Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 08. Dez. 2015 - 2 Sa 106/15

ECLI:ECLI:DE:LAGST:2015:1208.2SA106.15.0A
bei uns veröffentlicht am08.12.2015

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten und Berufungsklägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 03. 12. 2014 - 5 Ca 3363/13 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreites hat der Kläger und Berufungsbeklagte zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Zwischen den Parteien ist der jährliche Urlaubsanspruch streitig.

2

Der am ... geborene Kläger ist seit dem 01. 11. 2000 bei der Beklagten als Set Up (Mitarbeiter für den Auf- und Abbau bei Veranstaltungen) mit einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt 1.315,00 € sowie einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden beschäftigt.

3

Dem Arbeitsverhältnis liegt der Arbeitsvertrag vom 11. 10. 2000 nebst den allgemeinen Vertragsbedingungen (Bl. 7 und 8 d. A.) zu Grunde.

4

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet wegen beiderseitiger Tarifgebundenheit u. a. der Entgeltrahmentarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe sowie der Manteltarifvertrag für diese Branche für das Land Sachsen-Anhalt Anwendung. Der Manteltarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe für das Land Sachsen-Anhalt vom 18. 05. 2002 (im Folgenden: MTV) ist durch die Protokollnotiz vom 30. März 2007 mit Wirkung vom 01. 04. 2007 unverändert erneut in Kraft gesetzt worden, vgl. Bl. 47 ff. und Bl. 56 d. A..

5

§ 7 des MTV lautet wie folgt:

6

㤠7 Urlaub

7

(1) Das Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr.

8

(2) Der Urlaubsanspruch der Arbeitnehmer staffelt sich nach dem Lebensalter It. nachstehender Tabelle:

9

 Lebensalter

 Anzahl der Urlaubstage

 bis 25 Jahre

 23 Arbeitstage

 ab 26 Jahre

 24 Arbeitstage

 ab 31 Jahre

 25 Arbeitstage

 ab 40 Jahre

 27 Arbeitstage

 ab 50 Jahre

 30 Arbeitstage

10

Als Urlaubstage = Arbeitstage gelten die Tage Montag bis Freitag, soweit sie nicht gesetzliche Feiertage sind. Für die Feststellung des Urlaubsanspruchs gilt das Lebensjahr bei Beginn des Kalenderjahres (Stichtag 01.01.).

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(3) Anspruch auf Jahresurlaub besteht frühestens nach 6 Monaten der Beschäftigung.

12

(4) Im Laufe des Kalenderjahres eingetretene und ausgeschiedene Arbeitnehmer haben Anspruch auf anteiligen Urlaub. Der Anspruch beträgt für jeden vollen Monat des Arbeitsverhältnisses 1/12 des Jahresurlaubs. Bruchteile von Urlaubstagen, die mindestens einen 1/2 Tag ergeben, sind aufzurunden. Ein angebrochener Monat gilt nach mehr als 15 Tagen als voller Monat.

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(5) Der Urlaub muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Die Übertragung des Urlaubs auf das folgende Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn

14

- dringende betriebliche Gründe,

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- Gründe in der Person des Arbeitnehmers liegen,

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die dies rechtfertigen.

17

(6) Im jeweiligen Unternehmen ist bis zum 31. 03. des laufenden Urlaubsjahres ein Urlaubsplan aufzustellen, in dem die Urlaubswünsche der Arbeitnehmer unter Berücksichtigung betrieblicher Bedingungen eingearbeitet werden sollten. Andere Urlaubswünsche sind mindestens 4 Wochen vor Urlaubsantritt anzumelden. Ausnahmen sind dringende persönliche Angelegenheiten und unvorhergesehene Ereignisse.

18

(7) Während des Urlaubs darf der Arbeitnehmer keine dem Urlaubszweck widersprechende Erwerbstätigkeit leisten. Geschieht dies dennoch, verwirkt er den Anspruch auf Urlaubsentgelt und -geld. Es liegt ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung vor, wenn der Arbeitnehmer in einem Konkurrenzunternehmen tätig wird.

19

(8) Der Arbeitgeber kann Betriebsurlaub unter Berücksichtigung der betrieblichen Situation und der Urlaubsansprüche der Arbeitnehmer unter Mitbestimmung des Betriebsrates (wo vorhanden) festlegen.

20

(9) Der Arbeitgeber kann unentschuldigtes Arbeitsversäumnis auf den Urlaub anrechnen, sofern er die versäumten Tage dem Arbeitnehmer vergütet hat. Anspruch auf Urlaubsgeld besteht für diese Tage nicht.“

21

Mit Schreiben vom 12.11.2013 machte der Kläger für die Zeit vom 29. 11. - 30. 12. 2013 drei weitere Tage Erholungsurlaub für das Urlaubsjahr 2013 geltend. Zur Begründung verwies er auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 20. 03. 2012, Az. 9 AZR 529/10. Darüber hinaus begehrte er die Anerkennung, dass ihm ab dem Jahr 2014 insgesamt 30

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Urlaubstage - statt der bisher seinem Alter entsprechend gewährten 27 jährlichen Urlaubstage - zustünden, vgl. Bl. 9 d. A.

23

Mit Schreiben vom 22.11.2013 (Bl. 10 d. A.) lehnte die Beklagte das Begehren des Klägers ab.

24

Aus der Erklärung der D. Sachsen-Anhalt vom 08. 05. 2013 ergibt sich Folgendes (Bl. 35 f. d. A.):

25

„M..., 08.05.2013

26

Altersabhängige Staffelung der Urlaubsdauer Sehr geehrte Damen und Herren,

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in der vorbezeichneten Angelegenheit beziehen wir uns auf die bisherige Korrespondenz, insbesondere Ihr Schreiben vom 22.04.2013.

28

Nach den uns seitens des ehemaligen Geschäftsführers des D. Sachsen-Anhalt e. V., Herrn E., zur Verfügung gestellten Information ist die im Manteltarifvertrag enthaltene Urlaubsstaffelung als positive Maßnahme zu verstehen. Damit sollte das legitime Ziel verfolgt werden, einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Menschen im Rahmen der Kompensation der altersbedingten Belastungen Rechnung zu tragen.

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Da Mitarbeiter im Gastgewerbe eine körperlich an vielen Positionen anstrengende Tätigkeit ausüben und strukturbedingt im Regelfall relativ früh ihren Berufsweg beginnen, gilt diese Argumentation - entgegen der sehr pauschalen Darstellung des BAG für den Öffentlichen Dienst - jedenfalls für die Staffelwerte ab dem 40. Lebensjahr.

30

Das Fehlen einer entsprechenden Stufe ab dem 60. Lebensjahr könnte zum Teil auch darauf zurückzuführen sein, dass ein Regelungsbedürfnis vor dem Hintergrund nicht gesehen worden ist, als sich Arbeitnehmer dieser Altersstruktur in der Branche kaum finden ließen. Jedenfalls haben die Tarifparteien incl. der Gewerkschaft eine derartige Stufe nicht für erforderlich erachtet, was jedoch an den grundsätzlich positiven Ansätzen dieser Maßnahme nichts ändert.

31

Darauf deutet auch hin, dass die Staffelung bereits in sich nicht stringent ist, die Tabelle somit nicht auf fortlaufenden Zehnerschritten aufbaut. Ferner ist der Dreiersprung bei der letzten Stufe in sich einmalig.

32

Die unteren Staffelwerte, die jeweils (nur) eine Erhöhung um einen Tag bedingen, sollten nach hiesigem Verständnis der recht frühen Familienplanung Rechnung tragen, die in unserem Gewerbe ebenfalls nicht unüblich ist. Auch hier besteht wieder eine direkte Abweichung zum öffentlichen Dienst, wo die Mitarbeiter vielfach den Ausbildungsweg nach dem Abitur oder Studium beginnen, insoweit also bereits ausbildungsbedingt vielfach ein anderes Lebensmodell pflegen, zumal auch Weiterbildung und Planstellengestaltung die Familienplanung im Öffentlichen Dienst (im Gegensatz zu unserer Branche) beeinflussen und es innerhalb der ersten Berufsjahre vielfach noch zu Versetzungen kommt, bis die eigentliche Planstelle eingenommen wird.

33

Vor diesem Hintergrund haben wir berechtigte Zweifel, dass die Entscheidung des BAG zu den Urlaubsstaffelungen im Öffentlichen Dienst auf den für uns maßgeblichen Tarifvertrag zu übertragen ist. Wenn gleich auch schriftliche Unterlagen, die über die Staffelung bzw. die ihr zugrundeliegenden Beweggründe Aufschluss geben, leider, wie bereits telefonisch mitgeteilt, nicht vorliegen.

34

Mit freundlichen Grüßen

C... W...

35

Geschäftsführer“

36

Mit der am 11.12.2013 beim Arbeitsgericht Magdeburg eingegangenen Feststellungsklage, verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

37

Der Kläger ist der Auffassung, er habe auch schon vor Vollendung des 50. Lebensjahres einen jährlichen Urlaubsanspruch von 30 Urlaubstagen. Dies bedeute für das Jahr 2013 einen weiteren Urlaubsanspruch von 3 Tagen und für die Folgejahre einen solchen von 30 (statt 27) Urlaubstagen. Die an das Lebensalter anknüpfende Staffelung des tariflichen Urlaubsanspruches stelle eine Diskriminierung des Klägers wegen des Alters dar. Diese Ungleichbehandlung jüngerer Arbeitnehmer als 50 Jahre sei nicht sachlich gerechtfertigt. Die Urlaubsstaffelung nach § 7 Abs. 2 MTV sei daher gemäß § 7 Abs. 1 und 2 AGG i. V. m. § 134 BGB unwirksam. Die Anpassung habe in der Folge nach oben - das heißt auf 30 Urlaubstage jährlich - zu erfolgen. Tatsachen, nach denen es sich um eine nach § 8 AGG zulässige unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher Anforderungen handle, seien durch die Beklagte nicht vorgetragen worden. Darüber hinaus knüpfe die Urlaubsstaffel in § 7 MTV gerade nicht an die Art der auszuübenden Tätigkeit oder deren Arbeitsbedingungen an. Aus § 7 MTV ergebe sich auch nicht, dass diese Staffelung dem Schutz älterer Arbeitnehmer diene. Die vorgenommene Staffelung sei eher willkürlich. Es seien keinerlei Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Tarifvertragsparteien insoweit einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollten. Hätten die Tarifvertragsparteien dieses Ziel im Auge gehabt, hätten sie keine zusätzlichen Staffelungen ab 26 bzw. 31 Lebensjahren um jeweils einen Tag vorgenommen.

38

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

39

1. festzustellen, dass dem Kläger in jedem Kalenderjahr 30 Urlaubstage zustehen und die Beklagte verpflichtet ist, diese auch zu gewähren.

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2. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für das Urlaubsjahr 2013 weitere drei Urlaubstage zu gewähren.

41

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt, die Klage abzuweisen.

42

Die Beklagte hält das Begehren des Klägers für unbegründet. Dem Kläger stehe für das Jahr 2013 gemäß § 7 Abs. 2 MTV lediglich ein Urlaubsanspruch im Umfang von 27 Arbeitstagen zu. Die Urlaubsstaffelung in § 7 Abs. 2 MTV sei rechtswirksam. Die lebensaltersabhängige Staffelung des Urlaubsanspruchs diene dem legitimen Ziel, einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Mitarbeiter Rechnung zu tragen, um die altersbedingten Belastungen zu kompensieren. Dieses Ziel sei zulässig. Der überwiegende Teil der vom MTV erfassten Arbeitnehmer leiste körperlich ermüdende, zum Teil schwere und im Stehen auszuführende Arbeiten. Darüber hinaus würden Mitarbeiter in dem Hotel- und Gaststättengewerbe in relativ jungem Alter in den Beruf einsteigen, so dass eine frühe Steigerung des jährlichen Urlaubsanspruches angezeigt sei. Insbesondere die typischen Tätigkeiten des Hotel- und Gaststättengewerbes machten es erforderlich, den in diesem Bereich eingesetzten Mitarbeitern eine längere Erholungszeit zukommen zu lassen. Die von den Tarifvertragsparteien im MTV vereinbarten Altersgrenzen würden den mit der Staffelung verfolgten Zweck angemessen berücksichtigen. So würden bei Mitarbeitern ab dem 26. Lebensjahr, die dann einen weiteren Urlaubstag erhielten, der Urlaubsanspruch lediglich um 4,35 % steigen. Bei der weiteren Lebensaltersstufe ab 31 würde sich der Urlaubsanspruch lediglich um 4,17 % erhöhen. Erst ab dem 40. bzw. 50. Lebensjahr seien größere Sprünge von 2 bzw. 3 Urlaubstagen zu verzeichnen. Bereits diese Staffelung, die in den früheren Jahren moderat ausfalle und erst ab dem 40. Lebensjahr um 2 Arbeitstage und ab dem 50. Lebensjahr um 3 Arbeitstage steige, beweise, dass im Hinblick auf das zunehmende Alter und das damit verbundene zunehmende Erholungsbedürfnis eine sachgerechte Staffelung vorgenommen worden sei.

43

Das Arbeitsgericht Magdeburg hat der Klage stattgegeben. Dem Kläger stünden für das Urlaubsjahr 2013 drei weitere Urlaubstage und für die Folgeurlaubsjahre insgesamt 30 Urlaubstage im Jahr zu.

44

Die Urlaubsstaffel nach § 7 Abs. 2 MTV verstoße gegen § 1,3 AGG.

45

§ 7 Abs. 2 MTV sei deshalb nach § 7 Abs. 1 und 2 AGG i. V. m. § 134 BGB unwirksam. Dies habe zur Folge, dass der Kläger auch schon vor Vollendung seines 50. Lebensjahres in jedem Kalenderjahr Anspruch auf 30 Arbeitstage Urlaub habe. § 7 MTV sei am AGG zu messen. Zu den Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen gehöre auch der Urlaub. Der Umstand, dass der MTV am 18. 05. 2002 und damit bereits vor dem im August 2006 in Kraft getretenen AGG gegolten habe, stehe dem nicht entgegen. Denn die ab dem Jahr 2013 geltend gemachte Benachteiligung durch § 7 Abs. 2 MTV sei erst nach Inkrafttreten des AGG eingetreten. Da § 33 Abs. 1 AGG insoweit keine Übergangsregelung enthalte, finde das Gesetz auch dann Anwendung, wenn die Benachteiligung auf einem vor Inkrafttreten des AGG abgeschlossenen Tarifvertrages beruhe, da es lediglich auf den Zeitpunkt der Benachteiligungshandlung ankomme.

46

Die Urlaubsstaffel in § 7 Abs. 2 MTV enthalte eine auf dem Merkmal des Alters beruhende Ungleichbehandlung der Beschäftigten, die das 26., 31., 40. bzw. 50. Lebensjahr noch nicht vollendet hätten. Eine sachliche Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung jüngerer Arbeitnehmer sei weder dargelegt noch erkennbar.

47

Die Differenzierung sei nicht nach § 8 AGG gerechtfertigt, weil die Urlaubsstaffelung nicht an die Art der auszuübenden Tätigkeit oder die Bedingungen ihrer Ausübung anknüpfe, sondern Geltung für alle dem Tarifvertrag Unterfallenden beanspruche.

48

Andere Rechtfertigungsgründe seien ebenfalls nicht gegeben. Zwar müsse der Grund für die Urlaubsstaffelung nicht ausdrücklich in der tariflichen Regelung enthalten sein. Es reiche aus, wenn sich aus dem allgemeinen Kontext der Regelung Anhaltspunkte ableiten ließen, die eine Feststellung des Regelungsziels ermöglichten. Dies sei vorliegend jedoch nicht gegeben. Die Tarifvorschrift räume bereits Mitarbeitern ab dem 26. Lebensjahr einen um einen Tag erhöhten Urlaubsanspruch ein. Eine weitere Erhöhung des Urlaubsanspruches erfolge bereits ab dem 31. Lebensjahr. Zwar sei der Beklagten zuzustimmen, dass die Tarifvertragsparteien mit zunehmendem Lebensalter eine höhere Steigerung des Urlaubsanspruches geregelt hätten. Es sei aber mit dem Gesundheitsschutz älterer Arbeitnehmer nicht vereinbar, wenn die Steigerungen des Urlaubsanspruches bereits ab dem 26., 31. und 40. Lebensjahr vorgesehen seien. Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass nach dem 50. Lebensjahr eine weitere Erhöhung des Urlaubsanspruches nicht mehr von den Tarifvertragsparteien vereinbart worden sei. Wenn aber die Tarifvertragsparteien mit zunehmenden Alter ein gesteigertes Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter hätten Rechnung tragen wollen, hätte es nahe gelegen, gerade für die noch älteren Beschäftigten - z. B. für die Gruppe der über 60jährigen - die Dauer des Erholungsurlaubs nochmals zu verlängern. Dies hätten die Tarifvertragsparteien jedoch unterlassen.

49

Bei dieser Sachlage sei eine Anpassung des Urlaubsanspruches des Klägers nach oben - mithin auf 30 Arbeitstage Urlaub pro Jahr - vorzunehmen.

50

Das Urteil ist der Beklagten ausweislich des Empfangsbekenntnisses (Bl. 92 d. A.) am 09. 03. 2015 zugestellt worden. Hiergegen hat diese - anwaltlich vertreten - mit am 31. 03. 2015 eingegangenen Schriftsatz vom selben Tage (vgl. Bl. 93 und 94 d. A.) Berufung eingelegt. Mit am 15. 04. 2015 eingegangenen Schriftsatz hat die Prozessbevollmächtigte der Beklagten die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist begehrt. Daraufhin wurde die Berufungsbegründungsfrist bis zum 04. 06. 2015 antragsgemäß verlängert.

51

Mit am 13. 05. 2015 eingegangenen Schriftsatz vom selben Tage ging die Berufungsbegründung bei dem Landesarbeitsgericht ein.

52

Die Beklagte greift das erstinstanzliche Urteil vollumfassend an.

53

Die Beklagte ist weiterhin der Auffassung, dass die Urlaubsstaffelung in § 7 Abs. 2 MTV durch sachliche Gründe auch unter Berücksichtigung des AGG gerechtfertigt sei.

54

Der Kläger habe im Jahr 2013 und in den Folgejahren bis zum Jahre 2017 einschließlich lediglich Anspruch auf 27 Urlaubstage. Erst ab dem Jahr 2018 erfülle er den höheren Urlaubsanspruch von 30 Urlaubstagen nach dem derzeitigen MTV jährlich. Ein Verstoß gegen §1,3 Abs. 1 AGG sei nicht gegeben. Zwar liege eine Ungleichbehandlung wegen des Alters vor. Diese sei jedoch nach § 10 AGG sachlich gerechtfertigt. Gemäß § 10 AGG sei eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt sei. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssten zudem erforderlich sein. Die Ungleichbehandlung bei der Urlaubsgewährung wegen des Alters nach § 7 Abs. 2 MTV verfolge ein legitimes Ziel. Sie trage dem mit zunehmen dem Alter und damit einhergehender körperlicher Beanspruchung durch die Tätigkeiten im Hotel- und Gaststättengewerbe gesteigerten Erholungsbedürfnis der Beschäftigten Rechnung und diene damit dem Gesundheitsschutz. Die Berufe im Hotel- und Gaststättengewerbe seien geprägt von Tätigkeiten, die überwiegend im Stehen oder Gehen ausgeübt werden müssten. Beispielsweise lege ein Kellner an einem Arbeitstag ca. 10 Kilometer zurück. Auch das Reinigungspersonal übe körperlich belastende Tätigkeiten aus. Dies treffe auch auf den Kläger zu. Nach einer Information des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz in Österreich sei die Arbeit im Hotel- und Gaststättengewerbe durch hohe körperliche und physische Anforderungen geprägt und führe häufig zu Fehlbelastungen und daraus resultierenden gesundheitlichen Beschwerden und Erkrankungen. Diese Belastungssituation betreffe alle klassischen Berufe im Gaststätten- und Hotelgewerbe. Dies mussten die Tarifvertragsparteien bei der Festlegung des Urlaubsanspruches berufsgruppenübergreifend berücksichtigen. In der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei anerkannt, dass die physische Belastbarkeit mit zunehmendem Alter abnehme. Dieser Erfahrungssatz betreffe auch den Wirkungszusammenhang von erreichtem Lebensalter und Krankheitsanfälligkeit. Auf dieser Erwartung beruhten alle bekannten privaten und öffentlichen Systeme der Kranken-, Renten- und Lebensversicherung. Auch könne als Erfahrungssatz angenommen werden, dass bei körperlich anstrengenden Tätigkeiten mit zunehmendem Alter das Erholungsbedürfnis von Arbeitnehmern steige. Daher werde den Beschäftigten im Hotel- und Gaststättengewerbe mit zunehmendem Alter ein steigender Urlaubsanspruch gewährt.

55

Die Annahme des Arbeitsgerichts Magdeburg, aus der Staffelung des Urlaubsanspruches ab dem 26., 31. und 40. Lebensjahr sei der Schluss zu ziehen, § 7 Abs. 2 MTV diene nicht dem Gesundheitsschutz älterer Arbeitnehmer, sei nicht zutreffend. Staffele eine Tarifregelung die Urlaubsdauer nach dem Lebensalter, so liege nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Annahme nahe, die Tarifvertragsparteien hätten einem mit zunehmendem Alter gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer Rechnung tragen wollen. Das Arbeitsgericht Magdeburg habe übersehen, dass im Hotel- und Gaststättengewerbe regelmäßig ein frühes Einstiegsalter von 16-21 Jahren gegeben sei, so dass bereits eine Steigerung des Urlaubsanspruches wegen der dann schon länger zurückgelegten Belastungszeiten zum 26., 31. und 40. Lebensjahres gerechtfertigt sei. Dies treffe erst recht auf das Erreichen des 50. Lebensalters zu.

56

Außerdem habe das Arbeitsgericht Magdeburg verkannt, dass die Staffelungen des Urlaubsanspruches in § 7 MTV unabhängig voneinander auf ihre sachliche Rechtfertigung zu prüfen seien. Insbesondere berühre die Unwirksamkeit einer einzelnen Stufe die Wirksamkeit der übrigen Staffelungen nicht. Es könne daher nicht unterstellt werden, die Tarifvertragsparteien hätten mit jeder vorgenommenen Altersstaffelung dasselbe Ziel verfolgt. Möglich sei auch, dass sie den jeweils vermuteten unterschiedlichen Belastungen eines bestimmten Lebensabschnitts hätten Rechnung tragen wollen, etwa bei den über 30Jährigen den in diesem Lebensabschnitt anzunehmenden familiären Verpflichtungen.

57

Im Einzelnen gelte:

58

Die erste Steigerung ab dem 26. Lebensjahr sei gerechtfertigt, weil bereits nach dem 25. Lebensjahr die durchschnittliche Körperkraft abnehme. Die konstitutionelle Beschaffenheit von Knochengewebe, Haut und Haaren sei bemerkbar und verändere das Erscheinungsbild des betroffenen Arbeitnehmers. Die moderate Steigerung des Urlaubsanspruches um lediglich einen Tag trage dem Rechnung. Die Steigerung ab dem 31. Lebensjahr sei u. a. durch den weiteren stetigen Abbau der Muskulatur, die ca. 5 % in einem Zeitraum von 10 Jahren betrage, geschuldet. Die noch moderate Steigerung um einen weiteren Urlaubstag trage dem Rechnung.

59

Die dritte Steigerung ab dem 40. Lebensjahr umfasse zwei Urlaubstage. Diese Steigerung solle dazu dienen, die langjährig körperlich belastende Tätigkeit (z. B. ab dem 16. Lebensjahr) sowie die damit einhergehenden körperlichen Verschleißerscheinungen auszugleichen.

60

Die letzte Steigerung ab dem 50. Lebensjahr sei darin begründet, dass zu diesem Zeitpunkt neben der bereits langjährigen körperlichen Beanspruchung und einem regelmäßigen körperlichen weiteren Verfall eine gesteigerte Erholungsbedürftigkeit aufgrund des Alters eintrete.

61

Auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. Urteil vom 20. 03. 2012 - 9 AZR 529/10 -) zum Urlaubsanspruch nach dem TVöD sei nicht abzustellen. Die Staffelung in § 7 Abs. 2 MTV stelle nicht nur auf ein erhöhtes Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter ab. Vielmehr trage sie den Besonderheiten der Branche Rechnung, in der mit zunehmendem Alter zusätzliche Urlaubstage gewährt würden, weil die psychische Belastbarkeit der Beschäftigten bei gleichbleibender anstrengender körperlicher Arbeit sinke. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts könne grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass mit einer Altersgrenze für die Gewährung zusätzlichen Urlaubs einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer Rechnung getragen würde. Unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten dürften der Arbeitgeber aber auch die Tarifvertragsparteien daher das Alter in belastenden Berufen i. S. einer typisierenden Betrachtung in Ausübung ihres Gestaltungsspielraumes als Grund für ein gesteigertes Erholungsbedürfnis als Differenzierungskriterium heranziehen. Dies bedeute, dass die Tarifvertragsparteien bei der Staffelung des Urlaubsanspruches von einer generalisierenden Betrachtung im Hotel- und Gaststättengewerbe ausgehen durften. Dabei hätten sie, insbesondere bei der Gewährung von drei zusätzlichen Urlaubstagen ab dem 50. Lebensjahr, zutreffend das gesteigerte Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer bei körperlich belastenden Tätigkeiten zu Grunde gelegt.

62

Außerdem sei davon auszugehen, dass die in dem Hotel- und Gaststättengewerbe tätigen Beschäftigten besonders auf ein repräsentatives Äußeres zu achten hätten, da der wirtschaftliche Erfolg in dieser mit Erholung und Freizeit, aber auch geschäftlich sowie gesellschaftlichen Anlässen eng verwobenen Dienstleistungsbranche besonders durch das Personal und dessen entspanntes und erholtes Aussehen bestimmt werde. Unter der Annahme, dass die Pflege dieses Erscheinungsbildes durch eigene Erholung positiv unterstützt und erreicht werde und mit zunehmendem Alter mehr Zeit in Anspruch nehme, werde der Urlaubsanspruch der älteren Beschäftigten entsprechend erhöht. Ständiger Stress sei dagegen einem entspannten Äußeren abträglich.

63

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt zweitinstanzlich,

64

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 03. 12. 2014 (Aktenzeichen: 5 Ca 3363/13) abzuändern und nach den Schlussanträgen erster Instanz zu erkennen;

65

2. die Kosten des Rechtsstreites der berufungsbeklagten Partei aufzuerlegen.

66

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt zweitinstanzlich, die Berufung zurückzuweisen.

67

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil u. a. nach Maßgabe des Schriftsatzes vom 01. 07. 2015.

68

Der Kläger ist weiterhin der Ansicht, dass die Urlaubsregelung in § 7 Abs. 2 MTV altersdiskriminierend sei. Ein sachlicher Grund hierfür sei nicht gegeben. Zwar sei es richtig, dass § 10 AGG eine zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters erlaube, jedoch sei eine solche unterschiedliche Behandlung nur dann zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt sei. Mit der Urlaubsstaffelung in § 7 Abs. 2 MTV werde jedoch ein solches legitimes Ziel nicht verfolgt. § 7 Abs. 2 MTV trage gerade nicht dem zunehmenden Alter und der damit einhergehenden körperlichen Beanspruchung durch Tätigkeiten im Hotel- und Gaststättengewerbe sowie dem daher gesteigerten Erholungsbedürfnis der Beschäftigten Rechnung. Hiergegen spreche schon, dass einem 26 Jahre alten Beschäftigten im Vergleich zu einem 25 Jahre alten bereits ein Tag mehr Erholungsurlaub zustehe. Es sei zu bestreiten, dass die Ungleichbehandlung in Bezug auf den Urlaubsanspruch durch die im Hotel- und Gaststättengewerbe ausgeübten Tätigkeit und der damit verbundenen körperlichen Belastung geschuldet sei. Eine solche Bezugnahme sei in § 7 Abs. 2 MTV nicht ersichtlich. Auch die Tarifauskunft der D. Sachsen-Anhalt vom 08. 05. 2013 lasse nichts Gegenteiliges erkennen. Es mag zwar noch zutreffend sein, dass bestimmte Tätigkeiten im Hotel- und Gaststättengewerbe mit Gehen und Stehen verbunden seien. Allerdings unterscheide die tarifliche Regelung in § 7 Abs. 2 MTV gerade nicht nach einzelnen Tätigkeiten bzw. Beschäftigtengruppen. Vielmehr erhielten alle Beschäftigten den gleichen Urlaub. Dies treffe auch auf Beschäftigte zu, die nicht körperlich tätig seien.

69

Es sei zu bestreiten, dass die erste Steigerung des Urlaubsanspruches ab dem 26. Lebensjahr um einen Tag durch die abnehmende Körperkraft gerechtfertigt sei. Die Studien von Dr. H... (vgl. Bl. 137 ff. d. A.), der erst einen Rückgang der körperlichen Leistungsfähigkeit ab dem 35. Lebensjahr annehme, stünden dem entgegen. Auch sei zu bestreiten, dass ab dem 31. Lebensjahr von einem Abbau der Muskulatur um etwa 5 % in einem Zeitraum von 10 Jahren ausgegangen werden müsse. Studien hätten ergeben, dass ein altersbedingter Muskelabbau erst ab dem 50. Lebensjahr beginne.

70

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

71

Die statthafte (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 ArbGG) Berufung ist gemäß § 64 Abs. 2 lit. b ArbGG zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und auch begründet worden, § 66 Abs. 1 S. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. §§ 519, 520 ZPO.

1.

72

Die Berufung ist in vollem Umfange begründet. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten bis zum Erreichen des 50. Lebensjahres im Jahr 2018 nur einen jährlichen Urlaubsanspruch von 27 Arbeitstagen, jedoch nicht von 30 Kalendertagen.

2.

73

Die Feststellungsklage ist zulässig. Insbesondere besteht das erforderliche Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO. Der Kläger hat ein rechtliches Interesse daran, durch das Gericht feststellen zu lassen, ob ihm für die Jahre 2013 und danach jeweils 30 Urlaubstage zustehen. Der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit einer Klage, mit der ein Arbeitnehmer den Umfang des ihm zustehenden Urlaubs gerichtlich festgestellt haben will, nicht entgegen, vgl. BAG, Urteil vom 20. 03. 2012 - 9 AZR 529/10- und vom 12. 04. 2011 -9 AZR 80/10-.

74

Der ... geborene Kläger hat ein rechtlich anerkanntes Interesse daran, alsbald zu erfahren, ob ihm bereits vor Vollendung des 50. Lebensjahres drei weitere Urlaubstage für das Jahr 2013 und 30 Urlaubstage Jahresurlaub für die Zeit von 2014 - 2017 zustehen. Der Antrag bezieht sich nach dem Wortlaut zwar auf den gesamten Jahresurlaub. Er kann jedoch auch für die Jahre 2014 - 2017 so ausgelegt werden, dass er sich nur auf drei weitere Urlaubstage im Kalenderjahr bezieht. Denn zwischen den Parteien besteht kein Streit darüber, dass dem Kläger der sich aus der Staffelung nach § 7 Abs. 2 MTV ergebende Jahresurlaub von derzeit 27 Tagen und ab 2018 von 30 Arbeitstagen nach dem derzeit gültigen MTV zusteht. Aus dem Gesamtbegriff des klägerischen Vortrages wird deutlich, dass sein Antrag auf die Feststellung des Bestehens dreier zusätzlicher Urlaubstage gerichtet ist. Dem Feststellungsinteresse steht insgesamt auch nicht entgegen, dass der Kläger ab dem Jahr 2018 einen Urlaubsanspruch von 30 Tagen hat. Ebenfalls aus dem Inbegriff des gesamten Vortrages ergibt sich, dass der Kläger für die Zwischenzeit - für die Jahre 2013 bis 2017 - streitgegenständlich einen um drei Urlaubstage jährlich erhöhten Urlaubsanspruch begehrt.

75

Soweit die Beklagte geltend macht, es sei klarzustellen gewesen, dass sich der Anspruch des Klägers lediglich auf den Tariftext in der Fassung aus dem Jahre 2002 beziehe, bedurfte es dieser Klarstellung nicht. Bei dem Klageantrag handelt es sich um einen gegenwartsbezogenen Feststellungsantrag, für dessen Entscheidung es grundsätzlich auf die Sachlage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht ankommt, vgl. BAG, Urteil vom 15. 05. 2013 -7 AZR 494/11 - NZA 2013, 1267, Rz. 15 ff und BAG, Urteil vom 21. 10. 2014 - 9 AZR 956/12 -. Spätere Änderungen des Tarifvertrages werden nämlich von der Rechtskraft der vorliegenden Entscheidung nicht erfasst.

II.

76

Die Berufung ist begründet.

77

Der Kläger hat gegenüber der Beklagten einen kalenderjährlichen Urlaubsanspruch im streitgegenständlichen Zeitraum von 2013 - 2017 von derzeit 27 Arbeitstagen. Ein weiterer Urlaubsanspruch von 3 Arbeitstagen besteht nicht. Dieser Urlaubsanspruch ist ihm in der Vergangenheit gewährt worden. Es sind keine Gründe ersichtlich, dass ihm auch bis zum Jahr 2017 27 Urlaubstage nicht gewährt werden würden.

78

Für das Jahr 2013 hat der Kläger gemäß §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, §§ 287 S. 2, 249 Abs. 1 BGB auch keinen Anspruch auf Gewährung von Ersatzurlaub im Umfange von drei Arbeitstagen.

1.

79

Die Urlaubsstaffelung in § 7 Abs. 2 MTV verstößt nicht gegen §1,3 Abs. 1 AGG, soweit sie Arbeitnehmern, die noch nicht das 50., aber das 40. Lebensjahr vollendet haben, nur 27 Arbeitstage Urlaub gewährt und ist daher nicht nach § 7 Abs. 1 und Abs. 2 AGG i. V. m. § 134 BGB unwirksam. Eine Anpassung des Urlaubsanspruches des Klägers auf 30 Arbeitstage jährlich, ist daher nicht vorzunehmen. Für diese Differenzierung liegt ein sachlicher Grund nach § 10 AGG vor.

80

a) Zutreffend hat das Arbeitsgericht die Urlaubsstaffelung in § 7 Abs. 2 MTV am AGG gemessen. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG gelten die Diskriminierungsverbote der §§ 1, 7 AGG auch für die in kollektivrechtlichen Vereinbarungen geregelten Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen. Unter solchen Bedingungen sind alle Umstände zu verstehen, aufgrund derer und unter denen die Arbeitsleistung zu erbringen ist, vgl. BAG, Urteil vom 13. 10. 2009 - 9 AZR 722/08 - sowie vom 20. 03. 2012 -9 AZR 529/10 -. Zu den Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen gehört auch der Urlaub. Die Gewährung von weiteren Urlaubstagen knüpft an die Vollendung eines bestimmten Lebensalters und damit unmittelbar an das Lebensalter der Beschäftigten an. Arbeitnehmer, die diese Altersgrenze nicht erreicht haben, werden wegen des Alters ungünstiger behandelt. Dies stellt zwar eine unmittelbare Benachteiligung nach § 3 Abs. 1 S. 1 AGG dar; diese ist aber gerechtfertigt.

81

b) Der Umstand, dass die Regelung in § 7 Abs. 2 MTV bereits im Jahr 2002 und damit schon vor dem AGG im August 2006 in Kraft getreten ist, steht nicht entgegen. Einerseits ist die Fassung des Manteltarifvertrages durch die Protokollnotiz vom 30. 03. 2007 erst nach Inkrafttreten des AGG erneut in Kraft getreten, andererseits ist die für die ab den Jahren 2013 geltend gemachte Benachteiligung durch § 7 Abs. 2 MTV erst nach Inkrafttreten des AGG im August 2006 eingetreten. Da § 33 Abs. 1 AGG insoweit keine Übergangsregelung enthält, findet das AGG auch dann Anwendung, wenn die Benachteiligung auf einem vor Inkrafttreten des AGG abgeschlossenen Tarifvertrages beruht, denn es kommt allein auf den Zeitpunkt der Benachteiligungshandlung an, vgl. BAG, Urteil vom 16. 12. 2008 - 9 AZR 985/07 - sowie vom 20. 03. 2012 - aaO, die hier nach August 2006 eintrat.

82

c) Die in § 7 Abs. 2 MTV vorgenommene Ungleichbehandlung ist jedenfalls wegen der Steigerung ab dem 50. Lebensjahr - und nur diese ist im vorliegenden Fall streitgegenständlich - gerechtfertigt.

83

aa) Zwar handelt es sich vorliegend nicht um eine nach § 8 AGG zulässige unterschiedliche Behandlung wegen der beruflichen Anforderungen. Die Urlaubsstaffel des § 7 Abs. 2 MTV knüpft nicht an die Art der auszuübenden Tätigkeit oder die Bedingung ihrer Ausübung an. Sie stellt nicht auf die Art der auszuübenden Tätigkeit ab und beansprucht damit Geltung für alle dem MTV unterfallenden Beschäftigten. Dem MTV unterfallen jedoch nicht nur Beschäftigte mit vermehrten körperlichen Anstrengungen, sondern auch Beschäftigte, die mit Bürotätigkeiten betraut sind, wie sich z. B. aus den Berufsbildern für Lohnbuchhalter, Finanzbuchhalter und Sekretäre mit kaufmännischer Ausbildung ergibt, vgl. Bewertungsgruppe 7 des Entgelttarifvertrages für das Hotel- und Gaststättengewerbe in Sachsen-Anhalt vom 30. 03. 2010 (Bl. 38 ff. d. A.) ergibt. Für den vorliegenden MTV lassen sich gesteigerte berufliche Anforderungen wegen der Art der auszuübenden Tätigkeiten oder der Bedingungen der Ausübung nicht entnehmen. Dem MTV unterfallen sehr unterschiedliche Arbeitnehmergruppen, ohne dass in § 7 Abs. 2 MTV eine Differenzierung bei der Urlaubsstaffelung nach der Art der Belastung vorgenommen worden wäre. Die Beklagte kann sich auch nicht auf die von ihr vorgelegte Stellungnahme der den MTV abschließenden D. vom 08. 05. 2013 (vgl. Bl. 35 d. A.) berufen. Die Auskunft enthält nur allgemeine Ausführungen zur Kompensation altersbedingter Belastungen. Auf konkrete Verhandlungsinhalte wird darin nicht verwiesen.

84

bb) Die Ungleichbehandlung ist lediglich in der letzten Urlaubsstaffelung ab 50 Jahre nach § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt. Nur dieser Teil der Regelung bezweckt bei Berücksichtigung eines Gestaltungs- und Ermessensspielraums der Tarifvertragsparteien (vgl. BAG, Urteil vom 20. 03. 2012 - aaO sowie Urteil vom 21. 10. 2014 - aaO) den Schutz älterer Arbeitnehmer und ist erforderlich und angemessen im Sinne von § 10 Satz 2 AGG. Nach § 10 S. 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen außerdem erforderlich sein. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG konkretisiert u. a. das legitime Ziel des Schutzes älterer Beschäftigter, wobei dieser Schutz auch die Festlegung besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließen kann, vgl. BAG, Urteil vom 21. 10. 2014 - aaO und vom 20. 03. 2012 - aaO. § 10 AGG dient der Umsetzung von Artikel 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABI. EG L 303 vom 2. Dezember 2000, S. 16) in das nationale Recht.

85

Dem Arbeitgeber steht bei freiwilligen zusätzlichen Leistungen - wozu auch die Gewährung von übergesetzlichem Mehrurlaub gehört - ein von den Gerichten zu respektierender Gestaltungs- und Ermessensspielraum zu, vgl. BAG, Urteil vom 21. 10. 2014 - 9 AZR 956/12 und vom 12. 11. 2013 - 3 AZR 356/12-und vom 12. 02. 2013-3 AZR 100/11 -. Dies gilt auch für die Tarifvertragsparteien. In der Rechtsprechung des EuGH ist anerkannt, dass die Mitgliedsstaaten und ebenfalls die Sozialpartner auf nationaler Ebene beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts nicht nur bei der Entscheidung, welches konkrete Ziel von mehreren sie im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik verfolgen wollen, sondern auch bei der Festlegung der Maßnahmen zur Zielerreichung über einen weiten Gestaltungsspielraum verfügen, vgl. EuGH, Urteil vom 16. 10. 2007 - C 411/05 -.

86

Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Differenzierung in der letzten Stufe ab dem 50. Lebensalter sachlich gerechtfertigt.

87

Aufgrund der feststehenden unstreitigen Ungleichbehandlung ist der Kläger der ihm gemäß § 22 AGG obliegenden Darlegungs- und Beweislast zunächst nachgekommen (vgl. zu den Anforderungen nur: BAG, Urteil vom 16. 10. 2014 - 6 AZR 661/12. Allerdings hat die Beklagte als diejenige, die sich auf den Rechtfertigungsgrund nach § 10 AGG beruft und deshalb insoweit darlegungs- und beweispflichtig ist, vgl. BAG, Urteil vom 24. 01. 2013 - 8 AZR 429/11 - ausreichende sachliche Gründe für die letzte Differenzierung der Altersgruppe ab 50 Jahren vorgetragen.

88

Die Tarifvertragsparteien haben das mit der Urlaubsstaffelung verfolgte Ziel zwar nicht ausdrücklich genannt. Dies ist jedoch nicht erheblich. Nennt eine Regelung oder Maßnahme kein Ziel, müssen zumindest aus dem Kontext abzuleitende Anhaltspunkte die Feststellung des hinter der Regelung oder der Maßnahme stehenden Zieles es ermöglichen, die Legitimität des Ziels sowie die Angemessenheit und die Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüfen zu können. Dabei können nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union die sozialpolitischen Ziele als legitim angesehen werden, die im allgemeinen Interesse stehen. Derjenige, der eine Ungleichbehandlung vornimmt, muss den nationalen Gerichten in geeigneter Weise die Möglichkeit der Prüfung einräumen, ob mit der Ungleichbehandlung ein Ziel angestrebt wird, das die Ungleichbehandlung unter Beachtung der Ziele der Richtlinie 2000/78/EG rechtfertigt (vgl. EuGH vom 05. März 2009 - C - 388/07 und BAG, Urteil vom 20. 03. 2012 - 9 AZR 529/10 -). Denn das nationale Gericht hat zu prüfen, ob mit der Regelung oder Maßnahme ein rechtmäßiges Ziel i. S. d. Artikel 6 Abs. 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie 2000/78/EG verfolgt wird. Gleiches gilt für die Frage, ob die Tarifvertragsparteien als Normgeber angesichts des vorhandenen Wertungsspielraumes davon ausgehen durften, dass die gewählten Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich waren.

89

Das AGG definiert in § 10 S. 3 Nr. 1 ebenso wie Artikel 6 Abs. 1 Unterabsatz 2 Buchstabe a der Richtlinie 2000/78/EG nicht, wann ein Beschäftigter „älter“ im Sinne der Norm ist (vgl. zum herkömmlichen Verständnis: BAG, Urteil vom 18. 09. 2014 - 6 AZR 636/13 -). Nach dem Sinn und Zweck des Benachteiligungsverbotes reicht es ohne das Vorliegen anderer Differenzierungsgründe nicht aus, dass das Alter der begünstigten Arbeitnehmer höher ist als das Alter der nicht begünstigten. Dementsprechend hat das Bundesarbeitsgericht angenommen, ein Arbeitnehmer sei nach Vollendung des 31. Lebensjahres offensichtlich noch kein älterer Beschäftigter i. S. v. § 10 S. 3 Nr. 1 AGG, vgl. BAG, Urteil vom 13. 10. 2009 - 9 AZR 722/08 -. Aus dem systematischen Zusammenhang mit § 10 S. 1 AGG und aus dem Regelungszweck folge, dass die begünstigten Arbeitnehmer aufgrund ihres Alters der Förderung bei der beruflichen Eingliederung oder des Schutzes bedürfen müssten.

90

Wenn jedoch eine Tarifregelung die Urlaubsdauer nach dem Lebensalter staffele, liege zumindest die Annahme nahe, die Tarifvertragsparteien hätten damit einem mit dem zunehmenden Alter gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer Rechnung tragen wollen, vgl. BAG, Urteil vom 20. 03. 2012 - 9 AZR 529/10 -, Rdnr. 23 und vom 21. 10. 2014 - 9 AZR 956/12 - Rdnr. 30. Allerdings darf diese Annahme durch die konkrete Wahl der Altersgrenzen nicht selbst widerlegt werden. So hat das Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 20. 03. 2012 - aaO - nicht angenommen, dass nur mit zunehmendem Alter das Erholungsbedürfnis von Arbeitnehmern steige. Es hat allerdings ab einem bestimmten Alter - konkret bei über 50 oder über 60jährigen Beschäftigten - ein altersbedingt gesteigertes Erholungsbedürfnis für „eher nachvollziehbar“ gehalten, vgl. dort Rz. 24 ff.

91

im Streitfall ergibt sich die Anknüpfung an das gesteigerte Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer bereits daraus, dass eine sehr differenzierte Staffelung nach dem Lebensalter vorgenommen worden ist, insbesondere auch für die Gruppe der über 50jährigen Arbeitnehmer.

92

Diese Annahme wird nicht dadurch widerlegt, dass die Tarifvertragsparteien mit den übrigen Altersstaffelungen Altersgrenzen gewählt haben, die keine ausreichende Grundlage für eine sachliche Rechtfertigung darstellen. Anders als noch in der Entscheidung des BAG vom 20. 03. 2012 - 9 AZR 529/10 - haben die Tarifvertragsparteien sich nicht darauf beschränkt, nur solche Altersgrenzen festzulegen, die offensichtlich nicht dem Schutz älterer Arbeitnehmer i. S. v. § 10 S. 3 Nr. 1 AGG dienen können. Allerdings ist jede Altersgrenze gesondert auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen. Aus der Unwirksamkeit einzelner Altersgrenzen kann daher nicht auf die Unwirksamkeit der übrigen Altersgrenzen geschlossen werden. Zudem findet eine Inhaltskontrolle gemäß §§ 305 ff. BGB nach § 310 Abs. 4 S. 1 BGB nicht statt, vgl. LAG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 11. 02. 2015 - 5 Sa 80/14-, Arbeitnehmer des Hotel- und Gaststättengewerbes in Sachsen-Anhalt, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, sind jedenfalls ältere Arbeitnehmer i. S. d. § 10 Abs. 3 Nr. 1 AGG.

93

Dagegen sind die Altersgrenzen von 26 und 31 Jahren sowie auch von 40 Lebensjahren sachlich nicht gerechtfertigt im Sinne von § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG. Solche Arbeitnehmer sind offensichtlich noch keine älteren Beschäftigten in diesem Sinne.

94

Die Beklagte kann sich mit ihren Ausführungen zu den früheren körperlichen Belastungen im Hotel- und Gaststättengewerbe nicht erfolgreich darauf berufen, dass der Gesundheitsschutz es gebiete, schon ab dem 26. Lebensjahr Differenzierungen vorzunehmen. Gleiches gilt für Differenzierungen ab dem 31. und 40. Lebensjahr. Die Beklagte hat insoweit nur allgemeine Ausführungen vorgenommen. Der frühe Berufseinstieg als solcher steht in keinem nachvollziehbaren Zusammenhang mit der Leistungsfähigkeit. Soweit sich die Beklagte auf die Studie von H... bezieht, nach der die Körperkraft bereits ab dem 25. Lebensjahr sinkt, ist dies nicht eindeutig. An anderer Stelle des Dokuments (Seite 3) stellt H... klar, dass die körperliche Leistungsfähigkeit erst ab dem 35. Lebensjahr um jährlich 1 bis 1,5 % sinke. Selbst wenn diese Zahlen als zutreffend unterstellt werden können, so fehlt es an dem Zusammenhang dieser Studie zu „Kraft und funktioneller Leistung im Alter“ mit den auszuübenden Tätigkeiten. Es ist schon nicht feststellbar, dass für die auszuübenden Tätigkeiten für eine einhundertprozentige Leistung auch einhundert Prozent der Körperkraft des Menschen erforderlich sind. Auch die festgelegten Altersgrenzen entsprechen nicht dieser Studie, bei der es sich, soweit erkennbar, nicht um eine arbeitsmedizinische Untersuchung handelt. Die gewählten Zeiträume widersprechen i. Ü. der Argumentation der Beklagten, die selbst von einem Fünfjahreszeitraum ausgeht. Auch die allgemeinen Hinweise auf mögliche Erkrankungen von Kellnern und sonstigen Beschäftigten sowie deren überwiegende Tätigkeiten im Gehen und Stehen rechtfertigen die Differenzierung ohne konkrete Anknüpfungspunkte an das Lebensalter nicht, vgl. insoweit auch: LAG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 11. 02. 2015 - 5 Sa 80/14 -. Darüber hinaus ist der vorliegende Kläger nicht als Kellner beschäftigt.

95

Das weitere Argument der Beklagten, es bestehe ein Zusammenhang zwischen mehr Urlaubstagen und dem äußeren Erscheinungsbild ist nicht nachvollziehbar. Der Kläger ist bereits nicht im unmittelbaren Gastkontakt tätig.

96

Demgegenüber ist für das Hotel- und Gaststättengewerbe in Sachsen-Anhalt jedoch anzunehmen, dass es sich bei den beschäftigten Arbeitnehmern, die mindestens 50 Jahre alt sind, um ältere Beschäftigte in Sinne des Rechtfertigungsgrundes von § 10 S. 3 Nr. 1 AGG handelt.

97

Für die vorliegende Altersgrenze des 50. Lebensjahres für den Bereich des Hotel- und Gaststättengewerbes gilt ein Erfahrungssatz, dass ein größerer Erholungsbedarf in erhöhtem Alter ab 50 Jahren besteht. Nach den vom Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 21. 10. 2014 - aaO genannten Ausführungen gilt dieser Wirkungszusammenhang von erreichtem Lebensalter und Krankheitsanfälligkeit für alle privaten und öffentlichen Systeme der Kranken-, Renten- und Lebensversicherung. Diese beruhen sämtlichst auf jener Erwartung, vgl. BAG, Urteil vom 06. 11. 2008 - 2 AZR 523/07 -. Darüber hinaus kommen auch Studien - wie etwa die ILO-Empfehlung Nr. 162 vom 23. 06. 1980 und der WHO Technical Report Series 835 „Aging and Working Capacity“ (deutsche Übersetzung: „Altern und Arbeit“) 1994 - zu diesem Ergebnis. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen werden z. B. durch den „Fortschrittsreport altersgerechte Arbeitswelt“, Ausgabe 3 des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, Stand September 2013 bestätigt. Nach diesem hat sich zwar die körperliche Konstitution besonders für die Altersgruppe der 45- bis 64-Jährigen verbessert. Dennoch zeigt die Studie weiterhin einen Anstieg der Anzahl der krankheitsbedingten Fehltage sowie eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes mit fortschreitendem Lebensalter, vgl. dort Ziffer 3.1 und Ziffer 4.2, Tabelle 2. Insbesondere bei belastenden Berufen nimmt danach die Anzahl krankheitsbedingter Fehltage im Alter überproportional zu und der Gesundheitszustand verschlechtert sich ebenfalls überproportional, vgl. Ziffer 4.2 der Studie, vgl. BAG, Urteil vom 21. 10. 2014 - 9 AZR 956/12-.

98

Auch bei einfachen Dienstleistungen und einfachen manuellen Berufen verschlechtere sich nach dieser Untersuchung der Gesundheitszustand in der Altersgruppe 55 - 64 Jahre im Vergleich zum Durchschnitt „immer noch deutlich“ (vgl. Ziffer 3.4). Zumindest hinsichtlich dieser Berufe erscheine die Annahme eines größeren Erholungsbedarfes im erhöhten Alter als nicht fehlerhaft (vgl.: Reinhard, ArbRB 2012, 342, 343). Auch die Gegner eines allgemeinen Erfahrungssatzes gestünden zu, dass bei gesundheitlich besonders belastenden Tätigkeiten ein gesteigerter Erholungsbedarf mit zunehmendem Alter angenommen werden könne, vgl. die Ausführungen in der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 21. 10. 2014 - 9 AZR 956/12 dort Rz. 26. Dem ist auch das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz in der Entscheidung vom 07. 09. 2012 - 6 Sa 709/11, Rz. 198 ff. gefolgt. Insbesondere das Bundesarbeitsgericht verweist vor dem Hintergrund des zum Ausgleich eingeschränkter Chancen Älterer auf dem Arbeitsmarkt geltenden §417 SGB III auf eine Grenze des vollendeten 50. Lebensjahres, vgl. LAG Rheinland-Pfalz, aaO, Rz. 198 sowie BAG, Urteil vom 20. 03. 2012 - 9 AZR 529/10 - Rdnr. 20. Die WHO- Studiengruppe „Altern und Arbeit“ nahm 1991 aus arbeitsmedizinischer Sicht wegen auftretender Schwierigkeiten in Arbeit und Beruf bereits eine Grenze ab dem 45. Lebensjahr an. Einem solchen Erfahrungsgrundsatz liegt auch die arbeitsmedizinische Erkenntnis zu Grunde, dass ab dem 50. Lebensjahr von einem um ca. 30 % verminderten Belastungs- und Gesundheitszustand, namentlich aufgrund von Skelett-, Muskel-, Lungen-, Herz- und Sinnesfunktionseinbußen auszugehen sei, WHO Technical Report Series 835 Aging and Working Capacity - Altern und Arbeit 1994 S. 20 ff.; Dunkel-Benz, NZA Beilage 1, 2008, S. 25 ff.; Lehr ebenda, S. 3, 7; Winkels, Demografischer Wandel: Herausforderungen und Chancen für Personalentwicklung und betriebliche Weiterbildung, S. 63 ff.; Lange, Verhaltensdispositionen älterer Arbeitnehmer im Zeichen des demografischen Wandels, S. 35 f.; sämtlichst zitiert nach LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 7. 09. 2012, aaO, Rz. 202. Trotz individueller Unterschiede handle es sich insoweit um einen für jede Person lebensbegleitenden Prozess, der die Fähigkeit zu körperlicher Höchstleistung verringere, Hör- und Sehfähigkeit schmälere und Reaktionsfähigkeiten, Bewegungskoordination und Geschicklichkeiten mindere (vgl. Kollmer/Klindt/Schmidt, Arbeitsschutzgesetz, Syst A Rdnr. 72 ff.).

99

Unter Berücksichtigung dieser Annahmen, die auch die Klägerseite nicht ernstlich und schlüssig in Frage gestellt hat, durften die Tarifvertragsparteien aufgrund der Spannbreite der Tätigkeit im Dienstleistungssektor und aufgrund ihres Ermessensspielraumes annehmen, dass im Bereich des Hotel- und Gaststättengewerbes bereits ab dem 50. Lebensjahr ein größerer Erholungsbedarf besteht. Jedenfalls ist nach Auffassung der Berufungskammer die Altersgrenze von 50 Jahren nachvollziehbar. Dies steht auch im Einklang mit der gesetzgeberischen Wertung; insoweit sei nur auf § 417 SGB III und § 89 S. 3 SGB III in der seit dem 01. Januar 2015 geltenden Fassung zu verweisen.

100

Damit handelt es sich bei der Altersstufe nach § 7 Abs. 2 MTV ab 50 Jahren um eine objektive Regelung im Sinne des § 10 Satz 1 AGG. Das ist immer dann der Fall, wenn das verfolgte Interesse auf tatsächlichen und nachvollziehbaren Erwägungen und die Ungleichbehandlung nicht nur von bloßen Vermutungen oder subjektiven Einschätzungen vorgenommen wird, vgl. BAG, Urteil vom 13. 10. 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 64). Diese Regelung ist für die ab 50 Jährigen auch geeignet, dem Ziel der altersbedingt verminderten Leistungsfähigkeit Rechnung zu tragen.

101

Der Mehrurlaub von drei Tagen im Kalenderjahr - maßgeblich ist im Streitfall nur der Vergleich zwischen den letzten beiden Altersgruppen - ist auch geeignet, den Zweck nach § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG zu fördern. Unerheblich ist dabei, ob der gesteigerte Erholungsbedarf ganz oder nur partiell ausgeglichen wird, vgl. BAG, Urteil vom 21. 10. 2014 - 9 AZR 956/12-Rn. 34).

102

Die Regelung ist darüber hinaus erforderlich und angemessen im Sinne von § 10 Satz 2 AGG.

103

Die von den Tarifvertragsparteien in § 7 Abs. 2 MTV getroffene Altersgrenze von 50 Jahren erscheint nach dem gegenwärtigen Stand der arbeitsmedizinischen Diskussion einer Spannbreite von 45 bis 55 Jahren noch als angemessen.

104

Die Mehrurlaubsdauer von drei Tagen ist auch nicht unverhältnismäßig. Sie liegt unterhalb des Zusatzurlaubs von fünf Tagen für Schwerbehinderte (§ 125 SGB IX) und entspricht beispielsweise der Regelung in BZTV Nr. 2 zum BMT-G 2.

105

Dem steht auch nicht entgegen, dass nicht alle Beschäftigten im Hotel- und Gaststättengewerbe denselben Erschwernissen von Dienstleistungstätigkeiten unterliegen. Es genügt, dass es sich um die Mehrheit der Beschäftigten handelt, worüber die Parteien letztlich auch nicht streiten. Von den Tarifvertragsparteien war - auch im Hinblick auf die praktische Handhabbarkeit und den Betriebsfrieden - nicht zu verlangen, nach konkreten Tätigkeiten zu differenzieren und einzelne Beschäftigtengruppen von dem Mehrurlaub auszuschließen. Auf den individuellen Bedarf musste deshalb nicht abgestellt werden, vgl. BAG, Urteil vom 21. 10. 2014 - 9 AZR 956/12 - Rn. 34; vgl. zum Ganzen auch LAG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 11. 02. 2015 - 5 Sa 80/14 -). Die Erhöhung um 3 Tage ab dem 50. Lebensjahr orientiert sich linear an dem zunehmenden Alter der Beschäftigten und dem erkennbar nachlassenden Leistungsvermögen sowie dem gesteigerten Erholungsbedürfnis. Die Staffelungen erfassen Sprünge von einem Urlaubstag ab dem 26. Lebensjahr und einem weiteren Urlaubstag ab dem 31. Lebensjahr sowie 2 Tagen ab dem 40. und eben 3 Tagen ab dem 50. Lebensjahr. Diese Staffelungen sind - entgegen der früheren Regelung für den TVöD, die in der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 20. 03. 2012 für nicht wirksam erachtet wurde - entsprechend dem Alter und dem abnehmenden Leistungsvermögen linear aufgebaut. Auch diese zunächst moderate und dann später steigende Staffelung zeigt, dass die Tarifvertragsparteien offensichtlich das größere Erholungsbedürfnis bei höherem Alter infolge Leistungseinschränkungen im Blick hatten. Dass die Tarifvertragsparteien für die über 60 Jährigen keine weitere Staffelung in Erwägung gezogen haben, ist irrelevant. Die vorgenommene Staffelung unterscheidet sich stark von derjenigen, die das Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 20. 03. 2012 - aaO - für den öffentlichen Dienst zu untersuchen hatte. Die vorgenommene Staffelung widerlegt den Zweck des Schutzes älterer Arbeitnehmer bei erhöhtem Erholungsbedürfnis vorliegend nicht zwingend.

2.

106

Die Entscheidung des BAG vom 21. 10. 2014 - 9 AZR 956/12 in der das Gericht eine Altersgrenze von 58 Jahren als sachgerechte Altersdifferenzierung ansah, steht nicht entgegen, weil darin eine geringfügig niedrigere Altersgrenze nicht ausgeschlossen wird.

3.

107

Da dem Kläger bereits der Erholungsurlaubsanspruch ab dem 40. Lebensjahr zugestanden wird, die Staffelung ab dem 50. Lebensjahr jedoch sachgerecht und damit wirksam ist, steht ihm jedenfalls in der Zeit von 2013 bis 2017 kein Erholungsurlaubsanspruch von jährlich 30 Tagen zu. Für die Zeit ab 2018 musste vorliegend keine Entscheidung getroffen werden, da die weitere Steigerung um 3 Tage zwischen den Parteien nach Vollendung des 50. Lebensjahres des Klägers überhaupt nicht streitig ist.

III.

108

Die Kostentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO und trifft den Kläger, da er unterliegt.

IV.

109

Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.


Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 08. Dez. 2015 - 2 Sa 106/15

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Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 08. Dez. 2015 - 2 Sa 106/15 zitiert 27 §§.

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 287 Verantwortlichkeit während des Verzugs


Der Schuldner hat während des Verzugs jede Fahrlässigkeit zu vertreten. Er haftet wegen der Leistung auch für Zufall, es sei denn, dass der Schaden auch bei rechtzeitiger Leistung eingetreten sein würde.

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz - AGG | § 33 Übergangsbestimmungen


(1) Bei Benachteiligungen nach den §§ 611a, 611b und 612 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder sexuellen Belästigungen nach dem Beschäftigtenschutzgesetz ist das vor dem 18. August 2006 maßgebliche Recht anzuwenden. (2) Bei Benachteiligungen a

Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594) - SGB 3 | § 417 Sonderregelung zum Bundesprogramm „Ausbildungsplätze sichern“


Soweit die Bundesregierung die Umsetzung des Bundesprogramms „Ausbildungsplätze sichern“ der Bundesagentur überträgt, erstattet der Bund der Bundesagentur abweichend von § 363 Absatz 1 Satz 2 die durch die Umsetzung entstehenden Verwaltungskosten.

Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594) - SGB 3 | § 89 Höhe und Dauer der Förderung


Die Förderhöhe und die Förderdauer richten sich nach dem Umfang der Einschränkung der Arbeitsleistung der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers und nach den Anforderungen des jeweiligen Arbeitsplatzes (Minderleistung). Der Eingliederungszuschuss kann

Referenzen - Urteile

Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 08. Dez. 2015 - 2 Sa 106/15 zitiert oder wird zitiert von 10 Urteil(en).

Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 08. Dez. 2015 - 2 Sa 106/15 zitiert 10 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 11. Feb. 2015 - 5 Sa 80/14

bei uns veröffentlicht am 11.02.2015

Tenor 1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 12. Dezember 2013 - 2 Ca 1627/13 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:

Bundesarbeitsgericht Urteil, 21. Okt. 2014 - 9 AZR 956/12

bei uns veröffentlicht am 21.10.2014

Tenor 1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 7. September 2012 - 6 Sa 709/11 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 16. Okt. 2014 - 6 AZR 661/12

bei uns veröffentlicht am 16.10.2014

Tenor 1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 25. Mai 2012 - 9 Sa 64/12 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 18. Sept. 2014 - 6 AZR 636/13

bei uns veröffentlicht am 18.09.2014

Tenor 1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 13. Mai 2013 - 7 Sa 511/12 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 12. Nov. 2013 - 3 AZR 356/12

bei uns veröffentlicht am 12.11.2013

Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 29. Februar 2012 - 12 Sa 1430/11 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 15. Mai 2013 - 7 AZR 494/11

bei uns veröffentlicht am 15.05.2013

Tenor Die Revisionen der Revisionsklägerinnen zu 2. bis 7. gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 3. Mai 2011 - 3 Sa 1432/10 - werden zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 12. Feb. 2013 - 3 AZR 100/11

bei uns veröffentlicht am 12.02.2013

Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. November 2010 - 14 Sa 1328/10 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 24. Jan. 2013 - 8 AZR 429/11

bei uns veröffentlicht am 24.01.2013

Tenor 1. Die Revision des Klägers wird als unzulässig verworfen, soweit sie sich gegen die Zurückweisung der Berufung hinsichtlich des Unterlassungsantrags wendet.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 20. März 2012 - 9 AZR 529/10

bei uns veröffentlicht am 20.03.2012

Tenor 1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. März 2010 - 20 Sa 2058/09 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 12. Apr. 2011 - 9 AZR 80/10

bei uns veröffentlicht am 12.04.2011

Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 29. Oktober 2009 - 2 Sa 146/09 - wird zurückgewiesen.

Referenzen

(1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt.

(2) Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 verstoßen, sind unwirksam.

(3) Eine Benachteiligung nach Absatz 1 durch Arbeitgeber oder Beschäftigte ist eine Verletzung vertraglicher Pflichten.

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

(1) Eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 genannten Grundes ist zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist.

(2) Die Vereinbarung einer geringeren Vergütung für gleiche oder gleichwertige Arbeit wegen eines in § 1 genannten Grundes wird nicht dadurch gerechtfertigt, dass wegen eines in § 1 genannten Grundes besondere Schutzvorschriften gelten.

(1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt.

(2) Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 verstoßen, sind unwirksam.

(3) Eine Benachteiligung nach Absatz 1 durch Arbeitgeber oder Beschäftigte ist eine Verletzung vertraglicher Pflichten.

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

(1) Bei Benachteiligungen nach den §§ 611a, 611b und 612 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder sexuellen Belästigungen nach dem Beschäftigtenschutzgesetz ist das vor dem 18. August 2006 maßgebliche Recht anzuwenden.

(2) Bei Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft sind die §§ 19 bis 21 nicht auf Schuldverhältnisse anzuwenden, die vor dem 18. August 2006 begründet worden sind. Satz 1 gilt nicht für spätere Änderungen von Dauerschuldverhältnissen.

(3) Bei Benachteiligungen wegen des Geschlechts, der Religion, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität sind die §§ 19 bis 21 nicht auf Schuldverhältnisse anzuwenden, die vor dem 1. Dezember 2006 begründet worden sind. Satz 1 gilt nicht für spätere Änderungen von Dauerschuldverhältnissen.

(4) Auf Schuldverhältnisse, die eine privatrechtliche Versicherung zum Gegenstand haben, ist § 19 Abs. 1 nicht anzuwenden, wenn diese vor dem 22. Dezember 2007 begründet worden sind. Satz 1 gilt nicht für spätere Änderungen solcher Schuldverhältnisse.

(5) Bei Versicherungsverhältnissen, die vor dem 21. Dezember 2012 begründet werden, ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Geschlechts im Falle des § 19 Absatz 1 Nummer 2 bei den Prämien oder Leistungen nur zulässig, wenn dessen Berücksichtigung bei einer auf relevanten und genauen versicherungsmathematischen und statistischen Daten beruhenden Risikobewertung ein bestimmender Faktor ist. Kosten im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Mutterschaft dürfen auf keinen Fall zu unterschiedlichen Prämien oder Leistungen führen.

(1) Eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 genannten Grundes ist zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist.

(2) Die Vereinbarung einer geringeren Vergütung für gleiche oder gleichwertige Arbeit wegen eines in § 1 genannten Grundes wird nicht dadurch gerechtfertigt, dass wegen eines in § 1 genannten Grundes besondere Schutzvorschriften gelten.

Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein. Derartige unterschiedliche Behandlungen können insbesondere Folgendes einschließen:

1.
die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlohnung und Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Beschäftigten und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen,
2.
die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile,
3.
die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung auf Grund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder auf Grund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand,
4.
die Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen von Beschäftigten und die Verwendung von Alterskriterien im Rahmen dieser Systeme für versicherungsmathematische Berechnungen,
5.
eine Vereinbarung, die die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, zu dem der oder die Beschäftigte eine Rente wegen Alters beantragen kann; § 41 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch bleibt unberührt,
6.
Differenzierungen von Leistungen in Sozialplänen im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes, wenn die Parteien eine nach Alter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung geschaffen haben, in der die wesentlich vom Alter abhängenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters erkennbar berücksichtigt worden sind, oder Beschäftigte von den Leistungen des Sozialplans ausgeschlossen haben, die wirtschaftlich abgesichert sind, weil sie, gegebenenfalls nach Bezug von Arbeitslosengeld, rentenberechtigt sind.

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. März 2010 - 20 Sa 2058/09 - aufgehoben.

2. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Eberswalde vom 8. Juli 2009 - 3 Ca 140/09 - wird zurückgewiesen und der Tenor dieses Urteils zur Klarstellung neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass der Klägerin für die Jahre 2008 und 2009 jeweils ein weiterer Urlaubstag als Ersatzurlaub zusteht.

3. Der Beklagte hat auch die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin in den Jahren 2008 und 2009 Anspruch auf jeweils 29 oder 30 Urlaubstage hatte.

2

Die am 27. Oktober 1971 geborene Klägerin ist seit dem 1. September 1988 bei dem beklagten Landkreis als Angestellte mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden in der Fünftagewoche beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst vom 13. September 2005 in der Fassung des Änderungstarifvertrags Nr. 2 vom 31. März 2008 (TVöD) Anwendung. Dieser bestimmt ua.:

        

§ 26 

        

Erholungsurlaub

        

(1)     

Beschäftigte haben in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung des Entgelts (§ 21). Bei Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf fünf Tage in der Kalenderwoche beträgt der Urlaubsanspruch in jedem Kalenderjahr

                 

bis zum vollendeten 30. Lebensjahr

26 Arbeitstage,

                 

bis zum vollendeten 40. Lebensjahr

29 Arbeitstage und

                 

nach dem vollendeten 40. Lebensjahr

30 Arbeitstage.

                 

Maßgebend für die Berechnung der Urlaubsdauer ist das Lebensjahr, das im Laufe des Kalenderjahres vollendet wird. Bei einer anderen Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit als auf fünf Tage in der Woche erhöht oder vermindert sich der Urlaubsanspruch entsprechend. Verbleibt bei der Berechnung des Urlaubs ein Bruchteil, der mindestens einen halben Urlaubstag ergibt, wird er auf einen vollen Urlaubstag aufgerundet; Bruchteile von weniger als einem halben Urlaubstag bleiben unberücksichtigt. Der Erholungsurlaub muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und kann auch in Teilen genommen werden.

        

…       

        
        

§ 27   

        

Zusatzurlaub

        

(1)     

Beschäftigte, die ständig Wechselschichtarbeit nach § 7 Abs. 1 oder ständig Schichtarbeit nach § 7 Abs. 2 leisten und denen die Zulage nach § 8 Abs. 5 Satz 1 oder Abs. 6 Satz 1 zusteht, erhalten

                 

a)    

bei Wechselschichtarbeit für je zwei zusammenhängende Monate und

                 

b)    

bei Schichtarbeit für je vier zusammenhängende Monate

                 

einen Arbeitstag Zusatzurlaub.

        

(2)     

Im Falle nicht ständiger Wechselschicht- oder Schichtarbeit (z. B. ständige Vertreter) erhalten Beschäftigte des Bundes, denen die Zulage nach § 8 Abs. 5 Satz 2 oder Abs. 6 Satz 2 zusteht, einen Arbeitstag Zusatzurlaub für

                 

a)    

je drei Monate im Jahr, in denen sie überwiegend Wechselschichtarbeit geleistet haben, und

                 

b)    

je fünf Monate im Jahr, in denen sie überwiegend Schichtarbeit geleistet haben.

        

…       

                 
        

(4)     

Zusatzurlaub nach diesem Tarifvertrag und sonstigen Bestimmungen mit Ausnahme von § 125 SGB IX wird nur bis zu insgesamt sechs Arbeitstagen im Kalenderjahr gewährt. Erholungsurlaub und Zusatzurlaub (Gesamturlaub) dürfen im Kalenderjahr zusammen 35 Arbeitstage nicht überschreiten. Satz 2 ist für Zusatzurlaub nach den Absätzen 1 und 2 hierzu nicht anzuwenden. Bei Beschäftigten, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, gilt abweichend von Satz 2 eine Höchstgrenze von 36 Arbeitstagen; § 26 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.

        

…“    

        
3

Mit Schreiben vom 5. November 2008 machte die Klägerin gegenüber dem Beklagten einen jährlichen Gesamturlaub in Höhe von 30 Tagen für das Jahr 2008 und die Zukunft nach dem TVöD geltend. Der Beklagte lehnte die Gewährung von 30 Urlaubstagen vor der Vollendung des 40. Lebensjahres der Klägerin unter Hinweis auf die Verbindlichkeit der Regelung des § 26 Abs. 1 TVöD mit Schreiben vom 28. November 2008 ab. Die Klägerin hat daraufhin mit Schriftsatz vom 11. Februar 2009 die vorliegende Klage erhoben.

4

Sie hat die Ansicht vertreten, sie habe auch vor der Vollendung ihres 40. Lebensjahres Anspruch auf jährlich 30 und nicht nur 29 Urlaubstage. Die an das Lebensalter anknüpfende Staffelung des tariflichen Urlaubsanspruchs sei eine Diskriminierung wegen des Alters. Die in der Tarifregelung enthaltene Ungleichbehandlung jüngerer Arbeitnehmer sei nicht durch § 10 AGG gerechtfertigt. Im Übrigen würden die gesundheitlichen Wirkungen zusätzlichen Urlaubs zur Vermeidung beispielsweise von Stresserscheinungen am Arbeitsplatz auch in der medizinischen Literatur kontrovers diskutiert.

5

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass ihr für die Jahre 2008 und 2009 jeweils ein Urlaubstag als Ersatzurlaub zusteht.

6

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Diese sei bereits unzulässig, da das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO nötige Feststellungsinteresse fehle. Schließlich sei die Klage auch unbegründet. Die Altersstufenregelung des § 26 Abs. 1 TVöD sei durch einen sachlichen Grund nach § 10 AGG gerechtfertigt. Die Festlegung eines Mindestalters für die Gewährung von 30 Urlaubstagen pro Kalenderjahr stelle eine besondere Beschäftigungsbedingung zum Schutz älterer Beschäftigter bzw. eine Mindestanforderung an das Alter für einen mit der Beschäftigung verbundenen Vorteil dar, der zur Erreichung eines legitimen Ziels angemessen und erforderlich sei. Ältere Arbeitnehmer seien mit zunehmendem Alter aufgrund beruflicher Belastungen länger krank. Um diesen Umstand Rechnung zu tragen, hätten die Tarifvertragsparteien mit der Regelung in § 26 Abs. 1 TVöD auf das verstärkte Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer reagiert und deren Leistungsfähigkeit stärken wollen. Der Aspekt des Gesundheitsschutzes älterer Arbeitnehmer sei daher geeignet, die Ungleichbehandlung jüngerer Beschäftigter zu rechtfertigen. Schließlich würde auch eine Diskriminierung keine Angleichung „nach oben“ zur Folge haben.

7

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin die Wiederherstellung der stattgebenden Entscheidung des Arbeitsgerichts. Der Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

A. Die zulässige Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf die geltend gemachten Ersatzurlaubstage.

9

I. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Feststellungsklage zulässig ist. Die Klägerin hat ein rechtliches Interesse daran, durch das Gericht feststellen zu lassen, ob ihr für die Jahre 2008 und 2009 jeweils ein Urlaubstag als Ersatzurlaub zusteht ( § 256 Abs. 1 ZPO ). Der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit einer Klage, mit der ein Arbeitnehmer den Umfang des ihm zustehenden Urlaubs gerichtlich festgestellt haben will, nicht entgegen (vgl. BAG 12. April 2011 - 9 AZR 80/10  - Rn. 13 bis 15, EzA BUrlG § 7 Nr. 123).

10

II. Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten für den ihr in den Jahren 2008 und 2009 jeweils verweigerten 30. Urlaubstag gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB Anspruch auf jeweils einen Tag Ersatzurlaub. Die Urlaubsstaffelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD verstößt gegen die §§ 1, 3 Abs. 1 AGG. Denn sie gewährt Beschäftigten, die das 30., aber noch nicht das 40. Lebensjahr vollendet haben, einen um einen Tag kürzeren Urlaub. Sie ist deshalb nach § 7 Abs. 1 und Abs. 2 AGG iVm. § 134 BGB unwirksam. Dies hat zur Folge, dass die Klägerin auch vor der Vollendung ihres 40. Lebensjahres in jedem Kalenderjahr Anspruch auf 30 Urlaubstage hatte. Ihr steht für die Jahre 2008 und 2009 jeweils noch ein Tag Ersatzurlaub zu, weil der Beklagte ihr in diesen Jahren nur jeweils 29 Urlaubstage gewährte.

11

1. Nach § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD standen der am 27. Oktober 1971 geborenen Klägerin in den Jahren 2008 und 2009 jeweils 29 Urlaubstage zu. Erst nach dem vollendeten 40. Lebensjahr gewährt ihr diese Tarifregelung einen jährlichen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen. Diese an das Lebensalter anknüpfende Staffelung der Urlaubsdauer verstößt gegen das Verbot der Altersdiskriminierung in § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG. Sie ist als sachlich nicht nach den §§ 8, 10 AGG gerechtfertigte unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters gemäß § 7 Abs. 2 AGG iVm. § 134 BGB unwirksam. Zur Beseitigung dieser Diskriminierung ist eine Anpassung auf 30 Urlaubstage erforderlich.

12

2. Zutreffend haben die Vorinstanzen die Regelung in § 26 Abs. 1 TVöD am AGG gemessen. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG gelten die Diskriminierungsverbote der §§ 1, 7 AGG auch für die in kollektivrechtlichen Vereinbarungen geregelten Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen. Unter solchen Bedingungen sind alle Umstände zu verstehen, aufgrund derer und unter denen die Arbeitsleistung zu erbringen ist (vgl. BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 54, BAGE 132, 210). Zu den Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen gehört damit auch der Urlaub. Der Umstand, dass die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b TVöD bereits am 1. Januar 2006 und somit schon vor dem AGG vom 14. August 2006 in Kraft getreten ist, steht dem nicht entgegen. Die für die Jahre 2008 und 2009 geltend gemachte Benachteiligung durch § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD ist erst nach Inkrafttreten des AGG am 18. August 2006 eingetreten. Da § 33 Abs. 1 AGG insoweit keine Übergangsregelung enthält, findet dieses Gesetz auch dann Anwendung, wenn die Benachteiligung auf einem vor Inkrafttreten des AGG abgeschlossenen Tarifvertrag beruht. Es kommt allein auf den Zeitpunkt der Benachteiligungshandlung an (BAG 16. Dezember 2008 - 9 AZR 985/07 - Rn. 33, BAGE 129, 72).

13

3. Die Urlaubsstaffelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD enthält eine auf dem Merkmal des Alters beruhende Ungleichbehandlung der Beschäftigten, die das 30. bzw. das 40. Lebensjahr nicht vollendet haben. Das ist eine unmittelbare Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer wegen des Alters iSv. § 3 Abs. 1 AGG.

14

a) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Beim Alter handelt es sich um einen in § 1 AGG genannten Grund, wobei unter Alter das Lebensalter zu verstehen ist. Dies folgt aus dem gesetzlichen Wortlaut und auch aus der Gesetzesbegründung ( BT-Drucks. 16/1780 S. 31; BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 49, BAGE 132, 210; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07  - Rn. 36, BAGE 129, 181). Der für eine unmittelbare Benachteiligung erforderliche Kausalzusammenhang ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen oder mehrere in § 1 AGG genannte Gründe anknüpft oder dadurch motiviert ist(vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 32; BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 50, aaO).

15

b) Diese Voraussetzung ist erfüllt. § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD sieht für Beschäftigte bei einer Fünftagewoche in jedem Kalenderjahr einen Urlaubsanspruch bis zum vollendeten 30. Lebensjahr in Höhe von 26 Arbeitstagen, bis zum vollendeten 40. Lebensjahr in Höhe von 29 Arbeitstagen und erst nach dem vollendeten 40. Lebensjahr in Höhe von 30 Arbeitstagen vor. Die Höhe des Urlaubsanspruchs nach § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD knüpft damit in allen Stufen unmittelbar an das Lebensalter der Beschäftigten an. Danach haben Beschäftigte wie die Klägerin, die zwar das 30. Lebensjahr, aber noch nicht das 40. Lebensjahr vollendet haben, in jedem Jahr nur Anspruch auf 29 statt auf 30 Urlaubstage. Sie werden ebenso wie die unter 30-Jährigen im Vergleich zu den Beschäftigten, die das 40. Lebensjahr vollendet haben, hinsichtlich der Höhe des Urlaubsanspruchs wegen ihres geringeren Alters ungünstiger behandelt.

16

4. Diese Ungleichbehandlung ist nicht gerechtfertigt.

17

a) Bei ihr handelt es sich nicht um eine nach § 8 AGG zulässige unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher Anforderungen. Die Urlaubsstaffel des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD knüpft nicht an die Art der auszuübenden Tätigkeit oder die Bedingungen ihrer Ausübung an. Sie stellt nicht auf die Art der auszuübenden Tätigkeit ab und beansprucht damit Geltung für alle dem TVöD unterfallenden Beschäftigten.

18

b) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die Ungleichbehandlung auch nicht nach § 10 AGG sachlich gerechtfertigt(so ebenfalls die herrschende Meinung in der Literatur, vgl. Linck/Schütz FS Leinemann, S. 181 f.; Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV Stand Januar 2012 E § 26 TVöD Rn. 22; AGG/Voigt 3. Aufl. § 10 Rn. 33; Meinel/Heyn/Herms AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 42b; Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 105; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 144; Hock/Kramer/Schwerdtle ZTR 2006, 622, 623 mwN; Wulfers/Hecht ZTR 2007, 475, 478; vgl. ferner bereits zu § 48 BAT: Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156). § 10 Satz 1 AGG lässt eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters ungeachtet der Regelung des § 8 AGG zu, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Zudem müssen die Mittel zur Erreichung dieses Ziels nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist die an das Lebensalter anknüpfende Differenzierung in § 26 Abs. 1 TVöD nicht sachlich gerechtfertigt, weil sie einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung trägt und deren Gesundheit schützen will. Dabei kann dahinstehen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen das Ziel des Gesundheitsschutzes eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen würde. Die Tarifvorschrift verfolgt dieses Ziel schon nicht.

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aa) Die Tarifvertragsparteien haben das mit der in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD geregelten Urlaubsstaffelung verfolgte Ziel nicht ausdrücklich genannt. Nennt eine Regelung oder Maßnahme kein Ziel, müssen zumindest aus dem Kontext abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter der Regelung oder der Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen, um die Legitimität des Ziels sowie die Angemessenheit und die Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüfen zu können. Dabei können nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die sozialpolitischen Ziele als legitim angesehen werden, die im allgemeinen Interesse stehen. Derjenige, der eine Ungleichbehandlung vornimmt, muss den nationalen Gerichten in geeigneter Weise die Möglichkeit zur Prüfung einräumen, ob mit der Ungleichbehandlung ein Ziel angestrebt wird, das die Ungleichbehandlung unter Beachtung der Ziele der Richtlinie 2000/78/EG rechtfertigt (vgl. EuGH 5. März 2009 - C-388/07  - [Age Concern England] Rn. 45 ff., Slg. 2009, I-1569; BAG 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08  - Rn. 36 ff., BAGE 131, 61). Denn das nationale Gericht hat zu prüfen, ob die Regelung oder Maßnahme ein rechtmäßiges Ziel iSd. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG verfolgt. Gleiches gilt für die Frage, ob die Tarifvertragsparteien als Normgeber angesichts des vorhandenen Wertungsspielraums davon ausgehen durften, dass die gewählten Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich waren (vgl. EuGH 5. März 2009 -  C-388/07  - [Age Concern England] Rn. 49 ff., aaO; vgl. auch BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 57, BAGE 132, 210).

20

bb) Die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD dient nicht dem Schutz älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG. Diese gesetzliche Regelung konkretisiert das legitime Ziel, nämlich ua. die Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter, wobei dieser Schutz auch die Festlegung besonderer Arbeitsbedingungen einschließen kann. Aus einer tariflichen Urlaubsstaffelung, die - wie die in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD - den Beschäftigten bereits nach Vollendung des 30. Lebensjahres drei weitere Urlaubstage und dann nach Vollendung des 40. Lebensjahres letztmals einen zusätzlichen Urlaubstag gewährt, lässt sich nicht ableiten, dass die Tarifvertragsparteien einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollten und das Ziel verfolgten, den Schutz älterer Beschäftigter iSd. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG sicherzustellen. Wenn sich auch eine genaue Schwelle für die Zuordnung zu den älteren Arbeitnehmern weder dieser Regelung selbst noch Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG entnehmen lässt, so ist diese freilich an der Zielsetzung (vgl. zu dieser Däubler/Bertzbach/Brors 2. Aufl. § 10 Rn. 42) auszurichten. Einen arbeitsmarktpolitischen Zweck verfolgt zB § 417 Abs. 1 SGB III, wonach Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die das 50. Lebensjahr vollendet haben und ihre Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung beenden oder vermeiden, unter den in der Vorschrift genannten Voraussetzungen Anspruch auf Leistungen der Entgeltsicherung haben. Diese Regelung der Entgeltsicherung bezweckt, die Arbeitslosigkeit älterer Arbeitnehmer abzubauen und ihren Anteil an der erwerbstätigen Bevölkerung zu erhöhen (vgl. BT-Drucks. 17/1945 S. 17). Im Vergleich zu der in § 417 Abs. 1 SGB III genannten Altersgruppe setzt sich die durch die Urlaubsstaffel in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD begünstigte Beschäftigtengruppe, der ein Urlaubsanspruch von jährlich 30 Arbeitstagen eingeräumt wird, nicht ausnahmslos aus älteren Beschäftigten zusammen. Vielmehr gehören ihr alle Beschäftigten ab Vollendung des 40. Lebensjahres an. Der Senat hat bereits entschieden, dass ein Arbeitnehmer jedenfalls ab Vollendung des 31. Lebensjahres offensichtlich kein älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG ist(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 55, BAGE 132, 210).

21

cc) Ein legitimes Ziel iSd. § 10 AGG ergibt sich entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts auch nicht aus § 10 Satz 3 Nr. 2 AGG. Danach kann eine zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile einschließen. Diese Regelung bestimmt selbst kein legitimes Ziel, sondern beschreibt nur ein mögliches Mittel, mit der ein auf andere Weise zu legitimierendes Ziel gerechtfertigt werden kann (vgl. ErfK/Schlachter 12. Aufl. § 10 AGG Rn. 6), sofern es erforderlich und angemessen iSd. § 10 Satz 2 AGG ist.

22

dd) Die Tarifvertragsparteien verfolgen entgegen der Auffassung des Beklagten nicht das Ziel des Gesundheitsschutzes älterer Arbeitnehmer.

23

(1) Das mit der Urlaubsstaffelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD verfolgte Ziel lässt sich nicht mit ausreichender Deutlichkeit aus dem Wortlaut des § 26 TVöD entnehmen. § 26 TVöD normiert ausweislich seiner Überschrift den Erholungsurlaub. Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 TVöD haben Beschäftigte in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung des Entgelts. § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD legt die Dauer dieses Erholungsurlaubs fest. Der Begriff des Erholungsurlaubs wird dabei nicht näher definiert und ist dem BUrlG entlehnt, auf das § 26 Abs. 2 TVöD im Übrigen verweist. Der Erholungsurlaub nach dem BUrlG soll nach der Gesetzesbegründung dem sozialpolitischen Anliegen der Erhaltung und Wiederauffrischung der Arbeitskraft der Arbeitnehmer dienen (vgl. den schriftlichen Bericht des Bundestagsausschusses für Arbeit, BT-Drucks. IV/785; Begründung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Bundesurlaubsgesetzes, BT-Drucks. IV/207). Durch den Erholungsurlaub wird dem Arbeitnehmer die Möglichkeit gesichert, für eine bestimmte Dauer im Jahr, die ihm eingeräumte Freizeit zur selbstbestimmten Erholung zu nutzen (st. Rspr., vgl. BAG 20. Juni 2000 - 9 AZR 405/99 - zu II 2 b bb 1 der Gründe, BAGE 95, 104; 8. März 1984 - 6 AZR 600/82 - zu II 5 b der Gründe, BAGE 45, 184; ebenso st. Rspr. des EuGH zum Jahresurlaub nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG , EuGH 22. No-vember 2011 - C-214/10 - [KHS] Rn. 31, AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 6 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 7; 20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06  - [Schultz-Hoff] Rn. 25, Slg. 2009, I-179). Wenn eine Tarifregelung die Urlaubsdauer nach dem Lebensalter staffelt, liegt die Annahme nahe, die Tarifvertragsparteien hätten einem mit zunehmendem Alter gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollen. Die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD rechtfertigt eine solche Annahme freilich nicht, sondern schließt sie aus.

24

(2) Das folgt bereits aus dem Inhalt der Regelung. Die Tarifvorschrift räumt den Beschäftigten schon ab dem 30. Lebensjahr drei weitere Urlaubstage ein. Dafür, dass die Tarifvertragsparteien von einem so deutlich gesteigertem Erholungsbedürfnis bereits nach der Vollendung des 30. Lebensjahres ausgegangen sind, fehlt jeder Anhaltspunkt. Gegen eine solche Annahme spricht auch, dass die Tarifvertragsparteien den Beschäftigten nach der Vollendung des 40. Lebensjahres letztmals nur einen weiteren Urlaubstag gewährt und davon abgesehen haben, ein gesteigertes Erholungsbedürfnis des Beschäftigten in der Zeit bis zum Erreichen des gesetzlich festgelegten Alters für den Bezug der Regelaltersrente (§ 33 Abs. 1 Buchst. a TVöD) zu berücksichtigen. Hätten die Tarifvertragsparteien ein gesteigertes Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter vor Augen gehabt, hätten sie nicht einem 30-Jährigen einen gegenüber einem 29-jährigen Beschäftigten um drei Tage längeren Urlaub gewährt, nach der Vollendung des 40. Lebensjahres des Beschäftigten eine wesentlich geringere Steigerung des Erholungsbedürfnisses angenommen und für die Zeit danach bis zum Erreichen des gesetzlich festgelegten Alters für den Bezug der Regelaltersrente ein zunehmendes Erholungsbedürfnis des Beschäftigten überhaupt nicht mehr berücksichtigt (vgl. Wulfers/Hecht ZTR 2007, 475, 478). Auch das Schrifttum nimmt ganz überwiegend an, dass eine tarifliche Urlaubsstaffelung nicht schon auf die Vollendung des 30. bzw. des 40. Lebensjahres abstellen darf, wenn sie einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen will (vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 22; Tempelmann/Stenslik DStR 2011, 1183, 1186; Richter Benachteiligung wegen des Alters im Erwerbsleben S. 170; Meinel/Heyn/Herms § 10 Rn. 42b; AGG/Voigt § 10 Rn. 33; Hey AGG § 10 Rn. 28; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 144; Hock/Kramer/Schwerdle ZTR 2006, 622, 623; Linck/Schütz FS Leinemann S. 181 f.; Senne Auswirkungen des europäischen Verbots der Altersdiskriminierung auf das deutsche Arbeitsrecht S. 269; Bertelsmann ZESAR 2005, 242, 246). Selbst wenn die Erholungsbedürftigkeit von Arbeitnehmern mit zunehmendem Lebensalter steigen sollte (zweifelnd Däubler/Bertzbach/Brors § 10 Rn. 50; aA Waltermann NZA 2005, 1265, 1269), hätte es mit dem Schutz älterer Arbeitnehmer nichts zu tun, bereits mit dem 30. Lebensjahr eine erste Verlängerung des Urlaubsanspruchs um drei Tage und die zweite und zugleich letzte Verlängerung um einen weiteren Urlaubstag bereits mit Vollendung des 40. Lebensjahres vorzusehen (so auch Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 22; Adomeit/Mohr § 10 Rn. 105; so bereits zu § 48 BAT: Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156). Es fehlt in beiden Stufen an dem erkennbaren Schutz Älterer. Die Verlängerung des Urlaubsanspruchs bereits mit dem vollendeten 30. Lebensjahr lässt sich kaum mit der Erhaltung der Leistungsfähigkeit Älterer begründen. Auch mit der Vollendung des 40. Lebensjahres hat ein Beschäftigter regelmäßig allenfalls die Mitte seines Erwerbsalters erreicht (vgl. auch Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156). Hätten die Tarifvertragsparteien gemäß der Ansicht des Beklagten ein gesteigertes Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter berücksichtigen wollen, hätten sich die gewählten Altersgrenzen nicht an dem mit dem Alter zunehmenden Erholungsbedürfnis orientiert und wären willkürlich.

25

(3) Gerade dieser Umstand bestätigt, dass die Tarifvertragsparteien mit der Regelung in § 26 TVöD weder den Schutz der Gesundheit bezweckten noch einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollten. Hätten sie diese Ziele verfolgt, hätte es nahe gelegen, gerade für die älteren Beschäftigten, zB die Gruppe der über 50- oder über 60-jährigen Beschäftigten, die Dauer des Erholungsurlaubs zu verlängern. Bei dieser Personengruppe ist ein altersbedingt gesteigertes Erholungsbedürfnis eher nachvollziehbar. Ein solches Schutzbedürfnis für die über 50-Jährigen haben die Tarifvertragsparteien aber nur hinsichtlich der Beschränkung der Höchstdauer des Gesamturlaubs bei besonders belastenden Arbeiten (Schicht- und Wechselschicht) gesehen. Das folgt aus § 27 Abs. 4 Satz 4 TVöD. Danach erhöht sich ab diesem Lebensalter die maximal erreichbare Gesamturlaubsdauer von jährlich 35 auf 36 Arbeitstage.

26

(4) Die Tarifgeschichte bestätigt, dass die Tarifvertragsparteien mit der Urlaubsstaffel nicht einem mit dem Lebensalter steigenden Erholungsbedürfnis Rechnung tragen wollten. Bereits seit dem Inkrafttreten des BAT wurde die Urlaubsdauer an das Lebensalter geknüpft (§ 48 Abs. 1 BAT). Sie steigerte sich auch nach dem vollendeten 30. Lebensjahr und nach dem vollendeten 40. Lebensjahr. Innerhalb der Lebensaltersstufen verlängerte sich die Urlaubsdauer teilweise nach Vergütungsgruppen. Je höher der Angestellte eingruppiert war, je länger war sein Urlaubsanspruch. Dies zeigt, dass nicht der Erholungszweck maßgebend für die Urlaubsdauer sein sollte. Der Urlaub wurde vielmehr als Quasi-Gegenleistung für die Arbeitsleistung geregelt. Nur so lässt sich die normierte Abhängigkeit der Urlaubsdauer von der Vergütungsgruppe erklären. Es kann deshalb nicht angenommen werden, die Tarifvertragsparteien hätten bei Angestellten in höheren Vergütungsgruppen ein gesteigertes Erholungsbedürfnis ausgleichen wollen. Die Differenzierung resultiert vielmehr aus der überkommenen Auffassung, der Urlaub werde „verdient“.

27

5. Die Diskriminierung der Klägerin kann nur durch die Verpflichtung des Beklagten beseitigt werden, der Klägerin für die Jahre 2008 und 2009 jeweils einen Ersatzurlaubstag zu gewähren. Zwar folgt aus § 7 Abs. 2 AGG nur, dass die diskriminierende Regelung unwirksam ist. Auch wird vom Senat nicht verkannt, dass es sich bei § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD um ein Stufensystem handelt, sodass grundsätzlich keine Stufe als die von den Tarifvertragsparteien als „übliche“ Urlaubsdauer gewollte angesehen werden kann. Jedoch kann die Beseitigung der Diskriminierung vorliegend nur durch eine Anpassung „nach oben“ erfolgen.

28

a) Grundsätzlich ist es Aufgabe der Tarifvertragsparteien, eine benachteiligungsfreie Regelung zu treffen, wofür ihnen verschiedene Möglichkeiten zu Verfügung stehen. Doch scheidet eine Aussetzung des Rechtsstreits unter Fristsetzung zur Lückenschließung durch die Tarifvertragsparteien selbst von vornherein aus (aM Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 23). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sind für den Fall, dass gesetzliche oder tarifvertragliche Regelungen eine mit der Richtlinie unvereinbare Diskriminierung vorsehen, die nationalen Gerichte gehalten, die Diskriminierung auf jede denkbare Weise und insbesondere dadurch auszuschließen, dass sie die Regelung für die nicht benachteiligte Gruppe auch auf die benachteiligte Gruppe anwenden, ohne die Beseitigung der Diskriminierung durch den Gesetzgeber, die Tarifvertragsparteien oder in anderer Weise abzuwarten (vgl. so bereits zur Richtlinie 76/207/EWG: EuGH 20. März 2003 - C-187/00 - [Kutz-Bauer] Rn. 75, Slg. 2003, I-2741). Auch nach Art. 9 Abs. 3 GG in Verbindung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wäre eine Aussetzung grundsätzlich allenfalls zur Beseitigung einer Diskriminierung für die Zukunft geboten(vgl. BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 28, NZA 2012, 161). Vorliegend geht es jedoch um die Beseitigung einer Diskriminierung in der Vergangenheit.

29

b) Die Benachteiligung der Klägerin kann nicht auf andere Weise für die Jahre 2008 und 2009 ausgeschlossen werden. Ein Rückgriff auf den noch unterhalb der Eingangstufe des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD liegenden gesetzlichen Mindesturlaub gemäß den §§ 1, 3 BUrlG in Höhe von 20 Arbeitstagen bei einer Fünftagewoche ist hierzu nicht geeignet(aM Wulfers/Hecht ZTR 2007, 475, 483; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand Februar 2012, § 26 Rn. 163.5). Der von den §§ 1, 7 AGG bzw. Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG verfolgte Zweck, Benachteiligungen zu verhindern oder zu beseitigen, würde nicht erreicht. Da diskriminierende Maßnahmen oder Vereinbarungen nicht hingenommen und ihre Fortwirkung nicht akzeptiert werden darf (vgl. ErfK/Schlachter § 7 AGG Rn. 5), ist auch nicht auf die Eingangsstufe des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD mit 26 Urlaubstagen abzustellen. Hätte die Klägerin nur Anspruch auf die erste Stufe der Urlaubsstaffel, fehlte es an einer Sanktion, die einen tatsächlichen und wirksamen Rechtsschutz gewährt und abschreckende Wirkung hat (vgl. zu diesem Aspekt: BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 18 ff., NZA 2012, 161).

30

c) Hingegen ist eine Anpassung „nach oben“ zur Beseitigung einer Altersdiskriminierung im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gerechtfertigt, wenn auf andere Weise die Diskriminierung nicht behoben werden kann, weil der Arbeitgeber den Begünstigten für die Vergangenheit die Leistung nicht mehr entziehen kann (vgl. ausführlich: BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 20 ff., NZA 2012, 161). Dies ist vorliegend der Fall. Der den begünstigten Beschäftigten in den Jahren 2008 und 2009 gewährte Urlaub von jährlich 30 Arbeitstagen kann nicht rückwirkend auf 29 oder 26 Arbeitstage begrenzt werden. Die als Urlaub bereits gewährte Freizeit ist nicht kondizierbar.

31

d) Schließlich steht der Anpassung „nach oben“ auch nicht § 15 Abs. 3 AGG entgegen. Danach ist der Arbeitgeber bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fährlässig handelt. Diese Bestimmung bezieht sich allein auf die immaterielle Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG(vgl. BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 38, NZA 2012, 161; ErfK/Schlachter § 15 AGG Rn. 13) und verhält sich nicht zur Beseitigung einer Diskriminierung durch eine den Diskriminierungsverboten genügende Regelung.

32

e) Der Beklagte kann auch keinen Vertrauensschutz in Anspruch nehmen. In den Jahren 2008 und 2009 galt bereits das am 18. August 2006 in Kraft getretene AGG. Dieses nimmt Dauerschuldverhältnisse und damit auch Arbeitsverhältnisse ebenso wenig wie Tarifverträge aus, die vor dem Inkrafttreten des AGG bereits abgeschlossen waren. Übergangsvorschriften oder Vertrauensschutzregelungen sind insoweit in § 33 AGG nicht vorgesehen. Gemäß § 1 AGG ist ua. Ziel dieses Gesetzes, Benachteiligungen aus Gründen des Alters nicht nur zu verhindern, sondern auch zu beseitigen. Die damit einhergehende unechte Rückwirkung ist zulässig. Der zeitliche Geltungsbereich wird je nach Lage der Verhältnisse im Einzelfall nur durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes beschränkt (vgl. so bereits zu § 81 Abs. 2 SGB IX aF: BAG 16. Dezember 2008 - 9 AZR 985/07 - Rn. 38, BAGE 129, 72). Dies setzt jedoch in jedem Fall das Vorliegen eines schutzwürdigen Vertrauens voraus, das vorliegend nicht gegeben ist, selbst wenn man die Grundsätze zum Vertrauensschutz bei unechter Rückwirkung von Gesetzen anwendet. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Grundsatz des Vertrauensschutzes nur dann verletzt, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen (vgl. BVerfG 10. August 2006 - 2 BvR 563/05  - Rn. 14, BVerfGK 9, 28). Zum einen dient das AGG der Umsetzung von EU-Richtlinien zum Schutz vor Diskriminierung im Bereich Beschäftigung und Beruf und enthält insoweit insbesondere im Bereich der Altersdiskriminierung unionsrechtlich verankerte notwendige und bedeutende Regelungen. Zum anderen wäre ein Vertrauen in den Fortbestand der angewandten tarifvertraglichen Regelungen nicht schutzwürdig. Denn die Richtlinie 2000/78/EG wurde schon im Jahr 2000 erlassen und stellt in Art. 16 Buchst. b ausdrücklich klar, dass die Diskriminierungsverbote auch auf tarifvertragliche Bestimmungen Anwendung finden. Nach Art. 18 der Richtlinie 2000/78/EG war diese zudem spätestens zum 2. Dezember 2006 in nationales Recht umzusetzen. Der Beklagte musste ebenso wie die Tarifvertragsparteien damit rechnen, dass tarifvertragliche Regelungen auch am Verbot der Altersdiskriminierung gemessen werden. Deshalb konnte der Beklagte nicht darauf vertrauen, dass auch nach Inkrafttreten des AGG die Urlaubsstaffelregelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD zulässig war, zumal in der Gesetzesbegründung zum AGG die Anknüpfung an das bloße Lebensalter als Mindestgrenze für mit der Beschäftigung verbundener Vorteile nicht unkritisch gesehen wurde(vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 36) und im Schrifttum nicht nur vereinzelt die Unwirksamkeit des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD wegen Verstoßes gegen das Verbot der Altersdiskriminierung angenommen wurde (vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 22 mwN; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 144; Hock/Kramer/Schwerdtle ZTR 2006, 622, 623 mwN; so bereits zu § 48 Abs. 1 BAT: Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156).

33

6. Die Klägerin hat Anspruch auf Ersatzurlaub gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB. Die Resturlaubsansprüche für die Jahre 2008 und 2009 waren mangels Vorliegens eines Übertragungsgrundes nach § 26 Abs. 1 Satz 6 TVöD iVm. § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG zum 31. Dezember des jeweiligen Jahres verfallen. Diesen Untergang hat der Beklagte zu vertreten, weil er sich mit der Gewährung des Urlaubs in Verzug befand.

34

a) Die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs aus Verzug gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB liegen vor. Die Klägerin hatte in den Jahren 2008 und 2009 Anspruch auf jeweils 30 Urlaubstage. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wandelt sich der Urlaubsanspruch in einen Schadensersatzanspruch um, der auf Gewährung von Ersatzurlaub als Naturalrestitution gerichtet ist, wenn der Arbeitgeber den rechtzeitig verlangten Urlaub nicht gewährt und der Urlaub aufgrund seiner Befristung verfällt ( BAG 11. April 2006 - 9 AZR 523/05  - Rn. 24, AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 28 = EzA BUrlG § 7 Nr. 116).

35

b) Die Klägerin machte mit Schreiben vom 5. November 2008 unter der Überschrift „Geltendmachung von Urlaubsansprüchen“ Urlaub in Höhe von 30 Tagen nach dem TVöD geltend und bat zudem, den Urlaubsanspruch auch für die Zukunft entsprechend anzupassen. Dahingestellt bleiben kann, ob dies schon ein konkretes Verlangen beinhaltet hat, den Urlaub in den Jahren 2008 und 2009 zu gewähren. Nach der Rechtsprechung des Senats ist hierfür zumindest erforderlich, dass der Arbeitgeber nach den Grundsätzen des § 133 BGB davon ausgehen muss, der Arbeitnehmer wünsche ab einem bestimmten Zeitpunkt Erholungsurlaub(vgl. BAG 17. November 2009 - 9 AZR 745/08 - Rn. 45; 11. April 2006 -  9 AZR 523/05  - Rn. 28, AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 28 = EzA BUrlG § 7 Nr. 116). Maßgebend ist, dass der Beklagte mit Schreiben vom 28. November 2008 erklärt hat, er lehne den Antrag auf Verlängerung des Urlaubs „auf 30 Tage vor Erreichen des 41. Lebensjahres“ ab, weil der Klägerin nach dem für ihn verbindlichen § 26 Abs. 1 TVöD derzeit nur 29 Urlaubstage zustünden. Aus objektiver Empfängersicht lag darin eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung des Beklagten als Schuldner des Urlaubsanspruchs, die gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB eine Mahnung der Klägerin entbehrlich machte(vgl. BAG 31. Januar 1991 - 8 AZR 462/89  - zu II der Gründe). Denn der Beklagte gab mit diesem Schreiben vor Ablauf des Urlaubsjahres 2008 klar zu erkennen, dass er nicht bereit sei, im laufenden Jahr mehr als 29 Tage Urlaub zu gewähren. Hinsichtlich des weiteren Urlaubstags für das Jahr 2009 folgt der Verzug des Beklagten zudem daraus, dass er jedenfalls mit dem Antrag auf Klageabweisung vom 24. April 2009 und somit vor Ablauf des Urlaubsjahres 2009 zu erkennen gegeben hat, den weiteren Urlaubstag auch im Jahr 2009 nicht gewähren zu wollen. Darin lag ebenso seine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung als Schuldner des Urlaubsanspruchs, die gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB eine Mahnung der Klägerin ebenfalls entbehrlich machte(vgl. BAG 17. Mai 2011 - 9 AZR 197/10 - Rn. 14, EzA TVG § 4 Metallindustrie Nr. 138; 31. Januar 1991 - 8 AZR 462/89  - zu II der Gründe).

36

B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

        

        

    Preuß    

        

    Neumann-Redlin    

        

        

Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein. Derartige unterschiedliche Behandlungen können insbesondere Folgendes einschließen:

1.
die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlohnung und Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Beschäftigten und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen,
2.
die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile,
3.
die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung auf Grund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder auf Grund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand,
4.
die Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen von Beschäftigten und die Verwendung von Alterskriterien im Rahmen dieser Systeme für versicherungsmathematische Berechnungen,
5.
eine Vereinbarung, die die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, zu dem der oder die Beschäftigte eine Rente wegen Alters beantragen kann; § 41 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch bleibt unberührt,
6.
Differenzierungen von Leistungen in Sozialplänen im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes, wenn die Parteien eine nach Alter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung geschaffen haben, in der die wesentlich vom Alter abhängenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters erkennbar berücksichtigt worden sind, oder Beschäftigte von den Leistungen des Sozialplans ausgeschlossen haben, die wirtschaftlich abgesichert sind, weil sie, gegebenenfalls nach Bezug von Arbeitslosengeld, rentenberechtigt sind.

(1) Im ersten Rechtszug sind die Arbeitsgerichte zuständig, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

(2) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet die Berufung an die Landesarbeitsgerichte nach Maßgabe des § 64 Abs. 1 statt.

(3) Gegen die Urteile der Landesarbeitsgerichte findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht nach Maßgabe des § 72 Abs. 1 statt.

(4) Gegen die Beschlüsse der Arbeitsgerichte und ihrer Vorsitzenden im Beschlußverfahren findet die Beschwerde an das Landesarbeitsgericht nach Maßgabe des § 87 statt.

(5) Gegen die Beschlüsse der Landesarbeitsgerichte im Beschlußverfahren findet die Rechtsbeschwerde an das Bundesarbeitsgericht nach Maßgabe des § 92 statt.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. März 2010 - 20 Sa 2058/09 - aufgehoben.

2. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Eberswalde vom 8. Juli 2009 - 3 Ca 140/09 - wird zurückgewiesen und der Tenor dieses Urteils zur Klarstellung neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass der Klägerin für die Jahre 2008 und 2009 jeweils ein weiterer Urlaubstag als Ersatzurlaub zusteht.

3. Der Beklagte hat auch die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin in den Jahren 2008 und 2009 Anspruch auf jeweils 29 oder 30 Urlaubstage hatte.

2

Die am 27. Oktober 1971 geborene Klägerin ist seit dem 1. September 1988 bei dem beklagten Landkreis als Angestellte mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden in der Fünftagewoche beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst vom 13. September 2005 in der Fassung des Änderungstarifvertrags Nr. 2 vom 31. März 2008 (TVöD) Anwendung. Dieser bestimmt ua.:

        

§ 26 

        

Erholungsurlaub

        

(1)     

Beschäftigte haben in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung des Entgelts (§ 21). Bei Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf fünf Tage in der Kalenderwoche beträgt der Urlaubsanspruch in jedem Kalenderjahr

                 

bis zum vollendeten 30. Lebensjahr

26 Arbeitstage,

                 

bis zum vollendeten 40. Lebensjahr

29 Arbeitstage und

                 

nach dem vollendeten 40. Lebensjahr

30 Arbeitstage.

                 

Maßgebend für die Berechnung der Urlaubsdauer ist das Lebensjahr, das im Laufe des Kalenderjahres vollendet wird. Bei einer anderen Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit als auf fünf Tage in der Woche erhöht oder vermindert sich der Urlaubsanspruch entsprechend. Verbleibt bei der Berechnung des Urlaubs ein Bruchteil, der mindestens einen halben Urlaubstag ergibt, wird er auf einen vollen Urlaubstag aufgerundet; Bruchteile von weniger als einem halben Urlaubstag bleiben unberücksichtigt. Der Erholungsurlaub muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und kann auch in Teilen genommen werden.

        

…       

        
        

§ 27   

        

Zusatzurlaub

        

(1)     

Beschäftigte, die ständig Wechselschichtarbeit nach § 7 Abs. 1 oder ständig Schichtarbeit nach § 7 Abs. 2 leisten und denen die Zulage nach § 8 Abs. 5 Satz 1 oder Abs. 6 Satz 1 zusteht, erhalten

                 

a)    

bei Wechselschichtarbeit für je zwei zusammenhängende Monate und

                 

b)    

bei Schichtarbeit für je vier zusammenhängende Monate

                 

einen Arbeitstag Zusatzurlaub.

        

(2)     

Im Falle nicht ständiger Wechselschicht- oder Schichtarbeit (z. B. ständige Vertreter) erhalten Beschäftigte des Bundes, denen die Zulage nach § 8 Abs. 5 Satz 2 oder Abs. 6 Satz 2 zusteht, einen Arbeitstag Zusatzurlaub für

                 

a)    

je drei Monate im Jahr, in denen sie überwiegend Wechselschichtarbeit geleistet haben, und

                 

b)    

je fünf Monate im Jahr, in denen sie überwiegend Schichtarbeit geleistet haben.

        

…       

                 
        

(4)     

Zusatzurlaub nach diesem Tarifvertrag und sonstigen Bestimmungen mit Ausnahme von § 125 SGB IX wird nur bis zu insgesamt sechs Arbeitstagen im Kalenderjahr gewährt. Erholungsurlaub und Zusatzurlaub (Gesamturlaub) dürfen im Kalenderjahr zusammen 35 Arbeitstage nicht überschreiten. Satz 2 ist für Zusatzurlaub nach den Absätzen 1 und 2 hierzu nicht anzuwenden. Bei Beschäftigten, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, gilt abweichend von Satz 2 eine Höchstgrenze von 36 Arbeitstagen; § 26 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.

        

…“    

        
3

Mit Schreiben vom 5. November 2008 machte die Klägerin gegenüber dem Beklagten einen jährlichen Gesamturlaub in Höhe von 30 Tagen für das Jahr 2008 und die Zukunft nach dem TVöD geltend. Der Beklagte lehnte die Gewährung von 30 Urlaubstagen vor der Vollendung des 40. Lebensjahres der Klägerin unter Hinweis auf die Verbindlichkeit der Regelung des § 26 Abs. 1 TVöD mit Schreiben vom 28. November 2008 ab. Die Klägerin hat daraufhin mit Schriftsatz vom 11. Februar 2009 die vorliegende Klage erhoben.

4

Sie hat die Ansicht vertreten, sie habe auch vor der Vollendung ihres 40. Lebensjahres Anspruch auf jährlich 30 und nicht nur 29 Urlaubstage. Die an das Lebensalter anknüpfende Staffelung des tariflichen Urlaubsanspruchs sei eine Diskriminierung wegen des Alters. Die in der Tarifregelung enthaltene Ungleichbehandlung jüngerer Arbeitnehmer sei nicht durch § 10 AGG gerechtfertigt. Im Übrigen würden die gesundheitlichen Wirkungen zusätzlichen Urlaubs zur Vermeidung beispielsweise von Stresserscheinungen am Arbeitsplatz auch in der medizinischen Literatur kontrovers diskutiert.

5

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass ihr für die Jahre 2008 und 2009 jeweils ein Urlaubstag als Ersatzurlaub zusteht.

6

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Diese sei bereits unzulässig, da das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO nötige Feststellungsinteresse fehle. Schließlich sei die Klage auch unbegründet. Die Altersstufenregelung des § 26 Abs. 1 TVöD sei durch einen sachlichen Grund nach § 10 AGG gerechtfertigt. Die Festlegung eines Mindestalters für die Gewährung von 30 Urlaubstagen pro Kalenderjahr stelle eine besondere Beschäftigungsbedingung zum Schutz älterer Beschäftigter bzw. eine Mindestanforderung an das Alter für einen mit der Beschäftigung verbundenen Vorteil dar, der zur Erreichung eines legitimen Ziels angemessen und erforderlich sei. Ältere Arbeitnehmer seien mit zunehmendem Alter aufgrund beruflicher Belastungen länger krank. Um diesen Umstand Rechnung zu tragen, hätten die Tarifvertragsparteien mit der Regelung in § 26 Abs. 1 TVöD auf das verstärkte Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer reagiert und deren Leistungsfähigkeit stärken wollen. Der Aspekt des Gesundheitsschutzes älterer Arbeitnehmer sei daher geeignet, die Ungleichbehandlung jüngerer Beschäftigter zu rechtfertigen. Schließlich würde auch eine Diskriminierung keine Angleichung „nach oben“ zur Folge haben.

7

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin die Wiederherstellung der stattgebenden Entscheidung des Arbeitsgerichts. Der Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

A. Die zulässige Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf die geltend gemachten Ersatzurlaubstage.

9

I. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Feststellungsklage zulässig ist. Die Klägerin hat ein rechtliches Interesse daran, durch das Gericht feststellen zu lassen, ob ihr für die Jahre 2008 und 2009 jeweils ein Urlaubstag als Ersatzurlaub zusteht ( § 256 Abs. 1 ZPO ). Der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit einer Klage, mit der ein Arbeitnehmer den Umfang des ihm zustehenden Urlaubs gerichtlich festgestellt haben will, nicht entgegen (vgl. BAG 12. April 2011 - 9 AZR 80/10  - Rn. 13 bis 15, EzA BUrlG § 7 Nr. 123).

10

II. Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten für den ihr in den Jahren 2008 und 2009 jeweils verweigerten 30. Urlaubstag gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB Anspruch auf jeweils einen Tag Ersatzurlaub. Die Urlaubsstaffelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD verstößt gegen die §§ 1, 3 Abs. 1 AGG. Denn sie gewährt Beschäftigten, die das 30., aber noch nicht das 40. Lebensjahr vollendet haben, einen um einen Tag kürzeren Urlaub. Sie ist deshalb nach § 7 Abs. 1 und Abs. 2 AGG iVm. § 134 BGB unwirksam. Dies hat zur Folge, dass die Klägerin auch vor der Vollendung ihres 40. Lebensjahres in jedem Kalenderjahr Anspruch auf 30 Urlaubstage hatte. Ihr steht für die Jahre 2008 und 2009 jeweils noch ein Tag Ersatzurlaub zu, weil der Beklagte ihr in diesen Jahren nur jeweils 29 Urlaubstage gewährte.

11

1. Nach § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD standen der am 27. Oktober 1971 geborenen Klägerin in den Jahren 2008 und 2009 jeweils 29 Urlaubstage zu. Erst nach dem vollendeten 40. Lebensjahr gewährt ihr diese Tarifregelung einen jährlichen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen. Diese an das Lebensalter anknüpfende Staffelung der Urlaubsdauer verstößt gegen das Verbot der Altersdiskriminierung in § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG. Sie ist als sachlich nicht nach den §§ 8, 10 AGG gerechtfertigte unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters gemäß § 7 Abs. 2 AGG iVm. § 134 BGB unwirksam. Zur Beseitigung dieser Diskriminierung ist eine Anpassung auf 30 Urlaubstage erforderlich.

12

2. Zutreffend haben die Vorinstanzen die Regelung in § 26 Abs. 1 TVöD am AGG gemessen. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG gelten die Diskriminierungsverbote der §§ 1, 7 AGG auch für die in kollektivrechtlichen Vereinbarungen geregelten Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen. Unter solchen Bedingungen sind alle Umstände zu verstehen, aufgrund derer und unter denen die Arbeitsleistung zu erbringen ist (vgl. BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 54, BAGE 132, 210). Zu den Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen gehört damit auch der Urlaub. Der Umstand, dass die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b TVöD bereits am 1. Januar 2006 und somit schon vor dem AGG vom 14. August 2006 in Kraft getreten ist, steht dem nicht entgegen. Die für die Jahre 2008 und 2009 geltend gemachte Benachteiligung durch § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD ist erst nach Inkrafttreten des AGG am 18. August 2006 eingetreten. Da § 33 Abs. 1 AGG insoweit keine Übergangsregelung enthält, findet dieses Gesetz auch dann Anwendung, wenn die Benachteiligung auf einem vor Inkrafttreten des AGG abgeschlossenen Tarifvertrag beruht. Es kommt allein auf den Zeitpunkt der Benachteiligungshandlung an (BAG 16. Dezember 2008 - 9 AZR 985/07 - Rn. 33, BAGE 129, 72).

13

3. Die Urlaubsstaffelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD enthält eine auf dem Merkmal des Alters beruhende Ungleichbehandlung der Beschäftigten, die das 30. bzw. das 40. Lebensjahr nicht vollendet haben. Das ist eine unmittelbare Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer wegen des Alters iSv. § 3 Abs. 1 AGG.

14

a) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Beim Alter handelt es sich um einen in § 1 AGG genannten Grund, wobei unter Alter das Lebensalter zu verstehen ist. Dies folgt aus dem gesetzlichen Wortlaut und auch aus der Gesetzesbegründung ( BT-Drucks. 16/1780 S. 31; BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 49, BAGE 132, 210; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07  - Rn. 36, BAGE 129, 181). Der für eine unmittelbare Benachteiligung erforderliche Kausalzusammenhang ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen oder mehrere in § 1 AGG genannte Gründe anknüpft oder dadurch motiviert ist(vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 32; BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 50, aaO).

15

b) Diese Voraussetzung ist erfüllt. § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD sieht für Beschäftigte bei einer Fünftagewoche in jedem Kalenderjahr einen Urlaubsanspruch bis zum vollendeten 30. Lebensjahr in Höhe von 26 Arbeitstagen, bis zum vollendeten 40. Lebensjahr in Höhe von 29 Arbeitstagen und erst nach dem vollendeten 40. Lebensjahr in Höhe von 30 Arbeitstagen vor. Die Höhe des Urlaubsanspruchs nach § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD knüpft damit in allen Stufen unmittelbar an das Lebensalter der Beschäftigten an. Danach haben Beschäftigte wie die Klägerin, die zwar das 30. Lebensjahr, aber noch nicht das 40. Lebensjahr vollendet haben, in jedem Jahr nur Anspruch auf 29 statt auf 30 Urlaubstage. Sie werden ebenso wie die unter 30-Jährigen im Vergleich zu den Beschäftigten, die das 40. Lebensjahr vollendet haben, hinsichtlich der Höhe des Urlaubsanspruchs wegen ihres geringeren Alters ungünstiger behandelt.

16

4. Diese Ungleichbehandlung ist nicht gerechtfertigt.

17

a) Bei ihr handelt es sich nicht um eine nach § 8 AGG zulässige unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher Anforderungen. Die Urlaubsstaffel des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD knüpft nicht an die Art der auszuübenden Tätigkeit oder die Bedingungen ihrer Ausübung an. Sie stellt nicht auf die Art der auszuübenden Tätigkeit ab und beansprucht damit Geltung für alle dem TVöD unterfallenden Beschäftigten.

18

b) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die Ungleichbehandlung auch nicht nach § 10 AGG sachlich gerechtfertigt(so ebenfalls die herrschende Meinung in der Literatur, vgl. Linck/Schütz FS Leinemann, S. 181 f.; Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV Stand Januar 2012 E § 26 TVöD Rn. 22; AGG/Voigt 3. Aufl. § 10 Rn. 33; Meinel/Heyn/Herms AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 42b; Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 105; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 144; Hock/Kramer/Schwerdtle ZTR 2006, 622, 623 mwN; Wulfers/Hecht ZTR 2007, 475, 478; vgl. ferner bereits zu § 48 BAT: Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156). § 10 Satz 1 AGG lässt eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters ungeachtet der Regelung des § 8 AGG zu, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Zudem müssen die Mittel zur Erreichung dieses Ziels nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist die an das Lebensalter anknüpfende Differenzierung in § 26 Abs. 1 TVöD nicht sachlich gerechtfertigt, weil sie einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung trägt und deren Gesundheit schützen will. Dabei kann dahinstehen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen das Ziel des Gesundheitsschutzes eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen würde. Die Tarifvorschrift verfolgt dieses Ziel schon nicht.

19

aa) Die Tarifvertragsparteien haben das mit der in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD geregelten Urlaubsstaffelung verfolgte Ziel nicht ausdrücklich genannt. Nennt eine Regelung oder Maßnahme kein Ziel, müssen zumindest aus dem Kontext abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter der Regelung oder der Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen, um die Legitimität des Ziels sowie die Angemessenheit und die Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüfen zu können. Dabei können nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die sozialpolitischen Ziele als legitim angesehen werden, die im allgemeinen Interesse stehen. Derjenige, der eine Ungleichbehandlung vornimmt, muss den nationalen Gerichten in geeigneter Weise die Möglichkeit zur Prüfung einräumen, ob mit der Ungleichbehandlung ein Ziel angestrebt wird, das die Ungleichbehandlung unter Beachtung der Ziele der Richtlinie 2000/78/EG rechtfertigt (vgl. EuGH 5. März 2009 - C-388/07  - [Age Concern England] Rn. 45 ff., Slg. 2009, I-1569; BAG 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08  - Rn. 36 ff., BAGE 131, 61). Denn das nationale Gericht hat zu prüfen, ob die Regelung oder Maßnahme ein rechtmäßiges Ziel iSd. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG verfolgt. Gleiches gilt für die Frage, ob die Tarifvertragsparteien als Normgeber angesichts des vorhandenen Wertungsspielraums davon ausgehen durften, dass die gewählten Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich waren (vgl. EuGH 5. März 2009 -  C-388/07  - [Age Concern England] Rn. 49 ff., aaO; vgl. auch BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 57, BAGE 132, 210).

20

bb) Die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD dient nicht dem Schutz älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG. Diese gesetzliche Regelung konkretisiert das legitime Ziel, nämlich ua. die Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter, wobei dieser Schutz auch die Festlegung besonderer Arbeitsbedingungen einschließen kann. Aus einer tariflichen Urlaubsstaffelung, die - wie die in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD - den Beschäftigten bereits nach Vollendung des 30. Lebensjahres drei weitere Urlaubstage und dann nach Vollendung des 40. Lebensjahres letztmals einen zusätzlichen Urlaubstag gewährt, lässt sich nicht ableiten, dass die Tarifvertragsparteien einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollten und das Ziel verfolgten, den Schutz älterer Beschäftigter iSd. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG sicherzustellen. Wenn sich auch eine genaue Schwelle für die Zuordnung zu den älteren Arbeitnehmern weder dieser Regelung selbst noch Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG entnehmen lässt, so ist diese freilich an der Zielsetzung (vgl. zu dieser Däubler/Bertzbach/Brors 2. Aufl. § 10 Rn. 42) auszurichten. Einen arbeitsmarktpolitischen Zweck verfolgt zB § 417 Abs. 1 SGB III, wonach Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die das 50. Lebensjahr vollendet haben und ihre Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung beenden oder vermeiden, unter den in der Vorschrift genannten Voraussetzungen Anspruch auf Leistungen der Entgeltsicherung haben. Diese Regelung der Entgeltsicherung bezweckt, die Arbeitslosigkeit älterer Arbeitnehmer abzubauen und ihren Anteil an der erwerbstätigen Bevölkerung zu erhöhen (vgl. BT-Drucks. 17/1945 S. 17). Im Vergleich zu der in § 417 Abs. 1 SGB III genannten Altersgruppe setzt sich die durch die Urlaubsstaffel in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD begünstigte Beschäftigtengruppe, der ein Urlaubsanspruch von jährlich 30 Arbeitstagen eingeräumt wird, nicht ausnahmslos aus älteren Beschäftigten zusammen. Vielmehr gehören ihr alle Beschäftigten ab Vollendung des 40. Lebensjahres an. Der Senat hat bereits entschieden, dass ein Arbeitnehmer jedenfalls ab Vollendung des 31. Lebensjahres offensichtlich kein älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG ist(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 55, BAGE 132, 210).

21

cc) Ein legitimes Ziel iSd. § 10 AGG ergibt sich entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts auch nicht aus § 10 Satz 3 Nr. 2 AGG. Danach kann eine zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile einschließen. Diese Regelung bestimmt selbst kein legitimes Ziel, sondern beschreibt nur ein mögliches Mittel, mit der ein auf andere Weise zu legitimierendes Ziel gerechtfertigt werden kann (vgl. ErfK/Schlachter 12. Aufl. § 10 AGG Rn. 6), sofern es erforderlich und angemessen iSd. § 10 Satz 2 AGG ist.

22

dd) Die Tarifvertragsparteien verfolgen entgegen der Auffassung des Beklagten nicht das Ziel des Gesundheitsschutzes älterer Arbeitnehmer.

23

(1) Das mit der Urlaubsstaffelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD verfolgte Ziel lässt sich nicht mit ausreichender Deutlichkeit aus dem Wortlaut des § 26 TVöD entnehmen. § 26 TVöD normiert ausweislich seiner Überschrift den Erholungsurlaub. Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 TVöD haben Beschäftigte in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung des Entgelts. § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD legt die Dauer dieses Erholungsurlaubs fest. Der Begriff des Erholungsurlaubs wird dabei nicht näher definiert und ist dem BUrlG entlehnt, auf das § 26 Abs. 2 TVöD im Übrigen verweist. Der Erholungsurlaub nach dem BUrlG soll nach der Gesetzesbegründung dem sozialpolitischen Anliegen der Erhaltung und Wiederauffrischung der Arbeitskraft der Arbeitnehmer dienen (vgl. den schriftlichen Bericht des Bundestagsausschusses für Arbeit, BT-Drucks. IV/785; Begründung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Bundesurlaubsgesetzes, BT-Drucks. IV/207). Durch den Erholungsurlaub wird dem Arbeitnehmer die Möglichkeit gesichert, für eine bestimmte Dauer im Jahr, die ihm eingeräumte Freizeit zur selbstbestimmten Erholung zu nutzen (st. Rspr., vgl. BAG 20. Juni 2000 - 9 AZR 405/99 - zu II 2 b bb 1 der Gründe, BAGE 95, 104; 8. März 1984 - 6 AZR 600/82 - zu II 5 b der Gründe, BAGE 45, 184; ebenso st. Rspr. des EuGH zum Jahresurlaub nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG , EuGH 22. No-vember 2011 - C-214/10 - [KHS] Rn. 31, AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 6 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 7; 20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06  - [Schultz-Hoff] Rn. 25, Slg. 2009, I-179). Wenn eine Tarifregelung die Urlaubsdauer nach dem Lebensalter staffelt, liegt die Annahme nahe, die Tarifvertragsparteien hätten einem mit zunehmendem Alter gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollen. Die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD rechtfertigt eine solche Annahme freilich nicht, sondern schließt sie aus.

24

(2) Das folgt bereits aus dem Inhalt der Regelung. Die Tarifvorschrift räumt den Beschäftigten schon ab dem 30. Lebensjahr drei weitere Urlaubstage ein. Dafür, dass die Tarifvertragsparteien von einem so deutlich gesteigertem Erholungsbedürfnis bereits nach der Vollendung des 30. Lebensjahres ausgegangen sind, fehlt jeder Anhaltspunkt. Gegen eine solche Annahme spricht auch, dass die Tarifvertragsparteien den Beschäftigten nach der Vollendung des 40. Lebensjahres letztmals nur einen weiteren Urlaubstag gewährt und davon abgesehen haben, ein gesteigertes Erholungsbedürfnis des Beschäftigten in der Zeit bis zum Erreichen des gesetzlich festgelegten Alters für den Bezug der Regelaltersrente (§ 33 Abs. 1 Buchst. a TVöD) zu berücksichtigen. Hätten die Tarifvertragsparteien ein gesteigertes Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter vor Augen gehabt, hätten sie nicht einem 30-Jährigen einen gegenüber einem 29-jährigen Beschäftigten um drei Tage längeren Urlaub gewährt, nach der Vollendung des 40. Lebensjahres des Beschäftigten eine wesentlich geringere Steigerung des Erholungsbedürfnisses angenommen und für die Zeit danach bis zum Erreichen des gesetzlich festgelegten Alters für den Bezug der Regelaltersrente ein zunehmendes Erholungsbedürfnis des Beschäftigten überhaupt nicht mehr berücksichtigt (vgl. Wulfers/Hecht ZTR 2007, 475, 478). Auch das Schrifttum nimmt ganz überwiegend an, dass eine tarifliche Urlaubsstaffelung nicht schon auf die Vollendung des 30. bzw. des 40. Lebensjahres abstellen darf, wenn sie einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen will (vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 22; Tempelmann/Stenslik DStR 2011, 1183, 1186; Richter Benachteiligung wegen des Alters im Erwerbsleben S. 170; Meinel/Heyn/Herms § 10 Rn. 42b; AGG/Voigt § 10 Rn. 33; Hey AGG § 10 Rn. 28; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 144; Hock/Kramer/Schwerdle ZTR 2006, 622, 623; Linck/Schütz FS Leinemann S. 181 f.; Senne Auswirkungen des europäischen Verbots der Altersdiskriminierung auf das deutsche Arbeitsrecht S. 269; Bertelsmann ZESAR 2005, 242, 246). Selbst wenn die Erholungsbedürftigkeit von Arbeitnehmern mit zunehmendem Lebensalter steigen sollte (zweifelnd Däubler/Bertzbach/Brors § 10 Rn. 50; aA Waltermann NZA 2005, 1265, 1269), hätte es mit dem Schutz älterer Arbeitnehmer nichts zu tun, bereits mit dem 30. Lebensjahr eine erste Verlängerung des Urlaubsanspruchs um drei Tage und die zweite und zugleich letzte Verlängerung um einen weiteren Urlaubstag bereits mit Vollendung des 40. Lebensjahres vorzusehen (so auch Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 22; Adomeit/Mohr § 10 Rn. 105; so bereits zu § 48 BAT: Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156). Es fehlt in beiden Stufen an dem erkennbaren Schutz Älterer. Die Verlängerung des Urlaubsanspruchs bereits mit dem vollendeten 30. Lebensjahr lässt sich kaum mit der Erhaltung der Leistungsfähigkeit Älterer begründen. Auch mit der Vollendung des 40. Lebensjahres hat ein Beschäftigter regelmäßig allenfalls die Mitte seines Erwerbsalters erreicht (vgl. auch Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156). Hätten die Tarifvertragsparteien gemäß der Ansicht des Beklagten ein gesteigertes Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter berücksichtigen wollen, hätten sich die gewählten Altersgrenzen nicht an dem mit dem Alter zunehmenden Erholungsbedürfnis orientiert und wären willkürlich.

25

(3) Gerade dieser Umstand bestätigt, dass die Tarifvertragsparteien mit der Regelung in § 26 TVöD weder den Schutz der Gesundheit bezweckten noch einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollten. Hätten sie diese Ziele verfolgt, hätte es nahe gelegen, gerade für die älteren Beschäftigten, zB die Gruppe der über 50- oder über 60-jährigen Beschäftigten, die Dauer des Erholungsurlaubs zu verlängern. Bei dieser Personengruppe ist ein altersbedingt gesteigertes Erholungsbedürfnis eher nachvollziehbar. Ein solches Schutzbedürfnis für die über 50-Jährigen haben die Tarifvertragsparteien aber nur hinsichtlich der Beschränkung der Höchstdauer des Gesamturlaubs bei besonders belastenden Arbeiten (Schicht- und Wechselschicht) gesehen. Das folgt aus § 27 Abs. 4 Satz 4 TVöD. Danach erhöht sich ab diesem Lebensalter die maximal erreichbare Gesamturlaubsdauer von jährlich 35 auf 36 Arbeitstage.

