Landesarbeitsgericht Düsseldorf Urteil, 10. Feb. 2016 - 12 Sa 1051/15
Tenor
1.Die Berufung der Beklagten zu 1) gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 05.08.2015 - 3 Ca 2646/15 - wird zurückgewiesen.
2.Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten zu 1) auferlegt.
3.Die Revision wird zugelassen.
1
T A T B E S T A N D :
2Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch über die insolvenzrechtliche Einordnung einer Sonderzahlung sowie darüber, ob diese aufgrund des Eingreifens einer Ausschlussfrist verfallen ist.
3Der Kläger war zunächst auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 01.10.1980 für die Beklagte zu 1), welche Mitglied im Arbeitgeberverband der Ernährungsindustrie Nordrhein-Westfalen war, als gewerblicher Mitarbeiter in der Lebensmittelproduktion tätig. In diesem hieß es u.a.:
4"Mit dem 1.10.1980 werden sie in die A. Nahrungsmittelfabrik als jugendl. Arbeiter zu dem in unserem Hause gültigen Lohntarifvertrag zur Probe eingestellt.
5…
6Es wird ein Probearbeitsverhältnis von 4 Wochen vereinbart.
7Es endet, ohne dass es einer besonderen Kündigung bedarf, am 28.10.1980. …
8Zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bedarf es in jedem Falle eines neuen Arbeitsvertrages.
9Inhalt oder Änderungen gesetzlicher Bestimmungen, gelten sinngemäß als Bestandteil dieses Arbeitsvertrages, soweit diese hierauf Anwendung finden können."
10Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den zur Akte gereichten Arbeitsvertrag Bezug genommen. Der Kläger setzte seine Tätigkeit für die Beklagte zu 1) nach dem 28.10.1980 fort. Ein weiterer schriftlicher Arbeitsvertrag wurde zwischen den Parteien nicht abgeschlossen. Die Vergütung erfolgte für den Kläger wie für einen Tarifmitarbeiter im Bereich der obst-, gemüse- und kartoffelverarbeitenden Industrie Nordrhein-Westfalen. Er erhielt die tariflich vorgesehene Vergütung, sowie z.B. Sonntagszuschläge, Zuschläge für Feiertagsarbeit, Nachtzuschläge, die hier streitige Sonderzahlung entsprechend § 10 des Manteltarifvertrages der obst-, gemüse- und kartoffelverarbeitenden Industrie NRW (im Folgenden: MTV) - und zwar jeweils im November zum Monatsende - und tarifliches Urlaubsgeld. Ihm wurde auch der über den gesetzlichen Urlaub hinausgehende tarifliche Urlaub gemäß § 9 MTV gewährt. Das Monatseinkommen des Klägers betrug zuletzt 2.406,00 Euro brutto. In dem MTV hieß es u.a.:
11"§ 10 Jahressonderleistung
121.Höhe und Anspruch
13Arbeitnehmer, die am 1. Dezember eines Kalenderjahres eine ununterbrochene Betriebszugehörigkeit von 11 Monaten haben und sich an diesem Tage im ungekündigten Arbeitsverhältnis befinden, erhalten eine Jahressonderzuwendung.
14Die Jahressonderzuwendung beträgt 100 % des tariflichen Monatsgehalts…
152.Berechnungsgrundlagen
16Der Berechnung des tariflichen Monatsentgelts … sind die für den Berechtigten jeweils am 31.10. des Auszahlungsjahres für die obst- und gemüseverarbeitende Industrie geltenden tariflichen Entgeltsätze … ohne Zulagen und Zuschläge zugrunde zu legen.
173.Teilzeitbeschäftigte
18Teilzeitbeschäftigte erhalten die Jahressonderzuwendung in einer Höhe, die dem Verhältnis der mit ihnen vereinbarten Arbeitszeit zur regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit entspricht.
194.Ruhen des Arbeitsverhältnisses
20Anspruchsberechtigte Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis im Kalenderjahr ruht, erhalten keine Jahressonderzuwendung; ruht das Arbeitsverhältnis im Kalenderjahr nur teilweise, so erhalten sie eine anteilige Leistung.
215.Beendigung des Arbeitsverhältnisses
22Scheidet ein Arbeitnehmer vor dem 1. April aus, so hat er ein Viertel (25 %) der im Vorjahr erhaltenen Jahressonderzuwendung zurückzuzahlen….
236.Saisonarbeitnehmer
24Abweichend von § 10 Abs. 1 und 2 erhalten Arbeitnehmer, die gemäß § 2 Abs. 4 c für saisonmäßig bedingte Arbeiten zusätzlich eingestellt werden, erstmalig eine Jahressonderzuwendung, wenn sie in ununterbrochener Folge 3 Jahre lang je mindestens 3 Monate als Saisonarbeitnehmer im Betrieb beschäftigt waren.
25Die Jahressonderzuwendung wird anteilig mit einem Zwölftel für jeden vollen Saison-Beschäftigungsmonat gewährt. …
267.Anrechenbarkeit betrieblicher Leistungen
27…
28Die Jahressonderzahlung gilt als Einmalzahlung im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen.
29…
30§ 15 Ausschlussfrist
31Gegenseitige Ansprüche aller Art aus dem Beschäftigungsverhältnis sind innerhalb einer Ausschlussfrist
32von 3 Monaten ab Entstehen des Anspruchs
33geltend zu machen. Die Ausschlussfrist ist gehemmt während Urlaubs und während krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit.
34Auf diese Bestimmung des Tarifvertrages hat die Betriebsleitung durch ständigen Aushang am Schwarzen Brett besonders hinzuweisen.
35…"
36Wegen der weiteren Einzelheiten des MTV wird auf das zur Akte genommene Exemplar des MTV Bezug genommen. Zum 15.01.2011 trat die Beklagte zu 1) aus dem Arbeitgeberverband aus. Mit Schreiben vom 13.02.2012 verlangte der Kläger von der Beklagten zu 1) die Tariflohnerhöhung ab dem 01.01.2012. In diesem Schreiben hieß es u.a.:
37"Ich bin bei der A. Lebensmittel GmbH & Co. KG seit dem 01.80 beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet mein Arbeitsvertrag in Verbindung mit den Tarifverträgen für die obst- und gemüseverarbeitende Industrie in NRW Anwendung."…
38Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das zur Akte gereichte Schreiben vom 13.02.2012 Bezug genommen. Über das Vermögen der Beklagten zu 1), einer Herstellerin von Nahrungs- und Gewürzmitteln, wurde am 01.05.2014 durch Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf vom 01.05.2015 (500 IN 39/14) das Insolvenzverfahren eröffnet und gleichzeitig Eigenverwaltung angeordnet. Nach zwei Entlassungswellen im Mai und Oktober 2014 beschäftigte die Beklagte zu 1) noch 179 Mitarbeiter. Am 31.10.2014 ging bei dem Amtsgericht Düsseldorf die Anzeige des Insolvenzverwalters ein, dass Masseunzulänglichkeit vorliegt (§§ 208 bis 210 InsO). Das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger wurde fortgesetzt. Die Beklagte zu 1) zahlte an den Kläger im November 2014 eine anteilige Sonderzahlung von 2/12 eines Bruttomonatsgehalts, d.h. 401,00 Euro brutto. Am 08.12.2014 schloss die Beklagte zu 1) mit dem bei ihr gebildeten Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung über die Schaffung von Auffangstrukturen, die zugleich ein Interessenausgleich und Sozialplan war und auf die wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird.
39Am 15.12.2014 unterzeichnete der Kläger einen dreiseitigen Vertrag zwischen ihm - bezeichnet als Beschäftigte(r) -, der Beklagten zu 1) - bezeichnet als A. - und der x.-personalpartner GmbH. In diesem hieß es u.a.:
40"I. Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen der FIRMA und dem/der Beschäftigten
41§ 1 Beendigung des Arbeitsverhältnisses
421)Das Arbeitsverhältnis zwischen dem/der Beschäftigten und der A. endet aus betrieblichen Gründen einvernehmlich zum 21.12.2014.
432)…
443)Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien wird bis zum Beendigungstermin ordnungsgemäß abgerechnet.
45…
46II. Beschäftigungsverhältnis
47§ 13 Verwirkung von Ansprüchen
48Ansprüche aus dem Dreiseitigen Vertrag müssen innerhalb einer Frist von drei Monaten seit ihrem Entstehen schriftlich der anderen Seite gegenüber geltend gemacht werden. Die spätere, auch gerichtliche Geltendmachung ist ausgeschlossen.
49…"
50Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den zur Akte gereichten dreiseitigen Vertrag Bezug genommen.
51Der Kläger hat gemeint, dass aufgrund der Stichtagsregelung in § 10 MTV der gesamte Anspruch auf die Sonderzahlung erst nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit entstanden und damit in vollem Umfang als Neumasseverbindlichkeit auszuzahlen sei. Er könne deshalb von der Beklagten zu 1) die Zahlung der Sonderzahlung in voller Höhe verlangen, so dass ihm noch weitere 2.005,00 Euro brutto zu zahlen seien. Es handele sich nicht um eine Sonderzahlung mit Mischcharakter, sondern um eine stichtagsabhängige Sonderleistung. Und selbst wenn es sich um eine Sonderleistung mit Mischcharakter handele, komme eine Aufteilung nicht in Betracht.
52Mit der am 07.05.2015 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten zu 1) am 15.05.2015 zugestellten Klage hat der Kläger - soweit für das zweitinstanzliche Verfahren von Bedeutung - beantragt,
53die Beklagte zu 1) zu verurteilen, an ihn 2.406,00 Euro brutto (Jahressonderzahlung) abzüglich geleisteter 401,00 Euro (brutto) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.12.2014 zu zahlen.
54Die Beklagte zu 1) hat beantragt,
55die Klage abzuweisen.
56Sie hat gemeint, dass die Jahressonderzahlung zumindest auch Entgeltcharakter habe. Angesichts der Daten der Insolvenzeröffnung und der Anzeige der Masseunzulänglichkeit sei die Forderung aufzuteilen in einen Anteil Insolvenzforderung (4/12), einen weiteren Anspruch von 6/12 Altmasseverbindlichkeit und einen solchen in Höhe von 2/12 als Neumasseverbindlichkeit, der - unstreitig - erfüllt wurde. Dieses Ergebnis lasse sich auch aus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Einordnung der Urlaubsabgeltung in der Situation nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit gewinnen. Hinsichtlich der Altmasseverbindlichkeit komme lediglich ein Feststellungsantrag in Betracht und dies nur, wenn Grund oder Höhe streitig sind, was hier nicht der Fall ist. Der Anteil Insolvenzforderung sei zur Insolvenztabelle anzumelden.
57Das Arbeitsgericht hat der Klage betreffend die Sonderzahlung in Höhe von 1.403,50 Euro brutto nebst Zinsen stattgegeben. Im Übrigen hat es die Klage betreffend die Sonderzahlung abgewiesen. Dies hat es damit begründet, dass es sich bei der Sonderzahlung insgesamt um eine Neumasseverbindlichkeit handele. Der Anspruch sei jedoch aufgrund des Ausscheidens des Klägers im Dezember 2014 gemäß § 10 Nr. 5 MTV auf 75 % von 2.406,00 Euro brutto zu kürzen, d.h. auf 1.804,50 Euro brutto, von dem die bereits geleisteten 401,00 Euro brutto abzuziehen seien. Gegen das ihr am 02.09.2015 zugestellte Urteil hat nur die Beklagte zu 1) am 02.10.2015 Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 16.11.2015 - am 11.11.2015 begründet.
58Die Beklagte zu 1) vertieft ihren Vortrag dazu, dass die an sich unstreitige Sonderzahlung nach Zeitabschnitten in einen Anteil Insolvenzforderung, einen Anteil Altmasseverbindlichkeit und den erfüllten Teil Neumasseverbindlichkeit aufzuteilen sei. Die Zahlungsklage sei deshalb bereits unzulässig, denn weder eine Insolvenzforderung noch eine nachrangige Masseverbindlichkeit könnten mit einem Leistungsantrag verfolgt werden. Es handele sich um eine sog. Sonderzahlung mit Mischcharakter, weil eine eindeutige Einordnung als rein arbeitsleistungsbezogene Sonderzuwendung oder rein stichtagsbezogene Sonderzuwendung nicht möglich sei. Zwar möge § 10 Nr. 1 MTV für eine sog. Stichtagsregelung sprechen. § 10 MTV enthalte aber auch Anspruchseinschränkungen, die für eine zusätzliche Belohnung der Arbeitsleistung sprechen, wie § 10 Nr. 4 MTV, der Regelung bei Ruhen des Arbeitsverhältnisses. Diese Regelung spreche für aufgestautes Arbeitsentgelt. Hierfür spreche auch § 10 Nr. 3 MTV bei Teilzeitbeschäftigung. Eine "anteilige" Betriebstreue gebe es nicht, denn Betriebstreue habe lediglich eine zeitliche Dimension. Wenn im Rahmen der sozialgerichtlichen Rechtsprechung zu Sonderzahlungen mit Mischcharakter oder solche, bei denen dies zweifelhaft ist, im Bereich des Insolvenzgeldes diese dem Drei-Monats-Zeitraum des § 165 Abs. 1 SGB III zugeordnet würden, könnte arbeitsrechtlich im Rahmen der Insolvenz nichts anderes gelten. Das gleiche Ergebnis ergebe sich, wende man die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Behandlung der Urlaubsabgeltung in der Insolvenz an. Auch hätte sie das Arbeitsverhältnis nicht kündigen können, um das Entstehen des Anspruchs gemäß § 10 MTV zu verhindern. Dabei hätten die weiteren 178 potentiell anspruchsberechtigten Mitarbeiter mit einbezogen werden müssen und es habe eines Interessenausgleichs bedurft, der erst am 08.12.2014 erzielt werden konnte.
59Jedenfalls sei der Anspruch gemäß § 15 MTV verfallen, weil der Anspruch - unstreitig - vor Einreichung der Klage am 07.05.2015 nicht geltend gemacht worden ist. Diese Vorschrift komme auch zur Anwendung, denn die Parteien gingen unstreitig davon aus, dass der MTV zur Anwendung komme, wie der Vortrag des Klägers in diesem Verfahren z.B. auf Blatt 30 2. Absatz seines Schriftsatzes vom 17.07.2015 oder noch deutlicher auf Blatt 6 oben dieses Schriftsatzes zeige. Der gesamte MTV komme zur Anwendung, weil die Arbeitsverträge der Beklagten aufgrund der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband spätestens seit Ende der achtziger Jahre Gleichstellungsabreden enthielten. Jedenfalls habe der MTV aufgrund Betriebsüblichkeit aufgrund tatsächlicher Anwendung gegolten. Der Kläger könne sich nicht nur für die Sonderzahlung auf den MTV stützen.
60Die Beklagte zu 1) beantragt,
61unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Düsseldorf - 3 Ca 2646/15 - vom 05.08.2015 die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
62Der Kläger beantragt,
63die Berufung der Beklagten zu 1) gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 05.08.2015 - 3 Ca 2646/15 - zurückzuweisen.
64Er verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts. Der Anspruch bestehe nur, wenn am 01.12. ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis bestehe. Eine Einordnung als Sonderleistung mit Mischcharakter ändere nichts. Weder § 10 Nr. 3 MTV noch § 10 Nr. 4 MTV spräche für eine Einordnung als arbeitsleistungsbezogene Sonderleistung.
65Die Ausschlussfrist komme nicht zur Anwendung. Eine schriftliche Vereinbarung zur Einbeziehung des ganzen Tarifwerks mit ihm habe er weder behauptet, noch unterstellt. Seine Äußerungen hätten sich immer auf die Frage der Vergütung und Zusatzleistungen bezogen. Die Vereinbarung von Gleichstellungsabreden mit anderen Mitarbeitern bestreite er mit Nichtwissen. Eine Betriebsüblichkeit zur Anwendung des gesamten Tarifwerks bestehe ebenfalls nicht. Auch im Schreiben vom 13.02.2012 sei es nur um die Vergütung gegangen. Die Ausschlussfrist aus dem dreiseitigen Vertrag betreffe den streitigen Anspruch nicht.
66Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen in beiden Instanzen Bezug genommen.
67E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E:
68Die zulässige Berufung der Beklagten zu 1) ist unbegründet, weil die Klage zulässig und begründet ist.
69A.Die Klage ist als Leistungsklage zulässig.
70I.Für Leistungsklagen, mit denen Masseverbindlichkeiten im Sinne der § 55 Abs. 1, § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO verfolgt werden, fehlt das Rechtsschutzbedürfnis. Nach § 210 InsO ist, sobald der Insolvenzverwalter die Masseunzulänglichkeit angezeigt hat, die Vollstreckung wegen einer Masseverbindlichkeit im Sinne der § 55 Abs. 1 Nr. 2, § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO unzulässig. Eine Leistungsklage gegen den Insolvenzverwalter wegen der genannten Masseverbindlichkeiten ist nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit unzulässig (BAG 11.12.2001 - 9 AZR 459/00, AP Nr. 1 zu § 209 InsO, Rn. 17, 22 ff.; BAG 17.01.2012 - 3 AZR 10/10, BetrAV 2012, 368 Rn. 12; vgl. auch für die Unzulässigkeit der Leistungsklage auf Sozialplanansprüche bei Masseunzulänglichkeit BAG 21.01.2010 - 6 AZR 785/08, AP Nr. 4 zu § 123 InsO Rn. 10; BAG 22.07.2010 - 6 AZR 249/09, ZInsO 2010, 2193). Insolvenzforderungen sind zur Tabelle anzumelden. Werden sie als solche bestritten oder entsteht Streit über ihren Rang, so muss der Gläubiger nach §§ 179, 180 InsO auf Feststellung zur Tabelle klagen. Die wegen der Insolvenzforderung gegen den Insolvenzverwalter erhobene Leistungsklage ist unzulässig (BAG 11.12.2001 a.a.O. 16).
71II.Diese Grundsätze stehen der von dem Kläger erhobenen Leistungsklage nicht entgegen, weil es sich bei der gesamten Sonderzahlung, die dem Grunde - die Ausschlussfrist ausgenommen - und der Höhe nach unstreitig ist, um eine Neumasseverbindlichkeit gemäß § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO i.V.m. § 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO handelt, für welche das Vollstreckungsverbot des § 210 InsO nicht gilt. Für eine solche Forderung ist die Leistungsklage zulässig (BAG 04.06.2003 - 10 AZR 586/02, AP Nr. 2 zu § 209 InsO Rn. 28). Es handelt sich um eine Verbindlichkeit aus einem Dauerschuldverhältnis und die Beklagte zu 1) hat auch nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit am 31.10.2014 die Gegenleistung vom Kläger in Anspruch genommen. Das Arbeitsverhältnis ist fortgesetzt worden, eine Freistellung des Klägers erfolgte nicht. Darüber und dass dem Kläger - die Ausschlussfrist ausgenommen - der Anspruch zusteht, besteht zwischen den Parteien, was im Termin auf Nachfrage der Kammer noch einmal bestätigt worden ist, kein Streit. Streit besteht alleine über die insolvenzrechtliche Einordnung der Sonderzahlung, welche die Beklagte zu 1) zeitanteilig in Insolvenzforderung, Altmasseverbindlichkeit und Neumasseverbindlichkeit aufteilen will. Dem folgt die Kammer nicht. Es handelt sich insgesamt um eine Neumasseverbindlichkeit gemäß § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO i.V.m. § 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO.
721.Sonderleistungen sind, wenn sie Gegenleistung für geleistete Arbeit sind, insolvenzrechtlich dem Zeitraum zuzuordnen, für den sie als Gegenleistung geschuldet sind. Ansprüche auf Sonderleistungen, die an einen Stichtag geknüpft sind, sind dem Zeitraum zuzurechnen, in den der Stichtag fällt (BAG 11.12.2001 a.a.O. Rn. 15; BAG 14.11.2012 - 10 AZR 793/11, NZA 2013, 273 Rn. 14 ff.; vgl. zu dieser Differenzierung bei einer Einmalzahlung BAG 14.11.2012 - 5 AZR 778/11, juris Rn. 14 ff.). Maßgeblich ist, ob die geltend gemachten Ansprüche vor oder nach der Verfahrenseröffnung entstanden sind, wobei nicht auf die Fälligkeit, sondern auf den Zeitpunkt des Entstehens der Forderung abzustellen ist (BAG 14.11.201 a.a.O. Rn. 12). Entscheidend für die Einordnung ist der Zweck der Sonderleistung. Mit einer Sonderzuwendung kann die vom Arbeitnehmer im Bezugszeitraum erbrachte Arbeitsleistung zusätzlich honoriert werden. Der Anspruch auf eine solche Sonderzuwendung entsteht regelmäßig während des Bezugszeitraums entsprechend der zurückgelegten Dauer ("pro rata temporis") und wird nur zu einem anderen Zeitpunkt insgesamt fällig. Für einen ratierlichen Erwerb des Anspruchs in dem dargestellten Sinne genügt es, dass der Anspruch kontinuierlich an die Arbeitsleistung anknüpft (BAG 14.11.2012 a.a.O. Rn. 14). Sonderzuwendungen können auch anderen Zwecken als der Vergütung erbrachter Arbeitsleistung dienen. Sie können als "Treueprämie" langfristige oder als "Halteprämie" kurzfristige bzw. künftige Betriebstreue honorieren. Der Arbeitgeber kann aber auch den Zweck verfolgen, sich an den zum Weihnachtsfest typischerweise erhöhten Aufwendungen seiner Arbeitnehmer zu beteiligen. Die Zahlung solcher Sonderzuwendungen hängt nicht von einer bestimmten Arbeitsleistung, sondern regelmäßig nur vom Bestand des Arbeitsverhältnisses ab (BAG 14.11.2012 a.a.O. Rn. 15). Ob der Arbeitgeber erbrachte Arbeitsleistung zusätzlich vergütet oder sonstige Zwecke verfolgt, ist durch Auslegung der maßgeblichen Bestimmungen zu ermitteln (BAG 14.11.2012 a.a.O. Rn. 15).
732.Die Beklagte zu 1) schuldet dem Kläger - abgesehen von der Ausschlussfrist und der Frage der insolvenzrechtlichen Einordnung - unstreitig eine Sonderzahlung gemäß § 10 MTV. Dieser Anspruch folgt entweder aus dem ursprünglichen Arbeitsvertrag der Parteien i.V.m. dem MTV, auch wenn dort nur auf den Lohntarifvertrag Bezug genommen wird, weil es sich bei der Sonderzahlung letztlich materiell auch um eine Regelung der Entlohnung handelt, oder aber aus betrieblicher Übung, weil die Beklagte zu 1) ohne Vorbehalt über Jahre immer im November eines Jahres entsprechend § 10 MTV die Sonderleistung gezahlt hat. Über die insoweit dem Grunde nach bestehende Zahlungspflicht besteht kein Streit. Maßgeblich ist deshalb die Auslegung von § 10 MTV.
74a)Die Auslegung des normativen Teils des Tarifvertrages folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben der Tarifnorm zu haften. Bei nicht eindeutigem Wortsinn ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist dabei stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnormen zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, so können die Gerichte für Arbeitssachen - ohne Bindung an eine Reihenfolge - weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte eines Tarifvertrages oder auch die praktische Tarifübung ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, gesetzeskonformen und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG 24.06.2004 - 2 AZR 656/02 - AP Nr. 180 zu § 626 BGB; BAG 24.02.2011 - 2 AZR 830/09 - NZA 2011, 708). Der Zweck einer tariflichen Jahressonderzahlung ergibt sich alleine aus deren im Tarifvertrag normierten Voraussetzungen, Ausschluss- und Kürzungstatbeständen (BAG 11.10.1995 - 10 AZR 984/94, AP Nr. 132 zu § 613a BGB Rn. 27).
