Finanzgericht Münster Urteil, 11. Feb. 2016 - 3 K 1097/14 E

ECLI:ECLI:DE:FGMS:2016:0211.3K1097.14E.00
bei uns veröffentlicht am11.02.2016

Tenor

Der Einkommensteuerbescheid 2005 vom 24.01.2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07.06.2010 wird nach Maßgabe der Entscheidungsgründe geändert.

Die Steuerberechnung wird dem Beklagten übertragen.

Die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens trägt der Beklagte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.


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Urteilsbesprechung zu Finanzgericht Münster Urteil, 11. Feb. 2016 - 3 K 1097/14 E

Urteilsbesprechungen zu Finanzgericht Münster Urteil, 11. Feb. 2016 - 3 K 1097/14 E

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur
Finanzgericht Münster Urteil, 11. Feb. 2016 - 3 K 1097/14 E zitiert 13 §§.

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Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 115


(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

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(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an di

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(1) Soll gegen den Bund, ein Land, einen Gemeindeverband, eine Gemeinde, eine Körperschaft, eine Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts vollstreckt werden, so gilt für die Zwangsvollstreckung das Achte Buch der Zivilprozessordnung sinngemäß; §

Einkommensteuergesetz - EStG | § 33 Außergewöhnliche Belastungen


(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 143


(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluss über die Kosten zu entscheiden. (2) Wird eine Sache vom Bundesfinanzhof an das Finanzgericht zurückverwiesen, so kann diesem die Entscheid

Einkommensteuer-Durchführungsverordnung - EStDV 1955 | § 64 Nachweis von Krankheitskosten und der Voraussetzungen der behinderungsbedingten Fahrtkostenpauschale


(1) Den Nachweis der Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall hat der Steuerpflichtige zu erbringen: 1. durch eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel (§§ 2, 23, 31 bis 33 des Fünften Buches Sozia

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Bundesfinanzhof Urteil, 06. Feb. 2014 - VI R 61/12

bei uns veröffentlicht am 06.02.2014

Tatbestand 1 I. Streitig ist, ob Aufwendungen für den Einbau eines Treppenlifts im Jahr 2005 als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sind. Die Sache befindet s

Bundesfinanzhof Urteil, 05. Okt. 2011 - VI R 14/11

bei uns veröffentlicht am 05.10.2011

Tatbestand 1 I. Streitig ist, ob Aufwendungen für den Einbau eines Treppenlifts als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sind.

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Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob Aufwendungen für den Einbau eines Treppenlifts als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sind.

2

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist die Alleinerbin ihres am … November 1914 geborenen und am … Juni 2007 verstorbenen Ehemannes X, mit dem sie im Streitjahr (2005) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurde. Ende des Jahres 2005 ließen sich die Klägerin und ihr Ehemann einen Treppenlift in ihr selbst genutztes Einfamilienhaus einbauen. Hierfür entstanden ihnen Kosten in Höhe von 18.664,45 EUR. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten sie diese Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung geltend. Hierzu legten sie dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) mit Schreiben vom 10. Oktober 2006 ein am 5. Oktober 2006 ausgestelltes ärztliches Attest des Internisten und Hausarztes Dr. A vor, in dem dieser ausführt:

3

"Seit 9/05 besteht bei o.g. [X] eine weitgehende Einschränkung der Gehfähigkeit. Das Zurücklegen kurzer Strecken ist ohne Hilfsmittel (Rollator oder Rollstuhl) nicht möglich. Mit Hilfsmitteln sind Gehversuche für den Patienten mit starken Schmerzen verbunden. Treppensteigen ist ihm unmöglich. Die Voraussetzungen für eine Schwerbehinderung mit außergewöhnlicher Gehbehinderung sind gegeben."

4

Gleichwohl berücksichtigte das FA die geltend gemachten Kosten für den Einbau des Treppenlifts bei der angefochtenen Einkommensteuerfestsetzung nicht als außergewöhnliche Belastung. Auch der Einspruch blieb --trotz eines weiteren ärztlichen Attestes-- insoweit ohne Erfolg.

5

Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 1319 veröffentlichten Gründen ab.

6

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

7

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des FG Münster vom 19. November 2010  14 K 2520/10 E aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG Münster zurückzuverweisen.

8

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Denn das FG hat den Abzug der geltend gemachten Aufwendungen für den Einbau eines Treppenlifts im vorliegenden Fall zu Unrecht allein deshalb versagt, weil die medizinische Notwendigkeit dieser Maßnahme nicht durch ein zuvor erstelltes amtsärztliches Attest nachgewiesen worden ist.

10

1. Nach § 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung) erwachsen. Zwangsläufig erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen dann, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind (u.a. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. September 1989 III R 129/86, BFHE 158, 380, BStBl II 1990, 418).

11

Für die mitunter schwierige Trennung von echten Krankheitskosten einerseits und lediglich gesundheitsfördernden Vorbeuge- oder Folgekosten andererseits forderte der BFH bislang regelmäßig die Vorlage eines zeitlich vor der Leistung von Aufwendungen erstellten amts- oder vertrauensärztlichen Gutachtens bzw. eines Attestes eines anderen öffentlich-rechtlichen Trägers, aus dem sich die Krankheit und die medizinische Indikation der den Aufwendungen zugrundeliegenden Behandlung zweifelsfrei entnehmen lässt. Auch bei Aufwendungen für Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können und deren medizinische Indikation deshalb schwer zu beurteilen ist (BFH-Urteile vom 30. Juni 1995 III R 52/93, BFHE 178, 81, BStBl II 1995, 614, 616, und vom 8. Juli 1994 III R 48/93, BFH/NV 1995, 24, 25, m.w.N.), verlangte der BFH diesen oder einen vergleichbaren (BFH-Urteil vom 2. April 1998 III R 67/97, BFHE 186, 79, BStBl II 1998, 613) formalisierten Nachweis. An dem Erfordernis einer vorherigen amts- oder vertrauensärztlichen Begutachtung (oder einem vergleichbaren Zeugnis) zum Nachweis der medizinischen Notwendigkeit einer Maßnahme, die auch zu den nicht abziehbaren Kosten der Lebensführung (§ 12 Nr. 1 EStG) gehören könnte, hält der erkennende Senat jedoch seit dem Senatsurteil vom 11. November 2010 VI R 17/09 (BFHE 232, 40) nicht länger fest.

12

2. Die Vorentscheidung beruht auf einer anderen Rechtsauffassung und ist daher aufzuheben. Der Senat kann jedoch nicht durcherkennen, da die Sache nicht spruchreif ist.

13

a) Das FG wird im zweiten Rechtsgang zu prüfen haben, ob der Einbau des Treppenlifts aufgrund der gesundheitlichen Beschwerden des Ehemannes der Klägerin im Streitjahr medizinisch angezeigt war. Ob es sich bei einem Treppenschräglift um ein medizinisches Hilfsmittel im engeren Sinne (etwa Brillen, Hörgeräte oder Rollstühle) oder um ein Hilfsmittel handelt, welches nicht nur von Kranken, sondern --etwa der Bequemlichkeit wegen-- auch von Gesunden angeschafft wird, ist insoweit ohne Belang. Denn Aufwendungen für medizinisch indizierte Maßnahmen sind typisierend als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, ohne dass es im Einzelfall der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG an sich gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit des Grundes und der Höhe nach bedarf. Weiter ist zu beachten, dass nicht nur das medizinisch Notwendige im Sinne einer Mindestversorgung von der Heilanzeige erfasst wird. Medizinisch indiziert (angezeigt) ist vielmehr jedes diagnostische oder therapeutische Verfahren, dessen Anwendung in einem Erkrankungsfall hinreichend gerechtfertigt (angezeigt) ist (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 259. Aufl., Indikation). Dieser medizinischen Wertung hat die steuerliche Beurteilung zu folgen (Senatsurteil in BFHE 232, 40), es sei denn, es liegt ein für jedermann erkennbares offensichtliches Missverhältnis zwischen dem erforderlichen und dem tatsächlichen Aufwand vor (Senatsurteil vom 17. Juli 1981 VI R 77/78, BFHE 133, 545, BStBl II 1981, 711, m.w.N.).