26

(4) Die Tarifgeschichte bestätigt, dass die Tarifvertragsparteien mit der Urlaubsstaffel nicht einem mit dem Lebensalter steigenden Erholungsbedürfnis Rechnung tragen wollten. Bereits seit dem Inkrafttreten des BAT wurde die Urlaubsdauer an das Lebensalter geknüpft (§ 48 Abs. 1 BAT). Sie steigerte sich auch nach dem vollendeten 30. Lebensjahr und nach dem vollendeten 40. Lebensjahr. Innerhalb der Lebensaltersstufen verlängerte sich die Urlaubsdauer teilweise nach Vergütungsgruppen. Je höher der Angestellte eingruppiert war, je länger war sein Urlaubsanspruch. Dies zeigt, dass nicht der Erholungszweck maßgebend für die Urlaubsdauer sein sollte. Der Urlaub wurde vielmehr als Quasi-Gegenleistung für die Arbeitsleistung geregelt. Nur so lässt sich die normierte Abhängigkeit der Urlaubsdauer von der Vergütungsgruppe erklären. Es kann deshalb nicht angenommen werden, die Tarifvertragsparteien hätten bei Angestellten in höheren Vergütungsgruppen ein gesteigertes Erholungsbedürfnis ausgleichen wollen. Die Differenzierung resultiert vielmehr aus der überkommenen Auffassung, der Urlaub werde „verdient“.

27

5. Die Diskriminierung der Klägerin kann nur durch die Verpflichtung des Beklagten beseitigt werden, der Klägerin für die Jahre 2008 und 2009 jeweils einen Ersatzurlaubstag zu gewähren. Zwar folgt aus § 7 Abs. 2 AGG nur, dass die diskriminierende Regelung unwirksam ist. Auch wird vom Senat nicht verkannt, dass es sich bei § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD um ein Stufensystem handelt, sodass grundsätzlich keine Stufe als die von den Tarifvertragsparteien als „übliche“ Urlaubsdauer gewollte angesehen werden kann. Jedoch kann die Beseitigung der Diskriminierung vorliegend nur durch eine Anpassung „nach oben“ erfolgen.

28

a) Grundsätzlich ist es Aufgabe der Tarifvertragsparteien, eine benachteiligungsfreie Regelung zu treffen, wofür ihnen verschiedene Möglichkeiten zu Verfügung stehen. Doch scheidet eine Aussetzung des Rechtsstreits unter Fristsetzung zur Lückenschließung durch die Tarifvertragsparteien selbst von vornherein aus (aM Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 23). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sind für den Fall, dass gesetzliche oder tarifvertragliche Regelungen eine mit der Richtlinie unvereinbare Diskriminierung vorsehen, die nationalen Gerichte gehalten, die Diskriminierung auf jede denkbare Weise und insbesondere dadurch auszuschließen, dass sie die Regelung für die nicht benachteiligte Gruppe auch auf die benachteiligte Gruppe anwenden, ohne die Beseitigung der Diskriminierung durch den Gesetzgeber, die Tarifvertragsparteien oder in anderer Weise abzuwarten (vgl. so bereits zur Richtlinie 76/207/EWG: EuGH 20. März 2003 - C-187/00 - [Kutz-Bauer] Rn. 75, Slg. 2003, I-2741). Auch nach Art. 9 Abs. 3 GG in Verbindung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wäre eine Aussetzung grundsätzlich allenfalls zur Beseitigung einer Diskriminierung für die Zukunft geboten(vgl. BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 28, NZA 2012, 161). Vorliegend geht es jedoch um die Beseitigung einer Diskriminierung in der Vergangenheit.

29

b) Die Benachteiligung der Klägerin kann nicht auf andere Weise für die Jahre 2008 und 2009 ausgeschlossen werden. Ein Rückgriff auf den noch unterhalb der Eingangstufe des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD liegenden gesetzlichen Mindesturlaub gemäß den §§ 1, 3 BUrlG in Höhe von 20 Arbeitstagen bei einer Fünftagewoche ist hierzu nicht geeignet(aM Wulfers/Hecht ZTR 2007, 475, 483; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand Februar 2012, § 26 Rn. 163.5). Der von den §§ 1, 7 AGG bzw. Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG verfolgte Zweck, Benachteiligungen zu verhindern oder zu beseitigen, würde nicht erreicht. Da diskriminierende Maßnahmen oder Vereinbarungen nicht hingenommen und ihre Fortwirkung nicht akzeptiert werden darf (vgl. ErfK/Schlachter § 7 AGG Rn. 5), ist auch nicht auf die Eingangsstufe des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD mit 26 Urlaubstagen abzustellen. Hätte die Klägerin nur Anspruch auf die erste Stufe der Urlaubsstaffel, fehlte es an einer Sanktion, die einen tatsächlichen und wirksamen Rechtsschutz gewährt und abschreckende Wirkung hat (vgl. zu diesem Aspekt: BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 18 ff., NZA 2012, 161).

30

c) Hingegen ist eine Anpassung „nach oben“ zur Beseitigung einer Altersdiskriminierung im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gerechtfertigt, wenn auf andere Weise die Diskriminierung nicht behoben werden kann, weil der Arbeitgeber den Begünstigten für die Vergangenheit die Leistung nicht mehr entziehen kann (vgl. ausführlich: BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 20 ff., NZA 2012, 161). Dies ist vorliegend der Fall. Der den begünstigten Beschäftigten in den Jahren 2008 und 2009 gewährte Urlaub von jährlich 30 Arbeitstagen kann nicht rückwirkend auf 29 oder 26 Arbeitstage begrenzt werden. Die als Urlaub bereits gewährte Freizeit ist nicht kondizierbar.

31

d) Schließlich steht der Anpassung „nach oben“ auch nicht § 15 Abs. 3 AGG entgegen. Danach ist der Arbeitgeber bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fährlässig handelt. Diese Bestimmung bezieht sich allein auf die immaterielle Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG(vgl. BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 38, NZA 2012, 161; ErfK/Schlachter § 15 AGG Rn. 13) und verhält sich nicht zur Beseitigung einer Diskriminierung durch eine den Diskriminierungsverboten genügende Regelung.

32

e) Der Beklagte kann auch keinen Vertrauensschutz in Anspruch nehmen. In den Jahren 2008 und 2009 galt bereits das am 18. August 2006 in Kraft getretene AGG. Dieses nimmt Dauerschuldverhältnisse und damit auch Arbeitsverhältnisse ebenso wenig wie Tarifverträge aus, die vor dem Inkrafttreten des AGG bereits abgeschlossen waren. Übergangsvorschriften oder Vertrauensschutzregelungen sind insoweit in § 33 AGG nicht vorgesehen. Gemäß § 1 AGG ist ua. Ziel dieses Gesetzes, Benachteiligungen aus Gründen des Alters nicht nur zu verhindern, sondern auch zu beseitigen. Die damit einhergehende unechte Rückwirkung ist zulässig. Der zeitliche Geltungsbereich wird je nach Lage der Verhältnisse im Einzelfall nur durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes beschränkt (vgl. so bereits zu § 81 Abs. 2 SGB IX aF: BAG 16. Dezember 2008 - 9 AZR 985/07 - Rn. 38, BAGE 129, 72). Dies setzt jedoch in jedem Fall das Vorliegen eines schutzwürdigen Vertrauens voraus, das vorliegend nicht gegeben ist, selbst wenn man die Grundsätze zum Vertrauensschutz bei unechter Rückwirkung von Gesetzen anwendet. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Grundsatz des Vertrauensschutzes nur dann verletzt, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen (vgl. BVerfG 10. August 2006 - 2 BvR 563/05  - Rn. 14, BVerfGK 9, 28). Zum einen dient das AGG der Umsetzung von EU-Richtlinien zum Schutz vor Diskriminierung im Bereich Beschäftigung und Beruf und enthält insoweit insbesondere im Bereich der Altersdiskriminierung unionsrechtlich verankerte notwendige und bedeutende Regelungen. Zum anderen wäre ein Vertrauen in den Fortbestand der angewandten tarifvertraglichen Regelungen nicht schutzwürdig. Denn die Richtlinie 2000/78/EG wurde schon im Jahr 2000 erlassen und stellt in Art. 16 Buchst. b ausdrücklich klar, dass die Diskriminierungsverbote auch auf tarifvertragliche Bestimmungen Anwendung finden. Nach Art. 18 der Richtlinie 2000/78/EG war diese zudem spätestens zum 2. Dezember 2006 in nationales Recht umzusetzen. Der Beklagte musste ebenso wie die Tarifvertragsparteien damit rechnen, dass tarifvertragliche Regelungen auch am Verbot der Altersdiskriminierung gemessen werden. Deshalb konnte der Beklagte nicht darauf vertrauen, dass auch nach Inkrafttreten des AGG die Urlaubsstaffelregelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD zulässig war, zumal in der Gesetzesbegründung zum AGG die Anknüpfung an das bloße Lebensalter als Mindestgrenze für mit der Beschäftigung verbundener Vorteile nicht unkritisch gesehen wurde(vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 36) und im Schrifttum nicht nur vereinzelt die Unwirksamkeit des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD wegen Verstoßes gegen das Verbot der Altersdiskriminierung angenommen wurde (vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 22 mwN; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 144; Hock/Kramer/Schwerdtle ZTR 2006, 622, 623 mwN; so bereits zu § 48 Abs. 1 BAT: Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156).

33

6. Die Klägerin hat Anspruch auf Ersatzurlaub gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB. Die Resturlaubsansprüche für die Jahre 2008 und 2009 waren mangels Vorliegens eines Übertragungsgrundes nach § 26 Abs. 1 Satz 6 TVöD iVm. § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG zum 31. Dezember des jeweiligen Jahres verfallen. Diesen Untergang hat der Beklagte zu vertreten, weil er sich mit der Gewährung des Urlaubs in Verzug befand.

34

a) Die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs aus Verzug gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB liegen vor. Die Klägerin hatte in den Jahren 2008 und 2009 Anspruch auf jeweils 30 Urlaubstage. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wandelt sich der Urlaubsanspruch in einen Schadensersatzanspruch um, der auf Gewährung von Ersatzurlaub als Naturalrestitution gerichtet ist, wenn der Arbeitgeber den rechtzeitig verlangten Urlaub nicht gewährt und der Urlaub aufgrund seiner Befristung verfällt ( BAG 11. April 2006 - 9 AZR 523/05  - Rn. 24, AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 28 = EzA BUrlG § 7 Nr. 116).

35

b) Die Klägerin machte mit Schreiben vom 5. November 2008 unter der Überschrift „Geltendmachung von Urlaubsansprüchen“ Urlaub in Höhe von 30 Tagen nach dem TVöD geltend und bat zudem, den Urlaubsanspruch auch für die Zukunft entsprechend anzupassen. Dahingestellt bleiben kann, ob dies schon ein konkretes Verlangen beinhaltet hat, den Urlaub in den Jahren 2008 und 2009 zu gewähren. Nach der Rechtsprechung des Senats ist hierfür zumindest erforderlich, dass der Arbeitgeber nach den Grundsätzen des § 133 BGB davon ausgehen muss, der Arbeitnehmer wünsche ab einem bestimmten Zeitpunkt Erholungsurlaub(vgl. BAG 17. November 2009 - 9 AZR 745/08 - Rn. 45; 11. April 2006 -  9 AZR 523/05  - Rn. 28, AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 28 = EzA BUrlG § 7 Nr. 116). Maßgebend ist, dass der Beklagte mit Schreiben vom 28. November 2008 erklärt hat, er lehne den Antrag auf Verlängerung des Urlaubs „auf 30 Tage vor Erreichen des 41. Lebensjahres“ ab, weil der Klägerin nach dem für ihn verbindlichen § 26 Abs. 1 TVöD derzeit nur 29 Urlaubstage zustünden. Aus objektiver Empfängersicht lag darin eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung des Beklagten als Schuldner des Urlaubsanspruchs, die gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB eine Mahnung der Klägerin entbehrlich machte(vgl. BAG 31. Januar 1991 - 8 AZR 462/89  - zu II der Gründe). Denn der Beklagte gab mit diesem Schreiben vor Ablauf des Urlaubsjahres 2008 klar zu erkennen, dass er nicht bereit sei, im laufenden Jahr mehr als 29 Tage Urlaub zu gewähren. Hinsichtlich des weiteren Urlaubstags für das Jahr 2009 folgt der Verzug des Beklagten zudem daraus, dass er jedenfalls mit dem Antrag auf Klageabweisung vom 24. April 2009 und somit vor Ablauf des Urlaubsjahres 2009 zu erkennen gegeben hat, den weiteren Urlaubstag auch im Jahr 2009 nicht gewähren zu wollen. Darin lag ebenso seine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung als Schuldner des Urlaubsanspruchs, die gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB eine Mahnung der Klägerin ebenfalls entbehrlich machte(vgl. BAG 17. Mai 2011 - 9 AZR 197/10 - Rn. 14, EzA TVG § 4 Metallindustrie Nr. 138; 31. Januar 1991 - 8 AZR 462/89  - zu II der Gründe).

36

B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

        

        

    Preuß    

        

    Neumann-Redlin    

        

        

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 29. Oktober 2009 - 2 Sa 146/09 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch darüber, ob dem Kläger aus dem Jahr 2007 ein tariflicher Mehrurlaubsanspruch von zehn Arbeitstagen zusteht.

2

Der schwerbehinderte Kläger ist seit 1975 bei der Beklagten beschäftigt. Diese betreibt ein Dienstleistungsunternehmen zur Wartung, Instandhaltung und Ausstattung von Flugzeugen im Verbund des DLH-Konzerns.

3

Nach Ziff. 3 des Arbeitsvertrags ergeben sich die Rechte und Pflichten des Klägers aus den jeweils gültigen Tarifverträgen, den Betriebsvereinbarungen und Dienstvorschriften der DLH. Die Parteien wenden deshalb auf ihr Arbeitsverhältnis den Manteltarifvertrag Nr. 14 für das Bodenpersonal in der Fassung vom 1. Januar 2007 (MTV Boden) an. Dort heißt es zum Urlaubsanspruch ua.:

        

㤠32 Erholungsurlaub

        

(1)     

Jeder Mitarbeiter hat in jedem vom 01. Januar bis 31. Dezember laufenden Urlaubsjahr Anspruch auf Erholungsurlaub, der möglichst zusammenhängend zu nehmen und zu gewähren ist. …

        

...     

        
        

§ 36 Anteiliger Urlaub im laufenden Urlaubsjahr

        

...     

        
        

(3)     

Wechselt der Mitarbeiter im laufenden Kalenderjahr zwischen der DLH und LSG oder einer Gesellschaft im Tarifvertrag zur Erweiterung des Geltungsbereiches oder einer anderen Gesellschaft im Lufthansa-Konzern, so stehen ihm aus den Arbeitsverhältnissen insgesamt mehr als 12/12 des tariflichen Urlaubs zu.

                 

…       

        

(4)     

Bei Arbeitsbefreiung ohne Fortzahlung der Vergütung - ausgenommen der Fälle des § 12 a - und Ruhen des Arbeitsverhältnisses, die 15 Kalendertage in einem Jahr überschreiten, wird der Urlaub anteilig für diejenige Zeit gekürzt, in der das Arbeitsverhältnis ruhte, und zwar für jeden Kalendertag um 1/365, sofern gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. …

        

§ 37 Verfallen und Übertragung des Urlaubsanspruchs

        

(1)     

Nicht genommener Erholungsurlaub verfällt ohne Anspruch auf Abgeltung am 31. März des folgenden Jahres, frühestens jedoch 6 Monate nach Beendigung der Wartezeit.

        

(2)     

Hat jedoch der Mitarbeiter den Anspruch auf Urlaub erfolglos geltend gemacht, so ist ihm der Urlaub nachzugewähren.“

4

Nach § 32 Abs. 3 MTV Boden beträgt der Urlaubsanspruch ab dem fünften Jahr der Beschäftigung 30 Urlaubstage.

5

2007 gewährte die Beklagte dem Kläger 14 Urlaubstage. Danach war der Kläger vom 28. Juli 2007 bis zum 30. April 2008 arbeitsunfähig erkrankt. Mit Urlaubsantrag vom 23. April 2008 verlangte er erfolglos, ihm für die Zeit vom 2. Mai bis zum 30. Mai 2008 Urlaub aus dem Vorjahr zu gewähren. Am 8. Mai 2008 nahm der Kläger seine Arbeitstätigkeit wieder auf. Die Zeitkontenliste der Beklagten vom 8. Mai 2008 für die Abrechnungsperiode 1. Mai bis 31. Mai 2008 weist einen Resturlaubsanspruch des Klägers von 21 Tagen aus. Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 10. Juni 2008 forderte der Kläger die Beklagte auf, seinen Urlaubsanspruch iHv. 21 Resturlaubstagen zu bestätigen. Vorinstanzlich hat der Kläger geltend gemacht, ihm stehe aus dem Jahr 2007 noch eine Urlaubsdauer von 21 Tagen zu, nämlich fünf Tage Zusatzurlaub nach § 125 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 SGB IX, sechs Tage gesetzlicher Mindesturlaub sowie zehn Tage tariflicher Mehrurlaub.

6

Er hat die Auffassung vertreten, seine Urlaubsansprüche seien nicht verfallen, da er nur wegen seiner Arbeitsunfähigkeit daran gehindert gewesen sei, den Urlaub tatsächlich in Anspruch zu nehmen.

7

Der Kläger hat vorinstanzlich beantragt

        

festzustellen, dass ihm aus dem Jahr 2007 noch ein Resturlaubsanspruch von 21 Arbeitstagen zusteht.

8

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der tarifliche Mehrurlaub des Klägers sei nach § 37 Abs. 1 MTV Boden verfallen. Der MTV Boden enthalte hinsichtlich des Verfalls der Urlaubsansprüche eine eigenständige von § 7 Abs. 3 BUrlG abweichende Regelung.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Darauf hat die Beklagte dem Zeitkonto des Klägers elf Urlaubstage gutgeschrieben. Sie wendet sich in der Revision nur noch gegen die Feststellung des Landesarbeitsgerichts, dass dem Kläger aus dem Jahr 2007 noch ein Anspruch auf Resturlaub von zehn Arbeitstagen für nicht gewährten tariflichen Mehrurlaub zusteht.

Entscheidungsgründe

10

A. Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht festgestellt, dass dem Kläger wegen des 2007 zwar entstandenen, aber nicht voll erfüllten Urlaubsanspruchs noch zehn Urlaubstage zu gewähren sind.

11

I. Die Feststellungsklage ist zulässig. Insbesondere besteht das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.

12

1. Eine Feststellungsklage ist dann zulässig, wenn auf diesem Wege eine sachgemäße, einfache Erledigung der Streitpunkte zu erreichen ist und prozesswirtschaftliche Erwägungen gegen einen Zwang zur Leistungsklage sprechen (BAG 9. September 2003 - 9 AZR 468/02 - zu I der Gründe, EzA TVG § 4 Chemische Industrie Nr. 6).

13

2. So ist es hier. Eine Leistungsklage wäre nur als Klage auf Abgabe einer Willenserklärung iSv. § 894 ZPO möglich. Denn der Arbeitgeber hat zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs den Arbeitnehmer von der Arbeitspflicht freizustellen. Diese Freistellung erfolgt durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, wobei der Arbeitgeber gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen hat(BAG 20. Januar 2009 - 9 AZR 650/07 - Rn. 24). Vollstreckbar wäre ein entsprechender Titel aber nur, wenn er auf Abgabe einer bestimmten Willenserklärung gerichtet ist (vgl. PG/Olzen ZPO 3. Aufl. § 887 Rn. 6). Bei mangelnder Bestimmtheit der Klage auf Abgabe einer Willenserklärung wäre nur eine Vollstreckung nach § 888 ZPO möglich(OLG Hamm 25. Juni 1970 - 14 W 31/70 - MDR 1971, 401).

14

3. Eine Klage iSv. § 894 ZPO auf Gewährung des Urlaubs für einen bestimmten kalendermäßig festgelegten Zeitraum wäre weder prozesswirtschaftlicher als die Feststellungsklage, noch wäre sie dem Arbeitnehmer zumutbar. Wird der Schuldner zur Abgabe einer empfangsbedürftigen Willenserklärung antragsgemäß verurteilt, gilt nach § 894 ZPO die Willenserklärung erst dann als abgegeben, wenn das Urteil rechtskräftig geworden ist(BAG 15. September 2009 - 9 AZR 608/08 - Rn. 23, AP BGB § 311a Nr. 3 = EzA ZPO 2002 § 894 Nr. 1). Zum Zeitpunkt der Klageerhebung ist nicht bekannt, wann ein gegebenenfalls stattgebendes Urteil rechtskräftig wird. Der Kläger müsste deshalb seinen mit der Leistungsklage angegebenen Urlaubszeitraum mittels Klageänderung fortlaufend anpassen. Das wäre zB dann nicht mehr möglich, wenn der zuletzt beantragte Urlaubszeitraum zwischen Verkündung und Ablauf der Rechtsmittelfrist läge.

15

4. Auf eine Klage zur Gewährung des Urlaubs für einen nicht festgelegten Zeitraum darf der Arbeitnehmer nicht verwiesen werden. Dabei kann dahinstehen, ob ein entsprechender Titel nach § 888 ZPO zu vollstrecken wäre. Bei einer solchen Klage müsste der Arbeitnehmer auf sein Recht gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG, den Urlaub nach seinen Wünschen zeitlich festzulegen, verzichten. Denn im Hinblick auf die nach § 894 ZPO erforderliche Bestimmtheit müsste die Klage dahin ausgelegt werden, dass der Arbeitnehmer seinem beklagten Arbeitgeber die zeitliche Festlegung des Urlaubs überlassen wolle. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG hat der Arbeitgeber demgegenüber bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, es sei denn, dass dem dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer entgegenstehen, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen(BAG 14. August 2007 - 9 AZR 934/06 - Rn. 12, AP BUrlG § 7 Nr. 38 = EzA BUrlG § 7 Nr. 119). Prozesswirtschaftliche Erwägungen rechtfertigen es nicht, dem Arbeitnehmer dieses erste Bestimmungsrecht zu entziehen und seine materiellen Ansprüche deshalb einzuschränken.

16

II. Die Klage ist begründet. Der unstreitig 2007 entstandene und nicht erfüllte Anspruch auf zehn Tage tarifvertraglichen Mehrurlaub ist entgegen der Auffassung der Revision nicht nach § 37 Abs. 1 MTV Boden oder gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG mit dem 31. März 2008, sondern erst während des Verzugs der Beklagten mit dem 31. März 2009 untergegangen. Der Kläger hat deshalb Anspruch nach § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB auf noch zu gewährenden Ersatzurlaub.

17

1. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nach Ziff. 3 des Arbeitsvertrags der Parteien der MTV Boden anzuwenden.

18

2. Der Urlaubsanspruch des Klägers ist entgegen der Auffassung der Revision nicht zum 31. März 2008 verfallen. Er konnte den Urlaub für das Jahr 2007 nicht bis zum 31. März 2008 antreten, da er vom 28. Juli 2007 bis zum 30. April 2008 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt war. Sein Anspruch auf den übergesetzlichen tarifvertraglichen Mehrurlaub von zehn Arbeitstagen war damit auch bis zum Ende des Übertragungszeitraums gemäß § 37 Abs. 1 MTV Boden am 31. März 2008 nicht erfüllbar.

19

3. Nach der neueren Rechtsprechung des Senats führt die fortdauernde Arbeitsunfähigkeit zur weiteren automatischen Übertragung des gesetzlichen Mindesturlaubs und hindert so dessen Verfall (vgl. zuletzt BAG 4. Mai 2010 - 9 AZR 183/09 - Rn. 18, EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 17).

20

4. Entgegen der Revision ist diese Rechtsprechung auch auf den tariflichen Mehrurlaub nach dem MTV Boden anzuwenden. Die tarifliche Regelung lässt nicht erkennen, dass die Tarifvertragsparteien von dem Grundsatz, demzufolge die Bestimmungen zur Übertragung und zum Verfall des gesetzlichen Mindesturlaubs mit denen zum tariflichen Mehrurlaub gleichlaufen, abweichen wollen. Das ergibt die Auslegung der maßgeblichen Tarifvorschriften.

21

a) Die Tarifvertragsparteien können Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche, die den von Art. 7 Abs. 1 derRichtlinie 2003/88/EG gewährleisteten und von §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG begründeten Anspruch auf Mindestjahresurlaub von vier Wochen übersteigen, frei regeln. Ihre Regelungsmacht ist nicht durch die für gesetzliche Urlaubsansprüche erforderliche richtlinienkonforme Fortbildung des § 7 Abs. 3 und Abs. 4 BUrlG beschränkt. Einem tariflich angeordneten Verfall des übergesetzlichen Urlaubsanspruchs und seiner Abgeltung steht nach dem klaren Richtlinienrecht und der gesicherten Rechtsprechung des EuGH kein Unionsrecht entgegen (vgl. BAG 4. Mai 2010 - 9 AZR 183/09 - Rn. 23 mwN, EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 17).

22

b) Der Senat hat die hier zu beurteilenden tariflichen Vorschriften deshalb anhand des innerstaatlichen Rechts auszulegen. Es ist zu prüfen, ob die Tarifvertragsparteien von ihrer freien Regelungsmacht Gebrauch gemacht haben. Dies kann sich daraus ergeben, dass sie entweder bei ihrer Verfallsregelung zwischen gesetzlichem Mindesturlaub und tarifvertraglichem Mehrurlaub unterschieden oder sich vom gesetzlichen Fristenregime gelöst und eigenständige vom BUrlG abweichende Regelungen zur Übertragung und zum Verfall des Urlaubsanspruchs getroffen haben. Beides ist nach § 37 Abs. 1 MTV Boden nicht der Fall.

23

aa) Unterscheidet ein Tarifvertrag zwischen gesetzlichem Mindesturlaub und tarifvertraglichem Mehrurlaub, ist es regelmäßig gerechtfertigt, auch hinsichtlich des Verfalls von Urlaubsansprüchen entsprechend zu differenzieren. Die vom Senat entwickelte richtlinienkonforme Fortbildung des § 7 Abs. 3 und Abs. 4 BUrlG betrifft nur die Mindesturlaubsansprüche(BAG 4. Mai 2010 - 9 AZR 183/09 - Rn. 18, EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 17). Trennen die Tarifvertragparteien zwischen gesetzlichem und tarifvertraglichem Urlaub, machen sie von ihrer freien, nicht durch § 13 Abs. 1 BUrlG beschränkten Regelungsmacht für den tariflichen Mehrurlaub Gebrauch. Es ist dann ausgeschlossen, ohne konkrete Anhaltspunkte die richtlinienkonforme Fortbildung von Vorschriften des BUrlG auch auf den tariflichen Mehrurlaub anzuwenden. Ein entsprechender zwischen beiden Urlaubsarten differenzierender Regelungswille der Tarifvertragsparteien lässt sich nicht schon daraus herleiten, dass ein Tarifvertrag sich vom gesetzlichen Urlaubsregime löst und stattdessen eigene Regeln aufstellt (so aber LAG Hamm 24. Februar 2011 - 16 Sa 727/10 - Rn. 49; LAG Düsseldorf 20. Januar 2011 - 11 Sa 1493/10 - Rn. 32, ZTR 2011, 377; LAG Rheinland-Pfalz 19. August 2010 - 10 Sa 244/10 - Rn. 31, ZTR 2011, 98). Denn ein solcher Tarifvertrag, der nicht zwischen beiden Urlaubsarten unterscheidet, löst sich insgesamt für gesetzlichen und tarifvertraglichen Urlaub vom Regime des BUrlG.

24

Die Tarifvertragsparteien haben im MTV Boden nicht zwischen gesetzlichem und tarifvertraglichem Urlaub unterschieden.

25

(1) Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung die Auslegungsregel aufgestellt, für einen Regelungswillen, der zwischen gesetzlichen und übergesetzlichen tarifvertraglichen Ansprüchen unterscheide, müssten deutliche Anhaltspunkte bestehen. Trotz teilweiser Kritik in der Literatur und von Instanzgerichten hat der Senat auch für Tarifverträge hieran festgehalten (BAG 23. März 2010 - 9 AZR 128/09 - Rn. 35 ff. mwN, AP SGB IX § 125 Nr. 3 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 16).

26

(2) Solche Anhaltspunkte sind im MTV Boden nicht ersichtlich. Diese können sich nur daraus ergeben, dass der Tarifvertrag gesetzliche und tarifvertragliche Urlaubsansprüche unterschiedlich regelt. Das ist im MTV Boden nicht der Fall. Sämtliche Urlaubsregelungen differenzieren nicht zwischen gesetzlichem Urlaub und tarifvertraglichem Mehrurlaub.

27

bb) Haben die Tarifvertragsparteien einheitlich sowohl für den unionsrechtlich verbürgten Mindest- als auch für den übersteigenden Mehrurlaub von § 7 Abs. 3 BUrlG wesentlich abweichende Übertragungs- und Verfallsregeln vereinbart, so zeugt das ebenfalls für einen eigenständigen Regelungswillen. Danach soll der Arbeitnehmer das Risiko, den Urlaub nicht in Anspruch nehmen zu können, tragen. Dies schließt einen ergänzenden Rückgriff auf die - unionsrechtlich bedingt - reformierte Rechtsprechung des Senats, der zufolge der Urlaubsanspruch auch im Fall der krankheitsbedingten Unmöglichkeit einer Erfüllung erhalten bleibt, unabhängig davon aus, ob diese Rechtsprechung auf einer richtlinienkonformen Auslegung oder auf einer richtlinienkonformen Rechtsfortbildung beruht. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die eigenständige Sonderregelung für den unionsrechtlich verbürgten Mindesturlaub im Hinblick auf § 13 Abs. 1 Satz 1, § 1 BUrlG iVm. § 134 BGB unwirksam ist. Für den vom Mindesturlaub abtrennbaren Teil der einheitlich geregelten Gesamturlaubsdauer, den sog. Mehrurlaub, bleibt sie gemäß § 139 BGB wirksam.

28

Soweit die Instanzrechtsprechung einen eigenständigen, dem Gleichlauf von Mindest- und Mehrurlaub entgegenstehenden Regelungswillen bereits dann annimmt, wenn in einem Tarifvertrag von der Zwölftelungsregelung des § 5 BUrlG abgewichen wird(so ArbG München 11. Februar 2010 - 3 Ca 10454/09 -), kann dem nicht zugestimmt werden (zutreffend LAG München 29. Juli 2010 - 3 Sa 280/10 - Rn. 25 ff.). Entscheidend ist vielmehr, ob vom Fristenregime des BUrlG abgewichen oder zumindest durch die Differenzierung zwischen Mindest- und Mehrurlaub erkennbar gemacht wird, dass der Arbeitnehmer für den Mehrurlaub das Verfallsrisiko tragen soll.

29

Die Voraussetzungen einer solchen Abweichung sind im MTV Boden nicht erfüllt. Der MTV Boden regelt weder ein eigenständiges vom BUrlG abweichendes Fristenregime, noch lässt er erkennen, dass der Arbeitnehmer das Risiko der Inanspruchnahmemöglichkeit für den Mehrurlaub tragen soll.

30

(1) § 37 Abs. 1 MTV Boden wiederholt vorrangig die bereits im BUrlG bestimmte Befristung des Urlaubsanspruchs. Nach den Tarifregelungen muss der Urlaub - wie auch gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG - im Urlaubsjahr gewährt und genommen werden. Denn § 32 Abs. 1 MTV Boden bestimmt, dass jeder Mitarbeiter in jedem vom 1. Januar bis 31. Dezember laufenden Urlaubsjahr Anspruch auf Erholungsurlaub hat. Im Zusammenhang mit § 37 Abs. 1 MTV Boden lässt sich hieraus herleiten, dass der Urlaub im Kalenderjahr gewährt und genommen werden muss. Diese Bindung an das Kalenderjahr wird durch § 37 Abs. 1 MTV Boden bestätigt(vgl. zum gleichlautenden § 17d MTV Cockpit BAG 11. April 2006 - 9 AZR 523/05 - Rn. 20, AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 28 = EzA BUrlG § 7 Nr. 116). Danach verfällt „nicht genommener Erholungsurlaub“ am 31. März des folgenden Jahres. Das zeigt, dass der Erholungsurlaub im Urlaubsjahr genommen werden soll und allenfalls auf die ersten drei Monate des folgenden Jahres übertragen wird. Dies wird durch die Überschrift dieser Tarifnorm „Verfallen und Übertragung des Urlaubsanspruchs“ verdeutlicht.

31

(2) Auch der in § 37 Abs. 1 MTV Boden angeordnete Verfall nicht genommenen Urlaubs am 31. März des folgenden Jahres entspricht dem Fristenregime des § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG.

32

(3) Soweit die Tarifvertragsparteien für die Übertragung des Urlaubsanspruchs auf die ersten drei Monate des Folgejahres in Abweichung von § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG auf betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende rechtfertigende Gründe verzichtet haben, lässt dies nicht ausreichend ein eigenständiges abschließendes Fristenregime erkennen. Es wird lediglich, möglicherweise aus Praktikabilitätserwägungen, auf die ansonsten notwendige Prüfung der Übertragungsvoraussetzungen verzichtet. Eine solche Teilabweichung lässt nicht auf den Regelungswillen der Tarifvertragsparteien schließen, sich ansonsten vom Fristenregime des BUrlG lösen zu wollen, zumal sie hier den 31. März des Folgejahres aus der gesetzlichen Regelung des § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG übernommen haben.

33

(4) Zwar ordnet § 37 Abs. 1 MTV Boden über den Wortlaut in § 7 BUrlG hinaus ausdrücklich den Verfall des Urlaubsanspruchs an. Auch hieraus lässt sich kein eigenständiger Regelungswille der Tarifvertragsparteien folgern. Sie haben lediglich die Rechtsprechung des Senats zu § 7 BUrlG deklaratorisch übernommen. Danach verfällt der gemäß § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG auf das folgende Kalenderjahr übertragene und nicht bis zum 31. März des folgenden Jahres verwirklichte Urlaub mit Ablauf dieser Frist (so schon BAG 24. November 1987 - 8 AZR 140/87 - zu 2 der Gründe, BAGE 56, 340). Dasselbe gilt für die Regelung in § 37 Abs. 2 MTV Boden. Danach ist der vom Mitarbeiter erfolglos geltend gemachte Urlaub nachzugewähren. Dies entspricht der Rechtsprechung, nach der sich der Urlaubsanspruch gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB in einen Schadensersatzanspruch umwandelt, der auf Gewährung von Ersatzurlaub als Naturalrestitution gerichtet ist, wenn der Arbeitgeber den rechtzeitig verlangten Urlaub nicht gewährt und der Urlaub aufgrund seiner Befristung verfällt(BAG 11. April 2006 - 9 AZR 523/05 - Rn. 24, AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 28 = EzA BUrlG § 7 Nr. 116). Ein vom BUrlG in Ausprägung der Rechtsprechung des Senats abweichender Regelungswille der Tarifvertragsparteien ergibt sich deshalb nicht.

34

(5) Die Revision verweist ohne Erfolg auf § 36 Abs. 4 Satz 1 MTV Boden. Danach wird der Urlaub anteilig um Zeiten der Arbeitsbefreiung ohne Fortzahlung der Vergütung gekürzt. Die Kürzung sollte nur stattfinden, „sofern gesetzlich nichts anderes bestimmt ist“. Die Beklagte beruft sich insoweit zu Unrecht auf die Entscheidung des Senats vom 24. März 2009 (- 9 AZR 983/07 - Rn. 85, BAGE 130, 119). Dort hat der Senat zwar die Formulierung in einer kirchlichen Arbeits- und Vergütungsordnung (KAVO) „soweit gesetzlich nicht anderes geregelt ist“ zum Anlass genommen, eine Unterscheidung zwischen gesetzlichen und übergesetzlichen Ansprüchen anzunehmen. Allerdings betraf diese Gesetzesvorbehaltsregelung ausschließlich den ausdrücklich in der KAVO auch in den Fristen abweichend vom BUrlG geregelten Verfall des Urlaubsanspruchs. Damit wird deutlich, dass die KAVO ein eigenes Fristen- und Verfallsregime bestimmte und lediglich sonstige, zwingende gesetzliche Regelungen des BUrlG weiter Bestand haben sollten. Ein solches eigenständiges Fristenregime sowie eine darauf bezogene Gesetzesvorbehaltsregelung enthält die Verfallsregelung des MTV Boden in seinem § 37 gerade nicht.

35

(6) Soweit § 36 Abs. 3 MTV Boden bestimmt, dass dem Arbeitnehmer insgesamt nicht mehr als 12/12 des tariflichen Urlaubs zustehen soll, wenn er zu einer anderen Gesellschaft im DLH-Konzern wechselt, kann dies im Einzelfall von § 5 Abs. 1 BUrlG abweichen. Entgegen der Auffassung der Revision schließt dies einen Rückgriff auf die Verfallsregelungen des § 7 BUrlG nicht aus. Dazu genügen Abweichungen bei der Berechnung des Urlaubsanspruchs nicht.

36

5. Der Anspruch verfiel jedoch gemäß § 37 Abs. 1 MTV Boden und nach § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG spätestens zum 31. März 2009. Der wegen der mangelnden Möglichkeit der Inanspruchnahme infolge krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit über den Übertragungszeitraum des ersten Quartals des Folgejahres hinaus fortbestehende Urlaubsanspruch unterfällt, sobald die Arbeitsunfähigkeit als Erfüllungshindernis des Urlaubsanspruchs wegfällt, erneut dem gesetzlichen oder tarifvertraglichen Fristenregime.

37

a) Der im Vorjahr wegen Arbeitsunfähigkeit nicht erfüllbare Urlaubsanspruch wird nach § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG bei einem in der Person des Arbeitnehmers liegenden Grund automatisch übertragen. Er tritt dem am 1. Januar des Folgejahres nach § 4 BUrlG entstehenden neuen Urlaubsanspruch mit der Maßgabe hinzu, dass er nach § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG bis zum 31. März des Folgejahres gewährt und genommen werden muss (Gaul/Bonanni/Ludwig DB 2009, 1013; Düwell dbr 8/2009 S. 9). Ist ein Urlaubsanspruch ausnahmsweise bis zum Ende des Übertragungszeitraums wegen Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers nicht erfüllbar, kann zwar nach der - unionsrechtlich bedingt - reformierten Rechtsprechung des Senats der Verfall des Urlaubsanspruchs nicht eintreten. Sowohl für den übertragenen als auch für den neu entstandenen Urlaubsteilanspruch gelten dann aber die in § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG bestimmte Bezugsdauer bis zum 31. Dezember als auch die in einer Art perpetuierendem System eingreifenden Übertragungsregeln aus § 7 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 BUrlG; denn an diesen Befristungen des Urlaubsanspruchs ist für den Regelfall der möglichen Inanspruchnahme festzuhalten (AnwK-ArbR/Düwell 2. Aufl. § 7 BUrlG Rn. 91; dem folgend: LAG München 30. November 2010 - 6 Sa 684/10 - Rn. 30). Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

38

aa) § 7 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 BUrlG erfasst nicht nur den Urlaubsanspruch des laufenden Jahres(so aber Bauer/Arnold NJW 2009, 631). Nach dem Wortlaut des § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG muss der Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Die Vorschrift beschränkt ihren Regelungsbereich deshalb nicht auf den für das „laufende Jahr“ entstandenen Urlaub. Sie regelt vielmehr jeden bestehenden gesetzlichen Mindesturlaub. Auch der wegen Arbeitsunfähigkeit fortbestehende Urlaubsanspruch ist gesetzlicher Urlaub im Sinne des BUrlG. Dieser muss im laufenden Kalenderjahr (dem Jahr seines Bestehens) gewährt und genommen werden.

39

bb) Auch aus der Rechtsprechung des EuGH folgt nicht, dass § 7 Abs. 3 BUrlG auf wegen Arbeitsunfähigkeit nicht verfallene Urlaubsansprüche keine Anwendung finden darf(so fälschlich Picker ZTR 2009, 230). Der EuGH hat vielmehr ausdrücklich bestätigt, dass Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die den Verlust des Urlaubsanspruchs am Ende eines Bezugszeitraums oder eines Übertragungszeitraums bestimmt, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich die Möglichkeit hatte, den Urlaub zu nehmen ( EuGH 20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06  - [Schultz-Hoff] Rn. 42, Slg. 2009, I-179). Deshalb kann der Urlaub in den folgenden Urlaubsjahren verfallen, wenn der Arbeitnehmer ihn nicht rechtzeitig genommen hat und er nicht an der Urlaubsnahme wegen Arbeitsunfähigkeit gehindert war.

40

b) Der Kläger hätte seinen Resturlaubsanspruch aus 2007 nach Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit ab Mai 2008 nehmen können. Es war deshalb Verfall spätestens zum 31. März 2009 eingetreten. Die Beklagte befand sich jedoch seit August 2008 mit der Urlaubsgewährung in Verzug, da der Kläger zuvor spätestens mit der ihr am 10. August 2008 zugestellten Klage seine Urlaubsansprüche erfolglos geltend gemacht hatte. Das begründet einen entsprechenden Ersatzurlaubsanspruch des Klägers aus Verzug.

41

III. Die Beklagte hat für den verfallenen Urlaub Ersatz nach § 249 Abs. 1 BGB zu leisten, weil sie sich gemäß § 286 BGB im Schuldnerverzug befand, als der Anspruch auf den restlichen tariflichen Mehrurlaub unterging.

42

B. Die Beklagte hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

        

    Düwell    

        

    Suckow    

        

    Krasshöfer    

        

        

        

    D. Wege    

        

    Leitner    

                 

Tenor

Die Revisionen der Revisionsklägerinnen zu 2. bis 7. gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 3. Mai 2011 - 3 Sa 1432/10 - werden zurückgewiesen.

Die bis zur Rücknahme der Revision des Revisionsklägers zu 1. entstandenen Kosten des Revisionsverfahrens haben die Revisionskläger zu 1. bis 7. zu je einem Siebtel zu tragen, die danach entstandenen Kosten haben die Revisionsklägerinnen zu 2. bis 7. zu je einem Sechstel zu tragen.

Tatbestand

1

Nachdem der Revisionskläger zu 1. seine Revision zurückgenommen hat, machen im Revisionsverfahren nur die Revisionsklägerinnen zu 2. bis 7. (künftig: Klägerinnen) das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zum Beklagten geltend.

2

Der Beklagte ist Mitglied des Caritasverbandes. Auf seine Vertragsarbeitnehmer wendet er die Allgemeinen Arbeitsbedingungen der Caritas (künftig: AVR Caritas) an. Er beschäftigt über 400 Arbeitnehmer.

3

Zum 1. Februar 2005 gründete der Beklagte die C GmbH (künftig: C) in F. Er ist ihr einziger Gesellschafter. Einen wesentlichen Teil der Geschäftstätigkeit der C macht die Arbeitnehmerüberlassung aus. Sie erfolgt - nach dem Vortrag des Beklagten „bislang“ - nur an den Beklagten. Es werden keine Arbeitnehmer überlassen, die vorher für den Beklagten tätig waren. Neben der Arbeitnehmerüberlassung ist die C noch an zwei Standorten in N und M tätig. Dort betreibt sie mit eigenen Arbeitnehmern Anlagenpflege, Dienstleistungs- und Montagearbeiten sowie eine Gaststätte. Zum 10. März 2010 beschäftigte die C 235 Mitarbeiter auf insgesamt umgerechnet 143,5 Vollzeitstellen. Bei ihr besteht ein Betriebsrat. Sie ist im Besitz einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis. Die C wendet die tarifvertraglichen Bestimmungen an, die zwischen dem Bundesverband Zeitarbeit und der DGB-Tarifgemeinschaft Zeitarbeit abgeschlossen wurden. Sie sind in der Regel für die Arbeitnehmer ungünstiger als die AVR Caritas.

4

Zu den von der C an den Beklagten überlassenen Arbeitnehmern gehören auch die Klägerinnen. Ihre Arbeitsverhältnisse wurden zunächst befristet abgeschlossen, jedoch später entfristet. Das Arbeitsverhältnis der Revisionsklägerin zu 2. begann am 2. Januar 2006, das der Revisionsklägerin zu 3. am 1. August 2006, das der Revisionsklägerin zu 4. am 1. Juli 2006, das der Revisionsklägerin zu 5. am 1. Juli 2005, das der Revisionsklägerin zu 6. am 1. September 2006 und das der Revisionsklägerin zu 7. am 1. August 2007.

5

Die Klägerinnen haben die Ansicht vertreten, zwischen ihnen und dem Beklagten sei ein Arbeitsverhältnis entstanden. Der Beklagte habe die C letztlich nur als „Strohmann“ eingesetzt. Deshalb sei unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs bzw. unter entsprechender Anwendung von § 10 AÜG ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien zustande gekommen.

6

Vor dem Arbeitsgericht haben die Klägerinnen in ihren Klageschriften als Antrag zu 1. den Antrag angekündigt, festzustellen, dass zwischen ihnen und dem Beklagten seit dem jeweils genannten Zeitpunkt des mit der C geschlossenen Arbeitsvertrags ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht. Nach dem Sitzungsprotokoll haben die klagenden Parteien vor dem Arbeitsgericht im Kammertermin jeweils den Antrag zu 1. aus den Klageschriften gestellt. Im Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils sind die Anträge ohne die Daten des Beginns des Arbeitsverhältnisses wiedergegeben. Das Arbeitsgericht hat die Klagen abgewiesen.

7

Im Berufungsverfahren haben die Klägerinnen - in der Sache - zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass zwischen den Klägerinnen einerseits und dem Beklagten andererseits ein Arbeitsverhältnis besteht.

8

Der Beklagte hat beantragt, die Klagen abzuweisen.

9

Er hat behauptet, die C sei nicht nur Zahlstelle, sondern verwalte die Arbeitsverhältnisse tatsächlich. Sie verfüge auch über eine entsprechende betriebliche Organisation. Ein Fall des Rechtsmissbrauchs liege nicht vor.

10

Das Landesarbeitsgericht hat die Berufungen der Klägerinnen nach mündlicher Verhandlung am 3. Mai 2011 zurückgewiesen.

11

Mit ihrer Revision verfolgen die Klägerinnen den vor dem Landesarbeitsgericht gestellten Antrag weiter.

12

Während des Revisionsverfahrens hat der Beklagte mit den Klägerinnen zu verschiedenen Zeitpunkten, jedoch jeweils zu Ende Oktober 2011 einen Arbeitsvertrag geschlossen. Die Klägerinnen machen geltend, dass sich hierdurch ihre Anträge nicht erledigt haben. Diese seien dahin zu verstehen, dass das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses bereits ab Abschluss des Arbeitsvertrags festgestellt werden solle. Daran bestehe schon deshalb ein rechtliches Interesse, da ihnen in diesem Fall Vergütungsdifferenzen für die Vergangenheit zustünden. Der Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufungen der Klägerinnen zu Recht zurückgewiesen. Streitgegenstand des Urteils des Landesarbeitsgerichts und Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Frage, ob zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht, also am 3. Mai 2011, zwischen den Klägerinnen und dem Beklagten ein Arbeitsverhältnis bestand. Für diesen Antrag besteht weiterhin ein rechtliches Interesse. Er ist unbegründet.

14

A. Gegenstand des Berufungs- und des Revisionsverfahrens ist nicht, ob schon mit dem Abschluss der Arbeitsverträge zwischen den Klägerinnen und der C ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien entstanden ist, sondern lediglich, ob ein solches zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 3. Mai 2011 bestand. Für den so ausgelegten Antrag besteht weiterhin ein Feststellungsinteresse.

15

I. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Streitgegenstand, wie er der Entscheidung des Berufungsgerichts zugrunde lag. Streitgegenstand im Berufungsverfahren war allein der Antrag auf Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses, den das Landesarbeitsgericht bezogen auf die letzte mündliche Verhandlung im Berufungsverfahren zu entscheiden hatte und entschied. Dass die Klägerinnen im Berufungsverfahren keinen auf die Vergangenheit bezogenen Antrag gestellt haben, ergibt die Auslegung ihres Antrages.

16

1. Für die Auslegung von Prozesserklärungen - und damit auch der Antragstellung - sind die für Willenserklärungen des bürgerlichen Rechts entwickelten Grundsätze heranzuziehen. Daher ist analog § 133 BGB nicht am buchstäblichen Sinn des in der Prozesserklärung gewählten Ausdrucks zu haften, sondern der in der Erklärung verkörperte Wille anhand der erkennbaren Umstände - gegebenenfalls in einer Gesamtbetrachtung mehrerer gleichzeitiger Erklärungen - zu ermitteln. Die Prozesspartei darf nicht am buchstäblichen Sinn ihrer Wortwahl festgehalten werden. Vielmehr sind Prozesserklärungen im Zweifel so auszulegen, dass dasjenige gewollt ist, was aus der Sicht der Prozessparteien nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht. Daneben sind aber auch die schutzwürdigen Belange des Erklärungsadressaten zu berücksichtigen. Das verbietet es, eindeutigen Erklärungen nachträglich einen Sinn zu geben, der dem Interesse des Erklärenden am Besten dient (vgl. zum Ganzen: BAG 22. Dezember 2009 - 3 AZN 753/09 - Rn. 12, BAGE 133, 28). Daher kann es geboten sein, rechtskundige Prozessvertreter auch am Wortlaut ihrer Erklärungen festzuhalten (vgl. BAG 21. Februar 2013 - 6 AZR 524/11 - Rn. 36 mwN). Das Revisionsgericht ist befugt, prozessuale Willenserklärungen selbständig auszulegen (vgl. BAG 22. Dezember 2009 - 3 AZN 753/09 - Rn. 11 f., aaO).

17

2. Dass die Klägerinnen im Berufungsverfahren - entsprechend dem Wortlaut des gestellten Antrages - keinen auf den Zeitpunkt des Abschlusses ihrer Arbeitsverträge mit der C abstellenden, vergangenheitsbezogenen, sondern ausschließlich einen gegenwartsbezogenen Feststellungsantrag gestellt - und damit der Sache nach nur beschränkt Berufung eingelegt - haben, ergibt schon ein Vergleich zu ihrem erstinstanzlich gestellten Antrag. Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht wurde der jeweilige Antrag zu 1. der Klageschrift gestellt. Dort sind die entsprechenden Daten der Arbeitsverträge mit der C ausdrücklich genannt. Dass der Antrag im Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils abweichend wiedergegeben ist, ist unschädlich. Bei Widersprüchen zwischen Tatbestand und Protokoll geht das Protokoll vor (§ 314 ZPO). Diesen ausdrücklich gestellten Klageantrag haben die Klägerinnen aber nicht mehr zum Gegenstand des Berufungsverfahrens gemacht. Zwar mag es im Interesse der Klägerinnen gelegen haben, auch den genauen Beginn ihres Arbeitsverhältnisses feststellen zu lassen. Das führt aber vorliegend nicht zwingend zu einem entsprechenden Verständnis des Antrages. Vielmehr ging dieser ersichtlich in erster Linie dahin, das gegenwärtige Bestehen eines Arbeitsverhältnisses mit dem Beklagten feststellen zu lassen. Das gebietet es - auch vor dem Hintergrund des berechtigten Interesses des Beklagten -, den in der Berufungsinstanz von rechtskundigen Prozessvertretern gestellten Antrag entsprechend seinem Wortlaut zu verstehen. Dementsprechend hat auch das Landesarbeitsgericht den Antrag ersichtlich, ohne dies allerdings näher auszuführen, zu Recht ausschließlich als gegenwartsbezogenen Antrag erachtet.

18

II. Der Antrag ist zulässig. Insbesondere haben die Klägerinnen weiterhin ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung. Dem steht nicht entgegen, dass sie sämtlich während des Revisionsverfahrens einen Arbeitsvertrag mit dem Beklagten geschlossen haben.

19

1. Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn die klagende Partei ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Das besondere Feststellungsinteresse ist eine in jedem Stadium des Rechtsstreits von Amts wegen zu prüfende Sachurteilsvoraussetzung. Es muss noch in der Revisionsinstanz gegeben sein (BAG 22. Februar 2012 - 4 AZR 579/10 - Rn. 16 mwN). Ein derartiges Interesse besteht grundsätzlich, wenn im Zusammenhang mit Arbeitnehmerüberlassung der Leiharbeitnehmer - wie hier - geltend machen will, es sei zum Entleiher ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen. Diese Feststellungsklage muss grundsätzlich den gegenwärtigen Stand des Rechtsverhältnisses betreffen. Es kann ausnahmsweise auch auf eine Feststellung für die Vergangenheit angetragen werden, wenn sich aus der begehrten Feststellung noch Rechtsfolgen für die Gegenwart oder Zukunft ergeben können (vgl. BAG 10. Oktober 2007 - 7 AZR 448/06 - Rn. 21 mwN).

20

2. Durch die Revision der Klägerinnen ist dem Senat der vom Landesarbeitsgericht beschiedene Streitgegenstand angefallen. Dieser besteht in der - zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht, also am 3. Mai 2011, gegenwartsbezogenen - Frage, ob zu diesem Zeitpunkt ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestand. Im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats lag damit ein auf die Vergangenheit, nämlich den 3. Mai 2011 bezogener Klageantrag vor. Trotz des Vergangenheitsbezugs haben die Klägerinnen an der begehrten Feststellung weiterhin ein berechtigtes Interesse, da sich aus ihr noch Rechtsfolgen für die Gegenwart und Zukunft, insbesondere auch für mögliche Ansprüche der Klägerinnen auf Vergütungsdifferenzen ergeben können. Das Feststellungsinteresse ist auch nicht deshalb entfallen, weil die Parteien während des Revisionsverfahrens einen Arbeitsvertrag geschlossen haben. Zum einen ist damit das Bestehen von Ansprüchen der Klägerinnen für die Zeit vor dem Abschluss der Arbeitsverträge mit dem Beklagten nicht geklärt. Zum anderen können auch Ansprüche aus den nunmehr vertraglich zwischen den Parteien begründeten Arbeitsverhältnissen von der Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses und damit von dessen vorhergehendem Bestehen abhängen (vgl. dazu BAG 18. Februar 2003 - 3 AZR 160/02 - zu A II der Gründe, BAGE 105, 59).

21

B. Die Klage ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass zwischen den Parteien bis zum 3. Mai 2011 kein Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist. Die Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien folgt weder aus § 1 Abs. 2 AÜG noch aus der unmittelbaren oder entsprechenden Anwendung von § 10 Abs. 1 AÜG. Auch unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) gilt nichts anderes.

22

I. Zwischen den Parteien ist kein Arbeitsverhältnis aufgrund § 1 Abs. 2 AÜG(idF der Bekanntmachung vom 3. Februar 1995, BGBl. I S. 158, seinerzeit zuletzt geändert durch die am 30. April 2011 in Kraft getretenen Regelungen des Ersten Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes - Verhinderung von Missbrauch der Arbeitnehmerüberlassung vom 28. April 2011, BGBl. I S. 642, im Folgenden: Missbrauchsverhinderungsgesetz) zustande gekommen. Nach dieser Regelung, die zum hier maßgeblichen Zeitpunkt, also am 3. Mai 2011, anwendbar war, wird vermutet, dass der Überlassende Arbeitsvermittlung betreibt, wenn er Arbeitnehmer Dritten zur Arbeitsleistung überlässt und nicht die üblichen Arbeitgeberpflichten oder das Arbeitgeberrisiko, einschließlich der Anwendung des „equal-pay“-Grundsatzes (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 AÜG) übernimmt. Selbst dann, wenn nach dieser Vorschrift Arbeitsvermittlung vermutet wird, ist sie nicht geeignet, ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher zu begründen. Zwar enthielt § 13 AÜG früher eine Regelung, nach der in Fällen unzulässiger Arbeitsvermittlung „die arbeitsrechtlichen Ansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber dieses Arbeitsverhältnisses“ nicht durch Vereinbarung ausgeschlossen werden konnten. Dieser Vorschrift entnahm das Bundesarbeitsgericht, dass in einem solchen Falle ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher zustande komme. § 13 AÜG in dieser Fassung wurde jedoch durch Art. 63 Nr. 9 des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes vom 24. März 1997 (BGBl. I S. 594) mit Wirkung vom 1. April 1997 ersatzlos aufgehoben. Das hat zur Folge, dass eine nach dem AÜG vermutete Arbeitsvermittlung für sich genommen nicht mehr zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher führt (ausführlich BAG 28. Juni 2000 - 7 AZR 100/99 - BAGE 95, 165; ebenso 2. Juni 2010 - 7 AZR 946/08 - Rn. 31; aA Ulber AÜG 4. Aufl. Einl. D Rn. 45, 56 ff.).

23

II. Ein Arbeitsverhältnis ist auch weder in unmittelbarer noch in entsprechender Anwendung von § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG zustande gekommen. Das scheitert schon daran, dass ein gegen das AÜG verstoßendes Verhalten nicht vorliegt.

24

1. In dem im Streitfall maßgeblichen Zeitraum, also in der Zeit vor dem 3. Mai 2011, hatte der Gesetzgeber bewusst darauf verzichtet, im AÜG eine zeitliche Begrenzung für die Höchstdauer der Arbeitnehmerüberlassung vorzusehen. Das ergibt sich aus der Neukonzeption des Rechts der Arbeitnehmerüberlassung, die der Gesetzgeber mit dem Ersten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (vom 23. Dezember 2002, verkündet am 30. Dezember 2002, BGBl. I S. 4607, nach seinem Art. 14 im Wesentlichen in Kraft getreten am 1. Januar 2003 - im Folgenden: Erstes Dienstleistungsgesetz) vorgenommen hatte. Während das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz in der bis dahin geltenden Fassung (seinerzeit zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. Juli 2002, BGBl. I S. 2787, berichtigt S. 3760) in § 3 Abs. 1 Nr. 6 noch eine Höchstüberlassungsdauer von 24 aufeinander folgenden Monaten vorsah, wurde diese Bestimmung durch Art. 6 Nr. 3 Buchst. b des Ersten Dienstleistungsgesetzes aufgehoben. Das war Teil eines Gesamtkonzeptes, mit dem der Gesetzgeber einerseits durch die Einführung eines - tarifdispositiven - grundsätzlichen Gebots der Gleichbehandlung von entliehenen Arbeitnehmern mit der Stammbelegschaft den Schutz der Leiharbeitnehmer erhöhte, andererseits aber die Arbeitnehmerüberlassung „folgerichtig von all denjenigen Regelungen“ befreite, „die bisher als Schutzmaßnahmen notwendig waren, weil Leiharbeit aufgrund des Zusammentreffens hoher Flexibilitätsanforderungen mit relativ geringen Entgelten vielfach als prekär angesehen werden musste“ (BT-Drucks. 15/25 S. 24). Zu diesen Regelungen rechnete er auch die Beschränkung der Überlassungsdauer (aaO S. 39). Damit war klar, dass künftig eine unbeschränkte Überlassung von Arbeitnehmern zulässig sein sollte. Zwar hat der Gesetzgeber durch Art. 1 Nr. 2 Buchst. a bb) des Missbrauchsverhinderungsgesetzes als § 1 Abs. 1 Satz 2 in das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz eine Regelung eingefügt, wonach die Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher „vorübergehend“ erfolgt. Diese Bestimmung trat nach Art. 2 des Missbrauchsverhinderungsgesetzes jedoch erst am 1. Dezember 2011 und damit nach dem hier maßgeblichen Zeitraum in Kraft.

25

2. Die Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit (ABl. EU L 327 vom 5. Dezember 2008 S. 9 ff. - künftig: Leiharbeitsrichtlinie) gebietet kein anderes Ergebnis. Allerdings geht diese Richtlinie in Art. 1 Abs. 1 sowie Art. 3 Abs. 1 Buchst. b, c, d und e davon aus, dass Leiharbeitnehmer dem entleihenden Unternehmen überlassen werden, um dort „vorübergehend“ zu arbeiten. Den Mitgliedstaaten wurde in Art. 11 Abs. 1 Satz 1 der Leiharbeitsrichtlinie jedoch eine Umsetzungsfrist bis zum 5. Dezember 2011 gelassen. Diese Frist war bis zum Ende des hier maßgeblichen Zeitraums noch nicht abgelaufen. Die gesetzlichen Regeln, wonach eine unbefristete Überlassung möglich war, waren daher bis dahin ohne Weiteres unionsrechtskonform.

26

III. Entgegen der Auffassung der Klägerinnen ist auch unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs zwischen den Parteien bis zum 3. Mai 2011 kein Arbeitsverhältnis zustande gekommen.

27

1. Der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) als Gebot der Redlichkeit und allgemeine Schranke der Rechtsausübung beschränkt sowohl subjektive Rechte als auch Rechtsinstitute und Normen. Rechtsmissbrauch setzt voraus, dass ein Vertragspartner eine an sich rechtlich mögliche Gestaltung in einer mit Treu und Glauben unvereinbaren Weise nur dazu verwendet, sich zum Nachteil des anderen Vertragspartners Vorteile zu verschaffen, die nach dem Zweck der Norm und des Rechtsinstituts nicht vorgesehen sind. Beim institutionellen Missbrauch ergibt sich der Vorwurf bereits aus dem Sinn und Zweck des Rechtsinstituts. Die institutionelle Rechtsmissbrauchskontrolle verlangt daher weder ein subjektives Element noch eine Umgehungsabsicht (vgl. BAG 18. Juli 2012 - 7 AZR 443/09 - Rn. 38). Die Annahme eines institutionellen Rechtsmissbrauchs bedarf jedoch des Rückbezugs auf die Gestaltungsmöglichkeiten, die das Recht den Vertragsparteien einräumt. Vertragsgestaltungen können nur dann als rechtsmissbräuchlich angesehen werden, wenn sie gravierend von den Gestaltungsmöglichkeiten abweichen, die nach der Konzeption des Gesetzes noch gebilligt sind (vgl. hierzu auch BAG 18. Juli 2012 - 7 AZR 443/09 - Rn. 41).

28

2. Hiernach liegt im Streitfall selbst dann kein Fall des institutionellen Rechtsmissbrauchs vor, wenn der Einsatz der Klägerinnen beim Beklagten in einer mehr als vorübergehenden Überlassung bestanden haben sollte.

29

a) Ein Missbrauch der Gestaltungsmöglichkeiten des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes liegt nicht vor.

30

aa) Nach der im hier maßgeblichen Zeitraum vor dem 3. Mai 2011 noch geltenden Rechtslage war auch eine zeitlich unbegrenzte Arbeitnehmerüberlassung kraft gesetzlicher Konzeption zulässig (oben Rn. 24 f.).

31

bb) Jedenfalls vor Ablauf der Umsetzungsfrist der Leiharbeitsrichtlinie besteht auch keine Pflicht der nationalen Gerichte, die gesetzgeberische Entscheidung über die Zulässigkeit einer zeitlich nicht begrenzten Arbeitnehmerüberlassung unter dem Gesichtspunkt des institutionellen Rechtsmissbrauchs zu korrigieren. Auf eine „Vorwirkung“ der Leiharbeitsrichtlinie können sich die Klägerinnen nicht stützen. Zwar sind auch die nationalen Gerichte im Rahmen ihrer Zuständigkeit an die in Art. 288 Abs. 3 AEUV enthaltene Umsetzungspflicht gebunden, nach der Richtlinien hinsichtlich des Ziels für die Mitgliedstaaten verbindlich sind, ihnen jedoch die Wahl der dazu erforderlichen Mittel überlassen wird(vgl. EuGH 17. September 1997 - C-54/96 - [Dorsch Consult] Rn. 43, Slg. 1997, I-4961). Eine Verpflichtung zur Umsetzung einer Richtlinie besteht jedoch lediglich im Rahmen der Richtlinie und damit auch der dort vorgesehenen Umsetzungsfrist (vgl. BAG 2. April 1996 - 1 ABR 47/95 - zu B II 2 b bb (2) der Gründe, BAGE 82, 349). Die Mitgliedstaaten und ihre Gerichte sind lediglich gehindert, Maßnahmen zu treffen, die geeignet sind, das in der Richtlinie vorgegebene Ziel ernsthaft in Frage zu stellen (vgl. EuGH 18. Dezember 1997 - C-129/96 - [Inter-Environnement Wallonie] Rn. 45, Slg. 1997, I-7411).

32

b) Auch unter dem Gesichtspunkt der Umgehung sonstiger Schutzvorschriften liegt hier kein Fall des institutionellen Rechtsmissbrauchs vor, der das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Klägerinnen und dem Beklagten gebieten würde.

33

aa) Sollen durch eine vertragliche Gestaltung zwingende soziale Schutzrechte umgangen werden, bleiben die daraus bestehenden Ansprüche bestehen. Die Gestaltung ist insoweit nichtig, als sie diese Ansprüche vereitelt (vgl. BGH 23. Juni 1971 - VIII ZR 166/70 - zu III der Gründe, BGHZ 56, 285). Ein Rechtsmissbrauch kann sich auch aus dem bewussten und gewollten Zusammenwirken mehrerer Personen bei den Vertragsgestaltungen ergeben (vgl. BAG 9. März 2011 - 7 AZR 657/09 - Rn. 21; 18. Juli 2012 - 7 AZR 443/09 - Rn. 39). Das kann auch dazu führen, dass sich Rechte, die durch Zwischenschaltung eines „Strohmanns“ umgangen werden sollen, gegen einen Dritten richten können (vgl. BGH 22. November 2006 - VIII ZR 72/06 - Rn. 15 ff., BGHZ 170, 67). Sollen im bewussten und gewollten Zusammenwirken arbeitsrechtliche Schutzvorschriften umgangen werden, kann dies zur Folge haben, dass sich eine hieran beteiligte Person so behandeln lassen muss, wie sie bei Anwendung der umgangenen Vorschrift zu behandeln wäre (vgl. dazu BAG 20. Juli 1982 - 3 AZR 446/80 - zu 3 b und d der Gründe, BAGE 39, 200). Hieraus folgt freilich nicht zwingend, dass das Vertragsverhältnis zu dem dazwischen geschalteten Dritten nichtig wäre (vgl. BGH 12. Dezember 2012 - VIII ZR 89/12 - Rn. 15). Die Rechtsfolge kann vielmehr auch darin bestehen, dass sich bei Aufrechterhaltung des Vertragsverhältnisses zum Dritten nur einzelne Ansprüche gegen denjenigen richten, der rechtsmissbräuchlich vertragliche Beziehungen zu sich verhindert hat. Entscheidend sind der Schutzzweck der umgangenen Norm und die Frage, ob die Umgehung gerade in der Verhinderung der gesetzlich an sich vorgesehenen Begründung eines Rechtsverhältnisses zu einem Dritten insgesamt oder lediglich in der Vermeidung oder Verkürzung einzelner Ansprüche liegt.

34

bb) Danach kann hier auch unter dem Gesichtspunkt der Umgehung der beim Beklagten anzuwendenden Arbeitsbedingungen kein zur Entstehung eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien führender Rechtsmissbrauch durch ein Ausweichen auf Arbeitnehmerüberlassung angenommen werden (für die grundsätzliche Zulässigkeit einer derartigen Gestaltung: Melms/Lipinski BB 2004, 2409, 2415; Willemsen/Annuß BB 2005, 437; dagegen insbesondere Brors/Schüren BB 2004, 2745; Düwell/Dahl DB 2009, 1070, 1074). Denn selbst wenn davon auszugehen wäre, dass vorliegend in rechtsmissbräuchlicher Weise eine Anwendung der beim Beklagten geltenden Arbeitsbedingungen umgangen werden sollte, könnte dies allenfalls zu Leistungspflichten des Entleihers, jedoch nicht zum Entstehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen ihm und dem Leiharbeitnehmer führen.

