Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 10. Juni 2011 - 6 Sa 46/11

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2011:0610.6SA46.11.0A
bei uns veröffentlicht am10.06.2011

Tenor

Die Berufungen der Parteien gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 7.10.2010 - 1 Ca 1982/09 - werden auf ihre jeweiligen Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird für die Parteien nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Auslegung einer arbeitsvertraglichen Vergütungs- und Gratifikationsregelung.

2

Der Kläger wird seit 13. August 2001 von dem Beklagten, der Träger einer privaten Handelsschule ist, als Lehrer beschäftigt. Der Arbeitsvertrag enthält u. a. folgende Regelungen:

3

§ 5
Vergütung und sonstige Leistungen

4

Die Grundvergütung des Arbeitnehmers erfolgt in Anlehnung an den BAT II a. Der vollen Grundvergütung nach dem BAT entspricht für alle Vergütungsgruppen ein wöchentliches Unterrichtsdeputat von 24 Stunden. Die Vergütung des Arbeitnehmers richtet sich somit nach dem Verhältnis der jeweils von ihm gehaltenen wöchentlichen Unterrichtsstunden zum vollen Deputat von 24 Wochenstunden.

5

Die Zahlung von Gratifikation, Tantiemen, Prämien und sonstigen Leistungen liegt im freien Ermessen des Arbeitgebers und begründet keinen Rechtsanspruch, auch wenn die Zahlung wiederholt ohne ausdrücklichen Vorbehalt der Freiwilligkeit erfolgte.

6

Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen, der Beklagte habe das Gehalt seit Bestehen des Arbeitsverhältnisses immer entsprechend der Tariferhöhungen nach dem Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) angepasst. Auch die Tariferhöhungen nach dem Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) ab 2006 habe der Beklagte gewährt. In den Jahren 2006, 2007 und 2008 habe er eine Jahressonderzahlung von 40 % der Vergütung gemäß der Entgeltgruppe E 13 TV-L erhalten.

7

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

8

der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine Einmalzahlung für den Monat Februar 2009 in Höhe von 40,00 EUR brutto zuzüglich 0,5 % Zinsen hieraus monatlich zu zahlen,

9

der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 1.485,00 EUR brutto (123,75 EUR x 12 Monate) zuzüglich 0,5 % Zinsen hieraus monatlich zu zahlen,

10

der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 203,94 EUR brutto zuzüglich 0,5 % Zinsen hieraus monatlich zu zahlen,

11

der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen einmaligen Betrag in Höhe von 1.699,50 EUR brutto als Jahressonderzahlung für das Jahr 2009 zuzüglich 0,5 % Zinsen hieraus monatlich zu zahlen.

12

Der Beklagte hat erstinstanzlich

13

Klageabweisung

14

beantragt und erwidert, bei der Regelung in § 5 Ziffer 1 des Arbeitsvertrages handele es sich um eine statische Verweisung. Hierfür sprächen die den Parteien bei Abschluss des Arbeitsvertrages bekannten Umstände der Finanzierung der Gehälter für angestellte Lehrer an Privatschulen durch das Land Rheinland-Pfalz. Die Erstattung der Personalaufwendungen erfolgten nach der sogenannten "E-Regelung "gemäß § 29 der Durchführungsverordnung zum Privatschulgesetz. Für den Träger der Privatschule sei damit keineswegs klar, dass zukünftige tarifliche Gehaltserhöhungen vom Land ersetzt würden. Der Entscheidung über die in der Vergangenheit gewährten Erhöhungen der Grundvergütung sei immer von der Prüfung der finanziellen Situation der Schule für eine solche Gehaltserhöhung vorausgegangen. Die Klausel im Arbeitsvertrag bezöge sich auch nicht auf den BAT insgesamt, sondern nur auf die Grundvergütung. Der TV-L könne allenfalls nach den Grundgesetzen der ergänzenden Vertragsauslegung gelten. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf eine Jahressonderzahlung. Diese gehören nicht zur im Arbeitsvertrag enthaltenen Bezugnahme auf die Grundvergütung des BAT.

15

Das Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein hat durch Urteil vom 07. Oktober 2010 den Beklagten zur Zahlung für Februar 2009 in Höhe von 40,-- € brutto als Einmalzahlung und des Weiteren zur Zahlung von 1.485,-- € brutto sowie 203,94 € brutto verurteilt und die weitergehende Klage auf eine Jahressonderzahlung abgewiesen.

16

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Anspruch auf Einmalzahlung in Höhe von 40,-- € resultiere aus dem kraft Tarifsukzession anwendbaren § 2 Abs. 1 TV-L für Februar 2009. Dieser Anspruch sei auch nicht aus § 37 Abs. 1 TV-L verfallen. Die Ausschlussklausel sei nicht anwendbar. Die Parteien hätten die Anwendbarkeit des BAT nur in Bezug auf die Grundvergütung nicht aber bezüglich des Verfalls von Ansprüchen vereinbart. Für den Zeitraum vom 1. März 2009 bis 28. Februar 2010 stünde dem Kläger die zum 1. März 2009 erfolgte Erhöhung der Vergütung um 3 %, was 123,95 € brutto pro Monat entspräche und damit ein Gesamtbetrag von 1.485,-- € brutto zu. Der weitere dem Kläger zustehende Betrag in Höhe von 203,94 € brutto ergäbe sich für den Zeitraum vom 1. März 2010 bis 30. Juni 2010. Grund sei die zum 1. März 2010 erfolgten Erhöhung um 1,2 %, was 50,99 € und auf 4 Monate bezogen den ausgeurteilten Gesamtbetrag ausmache. Ein Anspruch auf Jahressonderzahlung für 2009 in Höhe von 1.699,50 € brutto bestünde nicht, da § 20 TV-L nicht anwendbar sei. Sie sei nicht Grundvergütung im Sinne von § 5 Ziffer 1 Satz 1 des Arbeitsvertrages. Außerdem stünden solche Zahlungen nach § 5 Ziffer 2 des Arbeitsvertrages unter Freiwilligkeitsvorbehalt.

17

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des vorbezeichneten Urteils (Seite 5 - 9 = Bl. 74 - 78 d. A.) Bezug genommen.

18

Gegen das den Parteien am 14. Januar 2011 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom 21. Januar 2011 und die des Klägers vom 8. Februar 2011, die von Seiten der Beklagten am 14. März 2011 und von Seiten des Klägers am 8. März 2011 begründet worden ist.

19

Die Berufung der Beklagten führt zweitinstanzlich weiter aus, bei der Verweisung auf den BAT im Arbeitsvertrag handele es sich um eine statische Verweisung. Eine automatische Anpassung der Vergütung ohne Berücksichtigung auf Refinanzierungsmittel wäre existenzgefährdend. Bei den in der Vergangenheit gewährten Erhöhungen sei immer eine Prüfung der finanziellen Situation vorausgegangen; auch sei die Anpassung keineswegs immer zeitpunktgenau erfolgt. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei bei Annahme einer teildynamischen Verweisung auch von einer Übernahme der eher formell verfahrensmäßigen Bestimmungen und damit der Ausschlussfristenregelung auszugehen. Insoweit wäre auch von einem Verfall der Einmalzahlung auszugehen. Entgegen der Auffassung des Klägers habe das Schulgeld an der Finanzierungssituation nichts geändert.

