Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 10. Juni 2011 - 6 Sa 46/11


Gericht
Tenor
Die Berufungen der Parteien gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 7.10.2010 - 1 Ca 1982/09 - werden auf ihre jeweiligen Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird für die Parteien nicht zugelassen.
Tatbestand
- 1
Die Parteien streiten um die Auslegung einer arbeitsvertraglichen Vergütungs- und Gratifikationsregelung.
- 2
Der Kläger wird seit 13. August 2001 von dem Beklagten, der Träger einer privaten Handelsschule ist, als Lehrer beschäftigt. Der Arbeitsvertrag enthält u. a. folgende Regelungen:
- 3
§ 5
Vergütung und sonstige Leistungen
- 4
Die Grundvergütung des Arbeitnehmers erfolgt in Anlehnung an den BAT II a. Der vollen Grundvergütung nach dem BAT entspricht für alle Vergütungsgruppen ein wöchentliches Unterrichtsdeputat von 24 Stunden. Die Vergütung des Arbeitnehmers richtet sich somit nach dem Verhältnis der jeweils von ihm gehaltenen wöchentlichen Unterrichtsstunden zum vollen Deputat von 24 Wochenstunden.
- 5
Die Zahlung von Gratifikation, Tantiemen, Prämien und sonstigen Leistungen liegt im freien Ermessen des Arbeitgebers und begründet keinen Rechtsanspruch, auch wenn die Zahlung wiederholt ohne ausdrücklichen Vorbehalt der Freiwilligkeit erfolgte.
- 6
Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen, der Beklagte habe das Gehalt seit Bestehen des Arbeitsverhältnisses immer entsprechend der Tariferhöhungen nach dem Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) angepasst. Auch die Tariferhöhungen nach dem Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) ab 2006 habe der Beklagte gewährt. In den Jahren 2006, 2007 und 2008 habe er eine Jahressonderzahlung von 40 % der Vergütung gemäß der Entgeltgruppe E 13 TV-L erhalten.
- 7
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
- 8
der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine Einmalzahlung für den Monat Februar 2009 in Höhe von 40,00 EUR brutto zuzüglich 0,5 % Zinsen hieraus monatlich zu zahlen,
- 9
der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 1.485,00 EUR brutto (123,75 EUR x 12 Monate) zuzüglich 0,5 % Zinsen hieraus monatlich zu zahlen,
- 10
der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 203,94 EUR brutto zuzüglich 0,5 % Zinsen hieraus monatlich zu zahlen,
- 11
der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen einmaligen Betrag in Höhe von 1.699,50 EUR brutto als Jahressonderzahlung für das Jahr 2009 zuzüglich 0,5 % Zinsen hieraus monatlich zu zahlen.
- 12
Der Beklagte hat erstinstanzlich
- 13
Klageabweisung
- 14
beantragt und erwidert, bei der Regelung in § 5 Ziffer 1 des Arbeitsvertrages handele es sich um eine statische Verweisung. Hierfür sprächen die den Parteien bei Abschluss des Arbeitsvertrages bekannten Umstände der Finanzierung der Gehälter für angestellte Lehrer an Privatschulen durch das Land Rheinland-Pfalz. Die Erstattung der Personalaufwendungen erfolgten nach der sogenannten "E-Regelung "gemäß § 29 der Durchführungsverordnung zum Privatschulgesetz. Für den Träger der Privatschule sei damit keineswegs klar, dass zukünftige tarifliche Gehaltserhöhungen vom Land ersetzt würden. Der Entscheidung über die in der Vergangenheit gewährten Erhöhungen der Grundvergütung sei immer von der Prüfung der finanziellen Situation der Schule für eine solche Gehaltserhöhung vorausgegangen. Die Klausel im Arbeitsvertrag bezöge sich auch nicht auf den BAT insgesamt, sondern nur auf die Grundvergütung. Der TV-L könne allenfalls nach den Grundgesetzen der ergänzenden Vertragsauslegung gelten. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf eine Jahressonderzahlung. Diese gehören nicht zur im Arbeitsvertrag enthaltenen Bezugnahme auf die Grundvergütung des BAT.
- 15
Das Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein hat durch Urteil vom 07. Oktober 2010 den Beklagten zur Zahlung für Februar 2009 in Höhe von 40,-- € brutto als Einmalzahlung und des Weiteren zur Zahlung von 1.485,-- € brutto sowie 203,94 € brutto verurteilt und die weitergehende Klage auf eine Jahressonderzahlung abgewiesen.
