Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 12. Mai 2016 - 5 Sa 527/15

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2016:0512.5SA527.15.0A
bei uns veröffentlicht am12.05.2016

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 15. Oktober 2015, Az. 3 Ca 641/15, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers auf Spesenerstattung.

2

Der 1963 geborene Kläger ist bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin seit 1987 als Sicherheitsfachkraft im Geld- und Werttransport (mobiler Dienst) beschäftigt. Am 17.01.1990 wurde ein schriftlicher Formulararbeitsvertrag geschlossen, der ua. regelt:

3

"§ 5 Vergütung - siehe Anlage -

4

(1) Der Mitarbeiter erhält einen Bruttostundenlohn von …. DM, der sich wie folgt zusammensetzt:

5

(5) Es werden Spesen nach den gesetzlichen Bestimmungen vergütet:

6

z.Zt. beim Einsatz von 6 - 12 Stunden

        

  8,00 DM/Tag

z.Zt. beim Einsatz von über 12 Stunden

        

16,00 DM/Tag"

7

Am 24.05.2000 wurde ein Nachtrag zum Arbeitsvertrag vom 17.01.1990 vereinbart, in dem es ua. heißt:

8

"§ 5 Vergütung

9

Es wird eine monatliche Arbeitszeit von 219 Stunden ab 01.06.2000 vereinbart.

10

Der Monatspauschallohn setzt sich ab 01.06.2000 wie folgt zusammen:

11

Monatspauschallohn                    4.268,86 DM

12

Die steuerfreie Abgeltung für die Reinigung der Dienstkleidung ändert sich ab 01.06.2000 wie folgt: …

13

Das Arbeitszeitkonto des Mitarbeiters wird per 01.06.2000 auf "0,00" Stunden gesetzt.

14

Mit der Lohnabrechnung Mai 2000 erhält der Mitarbeiter als Ausgleich für die Reduzierung der monatlichen Arbeitsstunden eine Abfindung in Höhe von DM 1.000,00.

15

Alle sonstigen Punkte des bestehenden Arbeitsvertrages vom 17.01.1990 bleiben unverändert bestehen."

16

Am 28.02.2011 schloss die Rechtsvorgängerin mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung mit Wirkung ab 01.03.2011, in der es ua. heißt:

17

"§ 2 Spesenregelung

18

Für die Mitarbeiter, welche im mobilen Dienst Geldtransport eingesetzt sind, werden folgende Spesen ausbezahlt; steuer- und sozialversicherungsfrei nach den jeweils gesetzlich geltenden Bestimmungen. Nach den zur Zeit geltenden Bestimmungen werden je Einsatztag 6,00 € steuer- und sozialversicherungsfrei ausgezahlt werden bei Abwesenheit von der Wohnung > 8 Std."

19

Am 27.10.2014 schloss die Beklagte mit dem Betriebsrat mit Wirkung ab 01.01.2015 eine "Betriebsvereinbarung Arbeitszeit", die keine Spesenregelung mehr enthält und - auszugsweise - wie folgt lautet:

20

"§ 9 Ausgleichszahlungen

21

Der Arbeitgeber verpflichtet sich zum Ausgleich der wirtschaftlichen Nachteile aus Anlass des Wegfalls der Leistungen der Betriebsvereinbarung vom 28.02.2011, jedem gewerblichen Beschäftigten im mobilen Dienst (Geld- und Werttransport), dessen Arbeitsverhältnis am 31.12.2014 noch ungekündigt besteht, eine Einmalzahlung … zu zahlen, deren Höhe insgesamt 1,25 Euro brutto je tatsächlich geleisteter Arbeitsstunde einschließlich Urlaubsstunden im Zeitraum vom 01.01.2014 bis 31.12.2014 beträgt."

22

Die Beklagte zahlte dem Kläger gem. § 9 der Betriebsvereinbarung eine Ausgleichszahlung iHv. € 2.793,66 brutto. Für das Jahr 2014 bescheinigte sie ihm mit Schreiben vom 02.03.2015 zur Vorlage beim Finanzamt für 187 Tage eine Auswärtstätigkeit von täglich mehr als 8 und weniger als 14 Stunden, die sie aufgrund der Betriebsvereinbarung 2011 mit € 6,00 pro Tag, insgesamt mit € 1.122,00, steuerfrei vergütete. Für das Jahr 2015 zahlte sie dem Kläger Spesen für 70 Tage mit einem Satz von € 6,00, insgesamt € 420,00. Aufgrund der Reform des steuerlichen Reisekostenrechts beträgt der Pauschbetrag, den der Arbeitgeber bei einer beruflich veranlassten Auswärtstätigkeit steuerfrei ersetzen kann, ab 01.01.2014 bei einer Abwesenheit von mehr als acht Stunden € 12,00 für den Kalendertag (§ 9 Abs. 4a S. 3 Ziff. 3 EStG). Mit seiner am 27.05.2015 erhobenen Klage verlangt der Kläger von der Beklagten für das Jahr 2014 die Zahlung weitere Spesen iHv. € 1.122,00 und für 2015 iHv. € 420,00.

23

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

24

die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 1.542,00 netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

25

Die Beklagte hat beantragt,

26

die Klage abzuweisen.

27

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 15.10.2015 stattgegeben und zur Begründung - zusammengefasst - ausgeführt, im Jahr 2014 sei der Kläger insgesamt 187 Tage mehr als 8 Stunden ortsabwesend gewesen. Weil er pro Tag einen Spesensatz von € 12,00 beanspruchen könne, sei die Beklagte verpflichtet, ihm weitere € 1.221,00 zu zahlen. Im Arbeitsvertrag vom 17.01.1990 sei geregelt worden, dass "Spesen … vergütet werden". Diese Regelung sei als Anspruchsgrundlage zu qualifizieren. Die Höhe des Spesensatzes solle sich, und zwar dynamisch ausgestaltet, "nach den gesetzlichen Bestimmungen" richten. Da die gesetzlichen Spesensätze ab 01.01.2014 auf € 12,00 erhöht worden seien, könne der Kläger aufgrund der dynamischen Verweisungsklausel im Arbeitsvertrag ab 2014 den doppelten Spesensatz beanspruchen. Der Nachtrag zum Arbeitsvertrag vom 24.05.2000 ändere hieran nichts. Im Nachtrag sei bestimmt worden, dass "alle sonstigen Punkte des bestehenden Arbeitsvertrages" unverändert bleiben sollen. Die Formulierung "Alle sonstigen Punkte" beziehe sich auch auf die Spesenregelung, auf die der Nachtrag keinen Bezug nehme. Selbst wenn man den letzten Satz des Nachtrags so verstehen könnte, dass der gesamte § 5 des Arbeitsvertrags geändert werden und lediglich "alle sonstigen Punkte" unverändert bestehen bleiben sollten, läge darin eine Mehrdeutigkeit/Unklarheit iSv. § 305c Abs. 2 BGB bzw. eine Intransparenz iSv. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, die zu Lasten des Verwenders ginge. Dass die Betriebsvereinbarung vom 28.02.2011 lediglich einen Spesensatz von € 6,00 vorsehe, sei unerheblich, weil die Regelung im Arbeitsvertrag günstiger sei. Für das Jahr 2015 habe der Kläger aus dem Arbeitsvertrag einen Anspruch auf Zahlung von Spesen iHv. € 12,00 pro Tag, so dass ihm die Beklagte für 70 Tage weitere € 420,00 zahlen müsse. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass sie dem Kläger nach § 9 der Betriebsvereinbarung vom 27.10.2014 eine Ausgleichszahlung gewährt habe. Diese Ausgleichszahlung habe nicht nur den Entfall von Spesenansprüchen aus der Betriebsvereinbarung vom 28.02.2011 ausgleichen sollen, sondern auch den Wegfall weiterer Vergünstigungen (zB. Urlaubsgeld, vermögenswirksame Leistungen, Geldautomatenprämie, Arbeitszeitkonto).

28

Gegen das am 04.11.2015 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit am 04.12.2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 04.01.2016 eingegangenem Schriftsatz begründet.

29

Sie macht geltend, das Arbeitsgericht habe § 5 Abs. 5 des Arbeitsvertrags vom 17.01.1990 zu Unrecht als Anspruchsgrundlage qualifiziert. Die Regelung gebe lediglich die zur Zeit des Vertragsabschlusses geltenden betrieblichen Regelungen wieder und habe daher allein deklaratorische Bedeutung. Aufgrund der zeitlichen Einschränkung ("zur Zeit") sei für jeden objektiven Erklärungsempfänger erkennbar, dass kein arbeitsvertraglicher Anspruch auf die Beibehaltung einer bestimmten betrieblichen Regelung begründet werden sollte. Erst Recht lasse sich § 5 Abs. 5 des Arbeitsvertrags nicht dahin auslegen, dass sie sich zur Gewährung des jeweiligen Höchstbetrags verpflichten wollte, dessen pauschale Erstattung nicht der Lohn- bzw. Einkommensteuer unterliege. § 5 Abs. 5 könne schon deshalb nicht als dynamischer Verweis auf die jeweils geltenden "gesetzlichen Bestimmungen" interpretiert werden, weil die steuerrechtlichen Regeln den Arbeitgeber nicht verpflichteten, den Verpflegungsmehraufwand in einer bestimmten Höhe pauschal zu erstatten.

30

Das Arbeitsgericht habe weiter verkannt, dass mit dem Änderungsvertrag vom 24.05.2000 die Vergütung des Klägers grundlegend neu geregelt und § 5 Abs. 5 des Arbeitsvertrags vom 17.01.1990 abgelöst worden sei. Sollte man § 5 Abs. 5 als Anspruchsgrundlage qualifizieren, bestünde zumindest seit dem 01.06.2000 kein arbeitsvertraglicher Anspruch auf die Erstattung von Verpflegungsmehraufwand mehr. Dass die Parteien § 5 des Arbeitsvertrags nur punktuell geändert haben und somit sämtliche zuvor in § 5 enthaltenen Regelungen, die nicht explizit erwähnt worden seien, weiterhin Gültigkeit besitzen sollten, sei nicht nachvollziehbar. Bereits die drucktechnische Gliederung widerspreche dieser Annahme. In dem Änderungsvertrag seien "§ 5 Vergütung" und "alle sonstigen Punkte des bestehenden Arbeitsvertrags" nämlich gleichrangig, d.h. jeweils fett und unterstrichen gedruckt. Aus dieser Gliederung werde deutlich, dass mit "allen sonstigen Punkten" die übrigen Paragraphen des Arbeitsvertrags gemeint seien. Dass unter "§ 5 Vergütung" die Erstattung von Verpflegungsmehraufwand nicht explizit geregelt worden sei, stehe einer Ablösung des § 5 Abs. 5 nicht entgegen. Im Rahmen des Änderungsvertrags sei die Vergütung nämlich grundlegend neu geregelt worden. Der Kläger habe anstelle des zuvor gewährten Stundenlohns einen "Monatspauschallohn" erhalten. Die Differenzierung zwischen Grundlohn, Leistungsvergütung und freiwilligen Zulagen sei entfallen. Darüber hinaus sei die Reinigung der Dienstkleidung neu geregelt worden, der Kläger habe "als Ausgleich für die Reduzierung der monatlichen Arbeitsstunden" eine Abfindung erhalten. Aufgrund des Wortlauts, der Systematik und der erkennbaren Interessenlage bei Abschluss des Änderungsvertrags habe somit auch § 5 Abs. 5 des Arbeitsvertrags abgelöst werden sollen. Dieses Auslegungsergebnis sei eindeutig. Weder § 305c Abs. 2 BGB noch § 307 Abs. 1 S. 2 BGB komme daher zur Anwendung.

31

Vorsorglich berufe sich sie sich auf den Verfall der Zahlungsansprüche gem. § 12 der Rahmenvereinbarung für Geld- und Wertdienste vom 11.11.2013. Nach dieser tariflichen Regelung seien alle Ansprüche innerhalb von drei Monaten gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend zu machen und innerhalb weiterer drei Monate einzuklagen. Mit seiner am 27.05.2015 bei Gericht eingegangenen Klage habe der Kläger somit für die Zeit bis zum 31.01.2015 (204 Arbeitstage) den angeblich bestehenden Zahlungsanspruch nicht mehr fristwahrend geltend machen können.

32

Es bleibe dabei, dass sich der Kläger, der für den Wegfall der aufgrund der Betriebsvereinbarung vom 28.02.2011 gewährten Erstattung des Verpflegungsmehraufwands Ausgleichszahlungen erhalten habe, widersprüchlich und treuwidrig verhalte, indem er nach dem widerspruchslosen Erhalt der Ausgleichszahlung iHv. € 2.793,66 brutto nunmehr eine Leistung, für deren Wegfall die Zahlung erfolgt sei, geltend mache.

33

Die Beklagte beantragt zweitinstanzlich,

34

das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 15.10.2015, Az. 3 Ca 641/15, abzuändern und die Klage abzuweisen.

35

Der Kläger beantragt,

36

die Berufung zurückzuweisen.

37

Er verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor, er sei nicht Mitglied der Gewerkschaft ver.di. Da die Rahmenvereinbarung vom 11.11.2013 auf das Arbeitsverhältnis keine Anwendung finde, sei sein Zahlungsanspruch nicht verfallen.

38

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und den Inhalt der Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

39

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und ausreichend begründet worden. Sie erweist sich auch sonst als zulässig.

II.

40

In der Sache hat die Berufung der Beklagten keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Zahlungsklage zu Recht stattgegeben. Die Beklagte ist arbeitsvertraglich verpflichtet, dem Kläger für das Jahr 2014 sowie für die Zeit vom 01.01. bis zum 31.05.2015 restliche Spesen iHv. € 1.542,00 zu erstatten.

41

Das Berufungsgericht folgt uneingeschränkt den ausführlichen und sorgfältig dargestellten Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils und stellt dies gem. § 69 Abs. 2 ArbGG fest. Von der Darstellung eigener, vollständiger Entscheidungsgründe wird daher abgesehen. Das Berufungsvorbringen der Beklagten bietet lediglich Anlass zu folgenden Ergänzungen:

42

1. Der Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Gewährung von Tagesspesen iHv. € 12,00 für Auswärtstätigkeiten mit einer Abwesenheit von mehr als 8 Stunden (im Jahr 2014 an 187 Tagen, im Jahr 2015 bis zum 31.05. an 70 Tagen) folgt aus § 5 Abs. 5 des Arbeitsvertrags vom 17.01.1990. Das Arbeitsgericht hat diese Regelung zutreffend ausgelegt.