35

Auch unter dem Gesichtspunkt der Umgehung von Kündigungsschutzvorschriften ist zwischen den Klägerinnen und dem Beklagten kein Arbeitsverhältnis entstanden. Dies gilt auch dann, wenn die C - wovon im Streitfall auszugehen sein dürfte - Arbeitnehmer ausschließlich an den Beklagten verlieh. Dabei mag zugunsten der Klägerinnen angenommen werden, dass sich die kündigungsrechtliche Absicherung von Leiharbeitnehmern - zumindest tatsächlich - dann als geringer darstellt, wenn der Verleiher seine Leiharbeitnehmer sämtlich ausschließlich an einen Entleiher überlässt und demzufolge die Gefahr besteht, dass im Falle der Beendigung des Überlassungsvertrags zwischen Verleiher und Entleiher die Beschäftigungsmöglichkeit für sämtliche Leiharbeitnehmer entfällt (vgl. zu diesem Gedanken ausführlich: Däubler AiB 2008, 524, 525; ebenso: Schüren BB 2007, 2346, 2349). Dieser Umstand rechtfertigt es allein jedoch nicht, unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs das Vertragsverhältnis zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer als nichtig zu erachten und ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher anzunehmen. Zum einen ist die Gefährdung ihrer Arbeitsplätze für Arbeitnehmer auch sonst - also unabhängig von der Arbeitnehmerüberlassung - immer dann erhöht, wenn ihr Arbeitgeber ausschließlich Aufträge nur eines Auftraggebers ausführt. Zum anderen bleibt den Leiharbeitnehmern jedenfalls der aus § 1 Abs. 3 KSchG folgende Schutz in all den Fällen erhalten, in denen der Entleiher den Überlassungsvertrag nicht insgesamt beendet, sondern lediglich in seinem Umfang reduziert.

36

IV. Soweit der Senat vorgehend Unionsrecht angewandt hat, ist dessen Inhalt aufgrund des Wortlauts der Leiharbeitsrichtlinie und der zitierten Entscheidungen hinreichend klar. Eine Pflicht, nach Art. 267 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen, besteht nicht(vgl. EuGH 6. Oktober 1982 - Rs. 283/81 - [C.I.L.F.I.T.] Slg. 1982, 3415).

37

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, § 100 Abs. 1, §§ 565, 516 Abs. 3 ZPO.

        

    Linsenmaier    

        

    Schmidt    

        

    Zwanziger    

        

        

        

    Linsenmaier    

        

    M. Zwisler    

                 

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 7. September 2012 - 6 Sa 709/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe des jährlichen Urlaubsanspruchs.

2

Die Beklagte stellt Schuhe her. Die am 10. April 1960 geborene Klägerin ist bei ihr seit dem 1. Juli 1994 als Produktionsmitarbeiterin beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 13. November 2000 ist ua. vereinbart, dass der jährliche Urlaubsanspruch 34 Arbeitstage beträgt. Die Beklagte gewährt allen Arbeitnehmern, die das 58. Lebensjahr vollendet haben, 36 Arbeitstage Jahresurlaub, ohne dass individuelle Vereinbarungen über einen höheren Jahresurlaub vorliegen. Die übrigen Beschäftigten erhalten jährlich 34 Urlaubstage.

3

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Urlaubsregelung sei altersdiskriminierend. Die Behauptung, ältere Mitarbeiter benötigten im Produktionsbetrieb längere Erholungsphasen, sei durch die darlegungsbelastete Beklagte nicht dargetan. Das Bundesurlaubsgesetz stelle bezüglich der Dauer des Urlaubs weder auf die physische Belastung noch auf das Alter der Arbeitnehmer ab. Die Beklagte habe keinen Grund genannt, warum ein gesteigertes Erholungsbedürfnis ausgerechnet mit 58 Jahren eintrete. Zudem könne mit lediglich zwei zusätzlichen Urlaubstagen ein etwaiger höherer Erholungsbedarf nicht ausgeglichen werden. Bei einem stetig steigenden Erholungsbedarf müsste jedenfalls auch die Urlaubsdauer gestaffelt werden. Bei anderen Arbeitnehmergruppen sei ein erhöhter Erholungsbedarf nachvollziehbar. Diese würden jedoch nicht begünstigt. So seien jüngere Arbeitnehmer durch Familie und Beruf oftmals stärker beansprucht als ältere. Die Beklagte habe ihr zur Beseitigung der Diskriminierung jährlich zwei weitere Urlaubstage zu gewähren.

4

Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt

        

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr 36 Arbeitstage Erholungsurlaub zu gewähren.

5

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, ihre Urlaubsregelung beinhalte keine Diskriminierung. Nach der Lebenserfahrung benötigten ältere Arbeitnehmer, die körperlich ermüdende und schwere Arbeiten verrichten, längere Erholungszeiten als jüngere. Zwei zusätzliche Urlaubstage seien angemessen.

6

Das Arbeitsgericht hat die Klage - soweit für die Revision von Bedeutung - abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Feststellungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass die Beklagte nicht verpflichtet ist, der Klägerin auch schon vor der Vollendung der 58. Lebensjahres insgesamt 36 Arbeitstage Erholungsurlaub pro Jahr zu gewähren.

8

I. Die Klage ist in der gebotenen Auslegung zulässig, insbesondere besteht das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.

9

1. Der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit einer Klage, mit der ein Arbeitnehmer den Umfang des ihm zustehenden Urlaubs gerichtlich festgestellt wissen will, nicht entgegen (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 9, BAGE 141, 73; 12. April 2011 - 9 AZR 80/10 - Rn. 13 ff., BAGE 137, 328).

10

2. Die am 10. April 1960 geborene Klägerin hat ein rechtlich anerkennenswertes Interesse daran, alsbald zu erfahren, ob ihr bereits vor der Vollendung ihres 58. Lebensjahres zwei weitere Urlaubstage pro Jahr zustehen. Ihr Antrag bezieht sich dem Wortlaut nach zwar auf den gesamten Jahresurlaub. Er kann jedoch so ausgelegt werden, dass er sich nur auf zwei weitere Urlaubstage im Kalenderjahr bezieht. Zwischen den Parteien besteht kein Streit, dass der Klägerin die vertraglich vereinbarten 34 Urlaubstage pro Jahr zustehen. Die Klägerin hat im Laufe des Verfahrens deutlich gemacht, dass der Antrag auf die Feststellung des Bestehens zweier zusätzlicher Urlaubstage gerichtet ist. Darüber hinaus hat das Landesarbeitsgericht den Klageantrag zutreffend so verstanden, dass er vergangene Urlaubsjahre nicht erfasst. Es handelt sich um einen gegenwartsbezogenen Feststellungsantrag, für dessen Entscheidung grundsätzlich auf die Sachlage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht abzustellen ist (vgl. BAG 15. Mai 2013 - 7 AZR 494/11 - Rn. 15 ff.).

11

II. Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen vor Vollendung ihres 58. Lebensjahres nicht gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 iVm. § 7 Abs. 1 und Abs. 2 AGG zwei weitere Urlaubstage zu. Die Urlaubsregelung ist nicht gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam und führt somit bezüglich der Dauer des Urlaubs der Klägerin nicht zu einer „Anpassung nach oben“(siehe dazu BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 27 ff., BAGE 141, 73; vgl. aber auch BAG 14. Mai 2013 - 1 AZR 44/12 - Rn. 25, BAGE 145, 113).

12

1. Es liegt zwar eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor. Diese ist jedoch gemäß § 10 Satz 1, 2 und Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt.

13

a) Nach § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Unter Alter iSd. § 1 AGG ist das Lebensalter zu verstehen. Dies folgt aus dem Wortlaut des Gesetzes und aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/1780 S. 31; BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 14, BAGE 141, 73; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 36, BAGE 129, 181). Eine unmittelbare Benachteiligung ist nach § 3 Abs. 1 AGG gegeben, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Der für eine unmittelbare Benachteiligung erforderliche Kausalzusammenhang ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen oder mehrere in § 1 AGG genannte Gründe anknüpft oder dadurch motiviert ist(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - aaO mwN).

14

b) Daran gemessen liegt eine unmittelbare Ungleichbehandlung wegen des Alters vor. Die Urlaubsregelung knüpft die Gewährung von zwei weiteren Urlaubstagen an die Vollendung des 58. Lebensjahres und damit unmittelbar an das Lebensalter der Beschäftigten. Arbeitnehmer, die diese Altersgrenze nicht erreicht haben, werden wegen ihres Alters ungünstiger behandelt.

15

c) Die Ungleichbehandlung ist jedoch gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt. Die Regelung bezweckt bei Berücksichtigung eines Gestaltungs- und Ermessensspielraums der Beklagten den in dieser Bestimmung genannten Schutz älterer Beschäftigter und ist geeignet, erforderlich und angemessen im Sinne von § 10 Satz 2 AGG.

16

aa) Nach § 10 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG konkretisiert ua. das legitime Ziel der Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter, wobei dieser Schutz auch die Festlegung besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließen kann (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73).

17

bb) § 10 AGG dient der Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG L 303 vom 2. Dezember 2000 S. 16) in das nationale Recht (BAG 18. März 2014 - 3 AZR 69/12 - Rn. 21). Der Gesetzgeber hat bei der Umsetzung den Text der Richtlinie nahezu wörtlich in das nationale Recht übernommen. Dessen Regelungen sind unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit der Richtlinie unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auszulegen (vgl. BAG 14. März 2012 - 7 AZR 480/08 - Rn. 30).

18

cc) Dem Arbeitgeber steht bei freiwilligen zusätzlichen Leistungen - wozu auch die Gewährung von übergesetzlichem Mehrurlaub gehört - ein von den Gerichten zu respektierender Gestaltungs- und Ermessensspielraum zu (vgl. zu Leistungen der betrieblichen Altersversorgung: BAG 12. November 2013 - 3 AZR 356/12 - Rn. 28; 12. Februar 2013 - 3 AZR 100/11 - Rn. 31 mwN, BAGE 144, 231). Auch in der Rechtsprechung des EuGH ist anerkannt, dass die Mitgliedstaaten und gegebenenfalls die Sozialpartner auf nationaler Ebene beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts nicht nur bei der Entscheidung, welches konkrete Ziel von mehreren im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik sie verfolgen wollen, sondern auch bei der Festlegung der Maßnahmen zu seiner Erreichung über einen weiten Gestaltungsspielraum verfügen (EuGH 16. Oktober 2007 - C-411/05 - [Palacios de la Villa] Rn. 68, Slg. 2007, I-8531). Diese Erwägungen gelten nach dem EuGH auch für Ziele, die der Arbeitgeber mit einer vertraglichen Regelung verfolgt (vgl. EuGH 26. September 2013 - C-476/11 - [HK Danmark] Rn. 61).

19

dd) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Benachteiligung der Arbeitnehmer der Beklagten, die das 58. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, gerechtfertigt.

20

(1) Die Beklagte gewährt den Arbeitnehmern in ihrem Produktionsbetrieb nach der Vollendung des 58. Lebensjahres aufgrund ihres gesteigerten Erholungsbedürfnisses zwei weitere Urlaubstage im Kalenderjahr und bezweckt damit die Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG. Da dieser Schutz die Festlegung besonderer Arbeitsbedingungen einschließt (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73), unterfallen ihm auch zusätzliche Urlaubstage.

21

(a) Das AGG definiert in § 10 Satz 3 Nr. 1 - ebenso wie Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG - nicht, wann ein Beschäftigter „älter“ im Sinne der Norm ist (vgl. zum herkömmlichen Verständnis: BAG 18. September 2014 - 6 AZR 636/13 - Rn. 44). Nach dem Sinn und Zweck des Benachteiligungsverbots reicht es ohne das Vorliegen anderer Differenzierungsgründe nicht aus, dass das Alter der begünstigten Arbeitnehmer höher ist als das Alter der nicht begünstigten. Dementsprechend hat der Senat angenommen, ein Arbeitnehmer sei nach der Vollendung seines 31. Lebensjahres offensichtlich noch kein älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 55, BAGE 132, 210). Aus dem systematischen Zusammenhang mit § 10 Satz 1 AGG und aus dem Regelungszweck folgt, dass die begünstigten Arbeitnehmer aufgrund ihres Alters der Förderung bei der beruflichen Eingliederung oder des Schutzes bedürfen müssen.

22

(aa) Der Senat ist in seiner Entscheidung vom 20. März 2012 nicht davon ausgegangen, dass mit zunehmenden Alter das Erholungsbedürfnis von Arbeitnehmern steige. Er hat allerdings ab einem bestimmten Alter - konkret: bei über 50- oder über 60-jährigen Beschäftigten - ein altersbedingt gesteigertes Erholungsbedürfnis für „eher nachvollziehbar“ gehalten (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 24 f., BAGE 141, 73).

23

(bb) Das Landesarbeitsgericht hat in Übereinstimmung mit der überwiegenden Auffassung im Schrifttum als Erfahrungssatz angenommen, dass mit zunehmenden Alter das Erholungsbedürfnis von Arbeitnehmern steigt (so auch Tempelmann/Stenslik DStR 2011, 1183, 1185 f.; Lingemann/Gotham NZA 2007, 663, 666; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 143 f.; Waltermann NZA 2005, 1265, 1269; Over Das Verbot der Altersdiskriminierung im Arbeitsrecht nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz S. 231; Küttner/Kania Personalbuch 2014 Diskriminierung Rn. 90; vgl. auch Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 - zu II 2 b cc (3) (a) der Gründe mwN). Diese Ansicht ist allerdings nicht unumstritten. So wird auf die Individualität der Alterungsprozesse und den fehlenden Nachweis von Altersklassen mit spezifischem Erholungsbedarf hingewiesen (Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 1 Rn. 822). Die Aufstellung eines generellen Erfahrungssatzes soll dem traditionellen Bild vom „alten Arbeitnehmer“ entsprechen (Däubler/Bertzbach/Brors 3. Aufl. § 10 Rn. 43). Auch wird hervorgehoben, dass der Gesetzgeber in § 3 BUrlG bezüglich der Dauer des Urlaubs nicht nach dem Lebensalter der Arbeitnehmer unterscheide und demnach nicht von einem unterschiedlichen Erholungsbedürfnis ausgehe(Bertelsmann in Rust/Falke AGG § 10 Rn. 93). Auch auf europäischer Ebene sehe Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG vier Wochen Urlaub einheitlich für alle Berufsgruppen altersunabhängig vor(v. Roetteken AGG Stand September 2014 § 10 Rn. 262). Verlangt wird zumindest die Darlegung eines empirischen Befunds zum steigenden Erholungsbedarf unter Beachtung der Tätigkeit bevorzugter Arbeitnehmer (Däubler/Bertzbach/Brors aaO; aA Kasprzyk Altersdiskriminierung im deutschen Arbeitsrecht S. 185).

24

(b) Erfahrungssätze sind Hilfsmittel. Die Feststellung von allgemein anerkannten Erfahrungssätzen ist als Tatfrage den Tatsachengerichten vorbehalten. Dabei ist es diesen nicht verwehrt, das Bestehen oder Nichtbestehen eines Erfahrungssatzes zu beurteilen, wenn sie dazu über ausreichende Sachkunde und Lebenserfahrung verfügen. Andernfalls haben sie sich der Hilfe eines Sachverständigen zu bedienen. Die Zuziehung eines Sachverständigen zur Unterstützung des Gerichts ist gemäß § 144 Abs. 1 ZPO durch die Tatsachengerichte stets nach pflichtgemäßen Ermessen zu prüfen(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 65 mwN, BAGE 132, 210; vgl. allg. zu Erfahrungssätzen: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 73. Aufl. Einf. § 284 Rn. 22).

25

(c) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass das Landesarbeitsgericht von der Zuziehung eines Sachverständigen abgesehen hat. Dieses durfte aufgrund der von ihm festgestellten körperlich anstrengenden Tätigkeiten im Produktionsbetrieb der Beklagten auch ohne Sachverständigengutachten annehmen, dass das Erholungsbedürfnis der dort beschäftigten Arbeitnehmer mit zunehmenden Alter steigt. Ob es einen tätigkeitsunabhängigen generellen Zusammenhang zwischen dem Erholungsbedarf und dem Alter gibt (so etwa Kamanabrou aaO), kann dahinstehen.

26

(aa) Die Annahme eines Erfahrungssatzes dahin gehend, dass bei körperlich belastenden Berufen das Erholungsbedürfnis im höheren Alter steigt, begegnet keinen Bedenken. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die physische Belastbarkeit mit zunehmendem Alter abnimmt (etwa BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 67 mwN, BAGE 132, 210; Bayerischer VGH 24. Oktober 2011 - 3 ZB 08.721 - zu II 1 b der Gründe). Dieser Erfahrungssatz betrifft auch den Wirkungszusammenhang von erreichtem Lebensalter und Krankheitsanfälligkeit (Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 - zu II 2 b cc (3) (a) der Gründe mwN). Alle bekannten privaten und öffentlichen Systeme der Kranken-, Renten- und Lebensversicherung beruhen auf dieser Erwartung (BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 54, BAGE 128, 238). Entgegen der Ansicht der Klägerin kommen auch nicht lediglich Studien älteren Datums - wie etwa die ILO-Empfehlung Nr. 162 vom 23. Juni 1980 oder der WHO Technical Report Series 835 „Aging and Working Capacity” (dt. Übersetzung: „Altern und Arbeit“ 1994) - zu diesem Ergebnis. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen werden bestätigt zB durch den „Fortschrittsreport ‚Altersgerechte Arbeitswelt“, Ausgabe 3 des Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Stand September 2013). Nach diesem hat sich zwar die körperliche Konstitution besonders für die Altersgruppe der 45- bis 64-Jährigen verbessert (Ziff. 3.1). Dennoch zeigt die Studie weiterhin ein Ansteigen der Anzahl der krankheitsbedingten Fehltage sowie eine Verschlechterung des Gesundheitszustands mit fortschreitendem Lebensalter (Ziff. 4.2, Tabelle 2). Insbesondere bei belastenden Berufen nimmt die Anzahl krankheitsbedingter Fehltage im Alter überproportional zu und der Gesundheitszustand verschlechtert sich überproportional (vgl. Ziff. 4.2). Auch bei einfachen Dienstleistungen und einfachen manuellen Berufen verschlechtert sich der „selbstberichtete Gesundheitszustand in der Altersgruppe 55 bis 64 Jahre im Vergleich zum Durchschnitt“ immer noch deutlich (Ziff. 3.4). Zumindest hinsichtlich dieser Berufe erscheint die Annahme eines größeren Erholungsbedarfs im erhöhten Alter als nicht fehlerhaft (ebenso Reinhard ArbRB 2012, 342, 343). Auch Gegner eines allgemeinen Erfahrungssatzes gestehen zu, dass bei gesundheitlich besonders belastenden Tätigkeiten ein gesteigerter Erholungsbedarf mit zunehmendem Alter angenommen werden kann (v. Roetteken aaO; Däubler/Bertzbach/Brors aaO; Löwisch/Rieble § 1 Rn. 823).

27

Soweit das Landesarbeitsgericht auf die teilweise geforderte Darlegung spezifischer empirischer Untersuchungen bezogen auf die Tätigkeiten im Produktionsbetrieb der Beklagten verzichtet hat, ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Durchführung derartiger Untersuchungen wäre praktisch aufwändig und schwierig (weiter gehend Kasprzyk aaO: „unmöglich“). Eine übersteigerte Darlegungslast würde die Einführung freiwilliger Leistungen unzumutbar erschweren. Die Feststellungen durch das Landesarbeitsgericht, dass die Beschäftigten der Beklagten bei der Schuhfertigung körperlich ermüdende und teils schwere Arbeiten leisten, verstärkt durch einen besonderen, prämienbezogenen Zeit- und Qualitätsdruck im Sinne eines Teamakkords, genügt danach als Tatsachenbasis für die Bejahung des dargestellten Erfahrungssatzes.

28

(bb) Der Hinweis auf die fehlende Altersstaffelung in § 3 BUrlG und Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG hilft der Klägerin für die Frage der Legitimität des Zwecks nicht weiter. Die Vorschriften regeln nur die Dauer des Mindesturlaubs und damit das unterste Maß dessen, was nach deutschem und europäischem Urlaubsrecht unabhängig von individuellen Besonderheiten zur Erholung erforderlich ist. Spezifische Charakteristika - wie das Alter oder der physische oder psychische Gesundheitszustand - bleiben bei der Setzung eines einheitlichen Minimalstandards naturgemäß außer Betracht. Auf nationaler Ebene kommt hinzu, dass der Gesetzgeber durchaus gesehen hat, dass es altersabhängig einen unterschiedlichen Erholungsbedarf geben kann, wie etwa § 57 Abs. 2 SeeArbG und § 19 Abs. 2 JArbSchG zeigen(siehe dazu v. Roetteken § 10 Rn. 263).

29

(d) Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die Sicherstellung des Schutzes ihrer Arbeitnehmer nach Vollendung des 58. Lebensjahres als Zweck der zwei weiteren Urlaubstage vorgeschoben hat.

30

(aa) Allerdings ist dieser Zweck nicht unmittelbar der - nicht schriftlich fixierten - Regelung zu entnehmen. Nennt eine Regelung oder Maßnahme kein Ziel, müssen zumindest aus dem Kontext abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter der Regelung oder der Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen, um die Legitimität des Ziels sowie die Angemessenheit und die Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüfen zu können (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 19 mwN, BAGE 141, 73; vgl. zur Richtlinie 2000/78/EG: EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 39 mwN, Slg. 2011, I-6919).

31

(bb) Wenn eine Tarifregelung die Urlaubsdauer nach dem Lebensalter staffelt, liegt die Annahme nahe, die Tarifvertragsparteien hätten einem mit zunehmendem Alter gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollen (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 23, BAGE 141, 73). Diese Annahme darf freilich nicht durch die konkrete Wahl der Altersgrenze(n) widerlegt werden, wie dies bei § 26 TVöD aF, der zusätzliche Urlaubstage bereits ab dem 30. Lebensjahr vorsah, der Fall war (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 24 ff., aaO).

32

(cc) Es ist kein Grund ersichtlich, bei einer individualrechtlichen Regelung nicht ebenfalls grundsätzlich davon auszugehen, dass mit einer Altersgrenze für die Gewährung zusätzlichen Urlaubs einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer Rechnung getragen werden soll. Diese Annahme erscheint umso mehr gerechtfertigt, wenn sie wie hier mit der Anerkennung eines Erfahrungssatzes bezüglich des gesteigerten Erholungsbedarfs bei körperlich belastenden Berufen korreliert. Hinzu kommt, dass die ständige Übung der Beklagten inhaltlich einer einschlägigen tarifvertraglichen Regelung entspricht. So sah der persönlich, fachlich und räumlich einschlägige Manteltarifvertrag vom 23. April 1997, abgeschlossen zwischen dem Hauptverband der Deutschen Schuhindustrie e. V. und der Gewerkschaft Leder sowie der IG BCE, für gewerbliche Arbeitnehmer in § 17 Ziff. 4 Buchst. a ab dem 58. Lebensjahr ebenfalls zwei zusätzliche Urlaubstage vor. Diese Regelung war im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht nicht durch eine neue Bestimmung abgeändert.

33

(dd) Schließlich widerlegt die Altersgrenze von 58 Lebensjahren nicht den Zweck, mit zwei weiteren Urlaubstagen im Kalenderjahr dem gesteigerten Erholungsbedürfnis Rechnung zu tragen. Dabei kann dahinstehen, ab welchem Alter die Annahme, der zusätzliche Urlaub diene dem höheren Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG, nicht mehr ohne Weiteres aufrechterhalten bzw. als widerlegt erachtet werden kann. Der Senat hat in der Entscheidung vom 20. März 2012 gemäß dem Rechtsgedanken aus § 417 Abs. 1 SGB III eine Altersgrenze von 50 Lebensjahren für die Einordnung als älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG in Betracht gezogen(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73; vgl. zu einer solchen Altersgrenze für die Gewährung zusätzlicher Urlaubstage: Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 -). Das Landesarbeitsgericht hat ergänzend darauf verwiesen, dass Leitlinie 17 der Entscheidung des Rates vom 12. Juli 2005 über Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten (2005/600/EG) Arbeitskräfte ab Vollendung des 55. Lebensjahres als ältere Arbeitnehmer erachtet und die WHO-Studiengruppe „Altern und Arbeit“ aus arbeitsmedizinischer Sicht wegen auftretender Schwierigkeiten in Arbeit und Beruf eine Grenze ab dem 45. Lebensjahr angenommen hat (zu A II 15 b bb (3) (b) der Gründe). Das Berufungsgericht hat damit nachvollziehbar begründet, warum es davon ausgeht, dass die Urlaubsregelung einem legitimen Zweck iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG dient und es diesen Zweck nicht lediglich als von der Beklagten vorgeschoben erachtet.

34

(2) Die Regelung ist geeignet, den in § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG beschriebenen Zweck zu fördern. Insbesondere kann die Klägerin nicht mit dem Argument gehört werden, dass die Gewährung von lediglich zwei Urlaubstagen ungeeignet sei, einen altersbedingt erhöhten Erholungsbedarf auszugleichen. Die Geeignetheit ist nicht deshalb zu verneinen, weil ein gestiegener Erholungsbedarf unter Umständen nicht vollständig, sondern nur partiell ausgeglichen wird. Gerade angesichts des vom Arbeitgeber bei einer freiwilligen Leistung selbst gesetzten Dotierungsrahmens wäre die Beschränkung auf einen Teilausgleich nachvollziehbar und zulässig. Zudem haben auch die Tarifvertragsparteien angesichts der Tätigkeit eines Produktionsmitarbeiters in der Schuhbranche zwei Tage Urlaub für geeignet und ausreichend erachtet. Dass die Beklagte sich die von den Sozialpartnern ausgehandelte Regelung zu eigen macht und im Rahmen ihres Ermessensspielraums eine entsprechende Regelung trifft, ist unter dem Aspekt der Geeignetheit der Regelung nicht zu beanstanden.

35

(3) Die Regelung ist auch erforderlich und angemessen (§ 10 Satz 2 AGG). Mildere Mittel, die in gleicher Weise den Schutz älterer Arbeitnehmer verwirklichen könnten, sind nicht ersichtlich.

36

(a) Die Wahl einer anderen, niedrigeren Altersgrenze stellte kein gleich wirksames, milderes Mittel mit geringerem altersspezifischen Effekt dar. Es handelte sich vielmehr um eine andere Maßnahme mit einem erhöhtem Dotierungsrahmen.

37

(b) Eine niedrigere Altersgrenze verbunden mit nur einem weiteren Urlaubstag im Kalenderjahr müsste zwar nicht zwingend zu einer Erhöhung des Dotierungsrahmens führen. Allerdings hätten dann Arbeitnehmer nach Vollendung des 58. Lebensjahres nicht mehr Anspruch auf den zweiten weiteren Urlaubstag, den die Beklagte im Einklang mit dem einschlägigen Tarifvertrag angesichts des gesteigerten Erholungsbedarfs im höheren Alter in der Schuhproduktion für notwendig erachtet. Der Gestaltungs- und Ermessensspielraum der Beklagten lässt auch im Rahmen der Erforderlichkeit und Angemessenheit die von ihr angewandte Regelung zu. Die Interessen der Beteiligten werden hinreichend berücksichtigt. Es werden lediglich in Übereinstimmung mit dem Abwägungsergebnis der Tarifvertragsparteien die Interessen der über 58-Jährigen an einem zusätzlichen Urlaubstag höher gewichtet als die Interessen der übrigen Beschäftigten, schon im jüngeren Alter einen zusätzlichen Urlaubstag zu erhalten.

38

(c) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Beklagte nicht verpflichtet, zusätzliche Urlaubstage nur nach dem individuell ermittelten Erholungsbedarf unter Einbeziehung altersunabhängiger Belastungsfaktoren, wie der Pflege und Betreuung von Kindern, sowie unter Berücksichtigung des individuellen Alterungsprozesses zu gewähren. Zwar mag es zutreffen, dass es weitere Belastungsfaktoren gibt, die zu einem gesteigerten Erholungsbedarf führen können. Jedoch wäre eine solche individuelle Regelung in vielerlei Hinsicht praktisch nicht oder nur mit großen Schwierigkeiten handhabbar. Dies gilt nicht nur bezüglich der Gewichtung der einzelnen (persönlichen) Belastungsfaktoren untereinander, sondern vor allem auch für deren Ermittlung durch die Beklagte. Auch der Gerichtshof der Europäischen Union hat anerkannt, dass bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Regelung im Hinblick auf das Verbot der Altersdiskriminierung zu beachten ist, dass die fragliche Regelung in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht handhabbar bleiben müsse, und deshalb nicht generell verlangt werden könne, dass immer jeder Einzelfall individuell geprüft werde (EuGH 19. Juni 2014 - C-501/12 ua. - [Specht ua.] Rn. 78). Unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten darf der Arbeitgeber daher im Sinne einer typisierenden Betrachtung in Ausübung seines Gestaltungsspielraums auch einen Grund für ein gesteigertes Erholungsbedürfnis - wie etwa das Alter in belastenden Berufen - als Differenzierungskriterium heranziehen. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG enthält kein Gebot, die dort genannten typischerweise besonders schutzbedürftigen Personengruppen (Jugendliche, ältere Beschäftigte und Personen mit Fürsorgepflichten) hinsichtlich besonderer Arbeitsbedingungen gleich zu behandeln.

39

2. Aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz folgt ebenfalls kein Anspruch der Klägerin auf die begehrten zwei zusätzlichen Urlaubstage. Ist - wie hier - die unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmergruppen aus einem in § 1 AGG genannten Grund unter den im AGG normierten Voraussetzungen zulässig, ist auch der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt(ebenso bezüglich des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes: BAG 17. September 2013 - 3 AZR 686/11 - Rn. 25 mwN). Eine sachwidrige Ungleichbehandlung kommt angesichts der Rechtfertigung gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG nicht in Betracht.

40

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Klose    

        

        

        

    M. Lücke    

        

    Kranzusch    

                 

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

Der Schuldner hat während des Verzugs jede Fahrlässigkeit zu vertreten. Er haftet wegen der Leistung auch für Zufall, es sei denn, dass der Schaden auch bei rechtzeitiger Leistung eingetreten sein würde.

(1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt.

(2) Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 verstoßen, sind unwirksam.

(3) Eine Benachteiligung nach Absatz 1 durch Arbeitgeber oder Beschäftigte ist eine Verletzung vertraglicher Pflichten.

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein. Derartige unterschiedliche Behandlungen können insbesondere Folgendes einschließen:

1.
die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlohnung und Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Beschäftigten und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen,
2.
die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile,
3.
die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung auf Grund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder auf Grund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand,
4.
die Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen von Beschäftigten und die Verwendung von Alterskriterien im Rahmen dieser Systeme für versicherungsmathematische Berechnungen,
5.
eine Vereinbarung, die die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, zu dem der oder die Beschäftigte eine Rente wegen Alters beantragen kann; § 41 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch bleibt unberührt,
6.
Differenzierungen von Leistungen in Sozialplänen im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes, wenn die Parteien eine nach Alter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung geschaffen haben, in der die wesentlich vom Alter abhängenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters erkennbar berücksichtigt worden sind, oder Beschäftigte von den Leistungen des Sozialplans ausgeschlossen haben, die wirtschaftlich abgesichert sind, weil sie, gegebenenfalls nach Bezug von Arbeitslosengeld, rentenberechtigt sind.

(1) Benachteiligungen aus einem in § 1 genannten Grund sind nach Maßgabe dieses Gesetzes unzulässig in Bezug auf:

1.
die Bedingungen, einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen, für den Zugang zu unselbstständiger und selbstständiger Erwerbstätigkeit, unabhängig von Tätigkeitsfeld und beruflicher Position, sowie für den beruflichen Aufstieg,
2.
die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließlich Arbeitsentgelt und Entlassungsbedingungen, insbesondere in individual- und kollektivrechtlichen Vereinbarungen und Maßnahmen bei der Durchführung und Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses sowie beim beruflichen Aufstieg,
3.
den Zugang zu allen Formen und allen Ebenen der Berufsberatung, der Berufsbildung einschließlich der Berufsausbildung, der beruflichen Weiterbildung und der Umschulung sowie der praktischen Berufserfahrung,
4.
die Mitgliedschaft und Mitwirkung in einer Beschäftigten- oder Arbeitgebervereinigung oder einer Vereinigung, deren Mitglieder einer bestimmten Berufsgruppe angehören, einschließlich der Inanspruchnahme der Leistungen solcher Vereinigungen,
5.
den Sozialschutz, einschließlich der sozialen Sicherheit und der Gesundheitsdienste,
6.
die sozialen Vergünstigungen,
7.
die Bildung,
8.
den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich von Wohnraum.

(2) Für Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch gelten § 33c des Ersten Buches Sozialgesetzbuch und § 19a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch. Für die betriebliche Altersvorsorge gilt das Betriebsrentengesetz.

(3) Die Geltung sonstiger Benachteiligungsverbote oder Gebote der Gleichbehandlung wird durch dieses Gesetz nicht berührt. Dies gilt auch für öffentlich-rechtliche Vorschriften, die dem Schutz bestimmter Personengruppen dienen.

(4) Für Kündigungen gelten ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz.

Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

(1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt.

(2) Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 verstoßen, sind unwirksam.

(3) Eine Benachteiligung nach Absatz 1 durch Arbeitgeber oder Beschäftigte ist eine Verletzung vertraglicher Pflichten.

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. März 2010 - 20 Sa 2058/09 - aufgehoben.

2. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Eberswalde vom 8. Juli 2009 - 3 Ca 140/09 - wird zurückgewiesen und der Tenor dieses Urteils zur Klarstellung neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass der Klägerin für die Jahre 2008 und 2009 jeweils ein weiterer Urlaubstag als Ersatzurlaub zusteht.

3. Der Beklagte hat auch die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin in den Jahren 2008 und 2009 Anspruch auf jeweils 29 oder 30 Urlaubstage hatte.

2

Die am 27. Oktober 1971 geborene Klägerin ist seit dem 1. September 1988 bei dem beklagten Landkreis als Angestellte mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden in der Fünftagewoche beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst vom 13. September 2005 in der Fassung des Änderungstarifvertrags Nr. 2 vom 31. März 2008 (TVöD) Anwendung. Dieser bestimmt ua.:

        

§ 26 

        

Erholungsurlaub

        

(1)     

Beschäftigte haben in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung des Entgelts (§ 21). Bei Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf fünf Tage in der Kalenderwoche beträgt der Urlaubsanspruch in jedem Kalenderjahr

                 

bis zum vollendeten 30. Lebensjahr

26 Arbeitstage,

                 

bis zum vollendeten 40. Lebensjahr

29 Arbeitstage und

                 

nach dem vollendeten 40. Lebensjahr

30 Arbeitstage.

                 

Maßgebend für die Berechnung der Urlaubsdauer ist das Lebensjahr, das im Laufe des Kalenderjahres vollendet wird. Bei einer anderen Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit als auf fünf Tage in der Woche erhöht oder vermindert sich der Urlaubsanspruch entsprechend. Verbleibt bei der Berechnung des Urlaubs ein Bruchteil, der mindestens einen halben Urlaubstag ergibt, wird er auf einen vollen Urlaubstag aufgerundet; Bruchteile von weniger als einem halben Urlaubstag bleiben unberücksichtigt. Der Erholungsurlaub muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und kann auch in Teilen genommen werden.

        

…       

        
        

§ 27   

        

Zusatzurlaub

        

(1)     

Beschäftigte, die ständig Wechselschichtarbeit nach § 7 Abs. 1 oder ständig Schichtarbeit nach § 7 Abs. 2 leisten und denen die Zulage nach § 8 Abs. 5 Satz 1 oder Abs. 6 Satz 1 zusteht, erhalten

                 

a)    

bei Wechselschichtarbeit für je zwei zusammenhängende Monate und

                 

b)    

bei Schichtarbeit für je vier zusammenhängende Monate

                 

einen Arbeitstag Zusatzurlaub.

        

(2)     

Im Falle nicht ständiger Wechselschicht- oder Schichtarbeit (z. B. ständige Vertreter) erhalten Beschäftigte des Bundes, denen die Zulage nach § 8 Abs. 5 Satz 2 oder Abs. 6 Satz 2 zusteht, einen Arbeitstag Zusatzurlaub für

                 

a)    

je drei Monate im Jahr, in denen sie überwiegend Wechselschichtarbeit geleistet haben, und

                 

b)    

je fünf Monate im Jahr, in denen sie überwiegend Schichtarbeit geleistet haben.

        

…       

                 
        

(4)     

Zusatzurlaub nach diesem Tarifvertrag und sonstigen Bestimmungen mit Ausnahme von § 125 SGB IX wird nur bis zu insgesamt sechs Arbeitstagen im Kalenderjahr gewährt. Erholungsurlaub und Zusatzurlaub (Gesamturlaub) dürfen im Kalenderjahr zusammen 35 Arbeitstage nicht überschreiten. Satz 2 ist für Zusatzurlaub nach den Absätzen 1 und 2 hierzu nicht anzuwenden. Bei Beschäftigten, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, gilt abweichend von Satz 2 eine Höchstgrenze von 36 Arbeitstagen; § 26 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.

        

…“    

        
3

Mit Schreiben vom 5. November 2008 machte die Klägerin gegenüber dem Beklagten einen jährlichen Gesamturlaub in Höhe von 30 Tagen für das Jahr 2008 und die Zukunft nach dem TVöD geltend. Der Beklagte lehnte die Gewährung von 30 Urlaubstagen vor der Vollendung des 40. Lebensjahres der Klägerin unter Hinweis auf die Verbindlichkeit der Regelung des § 26 Abs. 1 TVöD mit Schreiben vom 28. November 2008 ab. Die Klägerin hat daraufhin mit Schriftsatz vom 11. Februar 2009 die vorliegende Klage erhoben.

4

Sie hat die Ansicht vertreten, sie habe auch vor der Vollendung ihres 40. Lebensjahres Anspruch auf jährlich 30 und nicht nur 29 Urlaubstage. Die an das Lebensalter anknüpfende Staffelung des tariflichen Urlaubsanspruchs sei eine Diskriminierung wegen des Alters. Die in der Tarifregelung enthaltene Ungleichbehandlung jüngerer Arbeitnehmer sei nicht durch § 10 AGG gerechtfertigt. Im Übrigen würden die gesundheitlichen Wirkungen zusätzlichen Urlaubs zur Vermeidung beispielsweise von Stresserscheinungen am Arbeitsplatz auch in der medizinischen Literatur kontrovers diskutiert.

5

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass ihr für die Jahre 2008 und 2009 jeweils ein Urlaubstag als Ersatzurlaub zusteht.

6

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Diese sei bereits unzulässig, da das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO nötige Feststellungsinteresse fehle. Schließlich sei die Klage auch unbegründet. Die Altersstufenregelung des § 26 Abs. 1 TVöD sei durch einen sachlichen Grund nach § 10 AGG gerechtfertigt. Die Festlegung eines Mindestalters für die Gewährung von 30 Urlaubstagen pro Kalenderjahr stelle eine besondere Beschäftigungsbedingung zum Schutz älterer Beschäftigter bzw. eine Mindestanforderung an das Alter für einen mit der Beschäftigung verbundenen Vorteil dar, der zur Erreichung eines legitimen Ziels angemessen und erforderlich sei. Ältere Arbeitnehmer seien mit zunehmendem Alter aufgrund beruflicher Belastungen länger krank. Um diesen Umstand Rechnung zu tragen, hätten die Tarifvertragsparteien mit der Regelung in § 26 Abs. 1 TVöD auf das verstärkte Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer reagiert und deren Leistungsfähigkeit stärken wollen. Der Aspekt des Gesundheitsschutzes älterer Arbeitnehmer sei daher geeignet, die Ungleichbehandlung jüngerer Beschäftigter zu rechtfertigen. Schließlich würde auch eine Diskriminierung keine Angleichung „nach oben“ zur Folge haben.

7

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin die Wiederherstellung der stattgebenden Entscheidung des Arbeitsgerichts. Der Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

A. Die zulässige Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf die geltend gemachten Ersatzurlaubstage.

9

I. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Feststellungsklage zulässig ist. Die Klägerin hat ein rechtliches Interesse daran, durch das Gericht feststellen zu lassen, ob ihr für die Jahre 2008 und 2009 jeweils ein Urlaubstag als Ersatzurlaub zusteht ( § 256 Abs. 1 ZPO ). Der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit einer Klage, mit der ein Arbeitnehmer den Umfang des ihm zustehenden Urlaubs gerichtlich festgestellt haben will, nicht entgegen (vgl. BAG 12. April 2011 - 9 AZR 80/10  - Rn. 13 bis 15, EzA BUrlG § 7 Nr. 123).

10

II. Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten für den ihr in den Jahren 2008 und 2009 jeweils verweigerten 30. Urlaubstag gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB Anspruch auf jeweils einen Tag Ersatzurlaub. Die Urlaubsstaffelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD verstößt gegen die §§ 1, 3 Abs. 1 AGG. Denn sie gewährt Beschäftigten, die das 30., aber noch nicht das 40. Lebensjahr vollendet haben, einen um einen Tag kürzeren Urlaub. Sie ist deshalb nach § 7 Abs. 1 und Abs. 2 AGG iVm. § 134 BGB unwirksam. Dies hat zur Folge, dass die Klägerin auch vor der Vollendung ihres 40. Lebensjahres in jedem Kalenderjahr Anspruch auf 30 Urlaubstage hatte. Ihr steht für die Jahre 2008 und 2009 jeweils noch ein Tag Ersatzurlaub zu, weil der Beklagte ihr in diesen Jahren nur jeweils 29 Urlaubstage gewährte.

11

1. Nach § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD standen der am 27. Oktober 1971 geborenen Klägerin in den Jahren 2008 und 2009 jeweils 29 Urlaubstage zu. Erst nach dem vollendeten 40. Lebensjahr gewährt ihr diese Tarifregelung einen jährlichen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen. Diese an das Lebensalter anknüpfende Staffelung der Urlaubsdauer verstößt gegen das Verbot der Altersdiskriminierung in § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG. Sie ist als sachlich nicht nach den §§ 8, 10 AGG gerechtfertigte unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters gemäß § 7 Abs. 2 AGG iVm. § 134 BGB unwirksam. Zur Beseitigung dieser Diskriminierung ist eine Anpassung auf 30 Urlaubstage erforderlich.

12

2. Zutreffend haben die Vorinstanzen die Regelung in § 26 Abs. 1 TVöD am AGG gemessen. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG gelten die Diskriminierungsverbote der §§ 1, 7 AGG auch für die in kollektivrechtlichen Vereinbarungen geregelten Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen. Unter solchen Bedingungen sind alle Umstände zu verstehen, aufgrund derer und unter denen die Arbeitsleistung zu erbringen ist (vgl. BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 54, BAGE 132, 210). Zu den Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen gehört damit auch der Urlaub. Der Umstand, dass die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b TVöD bereits am 1. Januar 2006 und somit schon vor dem AGG vom 14. August 2006 in Kraft getreten ist, steht dem nicht entgegen. Die für die Jahre 2008 und 2009 geltend gemachte Benachteiligung durch § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD ist erst nach Inkrafttreten des AGG am 18. August 2006 eingetreten. Da § 33 Abs. 1 AGG insoweit keine Übergangsregelung enthält, findet dieses Gesetz auch dann Anwendung, wenn die Benachteiligung auf einem vor Inkrafttreten des AGG abgeschlossenen Tarifvertrag beruht. Es kommt allein auf den Zeitpunkt der Benachteiligungshandlung an (BAG 16. Dezember 2008 - 9 AZR 985/07 - Rn. 33, BAGE 129, 72).

13

3. Die Urlaubsstaffelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD enthält eine auf dem Merkmal des Alters beruhende Ungleichbehandlung der Beschäftigten, die das 30. bzw. das 40. Lebensjahr nicht vollendet haben. Das ist eine unmittelbare Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer wegen des Alters iSv. § 3 Abs. 1 AGG.

14

a) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Beim Alter handelt es sich um einen in § 1 AGG genannten Grund, wobei unter Alter das Lebensalter zu verstehen ist. Dies folgt aus dem gesetzlichen Wortlaut und auch aus der Gesetzesbegründung ( BT-Drucks. 16/1780 S. 31; BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 49, BAGE 132, 210; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07  - Rn. 36, BAGE 129, 181). Der für eine unmittelbare Benachteiligung erforderliche Kausalzusammenhang ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen oder mehrere in § 1 AGG genannte Gründe anknüpft oder dadurch motiviert ist(vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 32; BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 50, aaO).

15

b) Diese Voraussetzung ist erfüllt. § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD sieht für Beschäftigte bei einer Fünftagewoche in jedem Kalenderjahr einen Urlaubsanspruch bis zum vollendeten 30. Lebensjahr in Höhe von 26 Arbeitstagen, bis zum vollendeten 40. Lebensjahr in Höhe von 29 Arbeitstagen und erst nach dem vollendeten 40. Lebensjahr in Höhe von 30 Arbeitstagen vor. Die Höhe des Urlaubsanspruchs nach § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD knüpft damit in allen Stufen unmittelbar an das Lebensalter der Beschäftigten an. Danach haben Beschäftigte wie die Klägerin, die zwar das 30. Lebensjahr, aber noch nicht das 40. Lebensjahr vollendet haben, in jedem Jahr nur Anspruch auf 29 statt auf 30 Urlaubstage. Sie werden ebenso wie die unter 30-Jährigen im Vergleich zu den Beschäftigten, die das 40. Lebensjahr vollendet haben, hinsichtlich der Höhe des Urlaubsanspruchs wegen ihres geringeren Alters ungünstiger behandelt.

16

4. Diese Ungleichbehandlung ist nicht gerechtfertigt.

17

a) Bei ihr handelt es sich nicht um eine nach § 8 AGG zulässige unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher Anforderungen. Die Urlaubsstaffel des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD knüpft nicht an die Art der auszuübenden Tätigkeit oder die Bedingungen ihrer Ausübung an. Sie stellt nicht auf die Art der auszuübenden Tätigkeit ab und beansprucht damit Geltung für alle dem TVöD unterfallenden Beschäftigten.

18

b) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die Ungleichbehandlung auch nicht nach § 10 AGG sachlich gerechtfertigt(so ebenfalls die herrschende Meinung in der Literatur, vgl. Linck/Schütz FS Leinemann, S. 181 f.; Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV Stand Januar 2012 E § 26 TVöD Rn. 22; AGG/Voigt 3. Aufl. § 10 Rn. 33; Meinel/Heyn/Herms AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 42b; Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 105; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 144; Hock/Kramer/Schwerdtle ZTR 2006, 622, 623 mwN; Wulfers/Hecht ZTR 2007, 475, 478; vgl. ferner bereits zu § 48 BAT: Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156). § 10 Satz 1 AGG lässt eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters ungeachtet der Regelung des § 8 AGG zu, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Zudem müssen die Mittel zur Erreichung dieses Ziels nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist die an das Lebensalter anknüpfende Differenzierung in § 26 Abs. 1 TVöD nicht sachlich gerechtfertigt, weil sie einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung trägt und deren Gesundheit schützen will. Dabei kann dahinstehen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen das Ziel des Gesundheitsschutzes eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen würde. Die Tarifvorschrift verfolgt dieses Ziel schon nicht.

19

aa) Die Tarifvertragsparteien haben das mit der in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD geregelten Urlaubsstaffelung verfolgte Ziel nicht ausdrücklich genannt. Nennt eine Regelung oder Maßnahme kein Ziel, müssen zumindest aus dem Kontext abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter der Regelung oder der Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen, um die Legitimität des Ziels sowie die Angemessenheit und die Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüfen zu können. Dabei können nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die sozialpolitischen Ziele als legitim angesehen werden, die im allgemeinen Interesse stehen. Derjenige, der eine Ungleichbehandlung vornimmt, muss den nationalen Gerichten in geeigneter Weise die Möglichkeit zur Prüfung einräumen, ob mit der Ungleichbehandlung ein Ziel angestrebt wird, das die Ungleichbehandlung unter Beachtung der Ziele der Richtlinie 2000/78/EG rechtfertigt (vgl. EuGH 5. März 2009 - C-388/07  - [Age Concern England] Rn. 45 ff., Slg. 2009, I-1569; BAG 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08  - Rn. 36 ff., BAGE 131, 61). Denn das nationale Gericht hat zu prüfen, ob die Regelung oder Maßnahme ein rechtmäßiges Ziel iSd. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG verfolgt. Gleiches gilt für die Frage, ob die Tarifvertragsparteien als Normgeber angesichts des vorhandenen Wertungsspielraums davon ausgehen durften, dass die gewählten Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich waren (vgl. EuGH 5. März 2009 -  C-388/07  - [Age Concern England] Rn. 49 ff., aaO; vgl. auch BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 57, BAGE 132, 210).

20

bb) Die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD dient nicht dem Schutz älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG. Diese gesetzliche Regelung konkretisiert das legitime Ziel, nämlich ua. die Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter, wobei dieser Schutz auch die Festlegung besonderer Arbeitsbedingungen einschließen kann. Aus einer tariflichen Urlaubsstaffelung, die - wie die in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD - den Beschäftigten bereits nach Vollendung des 30. Lebensjahres drei weitere Urlaubstage und dann nach Vollendung des 40. Lebensjahres letztmals einen zusätzlichen Urlaubstag gewährt, lässt sich nicht ableiten, dass die Tarifvertragsparteien einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollten und das Ziel verfolgten, den Schutz älterer Beschäftigter iSd. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG sicherzustellen. Wenn sich auch eine genaue Schwelle für die Zuordnung zu den älteren Arbeitnehmern weder dieser Regelung selbst noch Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG entnehmen lässt, so ist diese freilich an der Zielsetzung (vgl. zu dieser Däubler/Bertzbach/Brors 2. Aufl. § 10 Rn. 42) auszurichten. Einen arbeitsmarktpolitischen Zweck verfolgt zB § 417 Abs. 1 SGB III, wonach Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die das 50. Lebensjahr vollendet haben und ihre Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung beenden oder vermeiden, unter den in der Vorschrift genannten Voraussetzungen Anspruch auf Leistungen der Entgeltsicherung haben. Diese Regelung der Entgeltsicherung bezweckt, die Arbeitslosigkeit älterer Arbeitnehmer abzubauen und ihren Anteil an der erwerbstätigen Bevölkerung zu erhöhen (vgl. BT-Drucks. 17/1945 S. 17). Im Vergleich zu der in § 417 Abs. 1 SGB III genannten Altersgruppe setzt sich die durch die Urlaubsstaffel in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD begünstigte Beschäftigtengruppe, der ein Urlaubsanspruch von jährlich 30 Arbeitstagen eingeräumt wird, nicht ausnahmslos aus älteren Beschäftigten zusammen. Vielmehr gehören ihr alle Beschäftigten ab Vollendung des 40. Lebensjahres an. Der Senat hat bereits entschieden, dass ein Arbeitnehmer jedenfalls ab Vollendung des 31. Lebensjahres offensichtlich kein älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG ist(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 55, BAGE 132, 210).

21

cc) Ein legitimes Ziel iSd. § 10 AGG ergibt sich entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts auch nicht aus § 10 Satz 3 Nr. 2 AGG. Danach kann eine zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile einschließen. Diese Regelung bestimmt selbst kein legitimes Ziel, sondern beschreibt nur ein mögliches Mittel, mit der ein auf andere Weise zu legitimierendes Ziel gerechtfertigt werden kann (vgl. ErfK/Schlachter 12. Aufl. § 10 AGG Rn. 6), sofern es erforderlich und angemessen iSd. § 10 Satz 2 AGG ist.

22

dd) Die Tarifvertragsparteien verfolgen entgegen der Auffassung des Beklagten nicht das Ziel des Gesundheitsschutzes älterer Arbeitnehmer.

23

(1) Das mit der Urlaubsstaffelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD verfolgte Ziel lässt sich nicht mit ausreichender Deutlichkeit aus dem Wortlaut des § 26 TVöD entnehmen. § 26 TVöD normiert ausweislich seiner Überschrift den Erholungsurlaub. Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 TVöD haben Beschäftigte in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung des Entgelts. § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD legt die Dauer dieses Erholungsurlaubs fest. Der Begriff des Erholungsurlaubs wird dabei nicht näher definiert und ist dem BUrlG entlehnt, auf das § 26 Abs. 2 TVöD im Übrigen verweist. Der Erholungsurlaub nach dem BUrlG soll nach der Gesetzesbegründung dem sozialpolitischen Anliegen der Erhaltung und Wiederauffrischung der Arbeitskraft der Arbeitnehmer dienen (vgl. den schriftlichen Bericht des Bundestagsausschusses für Arbeit, BT-Drucks. IV/785; Begründung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Bundesurlaubsgesetzes, BT-Drucks. IV/207). Durch den Erholungsurlaub wird dem Arbeitnehmer die Möglichkeit gesichert, für eine bestimmte Dauer im Jahr, die ihm eingeräumte Freizeit zur selbstbestimmten Erholung zu nutzen (st. Rspr., vgl. BAG 20. Juni 2000 - 9 AZR 405/99 - zu II 2 b bb 1 der Gründe, BAGE 95, 104; 8. März 1984 - 6 AZR 600/82 - zu II 5 b der Gründe, BAGE 45, 184; ebenso st. Rspr. des EuGH zum Jahresurlaub nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG , EuGH 22. No-vember 2011 - C-214/10 - [KHS] Rn. 31, AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 6 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 7; 20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06  - [Schultz-Hoff] Rn. 25, Slg. 2009, I-179). Wenn eine Tarifregelung die Urlaubsdauer nach dem Lebensalter staffelt, liegt die Annahme nahe, die Tarifvertragsparteien hätten einem mit zunehmendem Alter gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollen. Die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD rechtfertigt eine solche Annahme freilich nicht, sondern schließt sie aus.

24

(2) Das folgt bereits aus dem Inhalt der Regelung. Die Tarifvorschrift räumt den Beschäftigten schon ab dem 30. Lebensjahr drei weitere Urlaubstage ein. Dafür, dass die Tarifvertragsparteien von einem so deutlich gesteigertem Erholungsbedürfnis bereits nach der Vollendung des 30. Lebensjahres ausgegangen sind, fehlt jeder Anhaltspunkt. Gegen eine solche Annahme spricht auch, dass die Tarifvertragsparteien den Beschäftigten nach der Vollendung des 40. Lebensjahres letztmals nur einen weiteren Urlaubstag gewährt und davon abgesehen haben, ein gesteigertes Erholungsbedürfnis des Beschäftigten in der Zeit bis zum Erreichen des gesetzlich festgelegten Alters für den Bezug der Regelaltersrente (§ 33 Abs. 1 Buchst. a TVöD) zu berücksichtigen. Hätten die Tarifvertragsparteien ein gesteigertes Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter vor Augen gehabt, hätten sie nicht einem 30-Jährigen einen gegenüber einem 29-jährigen Beschäftigten um drei Tage längeren Urlaub gewährt, nach der Vollendung des 40. Lebensjahres des Beschäftigten eine wesentlich geringere Steigerung des Erholungsbedürfnisses angenommen und für die Zeit danach bis zum Erreichen des gesetzlich festgelegten Alters für den Bezug der Regelaltersrente ein zunehmendes Erholungsbedürfnis des Beschäftigten überhaupt nicht mehr berücksichtigt (vgl. Wulfers/Hecht ZTR 2007, 475, 478). Auch das Schrifttum nimmt ganz überwiegend an, dass eine tarifliche Urlaubsstaffelung nicht schon auf die Vollendung des 30. bzw. des 40. Lebensjahres abstellen darf, wenn sie einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen will (vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 22; Tempelmann/Stenslik DStR 2011, 1183, 1186; Richter Benachteiligung wegen des Alters im Erwerbsleben S. 170; Meinel/Heyn/Herms § 10 Rn. 42b; AGG/Voigt § 10 Rn. 33; Hey AGG § 10 Rn. 28; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 144; Hock/Kramer/Schwerdle ZTR 2006, 622, 623; Linck/Schütz FS Leinemann S. 181 f.; Senne Auswirkungen des europäischen Verbots der Altersdiskriminierung auf das deutsche Arbeitsrecht S. 269; Bertelsmann ZESAR 2005, 242, 246). Selbst wenn die Erholungsbedürftigkeit von Arbeitnehmern mit zunehmendem Lebensalter steigen sollte (zweifelnd Däubler/Bertzbach/Brors § 10 Rn. 50; aA Waltermann NZA 2005, 1265, 1269), hätte es mit dem Schutz älterer Arbeitnehmer nichts zu tun, bereits mit dem 30. Lebensjahr eine erste Verlängerung des Urlaubsanspruchs um drei Tage und die zweite und zugleich letzte Verlängerung um einen weiteren Urlaubstag bereits mit Vollendung des 40. Lebensjahres vorzusehen (so auch Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 22; Adomeit/Mohr § 10 Rn. 105; so bereits zu § 48 BAT: Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156). Es fehlt in beiden Stufen an dem erkennbaren Schutz Älterer. Die Verlängerung des Urlaubsanspruchs bereits mit dem vollendeten 30. Lebensjahr lässt sich kaum mit der Erhaltung der Leistungsfähigkeit Älterer begründen. Auch mit der Vollendung des 40. Lebensjahres hat ein Beschäftigter regelmäßig allenfalls die Mitte seines Erwerbsalters erreicht (vgl. auch Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156). Hätten die Tarifvertragsparteien gemäß der Ansicht des Beklagten ein gesteigertes Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter berücksichtigen wollen, hätten sich die gewählten Altersgrenzen nicht an dem mit dem Alter zunehmenden Erholungsbedürfnis orientiert und wären willkürlich.

25

(3) Gerade dieser Umstand bestätigt, dass die Tarifvertragsparteien mit der Regelung in § 26 TVöD weder den Schutz der Gesundheit bezweckten noch einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollten. Hätten sie diese Ziele verfolgt, hätte es nahe gelegen, gerade für die älteren Beschäftigten, zB die Gruppe der über 50- oder über 60-jährigen Beschäftigten, die Dauer des Erholungsurlaubs zu verlängern. Bei dieser Personengruppe ist ein altersbedingt gesteigertes Erholungsbedürfnis eher nachvollziehbar. Ein solches Schutzbedürfnis für die über 50-Jährigen haben die Tarifvertragsparteien aber nur hinsichtlich der Beschränkung der Höchstdauer des Gesamturlaubs bei besonders belastenden Arbeiten (Schicht- und Wechselschicht) gesehen. Das folgt aus § 27 Abs. 4 Satz 4 TVöD. Danach erhöht sich ab diesem Lebensalter die maximal erreichbare Gesamturlaubsdauer von jährlich 35 auf 36 Arbeitstage.

26

(4) Die Tarifgeschichte bestätigt, dass die Tarifvertragsparteien mit der Urlaubsstaffel nicht einem mit dem Lebensalter steigenden Erholungsbedürfnis Rechnung tragen wollten. Bereits seit dem Inkrafttreten des BAT wurde die Urlaubsdauer an das Lebensalter geknüpft (§ 48 Abs. 1 BAT). Sie steigerte sich auch nach dem vollendeten 30. Lebensjahr und nach dem vollendeten 40. Lebensjahr. Innerhalb der Lebensaltersstufen verlängerte sich die Urlaubsdauer teilweise nach Vergütungsgruppen. Je höher der Angestellte eingruppiert war, je länger war sein Urlaubsanspruch. Dies zeigt, dass nicht der Erholungszweck maßgebend für die Urlaubsdauer sein sollte. Der Urlaub wurde vielmehr als Quasi-Gegenleistung für die Arbeitsleistung geregelt. Nur so lässt sich die normierte Abhängigkeit der Urlaubsdauer von der Vergütungsgruppe erklären. Es kann deshalb nicht angenommen werden, die Tarifvertragsparteien hätten bei Angestellten in höheren Vergütungsgruppen ein gesteigertes Erholungsbedürfnis ausgleichen wollen. Die Differenzierung resultiert vielmehr aus der überkommenen Auffassung, der Urlaub werde „verdient“.

27

5. Die Diskriminierung der Klägerin kann nur durch die Verpflichtung des Beklagten beseitigt werden, der Klägerin für die Jahre 2008 und 2009 jeweils einen Ersatzurlaubstag zu gewähren. Zwar folgt aus § 7 Abs. 2 AGG nur, dass die diskriminierende Regelung unwirksam ist. Auch wird vom Senat nicht verkannt, dass es sich bei § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD um ein Stufensystem handelt, sodass grundsätzlich keine Stufe als die von den Tarifvertragsparteien als „übliche“ Urlaubsdauer gewollte angesehen werden kann. Jedoch kann die Beseitigung der Diskriminierung vorliegend nur durch eine Anpassung „nach oben“ erfolgen.

28

a) Grundsätzlich ist es Aufgabe der Tarifvertragsparteien, eine benachteiligungsfreie Regelung zu treffen, wofür ihnen verschiedene Möglichkeiten zu Verfügung stehen. Doch scheidet eine Aussetzung des Rechtsstreits unter Fristsetzung zur Lückenschließung durch die Tarifvertragsparteien selbst von vornherein aus (aM Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 23). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sind für den Fall, dass gesetzliche oder tarifvertragliche Regelungen eine mit der Richtlinie unvereinbare Diskriminierung vorsehen, die nationalen Gerichte gehalten, die Diskriminierung auf jede denkbare Weise und insbesondere dadurch auszuschließen, dass sie die Regelung für die nicht benachteiligte Gruppe auch auf die benachteiligte Gruppe anwenden, ohne die Beseitigung der Diskriminierung durch den Gesetzgeber, die Tarifvertragsparteien oder in anderer Weise abzuwarten (vgl. so bereits zur Richtlinie 76/207/EWG: EuGH 20. März 2003 - C-187/00 - [Kutz-Bauer] Rn. 75, Slg. 2003, I-2741). Auch nach Art. 9 Abs. 3 GG in Verbindung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wäre eine Aussetzung grundsätzlich allenfalls zur Beseitigung einer Diskriminierung für die Zukunft geboten(vgl. BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 28, NZA 2012, 161). Vorliegend geht es jedoch um die Beseitigung einer Diskriminierung in der Vergangenheit.

29

b) Die Benachteiligung der Klägerin kann nicht auf andere Weise für die Jahre 2008 und 2009 ausgeschlossen werden. Ein Rückgriff auf den noch unterhalb der Eingangstufe des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD liegenden gesetzlichen Mindesturlaub gemäß den §§ 1, 3 BUrlG in Höhe von 20 Arbeitstagen bei einer Fünftagewoche ist hierzu nicht geeignet(aM Wulfers/Hecht ZTR 2007, 475, 483; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand Februar 2012, § 26 Rn. 163.5). Der von den §§ 1, 7 AGG bzw. Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG verfolgte Zweck, Benachteiligungen zu verhindern oder zu beseitigen, würde nicht erreicht. Da diskriminierende Maßnahmen oder Vereinbarungen nicht hingenommen und ihre Fortwirkung nicht akzeptiert werden darf (vgl. ErfK/Schlachter § 7 AGG Rn. 5), ist auch nicht auf die Eingangsstufe des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD mit 26 Urlaubstagen abzustellen. Hätte die Klägerin nur Anspruch auf die erste Stufe der Urlaubsstaffel, fehlte es an einer Sanktion, die einen tatsächlichen und wirksamen Rechtsschutz gewährt und abschreckende Wirkung hat (vgl. zu diesem Aspekt: BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 18 ff., NZA 2012, 161).

30

c) Hingegen ist eine Anpassung „nach oben“ zur Beseitigung einer Altersdiskriminierung im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gerechtfertigt, wenn auf andere Weise die Diskriminierung nicht behoben werden kann, weil der Arbeitgeber den Begünstigten für die Vergangenheit die Leistung nicht mehr entziehen kann (vgl. ausführlich: BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 20 ff., NZA 2012, 161). Dies ist vorliegend der Fall. Der den begünstigten Beschäftigten in den Jahren 2008 und 2009 gewährte Urlaub von jährlich 30 Arbeitstagen kann nicht rückwirkend auf 29 oder 26 Arbeitstage begrenzt werden. Die als Urlaub bereits gewährte Freizeit ist nicht kondizierbar.

31

d) Schließlich steht der Anpassung „nach oben“ auch nicht § 15 Abs. 3 AGG entgegen. Danach ist der Arbeitgeber bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fährlässig handelt. Diese Bestimmung bezieht sich allein auf die immaterielle Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG(vgl. BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 38, NZA 2012, 161; ErfK/Schlachter § 15 AGG Rn. 13) und verhält sich nicht zur Beseitigung einer Diskriminierung durch eine den Diskriminierungsverboten genügende Regelung.

32

e) Der Beklagte kann auch keinen Vertrauensschutz in Anspruch nehmen. In den Jahren 2008 und 2009 galt bereits das am 18. August 2006 in Kraft getretene AGG. Dieses nimmt Dauerschuldverhältnisse und damit auch Arbeitsverhältnisse ebenso wenig wie Tarifverträge aus, die vor dem Inkrafttreten des AGG bereits abgeschlossen waren. Übergangsvorschriften oder Vertrauensschutzregelungen sind insoweit in § 33 AGG nicht vorgesehen. Gemäß § 1 AGG ist ua. Ziel dieses Gesetzes, Benachteiligungen aus Gründen des Alters nicht nur zu verhindern, sondern auch zu beseitigen. Die damit einhergehende unechte Rückwirkung ist zulässig. Der zeitliche Geltungsbereich wird je nach Lage der Verhältnisse im Einzelfall nur durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes beschränkt (vgl. so bereits zu § 81 Abs. 2 SGB IX aF: BAG 16. Dezember 2008 - 9 AZR 985/07 - Rn. 38, BAGE 129, 72). Dies setzt jedoch in jedem Fall das Vorliegen eines schutzwürdigen Vertrauens voraus, das vorliegend nicht gegeben ist, selbst wenn man die Grundsätze zum Vertrauensschutz bei unechter Rückwirkung von Gesetzen anwendet. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Grundsatz des Vertrauensschutzes nur dann verletzt, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen (vgl. BVerfG 10. August 2006 - 2 BvR 563/05  - Rn. 14, BVerfGK 9, 28). Zum einen dient das AGG der Umsetzung von EU-Richtlinien zum Schutz vor Diskriminierung im Bereich Beschäftigung und Beruf und enthält insoweit insbesondere im Bereich der Altersdiskriminierung unionsrechtlich verankerte notwendige und bedeutende Regelungen. Zum anderen wäre ein Vertrauen in den Fortbestand der angewandten tarifvertraglichen Regelungen nicht schutzwürdig. Denn die Richtlinie 2000/78/EG wurde schon im Jahr 2000 erlassen und stellt in Art. 16 Buchst. b ausdrücklich klar, dass die Diskriminierungsverbote auch auf tarifvertragliche Bestimmungen Anwendung finden. Nach Art. 18 der Richtlinie 2000/78/EG war diese zudem spätestens zum 2. Dezember 2006 in nationales Recht umzusetzen. Der Beklagte musste ebenso wie die Tarifvertragsparteien damit rechnen, dass tarifvertragliche Regelungen auch am Verbot der Altersdiskriminierung gemessen werden. Deshalb konnte der Beklagte nicht darauf vertrauen, dass auch nach Inkrafttreten des AGG die Urlaubsstaffelregelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD zulässig war, zumal in der Gesetzesbegründung zum AGG die Anknüpfung an das bloße Lebensalter als Mindestgrenze für mit der Beschäftigung verbundener Vorteile nicht unkritisch gesehen wurde(vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 36) und im Schrifttum nicht nur vereinzelt die Unwirksamkeit des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD wegen Verstoßes gegen das Verbot der Altersdiskriminierung angenommen wurde (vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 22 mwN; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 144; Hock/Kramer/Schwerdtle ZTR 2006, 622, 623 mwN; so bereits zu § 48 Abs. 1 BAT: Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156).