20

Der Beklagte beantragt,

21

das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 7. Oktober 2010, zugestellt am 14. Januar 2011 - 1 Ca 1982/09 - wird in den Ziffern 1 bis 3 des Urteils abgeändert. Die Klage wird auch insoweit abgewiesen.

22

Der Kläger hat

23

Zurückweisung

24

der Berufung beantragt und erwidert unter Übernahme der Auffassung des Arbeitsgerichts, eine strukturelle Unterfinanzierung sei nicht anzunehmen, da eine Deckung der Kosten über eine in den letzten Jahre erhöhtes Schulgeld erfolgt sei. Alle Tariferhöhungen seien immer vollständig und zeitgenau vorgenommen worden.

25

Zur seiner Berufung führt der Kläger aus, der Anspruch auf Jahressonderzahlung bestünde. Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 8. Dezember 2010 - 10 AZR 671/09 - sei die in § 5 Ziffer 2 des Arbeitsvertrages vereinbarte Klausel unklar und intransparent. Nach der Rechtsprechung habe die allgemeine Klausel im Arbeitsvertrag des dortigen Streitfalles die Entstehung des Rechtsanspruches nicht verhindert. Der Arbeitgeber habe bei Zahlung nicht deutlich eine Bindung für die Zukunft ausgeschlossen.

26

Der Kläger beantragt,

27

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 7. Oktober 2010 - 1 Ca 1982/09 - den Beklagten zu verurteilen, über die dem Kläger im Urteil zugesprochenen Beträge hinaus einen einmaligen Betrag in Höhe von 1.699,50 € brutto als Jahressonderzahlung für das Jahr 2009 zuzüglich Zinsen jährlich hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1. Januar 2010 zu zahlen.

28

Der Beklagte hat insoweit

29

Zurückweisung der Berufung

30

beantragt, die Auffassung des Arbeitsgerichts übernommen sowie einen Verfall der Einmalzahlung gesehen.

31

Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründungen wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 10. März 2011 (Bl. 106 - 111 d. A.), zur Berufung des Klägers auf den Schriftsatz vom 7. März 2011 (Bl. 97 - 98 d. A.) und zu den Berufungserwiderungen auf den Schriftsatz des Beklagten vom 21. März 2011 (Bl. 113 - 114 d. A.) und des Klägers vom 6. Juni 2011 (Bl. 128 - 130 d. A.) nebst sämtlichen vorgelegten Unterlagen sowie auf die Feststellungen in der Sitzungsniederschrift des Landesarbeitsgerichts vom 10. Juni 2011 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

32

Die Berufungen beider Parteien sind zulässig.

33

Das Rechtsmittel ist jeweils an sich statthaft.

34

Die Berufungen wurden auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet.

II.

35

In der Sache haben die Rechtsmittel jedoch k e i n e n Erfolg.

36

Dem Kläger stehen die erstinstanzlich ausgeurteilten Zahlungsansprüche in Höhe von 40,-- € brutto für Februar 2009 und des Weiteren von 1.485,-- € brutto für den Zeitraum vom 1. März 2009 bis 28. Februar 2010 und schließlich ein weiterer Betrag von 203,94 € brutto für den Zeitraum vom 1. März 2010 bis 30. Juni 2010 in unstreitiger Höhe zu.

37

Ein Anspruch auf Jahressonderzahlung für das Jahr 2009 besteht nicht.

38

Die Kammer nimmt Bezug auf die diesbezüglich begründenden Feststellungen des Arbeitsgerichts und sieht hier zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG von einer nochmaligen Darstellung ab.

39

1. Wegen der Angriffe der Berufung des Beklagten besteht Grund zu folgenden Ergänzungen:

40

Soweit der Beklagte an seiner Auffassung festhält, wegen der Refinanzierungsverhältnisse von Privatschulen in Rheinland-Pfalz handele es sich bei der Regelung nach § 5 Ziffer 1 des Arbeitsvertrages um eine statische Verweisung, kann dem auch unter Berücksichtigung des wiederholten Berufungsvorbringens nicht gefolgt werden.

41

Die anwendbaren Grundsätze der §§ 133, 157 BGB zur Auslegung von Arbeitsvertragsklauseln (vgl. ErfK-Preis, 10. Aufl., 230 BGB § 611 Rz. 372) führen vorliegend gerade n i c h t zur Feststellung, dass die von der Berufung thematisierte Refinanzierungsproblematik von Privatschulen ausdrücklich Eingang in die betroffene Vergütungsregelung getroffen hat. Der Wortlaut der arbeitsvertraglichen Vergütungsklausel ist eindeutig an den Vergütungsmechanismus des damals geltenden BAT gerichtet. Die Bezahlregelung für den öffentlichen Dienst sollte bestimmend sein. Für einen außerhalb der arbeitsvertraglichen Vereinbarung (§ 5 Ziffer 1 des Arbeitsvertrages) und bei dessen Abschluss bestehenden Willen der Arbeitsvertragsparteien zu einer Koppelung der Vergütung an das Privatschulgesetz oder gar der Landesverordnung zur Durchführung des Privatschulgesetzes fehlt es an einem substantiierten Vortrag der Beklagten - im Gegenteil; der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung noch einmal verdeutlicht, dass er wie ein angestellter Lehrer im öffentlichen Dienst bezahlt werden sollte.

42

2. Zu den Angriffen der Berufung des Klägers ist auszuführen, dass der Auffassung zu einer Intransparenz der Klausel im Arbeitsvertrag in Verbindung mit der in angesprochenen Tarifgrundlage auch angesichts der zitierten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vom 8. Dezember 2010 - 10 AZR 671/09 - nach Meinung der Berufungskammer n i c h t zu folgen ist.

43

Der Anspruch ist für das Jahr 2009 trotz Gewährung einer Jahressonderzahlung für die früheren Jahre 2006, 2007 und 2008 n i c h t entstanden. Aus betrieblicher Übung ist er nicht begründbar, da nach § 5 Ziffer 2 des in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Arbeitsvertrages deutlich geregelt ist, dass die Zahlung u. a. von Gratifikationen im vollen Ermessen des Arbeitgebers liegt und keinen Rechtsanspruch begründet, auch wenn die Zahlung wiederholt ohne ausdrücklichen Vorbehalt der Freiwilligkeit erfolgte. Hierin liegt nach Meinung der Berufungskammer der von der für zutreffend gehaltenen Rechtsprechung (vgl. BAG 16. Februar 2010 - 3 AZR 118/08) geforderte klare und deutliche Vorbehalt, der das Entstehen des Anspruchs bereits ausschließt.

44

Die von der Berufung übersieht, dass es bei der zitierten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 8. Dezember 2010 - 10 AZR 671/09 - um die - vorliegend nicht gegebene - Verknüpfung von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt geht.