43

a) Bei dem zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsvertrag handelt es sich unstreitig um einen Formularvertrag, dessen § 5 als Allgemeine Geschäftsbedingung - ausgehend vom Vertragswortlaut - nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen ist, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Parteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten (st. Rspr., zuletzt BAG 16.12.2015 - 5 AZR 567/14 - Rn. 12 mwN). Zweifel bei der Auslegung gehen zu Lasten des Verwenders (§ 305c Abs. 2 BGB).

44

b) Ausgehend vom Vertragswortlaut hat sich die Beklagte in § 5 Abs. 5 verpflichtet, dem Kläger "Spesen nach den gesetzlichen Bestimmungen zu vergüten". Entgegen der Ansicht der Berufung enthält der Arbeitsvertrag nicht lediglich einen deklaratorischen Hinweis auf die zur Zeit des Vertragsabschlusses geltenden betrieblichen Regelungen. § 5 Abs. 5 des Arbeitsvertrags regelt vielmehr konstitutiv und dynamisch einen individualrechtlichen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Zahlung von Tagesspesen in Höhe der Pauschbeträge, die der Arbeitgeber den Arbeitnehmern steuerrechtlich bei beruflich veranlasster Auswärtstätigkeit steuerfrei ersetzen kann. Wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, handelt es sich bei § 5 Abs. 5 des Arbeitsvertrags um eine Anspruchsgrundlage. Der Wortlaut ist eindeutig. Die Höhe der Spesen soll sich "nach den gesetzlichen Bestimmungen" richten. Diese Formulierung enthält nach der nicht zu beanstandenden Auslegung des Arbeitsgerichts eine dynamische Verweisung auf das Reisekostenrecht. Das zeigt sich auch daran, dass der Arbeitsvertrag die im Jahr 1990 geltenden Verpflegungspauschalen von 8,00 DM und 16,00 DM als "zur Zeit" gültige Spesensätze bezeichnet. Da sich ab 01.01.2014 die Pauschale, die der Arbeitgeber steuerfrei erstatten kann, ab einer Abwesenheit von mehr als 8 Stunden von der Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte gem. § 9 Abs. 4a S. 3 Ziff. 3 EStG auf € 12,00 erhöht hat, kann der Kläger aufgrund der dynamischen Verweisung in seinem Arbeitsvertrag von der Beklagten einen entsprechenden Spesensatz beanspruchen.

45

Das Arbeitsgericht hat angenommen, dass der Kläger im Jahr 2014 an 187 Tagen und im Jahr 2015 (bis zum 31.05.2015) an 70 Tagen mehr als 8 Stunden abwesend war, weil er als Sicherheitsfachkraft im Geld- und Werttransport (mobiler Dienst) Auswärtstätigkeiten verrichtet hat. Diese Feststellungen greift die Berufung nicht an.

46

2. Das Arbeitsgericht hat weiterhin zutreffend erkannt, dass die Spesenregelung in § 5 Abs. 5 des Arbeitsvertrags vom 17.01.1990 nicht durch den Änderungsvertrag (Nachtrag) vom 24.05.2000 aufgehoben worden ist.

47

Entgegen der Ansicht der Berufung wird durch den Nachtrag vom 24.05.2000 die Spesenregelung nicht berührt. Im Nachtrag ist ausdrücklich festgehalten worden, dass "alle sonstigen Punkte des bestehenden Arbeitsvertrags vom 17.01.1990 […] unverändert bestehen [bleiben]". Zu den "sonstigen Punkten" des Arbeitsvertrags zählt bei verständiger Auslegung des Nachtrags auch die Spesenregelung. Es gibt weder aus dem Wortlaut, dem Gesamtzusammenhang noch aus Sinn und Zweck der Regelungen im Nachtrag vom 24.05.2000 Anhaltspunkte dafür, dass der gesamte § 5 des Arbeitsvertrags, einschließlich der Spesenregelung, geändert werden sollte. Jedenfalls kann dem Nachtrag nach der Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB ein solcher Inhalt nicht beigelegt werden. Das bedeutet, dass die im Arbeitsvertrag vom 17.01.1990 vereinbarte Spesenregelung fortbesteht.

48

3. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Betriebsvereinbarung vom 27.10.2014, die zum 01.01.2015 in Kraft getreten ist, den arbeitsvertraglichen Anspruch des Klägers auf Gewährung von Tagesspesen, die Arbeitgeber nach den steuerrechtlichen Bestimmungen ihren Arbeitnehmern steuerfrei gewähren können, nicht zu Fall gebracht hat.

49

Das Günstigkeitsprinzip gilt auch für das Verhältnis von vertraglichen Ansprüchen zu den Inhaltsnormen einer Betriebsvereinbarung. Günstigere einzelvertragliche Vereinbarungen gehen daher den belastenden Regelungen einer Betriebsvereinbarung vor (vgl. zB. BAG 05.03.2013 - 1 AZR 880/11 - Rn. 55 mwN). Das stellt die Berufung nicht in Abrede.

50

4. Entgegen der Ansicht der Berufung verhält sich der Kläger nicht treuwidrig, wenn er aus dem Arbeitsvertrag vom 17.01.1990 die Gewährung von Tagesspesen verlangt, obwohl ihm die Beklagte gem. § 9 der Betriebsvereinbarung vom 27.10.2014 eine Ausgleichszahlung iHv. € 2.793,66 gezahlt hat. Die Beklagte leistete diese Zahlung nach dem Wortlaut des § 9 zum Ausgleich der wirtschaftlichen Nachteile aus Anlass des "Wegfalls der Leistungen der Betriebsvereinbarung vom 28.02.2011". Individualvertragliche Ansprüche des Klägers werden hiervon nicht berührt.

51

5. Entgegen der Ansicht der Berufung sind die Ansprüche des Klägers auf Zahlung von Tagesspesen für die Zeit vom 01.01.2014 bis zum 31.01.2015 (204 Tage) nicht nach § 12 der Rahmenvereinbarung für Geld- und Wertdienste in der Bundesrepublik Deutschland vom 11.11.2013 verfallen, weil sie nicht rechtzeitig innerhalb der dreimonatigen Ausschlussfrist mit Klageschrift vom 27.05.2015 geltend gemacht worden wären.

52

Die Voraussetzungen für eine tarifrechtliche Geltung der in Rede stehenden Ausschlussfristen liegen mangels beiderseitiger Tarifbindung bzw. Allgemeinverbindlichkeit des Tarifvertrags nicht vor, § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1, § 5 Abs. 4 TVG. Der Kläger ist nicht Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft. Der Arbeitsvertrag vom 17.01.1990 nimmt weder ausdrücklich noch konkludent auf die jeweiligen Tarifverträge für Geld- und Wertdienste Bezug. Für das Bestehen einer betrieblichen Übung - worauf sich die Beklagte erstmals in der mündlichen Berufungsverhandlung berufen hat - sind keine Anhaltspunkte vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die Beklagte ist nach ihrem Vortrag tarifgebunden. Bei Tarifbindung des Arbeitgebers ist anzunehmen, er wolle nur den gesetzlichen Verpflichtungen des Tarifvertragsgesetzes Rechnung tragen. Im Regelfall entsteht keine betriebliche Übung (vgl. zuletzt BAG 24.02.2016 - 4 AZR 990/13 - Rn. 23 mwN).

53

6. Dem Kläger stehen Prozesszinsen (§§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB) in der begehrten Höhe ab dem 03.06.2015 zu. Die Klage ist der Beklagten am 02.06.2015 zugestellt worden. Die Pflicht zur Verzinsung beginnt mit dem Folgetag der Rechtshängigkeit.

III.

54

Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Berufung zu tragen.

55

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 12. Mai 2016 - 5 Sa 527/15

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(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nicht Vertragsbestandteil.

(2) Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen zu Lasten des Verwenders.

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nicht Vertragsbestandteil.

(2) Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen zu Lasten des Verwenders.

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 23. Juli 2014 - 11 Sa 200/14 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe des Entgelts im Transferarbeitsverhältnis (Transferentgelt) sowie über Abrechnung- und Freistellung.

2

Der Kläger war bis zum 31. August 2012 bei der N S N GmbH & Co. KG (im Folgenden NSN) in deren Betrieb Region S-W beschäftigt. Die beklagte N S N Tg mbH (NSN TG) ist eine von NSN finanzierte Transfergesellschaft, zu der der Kläger seit dem 1. September 2012 in einem Transferarbeitsverhältnis stand.

3

Zu Beginn des Jahres 2012 plante NSN Restrukturierungsmaßnahmen, von denen ua. der Betrieb Region S-W betroffen sein sollte. NSN und der Betriebsrat der Region S-W vereinbarten am 2. August 2012 einen Sozialplan, in dem ua. geregelt ist:

        

„Präambel

        

…       

        
        

(2)     

Dieser Sozialplan soll die Bedingungen dafür schaffen, dass mit Hilfe einer Auffangstruktur die von Entlassung bedrohten Beschäftigten der NSN bei ihrer notwendigen beruflichen Neuorientierung unterstützt werden. Zu diesem Zweck soll den von Arbeitslosigkeit bedrohten Beschäftigten der NSN nach Maßgabe dieses Sozialplans der Abschluss von Transferarbeitsverhältnissen angeboten werden.

        

…       

        
        

§ 5

        

Mindestbedingungen der Transferarbeitsverhältnisse

        

Der Übertritt in die Transfergesellschaft erfolgt auf Basis eines dreiseitigen Vertrages (= drei Vertragsparteien), der die Beendigung des mit NSN bestehenden Arbeitsvertrages und die Begründung eines befristeten Transferarbeitsverhältnisses bei der NSN Tg mbH beinhaltet.

        

Wesentliche Bestandteile dieses dreiseitigen Vertrages sind:

        

…       

        

(3)     

Die Beschäftigten erhalten innerhalb der BeE - unter Anrechnung der Zahlungen der Agentur für Arbeit - ein BeE-Monatsentgelt von monatlich 75 Prozent ihres Bruttomonatseinkommens. Das Bruttomonatseinkommen umfasst alle tariflichen sowie alle sonstigen individuellen monatlichen Entgeltbestandteile. Es ist das 13,5-fache des bisherigen Bruttomonatsgehaltes dividiert durch zwölf.

        

…“    

        
4

Am 6. /13. August 2012 schlossen NSN, der Kläger und die Beklagte einen dreiseitigen Vertrag (im Folgenden DV), der auszugsweise lautet:

        

„Präambel

        

1.    

Am 02.08.2012 wurden ein Interessenausgleich und ein Sozialplan mit dem Betriebsrat der Region S-W der NSN abgeschlossen. Die Bestimmungen dieser Vereinbarungen sind dem Arbeitnehmer bekannt. Dem Arbeitnehmer ist auch bekannt, dass sein Arbeitsplatz bei NSN entfällt und insoweit das Arbeitsverhältnis bei NSN mit Wirkung zum 31.08.2012 aus betriebsbedingten Gründen beendet werden muss. Aus diesem Grund wird dem Arbeitnehmer ein befristetes Vermittlungs- und Qualifizierungsverhältnis mit der NSN TG angeboten, um eine betriebsbedingte Kündigung zu vermeiden.

        

2.    

Die NSN TG wird für den Arbeitnehmer Transferkurzarbeitergeld im Sinne des § 111 SGB III beantragen.

        

3.    

Die NSN TG bildet eine betriebsorganisatorische eigenständige Einheit (beE) im Sinne des § 111 SGB III. Sie trägt die Bezeichnung beE NSN Region S-W.

        

4.    

Durch die Bildung der beE sollen Maßnahmen zur beruflichen Qualifizierung die Vermittlungschancen auf dem externen Arbeitsmarkt erhöhen.

                 

Auf dieser Grundlage werden folgende Regelungen getroffen:

        

Abschnitt A: Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit NSN

        

1.    

Beendigung des Arbeitsverhältnisses

                 

Das zwischen dem Arbeitnehmer und NSN bestehende Arbeitsverhältnis wird aus betriebsbedingten Gründen mit Ablauf des 31.08.2012 enden, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Der Arbeitnehmer tritt zum 01.09.2012 in die NSN TG über.

        

…       

        
        

Abschnitt B: Begründung eines Vermittlungs- und Qualifizierungsverhältnisses mit NSN TG

        

1.    

Vertragsdauer / Kurzarbeit Null

                 

Der Arbeitnehmer und die NSN TG vereinbaren den Abschluss eines befristeten Vermittlungs- und Qualifizierungsvertrages ab dem 01.09.2012. Das Vermittlungs- und Qualifizierungsverhältnis endet mit Austritt aus der beE NSN Region S-W, spätestens am 28.02.2014, ohne dass es einer Kündigung bedarf.

                 

Es wird Kurzarbeit Null angeordnet und der Beschäftigungsanspruch entfällt. Der Arbeitnehmer erklärt mit seiner Unterschrift unter diesem Vertrag sein Einverständnis zu Kurzarbeit Null.

        

…       

        
        

3.    

Pflichten

                 

3.1 Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, an allen von der beE NSN Region S-W angebotenen Bewerbungs- und Vermittlungsmaßnahmen und -veranstaltungen teilzunehmen, den Anweisungen des beE-Teams oder beauftragter Personen Folge zu leisten und sich aktiv um einen neuen Arbeitsplatz zu bemühen.

                 

…       

        
        

4.    

Monatliche Vergütung

                 

Der Arbeitnehmer erhält auf der Basis der von NSN an die NSN TG zur Verfügung gestellten Gehaltsdaten, ab Eintritt in die NSN TG - unter Anrechnung von Zahlungen der Agentur für Arbeit - bis zu seinem Ausscheiden monatlich 75 % seines Bruttomonatseinkommens. Das Bruttomonatseinkommen ist das 13,5-fache des bisherigen Bruttomonatseinkommens dividiert durch zwölf. Während des Zeitraumes des Bezuges von Transfer-Kurzarbeitergeld besteht das Entgelt aus zwei Auszahlungskomponenten, der ‚KuG-Leistung‘ und dem ‚KuG-Zuschuss‘, die als Nettoentgelt gezahlt werden, welches sich aus 75 % des Bruttomonatseinkommens errechnet.

                 

Die Entgeltzahlung am Monatsultimo erfolgt bargeldlos auf das bekannte Girokonto. …

        

11.     

Ausschlussfrist

                 

Alle Ansprüche aus diesem Vermittlungs- und Qualifizierungsverhältnis sind innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen.

        

Abschnitt C: Allgemeine Regelungen

        

1.    

Hinweis auf steuer- und sozialversicherungsrechtliche Konsequenzen

                 

1.1.   

Sofern im Rahmen der Jahressteuererklärung (Progressionsvorbehalt) Nachzahlungsverpflichtungen gegenüber dem Finanzamt entstehen sollten, hat der Arbeitnehmer gegenüber NSN und/oder NSN TG keinen Erstattungsanspruch.