14

b) Die erforderlichen Feststellungen hat das FG nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) zu treffen. Es hat dabei zu berücksichtigen, dass ein von einem Beteiligten vorgelegtes Sachverständigengutachten im finanzgerichtlichen Verfahren lediglich als Privatgutachten zu behandeln und damit als urkundlich belegter Parteivortrag zu würdigen ist. Ein solches Gutachten kann daher nicht als Nachweis für die Richtigkeit des klägerischen Vortrags gewertet werden (Senatsurteil in BFHE 232, 40, m.w.N.). Da weder das FA noch das FG die Sachkunde besitzen, um die medizinische Indikation der den Aufwendungen zugrundeliegenden Maßnahme zu beurteilen, ist das FG aufgrund seiner Verpflichtung zur Sachaufklärung (§ 76 FGO) gehalten, gegebenenfalls von Amts wegen ein entsprechendes Gutachten zu erheben.

15

c) Deshalb kann das FG auch nicht länger dahinstehen lassen, ob die Klägerin und ihr zwischenzeitlich verstorbener Ehemann mit Schreiben vom 10. Januar 2007 ihr ursprüngliches Klagebegehren im Rahmen ihrer Dispositionsbefugnis wirksam auf die doppelte Erfassung der Rentenbezüge beschränkt haben. Neben der Beschränkung des Einspruchsantrags liegt es in der Verfügungsbefugnis des Steuerpflichtigen, bei einem Teilabhilfebescheid das Einspruchsverfahren durch eine Rücknahme des Einspruchs oder durch eine formlose (vgl. BFH-Urteil vom 4. November 1981 II R 119/79, BFHE 134, 510, BStBl II 1982, 270, 272) Erledigungserklärung abzuschließen. Das FG hat deshalb zunächst festzustellen, ob die Klägerin und ihr zwischenzeitlich verstorbener Ehemann zweifelsfrei zu erkennen gegeben haben, dass sie nach der angekündigten Teilabhilfe an der Fortführung des Verfahrens nicht interessiert seien. In diesem Fall stellt der Änderungsbescheid vom 24. Januar 2007 nicht lediglich einen Teilabhilfebescheid, sondern eine das Einspruchsverfahren wegen Einkommensteuer 2005 beendende --weil vollständige-- Abhilfeentscheidung dar, so dass die Klage ohne weitere Sachprüfung als unbegründet abzuweisen wäre (vgl. Urteil des FG München vom 17. April 2007  6 K 598/05, juris).

16

3. Angesichts dessen braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob dem FG die von der Revision gerügten Verfahrensfehler unterlaufen sind (Senatsurteil vom 11. Februar 2010 VI R 65/08, BFHE 228, 421, BStBl II 2010, 628, m.w.N.).

(1) Den Nachweis der Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall hat der Steuerpflichtige zu erbringen:

1.
durch eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel (§§ 2, 23, 31 bis 33 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch);
2.
durch ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (§ 275 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch) für
a)
eine Bade- oder Heilkur; bei einer Vorsorgekur ist auch die Gefahr einer durch die Kur abzuwendenden Krankheit, bei einer Klimakur der medizinisch angezeigte Kurort und die voraussichtliche Kurdauer zu bescheinigen,
b)
eine psychotherapeutische Behandlung; die Fortführung einer Behandlung nach Ablauf der Bezuschussung durch die Krankenversicherung steht einem Behandlungsbeginn gleich,
c)
eine medizinisch erforderliche auswärtige Unterbringung eines an Legasthenie oder einer anderen Behinderung leidenden Kindes des Steuerpflichtigen,
d)
die Notwendigkeit der Betreuung des Steuerpflichtigen durch eine Begleitperson, sofern sich diese nicht bereits aus dem Nachweis der Behinderung nach § 65 Absatz 1 Nummer 1 ergibt,
e)
medizinische Hilfsmittel, die als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens im Sinne von § 33 Absatz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch anzusehen sind,
f)
wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethoden, wie z. B. Frisch- und Trockenzellenbehandlungen, Sauerstoff-, Chelat- und Eigenbluttherapie.
2Der nach Satz 1 zu erbringende Nachweis muss vor Beginn der Heilmaßnahme oder dem Erwerb des medizinischen Hilfsmittels ausgestellt worden sein;
3.
durch eine Bescheinigung des behandelnden Krankenhausarztes für Besuchsfahrten zu einem für längere Zeit in einem Krankenhaus liegenden Ehegatten oder Kind des Steuerpflichtigen, in dem bestätigt wird, dass der Besuch des Steuerpflichtigen zur Heilung oder Linderung einer Krankheit entscheidend beitragen kann.

(2) Die zuständigen Gesundheitsbehörden haben auf Verlangen des Steuerpflichtigen die für steuerliche Zwecke erforderlichen Gesundheitszeugnisse, Gutachten oder Bescheinigungen auszustellen.

(3) Für den Nachweis der Anspruchsvoraussetzungen zur behinderungsbedingten Fahrtkostenpauschale sind die Vorschriften des § 65 anzuwenden.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob Aufwendungen für den Einbau eines Treppenlifts im Jahr 2005 als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sind. Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang.

2

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist die Alleinerbin ihres am ... Juni 2007 verstorbenen Ehemannes X, mit dem sie im Streitjahr (2005) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurde. Ende des Jahres 2005 ließen sich die Klägerin und ihr am ... November 1914 geborener, zwischenzeitlich verstorbener Ehemann einen Treppenlift in ihr selbst genutztes Einfamilienhaus einbauen. Hierfür entstanden ihnen Kosten in Höhe von 18.664,45 €. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten sie diese Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung geltend. Hierzu legten sie dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) mit Schreiben vom 10. Oktober 2006 ein am 5. Oktober 2006 ausgestelltes ärztliches Attest des Internisten und Hausarztes Dr. A vor, in dem dieser ausführt:

3

"Seit 9/05 besteht bei o.g. [X] eine weitgehende Einschränkung der Gehfähigkeit. Das Zurücklegen kurzer Strecken ist ohne Hilfsmittel (Rollator oder Rollstuhl) nicht möglich. Mit Hilfsmitteln sind Gehversuche für den Patienten mit starken Schmerzen verbunden. Treppensteigen ist ihm unmöglich. Die Voraussetzungen für eine Schwerbehinderung mit außergewöhnlicher Gehbehinderung sind gegeben."

4

Gleichwohl berücksichtigte das FA die geltend gemachten Kosten für den Einbau des Treppenlifts bei der angefochtenen Einkommensteuerfestsetzung nicht als außergewöhnliche Belastung. Auch der Einspruch blieb --trotz eines weiteren ärztlichen Attests-- insoweit ohne Erfolg.

5

Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2011, 1319 veröffentlichten Gründen ab.

6

Auf die Revision der Klägerin hob der Bundesfinanzhof (BFH) das klageabweisende Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück (Senatsurteil vom 5. Oktober 2011 VI R 14/11, BFH/NV 2012, 39). Das FG habe den Abzug der geltend gemachten Aufwendungen für den Einbau des Treppenlifts zu Unrecht allein deshalb versagt, weil die medizinische Notwendigkeit dieser Maßnahme nicht durch ein zuvor erstelltes amtsärztliches Attest nachgewiesen worden sei. An dem Erfordernis einer vorherigen amts- oder vertrauensärztlichen Begutachtung zum Nachweis der medizinischen Notwendigkeit einer Maßnahme, die auch zu den nicht abziehbaren Kosten der Lebensführung (§ 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) gehören könnte, halte der erkennende Senat seit dem Senatsurteil vom 11. November 2010 VI R 17/09 (BFHE 232, 40, BStBl II 2011, 969) nicht länger fest. Eine abschließende Entscheidung sei jedoch noch nicht möglich, da das FG im zweiten Rechtsgang zu prüfen habe, ob der Einbau des Treppenlifts aufgrund der gesundheitlichen Beschwerden des Ehemannes der Klägerin medizinisch angezeigt gewesen sei.

