Bundesfinanzhof Urteil, 05. Okt. 2011 - VI R 14/11

bei uns veröffentlicht am05.10.2011

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob Aufwendungen für den Einbau eines Treppenlifts als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sind.

2

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist die Alleinerbin ihres am … November 1914 geborenen und am … Juni 2007 verstorbenen Ehemannes X, mit dem sie im Streitjahr (2005) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurde. Ende des Jahres 2005 ließen sich die Klägerin und ihr Ehemann einen Treppenlift in ihr selbst genutztes Einfamilienhaus einbauen. Hierfür entstanden ihnen Kosten in Höhe von 18.664,45 EUR. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten sie diese Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung geltend. Hierzu legten sie dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) mit Schreiben vom 10. Oktober 2006 ein am 5. Oktober 2006 ausgestelltes ärztliches Attest des Internisten und Hausarztes Dr. A vor, in dem dieser ausführt:

3

"Seit 9/05 besteht bei o.g. [X] eine weitgehende Einschränkung der Gehfähigkeit. Das Zurücklegen kurzer Strecken ist ohne Hilfsmittel (Rollator oder Rollstuhl) nicht möglich. Mit Hilfsmitteln sind Gehversuche für den Patienten mit starken Schmerzen verbunden. Treppensteigen ist ihm unmöglich. Die Voraussetzungen für eine Schwerbehinderung mit außergewöhnlicher Gehbehinderung sind gegeben."

4

Gleichwohl berücksichtigte das FA die geltend gemachten Kosten für den Einbau des Treppenlifts bei der angefochtenen Einkommensteuerfestsetzung nicht als außergewöhnliche Belastung. Auch der Einspruch blieb --trotz eines weiteren ärztlichen Attestes-- insoweit ohne Erfolg.

5

Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 1319 veröffentlichten Gründen ab.

6

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

7

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des FG Münster vom 19. November 2010  14 K 2520/10 E aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG Münster zurückzuverweisen.

8

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Denn das FG hat den Abzug der geltend gemachten Aufwendungen für den Einbau eines Treppenlifts im vorliegenden Fall zu Unrecht allein deshalb versagt, weil die medizinische Notwendigkeit dieser Maßnahme nicht durch ein zuvor erstelltes amtsärztliches Attest nachgewiesen worden ist.

10

1. Nach § 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung) erwachsen. Zwangsläufig erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen dann, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind (u.a. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. September 1989 III R 129/86, BFHE 158, 380, BStBl II 1990, 418).

11

Für die mitunter schwierige Trennung von echten Krankheitskosten einerseits und lediglich gesundheitsfördernden Vorbeuge- oder Folgekosten andererseits forderte der BFH bislang regelmäßig die Vorlage eines zeitlich vor der Leistung von Aufwendungen erstellten amts- oder vertrauensärztlichen Gutachtens bzw. eines Attestes eines anderen öffentlich-rechtlichen Trägers, aus dem sich die Krankheit und die medizinische Indikation der den Aufwendungen zugrundeliegenden Behandlung zweifelsfrei entnehmen lässt. Auch bei Aufwendungen für Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können und deren medizinische Indikation deshalb schwer zu beurteilen ist (BFH-Urteile vom 30. Juni 1995 III R 52/93, BFHE 178, 81, BStBl II 1995, 614, 616, und vom 8. Juli 1994 III R 48/93, BFH/NV 1995, 24, 25, m.w.N.), verlangte der BFH diesen oder einen vergleichbaren (BFH-Urteil vom 2. April 1998 III R 67/97, BFHE 186, 79, BStBl II 1998, 613) formalisierten Nachweis. An dem Erfordernis einer vorherigen amts- oder vertrauensärztlichen Begutachtung (oder einem vergleichbaren Zeugnis) zum Nachweis der medizinischen Notwendigkeit einer Maßnahme, die auch zu den nicht abziehbaren Kosten der Lebensführung (§ 12 Nr. 1 EStG) gehören könnte, hält der erkennende Senat jedoch seit dem Senatsurteil vom 11. November 2010 VI R 17/09 (BFHE 232, 40) nicht länger fest.

12

2. Die Vorentscheidung beruht auf einer anderen Rechtsauffassung und ist daher aufzuheben. Der Senat kann jedoch nicht durcherkennen, da die Sache nicht spruchreif ist.