                 

1.2.   

Verbindliche Auskunft über die steuer- und sozialrechtlichen Konsequenzen dieser Vereinbarung kann nur das zuständige Finanzamt bzw. der zuständige Sozialversicherungsträger erteilen. Auf die Möglichkeit des Eintritts einer Sperrzeit und deren Folgen sowie ein mögliches Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld und ggf. auf einen möglichen Verlust der Versorgungsanwartschaft wurde der Arbeitnehmer hingewiesen.

                          

Bei privat versicherten Arbeitnehmern kann dieser Vertrag Auswirkungen auf eine bestehende private Krankenversicherung haben und einen Wechsel in die gesetzliche Krankenversicherung erforderlich machen.

        

…       

                 
        

3.    

Geltung von Tarifverträgen

                 

In der NSN TG gelten keine tarifvertraglichen Regelungen.

        

4.    

Erledigungserklärung / Doppelansprüche

                 

4.1 Mit Abschluss der vorliegenden Vereinbarung und nach ordnungsgemäßer Abrechnung und Auszahlung der Vergütung bis zum 31.08.2012 durch NSN sind sämtliche Ansprüche und Rechte der Parteien aus oder im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis sowie dessen Beendigung abgegolten und erledigt, soweit ein Verzicht hierauf rechtlich zulässig ist. Ausgenommen sind etwaige Ansprüche aus Arbeitgeberdarlehen.

                 

…       

        

5.    

Bedingung

                 

Dieser Dreiseitige Vertrag steht unter dem Vorbehalt, dass die schriftliche Annahme des Vertragsangebots durch den Arbeitnehmer spätestens am 16.08.2012, 12.00 Uhr vorliegt.

                 

Weiter steht dieser Dreiseitige Vertrag unter dem Vorbehalt, dass die Transfergesellschaft durch die Agentur für Arbeit gefördert wird.

        

…“    

        
5

Die Beklagte berechnete für den Zeitraum der Bewilligung von Transferkurzarbeitergeld das monatliche Transferentgelt des Klägers, indem sie zunächst nach B.4. Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 DV das Referenzbruttoentgelt (75 vH des 13,5-fachen Betrags des zuletzt bei NSN bezogenen Bruttomonatseinkommens dividiert durch zwölf) und hieraus unter Berücksichtigung steuer- und sozialversicherungsrechtlicher Vorgaben ein fiktives Nettoentgelt ermittelte. Davon zog sie das Transferkurzarbeitergeld ab und zahlte den verbleibenden Betrag als Zuschuss zum Transferkurzarbeitergeld an den Kläger aus. Zu entrichtende Steuern und Sozialversicherungsbeiträge führte sie ab. Die Summe von Transferkurzarbeitergeld und Zuschuss entsprach dem Betrag, den der Kläger auf Basis des Referenzbruttoentgelts nach Abzug von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen als Nettoentgelt erhalten hätte.

6

Mit der Klage verlangt der Kläger, soweit im Revisionsverfahren noch von Bedeutung, für die Monate November 2012 bis April 2013 und von Juni bis August 2013 unter Berufung auf B.4. Abs. 1 Satz 1 DV ein Bruttotransferentgelt in Höhe des Referenzbruttoentgelts. Hiervon dürfe das bezogene Transferkurzarbeitergeld in Abzug gebracht werden. Jedenfalls nach der Unklarheitenregelung des § 305c BGB habe er Anspruch auf eine monatliche Vergütung in Höhe des Referenzbruttoentgelts. Auf Basis des zutreffend ermittelten Transferentgelts stünden ihm neue Abrechnungen zu. Die Beklagte sei wegen ihres vertragswidrigen Verhaltens verpflichtet, ihn von den Nachteilen freizustellen, die ihm durch die unzutreffende Berechnung und Zahlung der Vergütung entstünden.

7

Der Kläger hat, soweit für die Revision von Bedeutung, zuletzt sinngemäß beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weiteres BeE Gehalt für November 2012 bis April 2013 und von Juni bis August 2013 in Höhe von 59.952,51 Euro brutto abzüglich gezahlter 36.250,43 Euro netto nebst Zinsen in gestaffelter Höhe zu zahlen;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, die Lohnabrechnungen ab dem Monat September 2012 zu korrigieren und eine monatliche Neuberechnung des BeE Gehalts vorzunehmen unter der Maßgabe, dass die Beklagte 75 % des Bruttomonatseinkommens schuldet, wobei Bruttomonatseinkommen in diesem Sinne das 13,5-fache des bisherigen Bruttomonatseinkommens bei der NSN dividiert durch zwölf ist;

        

3.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger von jeglichen Nachteilen gegenüber Dritten freizustellen, die ihm aus der seit 1. September 2012 gewählten Lohnabrechnungsweise auf Basis des geleisteten KuG-Zuschusses in Folge des Progressionsvorbehalts gemäß § 32b EStG erwachsen;

        

4.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger von jeglichen Nachteilen gegenüber Dritten freizustellen, die ihm aus der seit 1. September 2012 gewählten Lohnabrechnungsweise auf Basis des geleisteten KuG-Zuschusses in Folge unterzahlter Sozialversicherungsabgaben erwachsen.

8

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, aus dem dreiseitigen Vertrag ergebe sich kein Anspruch des Klägers auf ein höheres Bruttoentgelt. Während des Bezugs von Transferkurzarbeitergeld sei das Referenzbruttoentgelt nur als Rechengröße heranzuziehen.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageforderungen weiter.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Die Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht kein höheres Transferentgelt zu. Die Beklagte hat die Vergütungsansprüche des Klägers erfüllt (I.). Er kann weder neue Abrechnungen (II.) noch die begehrten Freistellungen verlangen (III.).

11

I. Der Kläger hat nach B.4. Abs. 1 DV keinen Anspruch auf Aufstockung des Transferkurzarbeitergelds auf das monatliche Referenzbruttoentgelt. Das Referenzbruttoentgelt stellt für den Zeitraum des Bezugs von Transferkurzarbeitergeld lediglich eine Rechengröße dar, die als Bezugsbasis für die Berechnung des Transferkurzarbeitergelds und der von der Beklagten zu erbringenden Aufstockungsleistung heranzuziehen ist. Dies ergibt die Auslegung des dreiseitigen Vertrags.

12

1. Bei den Klauseln des dreiseitigen Vertrags handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen (§ 305 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB). Allgemeine Geschäftsbedingungen sind - ausgehend vom Vertragswortlaut - nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind (st. Rspr., vgl. BAG 13. März 2013 - 5 AZR 954/11 - Rn. 38 mwN, BAGE 144, 306). Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Parteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten (vgl. BAG 13. November 2012 - 3 AZR 557/10 - Rn. 20 mwN). Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist durch das Revisionsgericht uneingeschränkt überprüfbar (st. Rspr., vgl. BAG 21. August 2013 - 5 AZR 581/11 - Rn. 19 mwN).

13

2. Danach ist die Beklagte Schuldnerin der in B.4. Abs. 1 DV vereinbarten Vergütung. Sie hat sich eigenständig zur Entgeltleistung verpflichtet und nicht nur die technische Abwicklung der Entgeltzahlung übernommen (vgl. zu einer solchen Fallgestaltung BAG 19. März 2014 - 5 AZR 299/13 (F) - Rn. 19 ff.), auch wenn das Transferentgelt eine von NSN finanzierte Überbrückungsleistung anlässlich einer Betriebsänderung sowie der damit verbundenen Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit NSN (vgl. BAG 15. April 2015 - 4 AZR 796/13 - Rn. 73) darstellt.

14

3. Die Auslegung ergibt weiter, dass die Parteien für den Zeitraum des Bezugs von Transferkurzarbeitergeld kein Bruttomonatsentgelt in Höhe des Referenzbruttoentgelts vereinbart haben.

15

a) Hierfür spricht bereits der Wortlaut des dreiseitigen Vertrags.

16

aa) Die Präambel des dreiseitigen Vertrags weist auf die Regelungen des Sozialplans hin. Nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 Sozialplan erhalten die Beschäftigten „innerhalb der BeE - unter Anrechnung der Zahlungen der Agentur für Arbeit - ein BeE-Monatsentgelt von 75 Prozent ihres Bruttomonatseinkommens“ bei NSN. Als eine der für das Transferarbeitsverhältnis maßgeblichen Mindestbedingungen nennt der Sozialplan mit der Formulierung „BeE-Monatsentgelt“ gerade nicht ein Bruttomonatseinkommen. Dieses ist lediglich Referenzgröße bei der Berechnung der Höhe des BeE-Monatsentgelts (vgl. BAG 15. April 2015 - 4 AZR 796/13 - Rn. 78, 79 zu den - abgesehen von der Anspruchshöhe - weitgehend wortgleichen Bestimmungen des Transfer- und Sozialtarifvertrags und des Ergänzungstransfer- und Sozialtarifvertrags vom 4. April 2012, abgeschlossen zwischen der NSN und der IG Metall für den Betrieb St-Straße M der NSN).

17

bb) Dem entspricht die in B.4. Abs. 1 DV getroffene Vereinbarung. Die Klausel differenziert ausdrücklich zwischen „Bruttomonatseinkommen“ (Satz 1) und dem Entgelt während des Bezugs von Transfer - Kurzarbeitergeld (Satz 3). Dieses besteht aus zwei Auszahlungskomponenten, der „KuG-Leistung“ und dem „KuG-Zuschuss“, „die als Nettoentgelt gezahlt werden, welches sich aus 75 % des Bruttoeinkommens errechnet“.

18

b) Die Auslegung des Wortlauts wird durch den sich aus dem vertraglichen Gesamtzusammenhang ergebenden Regelungszweck bestätigt.

19

aa) Der Vergütungsvereinbarung des dreiseitigen Vertrags liegt die Erwartung zugrunde, den in ein Vermittlungs- und Qualifizierungsverhältnis mit der beklagten Transfergesellschaft übergewechselten Arbeitnehmern werde nach Maßgabe von § 111 SGB III Transferkurzarbeitergeld bewilligt. Die Begründung eines Transferarbeitsverhältnisses mit der Beklagten als Träger der Transfermaßnahme und damit einem „Dritten“ iSv. § 110 Abs. 1 Satz 1 SGB III schafft die betrieblichen Voraussetzungen für den Anspruch auf Transferkurzarbeitergeld(vgl. BAG 15. April 2015 - 4 AZR 796/13 - Rn. 75). Die Beklagte hat sich für den Bewilligungszeitraum verpflichtet, an die Arbeitnehmer eine Aufstockungsleistung iSv. § 106 Abs. 2 Satz 2 SGB III in Form eines Zuschusses zum Transferkurzarbeitergeld zu zahlen. Dies entspricht dem Vertragsverständnis beider Parteien und folgt aus der an § 106 Abs. 2 Satz 2 SGB III angelehnten Formulierung in B.4. Abs. 1 Satz 1 DV, das Entgelt werde „unter Anrechnung von Zahlungen der Agentur für Arbeit“ geleistet.

20

bb) Aufgrund der gleichgerichteten Funktion von Transferkurzarbeitergeld und Aufstockungsleistung ist bei einer derartigen Zusage regelmäßig von einem Zuschuss zum Nettoentgelt auszugehen.

21

(1) Das Transferkurzarbeitergeld ist eine beitragsfinanzierte Entgeltersatzleistung für den durch den Arbeitsausfall erlittenen Nettoentgeltverlust (vgl. Gagel/Bieback SGB II/SGB III Stand Juni 2015 § 106 SGB III Rn. 20; Mutschler in Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu SGB III 5. Aufl. § 106 Rn. 9). Seine Funktion besteht in der Überbrückung des arbeitsausfallbedingten Nettoentgeltausfalls (vgl. Müller-Grune in Schlegel/Voelzke jurisPK-SGB III 1. Aufl. § 106 Rn. 15, 37; vgl. Gagel/Bieback SGB II/SGB III Stand Juni 2015 § 106 SGB III Rn. 1). Dem entsprechend wird die Höhe des Transferkurzarbeitergelds durch den Leistungssatz (§ 111 Abs. 10, § 105 SGB III) und die Nettoentgeltdifferenz als berücksichtigungsfähiger Entgeltausfall bestimmt (§ 111 Abs. 10, § 106 Abs. 1 Satz 1 SGB III).

22

(2) Die von einer Transfergesellschaft auf individual- oder kollektivrechtlicher Grundlage zu erbringenden Aufstockungsleistungen sind in ihrer Funktion mit dem Transferkurzarbeitergeld gleichgerichtet. Das Transferkurzarbeitergeld gleicht den durch Arbeitsausfall erlittenen Nettoentgeltverlust nicht vollständig aus, sondern nur in prozentualer Höhe nach Maßgabe des Leistungssatzes, § 111 Abs. 10, § 105 SGB III(vgl. Mutschler in Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu SGB III 5. Aufl. § 106 Rn. 9). Die Aufstockungsleistungen knüpfen hieran an. Sie sollen die arbeitsausfallbedingte Nettoentgeltdifferenz verringern. Vorbehaltlich einer abweichenden Zusage dient das mit der Transfergesellschaft vereinbarte Bruttoentgelt im Hinblick auf die Aufstockungsleistung - ebenso wie für das Transferkurzarbeitergeld (vgl. hierzu BSG 4. Juli 2012 - B 11 AL 9/11 R - Rn. 26 zu § 179 Abs. 1 Satz 2 SGB III aF, BSGE 111, 177) - lediglich als Bezugsbasis: Es ist bei der Ermittlung der verbleibenden Nettoentgeltdifferenz als „Soll-Entgelt“ (§ 106 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 SGB III) zu Grunde zu legen.

23

(3) Anhaltspunkte für eine abweichende, auf den Ausgleich der Bruttoentgeltdifferenz gerichtete Zusage, sind weder dem dreiseitigen Vertrag noch dem Sozialplan zu entnehmen. Es bedarf deshalb keiner Entscheidung, ob die vom Kläger begehrte Aufstockung auf das Referenzbruttoentgelt zu einer Erhöhung des Ist-Entgelts (§ 106 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 3 SGB III) und damit - wie die Beklagte meint - zu einem Verlust oder einer wesentlichen Verringerung des Anspruchs auf Transferkurzarbeitergeld führte (so Brand/Kühl SGB III 6. Aufl. § 106 Rn. 23; Bundesagentur für Arbeit - Geschäftsanweisung Kurzarbeitergeld - Stand Januar 2012 zu § 179 SGB III)oder ob sie nach § 106 Abs. 2 Satz 2 SGB III bei der Berechnung des Ist-Entgelts außer Betracht bliebe(so Mutschler in Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu SGB III 5. Aufl. § 106 Rn. 35; unklar Gagel/Bieback SGB II/SGB III Stand Juni 2015 § 106 SGB III Rn. 53, 54).