7

Im zweiten Rechtsgang wies das FG die Klage erneut ab (EFG 2013, 44). Die Rechtslage habe sich geändert. Deshalb sei das FG nicht an die Entscheidung des BFH im ersten Rechtsgang gebunden. Bei krankheitsbedingten Aufwendungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel (§§ 2, 23, 31 bis 33 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch --SGB V--) sei die Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall nach § 64 Abs. 1 Nr. 2 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) i.d.F. des Steuervereinfachungsgesetzes (StVereinfG) 2011 bei Aufwendungen für Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen könnten und deren medizinische Indikation deshalb schwer zu beurteilen sei, (wieder) durch ein vor Beginn der Heilmaßnahme oder dem Erwerb des medizinischen Hilfsmittels ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine vorherige ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (§ 275 SGB V) zu erbringen. Dies gelte insbesondere für medizinische Hilfsmittel i.S. des § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. e EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011. Hierzu sei auch ein Treppenlift zu zählen. Da die Klägerin vorliegend die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen für den Einbau des Lifts nicht durch ein amtsärztliches Attest nachgewiesen habe, sei die Klage unbegründet.

8

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.

9

Sie beantragt sinngemäß,
das Urteil des FG Münster vom 18. September 2012  11 K 3982/11 E aufzuheben, den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2005 vom 24. Januar 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. Juni 2010 zu ändern und die Einkommensteuer unter Berücksichtigung der Aufwendungen für den Einbau des Treppenlifts in Höhe von 18.664 € als außergewöhnliche Belastung auf 256 € festzusetzen.

10

Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

11

II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Denn das FG hat den Abzug der geltend gemachten Aufwendungen für den Einbau eines Treppenlifts im vorliegenden Fall zu Unrecht allein deshalb versagt, weil die medizinische Notwendigkeit dieser Maßnahme nicht durch ein zuvor erstelltes amtsärztliches Attest nachgewiesen worden ist.

12

1. Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung) erwachsen. Zwangsläufig erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen dann, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind (u.a. BFH-Urteil vom 29. September 1989 III R 129/86, BFHE 158, 380, BStBl II 1990, 418).

13

a) In ständiger Rechtsprechung geht der BFH davon aus, dass Krankheitskosten --ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung-- dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Allerdings werden nur solche Aufwendungen als Krankheitskosten berücksichtigt, die zum Zwecke der Heilung einer Krankheit (z.B. Medikamente, Operation) oder mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglich zu machen, beispielsweise Aufwendungen für einen Rollstuhl (BFH-Urteile vom 17. Juli 1981 VI R 77/78, BFHE 133, 545, BStBl II 1981, 711; vom 13. Februar 1987 III R 208/81, BFHE 149, 222, BStBl II 1987, 427, und vom 20. März 1987 III R 150/86, BFHE 149, 539, BStBl II 1987, 596).

14

b) Aufwendungen für die eigentliche Heilbehandlung werden typisierend als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, ohne dass es im Einzelfall der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG an sich gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit des Grundes und der Höhe nach bedarf (BFH-Urteile vom 1. Februar 2001 III R 22/00, BFHE 195, 144, BStBl II 2001, 543, und vom 3. Dezember 1998 III R 5/98, BFHE 187, 503, BStBl II 1999, 227, m.w.N.). Eine derart typisierende Behandlung der Krankheitskosten ist zur Vermeidung eines unzumutbaren Eindringens in die Privatsphäre geboten (BFH-Urteil in BFHE 195, 144, BStBl II 2001, 543). Dies gilt aber nur dann, wenn die Aufwendungen nach den Erkenntnissen und Erfahrungen der Heilkunde und nach den Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes zur Heilung oder Linderung der Krankheit angezeigt (vertretbar) sind und vorgenommen werden (vgl. BFH-Urteil vom 18. Juni 1997 III R 84/96, BFHE 183, 476, BStBl II 1997, 805), also medizinisch indiziert sind (Senatsurteil vom 19. April 2012 VI R 74/10, BFHE 237, 156, BStBl II 2012, 577).

15

c) Allerdings hat der Steuerpflichtige die Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall in einer Reihe von Fällen formalisiert nachzuweisen. Bei krankheitsbedingten Aufwendungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel (§§ 2, 23, 31 bis 33 SGB V) ist dieser Nachweis nach § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 durch eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers zu führen; bei Aufwendungen für Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können und deren medizinische Indikation deshalb schwer zu beurteilen ist, verlangt § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. a bis f EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 in einer abschließenden Aufzählung (vgl. Senatsurteil vom 29. März 2012 VI R 21/11, BFHE 237, 93, BStBl II 2012, 574; Schmidt/Loschelder, EStG, 32. Aufl., § 33 Rz 34; Geserich, Deutsches Steuerrecht 2012, 1490 <1493>) ein vor Beginn der Heilmaßnahme oder dem Erwerb des medizinischen Hilfsmittels ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine vorherige ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (§ 275 SGB V). Ein solcher qualifizierter Nachweis ist --aufgrund der in § 84 Abs. 3f EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 angeordneten verfassungsrechtlich unbedenklichen rückwirkenden Geltung des § 64 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 (Senatsurteil in BFHE 237, 156, BStBl II 2012, 577) auch im Streitjahr-- beispielsweise bei Bade- und Heilkuren (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. a EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011) sowie bei medizinischen Hilfsmitteln, die als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens i.S. von § 33 Abs. 1 SGB V anzusehen sind (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. e EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011), erforderlich. Dies hat das FG zutreffend erkannt.

16

d) Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens i.S. von § 33 Abs. 1 SGB V sind allerdings nur solche technischen Hilfen, die getragen oder mit sich geführt werden können, um sich im jeweiligen Umfeld zu bewegen, zurechtzufinden und die elementaren Grundbedürfnisse des täglichen Lebens zu befriedigen (Senatsurteil in BFHE 237, 93, BStBl II 2012, 574; Urteil des Bundessozialgerichts --BSG-- vom 6. August 1998 B 3 KR 14/97 R, Sozialrecht 3-2500 § 33 Nr. 30). Ein Treppenlift ist kein Hilfsmittel im Sinne dieser Legaldefinition (BSG-Urteil in Sozialrecht 3-2500 § 33 Nr. 30; Urteil des Landessozialgerichts für das Land Niedersachsen vom 2. August 2008 L 4 KR 37/00, juris). Angesichts des insoweit eindeutigen Wortlauts der Vorschrift ist die Zwangsläufigkeit und damit die medizinische Notwendigkeit von Aufwendungen für den Einbau eines Treppenlifts nicht formalisiert nachzuweisen.

17

e) Entgegen der Auffassung des FG ist § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. e EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 nicht dahin auszulegen, dass bei medizinischen Hilfsmitteln, die sowohl von kranken als auch von gesunden Menschen angeschafft werden und bei denen daher die medizinische Indikation dieser Anschaffung in Abgrenzung zu den allgemeinen Lebenshaltungskosten gemäß § 12 Nr. 1 EStG schwer zu beurteilen ist, stets ein amtsärztliches Attest vor der Anschaffung des Hilfsmittels notwendig ist. Dies gilt umso mehr, wenn sich der Gesetzgeber bei einer Ausnahmeregelung --wie hier vom Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO)-- einer Legaldefinition (§ 33 Abs. 1 SGB V) bedient.

18

f) Für eine solch weite Auslegung, die über den möglichen Wortsinn der Vorschrift hinausgeht, bietet im Übrigen weder die Entstehungsgeschichte des § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. e EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 Anlass noch ist sie --entgegen der Vorentscheidung-- nach Sinn und Zweck der Norm geboten.

19

aa) Mit der aufgrund des § 33 Abs. 4 EStG i.d.F. des StVereinfG 2011 ergangenen Regelung des § 64 Abs. 1 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 hat der Gesetzgeber die bisherige Verwaltungsauffassung zum Nachweis der Zwangsläufigkeit von Krankheitskosten in R 33.4 Abs. 1 der Einkommensteuer-Richtlinien in das EStG bzw. die EStDV übertragen. Hierzu sah er sich aus Gründen der Rechtssicherheit und zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens veranlasst (BRDrucks 54/11, 12 f.; BTDrucks 17/6105, 2), nachdem der erkennende Senat mit Urteilen vom 11. November 2010 VI R 16/09 (BFHE 232, 34, BStBl II 2011, 966) und in BFHE 232, 40, BStBl II 2011, 969 entschieden hat, dass das formalisierte Nachweisverlangen mangels gesetzlicher Grundlage keinen Bestand haben könne. Anhaltspunkte dafür, den Verweis des § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. e EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 auf § 33 Abs. 1 SGB V dahin zu verstehen, dass medizinische Hilfsmittel im weiteren Sinne stets des formalisierten Nachweises bedürfen, lassen sich hieraus nicht gewinnen. Vielmehr spricht das Anliegen des Gesetzgebers, durch die "Neuregelung" Rechtssicherheit zu schaffen, für eine wortgetreue Auslegung der Vorschrift.