- 16
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Anspruch auf Einmalzahlung in Höhe von 40,-- € resultiere aus dem kraft Tarifsukzession anwendbaren § 2 Abs. 1 TV-L für Februar 2009. Dieser Anspruch sei auch nicht aus § 37 Abs. 1 TV-L verfallen. Die Ausschlussklausel sei nicht anwendbar. Die Parteien hätten die Anwendbarkeit des BAT nur in Bezug auf die Grundvergütung nicht aber bezüglich des Verfalls von Ansprüchen vereinbart. Für den Zeitraum vom 1. März 2009 bis 28. Februar 2010 stünde dem Kläger die zum 1. März 2009 erfolgte Erhöhung der Vergütung um 3 %, was 123,95 € brutto pro Monat entspräche und damit ein Gesamtbetrag von 1.485,-- € brutto zu. Der weitere dem Kläger zustehende Betrag in Höhe von 203,94 € brutto ergäbe sich für den Zeitraum vom 1. März 2010 bis 30. Juni 2010. Grund sei die zum 1. März 2010 erfolgten Erhöhung um 1,2 %, was 50,99 € und auf 4 Monate bezogen den ausgeurteilten Gesamtbetrag ausmache. Ein Anspruch auf Jahressonderzahlung für 2009 in Höhe von 1.699,50 € brutto bestünde nicht, da § 20 TV-L nicht anwendbar sei. Sie sei nicht Grundvergütung im Sinne von § 5 Ziffer 1 Satz 1 des Arbeitsvertrages. Außerdem stünden solche Zahlungen nach § 5 Ziffer 2 des Arbeitsvertrages unter Freiwilligkeitsvorbehalt.
- 17
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des vorbezeichneten Urteils (Seite 5 - 9 = Bl. 74 - 78 d. A.) Bezug genommen.
- 18
Gegen das den Parteien am 14. Januar 2011 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom 21. Januar 2011 und die des Klägers vom 8. Februar 2011, die von Seiten der Beklagten am 14. März 2011 und von Seiten des Klägers am 8. März 2011 begründet worden ist.
- 19
Die Berufung der Beklagten führt zweitinstanzlich weiter aus, bei der Verweisung auf den BAT im Arbeitsvertrag handele es sich um eine statische Verweisung. Eine automatische Anpassung der Vergütung ohne Berücksichtigung auf Refinanzierungsmittel wäre existenzgefährdend. Bei den in der Vergangenheit gewährten Erhöhungen sei immer eine Prüfung der finanziellen Situation vorausgegangen; auch sei die Anpassung keineswegs immer zeitpunktgenau erfolgt. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei bei Annahme einer teildynamischen Verweisung auch von einer Übernahme der eher formell verfahrensmäßigen Bestimmungen und damit der Ausschlussfristenregelung auszugehen. Insoweit wäre auch von einem Verfall der Einmalzahlung auszugehen. Entgegen der Auffassung des Klägers habe das Schulgeld an der Finanzierungssituation nichts geändert.
- 20
Der Beklagte beantragt,
- 21
das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 7. Oktober 2010, zugestellt am 14. Januar 2011 - 1 Ca 1982/09 - wird in den Ziffern 1 bis 3 des Urteils abgeändert. Die Klage wird auch insoweit abgewiesen.
- 22
Der Kläger hat
- 23
Zurückweisung
- 24
der Berufung beantragt und erwidert unter Übernahme der Auffassung des Arbeitsgerichts, eine strukturelle Unterfinanzierung sei nicht anzunehmen, da eine Deckung der Kosten über eine in den letzten Jahre erhöhtes Schulgeld erfolgt sei. Alle Tariferhöhungen seien immer vollständig und zeitgenau vorgenommen worden.
- 25
Zur seiner Berufung führt der Kläger aus, der Anspruch auf Jahressonderzahlung bestünde. Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 8. Dezember 2010 - 10 AZR 671/09 - sei die in § 5 Ziffer 2 des Arbeitsvertrages vereinbarte Klausel unklar und intransparent. Nach der Rechtsprechung habe die allgemeine Klausel im Arbeitsvertrag des dortigen Streitfalles die Entstehung des Rechtsanspruches nicht verhindert. Der Arbeitgeber habe bei Zahlung nicht deutlich eine Bindung für die Zukunft ausgeschlossen.
- 26
Der Kläger beantragt,
- 27
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 7. Oktober 2010 - 1 Ca 1982/09 - den Beklagten zu verurteilen, über die dem Kläger im Urteil zugesprochenen Beträge hinaus einen einmaligen Betrag in Höhe von 1.699,50 € brutto als Jahressonderzahlung für das Jahr 2009 zuzüglich Zinsen jährlich hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1. Januar 2010 zu zahlen.
- 28
Der Beklagte hat insoweit
- 29
Zurückweisung der Berufung
- 30
beantragt, die Auffassung des Arbeitsgerichts übernommen sowie einen Verfall der Einmalzahlung gesehen.
- 31
Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründungen wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 10. März 2011 (Bl. 106 - 111 d. A.), zur Berufung des Klägers auf den Schriftsatz vom 7. März 2011 (Bl. 97 - 98 d. A.) und zu den Berufungserwiderungen auf den Schriftsatz des Beklagten vom 21. März 2011 (Bl. 113 - 114 d. A.) und des Klägers vom 6. Juni 2011 (Bl. 128 - 130 d. A.) nebst sämtlichen vorgelegten Unterlagen sowie auf die Feststellungen in der Sitzungsniederschrift des Landesarbeitsgerichts vom 10. Juni 2011 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
- 32
Die Berufungen beider Parteien sind zulässig.