24

c) Für ein Verständnis des Referenzbruttoentgelts lediglich als Berechnungsgröße spricht auch die bei Vertragsabschluss für einen verständigen Arbeitnehmer erkennbare Interessenlage der Beklagten.

25

aa) Transferkurzarbeitergeld ist nach § 3 Nr. 2a EStG nicht steuerpflichtig. Soweit es gewährt wird, gelten gemäß § 232a Abs. 2 SGB V, § 57 Abs. 1 SGB XI, § 163 Abs. 6 SGB VI als sozialversicherungsbeitragspflichtige Einnahmen 80 vH des Unterschiedsbetrags zwischen dem Soll-Entgelt und dem Ist-Entgelt nach § 106 SGB III. Die Sozialversicherungsbeiträge sind allein vom Arbeitgeber zu tragen, § 249 Abs. 2 SGB V, § 58 Abs. 5 SGB XI, § 168 Abs. 1 Nr. 1a SGB VI.

26

Demgegenüber unterliegen Zuschüsse des Arbeitgebers zum Kurzarbeitergeld nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG der Einkommensteuer. Sie sind nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 SvEV dem sozialversicherungsrechtlichen Arbeitsentgelt nicht zuzurechnen, soweit sie - zusammen mit dem Kurzarbeitergeld - 80 vH des Unterschiedsbetrags zwischen dem Soll-Entgelt und dem Ist-Entgelt nach § 106 SGB III nicht übersteigen.

27

bb) Ist im Transferarbeitsverhältnis ein Zuschuss zum Transferkurzarbeitergeld iSv. § 106 Abs. 2 Satz 2 SGB III vorgesehen, muss ein redlicher und verständiger Arbeitnehmer die Vergütungsvereinbarung als darauf gerichtet verstehen, die gesetzlich vorgesehenen Vergünstigungen für die Leistung von Transferentgelt in vollem Umfang zum Tragen zu bringen. Das Vertragsverständnis des Klägers ist damit nicht in Einklang zu bringen. Es führte zu einer höheren Abgaben- und Beitragslast der Beklagten als Transfergesellschaft und wäre mit dem Ziel, die Lohnnebenkosten für Transfermaßnahmen möglichst gering zu halten, nicht zu vereinbaren.

28

d) Der Kläger kann sich nicht auf die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB stützen. Auf sie kann nur zurückgegriffen werden, wenn nach Ausschöpfung der anerkannten Auslegungsmethoden nicht behebbare Zweifel verbleiben (st. Rspr., vgl. BAG 14. November 2012 - 5 AZR 107/11 - Rn. 19; 19. März 2014 - 10 AZR 622/13 - Rn. 30, BAGE 147, 322). Derartige Zweifel bestehen, wie die Auslegung zeigt, im Streitfall nicht.

29

4. Die Beklagte hat die Höhe des dem Kläger zustehenden Zuschusses zutreffend ermittelt. Seinen Anspruch auf Transferentgelt hat sie durch die geleisteten Zahlungen erfüllt.

30

II. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung weiterer Lohnabrechnungen.

31

1. Der Antrag ist bei der gebotenen Auslegung hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

32

a) Der Kläger begehrt - trotz der missverständlichen Formulierung „die Beklagte zu verurteilen, die … fehlerhaften BeE Lohnabrechnungen … zu korrigieren“ - nicht die „Berichtigung“ der erteilten Abrechnungen, sondern nach Maßgabe von § 108 Abs. 1 GewO neue Abrechnungen auf der Basis der von ihm beanspruchten Vergütungshöhe.

33

b) Im Antrag selbst ist zwar nicht angegeben, für welche Monate „ab September 2012“ der Kläger Abrechnungen begehrt. Der Klagebegründung kann jedoch entnommen werden, dass er sich auf den Zeitraum des Bezugs von Transferkurzarbeitergeld bezieht.

34

2. Der Antrag ist unbegründet. Abrechnungen über geleistete Zahlungen hat die Beklagte erteilt. Der Kläger hat gegen die Beklagte bereits deshalb keinen Anspruch auf Erteilung weiterer Abrechnungen, weil der Abrechnungsanspruch nach § 108 Abs. 1 GewO „vor Zahlung“ nicht erfolgreich klagbar ist.

35

Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 GewO ist dem Arbeitnehmer „bei Zahlung“ des Arbeitsentgelts eine Abrechnung in Textform zu erteilen. Der Abrechnungsanspruch entsteht danach erst, wenn Arbeitsentgelt gezahlt wird. Die Regelung dient der Transparenz. Der Arbeitnehmer soll erkennen können, warum er gerade den ausgezahlten Betrag erhält. Deshalb entfällt die Verpflichtung zur Abrechnung, wenn sich die Angaben gegenüber der letzten ordnungsgemäßen Abrechnung nicht geändert haben, § 108 Abs. 2 GewO(vgl. BAG 12. Juli 2006 - 5 AZR 646/05 - Rn. 13, BAGE 119, 62; 10. Januar 2007 - 5 AZR 665/06 - Rn. 18, BAGE 120, 373).

36

Die Transparenz erfordert dabei nicht, dass dem Arbeitnehmer eine Abrechnung darüber erteilt wird, wie sein Arbeitsentgelt richtigerweise zu berechnen wäre. Es kommt vielmehr darauf an, wie es der Arbeitgeber tatsächlich berechnet hat und insbesondere, welche Abzüge er aus welchen Gründen tatsächlich vorgenommen und welche Beträge er abgeführt hat (vgl. BAG 7. September 2009 - 3 AZB 19/09 - Rn. 17). Die Abrechnung bezweckt die Information über die erfolgte Zahlung. Einen Abrechnungsanspruch „vor Zahlung“ begründet § 108 Abs. 1 GewO nicht. Gerade einen solchen macht der Kläger jedoch geltend.

37

III. Die Freistellungsanträge des Klägers sind unbegründet.

38

1. Die Anträge sind hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Kläger verlangt, wirtschaftlich so gestellt zu werden, wie er bei einer nach seiner Ansicht zutreffenden Berechnung und Zahlung des Transferentgelts stehen würde.

39

2. Es kann dahinstehen, ob hinsichtlich der Anträge ein Feststellungsinteresse des Klägers nach § 256 ZPO gegeben ist, denn dieses ist Prozessvoraussetzung nur für das stattgebende Urteil(vgl. BAG 24. September 2008 - 6 AZR 76/07 - Rn. 13 mwN, BAGE 128, 73; 15. Juli 2009 - 5 AZR 921/08 - Rn. 12). Deshalb ist das Revisionsgericht auch bei Fehlen des Feststellungsinteresses jedenfalls dann zu einer Sachentscheidung befugt, wenn gewichtige prozessökonomische Gründe gegen eine Prozessabweisung sprechen, etwa wenn die Klage eindeutig und unzweifelhaft abweisungsreif ist (vgl. BAG 24. September 2008 - 6 AZR 76/07 - aaO; 6. Oktober 2011 - 6 AZR 172/10 - Rn. 16).

40

3. Letzteres ist hier der Fall. Die Zahlungsklage unterliegt, wie unter I. ausgeführt, materiell der Abweisung. Die Beklagte hat das Entgelt des Klägers vertragsgemäß berechnet. Sie hat Steuern und Sozialversicherungsbeiträge in gesetzlicher Höhe entrichtet. Möglicherweise entstehende steuer- und sozialversicherungsrechtliche Nachteile sind als Folge der gesetzlichen Regelungen und der vertraglichen Abreden vom Kläger hinzunehmen. Dem haben die Parteien in C.1.1. und 1.2. DV Rechnung getragen. Bei einer solchen Konstellation ist dem Ziel der Feststellungsklage, den Rechtsfrieden unter Beachtung des Gebots prozessökonomischen Verhaltens zu sichern, mit einer Abweisung der Feststellungsklage durch das Revisionsgericht besser gedient als mit einem Prozessurteil (vgl. BAG 24. September 2008 - 6 AZR 76/07 - Rn. 14, BAGE 128, 73; 6. Oktober 2011 - 6 AZR 172/10 - Rn. 17).

41

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Biebl    

        

    Weber     

        

    Volk     

        

        

        

    Zoller     

        

    Jungbluth    

                 

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nicht Vertragsbestandteil.

(2) Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen zu Lasten des Verwenders.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 7. Juni 2011 - 13 Sa 1611/10 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer durch Betriebsvereinbarung geregelten Altersgrenze.

2

Der Kläger war seit Oktober 1979 bei der Beklagten aufgrund einer von beiden Seiten unterzeichneten „Einstellmeldung“ beschäftigt. In dieser heißt es:

        

„1.     

Das Arbeitsverhältnis unterliegt den Bestimmungen des Manteltarifvertrages für Lohnempfänger, des Lohntarifvertrages und der Arbeitsordnung der V AG in der jeweils gültigen Fassung.

        

…       

        
        

3.    

Es wird eine Probezeit von 4 Wochen vereinbart. Wird die Weiterbeschäftigung nicht mindestens 7 Tage vor Ablauf der Probezeit schriftlich abgelehnt, so gilt das Arbeitsverhältnis als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen.

        

…       

        
        

6.    

Es wurden ausgehändigt:

Mantel-Tarif-Vertrag für Lohnempfänger

                          

Lohntarifvertrag

                          

Arbeitsordnung

                          

Satzung der Betriebskrankenkasse (mit Krankenordnung)

                          

Unfallverhütungs-Vorschriften

                          

Versorgungsrichtlinien“

3

In der als Versorgungsordnung bezeichneten Gesamtbetriebsvereinbarung Nr. 6/76 vom 21. Dezember 1976 (GBV 6/76) ist bestimmt:

        

㤠3

        

V-Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit

        

(1) V-Rente wegen Erwerbsunfähigkeit wird an einen V-Mitarbeiter gezahlt, der nach Erfüllung der Wartezeit (§ 2) aus dem Arbeitsverhältnis mit der V AG ausscheidet, weil ein Träger der gesetzlichen Rentenversicherung bei ihm den Eintritt der Erwerbsunfähigkeit festgestellt hat und deswegen Rente gewährt (= vorzeitiger Versorgungsfall).

        

…       

        

§ 4

        

V-Altersrente

        

(1) V-Altersrente wird gezahlt, wenn ein V-Mitarbeiter nach Vollendung des 65. Lebensjahres aus dem Arbeitsverhältnis mit der V AG ausscheidet (= Versorgungsfall bei fester Altersgrenze).

        

(2) V-Altersrente wird vorzeitig gezahlt, wenn ein V-Mitarbeiter nach Vollendung des 63. - bei Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit oder bei Schwerbehinderung nach Vollendung des 62. Lebensjahres -, eine V-Mitarbeiterin nach Vollendung des 60. Lebensjahres aus dem Arbeitsverhältnis mit der V AG ausscheidet (= Versorgungsfall bei flexibler Altersgrenze).

        

(3) V-Altersrente wird vom Beginn des Monats an gezahlt, der auf den Zeitpunkt des altersbedingten Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis mit der V AG folgt, frühestens jedoch nach Ablauf der Zeit, für die noch Zahlungen aus dem beendeten Arbeitsverhältnis geleistet werden. …

        

…       

        

§ 8

        

Vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses

        

...     

        

(3) Die V-Rente wird wie folgt berechnet: Es wird ermittelt, welche V-Rente bei angenommener Fortdauer des Arbeitsverhältnisses mit der V AG bis zum Eintritt der nach Absatz 2 maßgebenden Voraussetzungen nach § 7 zu zahlen wäre (= fiktive Vollrente). Hierbei wird das Bruttoarbeitsentgelt in den letzten zwölf vollen Kalendermonaten des Arbeitsverhältnisses mit der V AG nach Maßgabe des § 6 zugrunde gelegt. Diese Rente wird in dem Verhältnis ermäßigt, in dem die erreichte Dauer des Arbeitsverhältnisses mit der V AG zur erreichbar gewesenen Dauer steht (bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres = feste Altersgrenze).

        

…“    

4

Die GBV 6/76 wurde durch die Gesamtbetriebsvereinbarung Nr. 2/92 vom 11. Dezember 1992 (GBV 2/92) neu gefasst. Nach deren § 4 Abs. 1 Satz 2 endet das Arbeitsverhältnis - ohne dass es einer Kündigung bedarf - mit Ablauf des Monats, in dem das 65. Lebensjahr vollendet wird. Die GBV 2/92 trat am 31. Dezember 1992 in Kraft und galt für alle Versorgungsfälle, die auf einem Arbeitsverhältnis beruhten, das vor dem 1. Januar 1987, aber nach dem 1. Dezember 1976 begründet worden war.

5

Der Kläger vollendete im Februar 2009 sein 65. Lebensjahr und schied zum 28. Februar 2009 bei der Beklagten aus.

6

Die für die Beklagte geltenden Firmentarifverträge enthielten zum Zeitpunkt der Einstellung des Klägers keine Altersgrenzenregelungen. Erst am 14. Oktober 2009 vereinbarte die IG Metall mit der Beklagten eine Ergänzung des Manteltarifvertrags vom 15. Dezember 2008, wonach das Arbeitsverhältnis ohne Kündigung mit Ablauf des Kalendermonats endet, in dem der Beschäftigte die jeweilige individuelle Regelaltersgrenze in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung erreicht. Diese Regelung trat mit Wirkung zum 1. August 2009 in Kraft.

7

Mit seiner am 16. März 2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, sein Arbeitsverhältnis sei nicht durch die in den Gesamtbetriebsvereinbarungen enthaltenen Altersgrenzenregelungen beendet worden. Diese führten zu nach dem AGG unzulässigen Benachteiligungen wegen des Lebensalters. Eine auf das Erreichen des Regelrentenalters bezogene Befristung könne in Betriebsvereinbarungen nicht vereinbart werden. Bei der Einstellung sei ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet worden. Diese Abrede gehe als günstigere Absprache etwaigen Altersgrenzenregelungen in den Gesamtbetriebsvereinbarungen vor.

8

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgrund Befristung zum 28. Februar 2009 beendet worden ist, sondern über den 28. Februar 2009 hinaus als unbefristetes Arbeitsverhältnis fortbesteht,

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten Bedingungen des Arbeitsvertrags auch über den 28. Februar 2009 hinaus in der Lackiererei zu beschäftigen.