20

bb) Schließlich ist eine über den möglichen Wortsinn des Gesetzes hinausgehende Auslegung von § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. e EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 auch nicht dem Sinn und Zweck der Vorschrift geschuldet.

21

Eine solche teleologische Extension, die darauf abzielt, den zu engen Wortlaut eines Gesetzes auf dessen weiter gehenden Zweck auszudehnen (vgl. die Nachweise bei Drüen in Tipke/ Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 4 AO Rz 382), ist nicht bereits dann gerechtfertigt, wenn die vom Gesetzgeber getroffene Entscheidung rechtspolitisch fehlerhaft erscheint. Vielmehr muss die auf den Wortlaut abstellende Auslegung zu einem sinnwidrigen, zu einem der wirtschaftlichen Vernunft widersprechenden Ergebnis oder zu einem so unsinnigen Ergebnis führen, dass es vom Gesetzgeber nicht gewollt sein kann (BFH-Urteil vom 11. April 2013 III R 11/12, BFHE 241, 124, BStBl II 2013, 665, m.w.N.).

22

Bei Zugrundelegung dieses Maßstabs ist eine teleologische Extension des § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. e EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 vorliegend nicht gerechtfertigt. Denn auch ohne eine solche Auslegung ist die ungerechtfertigte Inanspruchnahme von Steuervorteilen nicht zu besorgen. Denn sie führt lediglich dazu, dass der Steuerpflichtige die Zwangsläufigkeit (medizinische Notwendigkeit) von medizinischen Hilfsmitteln im weiteren Sinne, die nicht unter § 33 Abs. 1 SGB V fallen und sowohl von kranken als auch von gesunden Menschen angeschafft werden und bei denen daher die medizinische Indikation dieser Anschaffung in Abgrenzung zu den allgemeinen Lebenshaltungskosten gemäß § 12 Nr. 1 EStG schwer zu beurteilen ist, nicht formalisiert nachweisen muss. Es bleibt aber bei den allgemeinen Beweisregeln. Danach hat der Steuerpflichtige die Entstehung außergewöhnlicher Belastungen und damit auch die medizinische Notwendigkeit von Aufwendungen für die Anschaffung von medizinischen Hilfsmitteln, die nicht unter § 33 Abs. 1 SGB V fallen und sowohl von kranken als auch von gesunden Menschen angeschafft werden, zur Überzeugung des FG nachzuweisen (vgl. Senatsurteile in BFHE 232, 34, BStBl II 2011, 966, und in BFHE 232, 40, BStBl II 2011, 969).

23

2. Die Vorentscheidung beruht auf einer anderen Rechtsauffassung und ist daher aufzuheben. Der Senat kann jedoch nicht durcherkennen, da die Sache nicht spruchreif ist.

24

a) Das FG wird nunmehr zu prüfen haben, ob der Einbau des Treppenlifts aufgrund der gesundheitlichen Beschwerden des Ehemannes der Klägerin im Streitjahr medizinisch angezeigt war. Denn Aufwendungen für medizinisch indizierte Maßnahmen sind typisierend als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, ohne dass es im Einzelfall der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG an sich gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit des Grundes und der Höhe nach bedarf. Weiter ist zu beachten, dass nicht nur das medizinisch Notwendige im Sinne einer Mindestversorgung von der Heilanzeige erfasst wird. Medizinisch indiziert (angezeigt) ist vielmehr jedes diagnostische oder therapeutische Verfahren, dessen Anwendung in einem Erkrankungsfall hinreichend gerechtfertigt (angezeigt) ist (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 259. Auflage, Indikation). Dieser medizinischen Wertung hat die steuerliche Beurteilung zu folgen (Senatsurteil in BFHE 232, 40, BStBl II 2011, 969), es sei denn, es liegt ein offensichtliches Missverhältnis zwischen dem erforderlichen und dem tatsächlichen Aufwand vor (Senatsurteil in BFHE 133, 545, BStBl II 1981, 711, m.w.N.).

25

b) Die erforderlichen Feststellungen hat das FG nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) zu treffen. Es hat dabei zu berücksichtigen, dass ein von einem Beteiligten vorgelegtes Sachverständigengutachten im finanzgerichtlichen Verfahren lediglich als Privatgutachten zu behandeln und damit als urkundlich belegter Parteivortrag zu würdigen ist. Ein solches Gutachten kann daher nicht als Nachweis für die Richtigkeit des klägerischen Vortrags gewertet werden (Senatsurteil in BFHE 232, 40, BStBl II 2011, 969, m.w.N.). Da weder das FA noch das FG die Sachkunde besitzen, um die medizinische Indikation der den Aufwendungen zugrundeliegenden Maßnahme zu beurteilen, ist das FG aufgrund seiner Verpflichtung zur Sachaufklärung (§ 76 FGO) gehalten, gegebenenfalls von Amts wegen ein entsprechendes Gutachten zu erheben.

(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an die rechtliche Beurteilung gebunden, die der Aufhebung zugrunde liegt, an die tatsächliche so weit, als nicht neu bekannt werdende Tatsachen und Beweismittel eine andere Beurteilung rechtfertigen. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, dass und wie die Finanzbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, dass die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Satz 1 gilt nicht, soweit der Steuerpflichtige seiner Erklärungspflicht nicht nachgekommen ist und deshalb die Besteuerungsgrundlagen geschätzt worden sind. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlass des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, dass Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluss kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob Aufwendungen für den Einbau eines Treppenlifts im Jahr 2005 als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sind. Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang.

2

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist die Alleinerbin ihres am ... Juni 2007 verstorbenen Ehemannes X, mit dem sie im Streitjahr (2005) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurde. Ende des Jahres 2005 ließen sich die Klägerin und ihr am ... November 1914 geborener, zwischenzeitlich verstorbener Ehemann einen Treppenlift in ihr selbst genutztes Einfamilienhaus einbauen. Hierfür entstanden ihnen Kosten in Höhe von 18.664,45 €. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten sie diese Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung geltend. Hierzu legten sie dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) mit Schreiben vom 10. Oktober 2006 ein am 5. Oktober 2006 ausgestelltes ärztliches Attest des Internisten und Hausarztes Dr. A vor, in dem dieser ausführt:

3

"Seit 9/05 besteht bei o.g. [X] eine weitgehende Einschränkung der Gehfähigkeit. Das Zurücklegen kurzer Strecken ist ohne Hilfsmittel (Rollator oder Rollstuhl) nicht möglich. Mit Hilfsmitteln sind Gehversuche für den Patienten mit starken Schmerzen verbunden. Treppensteigen ist ihm unmöglich. Die Voraussetzungen für eine Schwerbehinderung mit außergewöhnlicher Gehbehinderung sind gegeben."

4

Gleichwohl berücksichtigte das FA die geltend gemachten Kosten für den Einbau des Treppenlifts bei der angefochtenen Einkommensteuerfestsetzung nicht als außergewöhnliche Belastung. Auch der Einspruch blieb --trotz eines weiteren ärztlichen Attests-- insoweit ohne Erfolg.

5

Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2011, 1319 veröffentlichten Gründen ab.