III.

45

Die Berufung beider Parteien war daher mit der entsprechenden Kostenfolge zurückzuweisen. Ein Revisionszulassungsgrund im Sinne des § 73 Abs. 2 ArbGG besteht nicht.

Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 10. Juni 2011 - 6 Sa 46/11

Urteilsbesprechungen zu Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 10. Juni 2011 - 6 Sa 46/11

Referenzen - Gesetze

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 133 Auslegung einer Willenserklärung


Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 157 Auslegung von Verträgen


Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 69 Urteil


(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Woch
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 10. Juni 2011 - 6 Sa 46/11 zitiert 6 §§.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 133 Auslegung einer Willenserklärung


Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 157 Auslegung von Verträgen


Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 69 Urteil


(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Woch

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 73 Revisionsgründe


(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil des Landesarbeitsgerichts auf der Verletzung einer Rechtsnorm beruht. Sie kann nicht auf die Gründe des § 72b gestützt werden. (2) § 65 findet entsprechende Anwendung.

Referenzen - Urteile

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 10. Juni 2011 - 6 Sa 46/11 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

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Bundesarbeitsgericht Urteil, 08. Dez. 2010 - 10 AZR 671/09

bei uns veröffentlicht am 08.12.2010

Tenor 1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 29. Juli 2009 - 2 Sa 470/09 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 16. Feb. 2010 - 3 AZR 118/08

bei uns veröffentlicht am 16.02.2010

Tenor 1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 31. Oktober 2007 - 8 Sa 692/07 - wird zurückgewiesen.

Referenzen

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 29. Juli 2009 - 2 Sa 470/09 - aufgehoben.

2. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 6. April 2009 - 5 Ca 3995/08 - wird zurückgewiesen.

3. Die Beklagte hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Zahlung eines Weihnachtsgeldes für das Jahr 2008.

2

Der Kläger ist seit dem 1. Februar 1996 bei der Beklagten, die ein Planungs- und Technologiebüro betreibt, als Diplomingenieur gegen ein monatliches Bruttoentgelt in Höhe von zuletzt 3.350,00 Euro beschäftigt. Ziff. 6 des schriftlichen Arbeitsvertrags vom 3. Januar 1996 enthält folgende Regelung:

        

„Gratifikationen:

        

Soweit der Arbeitgeber gesetzlich oder durch Tarifvertrag nicht vorgeschriebene Leistungen, wie Prämien, Zulagen, Urlaubsgeld, Gratifikationen, Weihnachtsgratifikationen gewährt, erfolgen sie freiwillig und ohne jede rechtliche Verpflichtung. Sie sind daher jederzeit ohne Wahrung einer besonderen Frist widerrufbar.“

3

Die Beklagte zahlte seit Beginn des Arbeitsverhältnisses jeweils im November ein Weihnachtsgeld an den Kläger. In den Gehaltsabrechnungen für November der Jahre 2005 bis 2007 wurde ein Monatsgehalt als „Weihnachtsgeld“ ohne Vorbehalt ausgewiesen. Für das Jahr 2008 leistete die Beklagte an den Kläger und die anderen Mitarbeiter unter Hinweis auf die Wirtschaftskrise keine Zahlung.

4

Der Kläger hat das Weihnachtsgeld in Höhe eines Bruttomonatsverdienstes gerichtlich geltend gemacht und die Auffassung vertreten, aufgrund der jahrelangen vorbehaltlosen Zahlung stehe ihm dieses auch für das Jahr 2008 zu. Der im Arbeitsvertrag niedergelegte Freiwilligkeitsvorbehalt sei unbeachtlich. Er sei nicht eindeutig und wegen seiner Verknüpfung mit dem Widerrufsvorbehalt intransparent und unwirksam.

5

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.350,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2008 zu zahlen.

6

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, der vereinbarte Freiwilligkeitsvorbehalt habe das Entstehen einer betrieblichen Übung und eines Anspruchs auf Weihnachtsgeld für 2008 verhindert. Der Hinweis auf die Widerrufbarkeit in der Vertragsklausel habe keine eigenständige Bedeutung, sondern stütze nur den Freiwilligkeitsvorbehalt. Das Weihnachtsgeld sei wegen der wirtschaftlichen Krise nicht gezahlt worden.

7

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des Klägers ist begründet.

9

Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung des Weihnachtsgeldes für das Jahr 2008 in Höhe eines Monatsgehalts nebst Zinsen in dem zuerkannten Umfang.

10

I. Die Beklagte hat seit Beginn des Arbeitsverhältnisses jeweils im November ein Weihnachtsgeld in Höhe eines Monatsgehalts an die Belegschaft und den Kläger gezahlt. Dadurch ist eine betriebliche Übung begründet worden und ein vertraglicher Anspruch des Klägers auf diese Leistung entstanden. Dem steht der in Ziff. 6 des Arbeitsvertrags enthaltene Freiwilligkeitsvorbehalt nicht entgegen.

11

1. Bei Zahlung einer über das arbeitsvertraglich vereinbarte Gehalt hinausgehenden Vergütung ist durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) zu ermitteln, ob sich der Arbeitgeber nur zu der konkreten Leistung (bspw. Gratifikation im Kalenderjahr) oder darüber hinaus auch für die Zukunft verpflichtet hat. Eine dauerhafte Verpflichtung kann sich insbesondere aus einem Verhalten mit Erklärungswert wie einer betrieblichen Übung ergeben. Unter einer betrieblichen Übung versteht man die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer gewährt werden. Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern regelmäßig stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen für die Zukunft. Entscheidend ist dabei nicht, ob der Erklärende einen Verpflichtungswillen hatte, sondern ob der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) dahin verstehen konnte und durfte, der Arbeitgeber wolle sich zu einer über seine gesetzlichen, tarifvertraglichen und vertraglichen Pflichten hinausgehenden Leistung verpflichten (st. Rspr., bspw. Senat 24. März 2010 - 10 AZR 43/09 - AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 90 = EzA BGB 2002 § 242 Betriebliche Übung Nr. 13; 30. Juli 2008 - 10 AZR 606/07 - Rn. 27, BAGE 127, 185; BAG 13. Juni 2007 - 5 AZR 849/06 - Rn. 15, AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 78; Senat 28. Juni 2006 - 10 AZR 385/05 - Rn. 35, BAGE 118, 360; 28. Juli 2004 - 10 AZR 19/04 - zu II 1 a der Gründe, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 257 = EzA BGB 2002 § 242 Betriebliche Übung Nr. 2; siehe auch BAG 16. Januar 2002 - 5 AZR 715/00 - zu I 1 der Gründe, AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 56 = EzA TVG § 4 Tariflohnerhöhung Nr. 37). Dies ist im Wege der Auslegung des Verhaltens des Arbeitgebers zu ermitteln. Die Anforderungen an den Erklärungswert bestimmen sich nach der Art des Verhaltens des Vertragspartners, das eine betriebliche Übung begründen soll. Eine vertragliche Bindung wird regelmäßig anzunehmen sein, wenn besondere Umstände ein schutzwürdiges Vertrauen der Arbeitnehmer begründen (BAG 13. Juni 2007 - 5 AZR 849/06 - Rn. 15, aaO). Dabei kommt dem konkreten Verhalten des Arbeitgebers, insbesondere dessen Intensität und Regelmäßigkeit, entscheidendes Gewicht zu. Zwar hat der Senat bisher keine allgemeinverbindliche Regel aufgestellt, ab welcher Zahl von Leistungen der Arbeitnehmer darauf vertrauen darf, er werde die Leistung auch zukünftig erhalten. Allerdings ist für jährlich an die gesamte Belegschaft geleistete Gratifikationen die Regel aufgestellt worden, nach der eine zumindest dreimalige vorbehaltlose Gewährung zur Verbindlichkeit erstarkt, falls nicht besondere Umstände hiergegen sprechen oder der Arbeitgeber bei der Zahlung einen Bindungswillen für die Zukunft ausgeschlossen hat (Senat 21. Januar 2009 - 10 AZR 219/08 - Rn. 13, BAGE 129, 164; 28. Juni 2006 - 10 AZR 385/05 - Rn. 36, aaO).