9

Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Anträge weiter.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Befristungskontrollklage zu Recht abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis des Klägers hat nach § 4 Abs. 1 GBV 6/76 mit Ablauf des Kalendermonats geendet, in dem er das 65. Lebensjahr vollendet hat, also am 28. Februar 2009. Die in der GBV 6/76 enthaltene Altersgrenze ist wirksam. Günstigere vertragliche Vereinbarungen bestehen nicht. Der Weiterbeschäftigungsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an.

12

I. Das Arbeitsverhältnis des Klägers hat mit Ablauf des 28. Februar 2009 geendet. Dies folgt aus § 4 Abs. 1 GBV 6/76, der eine auf das Erreichen des 65. Lebensjahres bezogene Altersgrenze enthält. Die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG greift nicht ein. Die Beklagte und der Gesamtbetriebsrat konnten eine Befristung des Arbeitsvertrags durch eine auf das Regelrentenalter bezogene Altersgrenze in der GBV 6/76 regeln. Die Altersgrenzenregelung verstößt nicht gegen § 75 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BetrVG und das Verbot der Altersdiskriminierung in § 7 Abs. 1, § 1 AGG.

13

1. Anders als vom Landesarbeitsgericht angenommen, enthält bereits § 4 Abs. 1 GBV 6/76 eine auf das Erreichen des gesetzlichen Rentenalters bezogene Altersgrenze. Dies folgt aus dem Wortlaut, der Systematik und dem Normzweck der Vorschrift.

14

a) Betriebsvereinbarungen sind wegen ihres normativen Charakters wie Tarifverträge oder Gesetze auszulegen. Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmung und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei unbestimmtem Wortsinn sind der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen verfolgte Zweck zu berücksichtigen, sofern und soweit sie im Text ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen sowie die von den Betriebsparteien praktizierte Handhabung der Betriebsvereinbarung. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Regelung führt (BAG 18. Oktober 2011 - 1 AZR 376/10 - Rn. 15).

15

b) Der Wortlaut von § 4 Abs. 1 GBV 6/76 ist nicht eindeutig. Er kann dahingehend verstanden werden, dass er ausschließlich die Ruhegeldbezugsberechtigung eines Arbeitnehmers bei Erreichen der festen Altersgrenze regelt. Ein Verständnis, wonach er nicht nur diese, sondern auch die Beendigung der Arbeitsverhältnisse der ruhegeldberechtigten Arbeitnehmer regelt, wird durch den Wortlaut jedoch nicht ausgeschlossen.

16

c) Für die Auslegung von § 4 Abs. 1 GBV 6/76 als Beendigungsnorm spricht der systematische Zusammenhang der Vorschrift. Denn auch an anderer Stelle in der GBV 6/76 wird die Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Zusammenhang mit dem Bezug einer gesetzlichen Rente geregelt. § 3 Abs. 1 GBV 6/76 enthält eine auflösende Bedingung, nach der ein Arbeitnehmer bei Feststellung seiner Erwerbsunfähigkeit und einer entsprechenden Rentengewährung aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Dem entspricht § 4 Abs. 3 GBV 6/76, wonach V-Altersrente vom Beginn des Monats an gezahlt wird, der auf den Zeitpunkt des „altersbedingten Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis mit der V AG“ folgt. Diese Norm, die an die Regelung der festen sowie der flexiblen Altersgrenze in § 4 Abs. 1 und Abs. 2 GBV 6/76 anknüpft, geht von einem „altersbedingten Ausscheiden“ aus dem Arbeitsverhältnis aus und nicht aufgrund eines eigenständigen Beendigungstatbestands. Hierfür spricht auch die Berechnungsregel für die Höhe des Ruhegeldes bei vorzeitigem Ausscheiden in § 8 Abs. 3 GBV 6/76. Nach dieser ist die Dauer des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres begrenzt. Dies kann nur dahingehend verstanden werden, dass das Arbeitsverhältnis jedenfalls bei Erreichen der in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 bestimmten Altersgrenze endet.

17

d) Dies entspricht dem Normzweck. Durch die Regelungen der GBV 6/76 wird den Arbeitnehmern der Beklagten neben ihrer gesetzlichen Altersrente eine weitere Versorgung gewährt, die an die Stelle der entfallenden Arbeitsvergütung tritt. Da die GBV 6/76 nicht regelt, dass das betriebliche Ruhegeld nach Erreichen des Versorgungsfalls auch zusätzlich zum Arbeitsentgelt gezahlt werden kann, ist davon auszugehen, dass durch die Versorgungsordnung zugleich das Arbeitsverhältnis bei Erreichen der festen Altersgrenze beendet werden soll. Dies haben die Betriebsparteien in der GBV 2/92 durch § 4 Abs. 1 Satz 2 GBV 2/92 klargestellt.

18

2. Die Altersgrenzenregelung der GBV 6/76 verstößt nicht gegen die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 BetrVG.

19

a) Danach können Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein (§ 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG). Arbeitsbedingungen sind dann durch Tarifvertrag geregelt, wenn sie in einem Tarifvertrag enthalten sind und der Betrieb in den räumlichen, betrieblichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich dieses Tarifvertrags fällt (BAG 16. August 2011 - 1 AZR 314/10 - Rn. 12). Tarifüblich ist eine Regelung, wenn der Regelungsgegenstand in der Vergangenheit in einem einschlägigen Tarifvertrag enthalten war und die Tarifvertragsparteien über ihn Verhandlungen führen. Bloße zeitliche Geltungslücken zwischen einem abgelaufenen und einem zu erwartenden Tarifvertrag führen nicht zum Wegfall der Sperrwirkung. Keine Tarifüblichkeit liegt allerdings vor, wenn es in der Vergangenheit noch keinen einschlägigen Tarifvertrag gab und die Tarifvertragsparteien lediglich beabsichtigen, die Angelegenheit künftig tariflich zu regeln. Das gilt selbst dann, wenn sie bereits Tarifverhandlungen aufgenommen haben (BAG 26. August 2008 - 1 AZR 354/07 - Rn. 11, BAGE 127, 297).

20

b) Die Voraussetzungen des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG liegen nicht vor. Bis zu der am 14. Oktober 2009 vereinbarten Ergänzung des Manteltarifvertrags vom 15. Dezember 2008 enthielten die für die Beklagte geltenden Tarifverträge keine Altersgrenzenregelungen. Zu welchem Zeitpunkt die Tarifvertragsparteien hierüber Verhandlungen aufgenommen haben, ist unerheblich.

21

3. Die Altersgrenzenregelung in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 ist von der Regelungskompetenz der Betriebsparteien umfasst.

22

a) Bei der GBV 6/76 handelt es sich um eine teilmitbestimmte Betriebsvereinbarung. Soweit diese den Anspruch auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung ausgestaltet hat, unterlag sie dem Beteiligungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Hiervon nicht erfasst war die Festlegung einer Altersgrenze bei Erreichen des Regelrentenalters. Für diesen Regelungsgegenstand folgt die Zuständigkeit der Betriebsparteien aus § 88 BetrVG.

23

b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können die Betriebsparteien durch Betriebsvereinbarungen Regelungen über den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen treffen. Dem Betriebsverfassungsgesetz liegt seiner Konzeption nach eine grundsätzlich umfassende Kompetenz der Betriebsparteien zur Regelung von materiellen und formellen Arbeitsbedingungen zugrunde (grundlegend BAG GS 7. November 1989 - GS 3/85 - zu C I 2 der Gründe, BAGE 63, 211). Dies folgt insbesondere aus § 77 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 BetrVG. Zwar dient diese Regelung in erster Linie der Sicherung der ausgeübten und aktualisierten Tarifautonomie. Zugleich zeigt sie aber, dass der Gesetzgeber dort, wo die Tarifvertragsparteien ihre Befugnis zur Regelung von Arbeitsbedingungen nicht wahrnehmen oder den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen zulassen, von einer Regelungskompetenz der Betriebsparteien ausgeht. Hierfür spricht ferner, dass freiwillige Betriebsvereinbarungen nach § 88 BetrVG nicht auf die dort ausdrücklich genannten Gegenstände beschränkt sind, sondern, wie sich aus dem Wort „insbesondere“ ergibt, auch über andere Gegenstände möglich sein sollen(BAG 12. April 2011 - 1 AZR 412/09 - Rn. 19, BAGE 137, 300).

24

c) Diese Normsetzungsbefugnis für Regelungsgegenstände außerhalb der zwingenden Mitbestimmung des Betriebsrats ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Die betriebliche Normsetzung unterliegt allerdings Binnenschranken. Die Vereinbarkeit der in freiwilligen Betriebsvereinbarungen getroffenen Regelungen mit höherrangigem Recht ist zudem im Individualprozess gerichtlich voll überprüfbar (BAG 12. Dezember 2006 - 1 AZR 96/06 - Rn. 13 ff., 22, BAGE 120, 308).

25

4. Die Altersgrenzenregelung in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 verstößt nicht gegen § 75 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BetrVG. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Erreichen des Regelrentenalters ist sachlich gerechtfertigt iSv. § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG.

26

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats sind die Betriebsparteien beim Abschluss von Betriebsvereinbarungen gemäß § 75 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BetrVG zur Wahrung der grundrechtlich geschützten Freiheitsrechte verpflichtet(BAG 17. Juli 2012 - 1 AZR 476/11 - Rn. 36). Dazu gehört die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit der Arbeitnehmer(BAG 12. April 2011 - 1 AZR 412/09 - Rn. 20, BAGE 137, 300).

27

b) Im Bereich des arbeitsvertraglichen Bestandsschutzes ist im Interesse der Gewährleistung der durch Art. 12 Abs. 1 GG garantierten Berufsfreiheit der Arbeitnehmer ein staatlicher Mindestschutz unverzichtbar. Das folgt aus der Schutzpflichtfunktion der Grundrechte, die staatliche Grundrechtsadressaten dazu verpflichten, einzelne Grundrechtsträger vor einer unangemessenen Beschränkung ihrer Grundrechte zu bewahren. Bei der Befristung von Arbeitsverhältnissen schützen seit dem 1. Januar 2001 die Bestimmungen des TzBfG vor einer unangemessenen Beeinträchtigung des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG(BAG 8. Dezember 2010 - 7 AZR 438/09 - Rn. 29, BAGE 136, 270). Von den zwingenden Regelungen in § 14 TzBfG kann nach § 22 Abs. 1 TzBfG nicht zuungunsten der Arbeitnehmer abgewichen werden. Demzufolge bedürfen auch Befristungsregelungen in Betriebsvereinbarungen zu ihrer Wirksamkeit eines sie rechtfertigenden Sachgrunds iSv. § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG.

28

c) Der zeitliche Anwendungsbereich des § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG ist eröffnet. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer in einer Betriebsvereinbarung enthaltenen Befristung unterliegt seit dem 1. Januar 2001 der Befristungskontrolle nach den Vorschriften des TzBfG. Dies gilt auch für vor diesem Zeitpunkt abgeschlossene Betriebsvereinbarungen.

29

d) Die Altersgrenze in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 ist nach § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG sachlich gerechtfertigt.

30

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann eine mit Erreichen des Regelrentenalters verknüpfte Altersgrenzenregelung in Kollektivnormen die Befristung des Arbeitsverhältnisses iSv. § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG sachlich rechtfertigen. Zwar verfolgt der Arbeitnehmer mit seinem Wunsch nach einer dauerhaften Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses über das Regelrentenalter hinaus legitime wirtschaftliche und ideelle Anliegen. Das Arbeitsverhältnis sichert seine wirtschaftliche Existenzgrundlage und bietet ihm die Möglichkeit beruflicher Selbstverwirklichung. Jedoch hat der Arbeitnehmer bei Erreichen der Regelaltersgrenze regelmäßig ein langes Berufsleben hinter sich. Daneben war er typischerweise von der Anwendung der Altersgrenzenregelung durch seinen Arbeitgeber selbst begünstigt, weil sich seine Einstellungs- und Aufstiegschancen durch das altersbedingte Ausscheiden anderer Arbeitnehmer verbessert haben. Dem gegenüber steht das Bedürfnis des Arbeitgebers nach einer sachgerechten und berechenbaren Personal- und Nachwuchsplanung. Dem Interesse des Arbeitgebers, beizeiten geeigneten Nachwuchs einzustellen oder bereits beschäftigte Arbeitnehmer fördern zu können, ist Vorrang vor dem Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers zu gewähren, wenn der Arbeitnehmer durch den Bezug der Regelaltersrente wirtschaftlich abgesichert ist. Endet das Arbeitsverhältnis durch die vereinbarte Altersgrenze, verliert der Arbeitnehmer den Anspruch auf die Arbeitsvergütung, die ihm bisher zum Bestreiten seines Lebensunterhalts zur Verfügung gestanden hat. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer Altersgrenzenregelung ist verfassungsrechtlich nur zu rechtfertigen, wenn an die Stelle der Arbeitsvergütung der dauerhafte Bezug von Leistungen aus einer Altersversorgung tritt. Die Anbindung an eine rentenrechtliche Versorgung bei Ausscheiden durch eine Altersgrenze ist damit Bestandteil des Sachgrunds. Die Wirksamkeit der Befristung ist allerdings auch nicht von der konkreten wirtschaftlichen Absicherung des Arbeitnehmers bei Erreichen der Altersgrenze abhängig (BAG 21. September 2011 - 7 AZR 134/10 - Rn. 22).

31

bb) Nach diesen Grundsätzen ist die Altersgrenzenregelung in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 jedenfalls für Arbeitsverhältnisse mit Arbeitnehmern, die - wie der Kläger - vor dem 1. Januar 1947 geboren sind, nicht zu beanstanden. Die Regelung knüpft zwar an die Vollendung des 65. Lebensjahrs an und stellt nicht ausdrücklich auf das Erreichen des Regelrentenalters ab. Jedoch wurde dieses bei Ausscheiden des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis noch mit der Vollendung des 65. Lebensjahrs erreicht (§ 35 Nr. 1, § 235 Abs. 2 Satz 1 SGB VI idF des Rentenversicherungs-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007 [BGBl. I S. 554]).

32

5. Der durch § 4 Abs. 1 GBV 6/76 bewirkten Beendigung von Arbeitsverhältnissen bei Erreichen der Regelaltersgrenze steht das Verbot der Altersdiskriminierung aus § 75 Abs. 1 BetrVG, § 7 Abs. 1, § 1 AGG nicht entgegen. Die Altersgrenze führt zwar zu einer unmittelbaren Benachteiligung wegen des Alters. Diese ist aber nach § 10 Satz 3 Nr. 5, Satz 1 und Satz 2 AGG zulässig. Weder diese gesetzliche Bestimmung noch die sie ausgestaltende Betriebsvereinbarung sind unionsrechtlich zu beanstanden.