6

Auf die Revision der Klägerin hob der Bundesfinanzhof (BFH) das klageabweisende Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück (Senatsurteil vom 5. Oktober 2011 VI R 14/11, BFH/NV 2012, 39). Das FG habe den Abzug der geltend gemachten Aufwendungen für den Einbau des Treppenlifts zu Unrecht allein deshalb versagt, weil die medizinische Notwendigkeit dieser Maßnahme nicht durch ein zuvor erstelltes amtsärztliches Attest nachgewiesen worden sei. An dem Erfordernis einer vorherigen amts- oder vertrauensärztlichen Begutachtung zum Nachweis der medizinischen Notwendigkeit einer Maßnahme, die auch zu den nicht abziehbaren Kosten der Lebensführung (§ 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) gehören könnte, halte der erkennende Senat seit dem Senatsurteil vom 11. November 2010 VI R 17/09 (BFHE 232, 40, BStBl II 2011, 969) nicht länger fest. Eine abschließende Entscheidung sei jedoch noch nicht möglich, da das FG im zweiten Rechtsgang zu prüfen habe, ob der Einbau des Treppenlifts aufgrund der gesundheitlichen Beschwerden des Ehemannes der Klägerin medizinisch angezeigt gewesen sei.

7

Im zweiten Rechtsgang wies das FG die Klage erneut ab (EFG 2013, 44). Die Rechtslage habe sich geändert. Deshalb sei das FG nicht an die Entscheidung des BFH im ersten Rechtsgang gebunden. Bei krankheitsbedingten Aufwendungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel (§§ 2, 23, 31 bis 33 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch --SGB V--) sei die Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall nach § 64 Abs. 1 Nr. 2 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) i.d.F. des Steuervereinfachungsgesetzes (StVereinfG) 2011 bei Aufwendungen für Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen könnten und deren medizinische Indikation deshalb schwer zu beurteilen sei, (wieder) durch ein vor Beginn der Heilmaßnahme oder dem Erwerb des medizinischen Hilfsmittels ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine vorherige ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (§ 275 SGB V) zu erbringen. Dies gelte insbesondere für medizinische Hilfsmittel i.S. des § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. e EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011. Hierzu sei auch ein Treppenlift zu zählen. Da die Klägerin vorliegend die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen für den Einbau des Lifts nicht durch ein amtsärztliches Attest nachgewiesen habe, sei die Klage unbegründet.

8

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.

9

Sie beantragt sinngemäß,
das Urteil des FG Münster vom 18. September 2012  11 K 3982/11 E aufzuheben, den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2005 vom 24. Januar 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. Juni 2010 zu ändern und die Einkommensteuer unter Berücksichtigung der Aufwendungen für den Einbau des Treppenlifts in Höhe von 18.664 € als außergewöhnliche Belastung auf 256 € festzusetzen.

10

Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

11

II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Denn das FG hat den Abzug der geltend gemachten Aufwendungen für den Einbau eines Treppenlifts im vorliegenden Fall zu Unrecht allein deshalb versagt, weil die medizinische Notwendigkeit dieser Maßnahme nicht durch ein zuvor erstelltes amtsärztliches Attest nachgewiesen worden ist.

12

1. Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung) erwachsen. Zwangsläufig erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen dann, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind (u.a. BFH-Urteil vom 29. September 1989 III R 129/86, BFHE 158, 380, BStBl II 1990, 418).

13

a) In ständiger Rechtsprechung geht der BFH davon aus, dass Krankheitskosten --ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung-- dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Allerdings werden nur solche Aufwendungen als Krankheitskosten berücksichtigt, die zum Zwecke der Heilung einer Krankheit (z.B. Medikamente, Operation) oder mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglich zu machen, beispielsweise Aufwendungen für einen Rollstuhl (BFH-Urteile vom 17. Juli 1981 VI R 77/78, BFHE 133, 545, BStBl II 1981, 711; vom 13. Februar 1987 III R 208/81, BFHE 149, 222, BStBl II 1987, 427, und vom 20. März 1987 III R 150/86, BFHE 149, 539, BStBl II 1987, 596).

14

b) Aufwendungen für die eigentliche Heilbehandlung werden typisierend als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, ohne dass es im Einzelfall der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG an sich gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit des Grundes und der Höhe nach bedarf (BFH-Urteile vom 1. Februar 2001 III R 22/00, BFHE 195, 144, BStBl II 2001, 543, und vom 3. Dezember 1998 III R 5/98, BFHE 187, 503, BStBl II 1999, 227, m.w.N.). Eine derart typisierende Behandlung der Krankheitskosten ist zur Vermeidung eines unzumutbaren Eindringens in die Privatsphäre geboten (BFH-Urteil in BFHE 195, 144, BStBl II 2001, 543). Dies gilt aber nur dann, wenn die Aufwendungen nach den Erkenntnissen und Erfahrungen der Heilkunde und nach den Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes zur Heilung oder Linderung der Krankheit angezeigt (vertretbar) sind und vorgenommen werden (vgl. BFH-Urteil vom 18. Juni 1997 III R 84/96, BFHE 183, 476, BStBl II 1997, 805), also medizinisch indiziert sind (Senatsurteil vom 19. April 2012 VI R 74/10, BFHE 237, 156, BStBl II 2012, 577).

15

c) Allerdings hat der Steuerpflichtige die Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall in einer Reihe von Fällen formalisiert nachzuweisen. Bei krankheitsbedingten Aufwendungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel (§§ 2, 23, 31 bis 33 SGB V) ist dieser Nachweis nach § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 durch eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers zu führen; bei Aufwendungen für Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können und deren medizinische Indikation deshalb schwer zu beurteilen ist, verlangt § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. a bis f EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 in einer abschließenden Aufzählung (vgl. Senatsurteil vom 29. März 2012 VI R 21/11, BFHE 237, 93, BStBl II 2012, 574; Schmidt/Loschelder, EStG, 32. Aufl., § 33 Rz 34; Geserich, Deutsches Steuerrecht 2012, 1490 <1493>) ein vor Beginn der Heilmaßnahme oder dem Erwerb des medizinischen Hilfsmittels ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine vorherige ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (§ 275 SGB V). Ein solcher qualifizierter Nachweis ist --aufgrund der in § 84 Abs. 3f EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 angeordneten verfassungsrechtlich unbedenklichen rückwirkenden Geltung des § 64 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 (Senatsurteil in BFHE 237, 156, BStBl II 2012, 577) auch im Streitjahr-- beispielsweise bei Bade- und Heilkuren (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. a EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011) sowie bei medizinischen Hilfsmitteln, die als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens i.S. von § 33 Abs. 1 SGB V anzusehen sind (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. e EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011), erforderlich. Dies hat das FG zutreffend erkannt.

16

d) Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens i.S. von § 33 Abs. 1 SGB V sind allerdings nur solche technischen Hilfen, die getragen oder mit sich geführt werden können, um sich im jeweiligen Umfeld zu bewegen, zurechtzufinden und die elementaren Grundbedürfnisse des täglichen Lebens zu befriedigen (Senatsurteil in BFHE 237, 93, BStBl II 2012, 574; Urteil des Bundessozialgerichts --BSG-- vom 6. August 1998 B 3 KR 14/97 R, Sozialrecht 3-2500 § 33 Nr. 30). Ein Treppenlift ist kein Hilfsmittel im Sinne dieser Legaldefinition (BSG-Urteil in Sozialrecht 3-2500 § 33 Nr. 30; Urteil des Landessozialgerichts für das Land Niedersachsen vom 2. August 2008 L 4 KR 37/00, juris). Angesichts des insoweit eindeutigen Wortlauts der Vorschrift ist die Zwangsläufigkeit und damit die medizinische Notwendigkeit von Aufwendungen für den Einbau eines Treppenlifts nicht formalisiert nachzuweisen.

17

e) Entgegen der Auffassung des FG ist § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. e EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 nicht dahin auszulegen, dass bei medizinischen Hilfsmitteln, die sowohl von kranken als auch von gesunden Menschen angeschafft werden und bei denen daher die medizinische Indikation dieser Anschaffung in Abgrenzung zu den allgemeinen Lebenshaltungskosten gemäß § 12 Nr. 1 EStG schwer zu beurteilen ist, stets ein amtsärztliches Attest vor der Anschaffung des Hilfsmittels notwendig ist. Dies gilt umso mehr, wenn sich der Gesetzgeber bei einer Ausnahmeregelung --wie hier vom Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO)-- einer Legaldefinition (§ 33 Abs. 1 SGB V) bedient.

18

f) Für eine solch weite Auslegung, die über den möglichen Wortsinn der Vorschrift hinausgeht, bietet im Übrigen weder die Entstehungsgeschichte des § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. e EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 Anlass noch ist sie --entgegen der Vorentscheidung-- nach Sinn und Zweck der Norm geboten.