13

a) Das FG wird im zweiten Rechtsgang zu prüfen haben, ob der Einbau des Treppenlifts aufgrund der gesundheitlichen Beschwerden des Ehemannes der Klägerin im Streitjahr medizinisch angezeigt war. Ob es sich bei einem Treppenschräglift um ein medizinisches Hilfsmittel im engeren Sinne (etwa Brillen, Hörgeräte oder Rollstühle) oder um ein Hilfsmittel handelt, welches nicht nur von Kranken, sondern --etwa der Bequemlichkeit wegen-- auch von Gesunden angeschafft wird, ist insoweit ohne Belang. Denn Aufwendungen für medizinisch indizierte Maßnahmen sind typisierend als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, ohne dass es im Einzelfall der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG an sich gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit des Grundes und der Höhe nach bedarf. Weiter ist zu beachten, dass nicht nur das medizinisch Notwendige im Sinne einer Mindestversorgung von der Heilanzeige erfasst wird. Medizinisch indiziert (angezeigt) ist vielmehr jedes diagnostische oder therapeutische Verfahren, dessen Anwendung in einem Erkrankungsfall hinreichend gerechtfertigt (angezeigt) ist (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 259. Aufl., Indikation). Dieser medizinischen Wertung hat die steuerliche Beurteilung zu folgen (Senatsurteil in BFHE 232, 40), es sei denn, es liegt ein für jedermann erkennbares offensichtliches Missverhältnis zwischen dem erforderlichen und dem tatsächlichen Aufwand vor (Senatsurteil vom 17. Juli 1981 VI R 77/78, BFHE 133, 545, BStBl II 1981, 711, m.w.N.).

14

b) Die erforderlichen Feststellungen hat das FG nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) zu treffen. Es hat dabei zu berücksichtigen, dass ein von einem Beteiligten vorgelegtes Sachverständigengutachten im finanzgerichtlichen Verfahren lediglich als Privatgutachten zu behandeln und damit als urkundlich belegter Parteivortrag zu würdigen ist. Ein solches Gutachten kann daher nicht als Nachweis für die Richtigkeit des klägerischen Vortrags gewertet werden (Senatsurteil in BFHE 232, 40, m.w.N.). Da weder das FA noch das FG die Sachkunde besitzen, um die medizinische Indikation der den Aufwendungen zugrundeliegenden Maßnahme zu beurteilen, ist das FG aufgrund seiner Verpflichtung zur Sachaufklärung (§ 76 FGO) gehalten, gegebenenfalls von Amts wegen ein entsprechendes Gutachten zu erheben.

15

c) Deshalb kann das FG auch nicht länger dahinstehen lassen, ob die Klägerin und ihr zwischenzeitlich verstorbener Ehemann mit Schreiben vom 10. Januar 2007 ihr ursprüngliches Klagebegehren im Rahmen ihrer Dispositionsbefugnis wirksam auf die doppelte Erfassung der Rentenbezüge beschränkt haben. Neben der Beschränkung des Einspruchsantrags liegt es in der Verfügungsbefugnis des Steuerpflichtigen, bei einem Teilabhilfebescheid das Einspruchsverfahren durch eine Rücknahme des Einspruchs oder durch eine formlose (vgl. BFH-Urteil vom 4. November 1981 II R 119/79, BFHE 134, 510, BStBl II 1982, 270, 272) Erledigungserklärung abzuschließen. Das FG hat deshalb zunächst festzustellen, ob die Klägerin und ihr zwischenzeitlich verstorbener Ehemann zweifelsfrei zu erkennen gegeben haben, dass sie nach der angekündigten Teilabhilfe an der Fortführung des Verfahrens nicht interessiert seien. In diesem Fall stellt der Änderungsbescheid vom 24. Januar 2007 nicht lediglich einen Teilabhilfebescheid, sondern eine das Einspruchsverfahren wegen Einkommensteuer 2005 beendende --weil vollständige-- Abhilfeentscheidung dar, so dass die Klage ohne weitere Sachprüfung als unbegründet abzuweisen wäre (vgl. Urteil des FG München vom 17. April 2007  6 K 598/05, juris).

16

3. Angesichts dessen braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob dem FG die von der Revision gerügten Verfahrensfehler unterlaufen sind (Senatsurteil vom 11. Februar 2010 VI R 65/08, BFHE 228, 421, BStBl II 2010, 628, m.w.N.).

Urteilsbesprechung zu Bundesfinanzhof Urteil, 05. Okt. 2011 - VI R 14/11

Urteilsbesprechungen zu Bundesfinanzhof Urteil, 05. Okt. 2011 - VI R 14/11

Referenzen - Gesetze

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 126


(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft der Bundesfinanzhof sie durch Beschluss. (2) Ist die Revision unbegründet, so weist der Bundesfinanzhof sie zurück. (3) Ist die Revision begründet, so kann der Bundesfinanzhof 1. in der Sache selbs

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 96


(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 76


(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen. Die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Sie haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben und sich auf Anforderung des Gerichts zu den von de
Bundesfinanzhof Urteil, 05. Okt. 2011 - VI R 14/11 zitiert 7 §§.