33

a) Arbeitgeber und Betriebsrat haben nach § 75 Abs. 1 BetrVG darüber zu wachen, dass jede Benachteiligung von Personen aus den in der Vorschrift genannten Gründen unterbleibt. § 75 Abs. 1 BetrVG enthält nicht nur ein Überwachungsgebot, sondern verbietet zugleich Vereinbarungen, durch die Arbeitnehmer aufgrund der dort aufgeführten Merkmale benachteiligt werden. Der Gesetzgeber hat die in § 1 AGG geregelten Benachteiligungsverbote in § 75 Abs. 1 BetrVG übernommen. Die unterschiedliche Behandlung der Betriebsangehörigen aus einem in § 1 AGG genannten Grund ist daher nur unter den im AGG normierten Voraussetzungen zulässig(BAG 23. März 2010 - 1 AZR 832/08 - Rn. 14).

34

b) Der zeitliche Anwendungsbereich des AGG ist eröffnet.

35

aa) Die Regelungen des AGG sind auch auf Altersgrenzen anzuwenden, die vor Inkrafttreten des AGG einzelvertraglich oder in Kollektivnormen vereinbart wurden, wenn die Altersgrenze im Einzelfall erst mit oder nach Inkrafttreten des AGG erreicht wird. Nur wenn diese bereits vor dem 18. August 2006 erreicht wurde, gilt nach § 33 Abs. 1 AGG altes Recht( BAG 17. Juni 2009 - 7 AZR 112/08 (A) - Rn. 36, BAGE 131, 113).

36

bb) Dies ist vorliegend nicht der Fall. Der Kläger vollendete sein 65. Lebensjahr am 9. Februar 2009 und erreichte die in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 normierte Altersgrenze am 28. Februar 2009.

37

c) Die Altersgrenzenregelung in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 enthält eine unmittelbar auf dem Merkmal des Alters beruhende Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer, die das 65. Lebensjahr vollendet haben.

38

Das Erreichen des in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 festgesetzten Lebensalters führt automatisch zur Auflösung des Arbeitsvertrags. Arbeitnehmer, die dieses Alter erreicht haben, erfahren somit eine weniger günstige Behandlung als alle anderen Erwerbstätigen. Eine solche Regelung hat daher eine unmittelbar auf dem Alter beruhende Ungleichbehandlung bei den Entlassungsbedingungen iSd. § 7 Abs. 1, § 3 Abs. 1 Satz 1, § 1 AGG zur Folge.

39

d) Die unterschiedliche Behandlung in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 ist nach § 10 Satz 3 Nr. 5, Satz 1 und Satz 2 AGG zulässig.

40

aa) § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG erlauben die in einer Vereinbarung nach § 10 Satz 3 Nr. 5 Halbs. 1 AGG enthaltene unterschiedliche Behandlung wegen des Alters, wenn diese objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Mit diesen Regelungen hat der Gesetzgeber die sich aus Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (Richtlinie 2000/78/EG) in nationales Recht umgesetzt (BT-Drucks. 16/1780 S. 1 bis 3 und S. 20 bis 27). Die Prüfung der Zulässigkeit einer auf dem Alter beruhenden unterschiedlichen Behandlung hat daher unter Beachtung der Richtlinie 2000/78/EG und der zu ihrer Auslegung ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu erfolgen.

41

bb) Die Regelung in § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG verfolgt ein legitimes Ziel iSd. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG.

42

Der Europäische Gerichtshof hat Altersgrenzenvereinbarungen iSv. § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG, die an das Alter und die Beitragszahlung betreffenden Voraussetzungen für den Bezug einer Altersrente anknüpfen, grundsätzlich als solche angesehen, die eine Ungleichbehandlung wegen des Alters iSd. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG als objektiv und angemessen erscheinen lassen und im Rahmen des nationalen Rechts rechtfertigen können. Bei diesen handele es sich um Instrumente der nationalen Arbeitsmarktpolitik, mit denen über eine bessere Beschäftigungsverteilung zwischen den Generationen der Zugang zur Beschäftigung gefördert werden soll (EuGH 5. Juli 2012 - C-141/11 - [Hörnfeldt] Rn. 29; 12. Oktober 2010 - C-45/09 - [Rosenbladt] Rn. 62, Slg. 2010, I-9391). Mit solchen Maßnahmen verfolgen die Mitgliedstaaten ein legitimes Ziel im Bereich der Sozial- oder Beschäftigungspolitik. Die automatische Beendigung der Arbeitsverhältnisse von Beschäftigten, die die Voraussetzungen für den Bezug einer Altersrente erfüllen, ist seit längerer Zeit Teil des Arbeitsrechts zahlreicher Mitgliedstaaten und in den Beziehungen des Arbeitslebens weithin üblich. Dieser Mechanismus - so der Gerichtshof - beruht auf einem Ausgleich zwischen politischen, wirtschaftlichen, sozialen, demografischen und/oder haushaltsbezogenen Erwägungen und betrifft die Entscheidung der Mitgliedstaaten über die Dauer der Lebensarbeitszeit der Arbeitnehmer (EuGH 12. Oktober 2010 - C-45/09 - [Rosenbladt] Rn. 44, aaO). Die beschäftigungs- und arbeitsmarktpolitischen Ziele können sich dabei entweder auf den gesamten Arbeitsmarkt oder auf die Beschäftigungssituation in bestimmten Branchen erstrecken (EuGH 16. Oktober 2007 - C-411/05 - [Palacios de la Villa] Rn. 69 f., Slg. 2007, I-8531). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs steht die Regelung über die Zulässigkeit von Altersgrenzen in § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG wegen des mit ihr verfolgten arbeits- und beschäftigungspolitischen Ziels im Einklang mit Unionsrecht(EuGH 12. Oktober 2010 - C-45/09 - [Rosenbladt] Rn. 51, aaO). Die Nutzung dieser Ermächtigung durch eine Kollektivvereinbarung müsse allerdings ebenfalls in angemessener und erforderlicher Weise ein legitimes Ziel iSd. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG verfolgen(EuGH 12. Oktober 2010 - C-45/09 - [Rosenbladt] Rn. 53, aaO). Die Prüfung, ob mit einer solchen Altersgrenzenvereinbarung legitime Ziele iSv. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG verfolgt werden und die Mittel hierzu angemessen und erforderlich sind, obliegt dabei dem nationalen Gericht(EuGH 18. November 2010 - C-250/09 und C-268/09 - [Georgiev] Rn. 43, Slg. 2010, I-11869).

43

cc) Die Voraussetzungen des § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG liegen vor.

44

(1) Die Altersgrenzenregelung in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 sieht die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu einem Zeitpunkt vor, zu dem der betroffene Arbeitnehmer die Regelaltersrente beanspruchen kann.

45

(2) Der Berücksichtigung der beschäftigungspolitischen Zielsetzung als legitimen Ziel iSd. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG steht nicht entgegen, dass diese nicht in der GBV 6/76 ausdrücklich genannt ist. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist es ausreichend, wenn andere aus dem allgemeinen Kontext der betreffenden Maßnahme abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter dieser Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen, damit dessen Rechtmäßigkeit sowie die Angemessenheit und Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüft werden können (EuGH 5.  Juli 2012 - C-141/11 - [Hörnfeldt] Rn. 24).

46

(3) Nach den nicht mit einer Verfahrensrüge angegriffenen und den Senat bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wollten die Betriebsparteien mit den seit dem 1. Dezember 1976 bei der Beklagten geltenden Altersgrenzen eine zusätzliche soziale Absicherung der Arbeitnehmer im Zeitpunkt ihres Renteneintritts erreichen sowie einen geordneten Rahmen für die Personalplanung, eine ausgewogene Altersstruktur der Belegschaft und für die Nachwuchsförderung schaffen. Hierbei handelt es sich um beschäftigungspolitische Ziele iSd. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG.

47

(4) Die Rechtsqualität der GBV 6/76 als Betriebsvereinbarung steht dem nicht entgegen.

48

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs können auch auf dem Alter beruhende Ungleichbehandlungen in betrieblichen Vereinbarungen zulässig sein, wenn die Betriebsparteien mit ihren Regelungen sozial- und beschäftigungspolitische Ziele iSd. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG verfolgen, sofern die zur Erreichung dieser Ziele eingesetzten Mittel angemessen und erforderlich sind und nicht über das zur Erreichung des verfolgten Ziels Erforderliche hinausgehen (EuGH 6. Dezember 2012 - C-152/11 - [Odar] Rn. 43, 46, 49). Der Gerichtshof sieht Arbeitgeber und Betriebsrat als Sozialpartner an (vgl. EuGH 9. Dezember 2004 - C-19/02 - [Hlozek] Rn. 38, Slg. 2004, I-11491), denen bei der Entscheidung über die Verfolgung eines bestimmten sozial- und beschäftigungspolitischen Ziels sowie bei der Festlegung der für seine Erreichung geeigneten Maßnahmen ein weiter Ermessenspielraum zusteht (EuGH 12. Oktober 2010 - C-45/09 - [Rosenbladt] Rn. 69, Slg. 2010, I-9391).

49

dd) Die in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 enthaltene Altersgrenze ist erforderlich und angemessen iSd. § 10 Satz 2 AGG.

50

Die Regelung ist zur Erreichung der mit ihr verfolgten beschäftigungspolitischen Ziele erforderlich. Es ist jedenfalls nicht unvernünftig, wenn die Betriebsparteien davon ausgehen, dass das Ausscheiden von rentenbezugsberechtigten Arbeitnehmern eine sichere Personalplanung ermöglicht, zur Gewährleistung einer ausgewogenen Altersstruktur der Belegschaft beiträgt und die Einstellungschancen von jüngeren Arbeitnehmern fördert. Die Altersgrenze in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 erweist sich in Bezug auf die von ihr betroffenen Arbeitnehmer auch nicht als unangemessen. Die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses trifft sie nicht unvorbereitet. Die Regelung führt nicht zu ihrem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben. Sie enthält kein Verbot einer bestimmten beruflichen Tätigkeit, sondern beendet nur das in der Vergangenheit begründete Arbeitsverhältnis. Der mit dem Wegfall des Arbeitsentgelts verbundene wirtschaftliche Nachteil wird durch die Bezugsmöglichkeit der Regelaltersrente zumindest teilweise ausgeglichen.

51

e) Der Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 Abs. 3 AEUV bedarf es nicht.

52

Die für die Beurteilung von auf das Regelrentenalter bezogenen Altersgrenzen geltenden unionsrechtlichen Anforderungen sind durch die angeführte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH 5.  Juli 2012 - C-141/11 - [Hörnfeldt]; 18. November 2010 - C-250/09 und C-268/09 - [Georgiev] Slg. 2010, I-11869; 12. Oktober 2010 - C-45/09 - [Rosenbladt] Slg. 2010, I-9391; 16. Oktober 2007 - C-411/05 - [Palacios de la Villa] Slg. 2007, I-8531) als geklärt anzusehen. Nach den Entscheidungen des Gerichtshofs in den Rs. Odar (EuGH 6. Dezember 2012 - C-152/11 - [Odar]) und Hlozek (EuGH 9. Dezember 2004 - C-19/02 - [Hlozek] Slg. 2004, I-11491) steht zudem fest, dass in Betriebsvereinbarungen enthaltene Ungleichbehandlungen aufgrund des Alters durch sozial- und beschäftigungspolitische Ziele iSd. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG gerechtfertigt werden können.

53

6. Weitere Unwirksamkeitsgründe gegenüber der durch § 4 Abs. 1 GBV 6/76 bewirkten Befristung seines Arbeitsvertrags hat der Kläger nicht geltend gemacht(§ 17 Satz 1 und Satz 2 TzBfG iVm. § 6 Satz 1 KSchG).

54

II. Die Altersgrenzenregelung in § 4 Abs. 1 GBV 6/76 wird nicht durch eine für den Kläger günstigere Abrede verdrängt.

55

1. Nach § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG gelten Betriebsvereinbarungen zwar unmittelbar und zwingend. Diese gesetzliche Regelung ist jedoch unvollständig. Sie wird durch das Günstigkeitsprinzip ergänzt. Das in § 4 Abs. 3 TVG nur unvollkommen geregelte Günstigkeitsprinzip ist Ausdruck eines umfassenden Grundsatzes, der unabhängig von der Art der Rechtsquelle und auch außerhalb des Tarifvertragsgesetzes Geltung beansprucht. Es gilt auch für das Verhältnis von vertraglichen Ansprüchen zu den Inhaltsnormen einer Betriebsvereinbarung (BAG GS 16. September 1986 - GS 1/82 - zu C II 3 a, b der Gründe, BAGE 53, 42). Günstigere einzelvertragliche Vereinbarungen gehen daher den belastenden Regelungen einer Betriebsvereinbarung vor (BAG 6. November 2007 - 1 AZR 862/06 - Rn. 23, BAGE 124, 323).

56

2. Mit der in Nr. 3 der Einstellungsmeldung vom 25. Oktober 1979 enthaltenen Formulierung, nach der das Arbeitsverhältnis auf „unbestimmte Zeit“ abgeschlossen gilt, haben die Parteien keine für den Kläger gegenüber der GBV 6/76 günstigere Vereinbarung getroffen.

57

Die vertragliche Regelung enthält eine auflösende Bedingung, wonach das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der vierwöchigen Probezeit endet, wenn die Beklagte die Weiterbeschäftigung nicht mindestens sieben Tage vor deren Ablauf ablehnt. Verzichtet sie hierauf, wird das Arbeitsverhältnis nach dem Ablauf der Probezeit als unbefristetes fortgesetzt. Nach dem für die Auslegung von Verträgen maßgeblichen Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) konnte der Kläger die bei seiner Einstellung im Jahr 1979 getroffene Vereinbarung nicht dahingehend verstehen, das Arbeitsverhältnis könne bis zu seinem Ableben nur durch eine Kündigung oder einen Aufhebungsvertrag beendet werden. Hiergegen spricht insbesondere die bei Vertragsschluss erfolgte Übergabe der GBV 6/76, in der die bei der Beklagten geltende Altersgrenze enthalten war. Durch Nr. 3 der Einstellungsmeldung sollte nicht eine auf das Regelrentenalter bezogene Altersgrenze abbedungen werden, sondern vielmehr nur klargestellt werden, dass das Arbeitsverhältnis nicht nur für eine im Voraus konkret bestimmte Frist abgeschlossen wird (BAG 8. Dezember 2010 - 7 AZR 438/09 - Rn. 23, BAGE 136, 270).

58

3. Ungeachtet dessen haben die Parteien ihre arbeitsvertraglichen Beziehungen hinsichtlich einer Altersgrenzenregelung in den von der Beklagten vorgegebenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen betriebsvereinbarungsoffen gestaltet.