75b)Wendet man die oben genannten Grundsätze an, handelt es sich bei der Sonderzahlung gemäß § 10 MTV um eine Sonderzahlung, deren Zweck nicht in der Gewährung einer mit der Arbeitsleistung in einem Synallagma stehenden zusätzlichen Vergütung für jeden geleisteten Abrechnungszeitraum besteht, die erst am tariflich vorgesehenen Auszahlungstermin fällig wird. Erforderlich ist gemäß § 10 Nr. 1 MTV eine ununterbrochene Betriebszugehörigkeit - nicht Arbeitsleistung - von elf Monaten am 01.12. eines Kalenderjahres. Bereits daraus wird ersichtlich, dass die Sonderzahlung nicht in einem unmittelbaren Austauschverhältnis zur erbrachten Arbeitsleistung steht, denn ein Arbeitnehmer, der im Kalenderjahr des Eintritts nur zehn Monate dem Betrieb angehört hat, erhält trotz erbrachter Arbeitsleistung in diesen zehn Monaten überhaupt keine Sonderzahlung. Auch die Anforderung, am Stichtag 01.12 in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis zu stehen, hat keinen Bezug zur Arbeitsleistung. Die Tarifvertragsparteien setzen vielmehr eine bestimmte Betriebstreue für den Anspruch auf die Sonderzahlung voraus (BAG 14.12.1993 - 10 AZR 661/92, AP Nr. 160 zu § 611 BGB Gratifikation Rn. 26 zum streitigen § 10 MTV). Richtig ist, dass Teilzeitbeschäftigte die Sonderzahlung nur anteilig entsprechend ihrer Arbeitszeit zur regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit erhalten. Damit wird nur die Höhe der Sonderzahlung für diese Beschäftigtengruppe bestimmt. Die Sonderzahlung wird dadurch nicht zeitratierlich arbeitsleistungsbezogen. Auch ein in Teilzeit beschäftigter Arbeitnehmer erhält überhaupt keine Sonderleistung, wenn er im Kalenderjahr des Eintritts weniger als elf Monate betriebszugehörig war. Aus der Bestimmung des § 10 Nr. 4 MTV zum Ruhen des Arbeitsverhältnisses ergibt sich nichts anderes. Das Gegenteil ist der Fall, denn es wird nicht an die erbrachte Arbeitsleistung, sondern an den Bestand des Arbeitsverhältnisses angeknüpft. Ruht dieses, sind die wechselseitigen Hauptpflichten suspendiert, was einer fehlenden Betriebstreue gleichgestellt werden kann. Eine tatsächliche Arbeitsleistung hingegen gehört nicht zu den Anspruchsvoraussetzungen des § 10 MTV, so dass z.B. trotz Arbeitsunfähigkeit im Kalenderjahr die Sonderzahlung geschuldet ist (so für den hier streitigen § 10 MTV LAG Hamm 05.06.1998 - 10 Sa 1564/97, MDR 1999, 553 Rn. 55). Gegen eine zeitratierlich verdiente Sonderzahlung, die lediglich am Stichtag 01.12. zur Auszahlung kommt, spricht auch § 10 Nr. 5 MTV. Es wird zusätzlich auch künftige Betriebstreue verlangt, nämlich bis zum 31.03. des Folgejahres, andernfalls die Jahressonderzuwendung um 25 % gekürzt. Dies spricht dagegen, dass die Sonderzahlung durch die Arbeitsleistung im Vorjahr, die im Übrigen wie ausgeführt ohnehin keine Anspruchsvoraussetzung ist, zeitratierlich verdient worden ist. Lediglich für die Saisonarbeiter kommt eine zeitratierliche arbeitsleistungsbezogene Sonderzuwendung in Betracht. § 10 Nr. 6 MTV knüpft an die Beschäftigung an und sieht eine Sonderzuwendung mit einem Zwölftel für jeden vollen Saisonbeschäftigungsmonat vor. Dies ändert aber nichts. Sehen die Tarifvertragsparteien für bestimmte Ausnahmefälle eine anteilige Sonderzahlung vor, folgt daraus, dass dies in den anderen, nicht geregelten Fällen gerade nicht der Fall ist (BAG 14.11.2001 - 10 AZR 698/00, EzA § 4 TVG Tarifkonkurrenz Nr. 16 Rn. 73 a.E.). Schließlich haben die Tarifvertragsparteien selbst in § 10 Nr. 7 Abs. 2 MTV bestimmt, dass die Jahressonderzuwendung als Einmalzahlung im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen gilt. Im Sozialversicherungsrecht sind einmalig gezahltes Arbeitsentgelt Zuwendungen, die dem Arbeitsentgelt zuzurechnen sind und nicht für die Arbeit in einem einzelnen Entgeltabrechnungszeitraum gezahlt werden (jetzt § 23a Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Es ist grundsätzlich dem Entgeltabrechnungszeitraum zuzurechnen, in dem es gezahlt wird (jetzt § 23a Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 SGB IV). Damit haben die Tarifvertragsparteien ausdrücklich klargestellt, dass die Sonderzahlung gemäß § 10 MTV kein Entgelt für die in einem Entgeltabrechnungszeitraum geleistete Arbeit darstellt und somit auch in keinem unmittelbaren Austauschverhältnis zur Arbeitsleistung des einzelnen Arbeitnehmers steht. Dies hat zur Folge, dass der Anspruch auf die Sonderzahlung nicht entsprechend den einzelnen Entgeltabrechnungszeiträumen "pro rata temporis" entsteht, sondern erstmals am Auszahlungsstichtag 01.12. (vgl. dazu BAG 11.10.1995 a.a.O. Rn. 38).
76c)Da es sich nicht um eine Sonderleistung mit Mischcharakter handelt, stellt sich die Frage der Zulässigkeit des Anknüpfens an den Umstand eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses am 01.12. nicht (vgl. dazu BAG 13.11.2013 - 10 AZR 848/12, DB 2014, 486).
77d)Da die hier streitige Sonderzahlung erst am Stichtag 01.12. entsteht, handelt es sich um eine Neumasseverbindlichkeit gemäß § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO i.V.m. § 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur insolvenzrechtlichen Einordnung der Urlaubsabgeltung (BAG 21.11.2006 - 9 AZR 97/06, AP Nr. 59 zu § 11 BUrlG) steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Richtig ist, dass nach dem Sinn und Zweck des § 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO Neumasseverbindlichkeiten nur begründet werden, "soweit" die Gegenleistung zur Masse gelangt und bei einem "Nachziehen" des gesamten Urlaubs die Masse nicht angereichert, sondern zusätzlich belastet wird. Die Situation ist aber schon deshalb nicht mit derjenigen der hier streitigen Sonderzahlung vergleichbar, weil diese erst nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit am 31.10.2014 am Stichtag 01.12. oder entsprechend der bisherigen Zahlung Ende November entstand. Bei dem Urlaub ist dies anders. Er entsteht bereits am 01.01. eines Jahres in voller Höhe und ist von keiner Arbeitsleistung des Arbeitnehmers abhängig (BAG 21.11.2006 a.a.O. Rn. 13). Ist er aber bereits am Jahresanfang voll entstanden, dann ist es gerechtfertigt, den Urlaubsabgeltungsanspruch zeitanteilig zuzuordnen und diesen nicht "nachzuziehen". Um ein Nachziehen geht es hier nicht, denn der Anspruch ist erst nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit entstanden. Ansprüche, die aber nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit entstehen, weil der Insolvenzverwalter bzw. hier die Beklagte zu 1) in Eigenverwaltung die Gegenleistung entgegennimmt, sind gemäß § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO i.V.m. § 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO zu bedienen. Auf die Frage der nächstmöglichen Kündigung (§ 209 Abs. 2 Nr. 2 InsO), die hier bis zum Ende November oder 01.12.2014 tatsächlich schwierig gewesen wäre, kam es insoweit nicht an.
78B.Die Klage ist in dem Umfang, in welchem sie noch Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, begründet. Der Kläger war am 01.12.2014 elf Monate ununterbrochen betriebszugehörig und befand sich zu diesem Zeitpunkt in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis. Der Anspruch ist der Höhe nach unstreitig. Auf die zutreffende Berechnung zu A.III.2.b. der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen. Gegen die Kürzung auf 75 % hat der Kläger sich nicht gewandt. Er hat keine Berufung eingelegt.
79C.Entgegen der Ansicht der Beklagten zu 1) ist der Anspruch nicht gemäß § 15 MTV verfallen. Unabhängig davon, ob der Anspruch bereits Ende November mit dem von der Beklagten zu 1) angewandten Auszahlungstermin oder am 01.12.2014 entstanden ist, hat der Kläger die Sonderzahlung nicht innerhalb von drei Monaten ab diesem Zeitpunkt geltend gemacht. Die erstmalige Geltendmachung erfolgte mit der Klage, die am 07.05.2015 bei dem Arbeitsgericht einging und der Beklagten zu 1) am 15.05.2015 zugestellt wurde.
801.Allerdings hat die Beklagte zu 1) zu dem Erfordernis des Aushangs der Tarifbestimmung gemäß § 15 Abs. 2 MTV nicht vorgetragen. Auf Nachfrage im Termin konnte sie dies nicht abschließend beantworten, sondern hat lediglich angeführt, dass ein Aushang wohl erfolgt sei. Letztlich kam es nicht darauf an, ob der Aushang für den Fristbeginn erforderlich ist, dieser erfolgt ist und ob ggfs. der Aushang des gesamten Tarifvertrags ausreichend war oder aber ein gesonderter Aushang gerade der Ausschlussfrist ("Auf diese Bestimmung des Tarifvertrages … besonders hinzuweisen") notwendig und wie dieser ggfs. zu gestalten war.
812.Die tarifliche Ausschlussfrist des § 15 MTV ist zwischen den Parteien kein Vertragsbestandteil geworden. Eine ausdrückliche vertragliche Vereinbarung, welche zur Anwendung des MTV führt, ist zwischen den Parteien nicht geschlossen worden. Der Arbeitsvertrag vom 01.10.1980 verweist lediglich auf den im Hause gültigen Lohntarifvertrag. Es wird im Übrigen nicht auf die bei der Beklagten zu 1) geltenden tariflichen Bestimmungen oder den Manteltarifvertrag Bezug genommen, sondern auf die gesetzlichen Bestimmungen, die sinngemäß als Bestandteil des Arbeitsvertrags gelten sollen, soweit sie hierauf Anwendung finden können. Die gesetzlichen Bestimmungen enthalten keine Ausschlussfristen für die hier streitige Forderung, sondern insoweit gelten gesetzlich die Verjährungsfristen. Ausweislich des Arbeitsvertrages bedurfte es aber eines neuen Arbeitsvertrages, der schriftlich nicht geschlossen worden ist. Der geschlossene Arbeitsvertrag endete am 28.10.1980. Nachfolgend arbeitete der Kläger, ohne dass ein schriftlicher Arbeitsvertrag geschlossen wurde, weiter für die Beklagte zu 1). Entgegen der Ansicht der Beklagten zu 1) ist aber der MTV nicht insgesamt kraft betrieblicher Übung im Sinne einer Gleichstellungsabrede mit dem Kläger vereinbart worden. Dass möglicherweise entsprechende vertragliche Vereinbarungen mit anderen Mitarbeitern geschlossen worden sind, ist im Verhältnis zum Kläger unerheblich. Richtig ist allerdings, dass die stillschweigende Bezugnahme auf einen Tarifvertrag möglich ist. Zutreffend ist auch - darauf hat die Beklagte zu 1) hingewiesen -, dass dann, wenn ein Arbeitgeber tarifgebunden ist, die einzelvertragliche Verweisung regelmäßig zur Gleichstellung der Außenseiter mit den Gewerkschaftsmitgliedern führen soll. In diesem Fall kann aus der Anwendung wesentlicher Tarifbedingungen, insbesondere aus der Gewährung des Tariflohns geschlossen werden, dass das Arbeitsverhältnis insgesamt den einschlägigen Tarifverträgen einschließlich etwaiger Ausschlussfristen unterliegen soll, es sei denn, besondere Umstände des Einzelfalls sprächen gegen einen solchen Schluss (BAG 19.01.1999 - 1 AZR 606/98, AP Nr. 9 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag Rn. 51 ff.). Letzteres ist der Fall. Zwar war die Beklagte zu 1) ursprünglich tarifgebunden und es sind nachfolgend auch wesentliche tarifliche Arbeitsbedingungen zu Gunsten des Klägers angewandt worden wie die Gewährung der tariflichen Vergütung einschließlich aller Vergütungsbestandteile und des tariflichen Mehrurlaubs. Auch hat der Kläger sich schriftsätzlich im Rahmen der in erster Instanz streitigen Anfechtung des dreiseitigen Vertrags auf den bisherigen Tarifschutz berufen. Angesichts der weiteren Umstände kann daraus aber nicht die Geltung der Ausschlussfrist abgeleitet werden. Zunächst ist der einzige zwischen den Parteien geschlossene Arbeitsvertrag zu betrachten. Dieser verweist nur für einen Teilbereich und zwar die Vergütung auf den Tarifvertrag. Auch wenn dieser mehrere Jahre zurückliegt und befristet war, bleibt doch unklar, ob nachfolgend nunmehr der gesamte Tarifvertrag zur Anwendung kommen soll oder es im Übrigen - wie der bisherige Arbeitsvertrag regelt - bei denjenigen Regelungen, die nicht der Vergütung unterfallen bzw. Gegenstand des Arbeitsvertrags sind, nicht bei den gesetzlichen Bestimmungen bleibt, die Inhalt des Arbeitsvertrags werden sollen. Schließlich geht der Kläger in seinem Schreiben vom 13.02.2012 davon aus, dass maßgebend sein Arbeitsvertrag in Verbindung mit den tariflichen Regelungen sei, stellt also durchaus auch auf den Arbeitsvertrag ab. Hinzu kommt, dass die Beklagte zu 1) mit dem Kläger im Dezember 2014 den dreiseitigen Vertrag abgeschlossen hat. Sie hat sich in diesem in § 1 Abs. 3 zur ordnungsgemäßen Abrechnung des Arbeitsverhältnisses verpflichtet. Eine "Abrechnung" betrifft die tatsächlich bestehenden Ansprüche. Das Wort "ordnungsgemäß" soll die vorzunehmende Abrechnung näher beschreiben. Es zielt auf eine Berechnung nach den außerhalb des Vergleichs aufzufindenden, von ihm unabhängig anzuwendenden Rechtsnormen (BAG 19.05.2004 - 5 AZR 434/03, AP Nr. 108 zu § 615 BGB Rn. 17). Die Beklagte zu 1) hat sich mithin verpflichtet, die dem Kläger nach der tatsächlichen Rechtslage zustehenden Ansprüche abzurechnen. Möglich ist es zwar auch, dies dahingehend zu verstehen, dass nur eine Abrechnung dergestalt erfolgt, dass auch die Ausschlussfristen beachtet werden und keine davon unabhängige Abrechnung erfolgt. Dies mag für bereits verfallene Ansprüche gelten, nicht aber für im Dezember 2014 noch nicht verfallene Ansprüche, was für die hier streitige Sondervergütung der Fall wäre. Der dreiseitige Vertrag enthält nämlich eine Ausschlussfrist von drei Monaten für Ansprüche aus dem dreiseitigen Vertrag selbst. Um solche handelt es sich bei dem streitigen Anspruch indes nicht. Dieser ist kein Anspruch aus dem dreiseitigen Vertrag, sondern ein solcher aus dem ursprünglichen Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zu 1). Wenn die Beklagte zu 1) für die neu mit dem dreiseitigen Vertrag begründeten Ansprüche eine Ausschlussfrist vorsieht und betreffend das bisherige Arbeitsverhältnis, ohne eine solche zu vereinbaren, die ordnungsgemäße Abrechnung verspricht, ergibt sich bei objektiver Auslegung aus der Sicht eines typischen und durchschnittlichen Arbeitnehmers, dass für die bisherigen Ansprüche keine Ausschlussfrist vereinbart ist. Dies gilt erst recht, wenn der einzige schriftliche Arbeitsvertrag der Parteien für die Vergütung auf den Tarifvertrag verweist, im Übrigen aber auf die gesetzlichen Regelungen Bezug nimmt, die insoweit keine Ausschlussfrist enthalten, und sie zum Inhalt des Arbeitsvertrags macht. Maßgeblich ist auch die objektive Auslegung, weil es sich - wie sich aus den Einsetzungen ergibt - bei dem ursprünglichen Arbeitsvertrag um Allgemeine Arbeitsvertragsbedingungen handelt, bei einer etwaigen stillschweigenden allgemeinen Vertragspraxis ebenfalls (vgl. dazu BAG 05.08.2009 - 10 AZR 483/08, NZA 2009, 1105 Rn. 13) und auch der dreiseitige Vertrag von der Beklagten zu 1) gegenüber einer Vielzahl von Mitarbeitern verwandt worden ist. In jedem Fall wäre die gesamte Vertragsgestaltung unklar, was sich zu Lasten der Beklagten zu 1) auswirkte.
82D.Der Zinsanspruch folgt aus § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB i.V.m. § 288 Abs. 1 BGB. Die Sondervergütung war mit der Novembervergütung Ende des Monats November kalendermäßig bestimmt zu leisten. Der Zinsanspruch ab dem 04.12.2014 ergibt sich auch, wenn man auf den 01.12.2014 als Fälligkeitszeitpunkt abstellt.
83E.Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
84F.Die Kammer hat die Revision gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG im Hinblick auf die Auslegung von § 10 MTV und die Abgrenzung der Einordnung von Sonderzahlungen und Urlaubsabgeltung als Neumasseverbindlichkeiten zugelassen.
85RECHTSMITTELBELEHRUNG
86Gegen dieses Urteil kann von der Beklagten zu 1)
87R E V I S I O N
88eingelegt werden.
89Für die klagende Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
90Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim
91Bundesarbeitsgericht
92Hugo-Preuß-Platz 1
9399084 Erfurt
94Fax: 0361-2636 2000
95eingelegt werden.
96Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
97Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
981.Rechtsanwälte,
992.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
1003.Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
101In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
102Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
103Bezüglich der Möglichkeit elektronischer Einlegung der Revision wird auf die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesarbeitsgericht vom 09.03.2006 (BGBl. I Seite 519) verwiesen.
104* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
105Dr. GotthardtDr. Lövenichvan den Berg
Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Düsseldorf Urteil, 10. Feb. 2016 - 12 Sa 1051/15
Urteilsbesprechungen zu Landesarbeitsgericht Düsseldorf Urteil, 10. Feb. 2016 - 12 Sa 1051/15
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Landesarbeitsgericht Düsseldorf Urteil, 10. Feb. 2016 - 12 Sa 1051/15 zitiert oder wird zitiert von 7 Urteil(en).
(1) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei einem Insolvenzereignis für die vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Als Insolvenzereignis gilt
- 1.
die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers, - 2.
die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder - 3.
die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt.
(2) Zu den Ansprüchen auf Arbeitsentgelt gehören alle Ansprüche auf Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis. Als Arbeitsentgelt für Zeiten, in denen auch während der Freistellung eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt besteht (§ 7 Absatz 1a des Vierten Buches), gilt der Betrag, der auf Grund der schriftlichen Vereinbarung zur Bestreitung des Lebensunterhalts im jeweiligen Zeitraum bestimmt war. Hat die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer einen Teil ihres oder seines Arbeitsentgelts nach § 1 Absatz 2 Nummer 3 des Betriebsrentengesetzes umgewandelt und wird dieser Entgeltteil in einem Pensionsfonds, in einer Pensionskasse oder in einer Direktversicherung angelegt, gilt die Entgeltumwandlung für die Berechnung des Insolvenzgeldes als nicht vereinbart, soweit der Arbeitgeber keine Beiträge an den Versorgungsträger abgeführt hat.
(3) Hat eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer in Unkenntnis eines Insolvenzereignisses weitergearbeitet oder die Arbeit aufgenommen, besteht der Anspruch auf Insolvenzgeld für die dem Tag der Kenntnisnahme vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses.
(4) Anspruch auf Insolvenzgeld hat auch der Erbe der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers.
(5) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, einen Beschluss des Insolvenzgerichts über die Abweisung des Antrags auf Insolvenzeröffnung mangels Masse dem Betriebsrat oder, wenn kein Betriebsrat besteht, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern unverzüglich bekannt zu geben.
(1) Masseverbindlichkeiten sind weiter die Verbindlichkeiten:
- 1.
die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören; - 2.
aus gegenseitigen Verträgen, soweit deren Erfüllung zur Insolvenzmasse verlangt wird oder für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muß; - 3.
aus einer ungerechtfertigten Bereicherung der Masse.
(2) Verbindlichkeiten, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter begründet worden sind, auf den die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist, gelten nach der Eröffnung des Verfahrens als Masseverbindlichkeiten. Gleiches gilt für Verbindlichkeiten aus einem Dauerschuldverhältnis, soweit der vorläufige Insolvenzverwalter für das von ihm verwaltete Vermögen die Gegenleistung in Anspruch genommen hat.
(3) Gehen nach Absatz 2 begründete Ansprüche auf Arbeitsentgelt nach § 169 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch auf die Bundesagentur für Arbeit über, so kann die Bundesagentur diese nur als Insolvenzgläubiger geltend machen. Satz 1 gilt entsprechend für die in § 175 Absatz 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch bezeichneten Ansprüche, soweit diese gegenüber dem Schuldner bestehen bleiben.
(4) Umsatzsteuerverbindlichkeiten des Insolvenzschuldners, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters oder vom Schuldner nach Bestellung eines vorläufigen Sachwalters begründet worden sind, gelten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit. Den Umsatzsteuerverbindlichkeiten stehen die folgenden Verbindlichkeiten gleich:
(1) Der Insolvenzverwalter hat die Masseverbindlichkeiten nach folgender Rangordnung zu berichtigen, bei gleichem Rang nach dem Verhältnis ihrer Beträge:
- 1.
die Kosten des Insolvenzverfahrens; - 2.
die Masseverbindlichkeiten, die nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründet worden sind, ohne zu den Kosten des Verfahrens zu gehören; - 3.
die übrigen Masseverbindlichkeiten, unter diesen zuletzt der nach den §§ 100, 101 Abs. 1 Satz 3 bewilligte Unterhalt.
(2) Als Masseverbindlichkeiten im Sinne des Absatzes 1 Nr. 2 gelten auch die Verbindlichkeiten
- 1.
aus einem gegenseitigen Vertrag, dessen Erfüllung der Verwalter gewählt hat, nachdem er die Masseunzulänglichkeit angezeigt hatte; - 2.
aus einem Dauerschuldverhältnis für die Zeit nach dem ersten Termin, zu dem der Verwalter nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit kündigen konnte; - 3.
aus einem Dauerschuldverhältnis, soweit der Verwalter nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit für die Insolvenzmasse die Gegenleistung in Anspruch genommen hat.
Sobald der Insolvenzverwalter die Masseunzulänglichkeit angezeigt hat, ist die Vollstreckung wegen einer Masseverbindlichkeit im Sinne des § 209 Abs. 1 Nr. 3 unzulässig.
(1) Masseverbindlichkeiten sind weiter die Verbindlichkeiten:
- 1.
die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören; - 2.
aus gegenseitigen Verträgen, soweit deren Erfüllung zur Insolvenzmasse verlangt wird oder für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muß; - 3.
aus einer ungerechtfertigten Bereicherung der Masse.