19

aa) Mit der aufgrund des § 33 Abs. 4 EStG i.d.F. des StVereinfG 2011 ergangenen Regelung des § 64 Abs. 1 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 hat der Gesetzgeber die bisherige Verwaltungsauffassung zum Nachweis der Zwangsläufigkeit von Krankheitskosten in R 33.4 Abs. 1 der Einkommensteuer-Richtlinien in das EStG bzw. die EStDV übertragen. Hierzu sah er sich aus Gründen der Rechtssicherheit und zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens veranlasst (BRDrucks 54/11, 12 f.; BTDrucks 17/6105, 2), nachdem der erkennende Senat mit Urteilen vom 11. November 2010 VI R 16/09 (BFHE 232, 34, BStBl II 2011, 966) und in BFHE 232, 40, BStBl II 2011, 969 entschieden hat, dass das formalisierte Nachweisverlangen mangels gesetzlicher Grundlage keinen Bestand haben könne. Anhaltspunkte dafür, den Verweis des § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. e EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 auf § 33 Abs. 1 SGB V dahin zu verstehen, dass medizinische Hilfsmittel im weiteren Sinne stets des formalisierten Nachweises bedürfen, lassen sich hieraus nicht gewinnen. Vielmehr spricht das Anliegen des Gesetzgebers, durch die "Neuregelung" Rechtssicherheit zu schaffen, für eine wortgetreue Auslegung der Vorschrift.

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bb) Schließlich ist eine über den möglichen Wortsinn des Gesetzes hinausgehende Auslegung von § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. e EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 auch nicht dem Sinn und Zweck der Vorschrift geschuldet.

21

Eine solche teleologische Extension, die darauf abzielt, den zu engen Wortlaut eines Gesetzes auf dessen weiter gehenden Zweck auszudehnen (vgl. die Nachweise bei Drüen in Tipke/ Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 4 AO Rz 382), ist nicht bereits dann gerechtfertigt, wenn die vom Gesetzgeber getroffene Entscheidung rechtspolitisch fehlerhaft erscheint. Vielmehr muss die auf den Wortlaut abstellende Auslegung zu einem sinnwidrigen, zu einem der wirtschaftlichen Vernunft widersprechenden Ergebnis oder zu einem so unsinnigen Ergebnis führen, dass es vom Gesetzgeber nicht gewollt sein kann (BFH-Urteil vom 11. April 2013 III R 11/12, BFHE 241, 124, BStBl II 2013, 665, m.w.N.).

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Bei Zugrundelegung dieses Maßstabs ist eine teleologische Extension des § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. e EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 vorliegend nicht gerechtfertigt. Denn auch ohne eine solche Auslegung ist die ungerechtfertigte Inanspruchnahme von Steuervorteilen nicht zu besorgen. Denn sie führt lediglich dazu, dass der Steuerpflichtige die Zwangsläufigkeit (medizinische Notwendigkeit) von medizinischen Hilfsmitteln im weiteren Sinne, die nicht unter § 33 Abs. 1 SGB V fallen und sowohl von kranken als auch von gesunden Menschen angeschafft werden und bei denen daher die medizinische Indikation dieser Anschaffung in Abgrenzung zu den allgemeinen Lebenshaltungskosten gemäß § 12 Nr. 1 EStG schwer zu beurteilen ist, nicht formalisiert nachweisen muss. Es bleibt aber bei den allgemeinen Beweisregeln. Danach hat der Steuerpflichtige die Entstehung außergewöhnlicher Belastungen und damit auch die medizinische Notwendigkeit von Aufwendungen für die Anschaffung von medizinischen Hilfsmitteln, die nicht unter § 33 Abs. 1 SGB V fallen und sowohl von kranken als auch von gesunden Menschen angeschafft werden, zur Überzeugung des FG nachzuweisen (vgl. Senatsurteile in BFHE 232, 34, BStBl II 2011, 966, und in BFHE 232, 40, BStBl II 2011, 969).

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2. Die Vorentscheidung beruht auf einer anderen Rechtsauffassung und ist daher aufzuheben. Der Senat kann jedoch nicht durcherkennen, da die Sache nicht spruchreif ist.

24

a) Das FG wird nunmehr zu prüfen haben, ob der Einbau des Treppenlifts aufgrund der gesundheitlichen Beschwerden des Ehemannes der Klägerin im Streitjahr medizinisch angezeigt war. Denn Aufwendungen für medizinisch indizierte Maßnahmen sind typisierend als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, ohne dass es im Einzelfall der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG an sich gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit des Grundes und der Höhe nach bedarf. Weiter ist zu beachten, dass nicht nur das medizinisch Notwendige im Sinne einer Mindestversorgung von der Heilanzeige erfasst wird. Medizinisch indiziert (angezeigt) ist vielmehr jedes diagnostische oder therapeutische Verfahren, dessen Anwendung in einem Erkrankungsfall hinreichend gerechtfertigt (angezeigt) ist (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 259. Auflage, Indikation). Dieser medizinischen Wertung hat die steuerliche Beurteilung zu folgen (Senatsurteil in BFHE 232, 40, BStBl II 2011, 969), es sei denn, es liegt ein offensichtliches Missverhältnis zwischen dem erforderlichen und dem tatsächlichen Aufwand vor (Senatsurteil in BFHE 133, 545, BStBl II 1981, 711, m.w.N.).

25

b) Die erforderlichen Feststellungen hat das FG nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) zu treffen. Es hat dabei zu berücksichtigen, dass ein von einem Beteiligten vorgelegtes Sachverständigengutachten im finanzgerichtlichen Verfahren lediglich als Privatgutachten zu behandeln und damit als urkundlich belegter Parteivortrag zu würdigen ist. Ein solches Gutachten kann daher nicht als Nachweis für die Richtigkeit des klägerischen Vortrags gewertet werden (Senatsurteil in BFHE 232, 40, BStBl II 2011, 969, m.w.N.). Da weder das FA noch das FG die Sachkunde besitzen, um die medizinische Indikation der den Aufwendungen zugrundeliegenden Maßnahme zu beurteilen, ist das FG aufgrund seiner Verpflichtung zur Sachaufklärung (§ 76 FGO) gehalten, gegebenenfalls von Amts wegen ein entsprechendes Gutachten zu erheben.

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob Aufwendungen für den Einbau eines Treppenlifts im Jahr 2005 als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sind. Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang.

2

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist die Alleinerbin ihres am ... Juni 2007 verstorbenen Ehemannes X, mit dem sie im Streitjahr (2005) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurde. Ende des Jahres 2005 ließen sich die Klägerin und ihr am ... November 1914 geborener, zwischenzeitlich verstorbener Ehemann einen Treppenlift in ihr selbst genutztes Einfamilienhaus einbauen. Hierfür entstanden ihnen Kosten in Höhe von 18.664,45 €. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten sie diese Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung geltend. Hierzu legten sie dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) mit Schreiben vom 10. Oktober 2006 ein am 5. Oktober 2006 ausgestelltes ärztliches Attest des Internisten und Hausarztes Dr. A vor, in dem dieser ausführt:

3

"Seit 9/05 besteht bei o.g. [X] eine weitgehende Einschränkung der Gehfähigkeit. Das Zurücklegen kurzer Strecken ist ohne Hilfsmittel (Rollator oder Rollstuhl) nicht möglich. Mit Hilfsmitteln sind Gehversuche für den Patienten mit starken Schmerzen verbunden. Treppensteigen ist ihm unmöglich. Die Voraussetzungen für eine Schwerbehinderung mit außergewöhnlicher Gehbehinderung sind gegeben."

4

Gleichwohl berücksichtigte das FA die geltend gemachten Kosten für den Einbau des Treppenlifts bei der angefochtenen Einkommensteuerfestsetzung nicht als außergewöhnliche Belastung. Auch der Einspruch blieb --trotz eines weiteren ärztlichen Attests-- insoweit ohne Erfolg.

5

Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2011, 1319 veröffentlichten Gründen ab.