- 33
Das Rechtsmittel ist jeweils an sich statthaft.
- 34
Die Berufungen wurden auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet.
II.
- 35
In der Sache haben die Rechtsmittel jedoch k e i n e n Erfolg.
- 36
Dem Kläger stehen die erstinstanzlich ausgeurteilten Zahlungsansprüche in Höhe von 40,-- € brutto für Februar 2009 und des Weiteren von 1.485,-- € brutto für den Zeitraum vom 1. März 2009 bis 28. Februar 2010 und schließlich ein weiterer Betrag von 203,94 € brutto für den Zeitraum vom 1. März 2010 bis 30. Juni 2010 in unstreitiger Höhe zu.
- 37
Ein Anspruch auf Jahressonderzahlung für das Jahr 2009 besteht nicht.
- 38
Die Kammer nimmt Bezug auf die diesbezüglich begründenden Feststellungen des Arbeitsgerichts und sieht hier zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG von einer nochmaligen Darstellung ab.
- 39
1. Wegen der Angriffe der Berufung des Beklagten besteht Grund zu folgenden Ergänzungen:
- 40
Soweit der Beklagte an seiner Auffassung festhält, wegen der Refinanzierungsverhältnisse von Privatschulen in Rheinland-Pfalz handele es sich bei der Regelung nach § 5 Ziffer 1 des Arbeitsvertrages um eine statische Verweisung, kann dem auch unter Berücksichtigung des wiederholten Berufungsvorbringens nicht gefolgt werden.
- 41
Die anwendbaren Grundsätze der §§ 133, 157 BGB zur Auslegung von Arbeitsvertragsklauseln (vgl. ErfK-Preis, 10. Aufl., 230 BGB § 611 Rz. 372) führen vorliegend gerade n i c h t zur Feststellung, dass die von der Berufung thematisierte Refinanzierungsproblematik von Privatschulen ausdrücklich Eingang in die betroffene Vergütungsregelung getroffen hat. Der Wortlaut der arbeitsvertraglichen Vergütungsklausel ist eindeutig an den Vergütungsmechanismus des damals geltenden BAT gerichtet. Die Bezahlregelung für den öffentlichen Dienst sollte bestimmend sein. Für einen außerhalb der arbeitsvertraglichen Vereinbarung (§ 5 Ziffer 1 des Arbeitsvertrages) und bei dessen Abschluss bestehenden Willen der Arbeitsvertragsparteien zu einer Koppelung der Vergütung an das Privatschulgesetz oder gar der Landesverordnung zur Durchführung des Privatschulgesetzes fehlt es an einem substantiierten Vortrag der Beklagten - im Gegenteil; der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung noch einmal verdeutlicht, dass er wie ein angestellter Lehrer im öffentlichen Dienst bezahlt werden sollte.
- 42
2. Zu den Angriffen der Berufung des Klägers ist auszuführen, dass der Auffassung zu einer Intransparenz der Klausel im Arbeitsvertrag in Verbindung mit der in angesprochenen Tarifgrundlage auch angesichts der zitierten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vom 8. Dezember 2010 - 10 AZR 671/09 - nach Meinung der Berufungskammer n i c h t zu folgen ist.
- 43
Der Anspruch ist für das Jahr 2009 trotz Gewährung einer Jahressonderzahlung für die früheren Jahre 2006, 2007 und 2008 n i c h t entstanden. Aus betrieblicher Übung ist er nicht begründbar, da nach § 5 Ziffer 2 des in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Arbeitsvertrages deutlich geregelt ist, dass die Zahlung u. a. von Gratifikationen im vollen Ermessen des Arbeitgebers liegt und keinen Rechtsanspruch begründet, auch wenn die Zahlung wiederholt ohne ausdrücklichen Vorbehalt der Freiwilligkeit erfolgte. Hierin liegt nach Meinung der Berufungskammer der von der für zutreffend gehaltenen Rechtsprechung (vgl. BAG 16. Februar 2010 - 3 AZR 118/08) geforderte klare und deutliche Vorbehalt, der das Entstehen des Anspruchs bereits ausschließt.
- 44
Die von der Berufung übersieht, dass es bei der zitierten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 8. Dezember 2010 - 10 AZR 671/09 - um die - vorliegend nicht gegebene - Verknüpfung von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt geht.
III.
- 45
Die Berufung beider Parteien war daher mit der entsprechenden Kostenfolge zurückzuweisen. Ein Revisionszulassungsgrund im Sinne des § 73 Abs. 2 ArbGG besteht nicht.

moreResultsText

Annotations
(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.
(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.
(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.
(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.