(2) Verbindlichkeiten, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter begründet worden sind, auf den die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist, gelten nach der Eröffnung des Verfahrens als Masseverbindlichkeiten. Gleiches gilt für Verbindlichkeiten aus einem Dauerschuldverhältnis, soweit der vorläufige Insolvenzverwalter für das von ihm verwaltete Vermögen die Gegenleistung in Anspruch genommen hat.
(3) Gehen nach Absatz 2 begründete Ansprüche auf Arbeitsentgelt nach § 169 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch auf die Bundesagentur für Arbeit über, so kann die Bundesagentur diese nur als Insolvenzgläubiger geltend machen. Satz 1 gilt entsprechend für die in § 175 Absatz 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch bezeichneten Ansprüche, soweit diese gegenüber dem Schuldner bestehen bleiben.
(4) Umsatzsteuerverbindlichkeiten des Insolvenzschuldners, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters oder vom Schuldner nach Bestellung eines vorläufigen Sachwalters begründet worden sind, gelten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit. Den Umsatzsteuerverbindlichkeiten stehen die folgenden Verbindlichkeiten gleich:
(1) Der Insolvenzverwalter hat die Masseverbindlichkeiten nach folgender Rangordnung zu berichtigen, bei gleichem Rang nach dem Verhältnis ihrer Beträge:
- 1.
die Kosten des Insolvenzverfahrens; - 2.
die Masseverbindlichkeiten, die nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründet worden sind, ohne zu den Kosten des Verfahrens zu gehören; - 3.
die übrigen Masseverbindlichkeiten, unter diesen zuletzt der nach den §§ 100, 101 Abs. 1 Satz 3 bewilligte Unterhalt.
(2) Als Masseverbindlichkeiten im Sinne des Absatzes 1 Nr. 2 gelten auch die Verbindlichkeiten
- 1.
aus einem gegenseitigen Vertrag, dessen Erfüllung der Verwalter gewählt hat, nachdem er die Masseunzulänglichkeit angezeigt hatte; - 2.
aus einem Dauerschuldverhältnis für die Zeit nach dem ersten Termin, zu dem der Verwalter nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit kündigen konnte; - 3.
aus einem Dauerschuldverhältnis, soweit der Verwalter nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit für die Insolvenzmasse die Gegenleistung in Anspruch genommen hat.
Tenor
-
Auf die Revision des Beklagten wird - unter Zurückweisung der Anschlussrevision des Klägers - das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 19. November 2009 - 7 Sa 74/08 - teilweise aufgehoben, soweit dem Hilfsantrag stattgegeben wurde.
-
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 20. November 2007 - 4 Ca 1782/07 - abgeändert.
-
Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
-
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten darüber, ob der ausgezahlte Rückkaufswert einer Rückdeckungsversicherung in der Insolvenzmasse verbleibt oder an den Kläger auszuzahlen ist.
-
Der 1947 geborene Kläger war bei der späteren Insolvenzschuldnerin seit dem 21. Juni 1999 zunächst als Geschäftsführer beschäftigt. Der Geschäftsführervertrag vom 11. Juni 1999 enthielt in § 7 ua. folgende Regelung:
-
„§ 7 Altersversorgung
7.1.
…
7.2.
Die Gesellschaft schließt für DM 20.000,- p.a. Jahresprämie eine Pensionsversicherung für den Geschäftsführer ab, die als unwiderruflich bzw. unverfallbar gilt, jedoch bei einem Ausscheiden aus dem Unternehmen zeitgemäß nach der Dienstzeit des Geschäftsführers abzurechnen ist.“
-
In einem Nachtrag zum Geschäftsführervertrag vom 27. Januar 2003 wurde unter § 5 „Altersversorgung“ vereinbart:
-
„5.1.
…
5.2.
Der Paragraph ist bis 31.12.2005 ausgesetzt, das heißt, die jährlichen Leistungen von rd. € 10.225,-- werden für die Jahre 2003, 2004 und 2005 ausgesetzt; die Aussetzung wird rückwirkend rückgängig gemacht, für den Fall, daß die Mitarbeiter von G+M ihre tarifliche Jahresleistung wieder bekommen. Sollte die Rückerstattung der Jahresleistung an die Mitarbeiter nur teilweise erfolgen, erfolgt im gleichen Verhältnis eine rückwirkende Teileinzahlung auf die Altersversorgung. Der Lebensversicherungsvertrag Nr. 4 wird für diese Jahre beitragsfrei gestellt. Der bisher geleistete Teil des Lebensversicherungsvertrages Nr. 4 ist und verbleibt im Eigentum von Herrn E K .“
- 4
-
Bei der von der späteren Insolvenzschuldnerin bei der V - jetzt A - abgeschlossenen Lebensversicherung mit der Vertragsnummer 4 handelt es sich um eine Rückdeckungsversicherung. Versicherte Person war der Kläger, Versicherungsnehmerin und Bezugsberechtigte die spätere Insolvenzschuldnerin.
-
§ 13 der Allgemeinen Lebensversicherungsbedingungen(ALB 86) bestimmt ua.:
-
„…
(3)
Sie können Ihre Rechte aus dem Versicherungsvertrag auch abtreten oder verpfänden.
(4)
Die Einräumung und der Widerruf eines Bezugsrechts sowie eine Abtretung oder Verpfändung von Ansprüchen aus dem Versicherungsvertrag sind uns gegenüber nur und erst dann wirksam, wenn Sie uns vom bisherigen Berechtigten schriftlich angezeigt worden sind. …“
- 6
-
Mit Ablauf des 30. Juni 2004 wurde der Kläger als Geschäftsführer abberufen und ab dem 1. Juli 2004 als Vertriebsleiter beschäftigt. Am 1. März 2005 wurde mit Beschluss des Amtsgerichts - Insolvenzgericht - Charlottenburg - 36g IN 460/05 - über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Das Arbeitsverhältnis des Klägers endete aufgrund Insolvenzverwalterkündigung vom 14. April 2005 mit Ablauf des 31. Juli 2005.
- 7
-
Bereits mit Schreiben vom 21. Juli 2005 wandte sich der Kläger an den Beklagten und verwahrte sich gegen eine Einziehung der sich aus dem Lebensversicherungsvertrag Nr. 4 ergebenden Versicherungsleistung zur Insolvenzmasse. Auf Veranlassung des Beklagten wurde der Rückkaufswert der Lebensversicherung Nr. 4 am 1. September 2005 von der A ausbezahlt und der Insolvenzmasse zugeführt.
- 8
-
Der Kläger hat mit seiner am 8. März 2007 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage geltend gemacht, dass ihm ein Recht zur Aussonderung zustehe. Infolge der Abtretung der Lebensversicherung mit der Vertragsnummer 4 sei er Inhaber der Rechte aus dem Lebensversicherungsvertrag geworden. Einer Anzeige an die A habe es zur Wirksamkeit dieser Abtretung nicht bedurft. Im Übrigen sei zu seinen Gunsten vor 2003 eine schriftliche Verpfändungserklärung beim damaligen Versicherer, der V, eingegangen.
-
Der Kläger hat beantragt,
-
den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 33.829,77 Euro nebst Zinsen hieraus iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 2. September 2005 zu bezahlen.
- 10
-
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Er hat geltend gemacht, dass im Nachtrag zum Geschäftsführervertrag vom 27. Januar 2003 keine Abtretung enthalten sei und, selbst wenn eine solche in der Vereinbarung zu sehen sein sollte, diese unwirksam wäre, weil sie der Versicherungsgesellschaft gegenüber nicht angezeigt worden sei. Im Übrigen habe er bereits mit Schreiben vom 19. Oktober 2005 gegenüber dem Insolvenzgericht Masseunzulänglichkeit gemäß § 208 InsO angezeigt.
-
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und auf den im Berufungsverfahren vom Kläger gestellten Hilfsantrag hin festgestellt, dass der Beklagte dem Kläger einen Betrag iHv. 33.829,77 Euro nebst Zinsen hieraus iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. September 2005 als Masseverbindlichkeit schuldet. Es hat im Tenor die Revision unbegrenzt, nach der Rechtsmittelbelehrung nur für den Beklagten zugelassen. Mit seiner Revision erstrebt der Beklagte die vollständige Abweisung der Klage. Der Kläger begehrt die Zurückweisung der Revision des Beklagten und verfolgt mit seiner Anschlussrevision das Ziel der Wiederherstellung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung.
Entscheidungsgründe
- 12
-
Die Revision des Beklagten ist begründet. Die Anschlussrevision des Klägers ist unbegründet. Dem Kläger steht gegen die Insolvenzmasse weder ein Anspruch auf Auszahlung des Rückkaufswertes der Lebensversicherung noch auf Feststellung eines Zahlungsanspruchs in Höhe des Rückkaufswertes gegen die Masse zu. Ob dem Kläger gegen den Beklagten ein Recht auf abgesonderte Befriedigung nach § 50 Abs. 1 InsO oder gegen den Insolvenzverwalter persönlich ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 60 InsO zusteht, hatte der Senat im Rahmen dieses Rechtsstreits nicht zu entscheiden.
- 13
-
A. Die Revision des Beklagten und die Anschlussrevision des Klägers sind zulässig.
- 14
-
I. Die Revision des Beklagten ist zulässig. Sie ist statthaft und wurde auch form- und fristgerecht eingelegt, § 74 Abs. 1 ArbGG, sowie frist- und ordnungsgemäß begründet, § 74 Abs. 1 ArbGG, § 551 Abs. 3 ZPO. Die Revision setzt sich insbesondere ausreichend mit den Gründen des angefochtenen Urteils auseinander (vgl. hierzu BAG 19. April 2005 - 9 AZR 184/04 - zu I 1 der Gründe mwN, AP BErzGG § 15 Nr. 43 = EzA BErzGG § 15 Nr. 14).
- 15
-
II. Die Anschlussrevision ist in dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellten Umfang, dass mit ihr keine gegen den Insolvenzverwalter persönlich gerichteten Schadensersatzansprüche nach § 60 InsO verfolgt werden, sondern der vom Landesarbeitsgericht abgewiesene Hauptantrag, zulässig.
- 17
-
a) Nach § 72 Abs. 5 ArbGG gelten für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht die Vorschriften der ZPO über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend, soweit das Arbeitsgerichtsgesetz nichts anderes bestimmt. Gemäß § 554 Abs. 1 ZPO kann sich der Revisionsbeklagte der Revision anschließen. Die Anschließung erfolgt durch Einreichung der Revisionsanschlussschrift bei dem Revisionsgericht. Sie ist auch statthaft, wenn die Revision nicht zugelassen worden ist, und bis zum Ablauf eines Monats nach Zustellung der Revisionsbegründung zu erklären, § 554 Abs. 2 ZPO.
- 18
-
b) Dem wird die Anschlussrevision des Klägers gerecht. Die Anschließung ist am 12. April 2010 und damit innerhalb eines Monats nach der am 12. März 2010 erfolgten Zustellung des Revisionsbegründungsschriftsatzes beim Bundesarbeitsgericht eingereicht und zugleich begründet worden, § 554 Abs. 3 Satz 1 ZPO. Die Anforderungen des § 549 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 ZPO sowie des § 551 Abs. 3 ZPO sind erfüllt. Ob das Landesarbeitsgericht in der Rechtsmittelbelehrung die Zulassung der Revision auf den Beklagten beschränkt hat und ob dies wirksam war, kann dahinstehen. Nach § 554 Abs. 2 Satz 1 ZPO kommt es für die Statthaftigkeit der Anschlussrevision nicht darauf an, ob das Landesarbeitsgericht die Revision zugelassen hat(vgl. BAG 16. Juni 2005 - 6 AZR 411/04 - zu II 3 der Gründe, AP BBiG § 14 Nr. 12 = EzA BBiG § 14 Nr. 13).
- 19
-
2. Sonstige Bedenken gegen die Zulässigkeit der Anschlussrevision bestehen nicht.
- 20
-
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss die Anschlussrevision auch nach der Neuregelung des § 554 ZPO einen Lebenssachverhalt betreffen, der mit dem von der Revision erfassten Streitgegenstand in einem unmittelbaren rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang steht(BGH 22. November 2007 - I ZR 74/05 - Rn. 38 ff. mwN, BGHZ 174, 244; BAG 20. Mai 2009 - 5 AZR 312/08 - Rn. 25). Im Revisionsverfahren können neue prozessuale Ansprüche grundsätzlich nicht zur gerichtlichen Entscheidung gestellt werden (BAG 5. Juni 2003 - 6 AZR 277/02 - zu II 1 der Gründe, AP ZPO 1977 § 256 Nr. 81 = EzA ZPO 2002 § 256 Nr. 2). Das Revisionsgericht prüft, ob die Vorinstanz über die Klage rechtsfehlerfrei entschieden hat. Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt dabei nach § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Tatbestand des Berufungsurteils oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Es gilt der Grundsatz, dass die Urteilsgrundlage mit dem Ende der Berufungsverhandlung abgeschlossen wird (BGH 25. April 1988 - II ZR 252/86 - zu 7 a der Gründe, BGHZ 104, 215).
- 21
-
b) An diesen Grundsätzen gemessen ist die Anschlussrevision in dem vom Kläger klargestellten Umfang zulässig. Der Kläger verfolgt mit der Anschlussrevision seinen ursprünglichen, vom Landesarbeitsgericht abgewiesenen Hauptantrag, gerichtet auf Zahlung eines Betrages von 33.829,77 Euro aus der Insolvenzmasse, weiter. Dies hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich klargestellt. Über diesen Streitgegenstand hat das Landesarbeitsgericht entschieden und dieser Anspruch steht mit dem in die Revisionsinstanz gelangten Anspruch auch in unmittelbarem rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang.
- 22
-
B. Die Revision des Beklagten ist begründet. Die Anschlussrevision des Klägers ist hingegen unbegründet. Die Klage ist nur teilweise zulässig. Soweit sie zulässig ist, ist sie unbegründet. Dem Kläger steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Auszahlung des Rückkaufswertes aus der Rückdeckungsversicherung zu. Ansprüche nach § 47 und § 48 InsO scheitern daran, dass die(vermeintliche) Abtretung der Rechte aus der Rückdeckungsversicherung zwischen der A und der Schuldnerin oder die Einräumung eines Bezugsrechts der Versicherungsgesellschaft entgegen § 13 ALB 86 nicht angezeigt wurde. Ob die Lebensversicherung zwischen der A bzw. deren Rechtsvorgängerin und der Schuldnerin - wie vom Kläger behauptet - bereits vor 2003 an ihn verpfändet wurde, kann für den vorliegenden Rechtsstreit dahinstehen. Eine solche Verpfändung würde dem Kläger allenfalls ein Recht zur abgesonderten Befriedigung nach § 50 InsO geben. Ein solcher Anspruch ist nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.
- 23
-
I. Die Klage ist nur hinsichtlich des Hilfsantrags zulässig. Soweit der Kläger mit seinem Hauptantrag die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 33.829,77 Euro zzgl. Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 2. September 2005 begehrt, verfolgt er eine Masseverbindlichkeit. Diese Klage ist nach der am 19. Oktober 2005 angezeigten Masseunzulänglichkeit unzulässig.
- 24
-
1. Für Leistungsklagen, mit denen Masseverbindlichkeiten im Sinne der § 55 Abs. 1, § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO verfolgt werden, fehlt das Rechtsschutzbedürfnis. Nach § 210 InsO ist, sobald der Insolvenzverwalter die Masseunzulänglichkeit angezeigt hat, die Vollstreckung wegen einer Masseverbindlichkeit im Sinne der § 55 Abs. 1 Nr. 3, § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO unzulässig(BAG 11. Dezember 2001 - 9 AZR 459/00 - zu II der Gründe, AP InsO § 209 Nr. 1 = EzA InsO § 210 Nr. 1; BGH 3. April 2003 - IX ZR 101/02 - zu II 1 der Gründe, BGHZ 154, 358).
- 25
-
Der Kläger verfolgt mit seinem Zahlungsantrag eine Masseverbindlichkeit im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 3, § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO. Der Beklagte hat durch die vor dem 1. September 2005 erfolgte Kündigung des Rückversicherungsvertrags mit der A und die anschließende Einziehung des Rückkaufswertes zur Insolvenzmasse aus Sicht des Klägers die Insolvenzmasse ungerechtfertigt bereichert. Der Kläger geht davon aus, dass ihm hinsichtlich der Rechte aus der Rückdeckungsversicherung ein ihn zur Absonderung nach § 47 InsO berechtigendes Recht zugestanden hat, das durch die Kündigung des Rückversicherungsvertrags und die Einziehung des Rückkaufswertes zur Insolvenzmasse verloren gegangen ist und zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Masse geführt hat. Ein derartiger Anspruch richtet sich gegen die Masse.
- 26
-
Der Insolvenzverwalter hat vor Erhebung der Klage mit Schreiben vom 19. Oktober 2005 gegenüber dem Insolvenzgericht Masseunzulänglichkeit angezeigt (§ 208 Abs. 1 InsO). Das Landesarbeitsgericht ist nach Vorlage einer Mehrfertigung dieses Schreibens im Berufungsverfahren von einer Anzeige der Masseunzulänglichkeit nach § 208 Abs. 1 InsO ausgegangen. Das Informationsportal der Insolvenzgerichte im Internet weist unter dem 2. November 2005 eine Bekanntmachung des Amtsgerichts - Insolvenzgericht - Charlottenburg aus, wonach der Beklagte am 19. Oktober 2005 Masseunzulänglichkeit angezeigt hat. Der im März 2007 erhobenen Klage fehlte damit von Anfang an das Rechtsschutzbedürfnis.
- 27
-
2. Der Hilfsantrag ist zulässig. Der Kläger hat an der begehrten Feststellung das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Interesse. Dem steht der Grundsatz des Vorrangs der Leistungsklage nicht entgegen. Da eine Leistungsklage gegen den Insolvenzverwalter wegen Masseverbindlichkeiten nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit unzulässig ist, bleibt der Gläubiger auf den Weg der Feststellungsklage verwiesen (BAG 11. Dezember 2001 - 9 AZR 459/00 - zu II 3 der Gründe, AP InsO § 209 Nr. 1 = EzA InsO § 210 Nr. 1; BGH 3. April 2003 - IX ZR 101/02 - zu II 1 der Gründe mwN, BGHZ 154, 358). Einer solchen Klage kann deshalb das Feststellungsinteresse nicht versagt werden (vgl. BAG 29. Oktober 2002 - 1 AZR 80/02 - zu I der Gründe, EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 4).
- 28
-
II. Die Klage ist unbegründet. Dem Kläger standen nach der ausschließlich maßgeblichen versicherungsrechtlichen Lage keine Rechte aus der Rückdeckungsversicherung zu, die ihm ein Aussonderungsrecht nach § 47 InsO oder ein Ersatzaussonderungsrecht nach § 48 InsO geben.
- 29
-
1. Allein nach der versicherungsrechtlichen Lage richtet sich, in welcher Weise der Arbeitgeber in der Lage ist, rechtswirksam auf die Versicherung zuzugreifen, und ob diese Rechte zu seinem Vermögen gehören, in dessen Verwaltung der Insolvenzverwalter nach § 80 Abs. 1 InsO bei Insolvenzeröffnung eintritt(st. Rspr. des BAG, statt vieler 31. Juli 2007 - 3 AZR 446/05 - Rn. 14, NZA-RR 2008, 32; 15. Juni 2010 - 3 AZR 334/06 - Rn. 19, BAGE 134, 372; ebenso: BGH 18. Juli 2002 - IX ZR 264/01 - zu II der Gründe, DB 2002, 2104; BVerwG 28. Juni 1994 - 1 C 20.92 - zu 2 c cc ccc der Gründe, BVerwGE 96, 160).
- 30
-
2. Im Ergebnis kommt es deshalb darauf an, wie sich die konkrete versicherungsrechtliche Lage darstellt.
- 31
-
a) Bei der streitbefangenen Versicherung handelt es sich - wie das Landesarbeitsgericht zu Recht ausgeführt hat - nicht um eine Direktversicherung, sondern um eine sog. Rückdeckungsversicherung. Die Rückdeckungsversicherung ist kein Durchführungsweg der betrieblichen Altersversorgung, sondern eine Finanzierungsmaßnahme für eine unmittelbare Versorgungszusage (Direktzusage). Ist - wie vorliegend nach § 7.2. des Geschäftsführervertrags vom 11. Juni 1999 - eine Direktzusage erteilt, die in voller Höhe der Versicherungsleistung entspricht, liegt eine sog. kongruente Rückversicherung vor. Gleichwohl ist Versicherungsnehmer und Bezugsberechtigter der Arbeitgeber/Dienstgeber (vgl. Kemper in Kemper/Kisters-Kölkes/Berenz/Huber BetrAVG 4. Aufl. § 1 Rn. 92; Lohmann in HK-InsO 6. Aufl. § 47 Rn. 27; Kayser Die Lebensversicherung in der Insolvenz des Arbeitgebers S. 17). Dieser kann über die vertraglichen Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag verfügen, insbesondere sie auch verpfänden und abtreten. Der Arbeitnehmer/Dienstnehmer ist lediglich versicherte Person. Diesem stehen damit keine eigenen Rechte gegen den Versicherer zu, die er in der Insolvenz aussondern könnte.
- 32
-
b) Die Schuldnerin hat dem Kläger aus dem Versicherungsvertrag auch keine Rechte wirksam abgetreten. Es kann dahinstehen, ob § 5.2. Satz 4 des Nachtrags zum Geschäftsführervertrag vom 27. Januar 2003, wonach der bisher geleistete Teil des Lebensversicherungsvertrags Nr. 4 im Eigentum des Klägers ist und verbleibt, eine Abtretung nach § 398 BGB der Rechte aus dem Versicherungsvertrag beinhaltet oder die Einräumung eines Bezugsrechts zugunsten des Klägers darstellt. Beide Gestaltungen müssten nach § 13 Abs. 4 ALB 86 zu ihrer Wirksamkeit der Versicherungsgesellschaft gegenüber angezeigt worden sein. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist eine der Versicherung nicht angezeigte Abtretung nach § 13 Abs. 4 ALB 86 absolut unwirksam.
- 33
-
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs macht § 13 Abs. 4 ALB 86 die Wirksamkeit der Abtretung davon abhängig, dass sie der bisherige Verfügungsberechtigte dem Versicherer schriftlich angezeigt hat. Damit will der Versicherer als Schuldner der Forderungen nicht nur sicherstellen, dass seine Leistung für den vertraglich vorgesehenen Zweck verwendet wird. Er will insbesondere die Abrechnung übersichtlich gestalten und verhindern, dass ihm eine im Voraus nicht übersehbare Vielzahl von Gläubigern gegenübertritt. So will er weitergehend als durch den Schuldnerschutz der §§ 406 bis 410 BGB vor mehrfacher Inanspruchnahme geschützt sein(BGH 31. Oktober 1990 - IV ZR 24/90 - zu 1 der Gründe, BGHZ 112, 387; 23. April 1997 - XII ZR 20/95 - zu 2 b der Gründe, NJW 1997, 2747). Angesichts dieser erkennbaren Zielsetzung ist eine derartige Klausel nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers so auszulegen, dass sie als Ausnahme vom Regelfall der Abtretbarkeit gemäß § 398 BGB vereinbarungsgemäß von vornherein für die zu begründende Forderung den(eingeschränkten) Abtretungsausschluss des § 399 Alt. 2 BGB festlegt. Die Wirkung dieses Abtretungsausschlusses besteht darin, dass eine abredewidrig nicht angezeigte Abtretung absolut unwirksam ist (BGH 31. Oktober 1990 - IV ZR 24/90 - aaO; 19. Februar 1992 - IV ZR 111/91 - zu II 1 a und 2 der Gründe, VersR 1992, 561; 23. April 1997 - XII ZR 20/95 - aaO; 10. März 2010 - IV ZR 207/08 - Rn. 13, ZIP 2010, 890).