6

Auf die Revision der Klägerin hob der Bundesfinanzhof (BFH) das klageabweisende Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück (Senatsurteil vom 5. Oktober 2011 VI R 14/11, BFH/NV 2012, 39). Das FG habe den Abzug der geltend gemachten Aufwendungen für den Einbau des Treppenlifts zu Unrecht allein deshalb versagt, weil die medizinische Notwendigkeit dieser Maßnahme nicht durch ein zuvor erstelltes amtsärztliches Attest nachgewiesen worden sei. An dem Erfordernis einer vorherigen amts- oder vertrauensärztlichen Begutachtung zum Nachweis der medizinischen Notwendigkeit einer Maßnahme, die auch zu den nicht abziehbaren Kosten der Lebensführung (§ 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) gehören könnte, halte der erkennende Senat seit dem Senatsurteil vom 11. November 2010 VI R 17/09 (BFHE 232, 40, BStBl II 2011, 969) nicht länger fest. Eine abschließende Entscheidung sei jedoch noch nicht möglich, da das FG im zweiten Rechtsgang zu prüfen habe, ob der Einbau des Treppenlifts aufgrund der gesundheitlichen Beschwerden des Ehemannes der Klägerin medizinisch angezeigt gewesen sei.

7

Im zweiten Rechtsgang wies das FG die Klage erneut ab (EFG 2013, 44). Die Rechtslage habe sich geändert. Deshalb sei das FG nicht an die Entscheidung des BFH im ersten Rechtsgang gebunden. Bei krankheitsbedingten Aufwendungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel (§§ 2, 23, 31 bis 33 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch --SGB V--) sei die Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall nach § 64 Abs. 1 Nr. 2 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) i.d.F. des Steuervereinfachungsgesetzes (StVereinfG) 2011 bei Aufwendungen für Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen könnten und deren medizinische Indikation deshalb schwer zu beurteilen sei, (wieder) durch ein vor Beginn der Heilmaßnahme oder dem Erwerb des medizinischen Hilfsmittels ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine vorherige ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (§ 275 SGB V) zu erbringen. Dies gelte insbesondere für medizinische Hilfsmittel i.S. des § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. e EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011. Hierzu sei auch ein Treppenlift zu zählen. Da die Klägerin vorliegend die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen für den Einbau des Lifts nicht durch ein amtsärztliches Attest nachgewiesen habe, sei die Klage unbegründet.

8

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.

9

Sie beantragt sinngemäß,
das Urteil des FG Münster vom 18. September 2012  11 K 3982/11 E aufzuheben, den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2005 vom 24. Januar 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. Juni 2010 zu ändern und die Einkommensteuer unter Berücksichtigung der Aufwendungen für den Einbau des Treppenlifts in Höhe von 18.664 € als außergewöhnliche Belastung auf 256 € festzusetzen.

10

Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

11

II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Denn das FG hat den Abzug der geltend gemachten Aufwendungen für den Einbau eines Treppenlifts im vorliegenden Fall zu Unrecht allein deshalb versagt, weil die medizinische Notwendigkeit dieser Maßnahme nicht durch ein zuvor erstelltes amtsärztliches Attest nachgewiesen worden ist.

12

1. Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung) erwachsen. Zwangsläufig erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen dann, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind (u.a. BFH-Urteil vom 29. September 1989 III R 129/86, BFHE 158, 380, BStBl II 1990, 418).

13

a) In ständiger Rechtsprechung geht der BFH davon aus, dass Krankheitskosten --ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung-- dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Allerdings werden nur solche Aufwendungen als Krankheitskosten berücksichtigt, die zum Zwecke der Heilung einer Krankheit (z.B. Medikamente, Operation) oder mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglich zu machen, beispielsweise Aufwendungen für einen Rollstuhl (BFH-Urteile vom 17. Juli 1981 VI R 77/78, BFHE 133, 545, BStBl II 1981, 711; vom 13. Februar 1987 III R 208/81, BFHE 149, 222, BStBl II 1987, 427, und vom 20. März 1987 III R 150/86, BFHE 149, 539, BStBl II 1987, 596).

14

b) Aufwendungen für die eigentliche Heilbehandlung werden typisierend als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, ohne dass es im Einzelfall der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG an sich gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit des Grundes und der Höhe nach bedarf (BFH-Urteile vom 1. Februar 2001 III R 22/00, BFHE 195, 144, BStBl II 2001, 543, und vom 3. Dezember 1998 III R 5/98, BFHE 187, 503, BStBl II 1999, 227, m.w.N.). Eine derart typisierende Behandlung der Krankheitskosten ist zur Vermeidung eines unzumutbaren Eindringens in die Privatsphäre geboten (BFH-Urteil in BFHE 195, 144, BStBl II 2001, 543). Dies gilt aber nur dann, wenn die Aufwendungen nach den Erkenntnissen und Erfahrungen der Heilkunde und nach den Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes zur Heilung oder Linderung der Krankheit angezeigt (vertretbar) sind und vorgenommen werden (vgl. BFH-Urteil vom 18. Juni 1997 III R 84/96, BFHE 183, 476, BStBl II 1997, 805), also medizinisch indiziert sind (Senatsurteil vom 19. April 2012 VI R 74/10, BFHE 237, 156, BStBl II 2012, 577).

15

c) Allerdings hat der Steuerpflichtige die Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall in einer Reihe von Fällen formalisiert nachzuweisen. Bei krankheitsbedingten Aufwendungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel (§§ 2, 23, 31 bis 33 SGB V) ist dieser Nachweis nach § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 durch eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers zu führen; bei Aufwendungen für Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können und deren medizinische Indikation deshalb schwer zu beurteilen ist, verlangt § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. a bis f EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 in einer abschließenden Aufzählung (vgl. Senatsurteil vom 29. März 2012 VI R 21/11, BFHE 237, 93, BStBl II 2012, 574; Schmidt/Loschelder, EStG, 32. Aufl., § 33 Rz 34; Geserich, Deutsches Steuerrecht 2012, 1490 <1493>) ein vor Beginn der Heilmaßnahme oder dem Erwerb des medizinischen Hilfsmittels ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine vorherige ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (§ 275 SGB V). Ein solcher qualifizierter Nachweis ist --aufgrund der in § 84 Abs. 3f EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 angeordneten verfassungsrechtlich unbedenklichen rückwirkenden Geltung des § 64 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 (Senatsurteil in BFHE 237, 156, BStBl II 2012, 577) auch im Streitjahr-- beispielsweise bei Bade- und Heilkuren (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. a EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011) sowie bei medizinischen Hilfsmitteln, die als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens i.S. von § 33 Abs. 1 SGB V anzusehen sind (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. e EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011), erforderlich. Dies hat das FG zutreffend erkannt.

16

d) Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens i.S. von § 33 Abs. 1 SGB V sind allerdings nur solche technischen Hilfen, die getragen oder mit sich geführt werden können, um sich im jeweiligen Umfeld zu bewegen, zurechtzufinden und die elementaren Grundbedürfnisse des täglichen Lebens zu befriedigen (Senatsurteil in BFHE 237, 93, BStBl II 2012, 574; Urteil des Bundessozialgerichts --BSG-- vom 6. August 1998 B 3 KR 14/97 R, Sozialrecht 3-2500 § 33 Nr. 30). Ein Treppenlift ist kein Hilfsmittel im Sinne dieser Legaldefinition (BSG-Urteil in Sozialrecht 3-2500 § 33 Nr. 30; Urteil des Landessozialgerichts für das Land Niedersachsen vom 2. August 2008 L 4 KR 37/00, juris). Angesichts des insoweit eindeutigen Wortlauts der Vorschrift ist die Zwangsläufigkeit und damit die medizinische Notwendigkeit von Aufwendungen für den Einbau eines Treppenlifts nicht formalisiert nachzuweisen.

17

e) Entgegen der Auffassung des FG ist § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. e EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 nicht dahin auszulegen, dass bei medizinischen Hilfsmitteln, die sowohl von kranken als auch von gesunden Menschen angeschafft werden und bei denen daher die medizinische Indikation dieser Anschaffung in Abgrenzung zu den allgemeinen Lebenshaltungskosten gemäß § 12 Nr. 1 EStG schwer zu beurteilen ist, stets ein amtsärztliches Attest vor der Anschaffung des Hilfsmittels notwendig ist. Dies gilt umso mehr, wenn sich der Gesetzgeber bei einer Ausnahmeregelung --wie hier vom Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO)-- einer Legaldefinition (§ 33 Abs. 1 SGB V) bedient.