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 126


(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft der Bundesfinanzhof sie durch Beschluss. (2) Ist die Revision unbegründet, so weist der Bundesfinanzhof sie zurück. (3) Ist die Revision begründet, so kann der Bundesfinanzhof 1. in der Sache selbs

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 96


(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 76


(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen. Die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Sie haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben und sich auf Anforderung des Gerichts zu den von de

Einkommensteuergesetz - EStG | § 33 Außergewöhnliche Belastungen


(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so

Einkommensteuergesetz - EStG | § 12


Soweit in § 10 Absatz 1 Nummer 2 bis 5, 7 und 9 sowie Absatz 1a Nummer 1, den §§ 10a, 10b und den §§ 33 bis 33b nichts anderes bestimmt ist, dürfen weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden 1. die für

Referenzen - Urteile

Bundesfinanzhof Urteil, 05. Okt. 2011 - VI R 14/11 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Bundesfinanzhof Urteil, 05. Okt. 2011 - VI R 14/11 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesfinanzhof Urteil, 11. Feb. 2010 - VI R 65/08

bei uns veröffentlicht am 11.02.2010

Tatbestand 1 I. Streitig ist, ob die Voraussetzungen für eine Änderung der Einkommensteuerbescheide 1999 bis 2001 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) vorgele
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesfinanzhof Urteil, 05. Okt. 2011 - VI R 14/11.

Finanzgericht Münster Urteil, 11. Feb. 2016 - 3 K 1097/14 E

bei uns veröffentlicht am 11.02.2016

Tenor Der Einkommensteuerbescheid 2005 vom 24.01.2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07.06.2010 wird nach Maßgabe der Entscheidungsgründe geändert. Die Steuerberechnung wird dem Beklagten übertragen. Die Kosten des Verfahrens einschließli

Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 24. Jan. 2013 - 1 W 3/13 (PKH), 1 W 3/13

bei uns veröffentlicht am 24.01.2013

Tenor Die sofortige Beschwerde der Beklagten zu 2) - 5) gegen den Beschluss des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 11.12.2012 (2 O 183/12) wird zurückgewiesen. Die Beklagten zu 2) - 5) tragen die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens; Kosten wer

Referenzen

(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft der Bundesfinanzhof sie durch Beschluss.

(2) Ist die Revision unbegründet, so weist der Bundesfinanzhof sie zurück.

(3) Ist die Revision begründet, so kann der Bundesfinanzhof

1.
in der Sache selbst entscheiden oder
2.
das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
Der Bundesfinanzhof verweist den Rechtsstreit zurück, wenn der in dem Revisionsverfahren nach § 123 Abs. 1 Satz 2 Beigeladene ein berechtigtes Interesse daran hat.

(4) Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Verletzung des bestehenden Rechts, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

(5) Das Gericht, an das die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Bundesfinanzhofs zugrunde zu legen.

(6) Die Entscheidung über die Revision bedarf keiner Begründung, soweit der Bundesfinanzhof Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Das gilt nicht für Rügen nach § 119 und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

Soweit in § 10 Absatz 1 Nummer 2 bis 5, 7 und 9 sowie Absatz 1a Nummer 1, den §§ 10a, 10b und den §§ 33 bis 33b nichts anderes bestimmt ist, dürfen weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden

1.
die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge.2Dazu gehören auch die Aufwendungen für die Lebensführung, die die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt, auch wenn sie zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen;
2.
freiwillige Zuwendungen, Zuwendungen auf Grund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht und Zuwendungen an eine gegenüber dem Steuerpflichtigen oder seinem Ehegatten gesetzlich unterhaltsberechtigte Person oder deren Ehegatten, auch wenn diese Zuwendungen auf einer besonderen Vereinbarung beruhen;
3.
die Steuern vom Einkommen und sonstige Personensteuern sowie die Umsatzsteuer für Umsätze, die Entnahmen sind, und die Vorsteuerbeträge auf Aufwendungen, für die das Abzugsverbot der Nummer 1 oder des § 4 Absatz 5 Satz 1 Nummer 1 bis 5, 7 oder Absatz 7 gilt; das gilt auch für die auf diese Steuern entfallenden Nebenleistungen;
4.
in einem Strafverfahren festgesetzte Geldstrafen, sonstige Rechtsfolgen vermögensrechtlicher Art, bei denen der Strafcharakter überwiegt, und Leistungen zur Erfüllung von Auflagen oder Weisungen, soweit die Auflagen oder Weisungen nicht lediglich der Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens dienen sowie damit zusammenhängende Aufwendungen;
5.
(weggefallen)

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen. Die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Sie haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben und sich auf Anforderung des Gerichts zu den von den anderen Beteiligten vorgebrachten Tatsachen zu erklären. § 90 Abs. 2, § 93 Abs. 3 Satz 2, § 97, §§ 99, 100 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, dass Formfehler beseitigt, sachdienliche Anträge gestellt, unklare Anträge erläutert, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(3) Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf der von der Finanzbehörde nach § 364b Abs. 1 der Abgabenordnung gesetzten Frist im Einspruchsverfahren oder im finanzgerichtlichen Verfahren vorgebracht werden, kann das Gericht zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden. § 79b Abs. 3 gilt entsprechend.