33

6. Die Klägerin hat Anspruch auf Ersatzurlaub gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB. Die Resturlaubsansprüche für die Jahre 2008 und 2009 waren mangels Vorliegens eines Übertragungsgrundes nach § 26 Abs. 1 Satz 6 TVöD iVm. § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG zum 31. Dezember des jeweiligen Jahres verfallen. Diesen Untergang hat der Beklagte zu vertreten, weil er sich mit der Gewährung des Urlaubs in Verzug befand.

34

a) Die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs aus Verzug gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB liegen vor. Die Klägerin hatte in den Jahren 2008 und 2009 Anspruch auf jeweils 30 Urlaubstage. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wandelt sich der Urlaubsanspruch in einen Schadensersatzanspruch um, der auf Gewährung von Ersatzurlaub als Naturalrestitution gerichtet ist, wenn der Arbeitgeber den rechtzeitig verlangten Urlaub nicht gewährt und der Urlaub aufgrund seiner Befristung verfällt ( BAG 11. April 2006 - 9 AZR 523/05  - Rn. 24, AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 28 = EzA BUrlG § 7 Nr. 116).

35

b) Die Klägerin machte mit Schreiben vom 5. November 2008 unter der Überschrift „Geltendmachung von Urlaubsansprüchen“ Urlaub in Höhe von 30 Tagen nach dem TVöD geltend und bat zudem, den Urlaubsanspruch auch für die Zukunft entsprechend anzupassen. Dahingestellt bleiben kann, ob dies schon ein konkretes Verlangen beinhaltet hat, den Urlaub in den Jahren 2008 und 2009 zu gewähren. Nach der Rechtsprechung des Senats ist hierfür zumindest erforderlich, dass der Arbeitgeber nach den Grundsätzen des § 133 BGB davon ausgehen muss, der Arbeitnehmer wünsche ab einem bestimmten Zeitpunkt Erholungsurlaub(vgl. BAG 17. November 2009 - 9 AZR 745/08 - Rn. 45; 11. April 2006 -  9 AZR 523/05  - Rn. 28, AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 28 = EzA BUrlG § 7 Nr. 116). Maßgebend ist, dass der Beklagte mit Schreiben vom 28. November 2008 erklärt hat, er lehne den Antrag auf Verlängerung des Urlaubs „auf 30 Tage vor Erreichen des 41. Lebensjahres“ ab, weil der Klägerin nach dem für ihn verbindlichen § 26 Abs. 1 TVöD derzeit nur 29 Urlaubstage zustünden. Aus objektiver Empfängersicht lag darin eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung des Beklagten als Schuldner des Urlaubsanspruchs, die gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB eine Mahnung der Klägerin entbehrlich machte(vgl. BAG 31. Januar 1991 - 8 AZR 462/89  - zu II der Gründe). Denn der Beklagte gab mit diesem Schreiben vor Ablauf des Urlaubsjahres 2008 klar zu erkennen, dass er nicht bereit sei, im laufenden Jahr mehr als 29 Tage Urlaub zu gewähren. Hinsichtlich des weiteren Urlaubstags für das Jahr 2009 folgt der Verzug des Beklagten zudem daraus, dass er jedenfalls mit dem Antrag auf Klageabweisung vom 24. April 2009 und somit vor Ablauf des Urlaubsjahres 2009 zu erkennen gegeben hat, den weiteren Urlaubstag auch im Jahr 2009 nicht gewähren zu wollen. Darin lag ebenso seine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung als Schuldner des Urlaubsanspruchs, die gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB eine Mahnung der Klägerin ebenfalls entbehrlich machte(vgl. BAG 17. Mai 2011 - 9 AZR 197/10 - Rn. 14, EzA TVG § 4 Metallindustrie Nr. 138; 31. Januar 1991 - 8 AZR 462/89  - zu II der Gründe).

36

B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

        

        

    Preuß    

        

    Neumann-Redlin    

        

        

(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 auch im Falle einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vor.

(2) Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

(3) Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(4) Eine sexuelle Belästigung ist eine Benachteiligung in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(5) Die Anweisung zur Benachteiligung einer Person aus einem in § 1 genannten Grund gilt als Benachteiligung. Eine solche Anweisung liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 insbesondere vor, wenn jemand eine Person zu einem Verhalten bestimmt, das einen Beschäftigten oder eine Beschäftigte wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt oder benachteiligen kann.

(1) Bei Benachteiligungen nach den §§ 611a, 611b und 612 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder sexuellen Belästigungen nach dem Beschäftigtenschutzgesetz ist das vor dem 18. August 2006 maßgebliche Recht anzuwenden.

(2) Bei Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft sind die §§ 19 bis 21 nicht auf Schuldverhältnisse anzuwenden, die vor dem 18. August 2006 begründet worden sind. Satz 1 gilt nicht für spätere Änderungen von Dauerschuldverhältnissen.

(3) Bei Benachteiligungen wegen des Geschlechts, der Religion, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität sind die §§ 19 bis 21 nicht auf Schuldverhältnisse anzuwenden, die vor dem 1. Dezember 2006 begründet worden sind. Satz 1 gilt nicht für spätere Änderungen von Dauerschuldverhältnissen.

(4) Auf Schuldverhältnisse, die eine privatrechtliche Versicherung zum Gegenstand haben, ist § 19 Abs. 1 nicht anzuwenden, wenn diese vor dem 22. Dezember 2007 begründet worden sind. Satz 1 gilt nicht für spätere Änderungen solcher Schuldverhältnisse.

(5) Bei Versicherungsverhältnissen, die vor dem 21. Dezember 2012 begründet werden, ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Geschlechts im Falle des § 19 Absatz 1 Nummer 2 bei den Prämien oder Leistungen nur zulässig, wenn dessen Berücksichtigung bei einer auf relevanten und genauen versicherungsmathematischen und statistischen Daten beruhenden Risikobewertung ein bestimmender Faktor ist. Kosten im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Mutterschaft dürfen auf keinen Fall zu unterschiedlichen Prämien oder Leistungen führen.

(1) Eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 genannten Grundes ist zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist.

(2) Die Vereinbarung einer geringeren Vergütung für gleiche oder gleichwertige Arbeit wegen eines in § 1 genannten Grundes wird nicht dadurch gerechtfertigt, dass wegen eines in § 1 genannten Grundes besondere Schutzvorschriften gelten.

Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein. Derartige unterschiedliche Behandlungen können insbesondere Folgendes einschließen:

1.
die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlohnung und Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Beschäftigten und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen,
2.
die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile,
3.
die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung auf Grund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder auf Grund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand,
4.
die Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen von Beschäftigten und die Verwendung von Alterskriterien im Rahmen dieser Systeme für versicherungsmathematische Berechnungen,
5.
eine Vereinbarung, die die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, zu dem der oder die Beschäftigte eine Rente wegen Alters beantragen kann; § 41 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch bleibt unberührt,
6.
Differenzierungen von Leistungen in Sozialplänen im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes, wenn die Parteien eine nach Alter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung geschaffen haben, in der die wesentlich vom Alter abhängenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters erkennbar berücksichtigt worden sind, oder Beschäftigte von den Leistungen des Sozialplans ausgeschlossen haben, die wirtschaftlich abgesichert sind, weil sie, gegebenenfalls nach Bezug von Arbeitslosengeld, rentenberechtigt sind.

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 7. September 2012 - 6 Sa 709/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe des jährlichen Urlaubsanspruchs.

2

Die Beklagte stellt Schuhe her. Die am 10. April 1960 geborene Klägerin ist bei ihr seit dem 1. Juli 1994 als Produktionsmitarbeiterin beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 13. November 2000 ist ua. vereinbart, dass der jährliche Urlaubsanspruch 34 Arbeitstage beträgt. Die Beklagte gewährt allen Arbeitnehmern, die das 58. Lebensjahr vollendet haben, 36 Arbeitstage Jahresurlaub, ohne dass individuelle Vereinbarungen über einen höheren Jahresurlaub vorliegen. Die übrigen Beschäftigten erhalten jährlich 34 Urlaubstage.

3

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Urlaubsregelung sei altersdiskriminierend. Die Behauptung, ältere Mitarbeiter benötigten im Produktionsbetrieb längere Erholungsphasen, sei durch die darlegungsbelastete Beklagte nicht dargetan. Das Bundesurlaubsgesetz stelle bezüglich der Dauer des Urlaubs weder auf die physische Belastung noch auf das Alter der Arbeitnehmer ab. Die Beklagte habe keinen Grund genannt, warum ein gesteigertes Erholungsbedürfnis ausgerechnet mit 58 Jahren eintrete. Zudem könne mit lediglich zwei zusätzlichen Urlaubstagen ein etwaiger höherer Erholungsbedarf nicht ausgeglichen werden. Bei einem stetig steigenden Erholungsbedarf müsste jedenfalls auch die Urlaubsdauer gestaffelt werden. Bei anderen Arbeitnehmergruppen sei ein erhöhter Erholungsbedarf nachvollziehbar. Diese würden jedoch nicht begünstigt. So seien jüngere Arbeitnehmer durch Familie und Beruf oftmals stärker beansprucht als ältere. Die Beklagte habe ihr zur Beseitigung der Diskriminierung jährlich zwei weitere Urlaubstage zu gewähren.

4

Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt

        

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr 36 Arbeitstage Erholungsurlaub zu gewähren.

5

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, ihre Urlaubsregelung beinhalte keine Diskriminierung. Nach der Lebenserfahrung benötigten ältere Arbeitnehmer, die körperlich ermüdende und schwere Arbeiten verrichten, längere Erholungszeiten als jüngere. Zwei zusätzliche Urlaubstage seien angemessen.

6

Das Arbeitsgericht hat die Klage - soweit für die Revision von Bedeutung - abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Feststellungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass die Beklagte nicht verpflichtet ist, der Klägerin auch schon vor der Vollendung der 58. Lebensjahres insgesamt 36 Arbeitstage Erholungsurlaub pro Jahr zu gewähren.

8

I. Die Klage ist in der gebotenen Auslegung zulässig, insbesondere besteht das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.

9

1. Der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit einer Klage, mit der ein Arbeitnehmer den Umfang des ihm zustehenden Urlaubs gerichtlich festgestellt wissen will, nicht entgegen (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 9, BAGE 141, 73; 12. April 2011 - 9 AZR 80/10 - Rn. 13 ff., BAGE 137, 328).

10

2. Die am 10. April 1960 geborene Klägerin hat ein rechtlich anerkennenswertes Interesse daran, alsbald zu erfahren, ob ihr bereits vor der Vollendung ihres 58. Lebensjahres zwei weitere Urlaubstage pro Jahr zustehen. Ihr Antrag bezieht sich dem Wortlaut nach zwar auf den gesamten Jahresurlaub. Er kann jedoch so ausgelegt werden, dass er sich nur auf zwei weitere Urlaubstage im Kalenderjahr bezieht. Zwischen den Parteien besteht kein Streit, dass der Klägerin die vertraglich vereinbarten 34 Urlaubstage pro Jahr zustehen. Die Klägerin hat im Laufe des Verfahrens deutlich gemacht, dass der Antrag auf die Feststellung des Bestehens zweier zusätzlicher Urlaubstage gerichtet ist. Darüber hinaus hat das Landesarbeitsgericht den Klageantrag zutreffend so verstanden, dass er vergangene Urlaubsjahre nicht erfasst. Es handelt sich um einen gegenwartsbezogenen Feststellungsantrag, für dessen Entscheidung grundsätzlich auf die Sachlage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht abzustellen ist (vgl. BAG 15. Mai 2013 - 7 AZR 494/11 - Rn. 15 ff.).

11

II. Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen vor Vollendung ihres 58. Lebensjahres nicht gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 iVm. § 7 Abs. 1 und Abs. 2 AGG zwei weitere Urlaubstage zu. Die Urlaubsregelung ist nicht gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam und führt somit bezüglich der Dauer des Urlaubs der Klägerin nicht zu einer „Anpassung nach oben“(siehe dazu BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 27 ff., BAGE 141, 73; vgl. aber auch BAG 14. Mai 2013 - 1 AZR 44/12 - Rn. 25, BAGE 145, 113).

12

1. Es liegt zwar eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor. Diese ist jedoch gemäß § 10 Satz 1, 2 und Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt.

13

a) Nach § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Unter Alter iSd. § 1 AGG ist das Lebensalter zu verstehen. Dies folgt aus dem Wortlaut des Gesetzes und aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/1780 S. 31; BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 14, BAGE 141, 73; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 36, BAGE 129, 181). Eine unmittelbare Benachteiligung ist nach § 3 Abs. 1 AGG gegeben, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Der für eine unmittelbare Benachteiligung erforderliche Kausalzusammenhang ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen oder mehrere in § 1 AGG genannte Gründe anknüpft oder dadurch motiviert ist(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - aaO mwN).

14

b) Daran gemessen liegt eine unmittelbare Ungleichbehandlung wegen des Alters vor. Die Urlaubsregelung knüpft die Gewährung von zwei weiteren Urlaubstagen an die Vollendung des 58. Lebensjahres und damit unmittelbar an das Lebensalter der Beschäftigten. Arbeitnehmer, die diese Altersgrenze nicht erreicht haben, werden wegen ihres Alters ungünstiger behandelt.

15

c) Die Ungleichbehandlung ist jedoch gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt. Die Regelung bezweckt bei Berücksichtigung eines Gestaltungs- und Ermessensspielraums der Beklagten den in dieser Bestimmung genannten Schutz älterer Beschäftigter und ist geeignet, erforderlich und angemessen im Sinne von § 10 Satz 2 AGG.

16

aa) Nach § 10 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG konkretisiert ua. das legitime Ziel der Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter, wobei dieser Schutz auch die Festlegung besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließen kann (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73).

17

bb) § 10 AGG dient der Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG L 303 vom 2. Dezember 2000 S. 16) in das nationale Recht (BAG 18. März 2014 - 3 AZR 69/12 - Rn. 21). Der Gesetzgeber hat bei der Umsetzung den Text der Richtlinie nahezu wörtlich in das nationale Recht übernommen. Dessen Regelungen sind unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit der Richtlinie unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auszulegen (vgl. BAG 14. März 2012 - 7 AZR 480/08 - Rn. 30).

18

cc) Dem Arbeitgeber steht bei freiwilligen zusätzlichen Leistungen - wozu auch die Gewährung von übergesetzlichem Mehrurlaub gehört - ein von den Gerichten zu respektierender Gestaltungs- und Ermessensspielraum zu (vgl. zu Leistungen der betrieblichen Altersversorgung: BAG 12. November 2013 - 3 AZR 356/12 - Rn. 28; 12. Februar 2013 - 3 AZR 100/11 - Rn. 31 mwN, BAGE 144, 231). Auch in der Rechtsprechung des EuGH ist anerkannt, dass die Mitgliedstaaten und gegebenenfalls die Sozialpartner auf nationaler Ebene beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts nicht nur bei der Entscheidung, welches konkrete Ziel von mehreren im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik sie verfolgen wollen, sondern auch bei der Festlegung der Maßnahmen zu seiner Erreichung über einen weiten Gestaltungsspielraum verfügen (EuGH 16. Oktober 2007 - C-411/05 - [Palacios de la Villa] Rn. 68, Slg. 2007, I-8531). Diese Erwägungen gelten nach dem EuGH auch für Ziele, die der Arbeitgeber mit einer vertraglichen Regelung verfolgt (vgl. EuGH 26. September 2013 - C-476/11 - [HK Danmark] Rn. 61).

19

dd) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Benachteiligung der Arbeitnehmer der Beklagten, die das 58. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, gerechtfertigt.

20

(1) Die Beklagte gewährt den Arbeitnehmern in ihrem Produktionsbetrieb nach der Vollendung des 58. Lebensjahres aufgrund ihres gesteigerten Erholungsbedürfnisses zwei weitere Urlaubstage im Kalenderjahr und bezweckt damit die Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG. Da dieser Schutz die Festlegung besonderer Arbeitsbedingungen einschließt (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73), unterfallen ihm auch zusätzliche Urlaubstage.

21

(a) Das AGG definiert in § 10 Satz 3 Nr. 1 - ebenso wie Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG - nicht, wann ein Beschäftigter „älter“ im Sinne der Norm ist (vgl. zum herkömmlichen Verständnis: BAG 18. September 2014 - 6 AZR 636/13 - Rn. 44). Nach dem Sinn und Zweck des Benachteiligungsverbots reicht es ohne das Vorliegen anderer Differenzierungsgründe nicht aus, dass das Alter der begünstigten Arbeitnehmer höher ist als das Alter der nicht begünstigten. Dementsprechend hat der Senat angenommen, ein Arbeitnehmer sei nach der Vollendung seines 31. Lebensjahres offensichtlich noch kein älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 55, BAGE 132, 210). Aus dem systematischen Zusammenhang mit § 10 Satz 1 AGG und aus dem Regelungszweck folgt, dass die begünstigten Arbeitnehmer aufgrund ihres Alters der Förderung bei der beruflichen Eingliederung oder des Schutzes bedürfen müssen.

22

(aa) Der Senat ist in seiner Entscheidung vom 20. März 2012 nicht davon ausgegangen, dass mit zunehmenden Alter das Erholungsbedürfnis von Arbeitnehmern steige. Er hat allerdings ab einem bestimmten Alter - konkret: bei über 50- oder über 60-jährigen Beschäftigten - ein altersbedingt gesteigertes Erholungsbedürfnis für „eher nachvollziehbar“ gehalten (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 24 f., BAGE 141, 73).

23

(bb) Das Landesarbeitsgericht hat in Übereinstimmung mit der überwiegenden Auffassung im Schrifttum als Erfahrungssatz angenommen, dass mit zunehmenden Alter das Erholungsbedürfnis von Arbeitnehmern steigt (so auch Tempelmann/Stenslik DStR 2011, 1183, 1185 f.; Lingemann/Gotham NZA 2007, 663, 666; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 143 f.; Waltermann NZA 2005, 1265, 1269; Over Das Verbot der Altersdiskriminierung im Arbeitsrecht nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz S. 231; Küttner/Kania Personalbuch 2014 Diskriminierung Rn. 90; vgl. auch Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 - zu II 2 b cc (3) (a) der Gründe mwN). Diese Ansicht ist allerdings nicht unumstritten. So wird auf die Individualität der Alterungsprozesse und den fehlenden Nachweis von Altersklassen mit spezifischem Erholungsbedarf hingewiesen (Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 1 Rn. 822). Die Aufstellung eines generellen Erfahrungssatzes soll dem traditionellen Bild vom „alten Arbeitnehmer“ entsprechen (Däubler/Bertzbach/Brors 3. Aufl. § 10 Rn. 43). Auch wird hervorgehoben, dass der Gesetzgeber in § 3 BUrlG bezüglich der Dauer des Urlaubs nicht nach dem Lebensalter der Arbeitnehmer unterscheide und demnach nicht von einem unterschiedlichen Erholungsbedürfnis ausgehe(Bertelsmann in Rust/Falke AGG § 10 Rn. 93). Auch auf europäischer Ebene sehe Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG vier Wochen Urlaub einheitlich für alle Berufsgruppen altersunabhängig vor(v. Roetteken AGG Stand September 2014 § 10 Rn. 262). Verlangt wird zumindest die Darlegung eines empirischen Befunds zum steigenden Erholungsbedarf unter Beachtung der Tätigkeit bevorzugter Arbeitnehmer (Däubler/Bertzbach/Brors aaO; aA Kasprzyk Altersdiskriminierung im deutschen Arbeitsrecht S. 185).

24

(b) Erfahrungssätze sind Hilfsmittel. Die Feststellung von allgemein anerkannten Erfahrungssätzen ist als Tatfrage den Tatsachengerichten vorbehalten. Dabei ist es diesen nicht verwehrt, das Bestehen oder Nichtbestehen eines Erfahrungssatzes zu beurteilen, wenn sie dazu über ausreichende Sachkunde und Lebenserfahrung verfügen. Andernfalls haben sie sich der Hilfe eines Sachverständigen zu bedienen. Die Zuziehung eines Sachverständigen zur Unterstützung des Gerichts ist gemäß § 144 Abs. 1 ZPO durch die Tatsachengerichte stets nach pflichtgemäßen Ermessen zu prüfen(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 65 mwN, BAGE 132, 210; vgl. allg. zu Erfahrungssätzen: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 73. Aufl. Einf. § 284 Rn. 22).

25

(c) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass das Landesarbeitsgericht von der Zuziehung eines Sachverständigen abgesehen hat. Dieses durfte aufgrund der von ihm festgestellten körperlich anstrengenden Tätigkeiten im Produktionsbetrieb der Beklagten auch ohne Sachverständigengutachten annehmen, dass das Erholungsbedürfnis der dort beschäftigten Arbeitnehmer mit zunehmenden Alter steigt. Ob es einen tätigkeitsunabhängigen generellen Zusammenhang zwischen dem Erholungsbedarf und dem Alter gibt (so etwa Kamanabrou aaO), kann dahinstehen.

26

(aa) Die Annahme eines Erfahrungssatzes dahin gehend, dass bei körperlich belastenden Berufen das Erholungsbedürfnis im höheren Alter steigt, begegnet keinen Bedenken. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die physische Belastbarkeit mit zunehmendem Alter abnimmt (etwa BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 67 mwN, BAGE 132, 210; Bayerischer VGH 24. Oktober 2011 - 3 ZB 08.721 - zu II 1 b der Gründe). Dieser Erfahrungssatz betrifft auch den Wirkungszusammenhang von erreichtem Lebensalter und Krankheitsanfälligkeit (Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 - zu II 2 b cc (3) (a) der Gründe mwN). Alle bekannten privaten und öffentlichen Systeme der Kranken-, Renten- und Lebensversicherung beruhen auf dieser Erwartung (BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 54, BAGE 128, 238). Entgegen der Ansicht der Klägerin kommen auch nicht lediglich Studien älteren Datums - wie etwa die ILO-Empfehlung Nr. 162 vom 23. Juni 1980 oder der WHO Technical Report Series 835 „Aging and Working Capacity” (dt. Übersetzung: „Altern und Arbeit“ 1994) - zu diesem Ergebnis. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen werden bestätigt zB durch den „Fortschrittsreport ‚Altersgerechte Arbeitswelt“, Ausgabe 3 des Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Stand September 2013). Nach diesem hat sich zwar die körperliche Konstitution besonders für die Altersgruppe der 45- bis 64-Jährigen verbessert (Ziff. 3.1). Dennoch zeigt die Studie weiterhin ein Ansteigen der Anzahl der krankheitsbedingten Fehltage sowie eine Verschlechterung des Gesundheitszustands mit fortschreitendem Lebensalter (Ziff. 4.2, Tabelle 2). Insbesondere bei belastenden Berufen nimmt die Anzahl krankheitsbedingter Fehltage im Alter überproportional zu und der Gesundheitszustand verschlechtert sich überproportional (vgl. Ziff. 4.2). Auch bei einfachen Dienstleistungen und einfachen manuellen Berufen verschlechtert sich der „selbstberichtete Gesundheitszustand in der Altersgruppe 55 bis 64 Jahre im Vergleich zum Durchschnitt“ immer noch deutlich (Ziff. 3.4). Zumindest hinsichtlich dieser Berufe erscheint die Annahme eines größeren Erholungsbedarfs im erhöhten Alter als nicht fehlerhaft (ebenso Reinhard ArbRB 2012, 342, 343). Auch Gegner eines allgemeinen Erfahrungssatzes gestehen zu, dass bei gesundheitlich besonders belastenden Tätigkeiten ein gesteigerter Erholungsbedarf mit zunehmendem Alter angenommen werden kann (v. Roetteken aaO; Däubler/Bertzbach/Brors aaO; Löwisch/Rieble § 1 Rn. 823).

27

Soweit das Landesarbeitsgericht auf die teilweise geforderte Darlegung spezifischer empirischer Untersuchungen bezogen auf die Tätigkeiten im Produktionsbetrieb der Beklagten verzichtet hat, ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Durchführung derartiger Untersuchungen wäre praktisch aufwändig und schwierig (weiter gehend Kasprzyk aaO: „unmöglich“). Eine übersteigerte Darlegungslast würde die Einführung freiwilliger Leistungen unzumutbar erschweren. Die Feststellungen durch das Landesarbeitsgericht, dass die Beschäftigten der Beklagten bei der Schuhfertigung körperlich ermüdende und teils schwere Arbeiten leisten, verstärkt durch einen besonderen, prämienbezogenen Zeit- und Qualitätsdruck im Sinne eines Teamakkords, genügt danach als Tatsachenbasis für die Bejahung des dargestellten Erfahrungssatzes.

28

(bb) Der Hinweis auf die fehlende Altersstaffelung in § 3 BUrlG und Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG hilft der Klägerin für die Frage der Legitimität des Zwecks nicht weiter. Die Vorschriften regeln nur die Dauer des Mindesturlaubs und damit das unterste Maß dessen, was nach deutschem und europäischem Urlaubsrecht unabhängig von individuellen Besonderheiten zur Erholung erforderlich ist. Spezifische Charakteristika - wie das Alter oder der physische oder psychische Gesundheitszustand - bleiben bei der Setzung eines einheitlichen Minimalstandards naturgemäß außer Betracht. Auf nationaler Ebene kommt hinzu, dass der Gesetzgeber durchaus gesehen hat, dass es altersabhängig einen unterschiedlichen Erholungsbedarf geben kann, wie etwa § 57 Abs. 2 SeeArbG und § 19 Abs. 2 JArbSchG zeigen(siehe dazu v. Roetteken § 10 Rn. 263).

29

(d) Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die Sicherstellung des Schutzes ihrer Arbeitnehmer nach Vollendung des 58. Lebensjahres als Zweck der zwei weiteren Urlaubstage vorgeschoben hat.

30

(aa) Allerdings ist dieser Zweck nicht unmittelbar der - nicht schriftlich fixierten - Regelung zu entnehmen. Nennt eine Regelung oder Maßnahme kein Ziel, müssen zumindest aus dem Kontext abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter der Regelung oder der Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen, um die Legitimität des Ziels sowie die Angemessenheit und die Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüfen zu können (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 19 mwN, BAGE 141, 73; vgl. zur Richtlinie 2000/78/EG: EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 39 mwN, Slg. 2011, I-6919).

31

(bb) Wenn eine Tarifregelung die Urlaubsdauer nach dem Lebensalter staffelt, liegt die Annahme nahe, die Tarifvertragsparteien hätten einem mit zunehmendem Alter gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollen (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 23, BAGE 141, 73). Diese Annahme darf freilich nicht durch die konkrete Wahl der Altersgrenze(n) widerlegt werden, wie dies bei § 26 TVöD aF, der zusätzliche Urlaubstage bereits ab dem 30. Lebensjahr vorsah, der Fall war (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 24 ff., aaO).

32

(cc) Es ist kein Grund ersichtlich, bei einer individualrechtlichen Regelung nicht ebenfalls grundsätzlich davon auszugehen, dass mit einer Altersgrenze für die Gewährung zusätzlichen Urlaubs einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer Rechnung getragen werden soll. Diese Annahme erscheint umso mehr gerechtfertigt, wenn sie wie hier mit der Anerkennung eines Erfahrungssatzes bezüglich des gesteigerten Erholungsbedarfs bei körperlich belastenden Berufen korreliert. Hinzu kommt, dass die ständige Übung der Beklagten inhaltlich einer einschlägigen tarifvertraglichen Regelung entspricht. So sah der persönlich, fachlich und räumlich einschlägige Manteltarifvertrag vom 23. April 1997, abgeschlossen zwischen dem Hauptverband der Deutschen Schuhindustrie e. V. und der Gewerkschaft Leder sowie der IG BCE, für gewerbliche Arbeitnehmer in § 17 Ziff. 4 Buchst. a ab dem 58. Lebensjahr ebenfalls zwei zusätzliche Urlaubstage vor. Diese Regelung war im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht nicht durch eine neue Bestimmung abgeändert.

33

(dd) Schließlich widerlegt die Altersgrenze von 58 Lebensjahren nicht den Zweck, mit zwei weiteren Urlaubstagen im Kalenderjahr dem gesteigerten Erholungsbedürfnis Rechnung zu tragen. Dabei kann dahinstehen, ab welchem Alter die Annahme, der zusätzliche Urlaub diene dem höheren Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG, nicht mehr ohne Weiteres aufrechterhalten bzw. als widerlegt erachtet werden kann. Der Senat hat in der Entscheidung vom 20. März 2012 gemäß dem Rechtsgedanken aus § 417 Abs. 1 SGB III eine Altersgrenze von 50 Lebensjahren für die Einordnung als älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG in Betracht gezogen(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73; vgl. zu einer solchen Altersgrenze für die Gewährung zusätzlicher Urlaubstage: Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 -). Das Landesarbeitsgericht hat ergänzend darauf verwiesen, dass Leitlinie 17 der Entscheidung des Rates vom 12. Juli 2005 über Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten (2005/600/EG) Arbeitskräfte ab Vollendung des 55. Lebensjahres als ältere Arbeitnehmer erachtet und die WHO-Studiengruppe „Altern und Arbeit“ aus arbeitsmedizinischer Sicht wegen auftretender Schwierigkeiten in Arbeit und Beruf eine Grenze ab dem 45. Lebensjahr angenommen hat (zu A II 15 b bb (3) (b) der Gründe). Das Berufungsgericht hat damit nachvollziehbar begründet, warum es davon ausgeht, dass die Urlaubsregelung einem legitimen Zweck iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG dient und es diesen Zweck nicht lediglich als von der Beklagten vorgeschoben erachtet.

34

(2) Die Regelung ist geeignet, den in § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG beschriebenen Zweck zu fördern. Insbesondere kann die Klägerin nicht mit dem Argument gehört werden, dass die Gewährung von lediglich zwei Urlaubstagen ungeeignet sei, einen altersbedingt erhöhten Erholungsbedarf auszugleichen. Die Geeignetheit ist nicht deshalb zu verneinen, weil ein gestiegener Erholungsbedarf unter Umständen nicht vollständig, sondern nur partiell ausgeglichen wird. Gerade angesichts des vom Arbeitgeber bei einer freiwilligen Leistung selbst gesetzten Dotierungsrahmens wäre die Beschränkung auf einen Teilausgleich nachvollziehbar und zulässig. Zudem haben auch die Tarifvertragsparteien angesichts der Tätigkeit eines Produktionsmitarbeiters in der Schuhbranche zwei Tage Urlaub für geeignet und ausreichend erachtet. Dass die Beklagte sich die von den Sozialpartnern ausgehandelte Regelung zu eigen macht und im Rahmen ihres Ermessensspielraums eine entsprechende Regelung trifft, ist unter dem Aspekt der Geeignetheit der Regelung nicht zu beanstanden.

35

(3) Die Regelung ist auch erforderlich und angemessen (§ 10 Satz 2 AGG). Mildere Mittel, die in gleicher Weise den Schutz älterer Arbeitnehmer verwirklichen könnten, sind nicht ersichtlich.

36

(a) Die Wahl einer anderen, niedrigeren Altersgrenze stellte kein gleich wirksames, milderes Mittel mit geringerem altersspezifischen Effekt dar. Es handelte sich vielmehr um eine andere Maßnahme mit einem erhöhtem Dotierungsrahmen.

37

(b) Eine niedrigere Altersgrenze verbunden mit nur einem weiteren Urlaubstag im Kalenderjahr müsste zwar nicht zwingend zu einer Erhöhung des Dotierungsrahmens führen. Allerdings hätten dann Arbeitnehmer nach Vollendung des 58. Lebensjahres nicht mehr Anspruch auf den zweiten weiteren Urlaubstag, den die Beklagte im Einklang mit dem einschlägigen Tarifvertrag angesichts des gesteigerten Erholungsbedarfs im höheren Alter in der Schuhproduktion für notwendig erachtet. Der Gestaltungs- und Ermessensspielraum der Beklagten lässt auch im Rahmen der Erforderlichkeit und Angemessenheit die von ihr angewandte Regelung zu. Die Interessen der Beteiligten werden hinreichend berücksichtigt. Es werden lediglich in Übereinstimmung mit dem Abwägungsergebnis der Tarifvertragsparteien die Interessen der über 58-Jährigen an einem zusätzlichen Urlaubstag höher gewichtet als die Interessen der übrigen Beschäftigten, schon im jüngeren Alter einen zusätzlichen Urlaubstag zu erhalten.

38

(c) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Beklagte nicht verpflichtet, zusätzliche Urlaubstage nur nach dem individuell ermittelten Erholungsbedarf unter Einbeziehung altersunabhängiger Belastungsfaktoren, wie der Pflege und Betreuung von Kindern, sowie unter Berücksichtigung des individuellen Alterungsprozesses zu gewähren. Zwar mag es zutreffen, dass es weitere Belastungsfaktoren gibt, die zu einem gesteigerten Erholungsbedarf führen können. Jedoch wäre eine solche individuelle Regelung in vielerlei Hinsicht praktisch nicht oder nur mit großen Schwierigkeiten handhabbar. Dies gilt nicht nur bezüglich der Gewichtung der einzelnen (persönlichen) Belastungsfaktoren untereinander, sondern vor allem auch für deren Ermittlung durch die Beklagte. Auch der Gerichtshof der Europäischen Union hat anerkannt, dass bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Regelung im Hinblick auf das Verbot der Altersdiskriminierung zu beachten ist, dass die fragliche Regelung in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht handhabbar bleiben müsse, und deshalb nicht generell verlangt werden könne, dass immer jeder Einzelfall individuell geprüft werde (EuGH 19. Juni 2014 - C-501/12 ua. - [Specht ua.] Rn. 78). Unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten darf der Arbeitgeber daher im Sinne einer typisierenden Betrachtung in Ausübung seines Gestaltungsspielraums auch einen Grund für ein gesteigertes Erholungsbedürfnis - wie etwa das Alter in belastenden Berufen - als Differenzierungskriterium heranziehen. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG enthält kein Gebot, die dort genannten typischerweise besonders schutzbedürftigen Personengruppen (Jugendliche, ältere Beschäftigte und Personen mit Fürsorgepflichten) hinsichtlich besonderer Arbeitsbedingungen gleich zu behandeln.

39

2. Aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz folgt ebenfalls kein Anspruch der Klägerin auf die begehrten zwei zusätzlichen Urlaubstage. Ist - wie hier - die unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmergruppen aus einem in § 1 AGG genannten Grund unter den im AGG normierten Voraussetzungen zulässig, ist auch der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt(ebenso bezüglich des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes: BAG 17. September 2013 - 3 AZR 686/11 - Rn. 25 mwN). Eine sachwidrige Ungleichbehandlung kommt angesichts der Rechtfertigung gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG nicht in Betracht.

40

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Klose    

        

        

        

    M. Lücke    

        

    Kranzusch    

                 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 29. Februar 2012 - 12 Sa 1430/11 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte der Klägerin Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu gewähren hat.

2

Die im November 1944 geborene Klägerin war vom 26. Februar 1996 bis zum 30. Juni 2010 zunächst bei der H GmbH & Co. KG und anschließend bei deren Rechtsnachfolgerin, der D SE, beschäftigt.

3

Die H GmbH & Co. KG hatte allen Mitarbeitern, die - wie die Klägerin - bis zum 30. Juni 1997 eingestellt worden waren, Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach dem Leistungsplan des Beklagten, einer Unterstützungskasse, zugesagt. Der Leistungsplan enthält ua. folgende Regelungen:

§ 1 Arten der Leistungen

(1) Die Unterstützungskasse gewährt:

a) Altersrenten - § 6 -

...

...

(4) Auf diese Leistungen besteht kein Rechtsanspruch. Auch durch die wiederholte oder regelmäßige Zahlung von Alters-, Invaliden-, Witwen-/Witwer- und Waisenrenten sowie anderen Unterstützungen kann weder ein Rechtsanspruch gegen die Unterstützungskasse noch gegen die Firma begründet werden.

Alle Zahlungen erfolgen freiwillig und mit der Möglichkeit des jederzeitigen Widerrufs.

§ 2 Voraussetzungen für die Leistungen

(1) Versorgungsleistungen werden gewährt, wenn der Betriebsangehörige

a) eine anrechnungsfähige Dienstzeit (§ 3) von mindestens 10 Jahren (Wartezeit) erfüllt,

b) bei Eintritt des Versorgungsfalles in einem Arbeitsverhältnis zur Firma steht oder die Voraussetzungen des § 10 vorliegen und

c) nach dem Eintritt des Versorgungsfalles aus den Diensten der Firma oder des derzeitigen Arbeitgebers ausgeschieden ist.

...

§ 3 Anrechnungsfähige Dienstzeit

(1) Als anrechnungsfähige Dienstzeit gilt rentenbegründend die Zeit, die der Betriebsangehörige ununterbrochen in den Diensten der Firma verbracht hat. Zeiten des Elternurlaubes werden hierbei nicht mitgerechnet. Als rentensteigernde Dienstzeit werden nur Dienstjahre angerechnet, in denen der Arbeitnehmer für mehr als 6 volle Monate in einem entgeltpflichtigen Arbeitsverhältnis zur Firma gestanden hat. Nach dem vollendeten 60. Lebensjahr werden Dienstjahre nicht mehr angerechnet. Es werden nur die ersten 30 rentenbegründenden Dienstjahre für die Ermittlung des Rentenanspruches berücksichtigt.

Bei Aufnahme der Tätigkeit nach dem vollendeten 50. Lebensjahr kann eine Anwartschaft auf Versorgungsleistungen nicht mehr erworben werden.

Die anrechnungsfähige Dienstzeit endet im Falle der Gewährung von Invalidenrente mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, spätestens aber 2 Jahre nach dem den Versorgungsfall auslösenden Ereignis.

(2) Angefangene Dienstjahre werden nur berücksichtigt, wenn die Beschäftigungszeit 6 Monate überschreitet.

(3) In begründeten Ausnahmefällen kann zugunsten des Betriebsangehörigen eine abweichende anrechnungsfähige Dienstzeit festgesetzt werden.

Insbesondere können unverschuldete Unterbrechungen als Dienstzeit angerechnet oder nicht als Unterbrechung angesehen werden.

...

§ 5 Höhe der Renten

(1) Die Höhe der Renten richtet sich nach der anrechnungsfähigen Dienstzeit (§ 3) und dem rentenfähigen Einkommen (§ 4). Die Renten werden für Arbeiter und Angestellte nach gleichen Grundsätzen errechnet.

...

§ 6 Altersrente

(1) Altersrente wird den Betriebsangehörigen gewährt, die das 65. Lebensjahr vollendet haben und aus der Firma oder den Diensten des derzeitigen Arbeitgebers ausgeschieden sind.

...

§ 13 Besondere Notfälle

In vereinzelten Fällen besonderer Not oder besonderer Härte kann von den Bestimmungen der vorangegangenen Paragraphen zugunsten der zu Versorgenden abgewichen werden.

...

§ 15 Freiwilligkeit der Leistungen

(1) Die Leistungsempfänger haben keinen Rechtsanspruch auf Leistungen des Vereins. Auch durch wiederholte oder regelmäßige Zahlung von Altersrenten, Invalidenrenten, Witwen-/Witwerrenten und Waisenrenten sowie anderen Unterstützungen kann weder ein Rechtsanspruch gegen den Verein noch gegen die Firma begründet werden.

Alle Zahlungen erfolgen freiwillig und mit der Möglichkeit jederzeitigen Widerrufs.“

4

Die Klägerin hat - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - die Auffassung vertreten, ihr stehe nach dem Leistungsplan ab dem 1. Juli 2010 eine betriebliche Altersrente zu. § 3 Abs. 1 Satz 6 des Leistungsplans sei unwirksam. Das in dieser Bestimmung geregelte Höchstalter von 50 Jahren für die Aufnahme in den vom Leistungsplan begünstigten Personenkreis bewirke eine nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz unzulässige Diskriminierung wegen des Alters. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz sei im Streitfall anwendbar. Jedenfalls hätte der Beklagte nach § 13 des Leistungsplans eine von § 3 Abs. 1 Satz 6 des Leistungsplans abweichende Einzelfallentscheidung zu ihren Gunsten treffen müssen.

5

Die Klägerin hat beantragt

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr mit Wirkung ab dem 1. Juli 2010 eine betriebliche Altersrente iHv. 12 % des monatlichen Durchschnitts ihres Bruttoarbeitseinkommens, das sie in den letzten fünf Dienstjahren von der Firma D SE bezogen hat, zu zahlen und zwar nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB ab Rechtshängigkeit und dann jeweiliger Fälligkeit.

6

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

7

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Antrag weiter. Der Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf eine betriebliche Altersrente ab dem 1. Juli 2010.

9

I. Die Klage ist zulässig, insbesondere liegt das für die Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse vor. Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann auf die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Klägerin begehrt die Feststellung eines Rechtsverhältnisses, nämlich der Verpflichtung des Beklagten, an sie ab dem 1. Juli 2010 eine Altersrente nach dem Leistungsplan zu zahlen. Sie hat auch ein Interesse an alsbaldiger Feststellung dieses Rechtsverhältnisses, da der Beklagte eine dahingehende Verpflichtung leugnet. Der Vorrang der Leistungsklage greift nicht, da die Feststellungsklage eine sachgemäße, einfache Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte ermöglicht und prozesswirtschaftliche Erwägungen gegen einen Zwang zur Leistungsklage sprechen (BAG 12. Februar 2013 - 3 AZR 100/11 - Rn. 13).

10

II. Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung einer betrieblichen Altersrente. Sie ist nach § 3 Abs. 1 Satz 6 des Leistungsplans von Leistungen nach dem Leistungsplan ausgeschlossen, weil sie ihre Tätigkeit bei der H GmbH & Co. KG erst nach der Vollendung ihres 50. Lebensjahrs aufgenommen hat. § 3 Abs. 1 Satz 6 des Leistungsplans ist nicht nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Die durch diese Bestimmung bewirkte unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters ist gemäß § 10 Satz 1 und 2, Satz 3 Nr. 4 AGG gerechtfertigt. § 3 Abs. 1 Satz 6 des Leistungsplans führt nicht zu einer Diskriminierung wegen des Geschlechts und verstößt auch nicht gegen die Vorschriften des Betriebsrentengesetzes über die gesetzliche Unverfallbarkeit. Der Beklagte ist auch nicht nach § 13 des Leistungsplans verpflichtet, an die Klägerin ab dem 1. Juli 2010 eine Altersrente zu zahlen.

11

1. Der Beklagte ist passivlegitimiert. Trotz des Ausschlusses eines Rechtsanspruchs bei Unterstützungskassen (§ 1b Abs. 4 Satz 1 BetrAVG) haben Arbeitnehmer in den Fällen, in denen der Arbeitgeber die Leistungen einer Unterstützungskasse versprochen hat, einen Anspruch auch gegen die Unterstützungskasse. Der Ausschluss des Rechtsanspruchs ist lediglich als ein an sachliche Gründe gebundenes Widerrufsrecht zu verstehen (vgl. BAG 16. Februar 2010 - 3 AZR 216/09 - Rn. 69, BAGE 133, 158).

12

2. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung einer betrieblichen Altersrente ab dem 1. Juli 2010 nach § 1 Abs. 1 Buchst. a, § 6 Abs. 1 des Leistungsplans. Der Anspruch ist gemäß § 3 Abs. 1 Satz 6 des Leistungsplans ausgeschlossen.

13

a) Nach § 3 Abs. 1 Satz 6 des Leistungsplans kann bei Aufnahme der Tätigkeit nach dem vollendeten 50. Lebensjahr eine Anwartschaft auf Versorgungsleistungen nicht mehr erworben werden. Da die im November 1944 geborene Klägerin bei Aufnahme ihrer Tätigkeit bei der H GmbH & Co. KG am 26. Februar 1996 das 50. Lebensjahr bereits vollendet hatte, konnte sie nach dem Leistungsplan eine Anwartschaft auf Versorgungsleistungen nicht mehr erwerben.

14

b) § 3 Abs. 1 Satz 6 des Leistungsplans ist nicht nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Zwar bewirkt das in dieser Bestimmung geregelte Höchstalter von 50 Jahren für die Aufnahme in den nach dem Leistungsplan begünstigten Personenkreis eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters iSd. § 3 Abs. 1 AGG. Diese Diskriminierung ist jedoch gemäß § 10 Satz 1 und 2, Satz 3 Nr. 4 AGG gerechtfertigt. § 3 Abs. 1 Satz 6 des Leistungsplans bewirkt auch keine Diskriminierung wegen des Geschlechts. Es kann deshalb dahinstehen, ob ein Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz - wie die Klägerin meint - zur Unwirksamkeit von § 3 Abs. 1 Satz 6 des Leistungsplans mit Wirkung für die Vergangenheit oder - wie das Landesarbeitsgericht angenommen hat - lediglich mit Wirkung für die Zeit ab dem Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes führen würde und welche Folgen dies für die Wartezeitregelung in § 2 Abs. 1 Buchst. a des Leistungsplans hätte.

15

aa) Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ist im Streitfall anwendbar.

16

(1) Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz gilt trotz der in § 2 Abs. 2 Satz 2 AGG enthaltenen Verweisung auf das Betriebsrentengesetz auch für die betriebliche Altersversorgung, soweit das Betriebsrentenrecht nicht vorrangige Sonderregelungen enthält(BAG 11. Dezember 2012 - 3 AZR 634/10 - Rn. 14; 11. Dezember 2007 - 3 AZR 249/06 - Rn. 22 ff., BAGE 125, 133). Letzteres ist vorliegend nicht der Fall.

17

(2) Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz gilt auch im Verhältnis zum Beklagten, obwohl dieser nicht Arbeitgeber der Klägerin iSd. § 6 Abs. 2 AGG war(aA Cisch/Böhm BB 2007, 602, 604). Dies folgt aus den Wertungen des § 1b BetrAVG. Wird die betriebliche Altersversorgung - wie hier - von einer Unterstützungskasse durchgeführt, bestimmen sich die Voraussetzungen, unter denen eine Versorgungsanwartschaft gesetzlich unverfallbar ist, nach § 1b Abs. 4 BetrAVG. Diese Vorschrift verweist in ihrem Satz 1 auf § 1b Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BetrAVG, der die Voraussetzungen der Unverfallbarkeit einer Anwartschaft auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung regelt, die auf einer unmittelbaren Versorgungszusage des Arbeitsgebers beruhen. Die hierzu in § 1b Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BetrAVG getroffenen Bestimmungen werden ihrerseits durch § 1b Abs. 1 Satz 4 BetrAVG konkretisiert. Danach stehen der Verpflichtung aus einer Versorgungszusage auch Versorgungsverpflichtungen gleich, die auf dem Grundsatz der Gleichbehandlung beruhen. Auch diese ergänzende Konkretisierung ist von dem Verweis in § 1b Abs. 4 Satz 1 BetrAVG auf § 1b Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BetrAVG erfasst(vgl. BAG 16. Februar 2010 - 3 AZR 216/09 - Rn. 70, BAGE 133, 158). Dasselbe gilt für das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters und des Geschlechts nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (vgl. BAG 11. Dezember 2007 - 3 AZR 249/06 - Rn. 47, BAGE 125, 133), weshalb dieses Gesetz über die Verweisung in § 1b Abs. 4 Satz 1 BetrAVG auf § 1b Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BetrAVG auch im Verhältnis zur beklagten Unterstützungskasse Anwendung findet. Ist § 3 Abs. 1 Satz 6 des Leistungsplans des Beklagten diskriminierend und folgen daraus nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen weitere Ansprüche, richten sich diese auch gegen den Beklagten.

18

(3) Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ist auch in zeitlicher Hinsicht anwendbar. Nach Art. 4 des Gesetzes zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung vom 14. August 2006 (BGBl. I S. 1897), das am 17. August 2006 verkündet wurde, trat das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz am 18. August 2006 in Kraft. Zu diesem Zeitpunkt stand die Klägerin noch in einem Arbeitsverhältnis mit der D SE.

19

bb) Die in § 3 Abs. 1 Satz 6 des Leistungsplans geregelte Höchstaltersgrenze von 50 Jahren für die Aufnahme in den vom Leistungsplan des Beklagten begünstigten Personenkreis ist nicht nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Diese Regelung führt weder zu einer ungerechtfertigten Diskriminierung wegen des Alters nach §§ 1, 3 Abs. 1, § 7 AGG noch bewirkt sie eine unzulässige Benachteiligung wegen des Geschlechts.

20

(1) Nach § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen der in § 1 AGG genannten Gründe, ua. wegen des Alters und des Geschlechts, benachteiligt werden. Unzulässig sind unmittelbare und mittelbare Benachteiligungen. Eine unmittelbare Benachteiligung ist nach § 3 Abs. 1 AGG gegeben, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Nach § 3 Abs. 2 AGG liegt eine mittelbare Benachteiligung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich. Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG verstoßen, sind nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam(BAG 12. Februar 2013 - 3 AZR 100/11 - Rn. 24; 11. Dezember 2012 - 3 AZR 634/10 - Rn. 17).

21

(2) Die Höchstaltersgrenze von 50 Jahren nach § 3 Abs. 1 Satz 6 des Leistungsplans bewirkt keine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters iSd. §§ 1, 3 Abs. 1 und § 7 AGG. Zwar erfährt die Klägerin danach wegen ihres Alters eine ungünstigere Behandlung als eine Person, die bei Beginn des Arbeitsverhältnisses das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Die darin liegende Ungleichbehandlung ist jedoch nach § 10 AGG sachlich gerechtfertigt.

22

(a) Nach § 10 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. § 10 Satz 3 AGG enthält eine Aufzählung von Tatbeständen, wonach derartige unterschiedliche Behandlungen insbesondere gerechtfertigt sein können. Nach § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG ist dies der Fall bei der Festsetzung von Altersgrenzen bei betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente. Indem der Gesetzgeber den in Nr. 4 geregelten Tatbestand in die Rechtfertigungsgründe des § 10 Satz 3 AGG eingeordnet hat, hat er zum Ausdruck gebracht, dass die Festsetzung von Altersgrenzen für den Zugang zu betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit und damit auch zur betrieblichen Altersversorgung und für den Bezug von Altersrente grundsätzlich als ein von einem legitimen Ziel getragenes Mittel iSv. § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG zulässig sein soll. Da eine solche Altersgrenze in der jeweiligen Versorgungsregelung festzusetzen ist, muss die konkret gewählte Altersgrenze iSv. § 10 Satz 2 AGG angemessen sein(BAG 17. September 2013 - 3 AZR 686/11 - Rn. 18; 12. Februar 2013 - 3 AZR 100/11 - Rn. 26).

23

(b) § 10 AGG dient der Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG L 303 S. 16, im Folgenden: Richtlinie 2000/78/EG) in das nationale Recht. Die Bestimmung ist mit Unionsrecht vereinbar (BAG 12. Februar 2013 - 3 AZR 100/11 - Rn. 27 ff.; 11. August 2009 - 3 AZR 23/08 - Rn. 37 ff., BAGE 131, 298).

24

(aa) Nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Für den Bereich der Versorgung im Alter enthält Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG eine Spezialregelung. Danach können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit die Festsetzung von Altersgrenzen als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente keine Diskriminierung wegen des Alters darstellt, solange dies nicht zu Diskriminierungen wegen des Geschlechts führt. Die Mitgliedstaaten sind demnach, soweit es um diese Systeme geht, bei der Umsetzung in nationales Recht nicht verpflichtet, die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG einzuhalten. Die Festsetzung von Altersgrenzen in den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit ist somit unionsrechtlich in der Regel zulässig. Damit werden Hindernisse, die der Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung entgegenstehen können, beseitigt (BAG 17. September 2013 - 3 AZR 686/11 - Rn. 20; 12. Februar 2013 - 3 AZR 100/11 - Rn. 28; 11. August 2009 - 3 AZR 23/08 - Rn. 40, BAGE 131, 298).

25

(bb) Diesen Vorgaben genügt § 10 AGG. Es kann offenbleiben, ob Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG eine Verhältnismäßigkeitsprüfung der für die Mitgliedschaft in einem System der betrieblichen Altersversorgung oder den Bezug von Altersrente bestimmten Altersgrenze erfordert(vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 7. Februar 2013 in der Rechtssache - C-476/11 - [HK Danmark]). Sollte dies der Fall sein, hätte der nationale Gesetzgeber Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG nahezu unverändert in das nationale Recht übernommen. Sollte dies nicht der Fall sein, wäre der Gesetzgeber, indem er die Nr. 4 in die Rechtfertigungsgründe des § 10 Satz 3 AGG eingeordnet und somit § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG für anwendbar erklärt hat, sogar über die Anforderungen des Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG hinausgegangen. Zwar findet sich im Gesetzestext die in Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG enthaltene Einschränkung „solange dies nicht zu Diskriminierungen wegen des Geschlechts führt“, nicht wieder. Das bedeutet aber nicht, dass § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG hinter Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG zurückbliebe. Ausweislich der Entstehungsgeschichte der Vorschrift darf nach dem Willen des nationalen Gesetzgebers die Festsetzung von Altersgrenzen nicht zu einer Benachteiligung wegen des Geschlechts oder wegen eines anderen in § 1 AGG genannten Grundes führen(BT-Drucks. 16/1780 S. 36). Dies ergibt sich auch daraus, dass eine Regelung, die zu einer Diskriminierung wegen des Geschlechts führt, nicht iSv. § 10 Satz 2 AGG angemessen sein kann. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass der nationale Gesetzgeber davon abgesehen hat, konkrete Altersgrenzen für die Teilnahme an einer betrieblichen Altersversorgung oder die Aufnahme in ein Versorgungswerk selbst zu bestimmen. Der Gesetzgeber muss die wegen eines sozialpolitischen Ziels für geboten erachtete Ungleichbehandlung nicht im Detail selbst regeln, sondern kann Gestaltungs- und Beurteilungsspielräume einräumen (vgl. EuGH 16. Oktober 2007 - C-411/05 - [Palacios de la Villa] Rn. 68, 74, Slg. 2007, I-8531; BAG 17. September 2013 - 3 AZR 686/11 - Rn. 21; 12. Februar 2013 - 3 AZR 100/11 - Rn. 29 mwN).

26

(cc) Das vom nationalen Gesetzgeber verfolgte Ziel der Förderung der betrieblichen Altersversorgung ist ein legitimes Ziel iSd. § 10 Satz 1 AGG. Um dieses Ziel zu fördern, hat der Gesetzgeber mit § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG zur Gestaltung der betrieblichen Altersversorgung in Versorgungsordnungen das Mittel der Festsetzung von Altersgrenzen für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrenten zur Verfügung gestellt. Von dieser Möglichkeit kann grundsätzlich auch der einzelne Arbeitgeber bei der Schaffung von Versorgungsregelungen Gebrauch machen. Allerdings muss die konkret festgelegte Altersgrenze nach § 10 Satz 2 AGG angemessen sein(BAG 17. September 2013 - 3 AZR 686/11 - Rn. 22; 12. Februar 2013 - 3 AZR 100/11 - Rn. 30).

27

(c) Die in § 3 Abs. 1 Satz 6 des Leistungsplans bestimmte Höchstaltersgrenze von 50 Jahren für die Aufnahme in den vom Leistungsplan begünstigten Personenkreis ist gerechtfertigt iSv. § 10 AGG.

28

(aa) Dem Arbeitgeber steht bei freiwilligen zusätzlichen Leistungen - wozu auch Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zählen - ein von den Gerichten zu respektierender Gestaltungs- und Ermessensspielraum zu (vgl. BAG 17. September 2013 - 3 AZR 686/11 - Rn. 23; 12. Februar 2013 - 3 AZR 100/11 - Rn. 31; 18. September 2001 - 3 AZR 656/00 - zu 2 a der Gründe, BAGE 99, 53). Dies ist seiner Bereitschaft geschuldet, sich freiwillig zu einer von ihm zu finanzierenden betrieblichen Zusatzversorgung zu verpflichten. Durch die Festlegung der Voraussetzungen für die Aufnahme in ein betriebliches System der Altersversorgung wird zudem der Dotierungsrahmen des Arbeitgebers bestimmt. Diese Gestaltungsfreiheit eröffnet dem Arbeitgeber grundsätzlich auch die Möglichkeit, eine Höchstaltersgrenze für die Aufnahme in den von der Versorgungsordnung begünstigten Personenkreis festzulegen (vgl. BAG 17. September 2013 - 3 AZR 686/11 - Rn. 23; 12. Februar 2013 - 3 AZR 100/11 - Rn. 31 ff.). Allerdings darf der Arbeitgeber bei der Festlegung einer Höchstaltersgrenze als Voraussetzung für Leistungen der betrieblichen Altersversorgung die berechtigten Belange der betroffenen Arbeitnehmer nicht außer Acht lassen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die betriebliche Altersversorgung nicht nur Versorgungs-, sondern auch Entgeltcharakter hat (vgl. BAG 17. September 2013 - 3 AZR 686/11 - Rn. 23; 12. Februar 2013 - 3 AZR 100/11 - Rn. 32). Damit dürfte etwa eine Regelung, die zur Folge hat, dass während eines beträchtlichen Teils eines typischen Erwerbslebens keine Versorgungsanwartschaften erworben werden können, nicht zu vereinbaren sein. Eine Höchstaltersgrenze als Anspruchsvoraussetzung für Leistungen der betrieblichen Altersversorgung darf auch nicht zu einer mittelbaren Benachteiligung wegen des Geschlechts führen. Deshalb ist bei einer solchen Regelung darauf Bedacht zu nehmen, dass Frauen häufig nach einer familiär bedingten Unterbrechung der Berufstätigkeit zur Kinderbetreuung und -erziehung in das Erwerbsleben zurückkehren und ihnen auch in der Folgezeit grundsätzlich die Möglichkeit eröffnet werden soll, noch Ansprüche auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu erwerben.

29

(bb) Danach ist der Ausschluss der Beschäftigten, die erst nach der Vollendung ihres 50. Lebensjahrs ihre Tätigkeit bei der H GmbH & Co. KG aufgenommen haben, von den Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach dem Leistungsplan nach § 10 AGG gerechtfertigt. Zwar können Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nach Vollendung des 50. Lebensjahrs beginnt, keine Versorgungsanwartschaften erwerben. Dies ist jedoch noch hinnehmbar, weil diese Arbeitnehmer in der Zeit vor der Vollendung des 50. Lebensjahrs bei einem anderen Arbeitgeber ausreichend Zeit hatten, Betriebsrentenanwartschaften zu erdienen oder für ihre Altersversorgung anderweitig vorzusorgen und der Zeitraum von der Vollendung des 50. Lebensjahrs bis zum Erreichen der Altersgrenze im Hinblick darauf, dass ein Erwerbsleben bei typisierender Betrachtung mindestens 40 Jahre und mehr umfasst, noch nicht unangemessen lang ist.

30

Der Leistungsplan des Beklagten steht hierzu nicht in Widerspruch, sondern bestätigt vielmehr diese Wertung. Zwar erwirbt der Betriebsangehörige, der seine Tätigkeit vor der Vollendung des 50. Lebensjahrs aufgenommen und die Wartezeit nach § 2 Abs. 1 Buchst. a des Leistungsplans von zehn Jahren erfüllt hat, Anwartschaften auf Leistungen nach dem Leistungsplan. Allerdings verhält sich die Höhe der versprochenen Betriebsrente nicht proportional zu den tatsächlich abgeleisteten Dienstjahren. Nach § 3 Abs. 1 Satz 4 des Leistungsplans werden nach dem vollendeten 60. Lebensjahr Dienstjahre nicht mehr angerechnet. Nach § 3 Abs. 1 Satz 5 des Leistungsplans werden nur die ersten 30 rentenbegründeten Dienstjahre bei der Ermittlung des Rentenanspruchs berücksichtigt. Diese Bestimmungen, die erkennbar der Begrenzung des Versorgungsaufwands dienen, wirken sich im Ergebnis dahin aus, dass auch nach dem Leistungsplan nicht für sämtliche möglichen Dienstjahre, sondern nur für einen Teil der möglichen Dienstjahre und damit nur für einen Teil des typischen Erwerbslebens Leistungen der betrieblichen Altersversorgung beansprucht werden können. Nach dem Leistungsplan beträgt dieser Teil maximal 30 Jahre. In dieses Gesamtkonzept fügt sich § 3 Abs. 1 Satz 6 des Leistungsplans, der die Betriebsangehörigen von den Versorgungsleistungen nach dem Leistungsplan ausnimmt, die bei Aufnahme ihrer Tätigkeit bei der H GmbH & Co. KG das 50. Lebensjahr vollendet hatten, ohne Weiteres ein. Diese Betriebsangehörigen hatten nach den Wertungen des Leistungsplans in der Zeit vor Vollendung ihres 50. Lebensjahrs entweder bei einem anderen Arbeitgeber ausreichend Zeit, Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung zu erwerben oder für ihre Altersversorgung anderweitig vorzusorgen. Dies ist bei typisierender Betrachtung gerade noch hinnehmbar und benachteiligt die berechtigten Interessen der Betriebsangehörigen noch nicht unangemessen.

31

(cc) Die in § 3 Abs. 1 Satz 6 des Leistungsplans geregelte Höchstaltersgrenze von 50 Jahren führt auch nicht zu einer mittelbaren Diskriminierung von Frauen. Bei typisierender Betrachtung ist mit dem Wiedereintritt in das Berufsleben nach Zeiten der Kindererziehung bereits vor der Vollendung des 50. Lebensjahrs zu rechnen (BAG 12. Februar 2013 - 3 AZR 100/11 - Rn. 34).

32

c) Da Art. 2 der Richtlinie 2006/54/EG und Art. 141 EG(nunmehr Art. 157 AEUV) sowie die das nunmehr in Art. 21 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union niedergelegte primärrechtliche Verbot der Diskriminierung wegen des Alters konkretisierende Richtlinie 2000/78/EG durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz in das nationale Recht umgesetzt wurden und die Prüfungsmaßstäbe nach den §§ 10, 7, 3 und 1 AGG die gleichen sind wie bei den unionsrechtlichen Vorgaben(vgl. BAG 20. April 2010 - 3 AZR 509/08 - Rn. 82, BAGE 134, 89), verstößt § 3 Abs. 1 Satz 6 des Leistungsplans auch nicht gegen Unionsrecht.

33

d) Der Zulässigkeit der Festlegung einer Höchstaltersgrenze von 50 Jahren für die Aufnahme in den von einer Versorgungsregelung begünstigten Personenkreis stehen die kürzeren Unverfallbarkeitsfristen des § 1b Abs. 1 BetrAVG - ggf. iVm. § 30f BetrAVG - nicht entgegen. Ein Arbeitnehmer, der aufgrund der privatautonom festgelegten Anspruchsvoraussetzungen - wie vorliegend des Höchsteintrittsalters vor Vollendung des 50. Lebensjahrs - nie darauf vertrauen durfte, dass er einen Versorgungsanspruch erwerben würde, erwirbt auch dann keine unverfallbaren Versorgungsanwartschaften, wenn die Voraussetzungen des § 1b Abs. 1 BetrAVG erfüllt sind(vgl. BAG 12. Februar 2013 - 3 AZR 100/11 - Rn. 37 mwN).

34

3. Der Beklagte ist auch nicht nach § 13 des Leistungsplans verpflichtet, an die Klägerin ab dem 1. Juli 2010 eine betriebliche Altersrente zu zahlen. Nach dieser Bestimmung kann zwar in vereinzelten Fällen besonderer Not oder besonderer Härte von den Bestimmungen des Leistungsplans zugunsten der zu Versorgenden abgewichen werden. Die Klägerin hat jedoch weder einen Fall besonderer Not noch einen besonderen Härtefall dargelegt.

35

a) Härtefallklauseln in Versorgungsordnungen sollen nur verhindern, dass die Anwendung der Ruhegeldregelung in besonders gelagerten und nicht vorhersehbaren Einzelfällen zu Ergebnissen führt, die unangemessen erscheinen und nicht dem Sinn der Regelung entsprechen (vgl. zu § 28 Satz 1 HmbZVG BAG 20. August 2013 - 3 AZR 333/11 - Rn. 41). Dabei geht es nur um die Abmilderung der Rechtsfolgen in Grenzfällen (BAG 29. März 1983 - 3 AZR 26/81 - zu I 2 der Gründe). Härtefallklauseln sind demgegenüber nicht dazu bestimmt, eine generelle Korrektur der Versorgungsgrundsätze oder eine Änderung des Regelungszwecks zu ermöglichen. Danach kommt ein Härtefall nur in Betracht, wenn jemand über das angestrebte Regelungsziel hinausgehend erheblich betroffen wird, weil er aufgrund besonderer Umstände ausnahmsweise die Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt (vgl. BAG 27. Juni 2006 - 3 AZR 352/05 (A) - Rn. 20, BAGE 118, 340). Ob der Arbeitgeber von der in der Härtefallklausel vorgesehenen Möglichkeit zur Ausnahmeentscheidung Gebrauch macht, steht nicht in seinem freien Belieben, sondern unterliegt als Ermessensentscheidung einer Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB(vgl. BAG 25. April 1995 - 3 AZR 365/94 - zu II 4 a der Gründe; 9. November 1978 - 3 AZR 748/77 - zu III 1 der Gründe). Dabei ist das Verhältnis von Regel und Ausnahme zu beachten (BAG 25. April 1995 - 3 AZR 365/94 - zu II 4 a der Gründe mwN).

36

b) Danach liegt ein Härtefall iSv. § 13 des Leistungsplans nicht vor. Die Klägerin hatte bei Aufnahme ihrer Tätigkeit bei der H GmbH & Co. KG am 26. Februar 1996 die in § 3 Abs. 1 Satz 6 des Leistungsplans bestimmte Höchstaltersgrenze nicht nur unerheblich überschritten. Sie war zu diesem Zeitpunkt 51 Jahre und drei Monate alt. Zudem wäre die Nähe zur Altersgrenze als solche noch kein Härtefall (vgl. BAG 12. Februar 2013 - 3 AZR 636/10 - Rn. 116).