18

f) Für eine solch weite Auslegung, die über den möglichen Wortsinn der Vorschrift hinausgeht, bietet im Übrigen weder die Entstehungsgeschichte des § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. e EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 Anlass noch ist sie --entgegen der Vorentscheidung-- nach Sinn und Zweck der Norm geboten.

19

aa) Mit der aufgrund des § 33 Abs. 4 EStG i.d.F. des StVereinfG 2011 ergangenen Regelung des § 64 Abs. 1 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 hat der Gesetzgeber die bisherige Verwaltungsauffassung zum Nachweis der Zwangsläufigkeit von Krankheitskosten in R 33.4 Abs. 1 der Einkommensteuer-Richtlinien in das EStG bzw. die EStDV übertragen. Hierzu sah er sich aus Gründen der Rechtssicherheit und zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens veranlasst (BRDrucks 54/11, 12 f.; BTDrucks 17/6105, 2), nachdem der erkennende Senat mit Urteilen vom 11. November 2010 VI R 16/09 (BFHE 232, 34, BStBl II 2011, 966) und in BFHE 232, 40, BStBl II 2011, 969 entschieden hat, dass das formalisierte Nachweisverlangen mangels gesetzlicher Grundlage keinen Bestand haben könne. Anhaltspunkte dafür, den Verweis des § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. e EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 auf § 33 Abs. 1 SGB V dahin zu verstehen, dass medizinische Hilfsmittel im weiteren Sinne stets des formalisierten Nachweises bedürfen, lassen sich hieraus nicht gewinnen. Vielmehr spricht das Anliegen des Gesetzgebers, durch die "Neuregelung" Rechtssicherheit zu schaffen, für eine wortgetreue Auslegung der Vorschrift.

20

bb) Schließlich ist eine über den möglichen Wortsinn des Gesetzes hinausgehende Auslegung von § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. e EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 auch nicht dem Sinn und Zweck der Vorschrift geschuldet.

21

Eine solche teleologische Extension, die darauf abzielt, den zu engen Wortlaut eines Gesetzes auf dessen weiter gehenden Zweck auszudehnen (vgl. die Nachweise bei Drüen in Tipke/ Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 4 AO Rz 382), ist nicht bereits dann gerechtfertigt, wenn die vom Gesetzgeber getroffene Entscheidung rechtspolitisch fehlerhaft erscheint. Vielmehr muss die auf den Wortlaut abstellende Auslegung zu einem sinnwidrigen, zu einem der wirtschaftlichen Vernunft widersprechenden Ergebnis oder zu einem so unsinnigen Ergebnis führen, dass es vom Gesetzgeber nicht gewollt sein kann (BFH-Urteil vom 11. April 2013 III R 11/12, BFHE 241, 124, BStBl II 2013, 665, m.w.N.).

22

Bei Zugrundelegung dieses Maßstabs ist eine teleologische Extension des § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. e EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 vorliegend nicht gerechtfertigt. Denn auch ohne eine solche Auslegung ist die ungerechtfertigte Inanspruchnahme von Steuervorteilen nicht zu besorgen. Denn sie führt lediglich dazu, dass der Steuerpflichtige die Zwangsläufigkeit (medizinische Notwendigkeit) von medizinischen Hilfsmitteln im weiteren Sinne, die nicht unter § 33 Abs. 1 SGB V fallen und sowohl von kranken als auch von gesunden Menschen angeschafft werden und bei denen daher die medizinische Indikation dieser Anschaffung in Abgrenzung zu den allgemeinen Lebenshaltungskosten gemäß § 12 Nr. 1 EStG schwer zu beurteilen ist, nicht formalisiert nachweisen muss. Es bleibt aber bei den allgemeinen Beweisregeln. Danach hat der Steuerpflichtige die Entstehung außergewöhnlicher Belastungen und damit auch die medizinische Notwendigkeit von Aufwendungen für die Anschaffung von medizinischen Hilfsmitteln, die nicht unter § 33 Abs. 1 SGB V fallen und sowohl von kranken als auch von gesunden Menschen angeschafft werden, zur Überzeugung des FG nachzuweisen (vgl. Senatsurteile in BFHE 232, 34, BStBl II 2011, 966, und in BFHE 232, 40, BStBl II 2011, 969).

23

2. Die Vorentscheidung beruht auf einer anderen Rechtsauffassung und ist daher aufzuheben. Der Senat kann jedoch nicht durcherkennen, da die Sache nicht spruchreif ist.

24

a) Das FG wird nunmehr zu prüfen haben, ob der Einbau des Treppenlifts aufgrund der gesundheitlichen Beschwerden des Ehemannes der Klägerin im Streitjahr medizinisch angezeigt war. Denn Aufwendungen für medizinisch indizierte Maßnahmen sind typisierend als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, ohne dass es im Einzelfall der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG an sich gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit des Grundes und der Höhe nach bedarf. Weiter ist zu beachten, dass nicht nur das medizinisch Notwendige im Sinne einer Mindestversorgung von der Heilanzeige erfasst wird. Medizinisch indiziert (angezeigt) ist vielmehr jedes diagnostische oder therapeutische Verfahren, dessen Anwendung in einem Erkrankungsfall hinreichend gerechtfertigt (angezeigt) ist (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 259. Auflage, Indikation). Dieser medizinischen Wertung hat die steuerliche Beurteilung zu folgen (Senatsurteil in BFHE 232, 40, BStBl II 2011, 969), es sei denn, es liegt ein offensichtliches Missverhältnis zwischen dem erforderlichen und dem tatsächlichen Aufwand vor (Senatsurteil in BFHE 133, 545, BStBl II 1981, 711, m.w.N.).

25

b) Die erforderlichen Feststellungen hat das FG nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) zu treffen. Es hat dabei zu berücksichtigen, dass ein von einem Beteiligten vorgelegtes Sachverständigengutachten im finanzgerichtlichen Verfahren lediglich als Privatgutachten zu behandeln und damit als urkundlich belegter Parteivortrag zu würdigen ist. Ein solches Gutachten kann daher nicht als Nachweis für die Richtigkeit des klägerischen Vortrags gewertet werden (Senatsurteil in BFHE 232, 40, BStBl II 2011, 969, m.w.N.). Da weder das FA noch das FG die Sachkunde besitzen, um die medizinische Indikation der den Aufwendungen zugrundeliegenden Maßnahme zu beurteilen, ist das FG aufgrund seiner Verpflichtung zur Sachaufklärung (§ 76 FGO) gehalten, gegebenenfalls von Amts wegen ein entsprechendes Gutachten zu erheben.

(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an die rechtliche Beurteilung gebunden, die der Aufhebung zugrunde liegt, an die tatsächliche so weit, als nicht neu bekannt werdende Tatsachen und Beweismittel eine andere Beurteilung rechtfertigen. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, dass und wie die Finanzbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, dass die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Satz 1 gilt nicht, soweit der Steuerpflichtige seiner Erklärungspflicht nicht nachgekommen ist und deshalb die Besteuerungsgrundlagen geschätzt worden sind. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlass des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, dass Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluss kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluss über die Kosten zu entscheiden.

(2) Wird eine Sache vom Bundesfinanzhof an das Finanzgericht zurückverwiesen, so kann diesem die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen werden.

(1) Soll gegen den Bund, ein Land, einen Gemeindeverband, eine Gemeinde, eine Körperschaft, eine Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts vollstreckt werden, so gilt für die Zwangsvollstreckung das Achte Buch der Zivilprozessordnung sinngemäß; § 150 bleibt unberührt. Vollstreckungsgericht ist das Finanzgericht.

(2) Vollstreckt wird

1.
aus rechtskräftigen und aus vorläufig vollstreckbaren gerichtlichen Entscheidungen,
2.
aus einstweiligen Anordnungen,
3.
aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen.

(3) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(4) Für die Vollstreckung können den Beteiligten auf ihren Antrag Ausfertigungen des Urteils ohne Tatbestand und ohne Entscheidungsgründe erteilt werden, deren Zustellung in den Wirkungen der Zustellung eines vollständigen Urteils gleichsteht.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.