- 34
-
Dem hat sich auch das Bundesarbeitsgericht zwischenzeitlich ausdrücklich angeschlossen (BAG 19. April 2011 - 3 AZR 267/09 - Rn. 23, DB 2011, 2555). Hieran hält der Senat auch unter Berücksichtigung der Argumentation des Landesarbeitsgerichts fest. Das Landesarbeitsgericht übersieht, dass die Einschränkung der Abtretbarkeit nicht nur dem Schutz der Versicherungsgesellschaft, sondern auch der Sicherung des Versicherungszwecks dient. Dem stehen zu starke Erleichterungen der Abtretbarkeit entgegen. Zudem sprechen auch Gesichtspunkte der Rechtssicherheit für die Auslegung des Bundesgerichtshofs.
- 35
-
bb) Danach ist eine in § 5.2. Satz 4 des Nachtrags zum Geschäftsführervertrag vom 27. Januar 2003 möglicherweise enthaltene Abtretung nach § 398 BGB oder Einräumung eines unwiderruflichen Bezugsrechts unwirksam, denn nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist eine schriftliche Anzeige der Einräumung eines Bezugsrechts oder der Abtretungserklärung gegenüber der Versicherungsgesellschaft nicht erfolgt. Diese Feststellungen sind nicht mit Verfahrensrügen angegriffen, weshalb der Senat an sie gebunden ist (§ 559 Abs. 2 ZPO).
- 36
-
III. Dem Kläger steht gegen den Beklagten auch kein Schadensersatzanspruch aus § 241 Abs. 2 BGB zu. Nach dem unter B. II. Gesagten wurden dem Kläger Rechte aus dem Rückdeckungsversicherungsvertrag nicht wirksam abgetreten. Deshalb kann er auch keinen Schadensersatzanspruch daraus herleiten, dass der Insolvenzverwalter den Rückkaufswert der Versicherung der Insolvenzmasse hinzugefügt hat.
- 37
-
IV. Der Senat hatte sich nicht mit der Frage zu befassen, ob dem Kläger ein Anspruch auf abgesonderte Befriedigung nach § 50 Abs. 1 InsO zusteht, weil die Schuldnerin ihm die Rückdeckungsversicherung verpfändet hat.
- 38
-
Nach § 50 Abs. 1 InsO sind Gläubiger, die an einem Gegenstand der Insolvenzmasse ein rechtsgeschäftliches Pfandrecht haben, nach Maßgabe der §§ 166 bis 173 InsO für Hauptforderung, Zinsen und Kosten zur abgesonderten Befriedigung aus dem abgetretenen Recht berechtigt.
- 39
-
Ob die Schuldnerin die Rückdeckungsversicherung mit der A bzw. deren Rechtsvorgängerin - wie vom Kläger im Berufungsverfahren vorgetragen - bereits „vor 2003“ wirksam an ihn verpfändet hat und ob der vom Kläger insoweit gehaltene Sachvortrag substantiiert genug war, kann für diesen Rechtsstreit auf sich beruhen, denn jedenfalls gewährt § 50 Abs. 1 InsO dem Kläger keinen Anspruch auf Zahlung des Rückkaufswertes aus der Lebensversicherung an ihn. Die Verpfändung einer Lebensversicherung zur Sicherung einer Versorgungszusage gewährt Rechte nur, wenn der Versorgungsfall eingetreten ist. Das Pfandrecht ist daher nur aufschiebend bedingt und berechtigt in der Insolvenz nur zur Hinterlegung einer Sicherheitsleistung bis die Bedingung eingetreten oder entfallen ist - §§ 191, 198 InsO(vgl. BGH 7. April 2005 - IX ZR 138/04 - NJW 2005, 2231).
-
V. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits nach § 91 Abs. 1 ZPO zu tragen.
-
Zwanziger
Schlewing
Spinner
Brunke
H. Frehse
Tenor
-
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 21. Februar 2008 - 15 Sa 2088/07 - wird zurückgewiesen.
-
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten über die Zulässigkeit einer Leistungsklage auf Zahlung der Abfindung aus einem vom Insolvenzverwalter nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit vereinbarten Sozialplan.
- 2
-
Über das Vermögen der Schuldnerin, deren Arbeitnehmer der Kläger war, ist am 1. Februar 2007 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt worden. Bereits im Eröffnungsbeschluss wurde das Vorliegen von Masseunzulänglichkeit festgestellt. Der Beklagte zeigte darüber hinaus mit Schreiben vom 7. Februar 2007, das am Folgetag beim Insolvenzgericht einging, Masseunzulänglichkeit an. Am 13. Februar 2007 vereinbarte er mit dem bei der Schuldnerin gewählten Betriebsrat einen Interessenausgleich und Sozialplan. Am 19. März 2007 kündigte er das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 30. Juni 2007 rechtswirksam. Aus dem Sozialplan steht dem Kläger eine rechnerisch unstreitige Abfindung von 18.061,48 Euro brutto zu. Diesen Anspruch hat der Beklagte schriftlich festgehalten. Bereits in der Klageerwiderung hat er erklärt, er werde den von ihm vereinbarten Sozialplan nach Maßgabe der Insolvenzordnung ordnungsgemäß berücksichtigen.
- 3
-
Mit der am 22. August 2007 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage nimmt der Kläger den Beklagten in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter auf Zahlung der Sozialplanabfindung in Anspruch. Hilfsweise begehrt er die Feststellung des Abfindungsanspruchs.
- 4
-
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, in der hier vorliegenden Konstellation sei die Sozialplanforderung eine Neumasseverbindlichkeit iSv. § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Deswegen stehe ihr das Vollstreckungsverbot des § 210 InsO nicht entgegen. Aus der Regelung des § 210 InsO folge im Umkehrschluss, dass sämtliche Neumasseverbindlichkeiten mit der Leistungsklage verfolgt werden könnten. Dem stehe § 123 Abs. 3 Satz 2 InsO nicht entgegen. Aus einem Vollstreckungsverbot folge nicht zwangsläufig die Unzulässigkeit der Leistungsklage. Hilfsweise hat der Kläger geltend gemacht, in jedem Fall sei eine Feststellungsklage zulässig.
-
Der Kläger hat beantragt,
-
1.
den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 18.061,48 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. Februar 2007 zu zahlen,
2.
hilfsweise festzustellen, dass dem Kläger Masseansprüche in Höhe von 18.061,48 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 13. Februar 2007 zustehen.
- 6
-
Der Beklagte hat zur Begründung seines Klageabweisungsantrags vorgetragen, der Leistungsklage stünden die Vollstreckungsverbote des § 123 Abs. 3 Satz 2 InsO sowie des § 210 InsO entgegen. Trotz ihrer Höherstufung zu einer Masseverbindlichkeit seien Sozialplanforderungen gegenüber sonstigen Masseverbindlichkeiten nachrangig. Die Feststellungsklage sei unzulässig. Er bestreite den Anspruch des Klägers nicht. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass er gerade die Forderung des Klägers missachten werde. Vielmehr werde er als Insolvenzverwalter die Forderungen aus dem Sozialplan von Amts wegen unter Beachtung der gesetzlichen Rangfolge berücksichtigen.
-
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.
Entscheidungsgründe
- 8
-
Die Revision ist unbegründet.
- 9
-
I. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht die Leistungsklage als unzulässig abgewiesen.
- 10
-
1. Forderungen aus einem nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgestellten Sozialplan sind gem. § 123 Abs. 2 Satz 1 InsO Masseverbindlichkeiten, die nach § 53 InsO vorweg zu befriedigen sind. § 123 Abs. 3 Satz 2 InsO bestimmt jedoch, dass eine Zwangsvollstreckung in die Masse wegen einer Sozialplanforderung schlechthin unzulässig ist. Nach allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Literatur fehlt deswegen einer Leistungsklage gegen den Insolvenzverwalter wegen Forderungen aus einem von ihm vereinbarten Sozialplan das erforderliche Rechtschutzbedürfnis, weil ein entsprechender Leistungstitel dauerhaft keine Vollstreckungsgrundlage wäre. Der Gläubiger ist auf den Weg der Feststellungsklage verwiesen (BAG 22. November 2005 - 1 AZR 458/04 - Rn. 14, AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 176 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 15; 31. Juli 2002 - 10 AZR 275/01 - BAGE 102, 82, 84; für das Vollstreckungsverbot nach § 210 InsO grundlegend BAG 11. Dezember 2001 - 9 AZR 459/00 - AP InsO § 209 Nr. 1 = EzA InsO § 210 Nr. 1; weitere Nachw. zur Rspr. zu § 210 InsO siehe LAG Hamm 27. Oktober 2005 - 4 Sa 1709/04 - Rn. 50; FK/InsO/Eisenbeis 5. Aufl. § 123 Rn. 21; Nerlich/Römermann/Hamacher InsO Stand Mai 2007 § 123 Rn. 43 f.; Braun/Wolf InsO 3. Aufl. § 123 Rn. 14; Linck in HK/InsO 5. Aufl. § 123 Rn. 26). Ob davon bei Streitigkeiten über die gleichmäßige Befriedigung von gleichrangigen Gläubigern eine Ausnahme zu machen ist (LAG Hamm 27. Oktober 2005 - 4 Sa 1709/04 -; ablehnend Nerlich/Römermann/Hamacher InsO Stand Mai 2007 § 123 Rn. 44), kann dahinstehen. Eine derartige Fallkonstellation liegt hier nicht vor.
- 11
-
2. Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass der Beklagte den Sozialplan nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit vereinbart hat. § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO ist keine Spezialregelung, die nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit das in § 123 Abs. 3 Satz 2 InsO enthaltene Vollstreckungsverbot verdrängt. Vielmehr hat § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO für Sozialplanansprüche aufgrund der in § 123 Abs. 2 Satz 2 und 3 InsO geregelten Berechnungsweise keine Bedeutung(BT-Drucks. 12/2443 S. 220).
- 12
-
§ 123 Abs. 2 Satz 2 und 3 InsO setzen eine relative Obergrenze für die Erfüllung von Sozialplanansprüchen. Danach darf außer in den Fällen des Zustandekommens eines Insolvenzplans für die Berichtigung von Sozialplanforderungen nicht mehr als ein Drittel der Masse verwendet werden, die ohne den Sozialplan für die Verteilung an die Insolvenzgläubiger zur Verfügung stünde. Wird diese Grenze überschritten, sind die einzelnen Sozialplanforderungen anteilig zu kürzen. Die tatsächliche Höhe der Sozialplanansprüche kann also erst dann festgestellt werden, wenn alle anderen Masseverbindlichkeiten berichtigt sind, denn erst dann lässt sich ein Drittel aus der fiktiven Teilungsmasse berechnen (Braun/Wolf InsO 3. Aufl. § 123 Rn. 12). Daraus folgt, dass im Falle der Masseunzulänglichkeit keine Sozialplanansprüche bestehen. Sozialplanforderungen können nicht berichtigt werden, weil die Masse schon nicht ausreicht, um alle Masseverbindlichkeiten und Massekosten gem. § 53 InsO vorweg zu berichtigen(MünchKommInsO/Löwisch/Caspers 2. Aufl. § 123 Rn. 69; Linck in HK/InsO 5. Aufl. § 123 Rn. 25). Sozialplanansprüche sind lediglich letztrangige Masseverbindlichkeiten, die bei der Verteilung nach § 209 InsO keinerlei Rolle spielen. Dazu bedarf es keiner ausdrücklichen Regelung in § 209 InsO. Dies folgt vielmehr unmittelbar aus den Vorschriften über die Kürzung der Sozialplanansprüche bei geringer Masse (BT-Drucks. 12/2443 S. 220; LAG Hamm 27. Oktober 2005 - 4 Sa 1709/04 - Rn. 51; Uhlenbruck InsO 12. Aufl. § 209 Rn. 19; Linck in HK/InsO 5. Aufl. § 123 Rn. 24; FK/InsO/Kießner 5. Aufl. § 209 Rn. 11). Die Höherstufung der Sozialplanforderung von einer bevorrechtigten Konkursforderung (§§ 2, 4 Satz 1 SozPlKonkG iVm. § 61 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a KO) zu einer Masseverbindlichkeit hat die Rechtsstellung der Sozialplangläubiger somit nur formell verbessert und im Wesentlichen das Erfordernis zur Anmeldung und Feststellung von Sozialplanforderungen entfallen lassen (BT-Drucks. 12/2443 S. 154).
- 13
-
Die vom Kläger angeführte Literatur (Roth FS Gaul S. 573; Runkel/Schnurbusch NZI 2000, 49; Kröpelin ZIP 2003, 2341) setzt sich mit den angeführten Folgen der in § 123 Abs. 2 Satz 2 und 3 InsO geregelten Berechnungsweise für die Berichtigung von Sozialplanforderungen bei Masseunzulänglichkeit nicht auseinander und ist deshalb für seine Rechtsauffassung unergiebig.
- 14
-
3. Sozialplanansprüche aus einem nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit vereinbarten Sozialplan sind trotz der Regelung in § 123 Abs. 2 Satz 2 und 3 InsO nicht von vornherein wirtschaftlich wertlos. Die Anzeige der Masseunzulänglichkeit, die gem. § 208 Abs. 1 Satz 2 InsO bereits bei einer lediglich drohenden Unzulänglichkeit erfolgen kann, beruht auf einer Prognose des Insolvenzverwalters, deren Grundlagen sich nachträglich - etwa durch unverhoffte Verwertung von Vermögensgegenständen oder Erfüllung von Forderungen des Schuldners - ändern können. Darauf hat die Prozessbevollmächtigte des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zu Recht hingewiesen. Entfällt dadurch die Masseunzulänglichkeit, kommt eine Rückkehr ins reguläre Insolvenzverfahren in Betracht (zum Streitstand FK/InsO/Kießner 5. Aufl. § 208 Rn. 19 ff.; Landfermann in HK/InsO 5. Aufl. § 208 Rn. 24).
- 15
-
II. Der Klage auf Feststellung des Abfindungsanspruchs fehlt das erforderliche Feststellungsinteresse. Auch dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.
- 16
-
1. Allerdings hat der Erste Senat in seiner Entscheidung vom 22. November 2005 (- 1 AZR 458/04 - Rn. 14, AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 176 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 15) ausgeführt, dass der Gläubiger wegen der Unzulässigkeit der Leistungsklage auf den Weg der Feststellungsklage verwiesen sei und einer solchen Klage deshalb das Feststellungsinteresse nicht versagt werden könne. Damit sollte jedoch nur klargestellt werden, dass der Vorrang der Leistungsklage der Zulässigkeit der Feststellungsklage nicht entgegensteht (vgl. BAG 22. Juli 2003 - 1 AZR 541/02 - BAGE 107, 91, 92). Das erforderliche Feststellungsinteresse folgt auch nicht daraus, dass der Sozialplananspruch als Masseverbindlichkeit nicht in einem den § 174 ff. InsO entsprechenden Feststellungsverfahren festgestellt und nicht mit einem mit § 178 Abs. 3 InsO vergleichbaren Vollstreckungstitel verbunden ist(in diesem Sinn aber möglicherweise Oetker Anm. zu BAG 22. Juli 2003 - 1 AZR 541/02 - AP BetrVG 1972 § 113 Nr. 42 unter I 2). Auch Sozialplanansprüche können nur mit der Feststellungsklage verfolgt werden, wenn dem Recht des Gläubigers eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit dadurch droht, dass der Insolvenzverwalter das Recht des Gläubigers ernstlich bestreitet, und wenn das erstrebte Urteil infolge seiner Rechtskraft geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (vgl. allgemein zum Feststellungsinteresse BAG 2. Dezember 1999 - 8 AZR 796/98 - zu I 3 b der Gründe, AP BGB § 613a Nr. 188 = EzA BGB § 613a Nr. 188; BGH 7. Februar 1986 - V ZR 201/84 - NJW 1986, 2507). Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, fehlt das erforderliche Feststellungsinteresse.
- 17
-
2. Der Beklagte hat den Sozialplananspruch des Klägers weder vorprozessual noch im gesamten Verfahren dem Grunde und der Höhe nach jemals in Frage gestellt. Der Kläger hat auch keinerlei Anhaltspunkte dafür dargelegt, dass der Beklagte gerade ihn gegenüber anderen Sozialplangläubigern benachteiligen wird. Im Gegenteil ist die Behauptung des Beklagten aus der Berufungserwiderung, er werde die Forderungen aus dem Sozialplan von Amts wegen unter Beachtung der gesetzlichen Rangfolge berücksichtigen, unwidersprochen geblieben. Der Umstand, dass der Beklagte dem Leistungsbegehren unter Hinweis auf die Vollstreckungsverbote der Insolvenzordnung entgegengetreten ist, bedeutet nicht, dass er sich etwa eines gegen Grund und Höhe dieses Anspruchs gerichteten Rechts berühmt. Der Feststellung des Abfindungsanspruchs bedarf der Kläger daher nicht (vgl. BGH 17. März 2005 - IX ZB 247/03 - zu III 2 der Gründe, ZIP 2005, 817; vgl. auch 9. Oktober 2008 - IX ZB 129/07 - Rn. 11, NJW-RR 2009, 59).
- 18
-
3. Das uneingeschränkte Festhalten an den genannten zivilprozessualen Anforderungen erscheint vorliegend um so mehr geboten, weil unnötige Feststellungsverfahren die Masse gefährden. Billigt man dem Sozialplangläubiger ohne jeglichen Anhaltspunkt dafür, dass seine Forderung nicht entsprechend den Regeln der Insolvenzordnung erfüllt werden wird, Anspruch auf einen Titel zu, wird die Masse mit den dadurch entstehenden Prozesskosten belastet. Selbst wenn der Insolvenzverwalter die Forderung sofort anerkennt, trägt die Masse wegen der arbeitsrechtlichen Sonderregelung in § 12a ArbGG etwaige außergerichtliche Kosten des Insolvenzverwalters.
-
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
-
Fischermeier
Brühler
Spelge
Kapitza
Reiner Koch
(1) In einem Sozialplan, der nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgestellt wird, kann für den Ausgleich oder die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen, ein Gesamtbetrag von bis zu zweieinhalb Monatsverdiensten (§ 10 Abs. 3 des Kündigungsschutzgesetzes) der von einer Entlassung betroffenen Arbeitnehmer vorgesehen werden.
(2) Die Verbindlichkeiten aus einem solchen Sozialplan sind Masseverbindlichkeiten. Jedoch darf, wenn nicht ein Insolvenzplan zustande kommt, für die Berichtigung von Sozialplanforderungen nicht mehr als ein Drittel der Masse verwendet werden, die ohne einen Sozialplan für die Verteilung an die Insolvenzgläubiger zur Verfügung stünde. Übersteigt der Gesamtbetrag aller Sozialplanforderungen diese Grenze, so sind die einzelnen Forderungen anteilig zu kürzen.
(3) Sooft hinreichende Barmittel in der Masse vorhanden sind, soll der Insolvenzverwalter mit Zustimmung des Insolvenzgerichts Abschlagszahlungen auf die Sozialplanforderungen leisten. Eine Zwangsvollstreckung in die Masse wegen einer Sozialplanforderung ist unzulässig.
Tenor
-
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 14. November 2008 - 9 Sa 1070/08 - wird zurückgewiesen.
-
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten über die Zulässigkeit einer Leistungsklage auf Zahlung der Abfindung aus einem vom Insolvenzverwalter nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit vereinbarten Sozialplan.
- 2
-
Über das Vermögen der Schuldnerin, deren Arbeitnehmerin die Klägerin war, ist am 15. Januar 2007 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestimmt worden. Dieser zeigte mit Schreiben vom 15. Januar 2007, das am selben Tag beim Insolvenzgericht einging, Masseunzulänglichkeit an. Am 22. Januar 2007 vereinbarte er mit dem bei der Schuldnerin gebildeten Gesamtbetriebsrat einen Interessenausgleich und Sozialplan. Aus dem Sozialplan steht der Klägerin eine rechnerisch unstreitige Abfindung in Höhe von 6.957,74 Euro zu. Mit der am 5. März 2008 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage nimmt die Klägerin den Beklagten in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter auf Zahlung der Sozialplanabfindung in Anspruch.
- 3
-
Die Klägerin hat gemeint, ihre Zahlungsklage sei nicht unzulässig. § 123 Abs. 1 InsO enthalte Vorgaben zum Umfang des Sozialplans. Nach § 123 Abs. 2 Satz 1 InsO seien die Verbindlichkeiten aus einem Sozialplan Masseverbindlichkeiten. Das Zwangsvollstreckungsverbot in § 123 Abs. 3 Satz 2 InsO beziehe sich nicht auf die Situation bei Masseunzulänglichkeit. Diese sei in den §§ 207 ff. InsO abschließend geregelt. § 209 InsO finde deshalb auf Forderungen aus Sozialplänen, die der Insolvenzverwalter nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründet habe, uneingeschränkt Anwendung. Aus dieser Vorschrift ergebe sich, dass bei Masseunzulänglichkeit kein Vollstreckungsverbot bestehe und damit eine Leistungsklage nicht unzulässig sei. Dieses Ergebnis sei sachgerecht, weil der Beklagte auch einen Sozialplan ohne Abfindungen hätte abschließen können. Dies gelte umso mehr, weil nach der Behauptung des Beklagten für die Zahlung von Abfindungen keine Mittel zur Verfügung stünden.
-
Die Klägerin hat beantragt,
-
den Beklagten zu verurteilen, an sie 6.957,74 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 10. März 2008 zu zahlen.
- 5
-
Der Beklagte hat zu seinem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, die Zahlungsklage der Klägerin sei nicht zulässig. Es treffe zwar zu, dass Ansprüche aus einem Insolvenzsozialplan Masseverbindlichkeiten seien. Daraus folge jedoch nur, dass sie nicht angemeldet werden müssten und nicht Gegenstand des Prüfungsverfahrens seien. Sozialplanforderungen konkurrierten rangmäßig mit Insolvenzforderungen. Sie dürften nach § 123 Abs. 2 Satz 2 InsO nur dann befriedigt werden, wenn zumindest die doppelte Summe auf nicht nachrangige Insolvenzforderungen ausbezahlt werden könne.
-
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Senat mit Beschluss vom 19. März 2009 zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Anspruch weiter. Der Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
- 7
-
I. Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen.
- 8
-
1. Einer Leistungsklage gegen den Insolvenzverwalter wegen Forderungen aus einem von ihm vereinbarten Sozialplan fehlt das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis, weil ein entsprechender Leistungstitel dauerhaft keine Vollstreckungsgrundlage wäre(Senat 21. Januar 2010 - 6 AZR 785/08 - mwN, ZIP 2010, 546). Dies gilt auch dann, wenn der Sozialplan nach Anzeige der Masseunzulässigkeit vereinbart wird. Der Senat hat bereits im Urteil vom 21. Januar 2010 (- 6 AZR 785/08 - ZIP 2010, 546 mit zust. Anm. Wißmann ArbR 2010, 146; Sessig/Fischer ZInsO 2010, 561, 564) die auch von der Klägerin vertretene Rechtsauffassung, die Regelungen in § 123 InsO bezögen sich nicht auf die Situation bei Masseunzulänglichkeit, gewürdigt und eingehend begründet, warum § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO entgegen der Ansicht der Klägerin keine Spezialregelung ist, die nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit das in § 123 Abs. 3 Satz 2 InsO enthaltene Vollstreckungsverbot verdrängt. Daran hält der Senat fest.