37

4. Der Senat kann über die Vereinbarkeit von § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG sowie § 3 Abs. 1 Satz 6 des Leistungsplans mit Unionsrecht selbst entscheiden. Ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht geboten. Die Auslegung des den Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes zugrunde liegenden unionsrechtlichen Grundsatzes des Verbots der Diskriminierung wegen des Alters einschließlich des Rückgriffs auf die Richtlinie 2000/78/EG zu dessen Konkretisierung ist durch die Entscheidungen des Gerichtshofs in der Rechtssache „Kücükdeveci“ (EuGH 19. Januar 2010 - C-555/07 - Slg. 2010, I-365) und in der Rechtssache „Prigge ua.“ (EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - Slg. 2011, I-8003) geklärt, so dass eine Vorlagepflicht entfällt (vgl. EuGH 6. Oktober 1982 - C-283/81 - [C.I.L.F.I.T.] Slg. 1982, 3415). Einer Vorabentscheidung zur Auslegung von Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG bedarf es ebenfalls nicht. Es kann dahinstehen, ob eine für die Mitgliedschaft in einem System der betrieblichen Altersversorgung oder den Bezug von Altersrente bestimmte Altersgrenze nach den Vorgaben in Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG einer Verhältnismäßigkeitsprüfung standhalten muss oder ob es einer solchen Prüfung nicht bedarf(vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 7. Februar 2013 in der Rechtssache - C-476/11 - [HK Danmark]); denn die Altersgrenze von 50 Jahren in § 3 Abs. 1 Satz 6 des Leistungsplans ist entsprechend den Anforderungen des § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG angemessen und verhältnismäßig. Ob eine Diskriminierung wegen des Alters iSd. Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG sachlich gerechtfertigt ist, ist von den nationalen Gerichten zu prüfen(vgl. EuGH 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 47, Slg. 2009, I-1569).

38

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Schlewing    

        

    Spinner    

        

    Ahrendt     

        

        

        

    Heuser    

        

    Hormel    

                 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. November 2010 - 14 Sa 1328/10 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu gewähren.

2

Die im Februar 1942 geborene Klägerin war in der Zeit vom 15. Juli 1997 bis zum 29. Februar 2008 bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin tätig. Die Beschäftigung erfolgte zunächst auf der Grundlage eines unbefristeten Arbeitsvertrags. Vor der Vollendung des 65. Lebensjahres der Klägerin schlossen die Parteien am 2. Januar 2007 für die Zeit vom 1. März 2007 bis zum 29. Februar 2008 einen befristeten Arbeitsvertrag.

3

Im Dezember 1999 hatte der Geschäftsführer der Beklagten gegenüber den damals 90 Arbeitnehmern bekannt gegeben, dass beabsichtigt sei, künftig Betriebsrenten zu zahlen. Gegenüber der Klägerin und einem weiteren Mitarbeiter äußerte der Geschäftsführer, dass sie die bei einer Versicherung abgeschlossene Betriebsrente nicht erhielten, weil sie zu alt seien.

4

Die Beklagte gründete zur Durchführung der Altersversorgung im Jahr 1999 eine Unterstützungskasse, den D Versorgungswerk e.V. Allgemeine Regelungen der betrieblichen Altersversorgung wurden in einem Leistungsplan getroffen. Dieser bestimmt ua.:

        

„Präambel

        

Das D-Versorgungswerk e. V. gewährt den Zugehörigen des Unternehmens D GmbH Leistungen im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge gemäß der Satzung und den entsprechenden Gesetzen (Betr.AVG) für Unterstützungskassen. Der Leistungsplan gilt als allgemeine Regelung und ist in Verbindung mit den einzelnen Leistungszusagen zu sehen.

        

Dieser Leistungsplan hat seine Gültigkeit in seiner jetzigen Fassung und kann bei Bedarf vom Vorstand geändert werden, wenn dieses die Belange des Versorgungswerkes und/oder des Trägerunternehmens erforderlich machen.

                 
        

Leistungsarten und -form

        

Der Verein gewährt den Zugehörigen unterschiedlicher Gruppen des Trägerunternehmens Leistungen der betrieblichen Altersversorgung in Form von Kapital- oder Rentenleistungen mit Erreichen der Altersgrenze nach Vollendung des 65. Lebensjahres.

        

…       

        

Aus heutiger Sicht sollen die Leistungsempfänger bei Erreichen der Altersgrenze mit Kapitalleistungen abgefunden werden. Je nach Entwicklung der Kassenlage können aber auch auf Beschluss des Vorstandes Rentenleistungen gewährt werden.

        

…“    

5

Die Leistung der betrieblichen Altersversorgung wird für den betreffenden Arbeitnehmer vom Versorgungswerk individuell berechnet.

6

In der Folgezeit erteilte die Beklagte denjenigen Mitarbeitern Einzelzusagen für die betriebliche Altersversorgung, die bestimmte, von der Beklagten formlos aufgestellte Voraussetzungen erfüllten; danach war der Bestand eines Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten am 31. Dezember 1999 und die Erreichbarkeit einer 15-jährigen Betriebszugehörigkeit bis zur Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung erforderlich.

7

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf Gewährung von Versorgungsleistungen ab dem 1. März 2008. Der Geschäftsführer der Beklagten habe ihr im Dezember 1999 mitgeteilt, dass sie zwar keine Betriebsrente aus der abgeschlossenen Versicherung erhalte, er sich aber für sie etwas Entsprechendes einfallen lassen werde. Diese Erklärung habe sie so verstanden, dass sie eine anteilige Direktzahlung durch die Beklagte erhalten werde. Im April oder Mai 2000 habe der Geschäftsführer gegenüber den Mitarbeitern geäußert, sie müssten sich keine Gedanken über ihr Alter machen, da niemand weniger haben werde als das, was er jetzt bekomme. Außerdem habe er erklärt, Voraussetzung für eine Betriebsrente sei eine Betriebszugehörigkeit von mehr als zehn Jahren. Diese Voraussetzung erfülle sie. Von einer erreichbaren Betriebszugehörigkeitszeit von mindestens 15 Jahren bis zur Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung sei nicht die Rede gewesen. Eine solche Wartezeitregelung sei im Übrigen unzulässig. Sie sei sachwidrig und bewirke eine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters und des Geschlechts. Die Beklagte schulde mindestens eine monatliche Rente iHv. 1.102,35 Euro brutto. Dies entspreche 50 vH ihrer zuletzt bezogenen Nettovergütung.

8

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr ab dem 1. März 2008 eine monatliche Betriebsrente iHv. mindestens 1.102,35 Euro brutto monatlich zu zahlen oder in einer Summe abzugelten,

        

hilfsweise

        

1.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr ab 1. Oktober 2012 eine in das pflichtgemäße Ermessen der Beklagten gestellte Betriebsrente zu zahlen oder in einer Summe abzugelten und dabei die Klägerin so zu stellen, als seien vom Jahr 1999 an bis zum 29. Februar 2008 Beiträge an das D-Versorgungswerk e.V. für sie gezahlt worden,

        

2.    

die Berechnung der Betriebsrente nachvollziehbar darzulegen.

9

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, der Klägerin stehe keine betriebliche Altersversorgung zu. Voraussetzung für die Gewährung einer Zusage auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung sei ua. die Erreichbarkeit einer mindestens 15-jährigen Betriebszugehörigkeit bis zur gesetzlichen Regelaltersgrenze. Diese Voraussetzung habe die Klägerin nicht erfüllen können.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre zuletzt gestellten Anträge weiter. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klage ist mit dem Haupt- und dem ersten Hilfsantrag zulässig, aber unbegründet. Der zweite Hilfsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an.

12

I. Der Hauptantrag und der erste Hilfsantrag sind als Feststellungsanträge zulässig.

13

1. Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann auf die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Klägerin begehrt die Feststellung eines Rechtsverhältnisses, nämlich der Versorgungsverpflichtung der Beklagten ab dem 1. März 2008 (Hauptantrag) bzw. dem 1. Oktober 2012 (Hilfsantrag). Sie hat auch ein Interesse an alsbaldiger Feststellung dieses Rechtsverhältnisses, da die Beklagte die geltend gemachte Pflicht zur Versorgung der Klägerin durch Gewährung einer laufenden Betriebsrente oder einer einmaligen Kapitalzahlung leugnet. Der Vorrang der Leistungsklage greift nicht, da die Feststellungsklage eine sachgemäße, einfache Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte ermöglicht und prozesswirtschaftliche Erwägungen gegen einen Zwang zur Leistungsklage sprechen (vgl. BAG 15. November 2011 - 3 AZR 113/10 - Rn. 18, AP BetrAVG § 1 Auslegung Nr. 27; 18. November 2003 - 3 AZR 655/02 - zu A der Gründe).

14

2. Der Haupt- und der erste Hilfsantrag sind hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Dem steht nicht entgegen, dass der Beklagten die Wahl zwischen der Zahlung einer laufenden monatlichen Rentenleistung einerseits und der Zahlung einer einmaligen Kapitalleistung andererseits erhalten werden soll. Nach dem Leistungsplan des D Versorgungswerk e.V. hat die Beklagte eine Wahlschuld iSd. § 262 BGB. Eine Wahlschuld liegt vor, wenn mehrere Leistungen in der Weise geschuldet werden, dass nach späterer Wahl nur eine von ihnen zu erbringen ist. Auch eine Wahlschuld kann eine bestimmte Leistung sein, weil nur ein einheitlicher Anspruch besteht, der jedoch einen alternativen Inhalt hat (BAG 17. Mai 2011 - 1 AZR 473/09 - Rn. 24, BAGE 138, 68; Palandt/Grüneberg 72. Aufl. § 262 Rn. 1). Der Gläubiger muss in diesem Fall eine Klage mit alternativen Anträgen erheben (Palandt/Grüneberg § 264 Rn. 2). Dem hat die Klägerin mit ihrer Antragstellung entsprochen.

15

II. Die Klage ist mit dem Haupt- und dem ersten Hilfsantrag unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass die Klägerin ihren Anspruch nicht mit Erfolg auf eine ihr erteilte Versorgungszusage stützen kann. Die Klägerin erfüllt auch die von der Beklagten aufgestellten Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nicht, da sie keine 15-jährige Betriebszugehörigkeit bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung zurücklegen konnte. Die Festlegung einer Mindestbetriebszugehörigkeit von 15 Jahren bis zur Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung als Voraussetzung für die Gewährung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung ist wirksam; sie verstößt weder gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters noch bewirkt sie eine Benachteiligung wegen des Geschlechts.

16

1. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass sich aus den Äußerungen des Geschäftsführers der Beklagten im Dezember 1999 kein Anspruch der Klägerin auf Versorgungsleistungen ergibt. Der Geschäftsführer der Beklagten hat der Klägerin und einem weiteren Mitarbeiter ausdrücklich erklärt, dass sie keine betriebliche Altersversorgung erhielten, da sie wegen ihres Alters nicht zum Kreis der begünstigten Arbeitnehmer zählten. Die weitere von der Klägerin behauptete Erklärung, er werde sich für sie etwas Entsprechendes einfallen lassen, hat das Landesarbeitsgericht als unverbindliche Absichtserklärung ausgelegt. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

17

a) Bei der Äußerung des Geschäftsführers der Beklagten handelt es sich um eine nichttypische Willenserklärung. Deren Auslegung obliegt in erster Linie dem Gericht der Tatsacheninstanz und kann vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) verletzt, gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen hat (BAG 18. Mai 2010 - 3 AZR 373/08 - Rn. 32 mwN, BAGE 134, 269; 17. Juli 2007 - 9 AZR 819/06 - Rn. 19, AP ZPO § 50 Nr. 17 = EzA TzBfG § 8 Nr. 17). Dies gilt auch, wenn es um die Frage geht, ob mit einer Erklärung überhaupt eine rechtsgeschäftliche Bindung eingegangen werden sollte (vgl. BAG 18. Mai 2010 - 3 AZR 373/08 - aaO; BGH 6. Dezember 2006 - XII ZR 97/04 - Rn. 26 ff., BGHZ 170, 152).

18

b) Dieser eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung hält die Auslegung des Landesarbeitsgerichts stand. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die von der Klägerin behauptete Erklärung des Geschäftsführers der Beklagten, er werde sich für sie etwas Entsprechendes einfallen lassen, sei nicht als verbindliche Zusage zu verstehen. Es handele sich lediglich um eine unverbindliche Absichtserklärung, entsprechende Überlegungen anstellen zu wollen. Folglich fehle es an einem Bindungswillen. Damit ist das Landesarbeitsgericht zu einem denkbaren Auslegungsergebnis gelangt. Revisible Rechtsfehler sind weder erkennbar noch von der Klägerin aufgezeigt. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Landesarbeitsgericht die Erklärung des Geschäftsführers der Beklagten nicht als „Scherzerklärung“ iSv. § 118 BGB gewürdigt. Das Landesarbeitsgericht hat vielmehr angenommen, aus der Erklärung lasse sich kein rechtsgeschäftlicher Bindungswille im Sinne der Erteilung einer Versorgungszusage ableiten.

19

2. Auch aus den von der Klägerin behaupteten Erklärungen des Geschäftsführers der Beklagten im April oder Mai 2000, dass sich niemand Gedanken über sein Alter machen müsse, weil die Beklagte eine Betriebsrente für alle Angestellten vorgesehen habe und es allen so gut gehen werde wie jetzt, folgt kein Anspruch der Klägerin auf Versorgungsleistungen. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, dass sich diese Erklärungen erkennbar auf den Personenkreis bezogen haben, der die von der Beklagten aufgestellten Voraussetzungen für die Erteilung einer Versorgungszusage erfüllte. Zudem habe einer solchen Äußerung nur entnommen werden können, dass in der Folgezeit Versorgungszusagen erteilt würden. Auch insoweit zeigt die Revision keine revisiblen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts bei der Auslegung dieser nichttypischen Erklärungen auf.

20

3. Die Klägerin kann ihren Anspruch auch nicht unmittelbar auf eine von der Beklagten erteilte Gesamtzusage oder den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz stützen.

21

a) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts war Voraussetzung für die Erteilung einer Versorgungszusage neben einem am 31. Dezember 1999 bestehenden Arbeitsverhältnis mit der Beklagten die Erreichbarkeit einer mindestens 15-jährigen Betriebszugehörigkeit bis zur Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung. Zwar hatte die Beklagte zunächst erstinstanzlich vorgetragen, die Erteilung einer Versorgungszusage habe eine mögliche 15-jährige Betriebszugehörigkeit bis zum voraussichtlichen altersbedingten Ende des Arbeitsverhältnisses vorausgesetzt. Erst in zweiter Instanz hat sich die Beklagte auf eine mindestens 15-jährige Betriebszugehörigkeit bis zur Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung berufen. Das Landesarbeitsgericht hat jedoch zu Recht angenommen, dass auch mit dem voraussichtlichen altersbedingten Ende des Arbeitsverhältnisses das Erreichen der gesetzlichen Regelaltersgrenze gemeint war. Von einem altersbedingten Ende des Arbeitsverhältnisses kann nur dann gesprochen werden, wenn das Arbeitsverhältnis wegen der Vollendung eines bestimmten Lebensjahres beendet wird. Typischerweise werden nach dem Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung in der betrieblichen Altersversorgung keine weiteren Versorgungsanwartschaften erworben und die Mehrzahl der Arbeitnehmer scheidet spätestens mit Erreichen dieser Regelaltersgrenze aus dem Arbeitsverhältnis aus. Deshalb ist es unerheblich, dass der ursprüngliche Arbeitsvertrag der Klägerin vom 30. Juni 1998 nicht die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung oder eine sonstige Altersgrenze vorsah. Im Übrigen ging auch die Klägerin zunächst erkennbar davon aus, dass ihr Arbeitsverhältnis bei Erreichen der Regelaltersgrenze mit der Vollendung des 65. Lebensjahres im Februar 2007 enden würde; ansonsten hätte keine Veranlassung dafür bestanden, für die Zeit vom 1. März 2007 bis zum 29. Februar 2008 einen befristeten Arbeitsvertrag mit der Beklagten abzuschließen.

22

b) Die Klägerin konnte eine 15-jährige Betriebszugehörigkeit vom Beginn des Arbeitsverhältnisses bis zur Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht erreichen. Sie ist am 15. Juli 1997 in das Arbeitsverhältnis mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten eingetreten und hat die Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung mit Vollendung ihres 65. Lebensjahres im Februar 2007 erreicht. Dies ist ein Zeitraum von weniger als 15 Jahren.

23

4. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nicht deshalb zu, weil die von der Beklagten aufgestellte Voraussetzung einer mindestens 15-jährigen Betriebszugehörigkeit bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam wäre. Dies ist nicht der Fall. Die Festlegung einer Mindestbetriebszugehörigkeit von 15 Jahren bis zur Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung bewirkt keine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters oder des Geschlechts.

24

a) Nach § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen der in § 1 AGG genannten Gründe, ua. wegen des Alters und des Geschlechts, benachteiligt werden. Unzulässig sind unmittelbare und mittelbare Benachteiligungen. Eine unmittelbare Benachteiligung ist nach § 3 Abs. 1 AGG gegeben, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Nach § 3 Abs. 2 AGG liegt eine mittelbare Benachteiligung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich. Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG verstoßen, sind nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam(BAG 11. Dezember 2012 - 3 AZR 634/10 - Rn. 17; 11. August 2009 - 3 AZR 23/08 - Rn. 33, BAGE 131, 298).

25

b) Das Erfordernis einer mindestens 15-jährigen Betriebszugehörigkeit bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung bewirkt keine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters. Es kann dahinstehen, ob die Festlegung einer erreichbaren 15-jährigen Betriebszugehörigkeit bis zur Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung als Zugangsvoraussetzung für Leistungen der betrieblichen Altersversorgung ältere Arbeitnehmer unmittelbar wegen ihres Alters benachteiligt, weil sie ab einem bestimmten Lebensalter von der betrieblichen Altersversorgung ausgeschlossen werden, oder ob lediglich eine mittelbare Diskriminierung denkbar ist. Selbst eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters wäre nach § 10 AGG sachlich gerechtfertigt. Dies schließt auch eine unzulässige mittelbare Benachteiligung wegen des Alters aus (vgl. BAG 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08 - Rn. 40 mwN, BAGE 131, 61; 11. August 2009 - 3 AZR 23/08 - Rn. 35, BAGE 131, 298).

26

aa) Nach § 10 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. § 10 Satz 3 AGG enthält eine Aufzählung von Tatbeständen, wonach derartige unterschiedliche Behandlungen insbesondere gerechtfertigt sein können. Nach § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG ist dies der Fall bei der Festsetzung von Altersgrenzen bei betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente. Indem der Gesetzgeber den in Nr. 4 geregelten Tatbestand in die Rechtfertigungsgründe des § 10 Satz 3 AGG eingeordnet hat, hat er zum Ausdruck gebracht, dass die Festsetzung von Altersgrenzen für den Zugang zu betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit und damit auch zur betrieblichen Altersversorgung und für den Bezug von Altersrente grundsätzlich als ein von einem legitimen Ziel getragenes Mittel iSv. § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG zulässig sein soll. Da eine solche Altersgrenze in der jeweiligen Versorgungsregelung festzusetzen ist, muss die konkret gewählte Altersgrenze iSv. § 10 Satz 2 AGG angemessen sein.

27

bb) § 10 AGG dient der Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG L 303 S. 16, im Folgenden: Richtlinie 2000/78/EG) in das nationale Recht. Die Bestimmung ist mit Unionsrecht vereinbar (vgl. ausführlich BAG 11. August 2009 - 3 AZR 23/08 - Rn. 37 ff., BAGE 131, 298).

28

(1) Nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Für den Bereich der Versorgung im Alter enthält Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG eine Spezialregelung. Danach können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit die Festsetzung von Altersgrenzen als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente keine Diskriminierung wegen des Alters darstellt, solange dies nicht zu Diskriminierungen wegen des Geschlechts führt. Die Mitgliedstaaten sind demnach, soweit es um diese Systeme geht, bei der Umsetzung in nationales Recht nicht verpflichtet, die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG einzuhalten. Die Festsetzung von Altersgrenzen in den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit ist somit unionsrechtlich in der Regel zulässig. Damit werden Hindernisse, die der Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung entgegenstehen können, beseitigt (vgl. BAG 11. August 2009 - 3 AZR 23/08 - Rn. 40, BAGE 131, 298).

29

(2) Diesen Vorgaben genügt § 10 AGG. Der nationale Gesetzgeber hat Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG nahezu unverändert in das nationale Recht übernommen. Indem er die Nr. 4 in die Rechtfertigungsgründe des § 10 Satz 3 AGG eingeordnet und somit § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG für anwendbar erklärt hat, ist er über die Anforderungen des Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG hinausgegangen. Zwar findet sich im Gesetzestext die in Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG enthaltene Einschränkung „solange dies nicht zu Diskriminierungen wegen des Geschlechts führt“, nicht wieder. Das bedeutet aber nicht, dass § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG hinter Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG zurückbliebe. Ausweislich der Entstehungsgeschichte der Vorschrift darf nach dem Willen des nationalen Gesetzgebers die Festsetzung von Altersgrenzen nicht zu einer Benachteiligung wegen des Geschlechts oder wegen eines anderen in § 1 AGG genannten Grundes führen(BT-Drucks. 16/1780 S. 36). Dies ergibt sich auch daraus, dass eine Regelung, die zu einer Diskriminierung wegen des Geschlechts führt, nicht iSv. § 10 Satz 2 AGG angemessen sein kann. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass der nationale Gesetzgeber davon abgesehen hat, konkrete Altersgrenzen für die Teilnahme an einer betrieblichen Altersversorgung oder die Aufnahme in ein Versorgungswerk selbst zu bestimmen. Der Gesetzgeber muss die wegen eines sozialpolitischen Ziels für geboten erachtete Ungleichbehandlung nicht im Detail selbst regeln, sondern kann Gestaltungs- und Beurteilungsspielräume einräumen (vgl. EuGH 16. Oktober 2007 - C-411/05 - [Palacios de la Villa] Rn. 68, 74, Slg. 2007, I-8531; BAG 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08 - Rn. 37, BAGE 131, 61; 11. August 2009 - 3 AZR 23/08 - Rn. 41, BAGE 138, 298).

30

cc) Das vom nationalen Gesetzgeber verfolgte Ziel der Förderung der betrieblichen Altersversorgung ist ein legitimes Ziel iSd. § 10 Satz 1 AGG. Um dieses Ziel zu fördern, hat der Gesetzgeber mit § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG zur Gestaltung der betrieblichen Altersversorgung das Mittel der Festsetzung von Altersgrenzen in Versorgungsordnungen zur Verfügung gestellt. Von dieser Möglichkeit kann grundsätzlich auch der einzelne Arbeitgeber bei der Schaffung von Versorgungsregelungen Gebrauch machen. Allerdings muss die konkret festgelegte Altersgrenze nach § 10 Satz 2 AGG angemessen sein. Dies ist der Fall, wenn der Arbeitgeber diejenigen Arbeitnehmer von der betrieblichen Altersversorgung ausnimmt, die von ihrem Eintritt in das Arbeitsverhältnis bis zur Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung eine 15-jährige Betriebszugehörigkeit nicht erreichen können.

31

(1) Dem Arbeitgeber steht bei freiwilligen zusätzlichen Leistungen - wozu Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zählen - ein von den Gerichten zu respektierender Gestaltungs- und Ermessensspielraum zu (vgl. BAG 22. Dezember 1970 - 3 AZR 52/70 - zu III 3 a der Gründe, AP BGB § 305 Billigkeitskontrolle Nr. 2 = EzA BGB § 315 Nr. 4; 18. September 2001 - 3 AZR 656/00 - zu 2 a der Gründe, BAGE 99, 53; 19. August 2008 - 3 AZR 194/07 - Rn. 23, BAGE 127, 260). Dies ist seiner Bereitschaft geschuldet, sich freiwillig zu einer von ihm zu finanzierenden betrieblichen Zusatzversorgung zu verpflichten. Durch die Festlegung der Voraussetzungen für die Zusage einer betrieblichen Altersversorgung bestimmt der Arbeitgeber zudem seinen Dotierungsrahmen. Diese Gestaltungsfreiheit eröffnet dem Arbeitgeber grundsätzlich die Möglichkeit, einen Zeitraum festzulegen, den ein Arbeitnehmer mindestens im Arbeitsverhältnis zurückgelegt haben muss, um einen Versorgungsanspruch zu erwerben (vgl. BAG 24. Februar 2004 - 3 AZR 5/03 - zu II 1 der Gründe, BAGE 109, 354).

32

(2) Allerdings darf der Arbeitgeber bei der Festlegung einer Höchstaltersgrenze oder einer Mindestbetriebszugehörigkeit als Voraussetzung für Leistungen der betrieblichen Altersversorgung die berechtigten Belange der betroffenen Arbeitnehmer nicht außer Acht lassen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die betriebliche Altersversorgung nicht nur Versorgungs-, sondern auch Entgeltcharakter hat (vgl. hierzu etwa BVerfG 7. Juli 2009 - 1 BvR 1164/07 - Rn. 107, BVerfGE 124, 199; BAG 5. September 1989 - 3 AZR 575/88 - zu I 1 der Gründe, BAGE 62, 345; BGH 20. September 2006 - IV ZR 304/04 - Rn. 17, BGHZ 169, 122) und eine anspruchsausschließende Wartezeit in Form einer Mindestbetriebszugehörigkeit bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung oder eine Höchstaltersgrenze dazu führt, dass die hiervon betroffenen Arbeitnehmer für die gesamte von ihnen geleistete Betriebstreue keine betriebliche Altersversorgung erhalten. Damit dürfte etwa eine Regelung, die zur Folge hat, dass während eines beträchtlichen Teils eines typischen Erwerbslebens keine Versorgungsanwartschaften erworben werden können, nicht zu vereinbaren sein. Eine Höchstaltersgrenze oder die Festlegung einer Mindestbetriebszugehörigkeit bis zur Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung als Anspruchsvoraussetzung für Leistungen der betrieblichen Altersversorgung darf auch nicht zu einer mittelbaren Benachteiligung von Frauen führen. Deshalb ist bei einer solchen Regelung darauf Bedacht zu nehmen, dass Frauen häufig nach einer familiär bedingten Unterbrechung der Berufstätigkeit zur Kinderbetreuung und -erziehung in das Erwerbsleben zurückkehren und ihnen auch in der Folgezeit grundsätzlich die Möglichkeit eröffnet werden soll, noch Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung zu erwerben.

33

(3) Danach werden die Interessen der Arbeitnehmer durch die Festlegung einer mindestens 15-jährigen Betriebszugehörigkeit bis zur Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht unangemessen beeinträchtigt. Zwar können Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis innerhalb der letzten 15 Jahre vor dem gesetzlichen Rentenalter beginnt, keine Versorgungsanwartschaften erwerben. Im Hinblick darauf, dass ein Erwerbsleben bei typisierender Betrachtung mindestens 40 Jahre und mehr umfasst, ist dies jedoch noch hinnehmbar, zumal diese Arbeitnehmer bereits in vorangegangenen Arbeitsverhältnissen die Möglichkeit hatten, Betriebsrentenanwartschaften zu erdienen.

34

Das Erfordernis einer mindestens 15-jährigen Betriebszugehörigkeit bis zur Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung führt auch nicht zu einer mittelbaren Diskriminierung von Frauen. Bei typisierender Betrachtung ist mit dem Wiedereintritt in das Berufsleben nach Zeiten der Kindererziehung bereits vor der Vollendung des 50. Lebensjahres zu rechnen. Ob an der vom Senat bislang vertretenen Auffassung, wonach leistungsausschließende Wartezeiten von 20 Jahren zulässig sind (vgl. BAG 24. Februar 2004 - 3 AZR 5/03 - zu II 1 der Gründe, BAGE 109, 354) festgehalten werden kann, bedarf vorliegend keiner Entscheidung.

35

(4) Der Zulässigkeit der Festlegung einer bis zum gesetzlichen Rentenalter erreichbaren Mindestbetriebszugehörigkeit von 15 Jahren in einer Versorgungsregelung stehen entgegen der Auffassung der Klägerin die kürzeren gesetzlichen Unverfallbarkeitsfristen nach § 1b BetrAVG - ggf. iVm. § 30f BetrAVG - nicht entgegen. Diese sind von Wartezeitregelungen in Versorgungsordnungen grundlegend zu unterscheiden.

36

Mit den gesetzlichen Unverfallbarkeitsfristen hat der Gesetzgeber im Anschluss an die Rechtsprechung des Senats (vgl. BAG 10. März 1972 3 AZR 278/71 - BAGE 24, 177) aufgrund des schützenswerten Vertrauens der von einer Versorgungszusage begünstigten Arbeitnehmer in das privatautonome Versorgungsversprechen eingegriffen und schon demjenigen eine rechtlich geschützte Rechtsposition zuerkannt, der zwar nicht die für die Versorgungsleistung erwartete Gegenleistung - Betriebstreue bis zum Versorgungsfall - wohl aber einen Teil hiervon erbracht hat, den der Gesetzgeber als so wesentlich eingeschätzt hat, dass nach seinem Ablauf ein rechtlich zu schützendes Vertrauen der begünstigten Arbeitnehmer darauf entstanden ist, die auch im Hinblick auf die in Aussicht gestellten Versorgungsleistungen erbrachte Arbeitsleistung werde selbst bei einem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis nicht gänzlich ohne Gegenleistung in Form von Versorgungsentgelt bleiben (vgl. BAG 24. Februar 2004 - 3 AZR 5/03 - zu II 1 der Gründe, BAGE 109, 354).

37

Nach § 1b Abs. 1 Satz 5 BetrAVG wird der Ablauf einer in einer Versorgungsordnung festgelegten Wartezeit durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach Erfüllung der für die Unverfallbarkeit einer Versorgungsanwartschaft erforderlichen Beschäftigungszeit nicht berührt. Eine unverfallbare Anwartschaft und der sich daraus nach § 2 BetrAVG ergebende Teilanspruch besteht daher auch dann, wenn die in der Versorgungsordnung bestimmte Wartezeit beim Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis noch nicht abgelaufen ist; dabei wird der (Teil-)Anspruch entsprechend der Versorgungszusage frühestens dann fällig, wenn die Wartezeit abgelaufen ist (BAG 7. Juli 1977 - 3 AZR 422/76 - AP BetrAVG § 1 Wartezeit Nr. 1 = EzA BetrAVG § 1 Nr. 2; 3. Mai 1983 - 3 AZR 1263/79 - BAGE 42, 312). Umgekehrt erwirbt ein Arbeitnehmer, der aus der Sicht bei Vertragsbeginn die Wartezeit als Voraussetzung für den Vollanspruch bis zur voraussichtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht erreichen kann, keine unverfallbare Anwartschaft, wenn er die gesetzlichen Unverfallbarkeitsfristen im Betrieb zurückgelegt hat. Wer aufgrund der privatautonom festgelegten Anspruchsvoraussetzungen nie darauf vertrauen durfte, dass er einen vollen Versorgungsanspruch erwerben würde, kann auch keine unverfallbare Versorgungsanwartschaft erwerben (vgl. BAG 7. Juli 1977 - 3 AZR 570/76 - BAGE 29, 227; 24. Februar 2004 - 3 AZR 5/03 - zu II 1 der Gründe, BAGE 109, 354).

38

Die gesetzlichen Unverfallbarkeitsfristen sind daher kein Maßstab für die Angemessenheit einer in einer Versorgungsregelung vorgesehenen Wartezeit.

39

(5) Der Senat kann über die Vereinbarkeit der Regelung mit Unionsrecht selbst entscheiden. Es besteht keine Verpflichtung, ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union zu richten (Art. 267 Abs. 3 AEUV).

40

Die Auslegung des den Vorschriften des AGG zugrunde liegenden unionsrechtlichen Grundsatzes des Verbots der Diskriminierung wegen des Alters einschließlich des Rückgriffs auf die Richtlinie 2000/78/EG zu dessen Konkretisierung ist durch die Entscheidungen des Gerichtshofs in der Rechtssache „Kücükdeveci“ (EuGH 19. Januar 2010 - C-555/07 - Slg. 2010, I-365) und in der Rechtssache „Prigge ua.“ (EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 23 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 22) geklärt, so dass eine Vorlagepflicht entfällt (vgl. EuGH 6. Oktober 1982 - Rs. 283/81 - [C.I.L.F.I.T.] Slg. 1982 S. 3415). Ob ein Grund iSd. Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG gegeben ist, der eine Diskriminierung wegen des Alters ausschließt, ist von den nationalen Gerichten zu prüfen(EuGH 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 47 ff., Slg. 2009, I-1569).

41

III. Der zweite Hilfsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an. Er ist nur für den Fall des Obsiegens mit dem ersten Hilfsantrag gestellt. Diese innerprozessuale Bedingung ist nicht eingetreten.

42

IV. Die Klägerin hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision gem. § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

        

    Gräfl    

        

    Schlewing    

        

    Spinner    

        

        

        

    Knüttel    

        

    Rau    

                 

Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 25. Mai 2012 - 9 Sa 64/12 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Ansprüche auf Höhergruppierungsgewinn.

2

Nach dem Arbeitsvertrag bestimmt sich das Arbeitsverhältnis der Parteien nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ersetzenden Tarifverträgen. Der Kläger war seit dem 19. Juli 2003 als Gruppenleiter in die Vergütungsgruppe IVb BAT eingruppiert.

3

Seit dem 1. Oktober 2005 richtet sich das Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst vom 13. September 2005 (TVöD) und dem Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten des Bundes in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts vom 13. September 2005 (TVÜ-Bund). Entsprechend der bis zum 31. Dezember 2013 geltenden Anlage 2 zu § 4 Abs. 1 TVÜ-Bund erfolgte eine Überleitung des Klägers von der Vergütungsgruppe IVb BAT in die Entgeltgruppe 10 TVöD. Ausgehend von dem nach § 5 TVÜ-Bund zu bildenden Vergleichsentgelt wurde gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Bund eine Zuordnung des Klägers zu einer individuellen Zwischenstufe zwischen den Stufen 2 und 3 der Entgeltgruppe 10 TVöD vorgenommen.

4

Die Folgen eines bei der Überleitung noch ausstehenden Bewährungsaufstiegs regelt § 8 TVÜ-Bund. Dieser lautet in der Fassung des Änderungstarifvertrags Nr. 7 vom 5. September 2013 auszugsweise wie folgt:

         

§ 8 

        

Bewährungs- und Fallgruppenaufstiege

        

…       

        
        

(2)     

1Aus dem Geltungsbereich des BAT/BAT-O in eine der Entgeltgruppen 2 sowie 9 bis 15 übergeleitete Beschäftigte, die am 1. Oktober 2005 bei Fortgeltung des bisherigen Tarifrechts die für eine Höhergruppierung erforderliche Zeit der Bewährung oder Tätigkeit zur Hälfte erfüllt haben und in der Zeit zwischen dem 1. November 2005 und dem 30. September 2007 höhergruppiert wären, erhalten ab dem Zeitpunkt, zu dem sie nach bisherigem Recht höhergruppiert wären, in ihrer bisherigen Entgeltgruppe Entgelt nach derjenigen individuellen Zwischen- bzw. Endstufe, die sich ergeben hätte, wenn sich ihr Vergleichsentgelt (§ 5) nach der Vergütung aufgrund der Höhergruppierung bestimmt hätte. …

                 

3Ein etwaiger Strukturausgleich wird ab dem individuellen Aufstiegszeitpunkt nicht mehr gezahlt. 4Der weitere Stufenaufstieg richtet sich bei Zuordnung zu einer individuellen Zwischenstufe nach § 6 Abs. 1. …

        

(3)     

1Abweichend von Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 Satz 1 gelten die Absätze 1 bzw. 2 auf schriftlichen Antrag entsprechend für übergeleitete Beschäftigte, die bei Fortgeltung des BAT/BAT-O bis spätestens zum 31. Dezember 2013 wegen Erfüllung der erforderlichen Zeit der Bewährung oder Tätigkeit höhergruppiert worden wären, unabhängig davon, ob die Hälfte der erforderlichen Bewährungs- oder Tätigkeitszeit am Stichtag erfüllt ist. 2In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 erhalten Beschäftigte, die in der Zeit zwischen dem 1. Oktober 2007 und dem 31. Dezember 2013 bei Fortgeltung des BAT/BAT-O höhergruppiert worden wären, in ihrer bisherigen Entgeltgruppe Entgelt nach derjenigen individuellen Zwischen- oder Endstufe, die sich aus der Summe des bisherigen Tabellenentgelts und dem nach Absatz 2 ermittelten Höhergruppierungsgewinn nach bisherigem Recht ergibt; die Stufenlaufzeit bleibt hiervon unberührt. 3Bei Beschäftigten mit individueller Endstufe erhöht sich in diesen Fällen ihre individuelle Endstufe um den nach bisherigem Recht ermittelten Höhergruppierungsgewinn. …“

5

Der Kläger wäre im Rahmen eines Bewährungsaufstiegs nach dem BAT zum 19. Juli 2006 in die Vergütungsgruppe IVa BAT höhergruppiert worden. Die Beklagte leistete deshalb ab diesem Zeitpunkt einen Höhergruppierungsgewinn nach § 8 Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Bund. Der Kläger erhielt nunmehr eine Vergütung nach einer individuellen Zwischenstufe zwischen den Stufen 4 und 5 der Entgeltgruppe 10 TVöD. Zum 1. Oktober 2007 stieg er gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-Bund in die Endstufe 5 der Entgeltgruppe 10 TVöD auf.

6

Mit seiner Klage hat er die Zahlung eines weiteren Höhergruppierungsgewinns nach § 8 Abs. 3 Satz 2 TVÜ-Bund verlangt. Ein Kollege, welcher erst seit dem 1. Januar 2005 als Gruppenleiter fungiere und bei Fortgeltung des BAT zum 1. Januar 2008 höhergruppiert worden wäre, erhalte einen solchen Höhergruppierungsgewinn. Dies verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Er übe dieselbe Tätigkeit wie dieser Kollege aus. Es sei nicht zu rechtfertigen, dass der Kollege wegen des Höhergruppierungsgewinns seit dem 1. Januar 2008 zeitlich unbefristet eine wesentlich höhere Vergütung beziehe. Der Unterschied werde durch die prozentualen Tariferhöhungen noch vergrößert. Bei der Berechnung der Differenz sei der ihm - dem Kläger - nach § 8 Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Bund zustehende Höhergruppierungsgewinn nicht zu berücksichtigen. Maßgeblich sei allein der Höhergruppierungsgewinn der Vergleichsperson. Demnach belaufe sich die monatliche Differenz im Jahr 2008 auf 439,93 Euro, im Jahr 2009 auf 452,25 Euro, im Jahr 2010 auf 457,67 Euro, im Jahr 2011 auf 460,42 Euro und im Jahr 2012 auf 426,70 Euro.

7

Die Komplexität des Übergangsrechts rechtfertige eine solch gravierende Ungleichbehandlung nicht. Eigentlich müsse die längere Berufserfahrung zu einem höheren Einkommen führen. Zumindest müsse dieselbe Tätigkeit in gleicher Höhe vergütet werden. Betroffen sei eine erhebliche Anzahl von Arbeitnehmern. Die Ungleichbehandlung stelle eine Altersdiskriminierung dar, da sie nur dann auftrete, wenn ein möglicher Bewährungsaufstieg bis zum 30. September 2007 stattgefunden hätte. Dies sei nur bei länger Beschäftigten und damit typischerweise älteren Mitarbeitern der Fall. Die Beklagte habe zudem die Frist zur Beantragung des Höhergruppierungsgewinns bis zum 31. Dezember 2008 verlängert und die von der Regelung des § 8 Abs. 3 Satz 2 TVÜ-Bund begünstigten Mitarbeiter zur Geltendmachung des Höhergruppierungsgewinns aufgefordert. Damit seien diese Beschäftigten nochmals besser-gestellt worden.

8

Die Ungleichbehandlung sei dadurch auszugleichen, dass er den Höhergruppierungsgewinn des vergleichbaren Mitarbeiters rückwirkend ab Januar 2008 und künftig erhalte. Dies entspreche auch einer Schadensersatzpflicht der Beklagten. Der Kläger hat bei Addition der jeweiligen monatlichen Differenzbeträge vor dem Landesarbeitsgericht daher zuletzt beantragt,

        

1.      

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Zeitraum 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2010 16.192,20 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz in im Einzelnen aufgeführter, gestaffelter Höhe zu zahlen;

        

2.      

die Beklagte zu verurteilen, rückständiges Bruttogehalt für die Zeit von Januar 2011 bis Dezember 2011 in Höhe von 5.525,04 Euro nebst Zinsen in Hhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz in im Einzelnen aufgeführter, gestaffelter Höhe zu zahlen;

        

3.    

die Beklagte zu verurteilen, rückständiges Bruttogehalt für die Zeit von Januar 2012 bis April 2012 in Höhe von 1.706,80 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz in im Einzelnen aufgeführter, gestaffelter Höhe zu zahlen;

        

4.      

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab Mai 2012 zusätzlich zu seinem derzeitigen Bruttogehalt in Höhe von 3.635,35 Euro einen weiteren Bruttobetrag in Höhe von monatlich 426,70 Euro abzurechnen und den Nettobetrag auszuzahlen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die einschlägigen Regelungen des TVÜ-Bund stellten weder einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG noch eine unzulässige Altersdiskriminierung dar. § 8 Abs. 3 TVÜ-Bund bezwecke ebenso wie § 8 Abs. 2 TVÜ-Bund einen finanziellen Ausgleich für den Verlust der Möglichkeit eines Bewährungsaufstiegs. In Einzelfällen komme es für begrenzte Zeiträume zwar zu einer finanziellen Besserstellung der von § 8 Abs. 3 Satz 2 TVÜ-Bund erfassten Beschäftigten. Dies stelle für die anderen Mitarbeiter aber keine unzumutbare Härte dar. Es handle sich um „Randunschärfen“ des Überleitungsrechts, welche angesichts dessen Komplexität schwer zu vermeiden seien. Der Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien sei jedenfalls nicht überschritten. Zudem sei die Klage unschlüssig. Der Kläger könne nicht den Höhergruppierungsgewinn eines nur hinsichtlich der Tätigkeit vergleichbaren Beschäftigten verlangen. Der Höhergruppierungsgewinn hänge von der Bildung des Vergleichsentgelts ab, welches die persönlichen Verhältnisse zum 30. September 2005 berücksichtige. Der Kläger lege keine Berechnung des für ihn maßgeblichen fiktiven Vergleichsentgelts dar.

10

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageziele weiter.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen.

12

A. Die Klage ist auch hinsichtlich des Feststellungsantrags zulässig.

13

I. Der Feststellungsantrag ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, auch wenn er offenlässt, welcher Nettobetrag künftig auszuzahlen ist und § 254 ZPO nicht zur Anwendung kommt, da die Stufenklage eine Leistungsklage darstellt(vgl. BGH 17. Mai 2001 - I ZR 189/99 - Rn. 26). Aufgrund der Angabe des begehrten Bruttobetrags besteht für die Beklagte kein Zweifel bezüglich des Umfangs der streitgegenständlichen Verpflichtung.

14

II. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben. Der angestrebte feststellende Ausspruch ist trotz seiner nicht vollstreckbaren Wirkung geeignet, den Streit der Parteien über die gegenwärtigen und künftigen Ansprüche des Klägers auf Höhergruppierungsgewinn beizulegen und weitere Prozesse zwischen ihnen zu vermeiden. Das rechtfertigt die Annahme eines rechtlichen Interesses (vgl. BAG 29. Januar 2014 - 6 AZR 943/11 - Rn. 26).

15

B. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat dem Grunde nach keinen Anspruch auf den begehrten Höhergruppierungsgewinn. Zudem ist die Höhe der Klageforderung nicht schlüssig begründet.

16

I. Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass der Kläger die tariflichen Voraussetzungen nach § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Bund nicht erfüllt, da er bei Fortgeltung des BAT ab dem 1. Oktober 2007 nicht mehr höhergruppiert worden wäre. Sein fiktiver Bewährungsaufstieg erfolgte bereits zum 19. Juli 2006.

17

II. Die Beschränkung des Anspruchs auf Höhergruppierungsgewinn nach § 8 Abs. 3 Satz 2 TVÜ-Bund auf Fälle der fiktiven Höhergruppierung ab dem 1. Oktober 2007 verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Die Tarifvertragsparteien überschritten damit nicht die Grenzen ihrer Regelungsmacht. Dies gilt auch bei Berücksichtigung des Umstands, dass es zu einer Besserstellung der von § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Bund erfassten Beschäftigten gegenüber denjenigen kommen kann, die den Bewährungsaufstieg bereits vor dem 1. Oktober 2007 vollzogen haben bzw. hätten.

18

1. § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Bund soll den Besitzstand von Beschäftigten wahren, die bei Fortgeltung des BAT aufgrund Bewährungsaufstiegs höhergruppiert worden wären, deren Aufstiegserwartung sich wegen der Einführung des TVöD aber nicht verwirklichte (vgl. BAG 17. April 2013 - 4 AZR 770/11 - Rn. 23; zu § 8 TVÜ-Länder BAG 29. Januar 2014 - 6 AZR 943/11 - Rn. 31, 41; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand Mai 2014 Teil B 2 § 8 TVÜ-Bund Rn. 1; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TVöD Stand April 2014 Teil IV/3 TVÜ-Bund Rn. 96).

19

2. Die Regelung kann allerdings ebenso wie § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Länder in bestimmten Fallgestaltungen zu einer Überkompensation der durch die Einführung des neuen Tarifwerks entstandenen Nachteile führen. Arbeitnehmer mit fingiertem Bewährungsaufstieg ab dem 1. Oktober 2007 können gegenüber Arbeitnehmern, deren Bewährungsaufstieg sich bereits unter Geltung des BAT vollzog oder bis zum 30. September 2007 erfolgt wäre, bessergestellt sein.

20

a) Dies betrifft in erster Linie Konstellationen, bei denen Arbeitnehmer mit später fingiertem Bewährungsaufstieg nach § 4 Abs. 1 TVÜ-Bund iVm. der bis zum 31. Dezember 2013 geltenden Anlage 2 zum TVÜ-Bund in dieselbe Entgeltgruppe übergeleitet wurden wie Arbeitnehmer mit bereits unter Geltung des BAT vollzogenem Bewährungsaufstieg. Durch die zusammenfassende Überleitung mehrerer BAT-Vergütungsgruppen in dieselbe Entgeltgruppe des TVöD verloren Arbeitnehmer mit schon absolviertem Bewährungsaufstieg ihren „Vergütungsgruppenvorsprung“ gegenüber Arbeitnehmern mit noch ausstehendem Bewährungsaufstieg. Der durch den Bewährungsaufstieg erlangte Vorsprung wurde hinsichtlich der Eingruppierung nivelliert und wirkte sich nur noch bei der Bildung des Vergleichsentgelts nach § 5 TVÜ-Bund und der Stufenzuordnung nach § 6 TVÜ-Bund aus. Erfolgte der fiktive Bewährungsaufstieg zeitlich nach dem zum 1. Oktober 2007 erfolgten Stufenaufstieg des § 6 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-Bund und stand dem Arbeitnehmer ein entsprechend hohes Vergleichsentgelt nach § 5 TVÜ-Bund zu, konnte es zu einer Besserstellung kommen. Der Arbeitnehmer konnte durch den Höhergruppierungsgewinn eine neue individuelle Endstufe erreichen und damit dauerhaft eine höhere Vergütung erlangen als Arbeitnehmer, die ihren Bewährungsaufstieg bereits unter Geltung des BAT vollzogen hatten (vgl. Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand Mai 2014 Teil B 2 § 8 TVÜ-Bund Rn. 72; zu § 8 TVÜ-Länder BAG 29. Januar 2014 - 6 AZR 943/11 - Rn. 44).

21

b) In abgemilderter Form kann eine Besserstellung der von § 8 Abs. 3 Satz 2 TVÜ-Bund erfassten Beschäftigten auch im Verhältnis zu denjenigen vorliegen, die zwischen dem 1. November 2005 und dem 30. September 2007 höhergruppiert worden wären. Diese haben zwar bei Vorliegen der tariflichen Voraussetzungen den Anspruch auf Höhergruppierungsgewinn nach § 8 Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Bund. Ein erst zum 1. Oktober 2007 gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-Bund vollzogener Aufstieg aus einer individuellen Zwischenstufe kam bei der Neuberechnung des Vergleichsentgelts jedoch nicht zum Tragen. Demgegenüber erhöhte dieser Stufenaufstieg ebenso wie Tariferhöhungen das nach § 8 Abs. 3 Satz 2 TVÜ-Bund zu wahrende „bisherige“ Tabellenentgelt(§ 15 Abs. 1 TVöD-AT).

22

3. Diese möglichen Besserstellungen sind vom Willen der Tarifvertragsparteien gedeckt, denn eine Kappungsgrenze ist für den Höhergruppierungsgewinn ebenso wenig vorgesehen wie eine Anrechnung des durch den Stufenaufstieg nach § 6 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-Bund erlangten Vorteils.

23

a) Die Tarifvertragsparteien haben sich nicht darauf beschränkt, Vorteile aus Bewährungsaufstiegen zu schützen, die bei Fortgeltung des BAT spätestens am 30. September 2007 erreicht worden wären. Der zeitliche Geltungsbereich des § 8 Abs. 3 TVÜ-Bund wurde gegenüber der Ursprungsfassung vom 13. September 2005 wiederholt erweitert. Durch den Änderungstarifvertrag Nr. 1 vom 31. März 2008 wurde die Frist bis 31. Dezember 2009 und durch den Änderungstarifvertrag Nr. 3 vom 27. Februar 2010 weiterhin bis 29. Februar 2012 verlängert. Schließlich erfolgte durch den Änderungstarifvertrag Nr. 7 vom 5. September 2013 eine Erweiterung bis zum 31. Dezember 2013 (vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV Stand März 2014 F § 8 Rn. 11). Dadurch wurde der Kreis der Anspruchsberechtigten jeweils bewusst vergrößert, ohne dass eine Kappung oder Anrechnung eingeführt wurde.

24

b) Auch die tarifliche Systematik spricht dafür, dass der Regelungsgehalt des § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Bund dem Regelungswillen der Tarifvertragsparteien entspricht. So ist in § 8 Abs. 2 Satz 3 TVÜ-Bund vorgesehen, dass ein etwaiger Anspruch auf Strukturausgleich nach § 12 TVÜ-Bund im Augenblick des fiktiven Bewährungsaufstiegs entfällt. Da ein fiktiver Bewährungsaufstieg folglich mit Nachteilen für den Arbeitnehmer verbunden sein kann, sieht § 8 Abs. 3 Satz 1 TVÜ-Bund ein Antragserfordernis vor und räumt dem Arbeitnehmer damit ein Wahlrecht ein. An dem tariflichen Gesamtzusammenhang zeigt sich, dass die Tarifvertragsparteien den Regelungsgehalt des § 8 Abs. 3 TVÜ-Bund im Einzelnen ausgestaltet und der Besitzstandswahrung bewusst Grenzen gesetzt haben(vgl. zu § 8 TVÜ-Länder BAG 29. Januar 2014 - 6 AZR 943/11 - Rn. 33).

25

4. Die Tarifvertragsparteien überschritten mit diesem Regelungskonzept nicht die Grenzen ihrer Regelungsmacht.

26

a) Tarifvertragsparteien sind bei der tariflichen Normsetzung nicht unmittelbar grundrechtsgebunden. Die Schutzfunktion der Grundrechte verpflichtet die Arbeitsgerichte jedoch dazu, Tarifregelungen die Durchsetzung zu verweigern, die zu gleichheits- und sachwidrigen Differenzierungen führen und deshalb Art. 3 Abs. 1 GG verletzen. Den Tarifvertragsparteien kommt als selbständigen Grundrechtsträgern allerdings aufgrund der von Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Wie weit dieser Spielraum reicht, hängt von den Differenzierungsmerkmalen im Einzelfall ab. Hinsichtlich der tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen liegt die Einschätzungsprärogative bei den Tarifvertragsparteien. Sie brauchen nicht die sachgerechteste oder zweckmäßigste Regelung zu finden (vgl. BAG 3. Juli 2014 - 6 AZR 753/12 - Rn. 42; 19. Dezember 2013 - 6 AZR 94/12 - Rn. 43; 21. November 2013 - 6 AZR 23/12 - Rn. 58).

27

b) Art. 3 Abs. 1 GG untersagt zwar auch einen gleichheitswidrigen Begünstigungsausschluss, mit dem ein Personenkreis begünstigt und ein anderer Personenkreis von der Begünstigung ausgenommen wird(vgl. BVerfG 10. Juli 2012 - 1 BvL 2/10, 1 BvL 1 BvL 3/10, 1 BvL 1 BvL 4/10, 1 BvL 1 BvL 3/11 - Rn. 21, BVerfGE 132, 72; 21. Juli 2010 - 1 BvR 611/07, 1 BvR 1 BvR 2464/07 - Rn. 78, BVerfGE 126, 400; BAG 20. September 2012 - 6 AZR 211/11 - Rn. 16; 16. Dezember 2010 - 6 AZR 437/09 - Rn. 19). Verfassungsrechtlich erheblich ist aber nur die Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem bzw. die Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem. Dabei ist es grundsätzlich dem Normgeber überlassen, die Merkmale zu bestimmen, nach denen Sachverhalte als hinreichend gleich anzusehen sind, um sie gleich zu regeln (vgl. BAG 27. Februar 2014 - 6 AZR 931/12 - Rn. 28).

28

c) Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal unterschiedliche Grenzen, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (vgl. BVerfG 21. Juli 2010 - 1 BvR 611/07, 1 BvR 1 BvR 2464/07 - Rn. 79, BVerfGE 126, 400; BAG 16. Dezember 2010 - 6 AZR 437/09 - Rn. 19). Bei einer personenbezogenen Ungleichbehandlung ist der Gleichheitssatz verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 94/12 - Rn. 45; 21. November 2013 - 6 AZR 23/12 - Rn. 60). Bei der Gruppenbildung dürfen die Tarifvertragsparteien generalisieren und typisieren. Ihre Verallgemeinerungen müssen allerdings im Normzweck angelegt sein und dürfen ihm nicht widersprechen. Die bei einer solchen Typisierung entstehenden unvermeidlichen Ungerechtigkeiten und Härten in einzelnen, besonders gelagerten Fällen, in denen die Interessenlage von derjenigen abweicht, die die Tarifvertragsparteien als typisch angenommen haben, sind hinzunehmen, wenn sie nicht besonders schwerwiegend sind und nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären (vgl. BAG 16. Dezember 2010 - 6 AZR 437/09 - Rn. 23; 22. April 2010 - 6 AZR 966/08 - Rn. 28, BAGE 134, 160).

29

d) Nach diesen Grundsätzen steht § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Bund im Einklang mit Art. 3 Abs. 1 GG. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend entschieden. Einen entscheidungserheblichen Verfahrensfehler zeigt die Revision nicht in zulässiger Weise auf.

30

aa) Der Ausschluss von Arbeitnehmern, die den Bewährungsaufstieg bereits unter Geltung des BAT absolviert hatten, von der Begünstigung des Höhergruppierungsgewinns verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Solche Arbeitnehmer sind mit Arbeitnehmern, deren Bewährungsaufstieg bei der Überleitung noch ausstand, nach dem Regelungskonzept der Tarifvertragsparteien nicht vergleichbar. Die Unterscheidung zwischen diesen beiden Gruppen und deren Ausgestaltung ist verfassungskonform.

31

(1) Die Differenzierung zwischen Arbeitnehmern mit und ohne Anspruch auf Höhergruppierungsgewinn rechtfertigt sich mit der Zielsetzung der Besitzstandswahrung. Diese ist nicht zu beanstanden. Tarifvertragsparteien sind berechtigt, soziale Besitzstände und tatsächliche Aussichten, die zu einem bestimmten Zeitpunkt bestehen, durch tarifliche Besitzstandsregelungen zu schützen (vgl. BAG 29. Januar 2014 - 6 AZR 943/11 - Rn. 41; 17. April 2013 - 4 AZR 770/11 - Rn. 31 mwN). Die Regelung in § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Bund ist geeignet, diesen Zweck zu erreichen. Sie ist auch erforderlich und angemessen. Derjenige, der einen Bewährungsaufstieg wegen der Einführung des TVöD nicht mehr erreichen kann, erhält zum Ausgleich den individuellen Höhergruppierungsgewinn ab dem Zeitpunkt seines fiktiven Bewährungsaufstiegs zusätzlich zum Tabellenentgelt. Der Arbeitnehmer wird zum Zweck der Eingliederung in das neue Entgeltsystem mit seinem neuen höheren Entgelt einer individuellen Zwischen- oder Endstufe zugeordnet, wobei die Stufenlaufzeit unberührt bleibt. Demgegenüber bedurfte es für Arbeitnehmer, welche noch unter Geltung des BAT ihren Bewährungsaufstieg erreicht hatten, keines Schutzes eines Besitzstands, der durch die Überleitung in den TVöD entfallen wäre. Ihnen wurde keine Aufstiegserwartung genommen. In Bezug auf sie besteht daher auch kein Bedürfnis nach einer Besitzstandswahrung (vgl. BAG 27. Februar 2014 - 6 AZR 931/12 - Rn. 24).

32

(2) Zur Besserstellung von Arbeitnehmern mit fingiertem Bewährungsaufstieg kommt es - wie dargelegt - nur in Ausnahmefällen bei bestimmten Konstellationen. Der Vortrag des Klägers steht dem nicht entgegen. Unstreitig beantragten 0,8 % der Mitarbeiter der Behörde des Klägers den streitigen Höhergruppierungsgewinn. Wenn die Klagepartei im Rahmen einer Hochrechnung daraus ableitet, dass demnach für bundesweit knapp 37.000 Beschäftigte eine Benachteiligung zu verzeichnen sei, ändert dies nichts an dem Umstand, dass eine Betroffenheit von 0,8 % eine Einstufung als Ausnahmefall rechtfertigt.

33

(3) Die vereinzelte Besserstellung bewegt sich noch im zulässigen Rahmen. Nach Darstellung der Revision beträgt der Einkommensunterschied bei gleicher Tätigkeit dauerhaft zwar mindestens 250,00 Euro brutto monatlich. Dies wäre eine nennenswerte Differenz. Es ist aber zu berücksichtigen, dass der fingierte Bewährungsaufstieg nach § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Bund nicht ausschließlich mit Vorteilen für die betroffenen Arbeitnehmer verbunden ist (vgl. zu § 8 TVÜ-Länder BAG 29. Januar 2014 - 6 AZR 943/11 - Rn. 46; Kuner öAT 2014, 98). So entfällt nach § 8 Abs. 2 Satz 3 TVÜ-Bund - wie bereits erwähnt - ein etwaiger Anspruch auf Strukturausgleich nach § 12 TVÜ-Bund im Augenblick des fiktiven Bewährungsaufstiegs. Nachteilige Effekte können ferner eintreten, wenn der Beschäftigte bislang eine persönliche Zulage nach § 14 Abs. 3 TVöD-AT erhält(vgl. Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TVöD Stand April 2014 Teil IV/3 TVÜ-Bund Rn. 105d). Arbeitnehmer mit bereits unter Geltung des BAT vollzogenem Bewährungsaufstieg wurden zudem unter Wahrung des Besitzstands in den TVöD übergeleitet. Der aus dem Bewährungsaufstieg erwachsene Vergütungsvorteil floss in das Vergleichsentgelt nach § 5 TVÜ-Bund ein und führte dazu, dass diese Arbeitnehmer einer höheren Entgeltstufe zugeordnet wurden als Arbeitnehmer mit noch ausstehendem Bewährungsaufstieg(zur individuellen Stufenbildung als Besitzstandssicherung vgl. BAG 3. Juli 2014 - 6 AZR 753/12 - Rn. 32). Sie erlangten also zumindest für eine Übergangszeit einen Vorteil gegenüber Arbeitnehmern ohne absolvierten Bewährungsaufstieg.

34

(4) Die später zu verzeichnende Besserstellung von Arbeitnehmern mit fingiertem Bewährungsaufstieg nach § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Bund ließe sich entgegen der Ansicht der Revision auch nur unter erheblichen Schwierigkeiten vollständig ausschließen. Eine solche Besserstellung hängt nicht nur vom Zusammenspiel der Regelungen des § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 und § 6 Abs. 1 TVÜ-Bund ab, sondern insbesondere auch von der Höhe des Vergleichsentgelts nach § 5 TVÜ-Bund, das an die Lebensaltersstufe und den Ortszuschlag des betroffenen Arbeitnehmers anknüpft. Da die Überleitung in den TVöD vom System der Besitzstandswahrung ausgeht, müsste eine Anrechnungs- oder Abschmelzungsregelung nach der Ursache der Überkompensation unterscheiden, damit Arbeitnehmer, die von einem fingierten Bewährungsaufstieg profitieren, nicht wiederum gegenüber den von § 5 TVÜ-Bund begünstigten Arbeitnehmern benachteiligt würden(vgl. zu § 8 TVÜ-Länder BAG 29. Januar 2014 - 6 AZR 943/11 - Rn. 48). Die Berücksichtigung dieser Komplexität führt entgegen der Auffassung der Revision nicht zu einer „Abschaffung“ des Art. 3 Abs. 1 GG. Sie ist vielmehr bei der Beurteilung der Typisierungsbefugnis der Tarifvertragsparteien und damit für die Bestimmung der Grenzen der tariflichen Regelungsmacht im Rahmen der Prüfung des Art. 3 Abs. 1 GG von Relevanz.

35

bb) Die Besserstellung der von § 8 Abs. 3 Satz 2 TVÜ-Bund erfassten Beschäftigten im Verhältnis zu den Beschäftigten mit einem Anspruch auf Höhergruppierungsgewinn nach § 8 Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Bund - zu denen der Kläger gehört - ist durch den Stufenaufstieg nach § 6 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-Bund begründet. Dieser erfolgte zum 1. Oktober 2007 und erhöhte das Tabellenentgelt iSd. § 15 Abs. 1 TVöD-AT, es sei denn, der Beschäftigte hatte bereits die Endstufe erreicht(vgl. das Beispiel bei Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand Mai 2014 Teil B 2 § 8 TVÜ-Bund Rn. 47.1). Der Unterschied zwischen der Besitzstandssicherung nach § 8 Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Bund und § 8 Abs. 3 Satz 2 TVÜ-Bund ist deshalb systemkonform. Er stellt auch keine unzumutbare Härte dar, denn schließlich profitieren auch die Beschäftigten mit einem Anspruch nach § 8 Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Bund von dem Konzept der tariflichen Besitzstandssicherung des § 8 TVÜ-Bund.

36

cc) Die von der Revision erhobene Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) wegen Nichtgewährung einer Schriftsatzfrist zur weiteren Stellungnahme bezüglich der Vereinbarkeit der fraglichen Tarifvorschriften mit Art. 3 Abs. 1 GG ist unzulässig. Sie zeigt keinen entscheidungserheblichen Verfahrensfehler auf.

37

(1) Das Gebot des rechtlichen Gehörs soll als Verfahrensgrundrecht sicherstellen, dass die vom Fachgericht zu treffende Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, die ihren Grund darin haben, dass Sachvortrag der Parteien nicht zur Kenntnis genommen und nicht berücksichtigt wird (vgl. BVerfG 14. März 2013 - 1 BvR 1457/12 - Rn. 10). Die Verwehrung einer Schriftsatzfrist nach § 283 ZPO bzw. § 139 Abs. 5 ZPO kann unter Umständen eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör darstellen(vgl. BVerfG 18. August 2010 - 1 BvR 3268/07 - Rn. 30, BVerfGK 17, 479; BFH 18. September 2009 - IV B 140/08 - Rn. 2). Der Revisionskläger muss aber bei einer entsprechenden Verfahrensrüge darlegen, welchen Vortrag er bei Gewährung einer Schriftsatzfrist in der Berufungsinstanz erbracht hätte. Nur so kann das Revisionsgericht feststellen, ob die gerügte Verletzung für das Urteil möglicherweise ursächlich war (vgl. zur Verletzung der Aufklärungspflicht nach § 139 ZPO BAG 21. November 2013 - 6 AZR 23/12 - Rn. 39; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 770/09 - Rn. 10).

38

(2) Diesen Anforderungen genügt die Revisionsbegründung nicht. Sie rügt, das Landesarbeitsgericht habe die in der mündlichen Verhandlung am 22. Mai 2012 beantragte Schriftsatzfrist nicht gewährt, obwohl die umfangreiche Berufungserwiderung erst am 9. Mai 2012 zugegangen und der gerichtliche Hinweis erst am 16. Mai 2012 vor einem Feiertag erfolgt sei. Der Prozessbevollmächtigte habe deshalb nicht genügend Zeit zur Erörterung mit der Klagepartei gehabt. Die Revision lässt aber offen, welcher Vortrag zur Problematik des Art. 3 Abs. 1 GG im Rahmen eines weiteren Schriftsatzes erstmals erbracht worden wäre. Zum Zusammenwirken der Regelungen des § 8 Abs. 3 mit § 4 Abs. 1 TVÜ-Bund hat die Klägerseite der Revisionsbegründung nach zudem noch in der mündlichen Verhandlung Stellung genommen.

39

III. Der nach § 823 Abs. 2 BGB iVm. Art. 3 Abs. 1 GG verlangte Schadensersatzanspruch besteht folglich schon mangels eines Verstoßes gegen den Gleichheitssatz nicht.

40

IV. Ein Anspruch des Klägers auf weiteren Höhergruppierungsgewinn ergibt sich auch nicht als Schadensersatzanspruch gemäß § 15 Abs. 1 AGG unter dem Gesichtspunkt einer Diskriminierung wegen des Alters iSv. § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG.

41

1. Nach § 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen dieses Benachteiligungsverbot verstoßen, sind nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Der Begriff der Benachteiligung bestimmt sich nach § 3 AGG. Um eine unmittelbare Benachteiligung handelt es sich nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine mittelbare Benachteiligung ist nach § 3 Abs. 2 AGG gegeben, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können. Anderes gilt dann, wenn die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel angemessen und erforderlich sind, um das Ziel zu erreichen. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, handelt es sich schon tatbestandlich nicht um eine Benachteiligung iSv. § 7 Abs. 1 AGG(vgl. zB BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 94/12 - Rn. 49; 23. April 2013 - 1 AZR 916/11 - Rn. 15).

42

2. § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Bund knüpft nicht unmittelbar an das Lebensalter, sondern an den Umstand eines noch ausstehenden Bewährungsaufstiegs an. Damit handelt es sich nicht um eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters.