12

2. Die Beklagte hat seit Beginn des Arbeitsverhältnisses im Jahr 1996 jeweils im November eine in den Gehaltsabrechnungen als Weihnachtsgeld bezeichnete Zuwendung in Höhe eines Bruttomonatsentgelts ohne weitere Einschränkungen oder auf Ziff. 6 des Arbeitsvertrags bezogene Zusätze an den Kläger gezahlt. Diese regelmäßigen Zahlungen konnten deshalb bei ihm die berechtigte Erwartung wecken, auch in den Folgejahren ein Weihnachtsgeld von der Beklagten zu erhalten. Aus seiner Sicht konnte und durfte der Kläger die mehrfachen Zahlungen als ein Angebot verstehen, mit dem sich die Beklagte dauerhaft und auch für die Zukunft zur Zahlung eines Weihnachtsgeldes verpflichten wollte. Dieses Angebot hat er ohne Weiteres nach § 151 BGB angenommen.

13

a) Die durchgängige und dauerhafte, einmal jährlich im November erfolgte Zahlung des Weihnachtsgeldes konnte der Kläger unter Berücksichtigung der konkreten Einzelfallumstände, wie der Häufigkeit der Leistung, der Art der kommentarlosen Auszahlung und der Höhe der Sonderzahlung (ein Monatsgehalt), und unter Beachtung von Treu und Glauben nur so auffassen, dass die Beklagte sich auch zur zukünftigen Zahlung dieses Weihnachtsgeldes verpflichten wollte (vgl. zur Auslegung der Erklärungen insoweit: Preis/Genenger Jahrbuch des Arbeitsrechts Bd. 47, 93, 112). Da die Beklagte bei den Zahlungen weder einen ausdrücklichen „Freiwilligkeitsvorbehalt“ erklärt noch auf einen vertraglich formulierten Vorbehalt Bezug genommen hatte, musste er auch nicht annehmen, die Sonderzahlung erfolge lediglich für das konkrete Jahr und ohne Rechtsbindungswillen für die Zukunft. Er durfte vielmehr berechtigterweise auf eine fortdauernde Leistungsgewährung für die Folgejahre vertrauen (zu diesem Vertrauensaspekt vgl. Georg Annuß FS Picker S. 861, 865).

14

b) Dem steht der Freiwilligkeitsvorbehalt aus Ziff. 6 des Arbeitsvertrags nicht entgegen. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts schließt diese Klausel mit ihrer Formulierung, die Gewährung von Gratifikationen erfolge „freiwillig und ohne jede rechtliche Verpflichtung“, das Entstehen eines zukünftigen Anspruchs auf Zahlung eines Weihnachtsgeldes nicht aus. Sie ist nicht geeignet, den Wert der späteren Erklärungen der Beklagten im Zusammenhang mit den mehrfach geleisteten Weihnachtsgeldzahlungen hinreichend zu entwerten. Die Klausel enthält keinen klaren und unmissverständlichen Freiwilligkeitsvorbehalt iSd. Rechtsprechung des Senats.

15

aa) Bei der von der Beklagten in Ziff. 6 des Arbeitsvertrags vorformulierten Vertragsbedingung handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung iSv. § 305 Abs. 1 BGB. Die Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch das Berufungsgericht unterliegt einer vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung (Senat 20. Januar 2010 - 10 AZR 914/08 - Rn. 12, AP BGB § 305c Nr. 12 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 18; 24. Oktober 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 15, BAGE 124, 259). Allgemeine Vertragsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten (Senat 20. Januar 2010 - 10 AZR 914/08 - Rn. 12, aaO; 10. Dezember 2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 14, AP BGB § 307 Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 40; 24. Oktober 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 13, aaO).

16

bb) Das Landesarbeitsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass ein Freiwilligkeitsvorbehalt nach der Rechtsprechung des Senats regelmäßig das Entstehen eines Rechtsanspruchs auf eine künftige Sonderzahlung wirksam verhindern kann (Senat 20. Januar 2010 - 10 AZR 914/08 - Rn. 14, AP BGB § 305c Nr. 12 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 18; 30. Juli 2008 - 10 AZR 606/07 - Rn. 12, BAGE 127, 185; 12. Januar 2000 - 10 AZR 840/98 - zu II 1 b der Gründe, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 223 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 158; 5. Juni 1996 - 10 AZR 883/95 - zu II 1 der Gründe, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 193 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 141). Der Arbeitgeber kann - außer bei laufendem Arbeitsentgelt (vgl. BAG 25. April 2007 - 5 AZR 627/06 - BAGE 122, 182) - einen Rechtsanspruch des Arbeitnehmers grundsätzlich ausschließen und sich eine Entscheidung vorbehalten, ob und in welcher Höhe er zukünftig Sonderzahlungen gewährt (st. Rspr. des Senats 21. Januar 2009 - 10 AZR 219/08 - Rn. 14, BAGE 129, 164; 30. Juli 2008 - 10 AZR 606/07 - Rn. 17, aaO; 24. Oktober 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 17, BAGE 124, 259). Er bleibt grundsätzlich in seiner Entscheidung frei, ob und unter welchen Voraussetzungen er zum laufenden Arbeitsentgelt eine zusätzliche Leistung erbringen will. Allerdings muss ein solcher Freiwilligkeitsvorbehalt klar und verständlich iSd. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB formuliert worden sein, um den Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf eine Sonderzahlung eindeutig auszuschließen(Senat 20. Januar 2010 - 10 AZR 914/08 - Rn.14, aaO; 21. Januar 2009 - 10 AZR 219/08 - Rn. 14, aaO; 10. Dezember 2008 - 10 AZR 1/08 - AP BGB § 307 Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 40; 30. Juli 2008 - 10 AZR 606/07 - Rn. 12, aaO; 24. Oktober 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 17, aaO).