(4) Die Verpflichtung der Finanzbehörde zur Ermittlung des Sachverhalts (§§ 88, 89 Abs. 1 der Abgabenordnung) wird durch das finanzgerichtliche Verfahren nicht berührt.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob die Voraussetzungen für eine Änderung der Einkommensteuerbescheide 1999 bis 2001 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) vorgelegen haben sowie ob Unterhaltszahlungen als außergewöhnliche Belastung steuermindernd zu berücksichtigen sind.

2

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

3

Seit dem Veranlagungsjahr 1998 hatten die Kläger Unterhaltsleistungen an die 1934 geborene und verwitwete Mutter (M) der Klägerin als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht. In der Einkommensteuererklärung für 1998 gaben sie an, M verfüge über keinerlei Barschaft, ihr Vermögen bestehe nur aus einem kleinen Häuschen. In den Erklärungen für die Streitjahre 1999 bis 2001 gaben die Kläger als Einkünfte der M deren Rente und als Vermögen --mit dem Hinweis "siehe Vorjahr"-- das Einfamilienhaus an. In den Einkommensteuerbescheiden für 1999 vom 20. Juni 2000, für 2000 vom 30. August 2001 und für 2001 vom 15. November 2002 sind jeweils Unterhaltszahlungen an die M in Höhe von 3.600 DM als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt worden.

4

Im Rahmen der Veranlagung 1999 fragte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) am 7. April 2000 bei den Klägern an, wie die land- und forstwirtschaftlichen Flächen der Klägerin genutzt würden. In den Akten befindet sich eine Veräußerungsanzeige mit Eingangsstempel vom 22. August 2000, wonach die Klägerin am 10. August 2000 unbebaute Grundstücke für 74.000 DM verkauft hatte. Die Bewertungsstelle hatte dazu am 4. Oktober 2000 auf Anfrage mitgeteilt, die Grundstücke seien am 1. November 1993 und am 12. Juli 1999 durch Schenkung erworben worden und als land- und forstwirtschaftliches Vermögen bewertet. Angaben über den Schenker enthält die Mitteilung nicht.

5

Anlässlich einer Einspruchsbearbeitung stellte die Rechtsbehelfsstelle des FA im Jahr 2004 fest, dass M nicht nur Eigentümerin des selbst genutzten Grundstücks sowie eines --nicht angrenzenden-- Gartengrundstücks war, sondern auch Miterbin zu 1/2 nach dem Vater der Klägerin, und dass die Miterben --in Erbengemeinschaft-- Eigentümer eines 1.160 qm großen Bauplatzes waren. Des Weiteren wurde ermittelt, dass der Erbengemeinschaft 12.230 qm Ackerland und 2.806 qm Wald gehört hatten, die durch notariellen Vertrag vom 12. Juli 1999 ohne Gegenleistung der Klägerin zu Alleineigentum übertragen worden waren. Eine Kopie des Vertrages war am 26. Juli 1999 beim FA eingegangen, in die Grunderwerbsteuerstelle gelangt und dort abgeheftet worden.

6

Das FA teilte den Klägern daraufhin mit, es habe festgestellt, dass M Inhaberin eines nicht nur geringen Vermögens sei. Sie verfüge neben dem selbst bewohnten Einfamilienhaus über weiteren Grundbesitz. Es könne zudem davon ausgegangen werden, dass M über Bankguthaben in nicht nur geringem Umfang verfüge. Dies ergebe sich aus ihren von der Zinsabschlagsteuer freigestellten Zinserträgen. Darüber hinaus liege keine außergewöhnliche Belastung vor, wenn die unterstützte Person aufgrund von Unterhaltsgefährdung einen Anspruch auf Herausgabe verschenkten Vermögens habe. Das FA änderte am 20. September 2004 die Einkommensteuerbescheide 1999 bis 2001 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO und berücksichtigte die Unterhaltsleistungen nicht mehr.

7

Das Finanzgericht (FG) wies die Sprungklage ab.