- 9
-
2. Das Argument der Klägerin, dem Beklagten wäre es unbenommen gewesen, einen Sozialplan ohne Abfindungen abzuschließen, trägt schon deshalb nicht, weil der Beklagte den Sozialplan nicht allein aufstellen konnte, sondern es dazu einer Einigung mit dem Gesamtbetriebsrat bedurfte(§ 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG). Im Übrigen sind Sozialplanansprüche aus einem nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit vereinbarten Sozialplan trotz der Regelung in § 123 Abs. 2 Satz 2 und 3 InsO nicht von vornherein wirtschaftlich wertlos(Senat 21. Januar 2010 - 6 AZR 785/08 - ZIP 2010, 546). Die Anzeige der Masseunzulänglichkeit, die gemäß § 208 Abs. 1 Satz 2 InsO bereits bei einer lediglich drohenden Masseunzulänglichkeit erfolgen kann, beruht auf einer Prognose des Insolvenzverwalters. Die Grundlagen dieser Prognose können sich ändern, zB bei unverhoffter Verwertung von Vermögensgegenständen oder bei Erfüllung von Forderungen des Schuldners.
-
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
-
Fischermeier
Brühler
Spelge
Sieberts
Spiekermann
(1) Ist eine Forderung vom Insolvenzverwalter oder von einem Insolvenzgläubiger bestritten worden, so bleibt es dem Gläubiger überlassen, die Feststellung gegen den Bestreitenden zu betreiben.
(2) Liegt für eine solche Forderung ein vollstreckbarer Schuldtitel oder ein Endurteil vor, so obliegt es dem Bestreitenden, den Widerspruch zu verfolgen.
(3) Das Insolvenzgericht erteilt dem Gläubiger, dessen Forderung bestritten worden ist, einen beglaubigten Auszug aus der Tabelle. Im Falle des Absatzes 2 erhält auch der Bestreitende einen solchen Auszug. Die Gläubiger, deren Forderungen festgestellt worden sind, werden nicht benachrichtigt; hierauf sollen die Gläubiger vor dem Prüfungstermin hingewiesen werden.
(1) Auf die Feststellung ist im ordentlichen Verfahren Klage zu erheben. Für die Klage ist das Amtsgericht ausschließlich zuständig, bei dem das Insolvenzverfahren anhängig ist oder anhängig war. Gehört der Streitgegenstand nicht zur Zuständigkeit der Amtsgerichte, so ist das Landgericht ausschließlich zuständig, zu dessen Bezirk das Insolvenzgericht gehört.
(2) War zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Rechtsstreit über die Forderung anhängig, so ist die Feststellung durch Aufnahme des Rechtsstreits zu betreiben.
(1) Der Insolvenzverwalter hat die Masseverbindlichkeiten nach folgender Rangordnung zu berichtigen, bei gleichem Rang nach dem Verhältnis ihrer Beträge:
- 1.
die Kosten des Insolvenzverfahrens; - 2.
die Masseverbindlichkeiten, die nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründet worden sind, ohne zu den Kosten des Verfahrens zu gehören; - 3.
die übrigen Masseverbindlichkeiten, unter diesen zuletzt der nach den §§ 100, 101 Abs. 1 Satz 3 bewilligte Unterhalt.
(2) Als Masseverbindlichkeiten im Sinne des Absatzes 1 Nr. 2 gelten auch die Verbindlichkeiten
- 1.
aus einem gegenseitigen Vertrag, dessen Erfüllung der Verwalter gewählt hat, nachdem er die Masseunzulänglichkeit angezeigt hatte; - 2.
aus einem Dauerschuldverhältnis für die Zeit nach dem ersten Termin, zu dem der Verwalter nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit kündigen konnte; - 3.
aus einem Dauerschuldverhältnis, soweit der Verwalter nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit für die Insolvenzmasse die Gegenleistung in Anspruch genommen hat.
Sobald der Insolvenzverwalter die Masseunzulänglichkeit angezeigt hat, ist die Vollstreckung wegen einer Masseverbindlichkeit im Sinne des § 209 Abs. 1 Nr. 3 unzulässig.
(1) Der Insolvenzverwalter hat die Masseverbindlichkeiten nach folgender Rangordnung zu berichtigen, bei gleichem Rang nach dem Verhältnis ihrer Beträge:
- 1.
die Kosten des Insolvenzverfahrens; - 2.
die Masseverbindlichkeiten, die nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründet worden sind, ohne zu den Kosten des Verfahrens zu gehören; - 3.
die übrigen Masseverbindlichkeiten, unter diesen zuletzt der nach den §§ 100, 101 Abs. 1 Satz 3 bewilligte Unterhalt.
(2) Als Masseverbindlichkeiten im Sinne des Absatzes 1 Nr. 2 gelten auch die Verbindlichkeiten
- 1.
aus einem gegenseitigen Vertrag, dessen Erfüllung der Verwalter gewählt hat, nachdem er die Masseunzulänglichkeit angezeigt hatte; - 2.
aus einem Dauerschuldverhältnis für die Zeit nach dem ersten Termin, zu dem der Verwalter nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit kündigen konnte; - 3.
aus einem Dauerschuldverhältnis, soweit der Verwalter nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit für die Insolvenzmasse die Gegenleistung in Anspruch genommen hat.
Tenor
-
1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 30. Juni 2011 - 3 Sa 85/11 - aufgehoben, soweit hierdurch das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 16. November 2010 - 36 Ca 14709/09 - abgeändert wurde.
-
2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 16. November 2010 - 36 Ca 14709/09 - wird insgesamt zurückgewiesen.
-
3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision sowie die Kosten der Streithilfe zu tragen.
Tatbestand
- 1
-
Der Kläger nimmt den beklagten Insolvenzverwalter auf Zahlung eines anteiligen sog. Incentive-Bonus für Oktober 2008 bis März 2009 in rechnerisch unstreitiger Höhe von 16.300,00 Euro in Anspruch. Im Vordergrund steht die Frage, ob der Anspruch eine Masseforderung oder eine Insolvenzforderung ist.
- 2
-
Der Kläger trat am 1. Juni 2005 aufgrund Arbeitsvertrags vom selben Tage in die Dienste der I AG, der Rechtsvorgängerin der Insolvenzschuldnerin. Nach dem - am 1. Mai 2006 erfolgten - Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die Insolvenzschuldnerin war der Kläger zuletzt als außertariflicher Angestellter in der Position eines Senior Director/Overall Program Manager mit einem Jahreszieleinkommen in Höhe von 116.600,00 Euro brutto beschäftigt. Das Jahreszieleinkommen setzte sich nach Ziffer 4 des Arbeitsvertrags aus einem festen Jahresgehalt in Höhe von 84.000,00 Euro brutto, zahlbar in zwölf gleichen monatlichen Raten, und einem jährlichen Bonus bei Erreichen festgelegter Ziele in Höhe von 32.600,00 Euro brutto bei einhundertprozentiger Zielerreichung im Geschäftsjahr (1. Oktober bis 30. September des Folgejahres) zusammen. Nach der Vertragsregelung sollten die Ziele jährlich auf der Grundlage der jeweils geltenden Richtlinie (Bonus & Incentive Guideline) in einer gesonderten Zielvereinbarung festgelegt werden. Weiter heißt es, dass die Höhe des Bonus sich nach dem Grad des Erreichens der in der Zielvereinbarung festgelegten Ziele richtet und der Zielerreichungsgrad jeweils nach Ablauf des Geschäftsjahres ermittelt wird.
- 3
-
Am 23. Januar 2009 stellte die Insolvenzschuldnerin Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen Zahlungsunfähigkeit. Das Amtsgericht M - Insolvenzgericht - ordnete am selben Tag die vorläufige Insolvenzverwaltung über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin an und bestellte den Beklagten zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit der Anordnung, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. Am 1. April 2009 eröffnete das Amtsgericht M - Insolvenzgericht - das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin und bestellte den Beklagten zum Insolvenzverwalter.
- 4
-
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Anspruch auf das variable Einkommen für die Zeit von Oktober 2008 bis März 2009 ergebe sich als Schadensersatzanspruch, da die Insolvenzschuldnerin ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtung, mit dem Kläger eine Zielvereinbarung für das Geschäftsjahr 2008/2009 zu schließen, nicht nachgekommen sei. Demgegenüber habe der Kläger seine Arbeitsleistung in der Zeit von Oktober 2008 bis März 2009 erbracht. Der Kläger meint, es liege insoweit eine Masseverbindlichkeit im Sinne von § 55 InsO vor, da es sich um einen Anspruch auf eine Sonderleistung handele, der an besondere Anlässe geknüpft sei und sich nicht einzelnen Monaten oder Zeitabschnitten zuordnen lasse. Dieser Anspruch sei deshalb erst mit Ablauf des 30. September 2009 entstanden.
-
Der Kläger hat, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, beantragt,
-
den Beklagten zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 16.300,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
- 6
-
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, die streitige Bonuszahlung betreffe eine einfache Insolvenzforderung im Sinne von § 38 InsO, da der Anspruch des Klägers auf die variable Vergütung ebenso wie der Anspruch auf das Grundgehalt monatlich, also zeitanteilig entstanden sei.
-
Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 11. Dezember 2009 den beiden Vorstandsmitgliedern der Insolvenzschuldnerin den Streit verkündet. Diese sind dem Rechtsstreit auf der Seite des Beklagten beigetreten. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat dem oben genannten Klageantrag entsprochen. Mit der Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Endurteils.
Entscheidungsgründe
- 8
-
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Endurteils. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger kann keine Zahlung verlangen. Der Anspruch auf den Incentive-Bonus für die Zeit vom 1. Oktober 2008 bis zum 31. März 2009 ist eine Insolvenzforderung.
- 9
-
I. Zugunsten des Klägers kann unterstellt werden, dass ihm ein Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1 und Abs. 3 iVm. § 283 Satz 1 BGB wegen einer zu vertretenden Pflichtverletzung zusteht, weil keine Zielvereinbarung für das am 1. Oktober 2008 begonnene Geschäftsjahr zustande gekommen ist. Ein solcher Anspruch ist jedoch keine Masseforderung, sondern eine Insolvenzforderung iSd. § 108 Abs. 3 InsO. Der Kläger kann den Anspruch gemäß § 87 InsO nur im Rahmen des Insolvenzverfahrens verfolgen und muss ihn gemäß § 174 InsO beim Insolvenzverwalter anmelden.
- 11
-
a) Masseverbindlichkeiten iSd. § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO sind Verbindlichkeiten aus gegenseitigen Verträgen, soweit deren Erfüllung für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muss.
- 12
-
aa) Die Regelung stellt sicher, dass der Gläubiger, der noch voll zur Masse leisten muss, auch die volle Gegenleistung erhält und die Masse nicht auf seine Kosten bereichert wird (BAG 19. Juli 2007 - 6 AZR 1087/06 - Rn. 19, BAGE 123, 269; 27. April 2006 - 6 AZR 364/05 - Rn. 21, BAGE 118, 115). Soweit Arbeitsverhältnisse betroffen sind, beruht die Vorschrift auf dem Grundgedanken, dass der Arbeitnehmer trotz Insolvenz seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbringen muss und im Gegenzug seine vertraglich vereinbarten Ansprüche behalten soll. Unter § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO fallen daher alle Lohn- und Gehaltsansprüche, die aus der Beschäftigung von Arbeitnehmern nach der Verfahrenseröffnung durch den Insolvenzverwalter erwachsen, sowie alle sonstigen Ansprüche, die sich aus dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ergeben. Maßgeblich ist, ob die geltend gemachten Ansprüche vor oder nach der Verfahrenseröffnung entstanden sind, wobei nicht auf die Fälligkeit, sondern auf den Zeitpunkt des Entstehens der Forderung abzustellen ist (BAG 19. Juli 2007 - 6 AZR 1087/06 - aaO; 19. Januar 2006 - 6 AZR 529/04 - Rn. 18, BAGE 117, 1).
- 13
-
bb) Unter welchen Voraussetzungen jährliche Sonderzuwendungen als Masseverbindlichkeiten iSd. § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO anzusehen sind, hängt von dem Zweck der Sonderzuwendung ab.
- 14
-
(1) Mit einer Sonderzuwendung kann die vom Arbeitnehmer im Bezugszeitraum erbrachte Arbeitsleistung zusätzlich honoriert werden. Der Anspruch auf eine solche Sonderzuwendung entsteht regelmäßig während des Bezugszeitraums entsprechend der zurückgelegten Dauer („pro rata temporis“) und wird nur zu einem anderen Zeitpunkt insgesamt fällig (BAG 18. Januar 2012 - 10 AZR 667/10 - Rn. 10, AP BGB § 307 Nr. 59 = EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 32; 21. April 2010 - 10 AZR 178/09 - Rn. 14, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 45; 28. März 2007 - 10 AZR 261/06 - Rn. 17, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 265 = EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 21). Insolvenzrechtlich sind solche arbeitsleistungsbezogenen Sonderzuwen-dungen dem Zeitraum zuzuordnen, für den sie als Gegenleistung geschuldet sind (für zeitliche Zuordnung nach der KO: BAG 21. Mai 1980 - 5 AZR 441/78 - AP KO § 59 Nr. 10 = EzA KO § 59 Nr. 9; ErfK/Müller-Glöge 12. Aufl. Einf. InsO Rn. 44; Uhlenbruck/Sinz InsO 13. Aufl. § 55 Rn. 67; MünchKommInsO/Hefermehl 2. Aufl. § 55 Rn. 167): Soweit mit ihnen Arbeitsleistungen vergütet werden, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbracht wurden, handelt es sich um Masseforderungen (für zeitliche Zuordnung nach der KO: BAG 4. Juni 1977 - 5 AZR 663/75 - zu 2 a der Gründe, BAGE 29, 211). Soweit durch sie vor Verfahrenseröffnung erbrachte Arbeitsleistungen honoriert werden, liegen Insolvenzforderungen vor (für zeitliche Zuordnung nach der KO: BAG 21. Mai 1980 - 5 AZR 337/78 - BAGE 33, 113). Für einen ratierlichen Erwerb des Anspruchs in dem hier dargestellten Sinne genügt es, dass der Anspruch - unabhängig von einer gleichmäßigen Zielerfüllung im Geschäftsjahr - kontinuierlich an die Arbeitsleistung anknüpft. Ist die zusätzliche Vergütung dagegen für besondere, zu bestimmten Zeiten während des Geschäftsjahres zu erbringende Leistungen versprochen, kann es allein auf diese Zeiträume ankommen.
- 15
-
(2) Sonderzuwendungen können auch anderen Zwecken als der Vergütung erbrachter Arbeitsleistung dienen. Sie können als „Treueprämie“ langfristige oder als „Halteprämie“ kurzfristige bzw. künftige Betriebstreue honorieren ( BAG 18. Januar 2012 - 10 AZR 667/10 - Rn. 13, AP BGB § 307 Nr. 59 = EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 32 ); der Arbeitgeber kann aber auch den Zweck verfolgen, sich an den zum Weihnachtsfest typischerweise erhöhten Aufwendungen seiner Arbeitnehmer zu beteiligen (vgl. BAG 5. Juli 2011 - 1 AZR 94/10 - Rn. 35). Die Zahlung solcher Sonderzuwendungen hängt nicht von einer bestimmten Arbeitsleistung, sondern regelmäßig nur vom Bestand des Arbeitsverhältnisses ab (BAG 18. Januar 2012 - 10 AZR 667/10 - aaO). Insolvenzrechtlich sind derartige stichtags- oder anlassbezogene Sonderzuwendungen dem Zeitraum zuzurechnen, in den der Stichtag fällt (BAG 11. Dezember 2001 - 9 AZR 459/00 - zu I 1 der Gründe, AP InsO § 209 Nr. 1 = EzA InsO § 210 Nr. 1). Liegt der Stichtag zeitlich nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, handelt es sich um eine Masseverbindlichkeit (LAG Nürnberg 3. Februar 2010 - 4 Sa 367/09 - Rn. 42, ZIP 2010, 1189; LAG Schleswig-Holstein 12. März 2008 - 6 Sa 411/07 - Rn. 30, NZA-RR 2008, 594; Uhlenbruck/Sinz § 55 Rn. 67; MünchKommInsO/Hefermehl § 55 Rn. 168). Im anderen Fall ist eine solche Zahlung in voller Höhe als Insolvenzforderung anzusehen. Diese Unterscheidung entspricht auch der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Einbeziehung von Vergütungsbestandteilen in die Insolvenzgeldberechnung (BSG 21. Juli 2005 - B 11a/11 AL 53/04 R - NZA-RR 2006, 437).
- 16
-
(3) Ob der Arbeitgeber erbrachte Arbeitsleistung zusätzlich vergütet oder sonstige Zwecke verfolgt, ist durch Auslegung der vertraglichen Bestimmungen zu ermitteln. Der Vergütungscharakter ist eindeutig, wenn die Sonderzahlung an das Erreichen quantitativer oder qualitativer Ziele gebunden ist (BAG 18. Januar 2012 - 10 AZR 667/10 - Rn. 15, AP BGB § 307 Nr. 59 = EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 32; 7. Juni 2011 - 1 AZR 807/09 - Rn. 41 f., AP BetrVG 1972 § 77 Nr. 55 = EzA BetrVG 2001 § 88 Nr. 3).
- 17
-
cc) Schadensersatzansprüche eines Arbeitnehmers, die an die Stelle von Vergütungsansprüchen aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis treten, sind insolvenzrechtlich wie die ihnen zugrunde liegenden Vergütungsansprüche zu behandeln, dh. sie sind demjenigen Zeitraum zuzuordnen, auf den sich der ursprüngliche Vergütungsanspruch bezog (BAG 13. August 1980 - 5 AZR 588/78 - zu II 1 b der Gründe, BAGE 34, 101; vgl. auch BSG 17. Juli 1979 - 12 RAr 12/78 - SozR 4100 § 141b Nr. 10 ; 17. Juli 1979 - 12 RAr 4/79 - SozR 4100 § 141b Nr. 12 ).
- 18
-
b) Gemessen an diesen Grundsätzen handelt es sich bei dem geltend gemachten Schadensersatzanspruch nicht um eine Masseverbindlichkeit iSd. § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO, sondern um eine Insolvenzforderung.
- 19
-
aa) Gemäß Ziffer 4 des Arbeitsvertrags setzt die Zahlung des Bonus das Erreichen bestimmter, in einer Zielvereinbarung festzulegender Ziele voraus. Die Höhe des Bonus richtet sich nach dem Grad des Erreichens dieser Ziele. Eine solche erfolgsabhängige Vergütung wird als unmittelbare Gegenleistung für die entsprechend der Zielvereinbarung erbrachte Arbeitsleistung geschuldet (BAG 18. Januar 2012 - 10 AZR 667/10 - Rn. 10, 15, AP BGB § 307 Nr. 59 = EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 32; 12. April 2011 - 1 AZR 412/09 - Rn. 25, BAGE 137, 300). Keine Rolle spielt, dass der Zielerreichungsgrad erst nach Ablauf des Geschäftsjahres ermittelt wird.
- 20
-
bb) Der von dem Kläger geltend gemachte Anspruch bezieht sich auf die Monate Oktober 2008 bis März 2009 und damit auf einen vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegenden Zeitraum. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass es nach der Art der zu vereinbarenden Ziele auf besondere Ergebnisse oder Leistungen außerhalb dieses Zeitraums hätte ankommen können. Der Kläger hat nichts dafür vorgetragen, dass der Incentive-Bonus entgegen der dargestellten Regel überwiegend erst in der zweiten Hälfte des Geschäftsjahres verdient worden wäre. Keinesfalls wäre der Bonus erst nach Abschluss des Geschäftsjahres entstanden.
- 21
-
cc) Für die insolvenzrechtliche Einordnung ist unerheblich, dass der Kläger nicht einen Erfüllungsanspruch, sondern einen Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1 und Abs. 3 iVm. § 283 Satz 1 BGB wegen nicht abgeschlossener Zielvereinbarung geltend macht. Ein solcher Schadensersatzanspruch tritt gemäß § 280 Abs. 3 BGB an die Stelle des Anspruchs aus der Zielvereinbarung, weil die Vereinbarung von Zielen mit Ablauf der Zielperiode unmöglich geworden ist, § 275 BGB(vgl. BAG 12. Dezember 2007 - 10 AZR 97/07 - Rn. 46 f., BAGE 125, 147); er ist daher insolvenzrechtlich demselben Zeitraum zuzuordnen.
- 22
-
2. Der Schadensersatzanspruch ist auch nicht nach anderen Vorschriften Masseverbindlichkeit. Die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO liegen nicht vor, weil der Anspruch nicht durch eine Handlung des Beklagten begründet wurde. § 55 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 InsO ist nicht anwendbar, weil auf den Beklagten als vorläufigen Insolvenzverwalter nicht die Verfügungsbefugnis übergegangen(§ 21 Abs. 2 Nr. 2 iVm. § 22 Abs. 1 Satz 1 InsO), sondern zu seinen Gunsten lediglich ein Zustimmungsvorbehalt angeordnet worden war (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 InsO). Eine analoge Anwendung des § 55 Abs. 2 InsO auf die Fälle der Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts scheidet mangels Vorliegens einer planwidrigen Regelungslücke aus( BAG 31. Juli 2002 - 10 AZR 275/01 - zu II 1 b cc (2) der Gründe , BAGE 102, 82 ; BGH 24. Januar 2008 - IX ZR 201/06 - Rn. 9 , NJW 2008, 1442; Uhlenbruck/Sinz § 55 Rn. 93 mwN).
-
II. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger nach § 91 Abs. 1 ZPO zu tragen. Dazu gehören auch die Kosten der Berufung und der Revision (§ 97 Abs. 1 ZPO) sowie die Kosten der Streithilfe (§ 101 Abs. 1 ZPO).
-
Mikosch
W. Reinfelder
Schmitz-Scholemann
W. Guthier
A. Effenberger
Tenor
-
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Saarland vom 29. Juni 2011 - 1 (2) Sa 17/11 - wird zurückgewiesen.
-
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger auch für die ersten drei Monate des Jahres 2009 ein Anspruch auf die sog. Wartezahlung nach § 4c des Tarifvertrags ERA-Anpassungsfonds für das Tarifgebiet Saarland vom 22. Dezember 2003/17. Februar 2004 idF vom 20. Juli 2005 (im Folgenden: TV ERA-APF) gegen die Beklagte als Betriebsübernehmerin zusteht.
- 2
-
Der Kläger war seit 1975 bei der W GmbH & Co. KG (im Folgenden: Schuldnerin) beschäftigt, über deren Vermögen mit Beschluss des Amtsgerichts B vom 1. April 2009 (- 11 IN 6/09 -) am selben Tag das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Am 1. September 2009 erwarb die Beklagte den Betrieb der Schuldnerin vom Insolvenzverwalter.
-
Nach § 2 Abs. 1 des Tarifvertrags zur Einführung des Entgeltrahmenabkommens für die Metall- und Elektroindustrie des Saarlands vom 6. Juli 2004 (ERA-ETV) sollte das Entgeltrahmenabkommen (fortan: ERA) frühestens ab 1. Januar 2006 und spätestens bis zum 31. Dezember 2008 in den Betrieben eingeführt werden. In dem TV ERA-APF heißt es auszugsweise:
-
„§ 2
Präambel
Der ERA-Anpassungsfonds dient der Sicherstellung eines gleitenden Übergangs vom heutigen Tarifsystem auf das ERA-Entgeltsystem für alle Beteiligten. Insbesondere sollen durch die vorübergehende Einbehaltung nicht ausgezahlter ERA-Strukturkomponenten und deren spätere Verwendung entweder
-
zum Ausgleich von betrieblichen Kosten, die eine bestimmte Schwelle überschreiten,
oder
-
zur unmittelbaren Auszahlung an die Beschäftigten nach der betrieblichen ERA-Einführung
spätere Verwerfungen bei der Umstellung vermieden werden.