59

a) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Maßgebend für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies gemäß § 305c Abs. 2 BGB zulasten des Verwenders(BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 19, BAGE 139, 156).

60

b) Die Arbeitsvertragsparteien können ihre vertraglichen Absprachen dahingehend gestalten, dass sie einer Abänderung durch betriebliche Normen unterliegen. Das kann ausdrücklich oder bei entsprechenden Begleitumständen konkludent erfolgen und ist nicht nur bei betrieblichen Einheitsregelungen und Gesamtzusagen möglich, sondern auch bei einzelvertraglichen Abreden. Eine solche konkludente Vereinbarung ist regelmäßig anzunehmen, wenn der Vertragsgegenstand in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten ist und einen kollektiven Bezug hat. Mit der Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen macht der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer erkennbar deutlich, dass im Betrieb einheitliche Vertragsbedingungen gelten sollen. Eine betriebsvereinbarungsfeste Gestaltung der Arbeitsbedingungen stünde dem entgegen. Die Änderung und Umgestaltung von betriebseinheitlich gewährten Leistungen wäre nur durch den Ausspruch von Änderungskündigungen möglich. Der Abschluss von betriebsvereinbarungsfesten Abreden würde zudem den Gestaltungsraum der Betriebsparteien für zukünftige Anpassungen von Arbeitsbedingungen mit kollektivem Bezug einschränken. Da Allgemeine Geschäftsbedingungen ebenso wie Bestimmungen in einer Betriebsvereinbarung auf eine Vereinheitlichung der Regelungsgegenstände gerichtet sind, kann aus Sicht eines verständigen und redlichen Arbeitnehmers nicht zweifelhaft sein, dass es sich bei den vom Arbeitgeber gestellten Arbeitsbedingungen um solche handelt, die einer Änderung durch Betriebsvereinbarung zugänglich sind. Etwas anderes gilt nur dann, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausdrücklich Vertragsbedingungen vereinbaren, die unabhängig von einer für den Betrieb geltenden normativen Regelung Anwendung finden sollen.

61

c) Dem steht die Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB nicht entgegen. Danach muss der die Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendende Arbeitgeber bei Unklarheiten die ihm ungünstigste Auslegungsmöglichkeit gegen sich gelten lassen. Diese Auslegungsregel kommt allerdings erst dann zur Anwendung, wenn der Klauselinhalt nicht bereits durch Auslegung zweifelsfrei festgestellt werden kann. Es müssen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht (BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 20, BAGE 139, 156).

62

d) Nach diesen Grundsätzen ist der Arbeitsvertrag der Parteien in Bezug auf eine Altersgrenzenregelung betriebsvereinbarungsoffen ausgestaltet. Bei den in der Einstellungsmeldung enthaltenen Vertragsinhalten handelt es sich um von der Beklagten gestellte Allgemeine Geschäftsbedingungen mit kollektivem Bezug. Dass der Vereinbarung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses in Nr. 3 der Einstellungsmeldung eine betriebsvereinbarungsfeste Individualvereinbarung zugrunde liegt, die zur Verdrängung der Altersgrenzenregelung in § 4 Abs. 3 GBV 6/76 führt, hat der Kläger selbst nicht behauptet.

63

III. Der Weiterbeschäftigungsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an, da er, wie seine Auslegung ergibt, nur bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits gestellt ist.

        

    Schmidt    

        

    Linck    

        

    Koch    

        

        

        

    Manfred Gentz    

        

    Berg    

                 

(1) Tarifgebunden sind die Mitglieder der Tarifvertragsparteien und der Arbeitgeber, der selbst Partei des Tarifvertrags ist.

(2) Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen gelten für alle Betriebe, deren Arbeitgeber tarifgebunden ist.

(3) Die Tarifgebundenheit bleibt bestehen, bis der Tarifvertrag endet.

(1) Die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen. Diese Vorschrift gilt entsprechend für Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen.

(2) Sind im Tarifvertrag gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien vorgesehen und geregelt (Lohnausgleichskassen, Urlaubskassen usw.), so gelten diese Regelungen auch unmittelbar und zwingend für die Satzung dieser Einrichtung und das Verhältnis der Einrichtung zu den tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

(3) Abweichende Abmachungen sind nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten.

(4) Ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte ist nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig. Die Verwirkung von tariflichen Rechten ist ausgeschlossen. Ausschlußfristen für die Geltendmachung tariflicher Rechte können nur im Tarifvertrag vereinbart werden.

(5) Nach Ablauf des Tarifvertrags gelten seine Rechtsnormen weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

(1) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann einen Tarifvertrag im Einvernehmen mit einem aus je drei Vertretern der Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer bestehenden Ausschuss (Tarifausschuss) auf gemeinsamen Antrag der Tarifvertragsparteien für allgemeinverbindlich erklären, wenn die Allgemeinverbindlicherklärung im öffentlichen Interesse geboten erscheint. Die Allgemeinverbindlicherklärung erscheint in der Regel im öffentlichen Interesse geboten, wenn

1.
der Tarifvertrag in seinem Geltungsbereich für die Gestaltung der Arbeitsbedingungen überwiegende Bedeutung erlangt hat oder
2.
die Absicherung der Wirksamkeit der tarifvertraglichen Normsetzung gegen die Folgen wirtschaftlicher Fehlentwicklung eine Allgemeinverbindlicherklärung verlangt.

(1a) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann einen Tarifvertrag über eine gemeinsame Einrichtung zur Sicherung ihrer Funktionsfähigkeit im Einvernehmen mit dem Tarifausschuss auf gemeinsamen Antrag der Tarifvertragsparteien für allgemeinverbindlich erklären, wenn der Tarifvertrag die Einziehung von Beiträgen und die Gewährung von Leistungen durch eine gemeinsame Einrichtung mit folgenden Gegenständen regelt:

1.
den Erholungsurlaub, ein Urlaubsgeld oder ein zusätzliches Urlaubsgeld,
2.
eine betriebliche Altersversorgung im Sinne des Betriebsrentengesetzes,
3.
die Vergütung der Auszubildenden oder die Ausbildung in überbetrieblichen Bildungsstätten,
4.
eine zusätzliche betriebliche oder überbetriebliche Vermögensbildung der Arbeitnehmer,
5.
Lohnausgleich bei Arbeitszeitausfall, Arbeitszeitverkürzung oder Arbeitszeitverlängerung.
Der Tarifvertrag kann alle mit dem Beitragseinzug und der Leistungsgewährung in Zusammenhang stehenden Rechte und Pflichten einschließlich der dem Verfahren zugrunde liegenden Ansprüche der Arbeitnehmer und Pflichten der Arbeitgeber regeln. § 7 Absatz 2 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes findet entsprechende Anwendung.

(2) Vor der Entscheidung über den Antrag ist Arbeitgebern und Arbeitnehmern, die von der Allgemeinverbindlicherklärung betroffen werden würden, den am Ausgang des Verfahrens interessierten Gewerkschaften und Vereinigungen der Arbeitgeber sowie den obersten Arbeitsbehörden der Länder, auf deren Bereich sich der Tarifvertrag erstreckt, Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme sowie zur Äußerung in einer mündlichen und öffentlichen Verhandlung zu geben. In begründeten Fällen kann das Bundesministerium für Arbeit und Soziales eine Teilnahme an der Verhandlung mittels Video- oder Telefonkonferenz vorsehen.

(3) Erhebt die oberste Arbeitsbehörde eines beteiligten Landes Einspruch gegen die beantragte Allgemeinverbindlicherklärung, so kann das Bundesministerium für Arbeit und Soziales dem Antrag nur mit Zustimmung der Bundesregierung stattgeben.

(4) Mit der Allgemeinverbindlicherklärung erfassen die Rechtsnormen des Tarifvertrags in seinem Geltungsbereich auch die bisher nicht tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Ein nach Absatz 1a für allgemeinverbindlich erklärter Tarifvertrag ist vom Arbeitgeber auch dann einzuhalten, wenn er nach § 3 an einen anderen Tarifvertrag gebunden ist.

(5) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann die Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrags im Einvernehmen mit dem in Absatz 1 genannten Ausschuß aufheben, wenn die Aufhebung im öffentlichen Interesse geboten erscheint. Die Absätze 2 und 3 gelten entsprechend. Im übrigen endet die Allgemeinverbindlichkeit eines Tarifvertrags mit dessen Ablauf.

(6) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann der obersten Arbeitsbehörde eines Landes für einzelne Fälle das Recht zur Allgemeinverbindlicherklärung sowie zur Aufhebung der Allgemeinverbindlichkeit übertragen.

(7) Die Allgemeinverbindlicherklärung und die Aufhebung der Allgemeinverbindlichkeit bedürfen der öffentlichen Bekanntmachung. Die Bekanntmachung umfasst auch die von der Allgemeinverbindlicherklärung erfassten Rechtsnormen des Tarifvertrages.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 20. September 2013 - 9 Sa 57/13 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 13. November 2012 - 6 Ca 517/12 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Vergütung nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) in seiner jeweils geltenden Fassung sowie hieraus resultierende Zahlungsansprüche für die Zeit von März bis September 2012.

2

Die Klägerin ist seit 1995 in den von der Beklagten betriebenen Kliniken für Rheumatologie als Krankenpflegerin beschäftigt. In ihrem Arbeitsvertrag vom 31. März 1995 heißt es:

        

§ 2   

        

Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Bundes-Angestellten-Tarifvertrag (BAT) sowie den jeweils ergänzenden, ändernden, ersetzenden und sonstigen für die Art der Tätigkeit des Beschäftigten einschlägigen Tarifvereinbarungen.“

3

Die Klägerin war zuletzt in VergGr. Kr. IV, Stufe 9 BAT eingruppiert. Seit März 2004 erhält sie eine monatliche Vergütung in Höhe von insgesamt 2.358,04 Euro brutto.

4

Die Beklagte war zunächst mehrheitlich im Besitz öffentlicher Anteilseigner, namentlich der Stadt B und des Landes Rheinland-Pfalz. Mit Wirkung zum 1. Januar 1999 erwarb die S Kliniken GmbH insgesamt 75,09 vH der Aktien.

5

In § 5 II Nr. 5 des zwischen der S Kliniken GmbH auf der einen und der Stadt B sowie dem Land Rheinland-Pfalz auf der anderen Seite geschlossenen Aktienkaufvertrags heißt es:

        

„Die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vorhandenen Mitarbeiter werden weiterhin nach BAT-BMT-G entlohnt und deren Zusatzversorgung nach dem einschlägigen Tarifvertrag gewährleistet.“

6

Die Beklagte war zunächst Mitglied im Kommunalen Arbeitgeberverband Rheinland-Pfalz. Mit Ablauf des 31. März 1999 wurde sie aufgrund der neuen Eigentumsverhältnisse aus dem Verband ausgeschlossen, da die satzungsmäßigen Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft nicht mehr gegeben waren.

7

Die Beklagte gab die zum 1. April 1999, 1. August 2000, 1. September 2001, 1. März 2003 und 1. März 2004 für den öffentlichen Dienst vereinbarten tariflichen Entgelterhöhungen an ihre Arbeitnehmer weiter.

8

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, sie nach der Entgeltgruppe 4a, Stufe 5 TVöD für den Dienstleistungsbereich Krankenhäuser im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD-K) zu vergüten. Der Anspruch ergebe sich aus § 2 des Arbeitsvertrags. Zudem enthalte § 5 II Nr. 5 des Aktienkaufvertrags einen echten Vertrag zugunsten Dritter. Die mehrfache Weitergabe der Tarifentgelterhöhungen in den Jahren 1999 bis 2004 habe schließlich in Ansehung der genannten Erklärung im Aktienkaufvertrag zu einer Vertragsänderung geführt, jedenfalls aber eine betriebliche Übung begründet.

9

Die Klägerin hat zuletzt sinngemäß beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie 840,21 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 120,03 Euro brutto seit dem 1. Mai 2012, 1. Juni 2012, 1. Juli 2012, 1. August 2012, 1. September 2012 und 1. Oktober 2012 zu zahlen;

        

2.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, sie ab Oktober 2012 nach der Entgeltgruppe 4a, Stufe 5 TVöD-K zu vergüten.

10

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, bei der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel handele es sich um eine Gleichstellungsabrede im Sinne der ehemaligen Senatsrechtsprechung. Nach ihrem Ausscheiden aus dem Arbeitgeberverband wirkten die in Bezug genommenen Tarifverträge deshalb nur noch statisch fort. Aus dem Aktienkaufvertrag folge nichts anderes. Dieser Vertrag binde sie nicht. Sie sei nicht Vertragspartei, sondern vielmehr nur Gegenstand des Vertrags gewesen. § 5 II Nr. 5 des Aktienkaufvertrags enthalte keine Pflicht zur Gewährung künftiger Tarifentgelterhöhungen an Dritte. Allein die mehrmalige Weitergabe von Tarifentgelterhöhungen führe überdies nicht zu einer betrieblichen Übung und damit einer entsprechenden Verpflichtung für die Zukunft.

11

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist zulässig und begründet. Das Landesarbeitsgericht durfte der Klage nicht mit der von ihm gegebenen Begründung stattgeben. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Das führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Klageabweisung (§ 563 Abs. 3 ZPO).

13

I. Die Revision ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und ordnungsgemäß begründet worden. Die Beschwer der Beklagten ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht durch die Zahlung der titulierten Entgeltforderung (teilweise) entfallen.

14

1. Die Beschwer einer zur Zahlung verurteilten Partei entfällt, wenn sie den titulierten Betrag nicht nur zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil zahlt, sondern den Klageanspruch aus freien Stücken ohne Vorbehalt (endgültig) erfüllen will. Ob das eine oder andere anzunehmen ist, richtet sich nach den dem Zahlungsempfänger erkennbaren Umständen des Einzelfalls (BAG 21. März 2012 - 5 AZR 320/11 - Rn. 12).

15

2. Im Streitfall war die Beklagte von der Klägerin nach Bestätigung der erstinstanzlichen Entscheidung durch das Landesarbeitsgericht unter Fristsetzung zur Zahlung der vom Arbeitsgericht titulierten Forderung aufgefordert worden. Das der Klage stattgebende, vom Berufungsgericht bestätigte erstinstanzliche Urteil war auch vorläufig vollstreckbar (§ 62 Abs. 1 Satz 1 ArbGG). Die Beklagte konnte daher das Schreiben der Klägerin nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) auch ohne ausdrücklichen Hinweis als Inaussichtstellung der Zwangsvollstreckung verstehen. Anders als in der von der Klägerin herangezogenen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts hat die Beklagte nicht im Zusammenhang mit der Zahlung zum Ausdruck gebracht, die Klägerin könne das Geld unabhängig vom Ausgang eines Revisionsverfahrens behalten (vgl. BAG 21. März 2012 - 5 AZR 320/11 - Rn. 14).