8

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

9

Die Kläger beantragen sinngemäß,

das Urteil des FG Nürnberg vom 5. Dezember 2006 I 315/2004 sowie die Einkommensteuerbescheide 1999 bis 2001 vom 20. September 2004 aufzuheben.

10

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

11

II. Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zu Recht hat das FG das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO bejaht. Seine Versagung des Abzugs für Unterhaltsaufwendungen unter Hinweis auf zu hohes Vermögen der unterstützten M hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung jedoch nicht stand.

12

1. Der Senat muss nicht entscheiden, ob dem FG die von den Klägern gerügten Verfahrensfehler unterlaufen sind. Die Kläger haben ihre Revision auch auf Verletzung materiellen Rechts gestützt. In einem solchen Fall muss der Bundesfinanzhof (BFH) das angefochtene Urteil in vollem Umfang auf eine Verletzung revisiblen Rechts prüfen, ohne dabei an die vorgebrachten Revisionsgründe gebunden zu sein (vgl. § 118 Abs. 3 Satz 2 FGO). Da die Revision aus materiellen Gründen zur Aufhebung der Vorentscheidung führt, kann offenbleiben, ob sie auch infolge eines Verfahrensfehlers begründet ist (vgl. BFH-Urteil vom 21. März 2007 V R 28/04, BFHE 217, 59, BFH/NV 2007, 1604, unter II.1., m.w.N.).

13

2. Zutreffend ist die Ansicht des FG, die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO für den Erlass der Änderungsbescheide hätten vorgelegen. Nach dieser Vorschrift sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Zu diesen Tatsachen zählen auch sämtliche Umstände, die zur Annahme von eigenem Vermögen einer unterstützten Person im Rahmen des § 33a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) führen. Danach sind das Eigentum der M an dem Gartengrundstück, das Miteigentum am Baugrundstück, die Übertragung des Miterbenanteils von M auf die Klägerin ebenso wie das Geldvermögen der M Tatsachen, die voneinander unabhängig den Abzug von Unterhaltsleistungen nach § 33a Abs. 1 EStG ausschließen können. Eine Tatsache ist dem FA dann i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO bekannt, wenn es positive Kenntnis erlangt hat (BFH-Urteil vom 26. Februar 2009 II R 4/08, BFH/NV 2009, 1599).

14

a) Das FG hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt (§ 118 Abs. 2 FGO), dass das FA weder von dem Eigentum der M am Gartengrundstück noch von ihrem Miteigentum am Baugrundstück oder von ihrem Geldvermögen Kenntnis zum Zeitpunkt der abschließenden Zeichnung im Rahmen der Erstveranlagungen hatte. Dies wird durch die Kläger auch nicht angegriffen. Zudem konnte das FG zu Recht offenlassen, ob das FA bereits im Rahmen der Erstveranlagungen Kenntnis von den Übertragungsvorgängen zwischen M und der Klägerin hatte. § 173 AO knüpft die Rechtsfolge der Änderungsmöglichkeit an eine bestimmte Tatsache. Dass es daneben eine oder weitere andere Tatsachen gegeben hat, die möglicherweise bekannt waren und zu einer Änderung hätten führen müssen, ist unbeachtlich. Insoweit hätte der von den Klägern angebotene Zeugenbeweis mangels Entscheidungserheblichkeit keine weiterführenden Erkenntnisse bringen können.

15

b) Die Anwendung des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO scheitert auch nicht, wie die Kläger meinen, an der fehlenden Rechtserheblichkeit. Die Unkenntnis des FA von der bestimmten Tatsache muss für die ursprüngliche Veranlagung ursächlich gewesen sein. Das ist nach der zu § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO ergangenen Entscheidung des Großen Senats vom 23. November 1987 GrS 1/86 (BFHE 151, 495, BStBl II 1988, 180) der Fall, wenn das FA bei rechtzeitiger Kenntnis des wahren Sachverhalts in der ursprünglichen Veranlagung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre. Von diesem Grundsatz ist auch bei der hier strittigen Änderungsbefugnis gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO auszugehen (vgl. BFH-Urteil vom 7. Juni 1989 II R 73/87, BFH/NV 1990, 415). Für die Frage, wie das FA bei rechtzeitiger Kenntnis entschieden hätte, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der Sachverhalt vom FA zutreffend gewürdigt worden wäre (Senatsbeschluss vom 14. September 2005 VI R 18/03, BFH/NV 2006, 13). Dies gilt nicht, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das FA selbst bei Kenntnis der Tatsache eine andere Würdigung aus rechtlichen Erwägungen vorgenommen hätte. § 173 AO ist keine Rechtsgrundlage für die Beseitigung von Rechtsfehlern (BFH-Urteil vom 11. Juni 1997 X R 117/95, BFH/NV 1997, 853). Hinweise auf eine andere rechtliche Beurteilung können sich aus der Auslegung des Gesetzes nach der damaligen Rechtsprechung des BFH oder aus Verwaltungsanweisungen, die im Zeitpunkt des ursprünglichen Bescheiderlasses durch das FA gegolten haben, ergeben (Beschluss des Großen Senats in BFHE 151, 495, BStBl II 1988, 180).