17

cc) Ein Freiwilligkeitsvorbehalt darf nicht mehrdeutig sein. Er darf insbesondere nicht in Widerspruch zu anderen Vereinbarungen der Arbeitsvertragsparteien stehen (Senat 30. Juli 2008 - 10 AZR 606/07 - Rn. 39, BAGE 127, 185; 24. Oktober 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 18, BAGE 124, 259; Preis NZA 2009, 281, 285). Gibt es einen solchen klar und verständlich formulierten Freiwilligkeitsvorbehalt, der jeden Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf eine Sonderzahlung ausschließt, fehlt es an einer versprochenen Leistung iSd. § 308 Nr. 4 BGB(Senat 20. Januar 2010 - 10 AZR 914/08 - Rn. 14, AP BGB § 305c Nr. 12 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 18; 21. Januar 2009 - 10 AZR 219/08 - Rn. 15, BAGE 129, 164 und - 10 AZR 221/08 - Rn. 15; 10. Dezember 2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 12, AP BGB § 307 Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 40). In diesen Fällen wird eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Leistung der Sonderzahlung unabhängig von dem mit der Sonderzuwendung verfolgten Zweck von vornherein nicht begründet. Der Arbeitnehmer, der den Hinweis im Arbeitsvertrag ernst nehmen muss, darf das spätere konkludente Verhalten des Arbeitgebers entgegen seinem gewöhnlichen Erklärungswert nicht als Angebot zur dauerhaften Leistungserbringung verstehen. Es mangelt dann an einem Angebot des Arbeitgebers, das der Arbeitnehmer annehmen könnte (Senat 10. Dezember 2008 - 10 AZR 1/08 - Rn. 12, aaO; 30. Juli 2008 - 10 AZR 606/07 - Rn. 17, aaO). Eine besondere Eindeutigkeit und Klarheit des Vorbehalts ist aber schon deshalb erforderlich, weil die Bedeutung einer (etwaigen) späteren Erklärung vorab verbindlich festgeschrieben werden soll. Der Vorbehalt darf nur die Auslegung des künftigen Erklärungsverhaltens betreffen und nicht zu diesem in Widerspruch stehen.

18

dd) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts fehlt es im Streitfall an einem klar und verständlich formulierten Freiwilligkeitsvorbehalt.

19

(1) Die Klausel in Ziff. 6 des Arbeitsvertrags enthält lediglich den Hinweis, dass es sich bei den von ihr erfassten „Gratifikationen“ um nicht durch Gesetz oder Tarifvertrag vorgeschriebene Leistungen handele, deren Leistung „freiwillig“ erfolge. Einen weitergehenden Hinweis, bspw. dass auch bei einer wiederholten Zahlung kein Rechtsanspruch für die Zukunft begründet werde, enthält die Klausel nicht. Allein ein solcher Vorbehalt könnte aber einen Rechtsanspruch auf zukünftige Zahlung des begehrten Weihnachtsgeldes ausschließen (vgl. Senat 21. Januar 2009 - 10 AZR 219/08 - BAGE 129, 164; 18. März 2009 - 10 AZR 289/08 - EzA BGB 2002 § 307 Nr. 43; 1. März 2006 - 5 AZR 363/05 - Rn. 24 f., BAGE 117, 155). Soweit eine Vertragsklausel einen derartigen Vorbehalt nicht ausdrücklich vorsieht, wird eine Bestimmung, nach der die Sonderzahlung „freiwillig“ und „ohne jede rechtliche Verpflichtung“ erfolgt, von einem um Verständnis bemühten Arbeitnehmer im Zweifel nur als Hinweis zu verstehen sein, dass sich der Arbeitgeber zur Zahlung einer Gratifikation bereit erklärt, ohne dazu durch andere Regelungen gezwungen zu sein (vgl. Senat 24. Oktober 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 17, BAGE 124, 259; 1. März 2006 - 5 AZR 363/05 - Rn. 24 f., aaO; 23. Oktober 2002 - 10 AZR 48/02 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 103, 151; siehe auch BAG 11. April 2000 - 9 AZR 255/99 - zu I 1 d der Gründe, BAGE 94, 204). Insbesondere kommt dem Nachsatz („ohne jede rechtliche Verpflichtung“) keine eigenständige Bedeutung für einen zukünftigen Ausschluss einer vertraglichen Bindung durch spätere Erklärungen der Beklagten zu. Die Klausel verstärkt nur die Aussage der Freiwilligkeit und betont die fehlende rechtliche Verpflichtung des Arbeitgebers zu einer entsprechenden Zahlung.

20

(2) Die Klausel in Ziff. 6 des Arbeitsvertrags ist auch deshalb unklar und missverständlich, weil Satz 2 eine Widerrufsmöglichkeit vorsieht. Die Beklagte hat eine freiwillige Leistung unter einen Widerrufsvorbehalt gestellt. Bei einem Freiwilligkeitsvorbehalt entsteht aber schon gar kein Anspruch auf die Leistung, bei einem Widerrufsvorbehalt hingegen hat der Arbeitnehmer einen Anspruch, der Arbeitgeber behält sich aber vor, die versprochene Leistung einseitig zu ändern (vgl. bspw. BAG 12. Januar 2005 - 5 AZR 364/04 - BAGE 113, 140). Ob in einer solchen Kombination von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt regelmäßig ein zur Unwirksamkeit der gesamten Klausel führender Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB liegt(so LAG Hamm 27. Juli 2005 - 6 Sa 29/05 - zu II 1.2.4 der Gründe, NZA-RR 2006, 125; LAG Brandenburg 13. Oktober 2005 - 9 Sa 141/05 - zu A II 2 b der Gründe, LAGE BGB 2002 § 611 Gratifikation Nr. 5; LAG Berlin 19. August 2005 - 6 Sa 1106/05 - NZA-RR 2006, 68; LAG Hamm 5. November 2009 - 15 Sa 794/09 - Rn. 47, juris; Hessisches LAG 26. Juli 2010 - 7 Sa 1881/09 - Rn. 26, juris; ArbG Freiburg 9. September 2008 - 10 Ca 3/08 - LAGE BGB 2002 § 611 Gratifikation Nr. 12; aA LAG Düsseldorf 31. Januar 2006 - 6 Sa 1441/05 - zu II 2 c der Gründe, LAGE BGB 2002 § 611 Gratifikation Nr. 7), kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls führt die Kombination von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt dazu, dass für einen um Verständnis bemühten Vertragspartner nicht deutlich wird, dass auch bei mehrfachen, ohne weitere Vorbehalte erfolgten Zahlungen des Weihnachtsgeldes ein Rechtsbindungswille für die Zukunft weiterhin ausgeschlossen bleiben soll (so auch LAG Hamm 27. Juli 2005 - 6 Sa 29/05 - zu II 1.2.4 der Gründe, aaO; LAG Köln 2. November 2007 - 11 Sa 550/07 - Rn. 57, juris; Preis Der Arbeitsvertrag 2. Aufl. II V 70 Rn. 113). Für den Vertragspartner erschließt sich nicht hinreichend, ob nun jegliche zukünftige Bindung ausgeschlossen oder lediglich eine Möglichkeit eröffnet werden soll, sich später wieder von einer vertraglichen Bindung loszusagen. Entgegen der Auffassung der Beklagten liegt dementsprechend im Widerrufsvorbehalt auch nicht nur eine „Verstärkung“ des Freiwilligkeitsvorbehalts.