§ 3
Aufbau und Verwendung des ERA-Anpassungsfonds
In den Tarifverträgen über Löhne, Gehälter und Ausbildungsvergütungen für die Metall- und Elektroindustrie des Saarlandes vom 28. Mai 2002 und vom 17. Februar 2004 wurden die Erhöhungen des Tarifvolumens auf zwei Komponenten verteilt. Eine Komponente dient der dauerhaften Erhöhung der Tabellenwerte der jeweiligen Entgelte (Löhne und Gehälter, „lineares Volumen“). Die andere Komponente („restliches Erhöhungsvolumen“) fließt in ERA-Strukturkomponenten, die in der ersten Tarifperiode ausgezahlt, in den folgenden Tarifperioden jedoch noch nicht fällig werden.
In diesen Tarifverträgen vom 28. Mai 2002 und vom 17. Februar 2004 wurde eine Erhöhung des Tarifvolumens um zunächst insgesamt 4 % ab 1. Juni 2002, mit Wirkung ab 1. Juni 2003 um weitere 3,1 %, ab 1. März 2004 um 2,2 % und ab 1. März 2005 um weitere 2,7 % vereinbart. Diese Erhöhungen wurden jeweils wie folgt auf die zwei Komponenten verteilt:
Mit Wirkung ab 1. Juni 2002 wurden die Entgelte (Löhne und Gehälter) um 3,1 % erhöht, mit Wirkung ab 1. Juni 2003 um weitere 2,6 %. Sodann wurden mit Wirkung ab 1. März 2004 die Entgelte (Löhne und Gehälter) um weitere 1,5 % erhöht, mit Wirkung ab 1. März 2005 um weitere 2,0 %.
Das jeweilige restliche Erhöhungsvolumen von 0,9 %, 0,5 %, 0,7 % und weiteren 0,7 % fließt in ERA-Strukturkomponenten und wird in der Tarifperiode, in der sie erstmals entstanden sind, zunächst ebenfalls ausgezahlt (s. § 4 Abs. 1 lit. a); für die Verwendung der Folgebeträge gelten die in § 4 Abs. 1 lit. b getroffenen Vereinbarungen.
§ 4
ERA-Strukturkomponente und ERA-Anpassungsfonds
Die in § 5 der o.g. Tarifverträge vereinbarten ERA-Strukturkomponenten werden wie folgt ermittelt und verwendet:
a)
Erstmalige Auszahlung von ERA-Strukturkomponenten
In der Tarifperiode, in der sie erstmals entstehen, werden die jeweiligen ERA-Strukturkomponenten individuell nach den Grundsätzen der Tarifverträge vom 28. Mai 2002 bzw. 17. Februar 2004 als Teil der Vergütung ermittelt und zu den dort genannten Stichtagen zur Auszahlung an die Beschäftigten fällig.
Die Berechnung der zur Auszahlung kommenden ERA-Strukturkomponente erfolgt individuell entsprechend der Methode aus den Tarifverträgen vom 28. Mai 2002 und vom 17. Februar 2004.
b)
In den jeweils folgenden Tarifperioden nach ihrer erstmaligen Begründung / Entstehung werden die jeweiligen ERA-Strukturkomponenten aus den vorhergehenden Tarifperioden zwar ebenfalls als Teil der Vergütung ermittelt, aber nicht ausgezahlt, sondern zunächst einbehalten und für die Monate bis einschließlich Februar 2006 dem ERA-Anpassungsfonds zugeführt. Die bei der betrieblichen ERA-Einführung in dem ERA-Anpassungsfonds befindlichen Beträge müssen entweder zur Deckung betrieblicher Mehrkosten aus der ERA-Einführung oder zur Auszahlung an die Beschäftigten verwendet werden.
…
c)
Wird das Entgeltrahmenabkommen im Betrieb nach Ablauf der Tarifperiode, in der die letzte ERA-Strukturkomponente wirksam wurde (zur Auszahlung kam), noch nicht eingeführt, wird in den folgenden Tarifperioden eine Einmalzahlung von 2,79 % bis zur betrieblichen Einführung des Entgeltrahmenabkommens ausgezahlt. Die Berechnung erfolgt entsprechend der Methode für die Auszahlung der ERA-Strukturkomponente aus dem Tarifvertrag vom 17. Februar 2004.
Die Betriebsparteien können statt dessen durch freiwillige Betriebsvereinbarung vereinbaren, dass auch diese weiteren ERA-Strukturkomponenten vorläufig nicht ausgezahlt, sondern dem ERA-Anpassungsfonds zugeführt werden, um sie ebenso wie die auf jeden Fall zuvor anfallenden, jedoch nicht ausgezahlten ERA-Strukturkomponenten zu verwenden.
…“
-
In der Vereinbarung zum Umgang mit den ERA-Strukturkomponenten ab Januar 2009 vom 17. Dezember 2008 (im Folgenden: Vereinbarung 2008) haben die Tarifvertragsparteien ua. bestimmt:
-
„2.
Zu § 4 c des Tarifvertrages ERA-Anpassungsfonds vom 22. Dezember 2003 / 17. Februar 2004 in der Fassung vom 20. Juli 2005 wird Folgendes vereinbart:
a)
Die Betriebsparteien können durch freiwillige Betriebsvereinbarung bis zu zwei Auszahlungszeitpunkte für die Auszahlung der Einmalzahlungen aus den ERA-Strukturkomponenten betreffend den Zeitraum Januar 2009 bis Dezember 2009 festlegen.
Erfolgt keine einvernehmliche Festlegung, werden die ERA-Strukturkomponenten zum Auszahlungszeitpunkt der betrieblichen Sonderzahlung nach § 3 Ziff. 2 des Tarifvertrages über eine betriebliche Sonderzahlung für Arbeitnehmer und Auszubildende ausgezahlt.
b)
Die Betriebsparteien können stattdessen auch vereinbaren, die ERA-Strukturkomponenten vorläufig ganz oder teilweise nicht auszuzahlen, sondern sie dem ERA-Anpassungsfonds zuzuführen. Das Vorliegen einer Kostenprognose bezüglich der Einführung von ERA ist hierfür nicht notwendige Voraussetzung.
c)
Die Berechnung der auszuzahlenden Einmalzahlung bzw. der dem ERA-Anpassungsfonds zuzuführenden Beträge erfolgt auf Basis folgender Formel:
2,79 % x von der Einmalzahlung / Zuführung erfasste Monate des Jahres 2009 x Tarifeinkommen des Auszahlungsmonats.
Für die Monate Januar bis Juni 2009 ist der Monatsfaktor jeweils um 0,115 % - Punkte (zur Einbeziehung der zusätzlichen Urlaubsvergütung) und für die Monate Juli bis Dezember 2009 jeweils um 0,09 % - Punkte (zur Einbeziehung der betrieblichen Sonderzahlung) anzuheben.
d)
Die vorstehende Berechnung kommt entsprechend zur Anwendung bei individuellen Kürzungstatbeständen (z.B. Eintritt oder Austritt des Beschäftigten im Bezugszeitraum) sowie im Fall der betrieblichen ERA-Einführung.
e)
Die Pflicht zur Auszahlung der ERA-Strukturkomponenten (bzw. der Zuführung zum ERA-Anpassungsfonds) gilt nur hinsichtlich der Monate ab Januar 2009, in denen das Entgeltrahmenabkommen betrieblich noch nicht eingeführt ist.“
- 5
-
Die Beklagte zahlte dem Kläger - und den 282 weiteren Beschäftigten - die ERA-Strukturkomponente nach § 4c TV ERA-APF anteilig für den Zeitraum April bis Dezember 2009.
- 6
-
Mit der am 7. Juni 2010 eingereichten und der Beklagten am 9. Juni 2010 zugestellten Klage hat der Kläger die ERA-Strukturkomponente auch für die ersten drei Monate des Jahres 2009 geltend gemacht und die Auffassung vertreten, bei der Einmalzahlung nach § 4c TV ERA-APF handele es sich um eine nach dem Betriebsübergang entstandene und fällig gewordene Sonderzahlung, für die die Beklagte die Haftungserleichterungen bei Betriebsübernahme in der Insolvenz nicht in Anspruch nehmen könne.
-
Der Kläger hat beantragt,
-
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 223,72 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
- 8
-
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, bei der Strukturkomponente nach § 4c TV ERA-APF handele es sich um einen Teil der monatlichen Vergütung des Arbeitnehmers, auch wenn sie als Einmalzahlung zusammengefasst ausgezahlt werde.
-
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe
- 10
-
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das die Klage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen.
- 11
-
I. Die Einmalzahlung nach § 4c TV ERA-APF setzt die Pflicht des Arbeitgebers zur Einführung von ERA voraus(Ziff. 2 e Vereinbarung 2008). Besteht keine Verpflichtung zur betrieblichen Einführung, fehlt es an der Grundlage für einen Zahlungsanspruch (vgl. BAG 14. Januar 2009 - 5 AZR 175/08 - Rn. 16, EzA TVG § 4 Metallindustrie Nr. 134). Das Landesarbeitsgericht geht mit den Parteien davon aus, dass die Schuldnerin verpflichtet war, ERA zum 1. Januar 2009 in ihrem Betrieb einzuführen. Feststellungen zum Rechtsgrund einer derartigen Verpflichtung hat das Landesarbeitsgericht allerdings nicht getroffen.
- 12
-
II. Unterstellt, die Schuldnerin sei verpflichtet gewesen, ab 1. Januar 2009 ERA betrieblich einzuführen, haftete die Beklagte gleichwohl für den auf das erste Quartal 2009 entfallenden Teil der Einmalzahlung nicht. Das hat das Landesarbeitsgericht zu Recht erkannt.
- 13
-
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Haftung des Erwerbers eines Betriebs in der Insolvenz aufgrund einer teleologischen Reduktion des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB beschränkt. Für die Abwicklung aller Ansprüche, die zur Zeit der Insolvenzeröffnung bereits entstanden sind, sieht die Insolvenzordnung ein Verfahren vor, das von dem Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung beherrscht ist. Soweit die Verteilungsgrundsätze des Insolvenzrechts greifen, gehen diese als Spezialregelungen vor. Damit wird sichergestellt, dass alle Gläubiger gleichmäßig befriedigt werden. Außerdem werden Betriebsübernahmen in der Insolvenz erleichtert. Die insolvenzrechtliche Beschränkung des Eintritts der Haftung nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB betrifft danach Insolvenz-, nicht jedoch Masseforderungen(vgl. BAG 9. Dezember 2009 - 7 ABR 90/07 - Rn. 16 f., BAGE 132, 333; 30. Oktober 2008 - 8 AZR 54/07 - BAGE 128, 229; zu tariflichen Sonderzahlungen BAG 11. Oktober 1995 - 10 AZR 984/94 - zu II 2 d der Gründe, BAGE 81, 132).
- 14
-
2. Die Einmalzahlung nach § 4c TV ERA-APF ist eine Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO nur insoweit, als ihre Erfüllung für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muss. Das ist für den auf das erste Quartal 2009 entfallenden Anteil der Einmalzahlung nicht der Fall.
- 15
-
a) Allerdings ist die Bezeichnung der Leistung nach § 4c TV ERA-APF als „Einmalzahlung“ für die Einordnung der Forderung wenig aussagekräftig. Der Begriff „Einmalzahlung“ ist sowohl als Ausdruck für eine pauschale Lohnerhöhung als auch zur Kennzeichnung einer gegenleistungsunabhängigen Sonderzahlung gebräuchlich (BAG 27. August 2008 - 5 AZR 820/07 - Rn. 15, BAGE 127, 319). Immerhin fällt auf, dass der Tarifvertrag die Leistung nach § 4c TV ERA-APF nicht als „Sonderzahlung“ bezeichnet, obwohl den Tarifvertragsparteien der Begriff bekannt ist und sie eine Sonderzahlung in dem Tarifvertrag über eine betriebliche Sonderzahlung für Beschäftigte (Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen) und Auszubildende in der Metall- und Elektroindustrie des Saarlandes (für Betriebe, die das Entgeltrahmenabkommen eingeführt haben) vom 8. Dezember 2005 geregelt haben. Auf diesen Tarifvertrag wird nur bezüglich des Auszahlungszeitpunkts Bezug genommen für den Fall, dass die Betriebsparteien den Auszahlungszeitpunkt der Einmalzahlung nach § 4c TV ERA-APF nicht einvernehmlich festlegen(Ziff. 2 a Vereinbarung 2008).
- 16
-
b) Der tarifliche Gesamtzusammenhang zeigt, dass die als Einmalzahlungen geschuldeten ERA-Strukturkomponenten keine vom regulären Arbeitsentgelt losgelösten Sonderzahlungen, sondern Bestandteil der tariflichen Vergütung sind. Gemäß § 3 TV ERA-APF wurden die Tariflohnerhöhungen ab Juni 2002 auf zwei Komponenten verteilt, nämlich auf eine prozentuale Steigerung der Tabellenwerte der jeweiligen Entgelte und ein restliches Erhöhungsvolumen, das in ERA-Strukturkomponenten floss. Jede ERA-Strukturkomponente ist damit integraler Bestandteil der Tariflohnerhöhung (vgl. BAG 9. November 2005 - 5 AZR 105/05 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Metallindustrie Nr. 196 = EzA TVG § 4 Metallindustrie Nr. 132).
- 17
-
c) Die Einmalzahlung nach § 4c TV ERA-APF ist nach dem ausdrücklichen Wortlaut eine „weitere ERA-Strukturkomponente“. Sie dient neben dem Druck, das Entgeltrahmenabkommen einzuführen, dem Zweck, die tatsächliche Auszahlung des erhöhten, aber wegen der angestrebten Kostenneutralität nicht tabellenwirksam gewordenen Tarifvolumens an die Arbeitnehmer sicherzustellen (BAG 23. Februar 2011 - 5 AZR 143/10 - Rn. 22). Die Betriebsparteien können zwar statt einer Auszahlung die Zuführung der Strukturkomponente an den ERA-Anpassungsfonds mit der Folge vereinbaren (§ 4c Abs. 2 TV ERA-APF, Ziff. 2 b Vereinbarung 2008), dass ein Anspruch auf Auszahlung zunächst nicht entsteht und eine Auszahlung erst bei Auflösung des ERA-Anpassungsfonds nach Maßgabe des § 4e TV ERA-APF iVm. einer entsprechenden, anspruchsbegründenden Betriebsvereinbarung in Betracht kommt (vgl. dazu BAG 27. Juni 2012 - 5 AZR 317/11 - Rn. 14; 16. August 2011 - 1 AZR 314/10 - Rn. 13 ff., EzA TVG § 4 Metallindustrie Nr. 142). Kommt es aber zu einer Auszahlung der weiteren Strukturkomponente nach § 4c TV ERA-APF für das Jahr 2009, weil feststeht, dass die Betriebsparteien die alternativ mögliche Zuführung zum ERA-Anpassungsfonds nicht vereinbaren, ist diese Leistung ab dem Auszahlungszeitpunkt ex tunc Bestandteil des tariflich für das Jahr 2009 geschuldeten Arbeitsentgelts und wird den monatlichen Entgeltperioden zugerechnet. Das belegen Ziff. 2 c und 2 d Vereinbarung 2008. Danach stellt die Berechnungsformel für die auszuzahlende Einmalzahlung auf die von ihr „erfassten Monate des Jahres 2009“ ab und wird die Einmalzahlung bei Eintritt oder Austritt des Beschäftigten in diesem Bezugszeitraum entsprechend gekürzt. Die „Aufteilung“ der Strukturkomponente auf die einzelnen Monate des Jahres 2009 verdeutlicht auch Ziff. 2 e Vereinbarung 2008, die eine Pflicht des Arbeitgebers zur Auszahlung der ERA-Strukturkomponente nur für die Monate ab Januar 2009 vorsieht, in denen ERA betrieblich noch nicht eingeführt ist.
- 18
-
3. Damit wird die Einmalzahlung nach § 4c TV ERA-APF zwar zu einem einheitlichen Auszahlungszeitpunkt fällig, ihre Erfüllung erfolgt jedoch „für“ die jeweilige monatliche Entgeltperiode. Der auf das erste Quartal des Kalenderjahres 2009 entfallende Anteil der Einmalzahlung ist deshalb keine Masseverbindlichkeit, sondern eine Insolvenzforderung.
-
III. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.
-
Müller-Glöge
Klose
Biebl
Feldmeier
Reinders
(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.
Tenor
-
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 17. September 2009 - 11 Sa 20/09 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer auf betriebliche Gründe gestützten ordentlichen Kündigung.
- 2
-
Die Klägerin trat im Jahre 1996 in die Dienste der Beklagten, die ein Unternehmen der Druckindustrie betreibt.
-
Am 30. Mai 2007 schloss die Beklagte mit der Gewerkschaft ver.di, deren Mitglied die Klägerin ist, eine erstmals zum 31. Dezember 2008 kündbare Sanierungsvereinbarung (fortan: Tarifvereinbarung 2007). Diese sieht einerseits Vergütungskürzungen, andererseits für einen Personenkreis, zu dem auch die Klägerin zählt, Beschäftigungssicherung vor. Weiter heißt es in § 4:
-
„Kann diese Vereinbarung in Einzelfällen nicht eingehalten werden, kann ... nur mit Zustimmung des Betriebsrates und der ver.di Landesbezirk NRW (Fachbereich Medien, Kunst und Industrie) gekündigt werden.“
- 4
-
Mit Schreiben vom 4. Juli 2008 hörte die Beklagte den Betriebsrat zur beabsichtigten ordentlichen Kündigung der Klägerin zum 31. Dezember 2008 an. Die Abteilung Druckvorstufe, in der die Klägerin tätig war, werde geschlossen. Der Betriebsrat stimmte der Kündigung zu. Mit Schreiben vom 11. Juli 2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31. Dezember 2008.
- 5
-
Die Klägerin hat mit der Klage ua. geltend gemacht, die Kündigung sei mangels vorheriger Zustimmung der Gewerkschaft ver.di unwirksam. Im Fall der Wirksamkeit der Kündigung stehe ihr jedenfalls ein Nachteilsausgleich nach § 113 BetrVG zu.
-
Die Klägerin hat beantragt,
-
1.
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigungserklärung der Beklagten vom 11. Juli 2008 nicht zum 31. Dezember 2008 aufgelöst wird,
2.
hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an sie einen der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellten Nachteilsausgleich gemäß § 113 BetrVG zu zahlen, nicht jedoch unter 16.000,00 Euro.
- 7
-
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Kündigung für wirksam erachtet. Die Gewerkschaft sei schon im Vorfeld in die zahlreichen Verhandlungen über die Schließung der Abteilung der Klägerin eingebunden und einverstanden gewesen. Sie habe die Kündigung spätestens am 24. September 2008 genehmigt. Einer vorherigen Zustimmung zur Kündigung habe es nicht bedurft.
-
Das Arbeitsgericht hat nach dem Hauptantrag erkannt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision erstrebt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
- 9
-
Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben dem Hauptantrag der Klägerin zu Recht entsprochen. Die Kündigung hat das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst (I.). Sie hätte nach der Tarifvereinbarung der vorherigen Zustimmung bedurft (I.1). Eine solche ist nach den nicht mit einer Verfahrensrüge angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht erteilt worden (I.2). Ob eine nachträgliche Zustimmung erteilt wurde, kann dahinstehen (I.3). Über den Hilfsantrag war nicht zu entscheiden (II.).
- 10
-
I. Die Kündigung der Beklagten hat das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst, weil sie nicht mit Zustimmung der Gewerkschaft ver.di ausgesprochen wurde.
- 11
-
1. Die Kündigung hätte der vorherigen Zustimmung der Gewerkschaft bedurft. Dieses Erfordernis ist in § 4 der Tarifvereinbarung 2007 aufgestellt. Das ergibt die Auslegung der tariflichen Vorschrift.
- 12
-
a) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben der Tarifnorm zu haften. Bei nicht eindeutigem Wortsinn ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist dabei stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, so können die Gerichte für Arbeitssachen - ohne Bindung an eine Reihenfolge - weitere Kriterien, wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages oder auch die praktische Tarifübung, ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, gesetzeskonformen und praktisch brauchbaren Regelung führt (Senat 24. Juni 2004 - 2 AZR 656/02 - AP BGB § 626 Nr. 180 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 7; BAG 15. Oktober 2003 - 4 AZR 594/02 - EzA TVG § 4 Stahlindustrie Nr. 2; 30. Mai 2001 - 4 AZR 269/00 - BAGE 98, 35).
- 13
-
b) Bereits der Wortlaut der Tarifvereinbarung legt das hier zugrunde gelegte Verständnis der Tarifnorm nahe, auch wenn der Wortsinn nicht eindeutig ist.
- 14
-
aa) Der entsprechende Passus verlangt, dass nur „mit“ Zustimmung des Betriebsrats und der Gewerkschaft gekündigt werden kann. Die Präposition „mit“ bezeichnet hier ein Verhältnis der Gleichzeitigkeit zwischen den Vorgängen, die als „Kündigung“ und „Zustimmung“ benannt sind. Bereits der Ausspruch der Kündigung soll vom Vorhandensein der Zustimmung begleitet sein. Die Zustimmung muss dem Ausspruch der Kündigung gleichsam schon anhaften. In diesem Sinne haben auch die Beklagte selbst und der Betriebsrat den Tarifvertrag verstanden. So hat die Beklagte in der Klageerwiderung vorgetragen, sie habe „natürlich die erforderliche Zustimmung …“ „vor Ausspruch der Kündigung“ eingeholt. Der Betriebsrat wiederum hätte bei anderem Verständnis der Tarifvereinbarung schwerlich Anlass gehabt, ausdrücklich seine Zustimmung zu erteilen, deren es nach § 102 BetrVG nicht bedurft hätte.
- 15
-
bb) Richtig ist allerdings, dass nach den §§ 183, 184 BGB die vorherige Zustimmung Einwilligung, die nachträglich erteilte Zustimmung Genehmigung genannt wird und bei solchem Sprachgebrauch auch eine Genehmigung - also das nachträglich erklärte Einverständnis - als Zustimmung iSd. §§ 182 ff. BGB bezeichnet werden kann. Indes ist bereits die Ausdrucksweise des Bürgerlichen Gesetzbuches nicht einheitlich. Gerade im Kündigungsrecht und im Betriebsverfassungsrecht kann außerdem ein von den Definitionen in den §§ 183, 184 BGB abweichendes Verständnis geboten sein. So hat der Senat zB erkannt, dass die nach § 103 BetrVG notwendige Zustimmung des Betriebsrats zur Kündigung eines Betriebsratsmitglieds keine Zustimmung iSd. § 183 BGB ist(4. März 2004 - 2 AZR 147/03 - BAGE 110, 1). Das Betriebsratsmitglied kann daher die Kündigung nicht nach § 182 Abs. 3 BGB iVm. § 111 Satz 2 und Satz 3 BGB zurückweisen, weil ihm der Arbeitgeber die vom Betriebsrat erteilte Zustimmung nicht in schriftlicher Form vorlegt.
- 16
-
c) Entscheidend für die Auslegung sind systematische Gründe sowie der Sinn und Zweck der Tarifvorschrift.