16

Nach diesen Grundsätzen sind die nachträglich bekanntgewordenen Tatsachen rechtserheblich. Die Unkenntnis des FA über die Tatsachen, dass M Eigentümerin eines Garten- und Miteigentümerin eines Baugrundstücks ist sowie über Geldvermögen verfügt, war ursächlich für den im Rahmen der Erstveranlagungen der Kläger gewährten Unterhaltskostenabzug als außergewöhnliche Belastung. Es ist davon auszugehen, dass das FA diesen Abzug versagt hätte, wenn es gewusst hätte, dass M über derartiges Vermögen verfügt. Anhaltspunkte für eine abweichende rechtliche Beurteilung aufgrund entgegenstehender Verwaltungsanweisungen oder abweichender Auslegung des § 33a Abs. 1 EStG durch die Rechtsprechung in den Streitjahren sind nicht vorhanden. Insbesondere lassen sich keine Hinweise finden, dass das FA die Voraussetzungen des § 33a Abs. 1 EStG in den Streitjahren nicht beachten wollte. Selbst wenn also, wie die Kläger behaupten, das FA von den Übertragungsvorgängen zwischen M und der Klägerin Kenntnis gehabt und den Abzug der Unterhaltsaufwendung nicht versagt hätte, würde dies an der Rechtserheblichkeit der Tatsachen nichts ändern. Aus einem --unterstellt-- unrichtigen Verhalten des FA bezüglich einer Tatsache kann nicht ohne weiteres auf eine Wiederholung bei einer weiteren Tatsache geschlossen werden. Es ist daher unerheblich, ob das FA Kenntnis von den Übertragungsvorgängen zwischen M und der Klägerin bei der Erstveranlagung hatte.

17

Schließlich hat das FG zu Recht entschieden, dass das FA auch nicht durch Treu und Glauben an einer Änderung der Bescheide gehindert war. Das FG konnte auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen zu dem Ergebnis gelangen, dass das FA die ihm obliegende Ermittlungspflicht nicht verletzt hat. Daher kann offenbleiben, ob die Kläger ihrerseits die ihnen obliegende Pflicht, den steuerlich relevanten Sachverhalt dem FA vollständig und deutlich zur Prüfung vorzulegen, verletzt haben.

18

3. Zu Unrecht hat das FG jedoch im Rahmen des § 33a Abs. 1 EStG zur Ermittlung der Höhe des schädlichen Eigenvermögens der unterstützten Person hinsichtlich unbebauter Grundstücke allein auf die Bodenrichtwerte nach dem Baugesetzbuch (BauGB) abgestellt.

19

a) Erwachsen einem Steuerpflichtigen Aufwendungen für den Unterhalt einer ihm oder seinem Ehegatten gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten Person, so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass die Aufwendungen bis zu einem Höchstbetrag von 13.020 DM (1999), 13.500 DM (2000) bzw. 14.040 DM (2001) im Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden (§ 33a Abs. 1 Satz 1 EStG). Voraussetzung für den Abzug ist u.a., dass die unterhaltene Person kein oder nur ein geringes Vermögen besitzt (§ 33a Abs. 1 Satz 3 EStG). Der Gesetzgeber geht dabei typisierend davon aus, dass bei eigenem, nicht nur geringfügigem Vermögen eine Unterhaltsbedürftigkeit nicht gegeben ist und die Unterhaltsaufwendungen damit nicht zwangsläufig anfallen (BFH-Urteil vom 14. August 1997 III R 68/96, BFHE 184, 315, BStBl II 1998, 241, zu § 33a Abs. 1 EStG a.F.). Ob der Unterhaltsempfänger über kein oder nur geringes Vermögen i.S. des § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG verfügt, ist unabhängig von der Anlageart nach dem Verkehrswert zu entscheiden; ein Vermögen von bis zu 15.500 € (30.000 DM) ist in der Regel gering (BFH-Urteil vom 12. Dezember 2002 III R 41/01, BFHE 201, 192, BStBl II 2003, 655). Diese Grenze von 15.500 € (30.000 DM) ist für die Streitjahre trotz der seit 1975 eingetretenen Geldentwertung nicht zu erhöhen (BFH-Urteil vom 29. Mai 2008 III R 48/05, BFHE 221, 221, BStBl II 2009, 361). Sie liegt in den Streitjahren deutlich über dem Schonvermögen nach § 88 Abs. 2 Nr. 8 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) i.V.m. § 1 der Verordnung zur Durchführung des § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG. Auch die seit 1. Januar 2005 geltenden neuen Grenzen für das Schonvermögen im Sozialrecht des § 12 Abs. 2 Nr. 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch überschreiten die Grenze von 30.000 DM (15.500 €) nicht.