21

(3) Die vertragliche Formulierung in Ziff. 6 des Arbeitsvertrags ist somit nicht deutlich genug, um die mit der Zahlung des Weihnachtsgeldes verbundenen Erklärungen zu relativieren und zu entwerten. Sie ist nicht klar und unmissverständlich und deshalb nicht geeignet, das Entstehen künftiger Ansprüche eindeutig auszuschließen.

22

II. Der Anspruch ist nicht durch eine wirksame Erklärung der Beklagten eingeschränkt oder beseitigt worden. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Parteien einen wirksamen Widerrufsvorbehalt vereinbart haben (vgl. BAG 12. Januar 2005 - 5 AZR 364/04 - BAGE 113, 140). Jedenfalls hat die Beklagte nicht dargelegt, dass sie einen Widerruf wirksam ausgeübt hat und die Voraussetzungen für einen wirksamen Widerruf vorgelegen haben. Eine ggf. notwendige Änderungskündigung hat die Beklagte nicht erklärt.

23

III. Der Anspruch auf die Zinsen ergibt sich aus § 286 Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 BGB.

24

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 97 ZPO.

        

    Mikosch    

        

    W. Reinfelder    

        

    Eylert    

        

        

        

    Simon    

        

    Kay Ohl    

                 

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 31. Oktober 2007 - 8 Sa 692/07 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die versorgungsrechtliche Verpflichtung der Beklagten, an die Klägerin Weihnachtsgeld für die Jahre 2005 und 2006 in rechnerisch unstreitiger Gesamthöhe von 500,00 Euro zu zahlen.

2

Die Klägerin, die im Zeitraum von April 1961 bis Juli 1985 bei der Beklagten beschäftigt war, bezieht nach ihrem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis von der Beklagten Versorgungsleistungen.

3

Ohne Rücksicht auf die Höhe des vormaligen Arbeitsentgelts und die Dauer der Betriebszugehörigkeit zahlte die Beklagte seit 1992 an alle Betriebsrentner jeweils im November eines jeden Jahres einen Betrag in Höhe von 500,00 DM, später in Höhe von 250,00 Euro, als Weihnachtsgeld.

4

In Umsetzung eines „Konzept(es) zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit“ teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 22. Januar 2002 auszugsweise Folgendes mit:

        

„... im Rahmen der Überarbeitung des Sozialleistungstableaus … hat der Vorstand entschieden, dass die freiwillige Zahlung, die Sie in der Vergangenheit gemeinsam mit Ihrer Rentenzahlung im November erhielten, nur noch bis 2004 geleistet wird.“

5

In den Abrechnungen, welche die Beklagte der Klägerin im November 2002, 2003 und 2004 erteilte, rechnete die Beklagte das Weihnachtsgeld als „Versorgungsbezug freiwillige Zahlung“ ab. Wie in ihrem Schreiben vom 22. Januar 2002 angekündigt, stellte die Beklagte im Jahr 2005 die Zahlung des Weihnachtsgeldes an die Betriebsrentner, so auch an die Klägerin, ein.

6

Die Klägerin, die den Klageanspruch auf die Grundsätze zur betrieblichen Übung gestützt hat, hat beantragt,

        

1.   

die Beklagte zu verurteilen, an sie 250,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 1. Januar 2006 zu zahlen, und

        

2.   

die Beklagte zu verurteilen, an sie 250,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 1. Dezember 2006 zu zahlen.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, das Rechtsinstitut der betrieblichen Übung sei auf Betriebsrentner nicht anwendbar. Selbst wenn man die für Arbeitsverhältnisse entwickelten Grundsätze auf Versorgungsverhältnisse erstrecke, stehe der Leistung ein immanenter Freiwilligkeitsvorbehalt entgegen. Denn im Gegensatz zur Zahlung an aktive Arbeitnehmer verfolge die Zahlung von Weihnachtsgeld an Betriebsrentner ersichtlich nicht den Zweck, Arbeitsleistung zu honorieren oder Betriebstreue zu fördern. Zumindest habe sie mit dem Schreiben vom 22. Januar 2002 ein ihr aufgrund der Eigenheiten der Leistung zustehendes Widerrufsrecht unter Beachtung der Grenzen billigen Ermessens ausgeübt. Der Widerruf sei nicht am Maßstab der Bestimmungen des BetrAVG zu messen, da sie mit der Zahlung des Weihnachtsgeldes keinen Versorgungszweck verfolge. Ihr Interesse an einer Sanierung des Unternehmens überwiege das Interesse der Betriebsrentner an der Fortführung der Leistungen. Schließlich habe eine gegenläufige betriebliche Übung, welche sie in den Jahren 2002, 2003 und 2004 etabliert habe, einen etwaigen Anspruch der Klägerin beseitigt.

8

Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben der Klage zu Recht stattgegeben. Der Klageanspruch findet seine Rechtfertigung in den Grundsätzen, welche die Rechtsprechung zur betrieblichen Übung entwickelt hat, und in den gesetzlichen Vorschriften über den Schuldnerverzug.

10

I. Im Bereich der betrieblichen Altersversorgung hat der Gesetzgeber die betriebliche Übung ausdrücklich als Rechtsquelle anerkannt(§ 1b Abs. 1 Satz 4 BetrAVG). Danach steht der Verpflichtung aus einer ausdrücklichen Versorgungszusage eine auf betrieblicher Übung beruhende Versorgungsverpflichtung gleich.

11

1. Die betriebliche Übung ist ein gleichförmiges und wiederholtes Verhalten des Arbeitgebers, das geeignet ist, vertragliche Ansprüche auf eine Leistung zu begründen, wenn die Leistungsempfänger aus dem Verhalten des Arbeitgebers schließen dürfen, ihnen werde die Leistung auch künftig gewährt(vgl. BAG 29. April 2003 - 3 AZR 247/02 - zu I 1 der Gründe, EzA BetrAVG § 1 Betriebliche Übung Nr. 4). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wird durch eine mindestens dreimalige vorbehaltlose Gewährung einer Weihnachtsgratifikation, wenn nicht die Umstände des Falles eine andere Auslegung bedingen, eine Verpflichtung des Arbeitgebers aus dem Gesichtspunkt der betrieblichen Übung begründet, mit der Folge, dass er sich von dieser Verpflichtung nicht mehr einseitig lossagen kann (26. März 1997 - 10 AZR 612/96 - zu II 1 der Gründe, AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 50 = EzA BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 38). Für die Zahlung von Weihnachtsgeld an Betriebsrentner gilt nichts anderes.