16

II. Die Revision der Beklagten ist begründet. Die geltend gemachten Ansprüche stehen der Klägerin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 4a, Stufe 5 TVöD-K und die Zahlung der entsprechenden Vergütungsdifferenzen für den Zeitraum von März bis September 2012.

17

1. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, durch die Weitergabe der Tarifentgelterhöhungen in den Jahren 1999 bis 2004 sei eine - die Beklagte für die Zukunft bindende - betriebliche Übung entstanden.

18

a) Die Beurteilung, ob die vom Berufungsgericht festgestellten Tatsachen die Annahme einer betrieblichen Übung hinsichtlich der Gewährung von Leistungen rechtfertigen oder nicht, unterliegt der uneingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung (vgl. nur BAG 19. August 2015 - 5 AZR 450/14 - Rn. 20; 5. Mai 2015 - 1 AZR 806/13 - Rn. 26; 31. Juli 2007 - 3 AZR 189/06 - Rn. 17; 18. April 2007 - 4 AZR 653/05 - Rn. 45; grundlegend 28. Juni 2006 - 10 AZR 385/05 - Rn. 39 mwN, BAGE 118, 360).

19

b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist unter einer betrieblichen Übung die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden (BAG 23. März 2011 - 4 AZR 268/09 - Rn. 59).

20

aa) Aus einem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Entscheidend für die Entstehung eines Anspruchs ist, wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen musste und durfte. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber mit einem entsprechenden Verpflichtungswillen gehandelt hat. Die Wirkung einer Willenserklärung im Rechtsverkehr setzt ein, wenn aus der Sicht des Erklärungsempfängers der Erklärende einen auf eine bestimmte Rechtswirkung gerichteten Willen geäußert hat (sh. nur BAG 23. März 2011 - 4 AZR 268/09 - Rn. 60; 17. März 2010 - 5 AZR 317/09 - Rn. 20, BAGE 133, 337).

21

bb) Gewährt ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern wiederholt eine Erhöhung der Löhne und Gehälter entsprechend der Tarifentwicklung in einem bestimmten Tarifgebiet, kann eine betriebliche Übung dann entstehen, wenn deutliche Anhaltspunkte in seinem Verhalten dafür sprechen, dass er die Erhöhungen - auch ohne das Bestehen einer tarifvertraglichen Verpflichtung - künftig, dh. auf Dauer übernehmen will (BAG 19. Oktober 2011 - 5 AZR 359/10 - Rn. 14; 23. März 2011 - 4 AZR 268/09 - Rn. 61 mwN).

22

(1) Ist der Arbeitgeber nicht tarifgebunden, entsteht regelmäßig lediglich ein Anspruch der Arbeitnehmer auf Fortzahlung dieses erhöhten Entgelts, nicht aber zugleich eine Verpflichtung des Arbeitgebers, auch künftige Tarifentgelterhöhungen weiterzugeben (BAG 20. Juni 2001 - 4 AZR 290/00 - zu A II 4 c bb der Gründe). Ein nicht tarifgebundener Arbeitgeber will sich grundsätzlich nicht für die Zukunft der Regelungsmacht der Verbände unterwerfen. Dies ist gerade Sinn des nicht erfolgten Beitritts zu einem Arbeitgeberverband. Die fehlende Tarifgebundenheit verdeutlicht - für die Arbeitnehmer erkennbar - den Willen des Arbeitgebers, die Erhöhung der Löhne und Gehälter zukünftig nicht ohne Beitrittsprüfung entsprechend der Tarifentwicklung vorzunehmen (BAG 19. Oktober 2011 - 5 AZR 359/10 - Rn. 15; 23. März 2011 - 4 AZR 268/09 - Rn. 61 mwN).

23

(2) Auch ein tarifgebundener Arbeitgeber, der die Tarifentgelterhöhungen - ungeachtet der Tarifgebundenheit des einzelnen Arbeitnehmers - an alle Arbeitnehmer weitergibt, will sich - auch insoweit für die Arbeitnehmer erkennbar - im Regelfall nicht über die Zeit seiner Tarifgebundenheit hinaus ohne die Möglichkeit einer Kündigung des Tarifvertrags oder eines Verbandsaustritts dauerhaft (vertraglich) binden (vgl. BAG 19. Oktober 2011 - 5 AZR 359/10 - Rn. 16 mwN).

24

c) Danach hat die Beklagte mit der Weitergabe der Tarifentgelterhöhungen in den Jahren 1999 bis 2004 keine betriebliche Übung begründet, auf die die Klägerin ihren Klageanspruch stützen könnte. Es fehlt an den erforderlichen - über die bloße Weitergabe der Tarifentgelterhöhungen hinausgehenden - deutlichen Anhaltspunkten im Verhalten der Beklagten, aus denen sich für die Klägerin erkennbar der Wille ergäbe, sie wolle auf Dauer die von den Tarifvertragsparteien jeweils ausgehandelten Erhöhungen ohne Weiteres übernehmen. Dabei kann dahinstehen, ob § 5 II Nr. 5 des Aktienkaufvertrags zugunsten der im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bei der Beklagten beschäftigten Mitarbeiter eine dynamische Bindung an die künftigen Tarifentwicklungen vorgeben wollte. Dafür könnte der Wortlaut („weiterhin“; „dem einschlägigen Tarifvertrag“) sprechen. Die Vertragsklausel beruht jedoch weder auf einem Verhalten der Beklagten noch enthält sie eine an die Arbeitnehmer gerichtete Erklärung (vgl. dazu BAG 23. März 2011 - 4 AZR 268/09 - Rn. 66).

25

aa) Die Beklagte war nicht Partei, sondern vielmehr Gegenstand des Aktienkaufvertrags. Es fehlt bereits an einem eigenen Verhalten der Arbeitgeberin, das ein Vertrauen der Klägerin begründen könnte, die - bloße - Weitergabe der Tarifentgelterhöhungen erfolge mit Rechtsbindungswillen auch hinsichtlich künftiger Erhöhungen. Allein aus der Zahlung der erhöhten Tariflöhne ergeben sich noch keine deutlichen Anhaltspunkte dafür, die Beklagte habe einer von der Erwerberin der Aktien möglicherweise übernommenen schuldrechtlichen Verpflichtung nachkommen wollen.

26

bb) Die Vertragsklausel war überdies nicht an die Arbeitnehmer der Beklagten gerichtet. Sie entfaltete lediglich schuldrechtliche Wirkung zwischen den Parteien des Aktienkaufvertrags. Selbst wenn die Arbeitnehmer - möglicherweise sogar trotz einer in demselben Vertrag enthaltenen Verschwiegenheitspflicht - von der Klausel Kenntnis gehabt haben sollten, wäre diese aus Sicht eines objektiven Empfängers auch aus diesem Grund nicht geeignet gewesen, dem Verhalten der Beklagten einen über die Weitergabe der jeweiligen Entgelterhöhung hinausgehenden vertraglichen Erklärungsgehalt beizumessen.

27

2. Die Entscheidung erweist sich auch nicht aus einem anderen Grund als richtig (§ 561 ZPO).

28

a) Ein Anspruch auf die Weitergabe der Tarifentgelterhöhungen folgt nicht aus § 2 des Arbeitsvertrags. Die dort enthaltene Bezugnahmeregelung ist als sog. Gleichstellungsabrede auszulegen. Ihre Dynamik endete daher mit dem Verbandsausschluss der Beklagten zum 31. März 1999.

29

aa) Nach der früheren Rechtsprechung des Senats galt die - widerlegbare - Vermutung, es gehe einem an arbeitsvertraglich in Bezug genommene Tarifverträge gebundenen Arbeitgeber nur darum, durch die Bezugnahme die nicht organisierten Arbeitnehmer mit den organisierten Beschäftigten hinsichtlich der Geltung des in Bezug genommenen Tarifwerks gleichzustellen. Der Senat ging davon aus, mit einer solchen von einem tarifgebundenen Arbeitgeber gestellten Vertragsklausel sollte lediglich die möglicherweise fehlende Gebundenheit des Arbeitnehmers an die im Arbeitsvertrag genannten Tarifverträge ersetzt werden, um jedenfalls zu einer vertraglichen Anwendung des einschlägigen Tarifvertrags für alle Beschäftigten zu kommen. Daraus hat der Senat die Konsequenz gezogen, ohne weitere Anhaltspunkte im Vertragstext oder aus den Begleitumständen bei Vertragsschluss seien im Falle der normativen Gebundenheit des Arbeitgebers an die in Bezug genommenen Tarifverträge Bezugnahmeklauseln in aller Regel als sog. Gleichstellungsabreden auszulegen. Die Verweisung auf einen Tarifvertrag oder ein Tarifwerk in der jeweils geltenden Fassung wurde deshalb einschränkend dahin ausgelegt, die auf diese Weise zum Ausdruck gebrachte Dynamik gehe nur so weit, wie sie bei einem tarifgebundenen Arbeitnehmer reiche, sie ende also dann, wenn der Arbeitgeber wegen Wegfalls der eigenen Tarifgebundenheit nicht mehr normativ an künftige Tarifentwicklungen gebunden sei (st. Rspr., sh. nur BAG 23. Februar 2011 - 4 AZR 536/09 - Rn. 17 f. mwN).

30

bb) Diese Rechtsprechung hat der Senat für vertragliche Bezugnahmeklauseln, die nach dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform am 1. Januar 2002 vereinbart worden sind, aufgegeben. Er wendet die Auslegungsregel lediglich aus Gründen des Vertrauensschutzes weiterhin auf Bezugnahmeklauseln an, die vor dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform am 1. Januar 2002 vereinbart worden sind (BAG 14. Dezember 2005 - 4 AZR 536/04 - Rn. 24 ff., BAGE 116, 326; 18. April 2007 - 4 AZR 652/05 - Rn. 29 ff., BAGE 122, 74; bestätigt durch BVerfG 26. März 2009 - 1 BvR 3564/08 - und 21. April 2009 - 1 BvR 784/09 -).

31

cc) In Anwendung dieser Grundsätze verweist § 2 des Arbeitsvertrags lediglich statisch auf den am 31. März 1999 geltenden BAT.

32

(1) Die Beklagte war bei Abschluss des Arbeitsvertrags im März 1995 nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG aufgrund ihrer Verbandsmitgliedschaft im Kommunalen Arbeitgeberverband an den BAT gebunden. Ihre Tarifgebundenheit endete durch den Verbandsausschluss zum 31. März 1999. Die nach diesem Zeitpunkt vorgenommenen Tarifänderungen einschließlich der in den Jahren 2005 und 2006 erfolgten Ablösung des BAT durch den TVöD und den TV-L werden von der Bezugnahmeklausel nicht mehr erfasst.

33

(2) Aus der Bezugnahmeklausel oder den Begleitumständen ergeben sich im Entscheidungsfall keine Anhaltspunkte für ein abweichendes Verständnis der vertraglichen Regelung. Insbesondere rechtfertigt die - bloße - Weitergabe mehrerer Tarifentgelterhöhungen nicht die Annahme, die Beklagte habe eine unbedingte dynamische Bezugnahme vertraglich vereinbaren wollen (so allerdings LAG Rheinland-Pfalz 9. September 2011 - 9 Sa 147/11 - zu B II 1 c der Gründe). Zwar kann die tatsächliche Praxis des Vollzugs einer vertraglichen Regelung durch die Arbeitsvertragsparteien Anhaltspunkte für deren tatsächlichen Willen enthalten und somit für die Auslegung von Bedeutung sein. Der bei Vertragsschluss zum Ausdruck gebrachte objektive Gehalt der wechselseitigen Willenserklärungen kann aber durch die spätere tatsächliche Handhabung nicht mehr beeinflusst werden (BAG 7. Juni 2006 - 4 AZR 272/05 - Rn. 43).

34

(3) Die Arbeitsvertragsparteien haben nach dem 31. Dezember 2001 keinen „Neuvertrag“ abgeschlossen.

35

(a) Der von der Rechtsprechung gewährte Vertrauensschutz für „Altverträge“ entfällt, wenn die Bezugnahmeklausel nach dem 31. Dezember 2001 erneut vereinbart wird. Bei der Änderung eines von einem Arbeitgeber geschlossenen „Altvertrags“ ist dies der Fall, wenn die vertragliche Bezugnahmeregelung in der nachfolgenden Vertragsänderung zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der beteiligten Vertragsparteien gemacht worden ist (BAG 8. Juli 2015 - 4 AZR 51/14 - Rn. 26; 13. Mai 2015 - 4 AZR 244/14 - Rn. 26; 24. Februar 2010 - 4 AZR 691/08 - Rn. 25 mwN).

36

(b) Eine ausdrückliche Vertragsänderung nach dem 31. Dezember 2001, in der die Parteien § 2 des Arbeitsvertrags erneut zum Gegenstand ihrer rechtsgeschäftlichen Willensbildung gemacht hätten, ist nicht ersichtlich. Anhaltspunkte für eine konkludente Vertragsänderung sind ebenfalls nicht gegeben. Allein die Weitergabe der Tarifentgelterhöhungen lässt nicht auf einen entsprechenden vertraglichen Erklärungswillen schließen.

37

b) Ein Anspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht - wie von ihr geltend gemacht - aus § 5 II Nr. 5 des Aktienkaufvertrags iVm. §§ 328 ff. BGB. Die Vertragserklärung stellt keinen (echten) Vertrag zugunsten Dritter dar. Schon der Wortlaut der Regelung bietet keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Auslegung, es handele sich um einen Vertrag iSv. § 328 BGB, der unmittelbare Rechte zugunsten der Klägerin und der anderen Arbeitnehmer begründe. In § 5 II Nr. 5 des Aktienkaufvertrags heißt es lediglich, die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vorhandenen Mitarbeiter würden weiterhin nach BAT-BMT-G entlohnt. Daraus ergibt sich allenfalls die Verpflichtung der Anteilskäuferin gegenüber den Verkäuferinnen, die Beschäftigten trotz des Übergangs der Kliniken weiterhin nach dem BAT oder dem BMT-G zu vergüten. Darüber hinausgehende Verpflichtungen der Beklagten gegenüber den Arbeitnehmern, die innerhalb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden sollten, enthält dieser Passus nicht (ebenso hinsichtlich derselben Klausel BAG 29. November 2007 - 2 AZR 789/06 - Rn. 21).

38

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

        

    Eylert    

        

    Treber    

        

    Rinck     

        

        

        

    Drechsler    

        

    Th. Hess     

                 

Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.

*

(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.