20

b) Das FG hat festgestellt, dass M als unterstützte Person Eigentümerin eines Gartengrundstücks sowie Miteigentümerin eines Baugrundstücks ist. Dem FG ist darin zuzustimmen, dass die Verkehrswerte dieser Grundstücke zu ermitteln sind. Zu Unrecht hat das FG jedoch die Bodenrichtwerte nach § 196 BauGB für allein maßgeblich zur Bestimmung des Verkehrswertes i.S. des § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG gehalten.

21

Unter Vermögen i.S. des § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG ist das Nettovermögen zu verstehen, d.h. der Wert der aktiven Vermögensgegenstände, vermindert um die Schulden des Unterhaltsempfängers (BFH-Urteil in BFHE 201, 192, BStBl II 2003, 655). Denn durch den kreditfinanzierten Erwerb von Wirtschaftsgütern vermindert sich die unterhaltsrechtliche Bedürftigkeit nicht. Zur Ermittlung des Nettovermögens ist daher zunächst der objektive Verkehrswert (Bruttovermögenswert) der Vermögensgegenstände zu ermitteln. Im Anschluss sind diese Werte einzelfallbezogen nach dem Sinn und Zweck des § 33a EStG zu mindern.

22

aa) Zur Ermittlung des Bruttovermögens sind die einzelnen Vermögensgegenstände zu bewerten. Dies erfolgt für alle bundesgesetzlich geregelten Abgaben, die durch Bundes- oder Landesbehörden verwaltet werden, grundsätzlich gemäß § 1 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) in Anwendung des allgemeinen Teils (§§ 1 bis 16 BewG). Dies gilt gemäß § 1 Abs. 2 BewG nicht, wenn im jeweiligen Einzelsteuergesetz oder im besonderen Teil des Bewertungsgesetzes Sonderregelungen zur Bewertung von Vermögensgegenständen normiert sind. § 33a Abs. 1 EStG enthält keine Regelung, nach welchem Verfahren das Vermögen der unterstützten Person zu ermitteln ist. Zwar zählen die Grundstücke der M zum Grundvermögen i.S. der §§ 68ff. BewG. Jedoch enthält § 72 BewG für unbebaute Grundstücke keine Sonderregelung für die Bewertung. Damit gilt zur Verkehrswertermittlung der allgemeine Teil und somit der gemeine Wert nach § 9 BewG. Der gemeine Wert unbebauter Grundstücke ist nach der Rechtsprechung des BFH entweder unmittelbar aus Verkaufspreisen für benachbarte vergleichbare Grundstücke oder auf der Grundlage von Durchschnittswerten (Richtwerten) oder --in Ausnahmefällen-- durch Einzelgutachten zu ermitteln (BFH-Entscheidungen vom 21. Mai 1982 III B 32/81, BFHE 136, 141, BStBl II 1982, 604, und vom 26. September 1980 III R 21/78, BFHE 132, 101, BStBl II 1981, 153). Zwar kommt der Wertermittlung unmittelbar aus Verkaufspreisen für benachbarte Vergleichsgrundstücke grundsätzlich der Vorrang vor den anderen Wertermittlungsmethoden zu. Voraussetzung für die Wertermittlung durch unmittelbaren Vergleich mit Verkaufspreisen ist jedoch, dass eine ausreichende Zahl repräsentativer und stichtagsnaher Verkaufsfälle in der näheren Umgebung vorliegt. Anderenfalls verdient --und dies dürfte in der Praxis die Regel sein-- aus Gründen der gleichmäßigen Besteuerung die Ableitung des gemeinen Wertes aus Richtwerten den Vorzug (BFH in BFHE 136, 141, 144, BStBl II 1982, 604, 606, und in BFHE 132, 101, 104, BStBl II 1981, 153, 154). Dabei ist der für das Streitjahr festgestellte Richtwert zu Grunde zu legen.