12

Indem die Beklagte über mehr als zehn Jahre an die Betriebsrentner ohne Rücksicht auf die Höhe des vormaligen Arbeitsentgelts oder auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit jeweils mit den Versorgungsbezügen für den Monat November ein Weihnachtsgeld iHv. zunächst 500,00 DM und später 250,00 Euro zahlte, begründete sie eine betriebliche Übung, die das Versorgungsverhältnis der Parteien dergestalt änderte, dass der Klägerin gegen die Beklagte ein vertraglicher Anspruch auf die Gewährung der Gratifikation zusteht. Das aus Anlass des vorangegangenen Arbeitsverhältnisses geleistete Rentnerweihnachtsgeld diente der Altersversorgung der Versorgungsempfänger.

13

2. Der Einwand der Revision, diese Grundsätze führten zu einer Ewigkeitsgarantie für in der Vergangenheit erbrachte Arbeitgeberleistungen, gibt dem Senat keine Veranlassung, von seiner Rechtsprechung abzurücken. Betriebsrentenansprüche aus betrieblicher Übung lassen sich nicht deshalb verneinen, weil zur Abänderung oder Ablösung derartiger Ansprüche das Instrumentarium der Änderungskündigung oder der kollektivvertraglichen Abänderung regelmäßig nicht zur Verfügung steht. Grundsätzlich kann nicht wegen der Schwierigkeiten, einen Anspruch zu beseitigen oder zu verändern, seine Entstehung geleugnet werden. Betriebsrentenrechtliche Ansprüche aufgrund betrieblicher Übung sind nicht solche minderer Qualität oder geringerer Bestandskraft. Da im Übrigen Art, Bedeutung und Begleitumstände der üblich gewordenen Leistung bei der Bestimmung des Inhalts einer betrieblichen Übung zu berücksichtigen sind, können sich im Einzelfall Bedingungen, Änderungs- oder Widerrufsvorbehalte ergeben (BAG 29. April 2003 - 3 AZR 247/02 - zu I 2 der Gründe, EzA BetrAVG § 1 Betriebliche Übung Nr. 4). Darüber hinaus bedarf der Arbeitgeber nicht eines besonderen Schutzes. Er selbst hat es in der Hand, das Entstehen einer betrieblichen Übung zu vermeiden, indem er mit der Zahlung von Weihnachtsgeld einen hinreichend deutlichen Vorbehalt verbindet, dem zufolge die Leistung keine Rechtsansprüche für die Zukunft begründet (vgl. BAG 31. Juli 2007 - 3 AZR 189/06 - Rn. 27, AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 79).

14

3. Die Beklagte stellte die Zahlung der Gratifikation nicht unter einen immanenten Freiwilligkeitsvorbehalt, der das Entstehen einer anspruchsbegründenden betrieblichen Übung gehindert hätte. Will der Arbeitgeber vermeiden, dass aus der Stetigkeit seines Verhaltens eine in die Zukunft wirkende Bindung entsteht, muss er den einschränkenden Vorbehalt zwar nicht ausdrücklich formulieren, aber klar und deutlich zum Ausdruck bringen(vgl. BAG 19. Februar 2008 - 3 AZR 61/06 - Rn. 20, AP BetrAVG § 1 Nr. 52 = EzA BetrAVG § 1 Betriebliche Übung Nr. 9). Hieran fehlt es im Streitfall.

15

II. Das durch die betriebliche Übung begründete Leistungsversprechen der Beklagten wurde in der Folgezeit weder durch einen Widerruf seitens der Beklagten noch durch eine einvernehmliche Änderung des Versorgungsverhältnisses aufgehoben.

16

1. Die Beklagte hat die Gratifikationsverpflichtung nicht wirksam widerrufen. Wollte man das Schreiben der Beklagten vom 22. Januar 2002 als Widerruf auffassen, fehlte es an einem Widerrufsrecht, das die Beklagte gegenüber ihren Betriebsrentnern hätte ausüben können. Denn die Beklagte gewährte in den Jahren 1992 bis 2001 das Weihnachtsgeld, ohne sich einen Widerruf der Leistung vorzubehalten. Soweit die Revision einwendet, die Gewährung des Weihnachtsgeldes sei mit einem immanenten Widerrufsvorbehalt verknüpft, verkennt sie, dass ein Widerrufsvorbehalt ebenso wie ein Freiwilligkeitsvorbehalt nur angenommen werden kann, wenn der Arbeitgeber ihn den Leistungsempfängern gegenüber hinreichend klar und deutlich erklärt.

17

2. Die Mitteilung der Beklagten in dem Schreiben vom 22. Januar 2002 änderte das Leistungsversprechen ebenso wenig wie die von ihr mit dem Hinweis „Versorgungsbezug freiwillige Zahlung“ versehenen Abrechnungen dergestalt, dass die Beklagte im Jahr 2005 aufgrund eines Freiwilligkeitsvorbehalts berechtigt gewesen wäre, die Zahlung zu verweigern. Zugunsten der Beklagten unterstellt, die Mitteilung und/oder die Abrechnungen enthielten das Angebot an Betriebsrentner, die Gratifikationsleistung in eine Leistung, auf die kein Rechtsanspruch besteht, umzuwandeln, hätte die Klägerin dieses Angebot nicht angenommen.

18

a) In dem bloßen Schweigen der Klägerin lag keine Annahmeerklärung.

19

Eine Vertragspartei, die in ein bestehendes Vertragsverhältnis einschränkende Bedingungen einführen will, kann nach der Verkehrssitte nicht schon das bloße Schweigen des Empfängers auf das Angebot der Vertragsänderung als Annahme desselben werten(vgl. BAG 14. August 1996 -  10 AZR 69/96  - zu II 2 der Gründe, AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 47 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 144). Wer auf ein Angebot nicht reagiert, stimmt diesem, wie aus § 147 BGB folgt, nicht zu. Insbesondere bei Angeboten, die auf eine Vertragsänderung zulasten des Erklärungsempfängers zielen, kann nicht ohne Weiteres unterstellt werden, dass derjenige, der nicht reagiert, mit dem ihm angesonnenen Nachteil einverstanden ist (BAG 18. September 2001 - 9 AZR 307/00 - zu I 2 c bb der Gründe, AP BGB § 611 Mehrarbeitsvergütung Nr. 37 = EzA BGB § 611 Mehrarbeit Nr. 9). Nur unter besonderen Umständen kann Schweigen des Erklärungsempfängers als Zustimmung zu verstehen sein, wenn nämlich der Erklärende nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte annehmen durfte, der andere Vertragsteil werde der angebotenen Vertragsänderung widersprechen, wenn er mit ihr nicht einverstanden sein sollte (BAG 26. März 1997 -  10 AZR 612/96  - zu II 3 a der Gründe, AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 50 = EzA BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 38).