43

3. Eine mittelbare Benachteiligung älterer Arbeitnehmer hat der Kläger schon nicht hinreichend dargelegt. Dies hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei erkannt.

44

a) Für die Annahme einer mittelbaren Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 2 AGG ist nicht zwingend ein statistischer Nachweis erforderlich, dass Träger eines der Merkmale des § 1 AGG zahlenmäßig wesentlich stärker von einer Vorschrift benachteiligt werden als Personen, bei denen dieses Merkmal nicht vorliegt. Mittelbare Diskriminierungen können statistisch nachgewiesen werden, können sich aber auch aus anderen Umständen ergeben ( BAG 27. Januar 2011 - 6 AZR 526/09 - Rn. 27, BAGE 137, 80; 22. April 2010 -  6 AZR 966/08  - Rn. 20 , BAGE 134, 160; vgl. auch Adomeit/Mohr RdA 2011, 102). Zur Feststellung, ob eine mittelbare Benachteiligung vorliegt, sind Vergleichsgruppen zu bilden, die dem persönlichen Geltungsbereich der Differenzierungsregel entsprechend zusammengesetzt sind. Bei Tarifverträgen ist deshalb auf den gesamten Kreis der von der fraglichen Bestimmung erfassten Normunterworfenen abzustellen. Der Gesamtheit der Personen, die von der Regelung erfasst werden, ist die Gesamtheit der Personen gegenüberzustellen, die durch die Regelung benachteiligt werden. Im Vergleich dieser Gruppen ist zu prüfen, ob die Träger eines Merkmals des § 1 AGG im oben genannten Sinn besonders benachteiligt sind( BAG 12. Dezember 2012 - 10 AZR 718/11 - Rn. 22; 27. Januar 2011 - 6 AZR 526/09 - Rn. 28 mwN, aaO ).

45

b) Die Kausalität zwischen Benachteiligung und verpöntem Merkmal hat der Beschäftigte als Anspruchsteller darzulegen (BAG 12. Dezember 2012 - 10 AZR 718/11 - Rn. 23). Er genügt dieser Darlegungslast gemäß § 22 AGG, wenn er Indizien vorträgt, die eine Benachteiligung wegen eines verpönten Merkmals vermuten lassen. Die vorgetragenen Tatsachen müssen aber aus objektiver Sicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass die weniger günstige Behandlung aus einem der in § 1 AGG genannten Gründe erfolgt ist(BAG 25. April 2013 - 8 AZR 287/08 - Rn. 36, 37 mwN). Eine bloße Mitursächlichkeit genügt(BAG 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 34).Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Würdigung, ob die klagende Partei ihrer Darlegungslast nach § 22 AGG genügt hat, ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob sie möglich und in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder andere Rechtssätze verstößt(BAG 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 42; 12. Dezember 2012 - 10 AZR 718/11 - Rn. 23; 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 34 ).

46

c) Nach diesen Grundsätzen ist die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger habe eine mittelbare Benachteiligung nicht hinreichend dargelegt, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

47

aa) Der Kläger begründet eine Altersdiskriminierung mit dem Umstand, dass typischerweise ältere Beschäftigte den Bewährungsaufstieg bereits vor dem 1. Oktober 2007 erreicht haben und deshalb keinen Höhergruppierungsgewinn nach § 8 Abs. 3 Satz 2 TVÜ-Bund erreichen können. Dies mag in der Behörde des Klägers der Fall sein. Bezogen auf den bundesweiten Anwendungsbereich des TVÜ-Bund belegt der Kläger seine Behauptung aber nicht. Er lässt außer Acht, dass das Erreichen des Bewährungsaufstiegs nach BAT von dem Beginn der Tätigkeit in Kombination mit den Vorgaben der Vergütungsordnung (Anlage 1a zum BAT) bezüglich der Tätigkeitsmerkmale der einzelnen Vergütungsgruppen abhing. Die zu bewältigende Bewährungszeit betrug zwischen zwei und 15 Jahren. Ein Beschäftigter, der im Alter von 25 Jahren eine bestimmte Tätigkeit auszuüben begann, konnte daher seinen Bewährungsaufstieg längst erreicht haben, als ein 45-jähriger Kollege erst anfing. Bezüglich der Überleitungsvorschrift des § 8 Abs. 3 Satz 2 TVÜ-Bund kommt es auf die jeweilige Situation ab dem Stichtag an. Folglich kann der 25-jährige Arbeitnehmer wegen des bereits erfolgten Aufstiegs von der Regelung ggf. nicht profitieren, der ältere Kollege hingegen schon. Eine besondere Benachteiligung Älterer wäre nur dann festzustellen, wenn der Altersdurchschnitt der nicht von § 8 Abs. 3 Satz 2 TVÜ-Bund erfassten Beschäftigten signifikant über dem der Erfassten liegen würde. Dies ist dem Vortrag des Klägers nicht zu entnehmen.

48

bb) Zudem hat das Landesarbeitsgericht zutreffend angeführt, dass die streitige Begünstigung nur bei einem relativ hohen Vergleichsentgelt (§ 5 TVÜ-Bund) entstehen kann, welches wiederum durch eine hohe Lebensaltersstufe bedingt sein kann. Für die begünstigten Arbeitnehmer sei daher ebenfalls ein höheres Lebensalter typisch. Auch dieses Argument steht der nachvollziehbaren Darlegung einer Altersdiskriminierung entgegen.

49

d) Eine etwaige mittelbare Benachteiligung älterer Arbeitnehmer wäre zudem sachlich gerechtfertigt.

50

aa) Eine mittelbare Benachteiligung wegen eines verpönten Merkmals kann nach § 3 Abs. 2 Halbs. 2 AGG durch ein legitimes Ziel und die Wahl verhältnismäßiger Mittel zu seiner Durchsetzung gerechtfertigt werden. Rechtmäßige Ziele iSv. § 3 Abs. 2 AGG können alle nicht diskriminierenden und auch im Übrigen legalen Ziele sein. Die differenzierende Maßnahme muss geeignet und erforderlich sein, um das legitime Ziel zu erreichen, und einen im Verhältnis zur Bedeutung des Ziels noch angemessenen Eingriff in die Rechte des Benachteiligten darstellen (vgl. BAG 15. November 2012 - 6 AZR 359/11 - Rn. 42 mwN). Letztlich ist § 3 Abs. 2 AGG eine spezialgesetzliche Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG(vgl. BAG 8. Dezember 2011 - 6 AZR 319/09 - Rn. 27, BAGE 140, 83).

51

bb) Daran gemessen wäre eine mittelbare Benachteiligung älterer Arbeitnehmer durch § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Bund sachlich gerechtfertigt. Die Tarifvertragsparteien haben im Rahmen der ihnen zukommenden Generalisierungs- und Typisierungsbefugnis eine Regelung getroffen, die den sozialen Besitzstand von Arbeitnehmern mit noch ausstehendem Bewährungsaufstieg sichern soll. Sie haben damit - wie zu Art. 3 Abs. 1 GG ausgeführt - ein legitimes Ziel mit verhältnismäßigen Mitteln verfolgt(vgl. zu § 8 TVÜ-Länder BAG 29. Januar 2014 - 6 AZR 943/11 - Rn. 54).

52

e) Einer Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV bedarf es nicht. Es stellen sich keine Fragen der Auslegung des Unionsrechts, die noch nicht geklärt wären. Die Auslegung des unionsrechtlichen Grundsatzes des Verbots der Diskriminierung wegen des Alters ist einschließlich des Rückgriffs auf die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf durch die Entscheidung des Gerichtshofs in der Sache „Kücükdeveci“ (EuGH 19. Januar 2010 - C-555/07 - Slg. 2010, I-365) geklärt, so dass eine Vorlagepflicht entfällt (vgl. EuGH 6. Oktober 1982 - C-283/81 - [C.I.L.F.I.T.] Slg. 1982, 3415; BAG 28. Mai 2013 - 3 AZR 635/11 - Rn. 28). Das nationale Gericht ist allein für die Beurteilung des Sachverhalts des Rechtsstreits, mit dem es befasst ist, sowie für die Auslegung des anwendbaren nationalen Rechts zuständig ( EuGH 26. September 2013 -  C-476/11  - [HK Danmark] Rn. 68 ; 21. Juli 2011 C-159/10 , C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 71, Slg. 2011, I-6919; 5. März 2009 - C-388/07  - [Age Concern England] Rn. 47, Slg. 2009, I-1569; BAG 18. März 2014 - 3 AZR 69/12 - Rn. 29; 19. Dezember 2013 - 6 AZR 790/12 - Rn. 28).

53

V. Der Kläger hat auch keinen Anspruch aufgrund des allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes.

54

1. Dieser verbietet die sachlich ungerechtfertigte Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage und die sachfremde Gruppenbildung(vgl. BAG 3. Juli 2014 - 6 AZR 753/12 - Rn. 51 mwN). Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz greift wegen seines Schutzcharakters gegenüber der Gestaltungsmacht des Arbeitgebers nur dort ein, wo dieser durch gestaltendes Verhalten ein eigenes Regelwerk bzw. eine eigene Ordnung schafft, nicht hingegen bei bloßem - auch vermeintlichem - Normenvollzug(BAG 12. Dezember 2012 - 10 AZR 718/11 - Rn. 44).

55

2. Letzteres ist hier der Fall. Die Beklagte hat hinsichtlich der materiellen Anspruchsvoraussetzungen nur die Vorgaben des TVÜ-Bund umgesetzt.

56

a) Die Beklagte hat entgegen dem Vortrag des Klägers mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern (BMI) vom 9. September 2008 - D 5 - 220 233 - 51/1 - keine Verlängerung einer Antragsfrist bis zum 31. Dezember 2008 gewährt. § 8 Abs. 3 TVÜ-Bund sieht keine Antragsfrist vor. Die Fristverlängerungen bezogen sich auf andere, im Einzelnen angeführte Anspruchsgrundlagen. Das seitens des Klägers vorgelegte Begleitschreiben der Beklagten vom 12. September 2008 weist sogar ausdrücklich darauf hin, dass für die Beantragung eines Höhergruppierungsgewinns nur die Ausschlussfrist des § 37 TVöD-AT gelte.

57

b) Die arbeitgeberseitig gewährten Erleichterungen bezüglich der tariflichen Ausschlussfrist lassen die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug eines Höhergruppierungsgewinns unberührt. Das BMI hat im Rundschreiben vom 23. Februar 2009 - D 5 - 220 233 - 51/1 - zu 1.4 mitgeteilt, dass die Ausschlussfrist zwar grundsätzlich mit dem individuellen Zeitpunkt des fiktiven Aufstiegs beginne, die Frist bezüglich der vor dem 1. März 2009 nach § 8 Abs. 3 TVÜ-Bund fällig gewordenen Ansprüche aber erst an diesem Tag. Im Rundschreiben vom 24. März 2014 - D 5 - 31003/2#4 - wurde zu E 2.2 anlässlich der Neuregelung des § 8 Abs. 3 TVÜ-Bund durch den Änderungstarifvertrag Nr. 7 geregelt, dass die Ausschlussfrist am 1. April 2014 beginne und die Auszahlung bei Anträgen, die bis zum 30. September 2014 eingegangen sind, rückwirkend ab dem individuellen Zeitpunkt des fiktiven Aufstiegs erfolge, „wenn die Voraussetzungen des § 8 TVÜ-Bund erfüllt sind“. Damit wurden die Anspruchsberechtigten zwar hinsichtlich der Ausschlussfrist übertariflich bessergestellt, der Kreis der Anspruchsinhaber wurde aber nicht erweitert.

58

c) Dies gilt auch bezüglich der Entscheidung der Beklagten, den durch § 8 Abs. 2 Satz 3 TVÜ-Bund angeordneten Wegfall des Strukturausgleichs(§ 12 TVÜ-Bund) übertariflich durch eine Anrechnungsregelung entsprechend § 12 Abs. 5 TVÜ-Bund zu ersetzen(vgl. Rundschreiben des BMI vom 23. Februar 2009 - D 5 - 220 233 - 51/1 - zu 2.2.4 und Aufrechterhaltung im Rundschreiben vom 24. März 2014 - D 5 - 31003/2#4 - zu E 2.2; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand Mai 2014 Teil B 2 § 8 TVÜ-Bund Rn. 56).

59

VI. Der Kläger kann auch nicht aus dem angeführten Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ eine Vergütung entsprechend der Vergleichsperson verlangen. Dieser Grundsatz ist keine allgemeingültige Anspruchsgrundlage, sondern bedarf der Umsetzung in Anspruchsgrundlagen (vgl. BAG 21. Juni 2000 - 5 AZR 806/98 - zu I der Gründe; 13. Februar 2003 - 8 AZR 140/02 - zu II 2 d aa der Gründe). Eine solche ist hier nicht gegeben.

60

VII. Der Kläger hat zudem die Höhe der Klageforderung nicht schlüssig dargelegt. Auch deshalb ist die Klage unbegründet.

61

1. Der Klageforderung liegt ein Vergleich der Vergütung des Klägers ab dem 1. Januar 2008 mit dem Verdienst eines nicht benannten Kollegen im selben Zeitraum zugrunde. Entgegen der Ausführungen auf Seite 8 der Revisionsbegründung, die sich wohl auf ein Parallelverfahren beziehen, ist die Höhe der vor diesem Hintergrund geltend gemachten Beträge nicht unstreitig. Die Beklagte hat im erstinstanzlichen Verfahren mit Schriftsatz vom 2. März 2011 in Verbindung mit der Anlage B 2 eine abweichende Berechnung eines möglichen Höhergruppierungsgewinns vorgelegt. Nach der Klageerweiterung vom 14. April 2011 hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 3. Mai 2011 beanstandet, dass die Klageforderung rechnerisch nicht nachvollziehbar sei. Vor dem Landesarbeitsgericht hat sie dies mit Schriftsatz vom 4. Mai 2012 wiederholt. Zudem könne der Vergleich mit einem Kollegen wegen möglicher unterschiedlicher persönlicher Daten zur Begründung der Forderungshöhe nicht herangezogen werden.

62

2. Dies ist zutreffend. Das Abstellen auf eine nur tätigkeitsbezogen vergleichbare Person kann die Höhe des verlangten Höhergruppierungsgewinns nicht schlüssig begründen, weil der Ermittlung des maßgeblichen Vergleichsentgelts individuelle Faktoren wie Lebensaltersstufe und Ortszuschlag zugrunde liegen (§ 5 Abs. 2 TVÜ-Bund). Die Berechnungsgrundlagen für die Vergütung der Referenzperson stehen insoweit in keinem Zusammenhang zu der dem Kläger zustehenden Vergütungshöhe. Aus dem bloßen Vergleich der Einkommensdifferenz lässt sich nicht entnehmen, worauf diese beruht. Das Landesarbeitsgericht hat deshalb zu Recht verlangt, dass der Kläger seinen individuellen Höhergruppierungsgewinn nach § 8 Abs. 3 Satz 2 iVm. Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Bund hätte ermitteln müssen.

63

3. Es ist daher ohne Bedeutung, dass die Klageforderung auch bei einer Orientierung an der Vergleichsperson nicht schlüssig begründet wäre, weil bei den eingeklagten Differenzbeträgen der dem Kläger nach § 8 Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Bund gezahlte Höhergruppierungsgewinn nicht in Ansatz gebracht wurde. Der Kläger verlangt letztlich einen „doppelten Höhergruppierungsgewinn“ und damit eine nicht begründbare Besserstellung gegenüber der Vergleichsperson.

64

4. Die von der Revision erhobene Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) wegen Nichtgewährung einer Schriftsatzfrist bezüglich der Höhe der Klageforderung ist unzulässig. Die Revision lässt wiederum offen, welcher Vortrag im Rahmen eines weiteren Schriftsatzes erstmals erbracht worden wäre.

65

C. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Fischermeier    

        

    Spelge    

        

    Krumbiegel    

        

        

        

    Lorenz     

        

    Matiaske    

                 

Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein. Derartige unterschiedliche Behandlungen können insbesondere Folgendes einschließen:

1.
die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlohnung und Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Beschäftigten und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen,
2.
die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile,
3.
die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung auf Grund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder auf Grund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand,
4.
die Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen von Beschäftigten und die Verwendung von Alterskriterien im Rahmen dieser Systeme für versicherungsmathematische Berechnungen,
5.
eine Vereinbarung, die die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, zu dem der oder die Beschäftigte eine Rente wegen Alters beantragen kann; § 41 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch bleibt unberührt,
6.
Differenzierungen von Leistungen in Sozialplänen im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes, wenn die Parteien eine nach Alter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung geschaffen haben, in der die wesentlich vom Alter abhängenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters erkennbar berücksichtigt worden sind, oder Beschäftigte von den Leistungen des Sozialplans ausgeschlossen haben, die wirtschaftlich abgesichert sind, weil sie, gegebenenfalls nach Bezug von Arbeitslosengeld, rentenberechtigt sind.

Tenor

1. Die Revision des Klägers wird als unzulässig verworfen, soweit sie sich gegen die Zurückweisung der Berufung hinsichtlich des Unterlassungsantrags wendet.

2. Im Übrigen wir die Sache auf die Revision des Klägers zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über eine Entschädigung wegen einer unzulässigen Diskriminierung und einen Anspruch auf Unterlassung von Benachteiligungen.

2

Die Beklagte betreibt als Körperschaft des öffentlichen Rechts eine Klinik.

3

Vom 7. April bis 29. April 2009 ließ die Beklagte in Zeitungen Stellenanzeigen veröffentlichen, in denen es ua. heißt:

        

„Die C hat in den kommenden Jahren einen relevanten Bedarf an Nachwuchsführungskräften. Um diesen zu decken, gibt es ein spezielles Programm für Hochschulabsolventen/Young Professionells:

        

Trainee-Programm an der C (‚Ctrain’)

        

Konzept:

        

-       

Ein Traineeprogramm ist ein Programm für Hochschulabsolventen. …

        

-       

Dabei sollen jährlich zunächst zwei Hochschulabsolventen rekrutiert und dem Programm ‚Ctrain’ zugeführt werden. Da es sich per definitionem um Berufsanfänger handelt, stehen neben den erworbenen Fähigkeiten vor allem die persönlichen Eigenschaften im Mittelpunkt. Erfahrungswissen wird nicht gefordert.

                 

…       

                 

Ihr Profil:

                 

-       

abgeschlossenes Hochschulstudium vorzugsweise der Medizin, Wirtschaftswissenschaften, Jura oder Naturwissenschaften

                 

…       

        

Die C trifft ihre Personalentscheidung nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Bei gleicher Eignung bevorzugen wir schwer behinderte Menschen. Außerdem streben wir eine Erhöhung des Anteils von Frauen an und fordern Frauen nachdrücklich auf, sich zu bewerben. Bei gleichwertiger Qualifikation werden Frauen im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten vorrangig berücksichtigt.“

4

Der damals 36 Jahre alte Kläger, ein Volljurist mit einem befriedigenden ersten und einem ausreichenden zweiten Staatsexamen und Berufserfahrung bei einer Rechtsschutzversicherung als Leiter einer fünfköpfigen Juristengruppe war zur Zeit der Stellenausschreibung als Rechtsanwalt tätig. Er bewarb sich mit Schreiben vom 11. April 2009 auf die ausgeschriebenen Stellen. Es bewarben sich insgesamt 310 Personen, darunter 207 Bewerberinnen und 103 Bewerber. Männliche und weibliche Bewerber wurden bei der Beklagten in getrennten Listen geführt. 29 Bewerber, darunter 18 Frauen, wurden zu einem Assessment-Center eingeladen. Am Ende entschied sich die Beklagte für eine Bewerberin und einen Bewerber.

5

Mit Schreiben vom 4. Juni 2009 erhielt der Kläger eine Absage. Daraufhin machte er am 2. August 2009 schriftlich einen Unterlassungs- und Entschädigungsanspruch erfolglos geltend. Mit seiner beim Arbeitsgericht am 28. Oktober 2009 eingegangenen Klage verfolgt er seine Ansprüche weiter.

6

Der Kläger vertritt die Auffassung, er sei wegen seines Geschlechts und seines Alters diskriminiert worden. Eine Diskriminierung wegen des Geschlechts sei wegen der nicht geschlechtsneutralen Stellenausschreibung zu vermuten, da der Wortlaut in der Ausschreibung über das Berliner Landesgleichstellungsgesetz (LGG Berlin) hinausgehe. Der Umstand, dass die Beklagte eine nach Geschlechtern getrennte Bewerberliste geführt habe, spreche dafür, dass es bei ihrer Auswahlentscheidung auf das Geschlecht angekommen sei.

7

Der Kläger meint weiter, dass er wegen seines Alters diskriminiert worden sei. Die Beklagte habe gezielt nach Hochschulabsolventen und „Young Professionells“ gesucht. Dies impliziere eine unmittelbare und nicht bloß mittelbare Benachteiligung wegen des Alters.

8

Ihm stehe daher ein Entschädigungsanspruch zu, wobei er von einer geschätzten voraussichtlichen Vergütung von 3.500,00 Euro ausgehe. Er meint, für die Stelle von allen Bewerbern am besten qualifiziert gewesen zu sein. Er könne daher als untere Grenze drei Bruttomonatsgehälter an Entschädigung verlangen. Schließlich meint er, dass der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus unionsrechtlichen Gründen zulässig sei.

9

Der Kläger hat beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, Stellenbewerber im Auswahlverfahren für eine Stelle wegen des Alters und des Geschlechts zu benachteiligen;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine angemessene Entschädigung zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, die jedoch den Betrag von 10.500,00 Euro nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18. August 2009.

10

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

11

Sie trägt vor, der Kläger sei weder wegen seines Geschlechts noch seines Alters benachteiligt worden. Grundlage für die Entscheidung, wen sie aus dem Kreis der Bewerber zu dem Assessment-Center eingeladen habe, seien Noten, dargelegte Motivation, außercurriculares Engagement sowie die äußere Form der Bewerbung gewesen. Der Kläger sei nicht eingeladen worden, da dessen Noten deutlich hinter denen anderer Bewerber zurückgeblieben seien. Sie habe nur diejenigen Bewerber in Betracht gezogen, die gute oder sehr gute Examensnoten aufgewiesen hätten. Die eigentliche Auswahl sei schließlich aufgrund der erreichten Punkte im Assessment-Center, der mündlichen Präsentation und des sozialen Verhaltens der Bewerber erfolgt. Sie habe sich bei dem Text der Ausschreibung an die Vorgaben des § 8 LGG Berlin gehalten. Sie handhabe es nahezu immer so, Bewerber nach Männern und Frauen getrennt in Listen zu erfassen. Dies hindere sie nicht, letztlich auf andere Kriterien, wie zB räumlicher Einzugsbereich, Berufserfahrung etc. abzustellen.

12

Auch sei der Kläger nicht wegen seines Alters in unzulässiger Weise benachteiligt worden. Allenfalls liege eine mittelbare Benachteiligung vor, da sich das Traineeprogramm an Hochschulabsolventen richte und es sich bei diesen typischerweise um jüngere Menschen handele. Sie verfolge aber legitime und verhältnismäßige Zwecke. Im Traineeprogramm sollten erste Erfahrungen in der Praxis, hier in der Führungsebene eines Krankenhauses, gesammelt werden. Dies sei bei einem Bewerber mit mehrjähriger Berufserfahrung naturgemäß nicht mehr der Fall. Sie wolle sich Bewerber in ihrem Sinne erst „formen“. Zudem könnten die Hochschulabsolventen schneller und gezielter auf betriebsspezifische Erfordernisse vorbereitet werden. Das Traineeprogramm diene auch dem Berufseinstieg junger Hochschulabsolventen, da andernorts oftmals Berufserfahrung als Einstellungskriterium verlangt werde. Sie meint, sich auf § 10 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 AGG als Rechtfertigungsgrund für eine unterschiedliche Behandlung stützen zu können.

13

Schließlich bezweifelt die Beklagte, dass es sich um eine ernst gemeinte Bewerbung des Klägers gehandelt habe. Dieser sei aufgrund seiner Vorerfahrungen als Rechtsanwalt für die Stelle überqualifiziert.

14

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter, während die Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt.

Entscheidungsgründe

15

Die Revision des Klägers ist zum Teil unzulässig. Soweit sie zulässig ist, ist sie begründet.

16

A. Das Landesarbeitsgericht hat seine klageabweisende Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die klägerische Berufung sei unzulässig, soweit sich der Kläger gegen die Abweisung seines Unterlassungsantrags wende. Er habe sich nicht hinreichend mit der Argumentation des Arbeitsgerichts, das in dem Unterlassungsbegehren einen unbegründeten Globalantrag gesehen habe, auseinandergesetzt. Der Kläger sei nicht wegen seines Geschlechts benachteiligt worden. Es schade nicht, dass sich die Beklagte nicht genau an den Wortlaut des § 8 LGG Berlin gehalten habe. Eine durch die Ausschreibung möglicherweise bestehende unterschiedliche Behandlung von Männern und Frauen sei jedenfalls durch § 5 AGG gedeckt, da bei der Beklagten auf der Ebene von Führungspositionen Frauen unterrepräsentiert seien. Des Weiteren sei nicht ersichtlich, weshalb aus dem Führen von nach Frauen und Männern getrennten Bewerberlisten ein Indiz für eine geschlechtsspezifische Benachteiligung hergeleitet werden könne. Der Kläger sei auch nicht wegen seines Alters benachteiligt worden. Dabei könne dahinstehen, ob aus der Stellenausschreibung, die sich an „Hochschulabsolventen/Young Professionells“ richte, eine mittelbare oder eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters herzuleiten sei. Eine möglicherweise bestehende mittelbare Benachteiligung sei durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Der Schwerpunkt des Traineeprogramms liege auf der Ausbildung. Dieses gleiche mehr einem Berufspraktikum als einer Berufstätigkeit. Ein solches Programm richte sich auch üblicherweise an Hochschulabsolventen und stelle bei Banken und Versicherungen sogar den Regelfall dar. Es weise auch einen sozialen Bezug auf, weil es den Einstieg von Berufsanfängern in das Berufsleben erleichtern helfe. Wenn man davon ausgehe, dass eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters vorgelegen habe, sei diese nach § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG gerechtfertigt. Auch insoweit sei der Arbeitgeber berechtigt, betriebs- und unternehmensbezogene Interessen, die nicht gesetzlich anerkannt sein müssten, in den Vordergrund zu stellen. Das Programm diene dazu, die Teilnehmer möglichst langfristig an das Unternehmen zu binden. Da auch eine absolute Altersgrenze nicht bestehe, sei es angemessen, die Teilnahme des Programms auf Personen zu beschränken, die am Anfang ihres Berufslebens stünden.

17

B. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nur teilweise stand.

18

I. Die Revision des Klägers ist unzulässig, soweit sie sich gegen die Zurückweisung der Berufung hinsichtlich des Unterlassungsantrags wendet. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, dass die Berufung des Klägers insoweit unzulässig war, da sie sich mit der Begründung des Arbeitsgerichts nicht ausreichend iSd. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO auseinandergesetzt hat. Zwar hat das Landesarbeitsgericht die Berufung nicht nach § 66 Abs. 2 Satz 2 ArbGG iVm. § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als teilweise unzulässig verworfen, jedoch ergibt sich aus den Entscheidungsgründen eindeutig, dass es die Berufung insoweit als unzulässig iSd. § 522 Abs. 1 ZPO betrachtet hat.

19

1. Soweit sich die Revision gegen diesen Teil der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts richtet, genügt sie nicht den gesetzlichen Begründungsanforderungen. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung die Angabe der Revisionsgründe. Bei einer Sachrüge muss die Revisionsbegründung gemäß § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a ZPO den Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Daher muss die Revisionsbegründung eine Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen des angefochtenen Urteils enthalten (st. Rspr., BAG 22. Oktober 2009 - 8 AZR 520/08 - Rn. 19, AP ZPO § 551 Nr. 67). Dies erfordert eine konkrete Darlegung der Gründe, aus denen das angefochtene Urteil nach Meinung des Revisionsklägers fehlerhaft ist. Dadurch soll sichergestellt werden, dass der Prozessbevollmächtigte des Revisionsklägers das angefochtene Urteil im Hinblick auf das Rechtsmittel überprüft und mit Blickrichtung auf die Rechtslage genau durchdenkt. Außerdem soll die Revisionsbegründung durch ihre Kritik des angefochtenen Urteils zur richtigen Rechtsfindung durch das Revisionsgericht beitragen (BAG 22. Oktober 2009 - 8 AZR 520/08 - aaO). Die bloße Darstellung anderer Rechtsansichten ohne jede Auseinandersetzung mit den Gründen des Berufungsurteils genügt nicht (BAG 28. Januar 2009 - 4 AZR 912/07 - Rn. 11, AP ZPO § 551 Nr. 66 = EzA ZPO 2002 § 551 Nr. 10). Hat das Berufungsgericht über mehrere Streitgegenstände entschieden, muss die Revision grundsätzlich für jeden Teil des Klagebegehrens begründet werden (BAG 15. Dezember 2011 - 8 AZR 197/11 - Rn. 25, AP BGB § 613a Nr. 423 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 130).

20

2. Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung des Klägers nicht gerecht. Soweit er rügt, das Arbeitsgericht habe verkannt, dass das Unionsrecht einen Antrag in der geltend gemachten Form erfordere, liegt darin eine Sachrüge. Der Kläger wiederholt seinen Standpunkt, dass sein Unterlassungsantrag in der gestellten Form zulässig sei, weil nur dies eine wirksame Umsetzung des Unionsrechts sei.

21

Damit verteidigt er seinen Antrag aus materiell-rechtlichen Gründen. Der Kläger hätte sich aber im Einzelnen damit auseinandersetzen müssen, weshalb das Landesarbeitsgericht nach seiner Ansicht die Berufung bzgl. des Unterlassungsantrags nicht als unzulässig hätte betrachten dürfen. Er hätte also darlegen müssen, weshalb er entgegen der Meinung des Landesarbeitsgerichts dem gesetzlichen Begründungserfordernis des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO genügt habe. Er hat sich mit diesen gesetzlichen Vorgaben, wegen deren Fehlens das Landesarbeitsgericht die Berufung als unzulässig betrachtet hat, nicht im Einzelnen auseinandergesetzt, sondern im Kern seine Rechtsauffassung aus den Vorinstanzen zum Bestehen eines Unterlassungsanspruchs wiederholt und im Übrigen das Berufungsurteil lediglich als „rechtsfehlerhaft“ und die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts als „insoweit unschlüssig“ bezeichnet. Es reicht für eine ordnungsgemäße Revisionsbegründung aber nicht aus, die tatsächlichen und/oder rechtlichen Würdigungen des Berufungsgerichts mit formelhaften Wendungen zu rügen oder das Vorbringen aus den Vorinstanzen zu wiederholen (vgl. zu den Anforderungen an eine Berufungsbegründung: BAG 18. Mai 2011 - 4 AZR 552/09 - Rn. 14, AP ArbGG 1979 § 64 Nr. 45).

22

II. Im Übrigen ist die Revision des Klägers begründet. Die Begründung, mit der das Landesarbeitsgericht den geltend gemachten Entschädigungsanspruch abgewiesen hat, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

23

1. Der auf Zahlung einer Entschädigung gerichtete Klageantrag ist zulässig, insbesondere ist er hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Der Kläger durfte die Höhe der von ihm begehrten Entschädigung in das Ermessen des Gerichts stellen. § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG räumt dem Gericht bei der Höhe der Entschädigung einen Beurteilungsspielraum ein, weshalb eine Bezifferung des Zahlungsantrags nicht notwendig ist. Erforderlich ist allein, dass der Kläger Tatsachen, die das Gericht bei der Bestimmung des Betrags heranziehen soll, benennt und die Größenordnung der geltend gemachten Forderung angibt (vgl. BAG 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 16, EzA AGG § 15 Nr. 16). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Kläger hat einen Sachverhalt dargelegt, der dem Gericht die Bestimmung einer Entschädigung ermöglicht, und den Mindestbetrag der angemessenen Entschädigung mit 10.500,00 Euro beziffert.

24

2. Ob die Klage begründet ist und dem Kläger ein Anspruch auf eine angemessene Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG zusteht, kann der Senat aufgrund der vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen nicht entscheiden.

25

a) Der Kläger ist als Bewerber „Beschäftigter“ nach § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG und fällt in den persönlichen Anwendungsbereich des AGG. Dabei spielt es keine Rolle, ob er für die ausgeschriebene Tätigkeit objektiv geeignet ist (BAG 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 18, EzA AGG § 15 Nr. 16). Auch auf die subjektive Ernsthaftigkeit der Bewerbung kommt es nicht an. Das Fehlen einer solchen würde allenfalls zum Einwand treuwidrigen Verhaltens des Bewerbers führen (BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 24, EzA AGG § 15 Nr. 17).

26

b) Die Beklagte ist als „Arbeitgeberin“ passiv legitimiert. Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 AGG ist Arbeitgeber im Sinne des Gesetzes, wer „Personen nach Absatz 1“ des § 6 AGG „beschäftigt“. Arbeitgeber eines Bewerbers ist also der, der um Bewerbungen für ein von ihm angestrebtes Beschäftigungsverhältnis gebeten hat (BAG 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 19, EzA AGG § 15 Nr. 16).

27

c) Der Entschädigungsanspruch ist rechtzeitig geltend gemacht worden.

28

aa) Gemäß § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG muss ein Anspruch aus § 15 Abs. 2 AGG innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden. Im Falle einer Bewerbung beginnt die Frist mit dem Zugang der Ablehnung (§ 15 Abs. 4 Satz 2 AGG). Mit Schreiben vom 4. Juni 2009 hat die Beklagte dem Kläger eine Absage erteilt. Dieser hat am 2. August 2009 einen Entschädigungs- und Unterlassungsanspruch schriftlich geltend gemacht. Mangels anderweitigen Sachvortrags der Parteien ist deshalb unter Zugrundelegung der üblichen Postlaufzeiten davon auszugehen, dass die Frist des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG gewahrt ist.

29

bb) Der Kläger hat seinen Entschädigungsanspruch durch die beim Arbeitsgericht am 28. Oktober 2009 eingegangene Klage innerhalb der dreimonatigen Klageerhebungsfrist des § 61b Abs. 1 ArbGG geltend gemacht.

30

d) Voraussetzung für einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG ist ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 AGG. § 15 Abs. 2 AGG enthält nur eine Rechtsfolgenregelung, für die Anspruchsvoraussetzungen ist auf § 15 Abs. 1 AGG zurückzugreifen(BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 30, EzA AGG § 15 Nr. 17).

31

Im Streitfalle liegen Indizien vor, die eine unzulässige Benachteiligung des Klägers wegen dessen Alters vermuten lassen (§§ 1, 3 Abs. 1, § 7 Abs. 1, § 22 AGG).

32

aa) Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn ein Beschäftigter wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes - zu denen auch das Alter zählt - eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.

33

bb) Der Kläger erfuhr eine weniger günstige Behandlung als die Bewerber, die zu einem Assessment-Center bei der Beklagten eingeladen wurden. Ein Nachteil im Rahmen einer Auswahlentscheidung liegt auch dann vor, wenn der Bewerber - wie hier der Kläger - nicht in die Auswahl einbezogen, sondern vorab in einem Bewerbungsverfahren ausgeschieden wird. Die Benachteiligung liegt bereits in der Versagung einer Chance (st. Rspr., vgl. BAG 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 24, EzA AGG § 15 Nr. 16).

34

cc) Das Vorliegen einer vergleichbaren Situation setzt voraus, dass der Kläger objektiv für die ausgeschriebene Stelle geeignet war, denn vergleichbar (nicht: gleich) ist die Auswahlsituation nur für Arbeitnehmer, die gleichermaßen die objektive Eignung für die zu besetzende Stelle aufweisen. Für das Vorliegen einer Benachteiligung ist es erforderlich, dass eine Person, die an sich für die Tätigkeit geeignet wäre, nicht ausgewählt oder schon nicht in Betracht gezogen wurde. Könnte auch ein objektiv ungeeigneter Bewerber immaterielle Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG verlangen, stünde dies nicht im Einklang mit dem Schutzzweck des AGG. Das AGG will vor ungerechtfertigter Benachteiligung schützen, nicht eine unredliche Gesinnung des (potentiellen) Arbeitgebers sanktionieren. Die objektive Eignung ist keine ungeschriebene Voraussetzung der Bewerbereigenschaft, sondern Kriterium der „vergleichbaren Situation“ iSd. § 3 Abs. 1 AGG(BAG 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 26, EzA AGG § 15 Nr. 16).

35

Grundsätzlich ist für die objektive Eignung nicht auf das formelle Anforderungsprofil, welches der Arbeitgeber erstellt hat, abzustellen, sondern auf die Anforderungen, die der Arbeitgeber an einen Stellenbewerber stellen durfte. Der Arbeitgeber darf zwar grundsätzlich über den der Stelle zugeordneten Aufgabenbereich und die dafür geforderten Qualifikationen des Stelleninhabers frei entscheiden, er darf aber nicht durch willkürlich gewählte Anforderungen den Schutz des AGG faktisch beseitigen (vgl. BAG 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - Rn. 38, AP AGG § 15 Nr. 6 = EzA AGG § 15 Nr. 13). Der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes ist verpflichtet, für die zu besetzende Stelle ein Anforderungsprofil festzulegen und nachvollziehbar zu dokumentieren, weil nur so seine Auswahlentscheidung nach den Kriterien der Bestenauslese gerichtlich überprüft werden kann (BAG 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - Rn. 43, aaO). Dem Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes steht bei der Anwendung von Art. 33 Abs. 2 GG und damit auch bei der Festlegung des Anforderungsprofils ein Beurteilungsspielraum zu, der nur eine eingeschränkte gerichtliche Kontrolle zulässt. Die Festlegung des Anforderungsprofils muss aber dem Grundsatz der „Bestenauslese“ Rechnung tragen und muss im Hinblick auf die Anforderungen der zu besetzenden Stelle sachlich nachvollziehbar sein (BAG 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - Rn. 45, aaO).

36

dd) Die Beklagte hat in ihrer Stellenanzeige Hochschulabsolventen gesucht, um Führungskräfte in der Verwaltung zu rekrutieren. Der Kläger verfügt über das erste und zweite juristische Staatsexamen und erfüllt daher grundsätzlich die von der Beklagten gestellten Anforderungen. Eine bestimmte Mindestnote hat sie in dem Stellenprofil nicht gefordert, obwohl sie dazu grundsätzlich berechtigt gewesen wäre (vgl. BAG 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - Rn. 48, AP AGG § 15 Nr. 6 = EzA AGG § 15 Nr. 13).

37

ee) Es liegen auch Indizien für die Vermutung vor, dass der Kläger „wegen“ seines Alters benachteiligt worden ist.

38

Der Kausalzusammenhang zwischen nachteiliger Behandlung und Alter ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an das Alter anknüpft oder durch dieses motiviert ist. Dabei ist es nicht erforderlich, dass der betreffende Grund das ausschließliche Motiv für das Handeln des Benachteiligenden ist. Ausreichend ist vielmehr, dass das verpönte Merkmal Bestandteil eines Motivbündels ist, welches die Entscheidung beeinflusst hat. Auf ein schuldhaftes Handeln oder gar eine Benachteiligungsabsicht kommt es nicht an (BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 42, EzA AGG § 15 Nr. 17).

39

Hinsichtlich der Kausalität zwischen Nachteil und dem verpönten Merkmal ist in § 22 AGG eine Beweislastregelung getroffen, die sich auch auf die Darlegungslast auswirkt. Der Beschäftigte genügt danach seiner Darlegungslast, wenn er Indizien vorträgt, die seine Benachteiligung wegen eines verbotenen Merkmals vermuten lassen. Dies ist der Fall, wenn die vorgetragenen Tatsachen aus objektiver Sicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass die Benachteiligung wegen dieses Merkmals erfolgt ist. Durch die Verwendung der Wörter „Indizien“ und „vermuten“ bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass es hinsichtlich der Kausalität zwischen einem der in § 1 AGG genannten Gründe und einer ungünstigeren Behandlung genügt, Hilfstatsachen vorzutragen, die zwar nicht zwingend den Schluss auf die Kausalität erfordern, die aber die Annahme rechtfertigen, dass Kausalität gegeben ist(BAG 27. Januar 2011 - 8 AZR 580/09 - Rn. 29, EzA AGG § 22 Nr. 3). Liegt eine Vermutung für die Benachteiligung vor, trägt nach § 22 AGG die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.

40

ff) Nach diesen Grundsätzen ist eine Benachteiligung des Klägers wegen seines Alters zu vermuten.

41

Anknüpfungspunkt für die Vermutung einer Benachteiligung wegen des Alters ist im vorliegenden Falle der Text der Stellenausschreibung. Diese enthält neben den Bewerbungskriterien „Hochschulabsolventen“ und „Berufsanfänger“ auch das Kriterium „Young Professionells“. Letzteres kann mit „junger Fachmann/-frau“ übersetzt werden (vgl. Wahrig Deutsches Wörterbuch 8. Aufl. S. 1680). Damit hat die Beklagte direkt auf das Merkmal „Alter“ abgestellt. Sie hat zum Ausdruck gebracht, dass es ihr nicht allein darum ging, Bewerber, die gerade ihren Hochschulabschluss geschafft haben und demnach noch keine oder wenig Berufserfahrung aufweisen, anzusprechen. Diese Kriterien mag etwa auch derjenige erfüllen, der ungewöhnlich lange studiert und erst im vorgerückten Alter seinen Abschluss gemacht hat. Diesen Bewerberkreis wollte die Beklagte erkennbar aber nicht ansprechen. Neben fehlender Berufserfahrung sollten die Bewerber vielmehr auch noch „jung“ sein. Zwar ist der Begriff „jung“ nicht eindeutig zu definieren (BAG 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 59, AP AGG § 15 Nr. 5 = EzA AGG § 15 Nr. 10), jedoch bringt die Zusammenschau der Kriterien „Hochschulabsolvent“ und „Berufsanfänger“ sowie „Young Professionells“ aus Sicht eines objektiven Lesers des Stellenprofils die Erwartungshaltung der Beklagten zum Ausdruck, dass die Bewerber nicht älter als 30, maximal 35 Jahre alt sein sollten. Auch die Beklagte geht davon aus, dass sie mit der Stellenanzeige vornehmlich jüngere Menschen im Altersdurchschnitt von 25 bis 30 Jahren angesprochen hat.

42

Nach § 11 AGG darf ein Arbeitsplatz nicht unter Verstoß gegen § 7 Abs. 1 AGG ausgeschrieben werden. Eine Ausschreibung verstößt gegen § 7 Abs. 1 AGG, wenn Menschen, die ein in § 1 AGG genanntes Merkmal aufweisen, vom Kreis der für die zu besetzende Stelle in Betracht kommenden Personen ausgeschlossen werden(BAG 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 57, AP AGG § 15 Nr. 5 = EzA AGG § 15 Nr. 10). Die Verletzung der Verpflichtung, einen Arbeitsplatz nicht unter Verstoß gegen § 7 Abs. 1 AGG auszuschreiben, kann die Vermutung begründen, die Benachteiligung sei wegen des in der Ausschreibung bezeichneten verbotenen Merkmals erfolgt(vgl. BAG 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 59, aaO).

43

gg) Nach der Stellenanzeige wurden „junge“ Fachleute bzw. Hochschulabsolventen ohne Berufserfahrung gesucht. Mit dieser Einschränkung werden solche Personen, die nicht mehr „jung“ sind, vom Kreis derer, die für die zu besetzende Stelle in Betracht kommen, ausgeschlossen. Dabei ist es nicht entscheidend, dass der Begriff „jung“ nicht eindeutig zu definieren ist. Jedenfalls im Zusammenhang mit den anderen geforderten Kriterien, nämlich „Hochschulabsolvent“ und „Berufsanfänger“, wird deutlich, dass es der Beklagten um eine Zielgruppe von Akademikern von rund 30 Jahren ging. Der Kläger erfüllte dieses Kriterium mit 36 Jahren nicht mehr.

44

hh) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist nicht davon auszugehen, dass die unterschiedliche Behandlung wegen des Alters nach § 10 Satz 1 AGG gerechtfertigt ist.

45

§ 10 Satz 1 und Satz 2 AGG gestatten die unterschiedliche Behandlung wegen des Alters, wenn diese objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Rechtfertigungsgründe werden in § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG zunächst in Form einer Generalklausel umschrieben. § 10 Satz 3 AGG zählt dann, wie sich aus dem Wort „insbesondere“ ergibt, Beispielsfälle auf, ohne dass es sich um einen abschließenden Katalog handelt(BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 40, BAGE 129, 181 = AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1). Unter einem „legitimen Ziel“ iSv. § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG sind nicht nur im Interesse der Allgemeinheit liegende Ziele zu verstehen, sondern auch betriebs- und unternehmensbezogene Interessen, wobei es sich nicht um gesetzlich anerkannte Interessen handeln muss(BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 53, aaO).

46

Die unterschiedliche Behandlung muss „objektiv“ gerechtfertigt sein. Es ist dabei zu prüfen, ob das verfolgte Interesse auf tatsächlichen und nachvollziehbaren Erwägungen beruht und ob die Ungleichbehandlung nicht nur aufgrund von bloßen Vermutungen oder subjektiven Einschätzungen vorgenommen wird. Sie muss ferner „angemessen“ sein. Dies erfordert eine Verhältnismäßigkeitsprüfung. Danach muss das verfolgte Ziel in einem angemessenen Verhältnis zu der Ungleichbehandlung stehen. Dafür ist eine Abwägung zwischen dem Schutz vor Ungleichbehandlung und dem verfolgten Ziel vorzunehmen. Die Ungleichbehandlung muss letztlich durch das verfolgte Ziel sachlich gerechtfertigt sein. Nach § 10 Satz 2 AGG ist ferner zu prüfen, ob auch die eingesetzten Mittel zur Erreichung des Ziels verhältnismäßig sind(BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 55, BAGE 129, 181 = AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1).

47

Gemessen an diesen Anforderungen hat die Beklagte keine Rechtfertigung iSv. § 10 AGG dargelegt.

48

Sie kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sie mit dem Anforderungsprofil „junge Berufsanfänger“ eine ausgewogene Altersstruktur anstrebe, weil die Mitarbeiter in der Verwaltung eher in vorgerücktem Alter stünden.

49

Allerdings kann die Sicherung einer ausgewogenen Altersstruktur grundsätzlich als ein legitimes Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG angesehen werden. Zu Altersgrenzen vertritt der EuGH nach gefestigter Rechtsprechung die Auffassung, dass ein „günstiger Altersaufbau“ sogar aus Gründen der Beschäftigungs- und Sozialpolitik gerechtfertigt sein könne. Denn es gehe regelmäßig auch darum, zum Erfahrungsaustausch zwischen Beschäftigten verschiedener Generationen beizutragen und die Einstellung jüngerer Arbeitnehmer zu ermöglichen (vgl. EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10 und C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 49 f., AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 21 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 20). Auch der deutsche Gesetzgeber hat in § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG beim Ausspruch von betriebsbedingten Kündigungen die Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur im Betrieb grundsätzlich als legitimes Ziel anerkannt(vgl. BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 52 ff., AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 21 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 84). Allerdings deckt die Vorschrift nur die „Sicherung“, nicht aber eine „Veränderung“ der Personalstruktur ab. Wenn, wie hier, der Arbeitgeber einem drohenden Überalterungsprozess in seiner Belegschaft entgegenwirken will, indem er nur noch jüngere Arbeitnehmer einstellt, lässt sich dies jedenfalls nicht mit dem Rechtsgedanken aus § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG begründen(vgl. BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 57, BAGE 129, 181 = AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1).

50

Ob es ein legitimes Ziel iSv. § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG sein kann, wenn der Arbeitgeber nur noch jüngere Bewerber einstellen will, um eine verjüngte Personalstruktur erst zu schaffen, kann letztlich dahin gestellt bleiben. Denn die Arbeitgeberin ist im vorliegenden Falle jedenfalls nicht ihrer Darlegungslast bzgl. des Vorliegens eines legitimen Ziels iSv. § 10 Satz 1 AGG nachgekommen. Sie hätte zunächst vortragen müssen, welche konkrete Personalstruktur sie schaffen oder erhalten will und aus welchen Gründen. Schlagwortartige Bezeichnungen genügen dafür nicht. Andernfalls kann nicht überprüft werden, ob die Ungleichbehandlung durch das verfolgte Ziel gerechtfertigt ist (vgl. BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 59, BAGE 129, 181 = AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1). Die Beklagte hat zwar vorgebracht, dass in den nächsten zehn Jahren 35 % der Mitarbeiter (gemeint sind wohl die in der Verwaltung) planmäßig ausscheiden werden und fast die Hälfte ihrer Beschäftigten mehr als 50 Jahre alt sei. Wenn etwa die Hälfte der Mitarbeiter mehr als 50 Jahre alt ist, spricht dies indes noch nicht für ein evident drohendes Problem der Überalterung. Geht man von einem durchschnittlichen Eintrittsalter von 30 Jahren und einem Ausscheiden bei 65 oder mehr Jahren aus, so liegt das Alter von 50 Jahren nur knapp über dem Durchschnittsalter in einem Erwerbsleben. Vor diesem Hintergrund hätte die Beklagte näher erläutern müssen, welche Altersstruktur sie anstrebt und welche Nachteile ansonsten ggf. drohen würden.

51

Entsprechendes gilt für ihren Vortrag, sie verfolge das Ziel, jüngeren Berufsanfängern ohne Berufserfahrung den Einstieg in das Berufsleben zu erleichtern. Auf § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG kann sich die Beklagte in diesem Zusammenhang nicht berufen, da diese Regelung die Eingliederung von Jugendlichen, nicht von Berufsanfängern, bezweckt. Als ein legitimes Ziel könnte es uU anzuerkennen sein, dass der Arbeitgeber die bevorzugte Einstellung von Berufsanfängern bezweckt, weil diese arbeitslos sind und auf dem primären Arbeitsmarkt keine guten Einstellungschancen hätten. Bei Hochschulabsolventen aus den Bereichen Medizin, Naturwissenschaften, Wirtschafts- und Rechtswissenschaften ist dies aber grundsätzlich nicht der Fall. Die Beklagte wendet sich in ihrer Stellenanzeige („Young Professionells“) gerade an besonders qualifizierte Berufseinsteiger mit regelmäßig guten Berufschancen.

52

Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass sie für die Teilnahme an dem zweijährigen Traineeprogramm ausschließlich jüngere Bewerberinnen und Bewerber ohne Berufserfahrung suchen durfte.

53

§ 10 Satz 3 Nr. 3 AGG ist nicht zur Rechtfertigung heranzuziehen. Danach kann die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung aufgrund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder aufgrund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand eine Ungleichbehandlung wegen des Alters rechtfertigen. Nach der Gesetzesbegründung liegt der Regelung die Überlegung zugrunde, dass bei älteren Beschäftigten, deren Rentenalter bereits absehbar ist, einer aufwendigen Einarbeitung am Arbeitsplatz auch eine betriebswirtschaftlich sinnvolle Mindestdauer einer produktiven Arbeitsleistung gegenüberstehen muss (BT-Drucks. 16/1780 S. 36). Legt man hier zugrunde, dass der Kläger bei seiner Bewerbung 36 Jahre alt war, so lägen noch rund 30 Berufsjahre bei der Beklagten vor ihm, um eine zweijährige Ausbildung zu kompensieren. Dies wäre in jedem Falle hinreichend lang.

54

Die Beklagte führt zur Rechtfertigung ihres Anforderungsprofils für Bewerber für das Traineeprogramm aus, sie habe bewusst Berufsanfänger ohne Berufserfahrung gesucht, um diese Bewerber in ihrem Sinne „formen“ zu können. Die Bewerber sollten ihr theoretisch erworbenes Wissen allein mit dem im Unternehmen der Beklagten erlangten Wissen verknüpfen. Anderweitig erworbenes Spezialwissen von außen oder sonstige Berufserfahrung sollten sie gerade nicht mit einbringen. Berufseinsteiger könnten auch besser und schneller auf die betriebsspezifischen Erfordernisse vorbereitet werden. Schließlich seien vergleichbare Traineeprogramme in bestimmten Brachen üblich.

55

In der Literatur wird teilweise betont, es sei zulässig, für Traineeprogramme nach jungen Hochschulabsolventen zu suchen (Wichert/Zange DB 2007, 970 ff.; Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 10 Rn. 35; Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 132; wohl auch Däubler/Bertzbach - Däubler 2. Aufl. § 7 Rn. 37; für eine Altersgrenze bei der Suche nach Führungskräften tendenziell großzügig auch MüKoBGB/Thüsing 6. Aufl. § 10 AGG Rn. 22; Schaub/Linck ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 36 Rn. 65). Teilweise wird demgegenüber betont, das Alter dürfe nur in besonderen Ausnahmefällen bei Einstellungen eine Rolle spielen, insbesondere könne der Arbeitgeber eine unterschiedliche Behandlung nicht damit begründen, der Arbeitnehmer bringe mit zunehmendem Alter nicht mehr die erforderliche Flexibilität mit (Däubler/Bertzbach - Buschmann 2. Aufl. § 11 Rn. 15; Weber AuR 2002, 401, 403 f.; Kittner/Zwanziger - Zwanziger 6. Aufl. § 92 Rn. 121).

56

Der Fall nötigt nicht zu einer abschließenden Beantwortung der Frage, ob Altersgrenzen bei einer ausgeschriebenen Traineestelle zur Nachwuchsförderung von Führungskräften generell keine Rolle spielen dürfen. Denn hierfür möglicherweise in Betracht kommende Gründe hat die Beklagte jedenfalls nicht ausreichend dargelegt. Eine unterschiedliche Behandlung muss dabei „objektiv“ gerechtfertigt sein. Es kommt demnach darauf an, ob das verfolgte Interesse auf tatsächlichen und nachvollziehbaren Erwägungen beruht und ob die Ungleichbehandlung nicht nur aufgrund von bloßen Vermutungen oder subjektiven Einschätzungen vorgenommen wird (vgl. BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 55, BAGE 129, 181 = AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1).

57

Wenn die Beklagte darauf abstellt, dass sie sich ihren Führungskräftenachwuchs hat „formen“ wollen, so liegt dem die Annahme zugrunde, dass dies bei älteren Arbeitnehmern mit Berufserfahrung nicht oder weniger gut ginge. Ein allgemeiner Erfahrungssatz, dass ein älterer Arbeitnehmer weniger gut lernt als ein jüngerer, existiert nicht und ist auch vom Landesarbeitsgericht nicht festgestellt worden. Allenfalls verringert sich die Lerngeschwindigkeit mit zunehmendem Alter (vgl. BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 68, BAGE 132, 210 = AP AGG § 7 Nr. 1 = EzA AGG § 10 Nr. 2). Zwar hat dies die Beklagte pauschal behauptet, doch genügt sie damit nicht ihren Anforderungen an einen substantiierten Sachvortrag. Bloße Vermutungen können eine Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen. Entsprechendes gilt, sofern man bei jungen Hochschulabsolventen eine größere Bereitschaft unterstellen mag, sich voll und ganz auf ein neues Unternehmen einzulassen. Anerkannt ist bislang allenfalls, dass bei typisierender Betrachtungsweise die Chancen für Ältere auf dem Arbeitsmarkt sinken (vgl. BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 56, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 21 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 84) und dass die körperliche und psychische Belastbarkeit mit zunehmendem Alter sinkt (EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge] Rn. 67, AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 23 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 22; BAG 17. Juni 2009 - 7 AZR 112/08 (A) - Rn. 21, BAGE 131, 113 = AP TzBfG § 14 Nr. 64 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 12). Nicht anerkannt ist aber, dass die Mobilität oder Flexibilität mit zunehmendem Alter sinkt (vgl. BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 63 ff., aaO). Auch Arbeitnehmer mit fortgeschrittenem Alter müssen sich fort- und weiterbilden. Es spricht daher im Grundsatz nichts dagegen, dass auch ein fast Vierzigjähriger mit Erfolg an einem Traineeprogramm teilnehmen und anschließend eine Position in der Führungsebene eines Unternehmens ausfüllen kann.

58

Sofern die Beklagte vorträgt, Bewerber mit bereits in einem anderen Unternehmen erworbener Berufserfahrung sollten diese Erfahrungen nicht bei ihr einbringen können, erscheint dies ohne weitere Erläuterung nicht nachvollziehbar. Allgemein wird es als Vorteil angesehen, wenn Bewerber bereits über Berufserfahrung verfügen, da sie diese Kenntnisse dem neuen Arbeitgeber zur Verfügung stellen können. Eine „Verbildung“ durch die bisher ausgeübte Tätigkeit ist im Allgemeinen nicht ohne Weiteres anzunehmen (vgl. BAG 8. Dezember 2010 - 7 ABR 98/09 - Rn. 63, BAGE 136, 237 = AP BetrVG 1972 § 99 Einstellung Nr. 62 = EzA TVG § 1 Betriebsnorm Nr. 5). Aus welchen konkreten unternehmensspezifischen Gründen im vorliegenden Falle erworbenes Praxiswissen für das Traineeprogramm bei der Beklagten schadet, erschließt sich demnach nicht.

59

Die Beklagte kann sich auch nicht erfolgreich darauf berufen, Traineeprogramme seien in bestimmten Branchen für Berufseinsteiger üblich. Das Landesarbeitsgericht hat lediglich festgestellt, Traineeprogramme hätten bei Banken und Versicherungen eine lange Tradition. Dies verfängt im Streitfalle jedoch nicht, weil es vorliegend um einen Krankenhausbetrieb geht.

60

Wenn die Beklagte meint, das Traineeprogramm diene auch dazu, zu ermitteln, ob der Bewerber für eine Tätigkeit in einer Krankenhausverwaltung in Betracht komme, so stellt sich die Beschränkung des Bewerberkreises aus diesem Grund jedenfalls nicht als eine erforderliche Maßnahme dar. Es bestünde nämlich die Möglichkeit einer befristeten Probezeit (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 TzBfG) oder einer sachgrundlosen Befristung (§ 14 Abs. 2 TzBfG), um Klarheit zu finden, ob der Bewerber langfristig für die Stelle geeignet ist.

61

e) Ein etwaiger Entschädigungsanspruch des Klägers wäre nicht ausnahmsweise unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs ausgeschlossen (§ 242 BGB).

62

aa) Im Falle von Ansprüchen nach § 15 AGG kann unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls der Erwerb der Rechtsstellung als Bewerber dann als unredlich erscheinen, wenn die Bewerbung allein deshalb erfolgt ist, um Entschädigungsansprüche zu erlangen. Für die fehlende Ernsthaftigkeit der Bewerbung, dh. den Rechtsmissbrauch, ist der Arbeitgeber darlegungs- und beweisbelastet, wobei der Arbeitgeber Indizien vortragen muss, die geeignet sind, den Schluss auf die fehlende Ernsthaftigkeit zuzulassen (BAG 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 54, EzA AGG § 15 Nr. 16).

63

bb) Die Beklagte hat keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Annahme vorgebracht, der Kläger habe sich nicht ernsthaft beworben. Zwar könnte ein krasses Missverhältnis zwischen Anforderungsprofil der zu vergebenden Stelle und der Qualifikation des Bewerbers die Ernsthaftigkeit der Bewerbung in Frage stellen. Die Beklagte meint in diesem Kontext, der Kläger sei mit seiner Berufserfahrung und seinem vermutlich bisherigen Einkommen für die Traineestelle überqualifiziert. Demgegenüber hat der Kläger behauptet, er wolle sich nach einem Auslandsaufenthalt neu orientieren und sei im Zeitpunkt der Bewerbung ohne nennenswerte Einkünfte gewesen. Das im Anforderungsprofil genannte Kriterium „abgeschlossenes Hochschulstudium“ in „Jura“ erfüllt er. Sofern die Beklagte mutmaßt, der Kläger habe eine Vielzahl von Bewerbungen verschickt und mehrere Entschädigungsprozesse geführt, spricht auch dies nicht zwingend gegen die Ernsthaftigkeit der Bewerbung (vgl. BAG 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 56, EzA AGG § 15 Nr. 16). Der Hinweis des Klägers in seinem Bewerbungsschreiben, sein Vater sei Opfer eines „Ärztepfusches“ geworden, mutet bei einer Bewerbung in einem Krankenhausbetrieb zwar befremdlich an, ist aber letztlich für sich genommen nicht geeignet, die Ernsthaftigkeit der Bewerbung auszuschließen.

64

3. Da der Kläger somit Tatsachen vorgetragen hat, die eine Benachteiligung wegen seines Alters vermuten lassen, trägt die Beklagte nach § 22 AGG die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorliegt. Der Arbeitgeber muss das Gericht davon überzeugen, dass die Benachteiligung nicht (auch) auf dem Alter beruht. Damit muss er Tatsachen vortragen und gegebenenfalls beweisen, aus denen sich ergibt, dass es ausschließlich andere Gründe waren als das Alter, die zu der weniger günstigen Behandlung geführt haben (vgl. BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 58, EzA AGG § 15 Nr. 17).

65

Solche Tatsachen hat die Beklagte vorgetragen. Sie wäre berechtigt gewesen, den Kläger nicht zu einem Assessment-Center zu laden, wenn er schlechtere Examensnoten als die eingeladenen Mitbewerber aufgewiesen hätte. Zwar hat die Beklagte in ihrer Stellenausschreibung nicht ausdrücklich Mindestanforderungen an die Examensnoten der potentiellen Bewerber gestellt. Da nach Art. 33 Abs. 2 GG jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt hat, muss der öffentliche Arbeitgeber jede Bewerbung nach den genannten Kriterien beurteilen(allg. Meinung, vgl. BAG 18. September 2007 - 9 AZR 672/06 - Rn. 19, BAGE 124, 80 = AP GG Art. 33 Abs. 2 Nr. 64 = EzA GG Art. 33 Nr. 33). Aus diesem Grunde war die Beklagte als öffentliche Arbeitgeberin berechtigt, wenn nicht sogar verpflichtet, nur die von der Examensnote her besten Bewerber in die engere Auswahl einzubeziehen.

66

Auf dieses Einstellungsverfahren nach der sog. „Bestenauslese“ brauchte sie in ihrer Stellenausschreibung nicht besonders hinzuweisen, weil eine solche Auswahl im öffentlichen Dienst selbstverständlich ist. Es handelt sich dabei nicht um ein „besonderes Anforderungsprofil“, an welches die Beklagte während des gesamten Bewerbungsverfahrens gebunden wäre.

67

Dies widerspricht nicht der Entscheidung des Neunten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 21. Juli 2009 (- 9 AZR 431/08 - BAGE 131, 232 = AP SGB IX § 82 Nr. 1 = EzA SGB IX § 82 Nr. 1). In dieser ging es vor allem um die Frage, ob ein schwerbehinderter Bewerber wegen offensichtlichen Fehlens der fachlichen Eignung nach § 82 Satz 3 SGB IX vom öffentlichen Arbeitgeber nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden musste. Offensichtlich ungeeignet iSd. § 82 Satz 3 SGB IX wäre der Kläger nicht gewesen, nachdem die Beklagte keine Mindestanforderungen an die Examensnoten gestellt hatte. Dies verbietet es aber nicht, diese Noten im Rahmen der Auswahlentscheidung bei einem nicht behinderten Bewerber zu berücksichtigen. Auch das Bundesverfassungsgericht geht in seiner Entscheidung vom 28. Februar 2007 (- 2 BvR 2494/06 - Rn. 6 ff., BVerfGK 10, 355) davon aus, dass der öffentliche Dienstherr an das Prinzip der „Bestenauslese“ im gesamten Bewerbungsverfahren gebunden ist.

68

Im Übrigen hat die Beklagte in ihrer Stellenausschreibung auch darauf hingewiesen, dass sie „ihre Personalentscheidungen nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung“ treffe.

69

Die Beklagte hat schlüssig dargelegt, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligungen vorgelegen hat. Ihr „Geschäftsleiter Finanzen“ Dr. H hat namens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 14. Januar 2011 vor dem Landesarbeitsgericht erklärt: „Als ich seinerzeit, es war der 1. Mai 2009, die Sichtung der Bewerbungen auf die Stellenanzeige vornahm, habe ich eine Auswahl nach den Examensnoten getroffen und nur diejenigen Bewerbungen in Betracht gezogen, die Examensnoten von gut oder sehr gut auswiesen“. Dieses Abstellen auf die Examensnoten war sachgerecht, weil die Beklagte Hochschulabsolventen als Bewerber gesucht hatte. Da der Kläger diese Vorgehensweise der Beklagten bestritten hat, wird das Landesarbeitsgericht darüber Beweis erheben müssen, nachdem die Beklagte für die Richtigkeit ihrer diesbezüglichen Behauptung den Veranstalter des Traineeprogramms Dr. H als Zeugen angeboten hatte.

70

Aus diesem Grunde war die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

71

Wenn sich die Behauptung der Beklagten nach Überzeugung des Berufungsgerichts (§ 286 ZPO) als wahr erweist, wird dieses im Rahmen des ihm eingeräumten Beurteilungsspielraums (vgl. BAG 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 56, AP AGG § 15 Nr. 5 = EzA AGG § 15 Nr. 10) zu entscheiden haben, ob der Beklagten der Beweis gelungen ist, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat, dh. dass sie ihre Entscheidung, den Kläger nicht zum Assessment-Center einzuladen, ausschließlich anhand der Examensnoten und damit nach den Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG getroffen hat. Dies gölte dann auch für eine vom Kläger vermutete unzulässige Benachteiligung wegen seines Geschlechts.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Bloesinger    

        

    St. Soost    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. März 2010 - 20 Sa 2058/09 - aufgehoben.

2. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Eberswalde vom 8. Juli 2009 - 3 Ca 140/09 - wird zurückgewiesen und der Tenor dieses Urteils zur Klarstellung neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass der Klägerin für die Jahre 2008 und 2009 jeweils ein weiterer Urlaubstag als Ersatzurlaub zusteht.

3. Der Beklagte hat auch die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin in den Jahren 2008 und 2009 Anspruch auf jeweils 29 oder 30 Urlaubstage hatte.