23

Die vom FG angenommene Verbindlichkeit der Bodenrichtwerte (§ 196 BauGB) als Bewertungsmaßstab für unbebaute Grundstücke in sämtlichen Steuerrechtsverhältnissen ergibt sich nicht aus dem Gesetz. Der Regelung der Bodenrichtwerte im Baugesetzbuch soll ebenso wie den Gutachten der Gutachterausschüsse (§ 193 Abs. 3 BauGB) keine Verbindlichkeit zukommen (Kleiber in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, § 196 Rz 10). Dies entspricht auch dem in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers in Bezug auf das Steuerrecht (BTDrucks 7/4793 zu § 143b des Bundesbaugesetzes 1976). Auch aus dem Bewertungsgesetz lässt sich keine Allgemeinverbindlichkeit der Bodenrichtwerte herleiten. Der Gesetzgeber hat zwar für die Ermittlung des Bedarfswertes (§ 145 BewG) eine Verbindlichkeit der Bodenrichtwerte normiert. Die §§ 138ff. BewG wurden jedoch nur zur Neuregelung der Grunderwerb- und der Erbschaftsteuer eingeführt. Auch eine analoge Anwendung dieser Vorschriften auf andere Steuerrechtsgebiete kommt nicht in Betracht. Die Vorschriften sind in den Streitjahren nicht auf die Ermittlung des gemeinen Wertes gerichtet gewesen, sondern auf einen deutlich darunterliegenden. Zudem waren die Bodenrichtwerte auf den Stichtag 1. Januar 1996 bis zum Jahr 2007 festgelegt. Damit waren die aktuellen Wertverhältnisse nicht berücksichtigt (Knittel in: Gürsching/Stenger, Bewertungsrecht, § 9 BewG [ErbStG] Rz 3, 20).

24

Entgegen der Auffassung des FG ergibt sich eine Verbindlichkeit der Bodenrichtwerte für den Streitfall auch nicht aus den in der Vorentscheidung zitierten Urteilen des BFH vom 12. Juli 2006 II R 1/04 (BFHE 213, 387, BStBl II 2006, 742) sowie vom 11. Mai 2005 II R 21/02 (BFHE 210, 48, BStBl II 2005, 686). Beide Entscheidungen beziehen sich allein auf die Ermittlung von Grundstückswerten für die Bedarfsbewertung. Dass die Bodenrichtwerte auch für § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG verbindlich sein sollten, lässt sich den Urteilen nicht entnehmen.

25

bb) Allerdings kann auch nicht der gemeine Wert der Ermittlung des für § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG maßgeblichen Nettovermögens zugrunde gelegt werden. Denn nach § 9 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 BewG sind persönliche Verhältnisse, wie nachhaltige Verfügungsbeschränkungen oder Verwertungshindernisse, unberücksichtigt zu lassen. Solche in der Person des Steuerpflichtigen oder seines Rechtsvorgängers begründeten Umstände sind bei Ermittlung des schädlichen Vermögens nach § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG zu berücksichtigen, weil sie die unterhaltsrechtliche Bedürftigkeit nicht ausschließen. Ausgangspunkt ist danach der gemeine Wert, der um die Belastungen auf Grund ungewöhnlicher oder persönlicher Verhältnisse zu mindern ist (s. auch BFH in BFHE 221, 221, BStBl II 2009, 361).

26

cc) Nach alledem hat das FG zu Unrecht einen Verkehrswert für die unbebauten Grundstücke allein aus den Bodenrichtwerten nach dem Baugesetzbuch abgeleitet. Das FG hat ausgehend von seiner Rechtsauffassung vorliegend keine Feststellungen darüber getroffen, ob eine Ermittlung des gemeinen Wertes aus Kaufpreisen für vergleichbare Grundstücke möglich gewesen wäre. Des Weiteren fehlen Feststellungen zu den besonderen Umständen des vorliegenden Falls. Dazu gehören Feststellungen zu Verbindlichkeiten, Nutzungs- oder Verfügungsbeschränkungen sowie zur Verwertbarkeit des Grundvermögens.

27

4. Die Vorentscheidung beruht auf einer anderen Rechtsauffassung und ist daher aufzuheben. Der Senat kann jedoch nicht durcherkennen, da die Sache nicht spruchreif ist. Das FG wird den dargelegten Grundsätzen folgend eine neue Bewertung des Vermögens der M vorzunehmen haben. Zur Ermittlung der Verkehrswerte der Grundstücke sind alle erkennbaren Umstände miteinzubeziehen. Ausgangspunkt ist dabei der gemeine Wert der Grundstücke nach § 9 BewG. Zu dessen Ermittlung sind vorrangig Verkaufspreise für vergleichbare Grundstücke heranzuziehen. Sollte dies nicht möglich sein, kann der gemeine Wert aus den für die Streitjahre festgestellten Bodenrichtwerten abgeleitet werden. Im zweiten Schritt sind sämtliche Belastungen des Bruttovermögens, die einer kurzfristigen Verwertung entgegenstehen, festzustellen und der Minderungswert, gegebenenfalls im Schätzungswege, zu ermitteln.