20

Die Beklagte konnte nicht davon ausgehen, die Klägerin erkläre sich allein durch die widerspruchslose Entgegennahme der Weihnachtsgratifikation in den Jahren 2002 bis 2004 mit einem Änderungsangebot einverstanden. Die Beklagte hat besondere Umstände, die darauf schließen ließen, dem Schweigen der Klägerin komme ein rechtsgeschäftlicher Erklärungswert zu, nicht vorgetragen; im Übrigen sind sie nicht ersichtlich.

21

b) Eine Zustimmung der Klägerin kann auch unter dem Gesichtspunkt der gegenläufigen betrieblichen Übung nicht angenommen werden.

22

aa) Nach der bisherigen Rechtsprechung konnte eine betriebliche Übung im laufenden Arbeitsverhältnis durch eine geänderte betriebliche Übung beendet werden(letztmalig BAG 28. Mai 2008 -  10 AZR 274/07  - Rn. 32, AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 80 = EzA BGB 2002 § 242 Betriebliche Übung Nr. 8). So ging das Bundesarbeitsgericht davon aus, der Arbeitgeber könne durch die Erklärung, die augenblicklich geschuldete Gratifikation sei künftig eine Leistung, auf die kein Rechtsanspruch bestehe, den Inhalt der durch die betriebliche Übung begründeten Leistungsvereinbarung ändern, wenn der Leistungsempfänger der neuen Handhabung über einen Zeitraum von drei Jahren hinweg nicht widerspreche. Die Zahlung stehe nach Ablauf der Dreijahresfrist unter einem Freiwilligkeitsvorbehalt, der es dem Arbeitgeber ermögliche, die Zahlung einzustellen. Durch die dreimalige widerspruchslose Annahme einer ausdrücklich unter dem Vorbehalt der Freiwilligkeit gezahlten Gratifikation erscheine eine ausdrückliche Änderung der vertraglichen Abrede verzichtbar.

23

bb) Für den Bereich der betrieblichen Altersversorgung war ohnehin eine gegenläufige Übung nicht anzuerkennen.

24

Das Arbeitsverhältnis, für welches die Rechtsprechung das Institut der gegenläufigen Übung entwickelt hat, ist durch den Austausch von Leistung und Gegenleistung geprägt. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die vertraglich geregelte Arbeitsleistung des Arbeitnehmers zu vergüten(§ 612 Abs. 1 BGB). Bei einem Rechtsverhältnis, das auf einem Geben und Nehmen beruht, mag der Gedanke, eine Partei werde einer Vertragsänderung, wenn sie sie verhindern wolle, widersprechen, nicht von vornherein von der Hand zu weisen sein. Anders ist dies bei einem Rechtsverhältnis wie dem Versorgungsverhältnis. Dieses wird durch die einseitige Leistungspflicht des Versorgungsschuldners geprägt. Den Versorgungsempfänger treffen keine primären Leistungspflichten. Die unterschiedliche Struktur der Rechtsbeziehung verbietet es, den Rechtsgedanken der gegenläufigen Übung auf das Betriebsrentenrecht zu übertragen.

25

cc) Im Übrigen hat der Zehnte Senat seine bisherige Rechtsprechung in der Entscheidung vom18. März 2009 (- 10 AZR 281/08 - AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 83 = EzA BGB 2002 § 242 Betriebliche Übung Nr. 9) aufgegeben.

26

dd) Die Beklagte kann sich nicht auf die bisherige Rechtsprechung zur gegenläufigen betrieblichen Übung berufen. Der Umstand, dass die Versorgungszusage vor dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes am 1. Januar 2002 erteilt wurde, ändert hieran nichts.

27

(1) Gem. Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB ist auf Schuldverhältnisse, die vor dem 1. Januar 2002 entstanden sind, das AGB-Gesetz, soweit nicht ein anderes bestimmt ist, in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung anzuwenden. Mit Schreiben vom 22. Januar 2002 unternahm die Beklagte den Versuch, die bestehende betriebliche Übung unter Benutzung Allgemeiner Geschäftsbedingungen inhaltlich zu ändern. Zu diesem Zeitpunkt fanden die Vorschriften der §§ 305 ff. BGB auf das Versorgungsverhältnis der Parteien Anwendung.

28

(2) Stellte man zugunsten der Beklagten nicht auf den Zeitpunkt ab, zu dem die Beklagte die Allgemeinen Geschäftsbedingungen in das Versorgungsverhältnis einführte, sondern auf den Zeitpunkt, zu dem die betriebliche Übung begründet wurde, also auf die Jahre 1992 bis 1994, änderte dies im Ergebnis nichts. Das Vertrauen eines Arbeitgebers, vertragliche Ansprüche, die auf eine betriebliche Übung zurückgehen, zu einem späteren Zeitpunkt durch eine gegenläufige Übung beseitigen zu können, ist nicht schutzwürdig. Denn auch unter Geltung des Rechtsinstituts der gegenläufigen Übung konnte der Arbeitgeber nicht darauf vertrauen, die Leistung nachträglich unter einen Vorbehalt zu stellen. Dem durch die betriebliche Übung begünstigten Leistungsempfänger stand es frei, der in Aussicht gestellten Vertragsänderung zu widersprechen und auf diese Weise seine Rechtsansprüche zu wahren(vgl. BAG 26. März 1997 - 10 AZR 612/96 - zu II 3 b der Gründe, AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 50 = EzA BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 38).

29

(3) Im Übrigen sprechen gewichtige Gründe dafür, auch in sog. Altfällen Sachverhalte, die nach dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes liegen, dem Regime der §§ 305 ff. BGB zu unterwerfen. Denn die Vorschrift des Art. 229 § 5 EGBGB, die als intertemporales Kollisionsrecht dem Vertrauensschutz ausreichend Rechnung trägt, bedarf im Regelfalle einer Modifizierung durch die Gerichte für Arbeitssachen nicht.

30

Gemäß Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB sind auf Dauerschuldverhältnisse, die vor dem 1. Januar 2002 begründet wurden, vom 1. Januar 2003 an die Vorschriften in der dann geltenden(Neu-)Fassung anzuwenden. Durch die Einräumung einer einjährigen Übergangsfrist hat der Gesetzgeber dem Vertrauensschutz des Arbeitgebers im Regelfalle genügt (vgl. BAG 19. Dezember 2006 - 9 AZR 294/06 - Rn. 37, AP BGB § 611 Sachbezüge Nr. 21 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 17). Umstände, die eine vom Regelfall abweichende Beurteilung rechtfertigen, hat die Beklagte nicht vorgetragen; im Übrigen sind sie nicht ersichtlich.

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III. Die Zinsentscheidung folgt aus den gesetzlichen Regeln über den Schuldnerverzug, § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB.

        

    VRiBAG
Dr. Reinecke ist in Ruhestand
getreten und deshalb verhindert,
die Unterschrift zu leisten.
Schlewing    

        

    Schlewing    

        

    Schlewing    

        

        

        

    Perreng    

        

    Bialojahn    

                 

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil des Landesarbeitsgerichts auf der Verletzung einer Rechtsnorm beruht. Sie kann nicht auf die Gründe des § 72b gestützt werden.

(2) § 65 findet entsprechende Anwendung.