- 17
-
aa) Schon der in der Tarifvereinbarung vorgesehene Gleichlauf zwischen der Mitwirkung des Betriebsrats und der Gewerkschaft spricht dafür, dass unter „Zustimmung“ die vorherige Zustimmung zu verstehen ist. Dass die Beteiligungsrechte des Betriebsrats stets vor Ausspruch der Kündigung auszuüben sind, ist im Gesetz (§§ 102, 103 BetrVG, § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG) ausdrücklich angeordnet. Wenn die Tarifvertragsparteien also, wie geschehen, diese Beteiligungsrechte gegenüber dem Gesetz um ein weiteres Recht ergänzen, liegt es nahe, dass sie eine Zustimmung des Betriebsrats vor der Kündigung zur Wirksamkeitsvoraussetzung erheben wollten, ähnlich wie es in § 102 Abs. 6 BetrVG vorgesehen ist. Erfordert aber „Zustimmung“ für die Beteiligung des Betriebsrats „vorherige Zustimmung“, dann wäre es mehr als überraschend, wenn dasselbe Wort im selben Zusammenhang für die Beteiligung der Gewerkschaft die „nachträgliche Zustimmung“ iSd. § 184 BGB einschlösse.
- 18
-
bb) Auch die vom Landesarbeitsgericht in den Vordergrund gerückte Überlegung, dass einseitige empfangsbedürftige Gestaltungserklärungen grundsätzlich keinen Schwebezustand vertragen, weist in diese Richtung. Die Notwendigkeit der Vermeidung von rechtlichen Schwebezuständen ist gerade bei der Kündigung von Arbeitsverhältnissen von besonderem Belang. Der Arbeitnehmer muss eine Kündigung unter Angabe der von ihm als tragend angesehenen Unwirksamkeitsgründe innerhalb der gesetzlichen Frist des § 4 KSchG angreifen, wenn er ihr Wirksamwerden nach § 7 KSchG verhindern will. Das kann er nur dann, wenn die Unwirksamkeitsgründe bei Zugang der Kündigung feststehen. Der Arbeitnehmer muss also bei Zugang der Kündigung zumindest wissen können, ob alle Wirksamkeitsvoraussetzungen gegeben sind. Andernfalls kann er sein Klagerisiko nicht einschätzen (Senat 10. November 1994 - 2 AZR 207/94 - AP KSchG 1969 § 9 Nr. 24 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 43). Dem entspricht es, dass für die Wirksamkeit von Kündigungen der Zeitpunkt des Kündigungszugangs maßgeblich ist.
- 19
-
cc) Die Tarifvereinbarung 2007 ist eine Sanierungsvereinbarung. Die Zustimmungsbedürftigkeit von Kündigungen, die eine Veränderung des von den Tarifvertragsparteien als vertretbar angesehenen Verhältnisses von Lohnverzicht und Entlassungen einerseits und Beschäftigungssicherung andererseits mit sich bringen, diente ersichtlich auch dem Zweck, der Gewerkschaft einen ernstzunehmenden Einfluss auf die Kündigungsentscheidung einzuräumen und gegebenenfalls auf ihre Vermeidung hinzuwirken. Dem trägt das hier gefundene Auslegungsergebnis Rechnung.
- 20
-
dd) Den vorstehenden Überlegungen steht die Entscheidung des Senats vom 26. März 2009 (- 2 AZR 403/07 - AP KSchG 1969 § 4 Nr. 70) nicht entgegen. Danach muss die Kündigung eines Nichtberechtigten nicht innerhalb der Frist des § 4 KSchG angegriffen werden, solange dem Gekündigten die Genehmigung nicht zugegangen ist. Eine Kündigung durch einen Nichtberechtigten liegt hier jedoch ebenso wenig vor wie im Fall einer Kündigung ohne die nach den §§ 15 KSchG, 103 BetrVG erforderliche Zustimmung des Betriebsrats(Senat 4. März 2004 - 2 AZR 147/03 - BAGE 110, 1).
- 21
-
d) Die Tarifvertragsparteien waren nicht gehindert, die Kündigung von der vorherigen Zustimmung der Gewerkschaft abhängig zu machen. Dagegen kann nicht geltend gemacht werden, dass die Vertragsparteien ihre Dispositionen nicht von der Zustimmung Dritter abhängig machen können (vgl. dazu Senat 10. November 1994 - 2 AZR 207/94 - AP KSchG 1969 § 9 Nr. 24 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 43). Dass das Recht des Arbeitgebers, aus betrieblichen Gründen ordentlich zu kündigen, durch normative Regelungen eines Tarifvertrages von der Zustimmung des Betriebsrats abhängig gemacht (BAG 14. März 2001 - 4 AZR 161/00 - AP BGB § 620 Schuldrechtliche Kündigungsbeschränkung Nr. 4 = EzA TVG § 4 Einzelhandel Nr. 47) und sogar ganz ausgeschlossen werden kann, steht außer Zweifel (vgl. Senat 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 17; 8. November 2007 - 2 AZR 314/06 - BAGE 124, 367; 13. Juni 1996 - 2 AZR 547/95 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Lufthansa Nr. 21 = EzA TVG § 4 Luftfahrt Nr. 2; vgl. auch MüArbR/Wank 3. Aufl. Bd. 1 § 100 Rn. 63 ff.; APS/Preis 3. Aufl. Grundlagen J. Rn. 10 - 15; trotz Bedenken letztlich ebenso: Löwisch/Rieble TVG 2. Aufl. § 1 Rn. 865 - 887). Dann aber muss es auch durch ein Zustimmungserfordernis eingeschränkt werden können. Ob diese Erwägungen auch für das Recht des Arbeitgebers, eine außerordentliche Kündigung auszusprechen, gelten, bedarf keiner Entscheidung, da eine solche hier nicht im Streit steht.
- 22
-
e) Ihre ursprünglich geäußerte Auffassung, die Tarifvereinbarung 2007 erfasse nur Kündigungen, die zu Terminen bis zum 31. Dezember 2008 24.00 Uhr ausgesprochen würden, hat die Beklagte nicht wieder aufgegriffen. Sie trifft auch ersichtlich nicht zu.
- 23
-
2. Das Landesarbeitsgericht hat, ohne dass die Beklagte Verfahrensrügen erhoben hätte, festgestellt, dass eine Zustimmung der Gewerkschaft vor Ausspruch der Kündigung nicht vorlag. Das Landesarbeitsgericht hat diese Feststellung darauf gestützt, die darlegungs- und beweisbelastete Beklagte habe insoweit ausreichenden Tatsachenvortrag nicht gehalten. Diese Würdigung ist gut nachvollziehbar und auch abgesehen davon, dass sie von der Beklagten mit der Revision nicht angegriffen wird, nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat an keiner Stelle konkret vorgetragen, dass und wann welche für die Gewerkschaft handelnde Person der hier streitigen Kündigung zugestimmt hätte. Die Beklagte hat lediglich allgemein ausgeführt, die Gewerkschaft sei in Gestalt des Herrn T. ständig über alle Umstände im Bilde gewesen und habe sie mitgetragen. Darin liegt keine Zustimmung.
- 24
-
3. Das nachträglich von der Beklagten eingeholte und in einer Protokollerklärung niedergelegte Einverständnis genügte schon deshalb nicht den tarifvertraglichen Anforderungen, weil es erst nach Ausspruch der Kündigung erfolgte.
- 25
-
II. Der Hilfsantrag ist dem Senat nicht zur Entscheidung angefallen, da die Klägerin bereits mit dem Hauptantrag Erfolg hat.
-
III. Die Kosten der Revision fallen der Beklagten nach § 97 Abs. 1 ZPO zur Last.
-
Kreft
Berger
Schmitz-Scholemann
Nielebock
Hans-Paul Frey
(1) Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Sind diese Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines Tarifvertrags oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt, so werden sie Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer und dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden. Satz 2 gilt nicht, wenn die Rechte und Pflichten bei dem neuen Inhaber durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrags oder durch eine andere Betriebsvereinbarung geregelt werden. Vor Ablauf der Frist nach Satz 2 können die Rechte und Pflichten geändert werden, wenn der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung nicht mehr gilt oder bei fehlender beiderseitiger Tarifgebundenheit im Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrags dessen Anwendung zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer vereinbart wird.
(2) Der bisherige Arbeitgeber haftet neben dem neuen Inhaber für Verpflichtungen nach Absatz 1, soweit sie vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach diesem Zeitpunkt fällig werden, als Gesamtschuldner. Werden solche Verpflichtungen nach dem Zeitpunkt des Übergangs fällig, so haftet der bisherige Arbeitgeber für sie jedoch nur in dem Umfang, der dem im Zeitpunkt des Übergangs abgelaufenen Teil ihres Bemessungszeitraums entspricht.
(3) Absatz 2 gilt nicht, wenn eine juristische Person oder eine Personenhandelsgesellschaft durch Umwandlung erlischt.
(4) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebs oder eines Betriebsteils ist unwirksam. Das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen bleibt unberührt.
(5) Der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber hat die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform zu unterrichten über:
- 1.
den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs, - 2.
den Grund für den Übergang, - 3.
die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und - 4.
die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.
(6) Der Arbeitnehmer kann dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach Absatz 5 schriftlich widersprechen. Der Widerspruch kann gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden.
(1) Die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen. Diese Vorschrift gilt entsprechend für Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen.
(2) Sind im Tarifvertrag gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien vorgesehen und geregelt (Lohnausgleichskassen, Urlaubskassen usw.), so gelten diese Regelungen auch unmittelbar und zwingend für die Satzung dieser Einrichtung und das Verhältnis der Einrichtung zu den tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.
(3) Abweichende Abmachungen sind nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten.
(4) Ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte ist nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig. Die Verwirkung von tariflichen Rechten ist ausgeschlossen. Ausschlußfristen für die Geltendmachung tariflicher Rechte können nur im Tarifvertrag vereinbart werden.
(5) Nach Ablauf des Tarifvertrags gelten seine Rechtsnormen weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.
(1) Einmalig gezahltes Arbeitsentgelt sind Zuwendungen, die dem Arbeitsentgelt zuzurechnen sind und nicht für die Arbeit in einem einzelnen Entgeltabrechnungszeitraum gezahlt werden. Als einmalig gezahltes Arbeitsentgelt gelten nicht Zuwendungen nach Satz 1, wenn sie
- 1.
üblicherweise zur Abgeltung bestimmter Aufwendungen des Beschäftigten, die auch im Zusammenhang mit der Beschäftigung stehen, - 2.
als Waren oder Dienstleistungen, die vom Arbeitgeber nicht überwiegend für den Bedarf seiner Beschäftigten hergestellt, vertrieben oder erbracht werden und monatlich in Anspruch genommen werden können, - 3.
als sonstige Sachbezüge, die monatlich gewährt werden, oder - 4.
als vermögenswirksame Leistungen
(2) Einmalig gezahltes Arbeitsentgelt, das nach Beendigung oder bei Ruhen des Beschäftigungsverhältnisses gezahlt wird, ist dem letzten Entgeltabrechnungszeitraum des laufenden Kalenderjahres zuzuordnen, auch wenn dieser nicht mit Arbeitsentgelt belegt ist.
(3) Das einmalig gezahlte Arbeitsentgelt ist bei der Feststellung des beitragspflichtigen Arbeitsentgelts für Beschäftigte zu berücksichtigen, soweit das bisher gezahlte beitragspflichtige Arbeitsentgelt die anteilige Beitragsbemessungsgrenze nicht erreicht. Die anteilige Beitragsbemessungsgrenze ist der Teil der Beitragsbemessungsgrenze, der der Dauer aller Beschäftigungsverhältnisse bei demselben Arbeitgeber im laufenden Kalenderjahr bis zum Ablauf des Entgeltabrechnungszeitraumes entspricht, dem einmalig gezahltes Arbeitsentgelt zuzuordnen ist; auszunehmen sind Zeiten, die nicht mit Beiträgen aus laufendem Arbeitsentgelt belegt sind.
(4) In der Zeit vom 1. Januar bis zum 31. März einmalig gezahltes Arbeitsentgelt ist dem letzten Entgeltabrechnungszeitraum des vergangenen Kalenderjahres zuzuordnen, wenn es vom Arbeitgeber dieses Entgeltabrechnungszeitraumes gezahlt wird und zusammen mit dem sonstigen für das laufende Kalenderjahr festgestellten beitragspflichtigen Arbeitsentgelt die anteilige Beitragsbemessungsgrenze nach Absatz 3 Satz 2 übersteigt. Satz 1 gilt nicht für nach dem 31. März einmalig gezahltes Arbeitsentgelt, das nach Absatz 2 einem in der Zeit vom 1. Januar bis zum 31. März liegenden Entgeltabrechnungszeitraum zuzuordnen ist.
(5) Ist der Beschäftigte in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert, ist für die Zuordnung des einmalig gezahlten Arbeitsentgelts nach Absatz 4 Satz 1 allein die Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Krankenversicherung maßgebend.
Tenor
-
I. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 19. April 2012 - 7 Sa 1232/11 - aufgehoben, soweit es die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 6. Juli 2011 - 2 Ca 7935/10 - hinsichtlich des Antrags zu 1. zurückgewiesen hat.
-
II. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 6. Juli 2011 - 2 Ca 7935/11 - teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
-
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.299,50 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2010 zu zahlen.
-
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
-
III. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen. Die Kosten der ersten und der zweiten Instanz hat die Beklagte jeweils zu 2/5 und der Kläger jeweils zu 3/5 zu tragen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten über einen Anspruch auf Sonderzahlung für das Jahr 2010.
- 2
-
Der Kläger war nach seiner bei der Beklagten absolvierten Berufsausbildung ab Januar 2006 als Controller auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrags von Dezember 2005 beschäftigt.
- 3
-
Der Arbeitsvertrag enthielt unter § 3(Bezüge) ua. folgende Regelung:
-
„2. Die Zahlung von Gratifikationen und sonstigen Leistungen liegt im freien Ermessen des Verlages und begründet keinen Rechtsanspruch, auch wenn die Zahlung wiederholt ohne ausdrücklichen Vorbehalt der Freiwilligkeit erfolgte. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Zahlung durch gültigen Tarifvertrag geregelt ist.“
- 4
-
Gemäß § 11 des Arbeitsvertrags fanden die Tarifverträge für den Groß- und Außenhandel in Hessen auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Der Manteltarifvertrag für den Groß- und Außenhandel Hessen vom 4. Juli 1997 (MTV) ist ausweislich des vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) veröffentlichten Verzeichnisses der für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge (Stand 1. Oktober 2013) ab dem 1. Januar 1997 allgemeinverbindlich mit einer hier nicht interessierenden Einschränkung.
- 5
-
Im MTV findet sich unter § 14(Sonderzahlungen) folgende Regelung:
-
„1.
Arbeitnehmer und Auszubildende, die am 1.12. eines Kalenderjahres dem Betrieb/Unternehmen/Konzern ununterbrochen mindestens 12 Monate angehören, haben kalenderjährlich einen Anspruch auf eine Sonderzahlung in folgender Höhe:
1997
1998
1999
2000
1115,-
1130,-
1145,-
1160,- [DM]
…
3.
Wird das Arbeitsverhältnis aufgrund grob treuwidrigen Verhaltens oder Vertragsbruches des Arbeitnehmers beendet, so entfällt der Anspruch auf die tarifliche Sonderzahlung. Gegebenenfalls für das laufende Kalenderjahr gewährte Sonderzahlungen sind als Vorschuss zurückzuzahlen.
4.
Die im laufenden Kalenderjahr erbrachten Sonderzahlungen des Arbeitgebers, wie Jahresabschlussvergütungen, Weihnachtsgeld, Gratifikationen, Jahresergebnisbeteiligungen, Jahresprämien und ähnliches, gelten als Sonderzahlungen im Sinne dieser Vereinbarung und erfüllen den tariflichen Anspruch, soweit sie zusammengerechnet die Höhe der tariflich zu erbringenden Leistungen erreichen.
…
5.
Wenn dem Anspruchsberechtigten in dem Kalenderjahr keine Ansprüche auf Entgelt oder Zuschüsse zum Krankengeld gemäß § 15 Ziffer 2 - 4 oder zum Mutterschaftsgeld gemäß § 14 Mutterschutzgesetz zustehen, entfällt der Anspruch auf die nach Ziffer 1 garantierte Sonderzahlung. Wenn nur für einen Teil des Kalenderjahres derartige Ansprüche bestehen, ermäßigt sich der Anspruch auf die Sonderzahlung für jeden Kalendermonat ohne derartige Ansprüche um ein Zwölftel.
6.
Arbeitnehmer, die vor dem Stichtag 1.12. wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit oder Erreichung der Altersgrenze aus dem Betrieb ausscheiden, erhalten eine anteilige Leistung.
…“
- 6
-
Der Kläger erhielt jährlich mit dem Novembergehalt eine jeweils als Gratifikation, ab dem Jahr 2007 zusätzlich auch als Weihnachtsgratifikation bezeichnete Sonderzahlung in Höhe des jeweiligen Novemberentgelts. Hierzu übersandte die Beklagte jeweils im Herbst ein Schreiben an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, in dem sie „Richtlinien“ für die Auszahlung der Gratifikation aufführte, die im Wesentlichen unverändert blieben.
- 7
-
Im Schreiben vom 30. September 2010 hieß es ua.:
-
„Als Dank für Ihren bisherigen persönlichen Einsatz in diesem Jahr und zugleich als ein Stück Motivation für eine weiterhin loyale und wirkungsvolle Zusammenarbeit zahlen wir Ihnen eine Weihnachtsgratifikation aus, deren Höhe im Vergleich zum letzten Jahr unverändert bleibt. Sie wird mit dem November-Gehalt 2010 abgerechnet und auf die Konten überwiesen.
Die Gratifikation wird nach folgenden Richtlinien ermittelt:
1.
Die Zahlung erfolgt an Verlagsangehörige, die sich am 31.12.2010 in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis befinden.
2.
Die Gratifikation beträgt 100 % des November-Bruttogehaltes/-lohnes bzw. der Ausbildungsvergütung, wenn das Arbeitsverhältnis seit 01.01.2010 besteht und keine unbezahlten Arbeitsbefreiungen zu verzeichnen sind. Bei Arbeitszeitveränderungen im Laufe des Jahres errechnet sich die Gratifikation anteilig.
3.
Verlagsangehörige, die nach dem 01.01.2010 eingetreten sind oder eine unbezahlte Arbeitsbefreiung aufweisen, erhalten für jeden Kalendermonat des bestehenden Arbeitsverhältnisses bzw. der bezahlten Arbeitsleistung 1/12 des Bruttomonatsgehaltes/-lohnes.
Dabei wird ein angefangener Monat als voller Monat gerechnet, wenn die Betriebszugehörigkeit/bezahlte Arbeitsleistung 15 Kalendertage übersteigt. Auszubildende erhalten in jedem Fall 100 % der Ausbildungsvergütung.
4.
Tariflich zu zahlende Jahresleistungen werden auf diese Zahlungen angerechnet.
Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass die Zahlung der Weihnachtsgratifikation eine freiwillige, jederzeit widerrufliche Leistung des Verlages ist. Auf diese besteht für die Zukunft auch durch wiederholte Zahlung kein Rechtsanspruch.“
- 8
-
Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete aufgrund einer vom Kläger ausgesprochenen Kündigung am 30. September 2010.
- 9
-
Mit der Klage hat der Kläger - soweit noch von Interesse - unter Berufung auf die Richtlinien Zahlung der anteiligen (9/12 eines Monatsgehalts) Sonderzahlung für das Jahr 2010 verlangt. Er hat gemeint, sein Anspruch ergebe sich aus der Gesamtzusage vom 30. September 2010. Diese stelle gegenüber § 14 MTV eine eigene Rechtsgrundlage für seinen Anspruch dar. Die Stichtagsregelung in der Zusage sei unwirksam. Es handele sich um eine die Kündigung der Arbeitnehmer erschwerende Bedingung. Die Regelung sei sowohl in sich als auch gegenüber der tarifvertraglichen Stichtagsregelung widersprüchlich.
- 10
-
Der Kläger hat beantragt,
-
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.299,50 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2010 zu zahlen.
- 11
-
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der Kläger habe das Schreiben vom 30. September 2010 nicht erhalten. Im Übrigen erfülle er wegen seines Ausscheidens zum 30. September 2010 weder die Voraussetzungen der tarifvertraglichen Regelung noch die der Richtlinien. Die dort geregelte Anforderung, dass am 31. Dezember 2010 noch ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis bestanden haben müsse, sei wirksam.
- 12
-
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
- 13
-
Die Revision hat Erfolg. Die Klage ist begründet. Der Kläger hat Anspruch auf die von ihm begehrte Zahlung in Höhe von 9/12 eines Monatsgehalts (zu I). Grundlage des Anspruchs ist die von der Beklagten in Gestalt der Richtlinien erteilte Gesamtzusage für das Jahr 2010 (zu I 1). Bei der in den Richtlinien vorgesehenen Leistung handelt es sich um eine Sonderzahlung, die sowohl Gegenleistung für erbrachte Arbeit ist als auch Anreiz zu künftiger Betriebstreue des Arbeitnehmers sein soll („Mischcharakter“, zu I 2). Die in den Richtlinien vorgesehene Klausel, nach der am 31. Dezember des Bezugsjahres ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis bestehen muss, ist unwirksam. Sie kann nicht in dem Sinne teilweise aufrechterhalten werden, dass sie lediglich den Bestand des Arbeitsverhältnisses am 31. Dezember verlangt (zu I 3). Im Übrigen kann eine Sonderzahlung, die jedenfalls auch Gegenleistung für laufend erbrachte Arbeitsleistung darstellt, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen regelmäßig nicht vom Bestand des Arbeitsverhältnisses am 31. Dezember des Jahres abhängig gemacht werden, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde (zu I 4). Der im Arbeitsvertrag enthaltene Freiwilligkeitsvorbehalt steht dem Anspruch nicht entgegen (zu I 5).
- 14
-
I. Die Klage ist begründet. Dem Kläger steht der von ihm erhobene und der Höhe nach außer Streit stehende Anspruch zu.
- 15
-
1. Rechtsgrundlage des Anspruchs ist die von der Beklagten am 30. September 2010 erteilte Gesamtzusage.
- 16
-
a) Eine Gesamtzusage liegt vor, wenn ein Arbeitgeber einseitig bekannt gibt, dass er jedem Arbeitnehmer, der die von ihm abstrakt festgelegten Voraussetzungen erfüllt, eine bestimmte Leistung gewährt. Der Arbeitnehmer erwirbt einen einzelvertraglichen Anspruch auf diese Leistung, wenn er die vom Arbeitgeber genannten Anspruchsvoraussetzungen erfüllt, ohne dass es einer gesonderten Erklärung der Annahme des in der Zusage enthaltenen Angebots bedarf. Gesamtzusagen werden bereits dann wirksam, wenn sie gegenüber den Arbeitnehmern in einer Form verlautbart werden, die den einzelnen Arbeitnehmer typischerweise in die Lage versetzt, von der Erklärung Kenntnis zu nehmen (BAG 13. Dezember 2011 - 3 AZR 852/09 - Rn. 17).
