenbar übernommene Unterscheidung u.a. zwischen Basissuizidalität, erhöhter und akuter Suizidalität erscheint mit Blick auf die im Rahmen des § 765a ZPO zu beantwortende Frage , ob eine konkrete Suizidgefahr vorliegt, nicht hilfreich. Wie oben dargelegt, kommt es auf das Vorliegen einer konkreten Suizidgefahr an. Der Tatrichter hat zu würdigen, ob die ernsthafte Befürchtung der Selbsttötung besteht. Die damit einhergehende Prognoseentscheidung hat er mit Tatsachen zu untermauern. Dagegen wird die Voraussetzung einer konkreten Lebensgefahr allein durch die Wiedergabe von Begriffen, die ebenfalls nur das Ergebnis einer Würdigung darstellen , weder belegt noch widerlegt.
12
b) Die Zulassung der Rechtsbeschwerde setzt die sorgfältige Prüfung voraus, ob Zulassungsgründe nach § 574 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 ZPO gegeben sind. Allein der Umstand, dass eine Entscheidung im grundrechtsrelevanten Bereich ergeht, genügt hierfür nicht. Vielmehr kommt eine Zulassung des Rechtsmittels auch dann nur in Betracht, wenn der Sache grundsätzliche Bedeutung zukommt oder eine Entscheidung durch das Rechtsbeschwerdegericht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist. Letzteres kommt insbesondere bei Vorliegen einer ent- scheidungserheblichen Divergenz und im Übrigen nur in Fällen zum Tragen, in denen dem Beschwerdegericht zulassungsrelevante Rechtsfehler (ausführlich dazu etwa MünchKomm-ZPO/Wenzel, 3. Aufl., § 543 Rn. 17 ff.; vgl. auch MünchKomm-ZPO/Lipp, § 574 Rn. 8) unterlaufen sind. Da das Zivilprozessrecht im Rechtsbeschwerdeverfahren keine Nichtzulassungsbeschwerde kennt, dürfte die zuletzt genannte Fallgruppe allerdings nicht praktisch werden, weil das Beschwerdegericht kaum von der Unrichtigkeit seiner eigenen Entscheidung ausgehen wird. Dass es die Beurteilung der Rechtslage für zweifelhaft hält, reicht für den genannten Zulassungsgrund nicht aus.
13
3. Da aus dem Zuschlagsbeschluss bereits vor dem Eintritt der Rechtskraft vollstreckt werden kann und die Aufhebung der Entscheidung des Beschwerdegerichts dem Zuschlagsbeschluss die Vollstreckbarkeit nicht nimmt, ist die Aussetzung der Vollstreckung bis zur erneuten Entscheidung des Beschwerdegerichts nach § 574 Abs. 1, § 570 Abs. 3 ZPO durch das Rechtsbeschwerdegericht auszusprechen (Senat, Beschluss vom 14. Juni 2007 - V ZB 28/07, NJW 2007, 3719, 3721; Beschluss vom 15. Juli 2010 - V ZB 1/10, Rn. 16 mwN).

IV.

14
Der Senat hat dem Schuldner Prozesskostenhilfe erst mit Wirkung vom 19. März 2010 bewilligt, weil erst an diesem Tag die nach § 117 Abs. 2 und 4 ZPO erforderliche Erklärung eingegangen ist. Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann Roth
Vorinstanzen:
AG Potsdam, Entscheidung vom 12.03.2009 - 2 K 6/06 -
LG Potsdam, Entscheidung vom 17.11.2009 - 5 T 295/09 -

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Wird der Verfassungsbeschwerde stattgegeben, so ist in der Entscheidung festzustellen, welche Vorschrift des Grundgesetzes und durch welche Handlung oder Unterlassung sie verletzt wurde. Das Bundesverfassungsgericht kann zugleich aussprechen, daß auch jede Wiederholung der beanstandeten Maßnahme das Grundgesetz verletzt.

(2) Wird der Verfassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung stattgegeben, so hebt das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung auf, in den Fällen des § 90 Abs. 2 Satz 1 verweist es die Sache an ein zuständiges Gericht zurück.

(3) Wird der Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz stattgegeben, so ist das Gesetz für nichtig zu erklären. Das gleiche gilt, wenn der Verfassungsbeschwerde gemäß Absatz 2 stattgegeben wird, weil die aufgehobene Entscheidung auf einem verfassungswidrigen Gesetz beruht. Die Vorschrift des § 79 gilt entsprechend.

(1) Die Entscheidung nach § 93b und § 93c ergeht ohne mündliche Verhandlung. Sie ist unanfechtbar. Die Ablehnung der Annahme der Verfassungsbeschwerde bedarf keiner Begründung.

(2) Solange und soweit der Senat nicht über die Annahme der Verfassungsbeschwerde entschieden hat, kann die Kammer alle das Verfassungsbeschwerdeverfahren betreffenden Entscheidungen erlassen. Eine einstweilige Anordnung, mit der die Anwendung eines Gesetzes ganz oder teilweise ausgesetzt wird, kann nur der Senat treffen; § 32 Abs. 7 bleibt unberührt. Der Senat entscheidet auch in den Fällen des § 32 Abs. 3.

(3) Die Entscheidungen der Kammer ergehen durch einstimmigen Beschluß. Die Annahme durch den Senat ist beschlossen, wenn mindestens drei Richter ihr zustimmen.

(1) Erweist sich der Antrag auf Verwirkung der Grundrechte (§ 13 Nr. 1), die Anklage gegen den Bundespräsidenten (§ 13 Nr. 4) oder einen Richter (§ 13 Nr. 9) als unbegründet, so sind dem Antragsgegner oder dem Angeklagten die notwendigen Auslagen einschließlich der Kosten der Verteidigung zu ersetzen.

(2) Erweist sich eine Verfassungsbeschwerde als begründet, so sind dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen ganz oder teilweise zu erstatten.

(3) In den übrigen Fällen kann das Bundesverfassungsgericht volle oder teilweise Erstattung der Auslagen anordnen.

(1) Die Vorschriften für die Revision in Teil 4 Abschnitt 1 Unterabschnitt 3 des Vergütungsverzeichnisses gelten entsprechend in folgenden Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht oder dem Verfassungsgericht (Verfassungsgerichtshof, Staatsgerichtshof) eines Landes:

1.
Verfahren über die Verwirkung von Grundrechten, den Verlust des Stimmrechts, den Ausschluss von Wahlen und Abstimmungen,
2.
Verfahren über die Verfassungswidrigkeit von Parteien,
3.
Verfahren über Anklagen gegen den Bundespräsidenten, gegen ein Regierungsmitglied eines Landes oder gegen einen Abgeordneten oder Richter und
4.
Verfahren über sonstige Gegenstände, die in einem dem Strafprozess ähnlichen Verfahren behandelt werden.

(2) In sonstigen Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht oder dem Verfassungsgericht eines Landes gelten die Vorschriften in Teil 3 Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 des Vergütungsverzeichnisses entsprechend. Der Gegenstandswert ist unter Berücksichtigung der in § 14 Absatz 1 genannten Umstände nach billigem Ermessen zu bestimmen; er beträgt mindestens 5 000 Euro.