- 17
-
b) Diesen Anforderungen entsprachen die Richtlinien der Beklagten. Davon ist das Landesarbeitsgericht zu Recht ausgegangen. Die Richtlinien richteten sich an alle Arbeitnehmer der Beklagten und legten die rechtlichen Regeln fest, nach denen Zahlungsansprüche der Arbeitnehmer gegen die Beklagte begründet werden sollten. Auf die Frage, wie die Richtlinien dem Kläger im Jahr 2010 zugegangen sind, kommt es nicht an, weil das Zustandekommen eines vertraglichen Anspruchs aufgrund einer Gesamtzusage nicht vom konkret nachgewiesenen Zugang der Zusage an den einzelnen Arbeitnehmer abhängig ist (BAG 28. Juni 2006 - 10 AZR 385/05 - Rn. 31, BAGE 118, 360).
- 18
-
2. Nach den Richtlinien dient die Sonderzahlung einerseits der Vergütung erbrachter Arbeitsleistung, andererseits auch dem Anreiz zur Betriebstreue. Anspruchsvoraussetzung soll der ungekündigte Bestand des Arbeitsverhältnisses am 31. Dezember 2010 sein. Dies ergibt die Auslegung der Richtlinien, die ein an eine Vielzahl von Arbeitnehmern gerichtetes Vertragsangebot iSd. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB darstellen(vgl. BAG 29. September 2010 - 3 AZR 557/08 - Rn. 24 ff., BAGE 135, 334) und den für Allgemeine Geschäftsbedingungen geltenden Regeln unterliegen.
- 19
-
a) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten (st. Rspr., zB BAG 20. März 2013 - 10 AZR 636/11 - Rn. 20).
- 20
-
b) Die Richtlinien gewähren dem Arbeitnehmer die Sonderzahlung einerseits als Gegenleistung für erbrachte Arbeit. Es handelt sich nicht um eine reine Gratifikation, deren Zweck allein in der Zuwendung von Geld aus Anlass des Weihnachtsfestes läge. Zwar könnte die in den Richtlinien verwendete Bezeichnung „Weihnachtsgratifikation“ in diese Richtung weisen. Jedoch soll die Zahlung ausdrücklich auch „Dank für ... persönlichen Einsatz“ sein. Außerdem zeigen die Anspruchsvoraussetzungen in Ziff. 2 und Ziff. 3, dass die Zahlung jedenfalls auch eine Gegenleistung für erbrachte Arbeit darstellt. Die Zahlung knüpft nicht an das bloße Bestehen des Arbeitsverhältnisses im Bezugsjahr an. Sie ist abhängig davon, dass entweder Arbeitsleistung erbracht wurde oder doch keine unbezahlten Arbeitsbefreiungen vorlagen. Wie aus Ziff. 3 hervorgeht, erhalten unterjährig eintretende Mitarbeiter und solche mit einer unbezahlten Arbeitsbefreiung eine anteilige Sonderzahlung, und zwar entsprechend der Anzahl der Monate, in denen sie gearbeitet haben.
- 21
-
c) Andererseits verlangen die Richtlinien Betriebstreue über das Bezugsjahr hinaus. Die Stichtagsklausel benennt zwar den letzten Tag des Bezugsjahres als den Tag, an dem das Arbeitsverhältnis noch bestehen muss. Damit liegt der Stichtag für den Bestand des Arbeitsverhältnisses aber nur scheinbar innerhalb des Jahres, in dem die Arbeitsleistung, die mit der Sonderzahlung entgolten wird, erbracht wird. In Wahrheit macht die Klausel entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts den Anspruch auf die Sonderzahlung in aller Regel vom Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über das Jahr 2010 hinaus abhängig. Dies wird dadurch bewirkt, dass nach der Klausel das Arbeitsverhältnis am 31. Dezember „ungekündigt“ bestehen muss. Ein Arbeitnehmer, der sich den Anspruch erhalten will, darf demnach frühestens am 1. Januar des Folgejahres kündigen. Jede Kündigung vor dem 1. Januar 2011 soll dem Anspruch entgegenstehen. Dies kann den Arbeitnehmer, je nach Dauer der Kündigungsfrist, zum Verbleib im Arbeitsverhältnis bis weit in das Folgejahr hinaus zwingen. Entsprechendes gilt für Arbeitgeberkündigungen. Keine über das Jahr 2010 hinausgehende Bindung wurde als Anspruchsvoraussetzung nur für die Fälle einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses am oder zum 31. Dezember 2010 ohne Ausspruch einer Kündigung verlangt, was insbesondere bei Befristung, Aufhebungsvertrag oder Betriebsübergang in Betracht kommt.
- 22
-
3. Mit diesem Inhalt hält die Stichtagsregelung der Inhaltskontrolle nicht stand. Sie ist insgesamt unwirksam mit der Folge, dass die Richtlinien ohne die Stichtagsklausel gelten (§ 306 Abs. 1 BGB).
- 23
-
a) Eine Sonderzahlung, die jedenfalls auch Vergütung für bereits erbrachte Arbeitsleistung darstellt, kann in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht vom ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem Zeitpunkt außerhalb des Jahres abhängig gemacht werden, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde. Eine derartige Klausel benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen iSd. § 307 Abs. 1 BGB(vgl. ausführlich BAG 18. Januar 2012 - 10 AZR 612/10 - BAGE 140, 231). Wie ausgeführt, erstreckt sich die hier durch die Stichtagsklausel vermittelte Bindung des Arbeitnehmers auf einen Zeitraum außerhalb des Bezugsjahres. Daran ändern auch die erwähnten, in der Klausel aber nicht genannten Fallgestaltungen einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung nichts.
- 24
-
b) Die Klausel kann nicht mit dem Inhalt aufrechterhalten werden, dass die Entstehung des Anspruchs auf die Sonderzahlung lediglich den - sei es auch gekündigten - Bestand des Arbeitsverhältnisses am 31. Dezember voraussetzt. Die Klausel ist nicht teilbar.
- 25
-
aa) Handelt es sich um eine teilbare Klausel, ist die Inhaltskontrolle jeweils für die verschiedenen, nur formal verbundenen Bestimmungen vorzunehmen (BAG 11. April 2006 - 9 AZR 610/05 - Rn. 32, BAGE 118, 36). Maßgeblich ist, ob die Klausel mehrere sachliche Regelungen enthält und der unzulässige Teil sprachlich eindeutig abtrennbar ist. Ist die verbleibende Regelung weiterhin verständlich, bleibt sie bestehen. Die Teilbarkeit einer Klausel ist durch Streichung des unwirksamen Teils zu ermitteln (vgl. BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 27, BAGE 139, 156).
- 26
-
bb) Der Senat hat für eine ähnlich lautende Klausel die Teilbarkeit bejaht (BAG 6. Mai 2009 - 10 AZR 443/08 - Rn. 11). Er hat angenommen, eine derartige Klausel sei sprachlich abtrennbar; bei Streichung des Wortes „unkündbar“ bleibe als verständliche Regelung immer noch die Bestimmung eines Stichtags übrig (kritisch ErfK/Preis 14. Aufl. §§ 305 - 310 BGB Rn. 103a; wohl zweifelnd Lüders GwR 2009, 206; differenzierend Salamon NZA 2010, 314 ff., 317).
- 27
-
cc) Daran hält der Senat nicht fest. Die sprachliche Teilbarkeit einer Klausel ist nur ein Indiz für die - entscheidende - inhaltliche Teilbarkeit (ErfK/Preis §§ 305 - 310 BGB Rn. 103). Die hier fragliche Regelung verfolgt mit dem Zusammenspiel von Bestand und besonderer Qualität („ungekündigt“) des Arbeitsverhältnisses als Anspruchsvoraussetzung ein Zielbündel von Betriebstreue und Motivation des Arbeitnehmers, das sich nicht sinnvoll aufspalten lässt. Es geht nicht um mehrere unterschiedliche sachliche Regelungen der Beklagten, die unabhängig voneinander beurteilt werden könnten. Vielmehr verlangt die Klausel das Bestehen des Arbeitsverhältnisses am Ende des Bezugszeitraums gerade mit der Besonderheit, es dürfe weder der Arbeitnehmer noch der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis gekündigt haben; damit geht eine Erweiterung der Bestandsvoraussetzung einher, die sich im Einzelfall unterschiedlich auswirkt. Für den Arbeitnehmer stellt sie sich als Obliegenheit dar, auf eine Eigenkündigung zu verzichten, was als Einforderung einer weiteren Betriebstreue verstanden werden kann; im Fall der Arbeitgeberkündigung geht es eher um das Interesse des Arbeitgebers, einem Arbeitnehmer, der in absehbarer Zeit aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, keine auch der Motivation für die künftige Arbeit dienende Sonderzahlung mehr leisten zu wollen. Diese durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen bestimmten Anspruchsvoraussetzungen hängen so eng miteinander zusammen, dass es auf eine im Rahmen von § 306 BGB unzulässige Neubestimmung des Vertragsinhalts hinauslaufen würde, wollte man aus Ziff. 1 der Richtlinien das Wort „ungekündigt“ herausstreichen.
- 28
-
4. Im Übrigen kann eine Sonderzahlung, die (auch) Vergütung für bereits erbrachte Arbeitsleistung darstellt, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen regelmäßig nicht vom Bestand des Arbeitsverhältnisses am 31. Dezember des Jahres abhängig gemacht werden, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde. Die Klausel benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen und ist deshalb nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unzulässig.
- 29
-
a) Der Senat hat die Unzulässigkeit eines Stichtags außerhalb des Bezugszeitraums damit begründet, dass die Stichtagsklausel im Widerspruch zum Grundgedanken des § 611 Abs. 1 BGB stehe, indem sie dem Arbeitnehmer bereits erarbeiteten Lohn entziehe. Ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer Lohn für geleistete Arbeit gegebenenfalls vorenthalten zu können, sei nicht ersichtlich (BAG 18. Januar 2012 - 10 AZR 612/10 - BAGE 140, 231; zustimmend ErfK/Preis § 611 BGB Rn. 534a - 534f; Bartholomä BB 2012, 2250; Schmitt-Rolfes AuA 2012, 455; Reinecke BB 2013, 437; Beitz SAE 2013, 17; ablehnend: jurisPK-BGB/Lapp/Salamon 6. Aufl. § 310 Rn. 104; vgl. auch Salamon NZA 2011, 1328). Diese Überlegungen gelten auch dann, wenn der Stichtag innerhalb des Bezugsjahres liegt und die Sonderzahlung - auch - Arbeitsleistung abgelten soll, die in dem Zeitraum vor dem Stichtag erbracht wurde.
- 30
-
b) Auch in diesem Fall ist die Sonderzahlung zum Teil Gegenleistung für erbrachte Arbeit. Ein im Austausch von Arbeit und Vergütung liegender Grund für die Kürzung der Vergütung besteht nicht. Die Kürzung erfolgt vielmehr aufgrund einer aus Sicht des Arbeitgebers nicht hinreichend erwiesenen Betriebstreue. Dieser Gesichtspunkt ändert aber nichts daran, dass der Arbeitnehmer die nach dem Vertrag geschuldete Leistung erbracht hat. Irgendeine Störung des Austauschverhältnisses ist nicht gegeben.
- 31
-
c) Auch ein Stichtag innerhalb des Bezugsjahres erschwert dem Arbeitnehmer die Ausübung des Kündigungsrechts, obwohl er seine Arbeitsleistung jedenfalls teilweise erbracht hat. Er erleidet einen ungerechtfertigten Nachteil. Der Wert der Arbeitsleistung für den Arbeitgeber hängt von ihrer Qualität und vom Arbeitserfolg ab, regelmäßig jedoch nicht von der reinen Verweildauer des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis. Die Belohnung zunehmender Beschäftigungsdauer als solcher steht nicht in einem Verhältnis zur Qualität und zum Erfolg der Arbeitsleistung. Die einmal erbrachte Arbeitsleistung gewinnt auch regelmäßig nicht durch bloßes Verharren des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis nachträglich an Wert (BAG 18. Januar 2012 - 10 AZR 612/10 - Rn. 25, BAGE 140, 231).
- 32
-
d) Anders mag es liegen, wenn die Arbeitsleistung gerade in einem bestimmten Zeitraum vor dem Stichtag besonderen Wert hat. Das kann bei Saisonbetrieben der Fall sein, aber auch auf anderen branchen- oder betriebsbezogenen Besonderheiten beruhen. Möglich ist auch, dass eine Sonderzahlung an bis zu bestimmten Zeitpunkten eintretende Unternehmenserfolge anknüpft; in diesen Fällen ist eine zu bestimmten Stichtagen erfolgende Betrachtung oftmals zweckmäßig und nicht zu beanstanden (BAG 6. Mai 2009 - 10 AZR 443/08 - Rn. 15). Für solche besonderen Einflüsse ist hier jedoch nichts ersichtlich. Im Gegenteil spricht die Zuwendung von - bezogen auf die zurückgelegten Beschäftigungsmonate - anteiligen Sonderzahlungen an unterjährig eintretende Arbeitnehmer dafür, dass den Richtlinien die Vorstellung zugrunde liegt, die Sonderzahlung werde gleichmäßig im Lauf des Jahres als zusätzliches Entgelt für die laufende Arbeitsleistung verdient.
- 33
-
e) Diesen Überlegungen entspricht die insolvenzrechtliche Einordnung von leistungsbezogenen Sonderzahlungen durch den Senat. Der Anspruch auf eine solche Sonderzuwendung entsteht danach regelmäßig während des Bezugszeitraums entsprechend der zurückgelegten Dauer („pro rata temporis“) und wird nur zu einem anderen Zeitpunkt insgesamt fällig. Insolvenzrechtlich sind arbeitsleistungsbezogene Sonderzuwendungen dem Zeitraum zuzuordnen, für den sie als Gegenleistung geschuldet sind: Soweit mit ihnen Arbeitsleistungen vergütet werden, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbracht wurden, handelt es sich um Masseforderungen. Soweit durch sie vor Verfahrenseröffnung erbrachte Arbeitsleistungen honoriert werden, liegen Insolvenzforderungen vor (BAG 14. November 2012 - 10 AZR 793/11 - Rn. 14, 20).
- 34
-
f) An diesem Ergebnis ändert auch der Umstand nichts, dass § 14 MTV für die dort geregelten Ansprüche auf Sonderzahlung zulässigerweise einen unterjährigen Stichtag vorsieht, nämlich den 1. Dezember des Bezugsjahres.
- 35
-
aa) Die Tarifvertragsparteien überschreiten den ihnen zustehenden Gestaltungsspielraum nicht, wenn sie Sonderzahlungen, die sowohl eine Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung darstellen als auch der Honorierung von Betriebstreue dienen, vom Bestand des Arbeitsverhältnisses an einem bestimmten Stichtag im Bezugszeitraum abhängig machen (vgl. zum TV Zuwendung: BAG 18. August 1999 - 10 AZR 424/98 - BAGE 92, 218). Ihr Gestaltungsspielraum ist dabei sowohl gegenüber den Betriebsparteien (vgl. zu Stichtagsregelungen außerhalb des Bezugszeitraums in Betriebsvereinbarungen: BAG 12. April 2011 - 1 AZR 412/09 - BAGE 137, 300; 7. Juni 2011 - 1 AZR 807/09 -; 5. Juli 2011 - 1 AZR 94/10 -) als auch gegenüber den einseitigen Gestaltungsmöglichkeiten des Arbeitgebers in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (vgl. dazu BAG 18. Januar 2012 - 10 AZR 612/10 - BAGE 140, 231) erweitert (BAG 12. Dezember 2012 - 10 AZR 718/11 - Rn. 39 - 41).
- 36
-
bb) Tarifvertragliche Regelungen sind zwar kein Maßstab für die Inhaltskontrolle (MüKoBGB/Basedow 6. Aufl. § 310 Rn. 104; Lingemann NZA 2002, 181, 188; Thüsing BB 2002, 2666, 2674; aA Däubler NZA 2001, 1329, 1334). Allgemeine Geschäftsbedingungen unterliegen der Inhaltskontrolle nach § 307 ff. BGB jedoch nicht, soweit sie keine von den Tarifverträgen, Betriebs- und Dienstvereinbarungen abweichenden Regelungen oder diese Kollektivverträge lediglich ergänzende Regelungen vereinbaren (§ 310 Abs. 4 Satz 3 iVm. § 307 Abs. 3 BGB; vgl. BeckOK BGB/Becker Stand 1. November 2013 § 310 BGB Rn. 42). Im Streitfall weichen die Richtlinien zulasten der Arbeitnehmer von den Regelungen des Tarifvertrags ab und unterliegen deshalb als eigenständige Allgemeine Geschäftsbedingungen der uneingeschränkten Inhaltskontrolle. Während nach den Richtlinien eine Bindung ggf. bis weit in das auf das Bezugsjahr folgende Jahr vorgesehen ist, bindet der Tarifvertrag den Arbeitnehmer nur bis zum 1. Dezember des laufenden Jahres. Andererseits gewährt der Tarifvertrag einen Anspruch lediglich bei mindestens einjährigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses am 1. Dezember eines Jahres. Das Arbeitsverhältnis muss also spätestens am 1. Dezember des Vorjahres begonnen haben. Einen anteiligen Zahlungsanspruch bei unterjährigem Eintritt ins Arbeitsverhältnis gewährt der Tarifvertrag nicht, er sieht aber Ausnahmen von der Stichtagsregelung bei Verrentung vor. Der Tarifvertrag betont insgesamt wesentlich stärker den Gesichtspunkt der Betriebstreue, als es die Richtlinien tun: Während nach den Richtlinien ein Arbeitnehmer, der am 1. Dezember eintritt, einen Anspruch auf 1/12 des Novembergehaltes für das laufende Jahr erwirbt, besteht nach dem Tarifvertrag für einen solchen Arbeitnehmer selbst dann kein Anspruch, wenn er ein Jahr arbeitet und dann am 30. November des Folgejahres ausscheidet.
- 37
-
5. Der Anspruch ist nicht durch den arbeitsvertraglichen Freiwilligkeitsvorbehalt ausgeschlossen. Dieser Vorbehalt ist unwirksam.
- 38
-
a) Nach § 3 Ziff. 2 des Arbeitsvertrags, der als Allgemeine Geschäftsbedingung anzusehen ist, bezieht sich der Freiwilligkeitsvorbehalt nicht nur auf Gratifikationen, sondern auf alle Leistungen, die nicht im Arbeitsvertrag oder durch „gültigen Tarifvertrag“ geregelt sind. Die Entstehung von Rechtsansprüchen soll generell ausgeschlossen sein. „Freies Ermessen“ bedeutet, dass der es Ausübende lediglich die - stets geltenden - allgemeinen Schranken der Rechtsausübung, insbesondere den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, die Willkür- und Maßregelungsverbote sowie den Grundsatz von Treu und Glauben zu beachten hat. Die Entscheidung muss sich nicht am Maßstab der Billigkeit ausrichten (vgl. BAG 4. Januar 2009 - 5 AZR 75/08 - Rn. 14, 17).
- 39
-
b) Mit diesem Inhalt hält die Vertragsklausel der Inhaltskontrolle nicht stand. Ein Freiwilligkeitsvorbehalt, der alle zukünftigen Leistungen unabhängig von ihrer Art und ihrem Entstehungsgrund erfasst, benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB und ist deshalb unwirksam. Ein solcher Freiwilligkeitsvorbehalt bezieht unzulässigerweise laufende Leistungen ein und verstößt sowohl gegen den in § 305b BGB bestimmten Vorrang der Individualabrede als auch gegen den allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass vertragliche Regelungen einzuhalten sind(BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 36 - 41, BAGE 139, 156; 16. Januar 2013 - 10 AZR 26/12 - Rn. 22; zustimmend Worzalla SAE 2012, 92; Preis/Sagan NZA 2012, 1077; kritisch Bauer/von Medem NZA 2012, 894; Niebling NJW 2013, 3011).
- 40
-
c) Soweit die Gratifikation in der Gesamtzusage vom 30. September 2010 als „freiwillige, jederzeit widerrufliche Leistung“ bezeichnet wird, ändert das ebenfalls nichts an der Verpflichtung der Beklagten.
- 41
-
II. Der Zinsanspruch folgt aus § 286 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 iVm. § 288 Abs. 1 BGB.
-
Mikosch
Mestwerdt
Schmitz-Scholemann
R. Baschnagel
Petri
(1) Der Insolvenzverwalter hat die Masseverbindlichkeiten nach folgender Rangordnung zu berichtigen, bei gleichem Rang nach dem Verhältnis ihrer Beträge:
- 1.
die Kosten des Insolvenzverfahrens; - 2.
die Masseverbindlichkeiten, die nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründet worden sind, ohne zu den Kosten des Verfahrens zu gehören; - 3.
die übrigen Masseverbindlichkeiten, unter diesen zuletzt der nach den §§ 100, 101 Abs. 1 Satz 3 bewilligte Unterhalt.
(2) Als Masseverbindlichkeiten im Sinne des Absatzes 1 Nr. 2 gelten auch die Verbindlichkeiten
- 1.
aus einem gegenseitigen Vertrag, dessen Erfüllung der Verwalter gewählt hat, nachdem er die Masseunzulänglichkeit angezeigt hatte; - 2.
aus einem Dauerschuldverhältnis für die Zeit nach dem ersten Termin, zu dem der Verwalter nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit kündigen konnte; - 3.
aus einem Dauerschuldverhältnis, soweit der Verwalter nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit für die Insolvenzmasse die Gegenleistung in Anspruch genommen hat.
(1) Das Urlaubsentgelt bemißt sich nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst, das der Arbeitnehmer in den letzten dreizehn Wochen vor dem Beginn des Urlaubs erhalten hat, mit Ausnahme des zusätzlich für Überstunden gezahlten Arbeitsverdienstes. Bei Verdiensterhöhungen nicht nur vorübergehender Natur, die während des Berechnungszeitraums oder des Urlaubs eintreten, ist von dem erhöhten Verdienst auszugehen. Verdienstkürzungen, die im Berechnungszeitraum infolge von Kurzarbeit, Arbeitsausfällen oder unverschuldeter Arbeitsversäumnis eintreten, bleiben für die Berechnung des Urlaubsentgelts außer Betracht. Zum Arbeitsentgelt gehörende Sachbezüge, die während des Urlaubs nicht weitergewährt werden, sind für die Dauer des Urlaubs angemessen in bar abzugelten.
(2) Das Urlaubsentgelt ist vor Antritt des Urlaubs auszuzahlen.
(1) Der Insolvenzverwalter hat die Masseverbindlichkeiten nach folgender Rangordnung zu berichtigen, bei gleichem Rang nach dem Verhältnis ihrer Beträge:
- 1.
die Kosten des Insolvenzverfahrens; - 2.
die Masseverbindlichkeiten, die nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründet worden sind, ohne zu den Kosten des Verfahrens zu gehören; - 3.
die übrigen Masseverbindlichkeiten, unter diesen zuletzt der nach den §§ 100, 101 Abs. 1 Satz 3 bewilligte Unterhalt.
(2) Als Masseverbindlichkeiten im Sinne des Absatzes 1 Nr. 2 gelten auch die Verbindlichkeiten
- 1.
aus einem gegenseitigen Vertrag, dessen Erfüllung der Verwalter gewählt hat, nachdem er die Masseunzulänglichkeit angezeigt hatte; - 2.
aus einem Dauerschuldverhältnis für die Zeit nach dem ersten Termin, zu dem der Verwalter nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit kündigen konnte; - 3.
aus einem Dauerschuldverhältnis, soweit der Verwalter nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit für die Insolvenzmasse die Gegenleistung in Anspruch genommen hat.
(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.
(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.
(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.
(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.
Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Er muss sich jedoch den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend in den Fällen, in denen der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt.
(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.
(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn
- 1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist, - 2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt, - 3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, - 4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.
(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.
(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.
(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.
(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.
(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.
(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.
(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.
(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn
- 1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.
(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.
(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.
(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.
(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.