2

Die am 27. Oktober 1971 geborene Klägerin ist seit dem 1. September 1988 bei dem beklagten Landkreis als Angestellte mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden in der Fünftagewoche beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst vom 13. September 2005 in der Fassung des Änderungstarifvertrags Nr. 2 vom 31. März 2008 (TVöD) Anwendung. Dieser bestimmt ua.:

        

§ 26 

        

Erholungsurlaub

        

(1)     

Beschäftigte haben in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung des Entgelts (§ 21). Bei Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf fünf Tage in der Kalenderwoche beträgt der Urlaubsanspruch in jedem Kalenderjahr

                 

bis zum vollendeten 30. Lebensjahr

26 Arbeitstage,

                 

bis zum vollendeten 40. Lebensjahr

29 Arbeitstage und

                 

nach dem vollendeten 40. Lebensjahr

30 Arbeitstage.

                 

Maßgebend für die Berechnung der Urlaubsdauer ist das Lebensjahr, das im Laufe des Kalenderjahres vollendet wird. Bei einer anderen Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit als auf fünf Tage in der Woche erhöht oder vermindert sich der Urlaubsanspruch entsprechend. Verbleibt bei der Berechnung des Urlaubs ein Bruchteil, der mindestens einen halben Urlaubstag ergibt, wird er auf einen vollen Urlaubstag aufgerundet; Bruchteile von weniger als einem halben Urlaubstag bleiben unberücksichtigt. Der Erholungsurlaub muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und kann auch in Teilen genommen werden.

        

…       

        
        

§ 27   

        

Zusatzurlaub

        

(1)     

Beschäftigte, die ständig Wechselschichtarbeit nach § 7 Abs. 1 oder ständig Schichtarbeit nach § 7 Abs. 2 leisten und denen die Zulage nach § 8 Abs. 5 Satz 1 oder Abs. 6 Satz 1 zusteht, erhalten

                 

a)    

bei Wechselschichtarbeit für je zwei zusammenhängende Monate und

                 

b)    

bei Schichtarbeit für je vier zusammenhängende Monate

                 

einen Arbeitstag Zusatzurlaub.

        

(2)     

Im Falle nicht ständiger Wechselschicht- oder Schichtarbeit (z. B. ständige Vertreter) erhalten Beschäftigte des Bundes, denen die Zulage nach § 8 Abs. 5 Satz 2 oder Abs. 6 Satz 2 zusteht, einen Arbeitstag Zusatzurlaub für

                 

a)    

je drei Monate im Jahr, in denen sie überwiegend Wechselschichtarbeit geleistet haben, und

                 

b)    

je fünf Monate im Jahr, in denen sie überwiegend Schichtarbeit geleistet haben.

        

…       

                 
        

(4)     

Zusatzurlaub nach diesem Tarifvertrag und sonstigen Bestimmungen mit Ausnahme von § 125 SGB IX wird nur bis zu insgesamt sechs Arbeitstagen im Kalenderjahr gewährt. Erholungsurlaub und Zusatzurlaub (Gesamturlaub) dürfen im Kalenderjahr zusammen 35 Arbeitstage nicht überschreiten. Satz 2 ist für Zusatzurlaub nach den Absätzen 1 und 2 hierzu nicht anzuwenden. Bei Beschäftigten, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, gilt abweichend von Satz 2 eine Höchstgrenze von 36 Arbeitstagen; § 26 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.

        

…“    

        
3

Mit Schreiben vom 5. November 2008 machte die Klägerin gegenüber dem Beklagten einen jährlichen Gesamturlaub in Höhe von 30 Tagen für das Jahr 2008 und die Zukunft nach dem TVöD geltend. Der Beklagte lehnte die Gewährung von 30 Urlaubstagen vor der Vollendung des 40. Lebensjahres der Klägerin unter Hinweis auf die Verbindlichkeit der Regelung des § 26 Abs. 1 TVöD mit Schreiben vom 28. November 2008 ab. Die Klägerin hat daraufhin mit Schriftsatz vom 11. Februar 2009 die vorliegende Klage erhoben.

4

Sie hat die Ansicht vertreten, sie habe auch vor der Vollendung ihres 40. Lebensjahres Anspruch auf jährlich 30 und nicht nur 29 Urlaubstage. Die an das Lebensalter anknüpfende Staffelung des tariflichen Urlaubsanspruchs sei eine Diskriminierung wegen des Alters. Die in der Tarifregelung enthaltene Ungleichbehandlung jüngerer Arbeitnehmer sei nicht durch § 10 AGG gerechtfertigt. Im Übrigen würden die gesundheitlichen Wirkungen zusätzlichen Urlaubs zur Vermeidung beispielsweise von Stresserscheinungen am Arbeitsplatz auch in der medizinischen Literatur kontrovers diskutiert.

5

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass ihr für die Jahre 2008 und 2009 jeweils ein Urlaubstag als Ersatzurlaub zusteht.

6

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Diese sei bereits unzulässig, da das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO nötige Feststellungsinteresse fehle. Schließlich sei die Klage auch unbegründet. Die Altersstufenregelung des § 26 Abs. 1 TVöD sei durch einen sachlichen Grund nach § 10 AGG gerechtfertigt. Die Festlegung eines Mindestalters für die Gewährung von 30 Urlaubstagen pro Kalenderjahr stelle eine besondere Beschäftigungsbedingung zum Schutz älterer Beschäftigter bzw. eine Mindestanforderung an das Alter für einen mit der Beschäftigung verbundenen Vorteil dar, der zur Erreichung eines legitimen Ziels angemessen und erforderlich sei. Ältere Arbeitnehmer seien mit zunehmendem Alter aufgrund beruflicher Belastungen länger krank. Um diesen Umstand Rechnung zu tragen, hätten die Tarifvertragsparteien mit der Regelung in § 26 Abs. 1 TVöD auf das verstärkte Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer reagiert und deren Leistungsfähigkeit stärken wollen. Der Aspekt des Gesundheitsschutzes älterer Arbeitnehmer sei daher geeignet, die Ungleichbehandlung jüngerer Beschäftigter zu rechtfertigen. Schließlich würde auch eine Diskriminierung keine Angleichung „nach oben“ zur Folge haben.

7

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin die Wiederherstellung der stattgebenden Entscheidung des Arbeitsgerichts. Der Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

A. Die zulässige Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf die geltend gemachten Ersatzurlaubstage.

9

I. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Feststellungsklage zulässig ist. Die Klägerin hat ein rechtliches Interesse daran, durch das Gericht feststellen zu lassen, ob ihr für die Jahre 2008 und 2009 jeweils ein Urlaubstag als Ersatzurlaub zusteht ( § 256 Abs. 1 ZPO ). Der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit einer Klage, mit der ein Arbeitnehmer den Umfang des ihm zustehenden Urlaubs gerichtlich festgestellt haben will, nicht entgegen (vgl. BAG 12. April 2011 - 9 AZR 80/10  - Rn. 13 bis 15, EzA BUrlG § 7 Nr. 123).

10

II. Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten für den ihr in den Jahren 2008 und 2009 jeweils verweigerten 30. Urlaubstag gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB Anspruch auf jeweils einen Tag Ersatzurlaub. Die Urlaubsstaffelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD verstößt gegen die §§ 1, 3 Abs. 1 AGG. Denn sie gewährt Beschäftigten, die das 30., aber noch nicht das 40. Lebensjahr vollendet haben, einen um einen Tag kürzeren Urlaub. Sie ist deshalb nach § 7 Abs. 1 und Abs. 2 AGG iVm. § 134 BGB unwirksam. Dies hat zur Folge, dass die Klägerin auch vor der Vollendung ihres 40. Lebensjahres in jedem Kalenderjahr Anspruch auf 30 Urlaubstage hatte. Ihr steht für die Jahre 2008 und 2009 jeweils noch ein Tag Ersatzurlaub zu, weil der Beklagte ihr in diesen Jahren nur jeweils 29 Urlaubstage gewährte.

11

1. Nach § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD standen der am 27. Oktober 1971 geborenen Klägerin in den Jahren 2008 und 2009 jeweils 29 Urlaubstage zu. Erst nach dem vollendeten 40. Lebensjahr gewährt ihr diese Tarifregelung einen jährlichen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen. Diese an das Lebensalter anknüpfende Staffelung der Urlaubsdauer verstößt gegen das Verbot der Altersdiskriminierung in § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG. Sie ist als sachlich nicht nach den §§ 8, 10 AGG gerechtfertigte unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters gemäß § 7 Abs. 2 AGG iVm. § 134 BGB unwirksam. Zur Beseitigung dieser Diskriminierung ist eine Anpassung auf 30 Urlaubstage erforderlich.

12

2. Zutreffend haben die Vorinstanzen die Regelung in § 26 Abs. 1 TVöD am AGG gemessen. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG gelten die Diskriminierungsverbote der §§ 1, 7 AGG auch für die in kollektivrechtlichen Vereinbarungen geregelten Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen. Unter solchen Bedingungen sind alle Umstände zu verstehen, aufgrund derer und unter denen die Arbeitsleistung zu erbringen ist (vgl. BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 54, BAGE 132, 210). Zu den Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen gehört damit auch der Urlaub. Der Umstand, dass die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b TVöD bereits am 1. Januar 2006 und somit schon vor dem AGG vom 14. August 2006 in Kraft getreten ist, steht dem nicht entgegen. Die für die Jahre 2008 und 2009 geltend gemachte Benachteiligung durch § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD ist erst nach Inkrafttreten des AGG am 18. August 2006 eingetreten. Da § 33 Abs. 1 AGG insoweit keine Übergangsregelung enthält, findet dieses Gesetz auch dann Anwendung, wenn die Benachteiligung auf einem vor Inkrafttreten des AGG abgeschlossenen Tarifvertrag beruht. Es kommt allein auf den Zeitpunkt der Benachteiligungshandlung an (BAG 16. Dezember 2008 - 9 AZR 985/07 - Rn. 33, BAGE 129, 72).

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3. Die Urlaubsstaffelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD enthält eine auf dem Merkmal des Alters beruhende Ungleichbehandlung der Beschäftigten, die das 30. bzw. das 40. Lebensjahr nicht vollendet haben. Das ist eine unmittelbare Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer wegen des Alters iSv. § 3 Abs. 1 AGG.

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a) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Beim Alter handelt es sich um einen in § 1 AGG genannten Grund, wobei unter Alter das Lebensalter zu verstehen ist. Dies folgt aus dem gesetzlichen Wortlaut und auch aus der Gesetzesbegründung ( BT-Drucks. 16/1780 S. 31; BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 49, BAGE 132, 210; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07  - Rn. 36, BAGE 129, 181). Der für eine unmittelbare Benachteiligung erforderliche Kausalzusammenhang ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen oder mehrere in § 1 AGG genannte Gründe anknüpft oder dadurch motiviert ist(vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 32; BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 50, aaO).

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b) Diese Voraussetzung ist erfüllt. § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD sieht für Beschäftigte bei einer Fünftagewoche in jedem Kalenderjahr einen Urlaubsanspruch bis zum vollendeten 30. Lebensjahr in Höhe von 26 Arbeitstagen, bis zum vollendeten 40. Lebensjahr in Höhe von 29 Arbeitstagen und erst nach dem vollendeten 40. Lebensjahr in Höhe von 30 Arbeitstagen vor. Die Höhe des Urlaubsanspruchs nach § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD knüpft damit in allen Stufen unmittelbar an das Lebensalter der Beschäftigten an. Danach haben Beschäftigte wie die Klägerin, die zwar das 30. Lebensjahr, aber noch nicht das 40. Lebensjahr vollendet haben, in jedem Jahr nur Anspruch auf 29 statt auf 30 Urlaubstage. Sie werden ebenso wie die unter 30-Jährigen im Vergleich zu den Beschäftigten, die das 40. Lebensjahr vollendet haben, hinsichtlich der Höhe des Urlaubsanspruchs wegen ihres geringeren Alters ungünstiger behandelt.

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4. Diese Ungleichbehandlung ist nicht gerechtfertigt.

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a) Bei ihr handelt es sich nicht um eine nach § 8 AGG zulässige unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher Anforderungen. Die Urlaubsstaffel des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD knüpft nicht an die Art der auszuübenden Tätigkeit oder die Bedingungen ihrer Ausübung an. Sie stellt nicht auf die Art der auszuübenden Tätigkeit ab und beansprucht damit Geltung für alle dem TVöD unterfallenden Beschäftigten.

18

b) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die Ungleichbehandlung auch nicht nach § 10 AGG sachlich gerechtfertigt(so ebenfalls die herrschende Meinung in der Literatur, vgl. Linck/Schütz FS Leinemann, S. 181 f.; Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV Stand Januar 2012 E § 26 TVöD Rn. 22; AGG/Voigt 3. Aufl. § 10 Rn. 33; Meinel/Heyn/Herms AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 42b; Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 105; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 144; Hock/Kramer/Schwerdtle ZTR 2006, 622, 623 mwN; Wulfers/Hecht ZTR 2007, 475, 478; vgl. ferner bereits zu § 48 BAT: Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156). § 10 Satz 1 AGG lässt eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters ungeachtet der Regelung des § 8 AGG zu, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Zudem müssen die Mittel zur Erreichung dieses Ziels nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist die an das Lebensalter anknüpfende Differenzierung in § 26 Abs. 1 TVöD nicht sachlich gerechtfertigt, weil sie einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung trägt und deren Gesundheit schützen will. Dabei kann dahinstehen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen das Ziel des Gesundheitsschutzes eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen würde. Die Tarifvorschrift verfolgt dieses Ziel schon nicht.

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aa) Die Tarifvertragsparteien haben das mit der in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD geregelten Urlaubsstaffelung verfolgte Ziel nicht ausdrücklich genannt. Nennt eine Regelung oder Maßnahme kein Ziel, müssen zumindest aus dem Kontext abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter der Regelung oder der Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen, um die Legitimität des Ziels sowie die Angemessenheit und die Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüfen zu können. Dabei können nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die sozialpolitischen Ziele als legitim angesehen werden, die im allgemeinen Interesse stehen. Derjenige, der eine Ungleichbehandlung vornimmt, muss den nationalen Gerichten in geeigneter Weise die Möglichkeit zur Prüfung einräumen, ob mit der Ungleichbehandlung ein Ziel angestrebt wird, das die Ungleichbehandlung unter Beachtung der Ziele der Richtlinie 2000/78/EG rechtfertigt (vgl. EuGH 5. März 2009 - C-388/07  - [Age Concern England] Rn. 45 ff., Slg. 2009, I-1569; BAG 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08  - Rn. 36 ff., BAGE 131, 61). Denn das nationale Gericht hat zu prüfen, ob die Regelung oder Maßnahme ein rechtmäßiges Ziel iSd. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG verfolgt. Gleiches gilt für die Frage, ob die Tarifvertragsparteien als Normgeber angesichts des vorhandenen Wertungsspielraums davon ausgehen durften, dass die gewählten Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich waren (vgl. EuGH 5. März 2009 -  C-388/07  - [Age Concern England] Rn. 49 ff., aaO; vgl. auch BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 57, BAGE 132, 210).

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bb) Die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD dient nicht dem Schutz älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG. Diese gesetzliche Regelung konkretisiert das legitime Ziel, nämlich ua. die Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter, wobei dieser Schutz auch die Festlegung besonderer Arbeitsbedingungen einschließen kann. Aus einer tariflichen Urlaubsstaffelung, die - wie die in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD - den Beschäftigten bereits nach Vollendung des 30. Lebensjahres drei weitere Urlaubstage und dann nach Vollendung des 40. Lebensjahres letztmals einen zusätzlichen Urlaubstag gewährt, lässt sich nicht ableiten, dass die Tarifvertragsparteien einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollten und das Ziel verfolgten, den Schutz älterer Beschäftigter iSd. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG sicherzustellen. Wenn sich auch eine genaue Schwelle für die Zuordnung zu den älteren Arbeitnehmern weder dieser Regelung selbst noch Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG entnehmen lässt, so ist diese freilich an der Zielsetzung (vgl. zu dieser Däubler/Bertzbach/Brors 2. Aufl. § 10 Rn. 42) auszurichten. Einen arbeitsmarktpolitischen Zweck verfolgt zB § 417 Abs. 1 SGB III, wonach Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die das 50. Lebensjahr vollendet haben und ihre Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung beenden oder vermeiden, unter den in der Vorschrift genannten Voraussetzungen Anspruch auf Leistungen der Entgeltsicherung haben. Diese Regelung der Entgeltsicherung bezweckt, die Arbeitslosigkeit älterer Arbeitnehmer abzubauen und ihren Anteil an der erwerbstätigen Bevölkerung zu erhöhen (vgl. BT-Drucks. 17/1945 S. 17). Im Vergleich zu der in § 417 Abs. 1 SGB III genannten Altersgruppe setzt sich die durch die Urlaubsstaffel in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD begünstigte Beschäftigtengruppe, der ein Urlaubsanspruch von jährlich 30 Arbeitstagen eingeräumt wird, nicht ausnahmslos aus älteren Beschäftigten zusammen. Vielmehr gehören ihr alle Beschäftigten ab Vollendung des 40. Lebensjahres an. Der Senat hat bereits entschieden, dass ein Arbeitnehmer jedenfalls ab Vollendung des 31. Lebensjahres offensichtlich kein älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG ist(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 55, BAGE 132, 210).

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cc) Ein legitimes Ziel iSd. § 10 AGG ergibt sich entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts auch nicht aus § 10 Satz 3 Nr. 2 AGG. Danach kann eine zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile einschließen. Diese Regelung bestimmt selbst kein legitimes Ziel, sondern beschreibt nur ein mögliches Mittel, mit der ein auf andere Weise zu legitimierendes Ziel gerechtfertigt werden kann (vgl. ErfK/Schlachter 12. Aufl. § 10 AGG Rn. 6), sofern es erforderlich und angemessen iSd. § 10 Satz 2 AGG ist.

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dd) Die Tarifvertragsparteien verfolgen entgegen der Auffassung des Beklagten nicht das Ziel des Gesundheitsschutzes älterer Arbeitnehmer.

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(1) Das mit der Urlaubsstaffelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD verfolgte Ziel lässt sich nicht mit ausreichender Deutlichkeit aus dem Wortlaut des § 26 TVöD entnehmen. § 26 TVöD normiert ausweislich seiner Überschrift den Erholungsurlaub. Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 TVöD haben Beschäftigte in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung des Entgelts. § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD legt die Dauer dieses Erholungsurlaubs fest. Der Begriff des Erholungsurlaubs wird dabei nicht näher definiert und ist dem BUrlG entlehnt, auf das § 26 Abs. 2 TVöD im Übrigen verweist. Der Erholungsurlaub nach dem BUrlG soll nach der Gesetzesbegründung dem sozialpolitischen Anliegen der Erhaltung und Wiederauffrischung der Arbeitskraft der Arbeitnehmer dienen (vgl. den schriftlichen Bericht des Bundestagsausschusses für Arbeit, BT-Drucks. IV/785; Begründung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Bundesurlaubsgesetzes, BT-Drucks. IV/207). Durch den Erholungsurlaub wird dem Arbeitnehmer die Möglichkeit gesichert, für eine bestimmte Dauer im Jahr, die ihm eingeräumte Freizeit zur selbstbestimmten Erholung zu nutzen (st. Rspr., vgl. BAG 20. Juni 2000 - 9 AZR 405/99 - zu II 2 b bb 1 der Gründe, BAGE 95, 104; 8. März 1984 - 6 AZR 600/82 - zu II 5 b der Gründe, BAGE 45, 184; ebenso st. Rspr. des EuGH zum Jahresurlaub nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG , EuGH 22. No-vember 2011 - C-214/10 - [KHS] Rn. 31, AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 6 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 7; 20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06  - [Schultz-Hoff] Rn. 25, Slg. 2009, I-179). Wenn eine Tarifregelung die Urlaubsdauer nach dem Lebensalter staffelt, liegt die Annahme nahe, die Tarifvertragsparteien hätten einem mit zunehmendem Alter gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollen. Die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD rechtfertigt eine solche Annahme freilich nicht, sondern schließt sie aus.

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(2) Das folgt bereits aus dem Inhalt der Regelung. Die Tarifvorschrift räumt den Beschäftigten schon ab dem 30. Lebensjahr drei weitere Urlaubstage ein. Dafür, dass die Tarifvertragsparteien von einem so deutlich gesteigertem Erholungsbedürfnis bereits nach der Vollendung des 30. Lebensjahres ausgegangen sind, fehlt jeder Anhaltspunkt. Gegen eine solche Annahme spricht auch, dass die Tarifvertragsparteien den Beschäftigten nach der Vollendung des 40. Lebensjahres letztmals nur einen weiteren Urlaubstag gewährt und davon abgesehen haben, ein gesteigertes Erholungsbedürfnis des Beschäftigten in der Zeit bis zum Erreichen des gesetzlich festgelegten Alters für den Bezug der Regelaltersrente (§ 33 Abs. 1 Buchst. a TVöD) zu berücksichtigen. Hätten die Tarifvertragsparteien ein gesteigertes Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter vor Augen gehabt, hätten sie nicht einem 30-Jährigen einen gegenüber einem 29-jährigen Beschäftigten um drei Tage längeren Urlaub gewährt, nach der Vollendung des 40. Lebensjahres des Beschäftigten eine wesentlich geringere Steigerung des Erholungsbedürfnisses angenommen und für die Zeit danach bis zum Erreichen des gesetzlich festgelegten Alters für den Bezug der Regelaltersrente ein zunehmendes Erholungsbedürfnis des Beschäftigten überhaupt nicht mehr berücksichtigt (vgl. Wulfers/Hecht ZTR 2007, 475, 478). Auch das Schrifttum nimmt ganz überwiegend an, dass eine tarifliche Urlaubsstaffelung nicht schon auf die Vollendung des 30. bzw. des 40. Lebensjahres abstellen darf, wenn sie einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen will (vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 22; Tempelmann/Stenslik DStR 2011, 1183, 1186; Richter Benachteiligung wegen des Alters im Erwerbsleben S. 170; Meinel/Heyn/Herms § 10 Rn. 42b; AGG/Voigt § 10 Rn. 33; Hey AGG § 10 Rn. 28; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 144; Hock/Kramer/Schwerdle ZTR 2006, 622, 623; Linck/Schütz FS Leinemann S. 181 f.; Senne Auswirkungen des europäischen Verbots der Altersdiskriminierung auf das deutsche Arbeitsrecht S. 269; Bertelsmann ZESAR 2005, 242, 246). Selbst wenn die Erholungsbedürftigkeit von Arbeitnehmern mit zunehmendem Lebensalter steigen sollte (zweifelnd Däubler/Bertzbach/Brors § 10 Rn. 50; aA Waltermann NZA 2005, 1265, 1269), hätte es mit dem Schutz älterer Arbeitnehmer nichts zu tun, bereits mit dem 30. Lebensjahr eine erste Verlängerung des Urlaubsanspruchs um drei Tage und die zweite und zugleich letzte Verlängerung um einen weiteren Urlaubstag bereits mit Vollendung des 40. Lebensjahres vorzusehen (so auch Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 22; Adomeit/Mohr § 10 Rn. 105; so bereits zu § 48 BAT: Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156). Es fehlt in beiden Stufen an dem erkennbaren Schutz Älterer. Die Verlängerung des Urlaubsanspruchs bereits mit dem vollendeten 30. Lebensjahr lässt sich kaum mit der Erhaltung der Leistungsfähigkeit Älterer begründen. Auch mit der Vollendung des 40. Lebensjahres hat ein Beschäftigter regelmäßig allenfalls die Mitte seines Erwerbsalters erreicht (vgl. auch Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156). Hätten die Tarifvertragsparteien gemäß der Ansicht des Beklagten ein gesteigertes Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter berücksichtigen wollen, hätten sich die gewählten Altersgrenzen nicht an dem mit dem Alter zunehmenden Erholungsbedürfnis orientiert und wären willkürlich.

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(3) Gerade dieser Umstand bestätigt, dass die Tarifvertragsparteien mit der Regelung in § 26 TVöD weder den Schutz der Gesundheit bezweckten noch einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollten. Hätten sie diese Ziele verfolgt, hätte es nahe gelegen, gerade für die älteren Beschäftigten, zB die Gruppe der über 50- oder über 60-jährigen Beschäftigten, die Dauer des Erholungsurlaubs zu verlängern. Bei dieser Personengruppe ist ein altersbedingt gesteigertes Erholungsbedürfnis eher nachvollziehbar. Ein solches Schutzbedürfnis für die über 50-Jährigen haben die Tarifvertragsparteien aber nur hinsichtlich der Beschränkung der Höchstdauer des Gesamturlaubs bei besonders belastenden Arbeiten (Schicht- und Wechselschicht) gesehen. Das folgt aus § 27 Abs. 4 Satz 4 TVöD. Danach erhöht sich ab diesem Lebensalter die maximal erreichbare Gesamturlaubsdauer von jährlich 35 auf 36 Arbeitstage.

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(4) Die Tarifgeschichte bestätigt, dass die Tarifvertragsparteien mit der Urlaubsstaffel nicht einem mit dem Lebensalter steigenden Erholungsbedürfnis Rechnung tragen wollten. Bereits seit dem Inkrafttreten des BAT wurde die Urlaubsdauer an das Lebensalter geknüpft (§ 48 Abs. 1 BAT). Sie steigerte sich auch nach dem vollendeten 30. Lebensjahr und nach dem vollendeten 40. Lebensjahr. Innerhalb der Lebensaltersstufen verlängerte sich die Urlaubsdauer teilweise nach Vergütungsgruppen. Je höher der Angestellte eingruppiert war, je länger war sein Urlaubsanspruch. Dies zeigt, dass nicht der Erholungszweck maßgebend für die Urlaubsdauer sein sollte. Der Urlaub wurde vielmehr als Quasi-Gegenleistung für die Arbeitsleistung geregelt. Nur so lässt sich die normierte Abhängigkeit der Urlaubsdauer von der Vergütungsgruppe erklären. Es kann deshalb nicht angenommen werden, die Tarifvertragsparteien hätten bei Angestellten in höheren Vergütungsgruppen ein gesteigertes Erholungsbedürfnis ausgleichen wollen. Die Differenzierung resultiert vielmehr aus der überkommenen Auffassung, der Urlaub werde „verdient“.

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5. Die Diskriminierung der Klägerin kann nur durch die Verpflichtung des Beklagten beseitigt werden, der Klägerin für die Jahre 2008 und 2009 jeweils einen Ersatzurlaubstag zu gewähren. Zwar folgt aus § 7 Abs. 2 AGG nur, dass die diskriminierende Regelung unwirksam ist. Auch wird vom Senat nicht verkannt, dass es sich bei § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD um ein Stufensystem handelt, sodass grundsätzlich keine Stufe als die von den Tarifvertragsparteien als „übliche“ Urlaubsdauer gewollte angesehen werden kann. Jedoch kann die Beseitigung der Diskriminierung vorliegend nur durch eine Anpassung „nach oben“ erfolgen.

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a) Grundsätzlich ist es Aufgabe der Tarifvertragsparteien, eine benachteiligungsfreie Regelung zu treffen, wofür ihnen verschiedene Möglichkeiten zu Verfügung stehen. Doch scheidet eine Aussetzung des Rechtsstreits unter Fristsetzung zur Lückenschließung durch die Tarifvertragsparteien selbst von vornherein aus (aM Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 23). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sind für den Fall, dass gesetzliche oder tarifvertragliche Regelungen eine mit der Richtlinie unvereinbare Diskriminierung vorsehen, die nationalen Gerichte gehalten, die Diskriminierung auf jede denkbare Weise und insbesondere dadurch auszuschließen, dass sie die Regelung für die nicht benachteiligte Gruppe auch auf die benachteiligte Gruppe anwenden, ohne die Beseitigung der Diskriminierung durch den Gesetzgeber, die Tarifvertragsparteien oder in anderer Weise abzuwarten (vgl. so bereits zur Richtlinie 76/207/EWG: EuGH 20. März 2003 - C-187/00 - [Kutz-Bauer] Rn. 75, Slg. 2003, I-2741). Auch nach Art. 9 Abs. 3 GG in Verbindung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wäre eine Aussetzung grundsätzlich allenfalls zur Beseitigung einer Diskriminierung für die Zukunft geboten(vgl. BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 28, NZA 2012, 161). Vorliegend geht es jedoch um die Beseitigung einer Diskriminierung in der Vergangenheit.

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b) Die Benachteiligung der Klägerin kann nicht auf andere Weise für die Jahre 2008 und 2009 ausgeschlossen werden. Ein Rückgriff auf den noch unterhalb der Eingangstufe des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD liegenden gesetzlichen Mindesturlaub gemäß den §§ 1, 3 BUrlG in Höhe von 20 Arbeitstagen bei einer Fünftagewoche ist hierzu nicht geeignet(aM Wulfers/Hecht ZTR 2007, 475, 483; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand Februar 2012, § 26 Rn. 163.5). Der von den §§ 1, 7 AGG bzw. Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG verfolgte Zweck, Benachteiligungen zu verhindern oder zu beseitigen, würde nicht erreicht. Da diskriminierende Maßnahmen oder Vereinbarungen nicht hingenommen und ihre Fortwirkung nicht akzeptiert werden darf (vgl. ErfK/Schlachter § 7 AGG Rn. 5), ist auch nicht auf die Eingangsstufe des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD mit 26 Urlaubstagen abzustellen. Hätte die Klägerin nur Anspruch auf die erste Stufe der Urlaubsstaffel, fehlte es an einer Sanktion, die einen tatsächlichen und wirksamen Rechtsschutz gewährt und abschreckende Wirkung hat (vgl. zu diesem Aspekt: BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 18 ff., NZA 2012, 161).

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c) Hingegen ist eine Anpassung „nach oben“ zur Beseitigung einer Altersdiskriminierung im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gerechtfertigt, wenn auf andere Weise die Diskriminierung nicht behoben werden kann, weil der Arbeitgeber den Begünstigten für die Vergangenheit die Leistung nicht mehr entziehen kann (vgl. ausführlich: BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 20 ff., NZA 2012, 161). Dies ist vorliegend der Fall. Der den begünstigten Beschäftigten in den Jahren 2008 und 2009 gewährte Urlaub von jährlich 30 Arbeitstagen kann nicht rückwirkend auf 29 oder 26 Arbeitstage begrenzt werden. Die als Urlaub bereits gewährte Freizeit ist nicht kondizierbar.

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d) Schließlich steht der Anpassung „nach oben“ auch nicht § 15 Abs. 3 AGG entgegen. Danach ist der Arbeitgeber bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fährlässig handelt. Diese Bestimmung bezieht sich allein auf die immaterielle Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG(vgl. BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 38, NZA 2012, 161; ErfK/Schlachter § 15 AGG Rn. 13) und verhält sich nicht zur Beseitigung einer Diskriminierung durch eine den Diskriminierungsverboten genügende Regelung.

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e) Der Beklagte kann auch keinen Vertrauensschutz in Anspruch nehmen. In den Jahren 2008 und 2009 galt bereits das am 18. August 2006 in Kraft getretene AGG. Dieses nimmt Dauerschuldverhältnisse und damit auch Arbeitsverhältnisse ebenso wenig wie Tarifverträge aus, die vor dem Inkrafttreten des AGG bereits abgeschlossen waren. Übergangsvorschriften oder Vertrauensschutzregelungen sind insoweit in § 33 AGG nicht vorgesehen. Gemäß § 1 AGG ist ua. Ziel dieses Gesetzes, Benachteiligungen aus Gründen des Alters nicht nur zu verhindern, sondern auch zu beseitigen. Die damit einhergehende unechte Rückwirkung ist zulässig. Der zeitliche Geltungsbereich wird je nach Lage der Verhältnisse im Einzelfall nur durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes beschränkt (vgl. so bereits zu § 81 Abs. 2 SGB IX aF: BAG 16. Dezember 2008 - 9 AZR 985/07 - Rn. 38, BAGE 129, 72). Dies setzt jedoch in jedem Fall das Vorliegen eines schutzwürdigen Vertrauens voraus, das vorliegend nicht gegeben ist, selbst wenn man die Grundsätze zum Vertrauensschutz bei unechter Rückwirkung von Gesetzen anwendet. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Grundsatz des Vertrauensschutzes nur dann verletzt, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen (vgl. BVerfG 10. August 2006 - 2 BvR 563/05  - Rn. 14, BVerfGK 9, 28). Zum einen dient das AGG der Umsetzung von EU-Richtlinien zum Schutz vor Diskriminierung im Bereich Beschäftigung und Beruf und enthält insoweit insbesondere im Bereich der Altersdiskriminierung unionsrechtlich verankerte notwendige und bedeutende Regelungen. Zum anderen wäre ein Vertrauen in den Fortbestand der angewandten tarifvertraglichen Regelungen nicht schutzwürdig. Denn die Richtlinie 2000/78/EG wurde schon im Jahr 2000 erlassen und stellt in Art. 16 Buchst. b ausdrücklich klar, dass die Diskriminierungsverbote auch auf tarifvertragliche Bestimmungen Anwendung finden. Nach Art. 18 der Richtlinie 2000/78/EG war diese zudem spätestens zum 2. Dezember 2006 in nationales Recht umzusetzen. Der Beklagte musste ebenso wie die Tarifvertragsparteien damit rechnen, dass tarifvertragliche Regelungen auch am Verbot der Altersdiskriminierung gemessen werden. Deshalb konnte der Beklagte nicht darauf vertrauen, dass auch nach Inkrafttreten des AGG die Urlaubsstaffelregelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD zulässig war, zumal in der Gesetzesbegründung zum AGG die Anknüpfung an das bloße Lebensalter als Mindestgrenze für mit der Beschäftigung verbundener Vorteile nicht unkritisch gesehen wurde(vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 36) und im Schrifttum nicht nur vereinzelt die Unwirksamkeit des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD wegen Verstoßes gegen das Verbot der Altersdiskriminierung angenommen wurde (vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 22 mwN; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 144; Hock/Kramer/Schwerdtle ZTR 2006, 622, 623 mwN; so bereits zu § 48 Abs. 1 BAT: Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156).

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6. Die Klägerin hat Anspruch auf Ersatzurlaub gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB. Die Resturlaubsansprüche für die Jahre 2008 und 2009 waren mangels Vorliegens eines Übertragungsgrundes nach § 26 Abs. 1 Satz 6 TVöD iVm. § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG zum 31. Dezember des jeweiligen Jahres verfallen. Diesen Untergang hat der Beklagte zu vertreten, weil er sich mit der Gewährung des Urlaubs in Verzug befand.

34

a) Die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs aus Verzug gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB liegen vor. Die Klägerin hatte in den Jahren 2008 und 2009 Anspruch auf jeweils 30 Urlaubstage. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wandelt sich der Urlaubsanspruch in einen Schadensersatzanspruch um, der auf Gewährung von Ersatzurlaub als Naturalrestitution gerichtet ist, wenn der Arbeitgeber den rechtzeitig verlangten Urlaub nicht gewährt und der Urlaub aufgrund seiner Befristung verfällt ( BAG 11. April 2006 - 9 AZR 523/05  - Rn. 24, AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 28 = EzA BUrlG § 7 Nr. 116).

35

b) Die Klägerin machte mit Schreiben vom 5. November 2008 unter der Überschrift „Geltendmachung von Urlaubsansprüchen“ Urlaub in Höhe von 30 Tagen nach dem TVöD geltend und bat zudem, den Urlaubsanspruch auch für die Zukunft entsprechend anzupassen. Dahingestellt bleiben kann, ob dies schon ein konkretes Verlangen beinhaltet hat, den Urlaub in den Jahren 2008 und 2009 zu gewähren. Nach der Rechtsprechung des Senats ist hierfür zumindest erforderlich, dass der Arbeitgeber nach den Grundsätzen des § 133 BGB davon ausgehen muss, der Arbeitnehmer wünsche ab einem bestimmten Zeitpunkt Erholungsurlaub(vgl. BAG 17. November 2009 - 9 AZR 745/08 - Rn. 45; 11. April 2006 -  9 AZR 523/05  - Rn. 28, AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 28 = EzA BUrlG § 7 Nr. 116). Maßgebend ist, dass der Beklagte mit Schreiben vom 28. November 2008 erklärt hat, er lehne den Antrag auf Verlängerung des Urlaubs „auf 30 Tage vor Erreichen des 41. Lebensjahres“ ab, weil der Klägerin nach dem für ihn verbindlichen § 26 Abs. 1 TVöD derzeit nur 29 Urlaubstage zustünden. Aus objektiver Empfängersicht lag darin eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung des Beklagten als Schuldner des Urlaubsanspruchs, die gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB eine Mahnung der Klägerin entbehrlich machte(vgl. BAG 31. Januar 1991 - 8 AZR 462/89  - zu II der Gründe). Denn der Beklagte gab mit diesem Schreiben vor Ablauf des Urlaubsjahres 2008 klar zu erkennen, dass er nicht bereit sei, im laufenden Jahr mehr als 29 Tage Urlaub zu gewähren. Hinsichtlich des weiteren Urlaubstags für das Jahr 2009 folgt der Verzug des Beklagten zudem daraus, dass er jedenfalls mit dem Antrag auf Klageabweisung vom 24. April 2009 und somit vor Ablauf des Urlaubsjahres 2009 zu erkennen gegeben hat, den weiteren Urlaubstag auch im Jahr 2009 nicht gewähren zu wollen. Darin lag ebenso seine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung als Schuldner des Urlaubsanspruchs, die gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB eine Mahnung der Klägerin ebenfalls entbehrlich machte(vgl. BAG 17. Mai 2011 - 9 AZR 197/10 - Rn. 14, EzA TVG § 4 Metallindustrie Nr. 138; 31. Januar 1991 - 8 AZR 462/89  - zu II der Gründe).

36

B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

        

        

    Preuß    

        

    Neumann-Redlin    

        

        

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 13. Mai 2013 - 7 Sa 511/12 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über den Zeitpunkt, zu dem ihr Arbeitsverhältnis beendet worden ist.

2

Die 1983 geborene Klägerin begann im Juni 2007 bei der Beklagten, die nicht mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt, eine Ausbildung. Nach deren Abbruch begründete sie unmittelbar anschließend im Juli 2008 ein Arbeitsverhältnis zur Beklagten. Die Beklagte kündigte dieses mit Schreiben vom 20. Dezember 2011 unter Einhaltung der Kündigungsfrist des § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB ordentlich zum 31. Januar 2012. Die Klägerin begehrt - soweit in der Revisionsinstanz noch von Bedeutung - den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der längstmöglichen Kündigungsfrist des § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB, dh. bis zum 31. Juli 2012.

3

Die Klägerin hat geltend gemacht, die Staffelung der Kündigungsfristen in § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB führe zu einer mittelbaren Altersdiskriminierung. Die maßgebliche Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (RL 2000/78/EG) verfolge in diesem Zusammenhang ausschließlich sozialpolitische Ziele. Den Materialien der Novellierung des § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB durch das Gesetz zur Vereinheitlichung der Kündigungsfristen von Arbeitern und Angestellten (Kündigungsfristengesetz - KündFG) vom 7. Oktober 1993 (BGBl. I S. 1668) lasse sich kein solcher Rechtfertigungsgrund entnehmen. Zudem sei eine Schutzwürdigkeit älterer Arbeitnehmer, der durch die Staffelung der Kündigungsfristen habe Rechnung getragen werden müssen, nicht erkennbar.

4

Die Klägerin hat - soweit für die Revisionsinstanz noch von Bedeutung - beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 20. Dezember 2011 nicht zum 31. Januar 2012, sondern erst zum 31. Juli 2012 geendet hat.

5

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags vorgetragen, die gesetzliche Kündigungsfristenstaffelung sei dadurch gerechtfertigt, dass sich Arbeitnehmer mit längerer Beschäftigungsdauer einen Besitzstand erarbeitet hätten, der ihnen Anspruch auf soziale Absicherung gewähre. Ältere Arbeitnehmer seien schlechter vermittelbar. Die Staffelung der Kündigungsfristen diene deshalb den sozialen Gesichtspunkten, die die RL 2000/78/EG im Visier gehabt habe.

6

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis ist zum 31. Januar 2012 beendet worden.

8

I. Die von der Beschäftigungsdauer abhängige Staffelung der Kündigungsfristen in § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB verletzt nicht das in Art. 21 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) normierte Verbot der Altersdiskriminierung, das durch die RL 2000/78/EG konkretisiert wird(zu dieser Konkretisierung BAG 25. Februar 2010 - 6 AZR 911/08 - Rn. 17, BAGE 133, 265). Einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV bedarf es insoweit nicht. Die entscheidungsrelevanten unionsrechtlichen Fragestellungen sind von diesem geklärt.

9

1. Der Anwendungsbereich des Unionsrechts ist eröffnet. Bei Kündigungsfristen handelt es sich um Entlassungsbedingungen iSd. Art. 3 Abs. 1 Buchst. c RL 2000/78/EG (EuGH 19. Januar 2010 - C-555/07 - [Kücükdeveci] Rn. 25 f., Slg. 2010, I-365).

10

2. Die Verlängerung der Kündigungsfristen durch § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB knüpft nicht unmittelbar an das Lebensalter, sondern an die Beschäftigungsdauer und damit die Betriebszugehörigkeit an. Die gesetzliche Regelung ist damit dem Anschein nach hinsichtlich des Merkmals „Alter“ neutral. Die Differenzierung nach der Betriebszugehörigkeit führt jedoch regelmäßig zu einer mittelbaren Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer. Arbeitnehmer mit längerer Betriebszugehörigkeit sind jedenfalls typischerweise älter als Arbeitnehmer mit kürzerer Betriebszugehörigkeit. Zwar können auch ältere Arbeitnehmer eine nur kurze Betriebszugehörigkeit haben. Eine lange Betriebszugehörigkeit können aber Arbeitnehmer in jungen Jahren noch nicht erlangt haben (BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 94/12 - Rn. 52).

11

Angesichts dieser offenkundigen mittelbaren Ungleichbehandlung jüngerer Beschäftigter durch das Abstellen auf die Beschäftigungsdauer in § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB bedurfte es keiner gesonderten Darlegung der Klägerin zum Nachweis des positiven Tatbestandsmerkmals einer mittelbaren Benachteiligung wegen des Alters(zu den entsprechenden Anforderungen BAG 22. April 2010 - 6 AZR 966/08 - Rn. 20 f., BAGE 134, 160; zur Qualifizierung als positives Tatbestandsmerkmal ErfK/Schlachter 14. Aufl. § 3 AGG Rn. 13).

12

3. Das bloße Diskriminierungspotential eines Kriteriums reicht zur Bejahung einer mittelbaren Diskriminierung jedoch nicht aus. Hinzukommen muss, dass sich dieses Potential auch verwirklicht. Das ist nicht der Fall, wenn der in Anspruch Genommene darlegt, dass ein zureichender Sachgrund iSd. Art. 2 Abs. 2 Buchst. b RL 2000/78/EG vorliegt (vgl. Kamanabrou Anm. AP BGB § 626 Nr. 237; Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 157, 168; zur Verteilung der Darlegungslast EuGH 17. Juli 2008 - C-303/06 - [Coleman] Rn. 52, Slg. 2008, I-5603; Däubler/Bertzbach/Schrader/Schubert AGG 3. Aufl. § 3 Rn. 65). Art. 2 Abs. 2 Buchst. b Ziff. i RL 2000/78/EG ist damit ein negatives Tatbestandsmerkmal (vgl. EuGH 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 59, Slg. 2009, I-1569; vgl. BAG 15. November 2012 - 6 AZR 359/11 - Rn. 42).

13

4. Nach allgemeiner Ansicht bewirkt die Staffelung der Kündigungsfristen aufgrund der Dauer der Beschäftigung in § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB keine mittelbare Altersdiskriminierung.

14

a) Der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts ist bei der Umsetzung der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19. Januar 2010 (- C-555/07 - [Kücükdeveci] Slg. 2010, I-365) von der Wirksamkeit des § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB ausgegangen. Er hat lediglich § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB für unanwendbar gehalten und angenommen, dies führe zur ausschließlichen Anwendung von § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB(BAG 9. September 2010 - 2 AZR 714/08 - Rn. 21, BAGE 135, 278).

15

b) Das Schrifttum ist dem weit überwiegend gefolgt.

16

aa) Die herrschende Meinung im Schrifttum geht ohne nähere Begründung von der Wirksamkeit des § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB aus(KR/Spilger 10. Aufl. § 622 BGB Rn. 54; ErfK/Müller-Glöge 14. Aufl. § 622 BGB Rn. 9; APS/Linck 4. Aufl. § 622 BGB Rn. 52; Schaub/Linck ArbR-HdB 15. Aufl. § 126 Rn. 19; Stahlhacke/Preis 10. Aufl. Rn. 425; Eylert Der Personalrat 2007, 92, 93 [für § 34 TVöD]).

17

bb) Einige Stimmen im Schrifttum nehmen an, der Gesetzgeber könne das höhere Kündigungsrisiko und die schlechteren Chancen auf Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt älterer Menschen durch längere Kündigungsfristen als positive Maßnahme iSd. § 5 AGG ausgleichen(vgl. Thüsing Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz 2. Aufl. Rn. 450; Däubler/Bertzbach/Hinrichs/Zimmer AGG 3. Aufl. § 5 Rn. 58).

18

cc) Andere halten § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a RL 2000/78/EG bzw. § 10 AGG für gerechtfertigt, weil die Verlängerung der Kündigungsfristen es dem Arbeitnehmer erleichtern solle, eine Beschäftigung zu finden und seinen Lebensstandard zu halten(Groß Die Rechtfertigung einer Altersdiskriminierung auf der Grundlage der Richtlinie 2000/78/EG S. 139 ff.; Meinel/Heyn/Herms AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 29a; Willemsen/Schweibert NJW 2006, 2583, 2586; Temming Altersdiskriminierung im Arbeitsleben S. 137, 517).

19

dd) Schließlich nimmt ein Teil des Schrifttums an, § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB sei wegen der steigenden Schutzbedürftigkeit älterer Arbeitnehmer(Rehm Ungleichbehandlungen aufgrund des Alters im Kündigungsrecht S. 88 ff.; Wendeling-Schröder NZA 2007, 1399, 1403 f.; Zimmermann/Lingscheid jurisPR-ArbR 5/2014 Anm. 1), die zu einer längeren Arbeitsplatzsuche führe (Löwisch FS Schwerdtner 2003 S. 769, 771), bzw. wegen der mit der Verlängerung der Kündigungsfristen verbundenen Belohnung der Betriebstreue (Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 10 Rn. 27; Kamanabrou RdA 2007, 199, 206) mit den Vorgaben des Art. 2 Abs. 2 Buchst. b RL 2000/78/EG vereinbar.

20

ee) Nur vereinzelt wird angenommen, die Staffelung der Kündigungsfristen aufgrund einer längeren Beschäftigungsdauer sei nicht gerechtfertigt (Kaiser FS Konzen 2006 S. 381, 385 ff., 409 f.).

21

5. Die Staffelung der Kündigungsfristen durch § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB verfolgt das Ziel, länger beschäftigten und damit betriebstreuen, typischerweise älteren Arbeitnehmern durch längere Kündigungsfristen einen verbesserten Kündigungsschutz zu gewähren. Zur Erreichung dieses rechtmäßigen Ziels ist die Verlängerung auch in ihrer konkreten Staffelung angemessen und erforderlich iSd. Art. 2 Abs. 2 Buchst. b Ziff. i RL 2000/78/EG. Darauf verweist die Beklagte zu Recht. Damit entfällt bereits der Tatbestand einer mittelbaren Diskriminierung wegen des Alters, so dass es auf eine Rechtfertigung nach Art. 6 oder Art. 7 RL 2000/78/EG nicht ankommt(vgl. EuGH 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 66, Slg. 2009, I-1569; ErfK/Schlachter 14. Aufl. § 3 AGG Rn. 13; BT-Drs. 16/1780 S. 33).

22

a) Differenzierungsziel des § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB ist es, den Schutz von länger beschäftigten und damit betriebstreuen, typischerweise älteren Arbeitnehmern bei Kündigungen zu verbessern. Sie sollen einen - wenn auch zeitlich begrenzten - formellen Kündigungsschutz erlangen (vgl. Staudinger/Preis (2012) § 622 Rn. 9). Dies ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte der Norm mit hinreichender Sicherheit, so dass auf weitere Auslegungskriterien nicht zurückgegriffen werden muss. Dieses Ziel ist rechtmäßig.

23

aa) Welches Ziel iSd. Art. 2 Abs. 2 Buchst. b Ziff. i RL 2000/78/EG ein Gesetz verfolgt, ergibt sich aus dem Gesetzeszweck. Ob der Tatbestand einer mittelbaren Diskriminierung erfüllt ist, bestimmt sich danach, ob die mittelbare Benachteiligung von Trägern verpönter Merkmale aus dem gesetzlich angeordneten Differenzierungskriterium und dieses wiederum aus dem Differenzierungsziel begründet werden kann (vgl. für Art. 3 Abs. 1 GG Gusy NJW 1988, 2505, 2507 f.). Dabei ist entgegen der Auffassung der Klägerin für Art. 2 Abs. 2 Buchst. b RL 2000/78/EG - anders als für eine Rechtfertigung nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie(dazu EuGH st. Rspr. seit 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 46, 52, Slg. 2009, I-1569) - kein sozialpolitisches Ziel erforderlich. Rechtmäßige Ziele iSd. Art. 2 Abs. 2 Buchst. b RL 2000/78/EG können vielmehr alle von der Rechtsordnung anerkannten Gründe sein, die nicht ihrerseits diskriminierend sind (vgl. EuGH 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 59 ff., aaO; BAG 15. November 2012 - 6 AZR 359/11 - Rn. 42).

24

bb) Der Gesetzeszweck ist dem in der Norm zum Ausdruck kommenden objektivierten Willen des Gesetzgebers, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist, zu entnehmen. Dafür sind die anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung anzuwenden. Dabei können gerade die systematische Stellung einer Vorschrift im Gesetz und ihr sachlich-logischer Zusammenhang mit anderen Vorschriften diesen Sinn und Zweck freilegen (vgl. BVerfG 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10, 2 BvR 2 BvR 2883/10, 2 BvR 2 BvR 2155/11 - Rn. 66, BVerfGE 133, 168; 10. Juni 2009 - 1 BvR 825/08, 1 BvR 1 BvR 831/08 - Rn. 48, BVerfGE 124, 25).

25

cc) Für die Ermittlung des Gesetzeszwecks ist entgegen der Annahme der Klägerin nicht allein auf die Materialien des Kündigungsfristengesetzes abzustellen. Mit diesem Gesetz wollte der Gesetzgeber lediglich den verfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. BVerfG 16. November 1982 - 1 BvL 16/75, 1 BvL 36/79 - BVerfGE 62, 256; 30. Mai 1990 - 1 BvL 2/83 - BVerfGE 82, 126) zur erforderlichen Einheitlichkeit der Kündigungsfristen der Arbeiter und Angestellten nachkommen. Er hat dabei an der für Angestellte seit den 20er Jahren, für Arbeiter seit Ende der 60er Jahre geltenden Regelungssystematik, wonach sich die Kündigungsfrist abhängig von der Beschäftigungsdauer verlängert, festgehalten. Maßgeblich sind daher die Ziele, die er mit dieser Systematik verfolgt.

26

(1) Das Gesetz über die Fristen für die Kündigung von Angestellten vom 9. Juli 1926 (RGBl. I S. 399) sah in Betrieben mit mehr als zwei Angestellten in § 2 Abs. 1 Satz 2 nach einer Beschäftigungsdauer von acht, zehn und zwölf Jahren Verlängerungen der Kündigungsfrist vor. Damit sollte der Schutz älterer Angestellter, die der Gesetzgeber als von der explodierenden Arbeitslosigkeit während der Wirtschaftskrise als besonders hart betroffen ansah, verbessert werden. Er hielt die Aufgabe des Grundsatzes gleicher Kündigungsfristen für Arbeitgeber und Angestellte im Hinblick auf die aktuelle Notlage für notwendig, weil ältere Arbeitnehmer von Arbeitslosigkeit härter als jüngere getroffen würden. Ihnen falle ein Berufs- oder Wohnortwechsel besonders schwer (RT-Drs. 1924/26 Bd. 409 Nr. 2534 S. 2).

27

(2) Eine im Detail anders ausgestaltete, im Grundsatz aber vergleichbare Regelung wurde für Arbeiter durch das Gesetz zur Änderung des Kündigungsrechtes und anderer arbeitsrechtlicher Vorschriften (Erstes Arbeitsrechtsbereinigungsgesetz) vom 14. August 1969 (BGBl. I S. 1106) eingeführt. Die im Gesetzentwurf (BT-Drs. V/3913 S. 3 f.) für Arbeiter mit längerer Beschäftigungsdauer zunächst vorgesehenen Kündigungsfristen wurden im Gesetzgebungsverfahren deutlich ausgeweitet (siehe die Gegenüberstellung in BT-Drs. V/4376 S. 10 f.). Dies sei wegen der in jüngster Zeit geführten Debatten über die Schutzbedürftigkeit älterer Arbeitnehmer sozialpolitisch notwendig, aber auch wirtschaftlich vertretbar (BT-Drs. V/4376 S. 3). In der Folgezeit wies die Bundesregierung darauf hin, verlängerte Kündigungsfristen trügen der Notwendigkeit verstärkter Sicherung des Arbeitsplatzes älterer Arbeitnehmer Rechnung (Antwort vom 26. September 1969 auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion BT-Drs. V/4651 S. 3 f.). Ältere Arbeitnehmer würden vor plötzlicher Arbeitslosigkeit geschützt und erhielten die Möglichkeit, sich noch während der Kündigungsfrist eine neue Arbeitsstelle zu suchen (vgl. die Antwort der Bundesregierung vom 14. August 1974 auf eine Kleine Anfrage von Abgeordneten der SPD-und FDP-Fraktionen BT-Drs. 7/2484 S. 7).

28

(3) Im Gesetzgebungsverfahren des Kündigungsfristengesetzes im Jahr 1993 stand zwar das vom Bundesverfassungsgericht vorgegebene Ziel, die Kündigungsfristen von Arbeitern und Angestellten zu vereinheitlichen, im Vordergrund. Gleichwohl ließ der Gesetzgeber erkennen, dass er - wenn auch mit veränderten Staffelungen und Kündigungsterminen - aus den bisherigen Gründen und auf der Basis der bisherigen Grundannahmen an einer Verlängerung der Kündigungsfristen für länger beschäftigte Arbeitnehmer festhalten wolle. Dies kam schon im Gesetzentwurf vom 11. Mai 1993 (BT-Drs. 12/4902 S. 7), auf den sich die Klägerin bezieht, zum Ausdruck. Darin wird angenommen, dass mit der Vereinheitlichung der Kündigungsfristen der Arbeiter und Angestellten auf mittlerem Niveau und einer stärkeren Staffelung der Fristen sowohl die Schutzbedürfnisse beider Arbeitnehmergruppen als auch das Interesse der Arbeitgeber an möglichst großer Flexibilität ausgewogen berücksichtigt würden. Noch deutlicher wurde dieser Wille des Gesetzgebers im weiteren Gesetzgebungsverfahren. Im Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung vom 22. Juni 1993 (BT-Drs. 12/5228 S. 6) sowie in der Debatte der Gesetzesänderung im Bundestag am 23. Juni 1993 (Plenarprotokoll 12/165 S. 14220) wurde auf die existentielle Bedeutung des Arbeitsplatzes und seines Schutzes durch ausreichende Kündigungsfristen verwiesen. Der Gesetzgeber sah dabei bewusst davon ab, unterschiedlich lange Kündigungsfristen nach Berufsgruppen bzw. Qualifikationsstufen zu schaffen. Branchenspezifische Lösungen sollten den Tarifvertragsparteien überlassen bleiben (vgl. BT-Drs. 12/5228 S. 6; Staudinger/Preis (2012) § 622 Rn. 3).

29

(4) Auch im Rahmen der gescheiterten Bemühungen, § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB als Reaktion auf die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19. Januar 2010 (- C-555/07 - [Kücükdeveci] Rn. 25 f., Slg. 2010, I-365) zu streichen, wurde der Wille deutlich, das Prinzip, die Dauer der Kündigungsfrist an die Beschäftigungsdauer zu koppeln, unangetastet zu lassen, weil es sich bewährt habe (BT-Drs. 17/775 S. 3).

30

dd) Der verstärkte (formelle) Kündigungsschutz von länger beschäftigten Arbeitnehmern unter Ausgleich der divergierenden, rechtmäßigen Interessen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern an (formellem) Bestandsschutz auf der einen und personalwirtschaftlicher Flexibilität auf der anderen Seite ist entgegen der Ansicht der Klägerin unzweifelhaft ein beschäftigungs- und arbeitsmarktpolitisches Ziel (vgl. EuGH 12. Oktober 2010 - C-45/09 - [Rosenbladt] Rn. 68, Slg. 2010, I-9391; 19. Januar 2010 - C-555/07 - [Kücükdeveci] Rn. 35 f., Slg. 2010, I-365; Schlussanträge des Generalanwalts Bot vom 7. Juli 2009 - C-555/07 - Rn. 38, 43). Ein solches Differenzierungsziel, das sogar als Rechtfertigungsgrund iSd. Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG in Betracht käme, ist rechtmäßig iSd. Art. 2 Abs. 2 Buchst. b RL 2000/78/EG.

31

b) Das zur Erreichung des Differenzierungsziels gewählte Differenzierungskriterium einer von der Beschäftigungsdauer abhängigen Staffelung der Kündigungsfristen ist geeignet, erforderlich und angemessen.

32

aa) Dieses Kriterium ist geeignet, zeitlich begrenzten Kündigungsschutz als Differenzierungsziel zu gewähren. Verlängerte Kündigungsfristen für länger beschäftigte und damit typischerweise ältere Arbeitnehmer führen zu einem beschränkten Kündigungsschutz, indem sie formelle Kündigungsschranken aufbauen (vgl. BAG 18. April 1985 - 2 AZR 197/84 - zu II 1 a der Gründe: zeitlicher Bestandsschutz; Preis Prinzipien des Kündigungsrechts bei Arbeitsverhältnissen S. 13; ErfK/Müller-Glöge 14. Aufl. § 622 BGB Rn. 2). Die formellen Kündigungsschranken schützen zwar das konkrete Arbeitsverhältnis grundsätzlich nicht in seinem Bestand (Preis Prinzipien des Kündigungsrechts bei Arbeitsverhältnissen S. 13). Sie geben dem Arbeitnehmer aber jedenfalls länger Gelegenheit, einen neuen Arbeitsplatz zu finden (vgl. BVerfG 16. November 1982 - 1 BvL 16/75, 1 BvL 36/79 - zu B II 2 der Gründe, BVerfGE 62, 256; Schlussanträge des Generalanwalts Bot vom 7. Juli 2009 - C-555/07 - Rn. 43). Das erhöht zugleich seine Chance, ein neues Arbeitsverhältnis mit vergleichbarem Verdienst und Arbeitsbedingungen zu begründen und so seinen Lebensstandard zu wahren (BVerfG 30. Mai 1990 - 1 BvL 2/83 - zu C I 3 der Gründe, BVerfGE 82,126).

33

bb) Dem Gesetzgeber kommt bei der Beurteilung, ob das gewählte Differenzierungskriterium erforderlich zur Erreichung des gesetzgeberischen Ziels ist, ein weiter Wertungs- und Ermessensspielraum zu. Ob er diesen Spielraum überschritten hat, haben die nationalen Gerichte festzustellen (EuGH 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 41, 51 f., Slg. 2009, I-1569). Ein milderes, ebenso geeignetes Mittel ist nicht erkennbar.

34

(1) Die Entscheidung, Kündigungsfristen nicht nach Branchen oder abhängig von der Qualifikation zu staffeln, ist vom Ermessensspielraum des Gesetzgebers gedeckt. Mit § 622 Abs. 4 Satz 1 BGB hat er den Tarifvertragsparteien bzw. mit Satz 2 dieser Bestimmung den Arbeitsvertragsparteien unter den darin genannten Umständen die Möglichkeit gegeben, branchenspezifische Besonderheiten zu berücksichtigen. An die Qualifikation musste er die Kündigungsfristen schon deshalb nicht binden, weil die Anforderungen des Arbeitsmarktes und damit der Wert von Qualifikationen ständig wechseln.

35

(2) Arbeitsförderungsmaßnahmen zur Vermeidung von Langzeitarbeitslosigkeit älterer Arbeitnehmer wie zB der Eingliederungszuschuss nach § 131 SGB III sind ausgehend vom Differenzierungsziel des § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB keine milderen Mittel. Das Konzept des Gesetzgebers ist darauf gerichtet, vorrangig dem von Arbeitslosigkeit bedrohten Arbeitnehmer während der Kündigungsfrist selbst Gelegenheit zur Suche eines neuen, geeigneten Arbeitsplatzes zu geben. Erst wenn diese erfolglos geblieben ist, setzt nachgelagert die besondere Förderung älterer Arbeitsloser ein.

36

(3) Weil die in § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB eingeräumten Kündigungsfristen den von Arbeitslosigkeit Bedrohten ausreichend Zeit geben sollen, sich selbst um eine neue Arbeitsstelle zu bemühen, ist auch die in § 38 Abs. 1 Satz 1 SGB III genannte Meldefrist von drei Monaten kein Maßstab für die Bemessung der Dauer der Kündigungsfristen. Mit § 38 Abs. 1 SGB III sowie der Sanktion in § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 iVm. § 159 Abs. 6 SGB III hat der Gesetzgeber in einem gänzlich anderen Regelungszusammenhang einen verfassungskonformen Ausgleich zwischen den verfassungsmäßigen Rechten des Versicherten und dem gesetzgeberischen Ziel, Arbeitslosigkeit zu vermeiden bzw. zu verkürzen, gefunden (vgl. BSG 28. August 2007 - B 7/7a AL 56/06 R - Rn. 20 ff. für die Vorgängervorschrift des § 37b SGB III; Böttiger in Eicher/Schlegel SGB III nF Stand Februar 2013 § 38 Rn. 62; Rademacker in Hauck/Noftz SGB III 2. Aufl. Stand Januar 2014 K § 38 Rn. 54 f.).

37

cc) Schließlich ist die an die Dauer der Beschäftigung geknüpfte Verlängerung der Kündigungsfristen auch angemessen iSd. Art. 2 Abs. 2 Buchst. b Ziff. i RL 2000/78/EG, dh. verhältnismäßig im engeren Sinn (vgl. BAG 6. April 2011 - 7 AZR 524/09 - Rn. 27; Däubler/Bertzbach/Schrader/Schubert AGG 3. Aufl. § 3 Rn. 60). Bei der gebotenen Abwägung der Schwere der mittelbaren Benachteiligung Jüngerer mit Gewicht und Dringlichkeit der dafür vom Gesetzgeber gesehenen Gründe ist die Grenze der Zumutbarkeit für die nachteilig betroffenen jüngeren Arbeitnehmer deutlich gewahrt.

38

(1) Welche Chancen Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt besitzen, kann der Gesetzgeber nur typisierend und nicht individuell einschätzen. Seine ua. der Regelung des § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB zugrundeliegende Annahme, dass mit steigendem Lebensalter die Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt sinken, trifft empirisch nach wie vor zu. Zwar steigt die Erwerbstätigenquote älterer Arbeitnehmer, dh. der Anteil der erwerbstätigen Personen einer Altersgruppe an der Gesamtbevölkerung in dieser Altersgruppe (BfA Der Arbeitsmarkt in Deutschland Arbeitsmarktberichterstattung - September 2013 S. 9 Fn. 9), seit einigen Jahren an. Dabei fällt der Anstieg kräftiger aus als der im Durchschnitt über alle Altersklassen, so dass Deutschland inzwischen eine der höchsten Erwerbstätigenquoten Älterer in der Europäischen Union aufweist (BfA aaO S. 10 f.; vgl. auch BiB Pressemitteilung Nr. 10/2013). Nach wie vor liegt aber der Anteil der Erwerbstätigen bei den Älteren insbesondere in der Gruppe der Angestellten und Arbeiter deutlich unter dem Durchschnitt jüngerer Angehöriger dieser Gruppe, während Beamte und Selbständige unter den 55- bis unter 65-Jährigen häufiger vertreten sind (BfA aaO S. 12). Insbesondere bleibt die Arbeitsmarktsituation älterer Arbeitnehmer schwierig. Ihre Arbeitslosenquote übertrifft die im Durchschnitt über alle Altersklassen errechnete um 1,4 Prozentpunkte (BfA aaO S. 20). Zwar haben sie im Vergleich zum Durchschnitt über alle Altersgruppen als Folge des in Deutschland bestehenden Bestandsschutzes, der ältere Arbeitnehmer besonders schützt, ein geringeres Risiko, aus einem Arbeitsverhältnis heraus arbeitslos zu werden (vgl. BfA aaO S. 29). Kommt es trotz dieses Bestandsschutzes zu einem Verlust des Arbeitsplatzes, sind ältere Arbeitnehmer schwieriger als Jüngere wieder in den Arbeitsmarkt einzugliedern, weil ihr Alter selbst bei vorhandener Ausbildung nach wie vor ein Vermittlungshemmnis ist (BfA aaO S. 25 f.). 55- bis unter 60-Jährige hatten noch im Jahr 2012 eine nur halb so hohe Chance, ihre Arbeitslosigkeit durch eine Beschäftigungsaufnahme zu beenden, wie sie Arbeitslose im Durchschnitt über alle Altersklassen besaßen, bei den 60- bis unter 65-Jährigen sanken diese Chancen noch deutlich weiter (BfA aaO S. 29). Das bewirkte eine um knapp 55 % längere durchschnittliche Arbeitslosigkeit der 55- bis unter 65-jährigen Arbeitnehmer (BfA aaO S. 30; vgl. auch Statistisches Bundesamt Ältere Menschen in Deutschland und der EU 2011 S. 46).

39

Diese empirischen Daten stützen die Einschätzung des Gesetzgebers, dass ältere Arbeitnehmer nach wie vor längere Zeit als jüngere Arbeitnehmer für die Arbeitsplatzsuche benötigen (vgl. BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 56, BAGE 140, 169). Ihre steigende Erwerbstätigkeit ist vor allem auf eine Verlängerung der Erwerbsphase im bestehenden Arbeitsverhältnis und nicht auf überproportional häufigere Einstellungen im fortgeschrittenen Alter zurückzuführen (vgl. IAQ Altersübergangs-Report 2014-02 S. 16).

40

(2) Darüber hinaus sind ältere Arbeitnehmer bei der Arbeitsplatzsuche häufig weniger flexibel als jüngere (vgl. BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 56, BAGE 140, 169; 15. November 2012 - 6 AZR 359/11 - Rn. 43).

41

(3) Schließlich haben Arbeitnehmer mit längerer Beschäftigungsdauer über einen entsprechend langen Zeitraum Betriebstreue bewiesen. Dies durfte der Gesetzgeber bei seiner Entscheidung, diesem Personenkreis einen besseren (formellen) Kündigungsschutz zu gewähren, berücksichtigen.

42

(4) Der Gesetzgeber durfte auch das Interesse der Arbeitgeber an personalwirtschaftlicher Flexibilität berücksichtigen und davon ausgehen, dass Arbeitgeber erst nach längerer Beschäftigungsdauer und damit länger erwiesener Betriebstreue längere Kündigungsfristen als zumutbar ansehen. Hätten Arbeitgeber bereits unmittelbar nach Einstellung oder nach wenigen Jahren der Betriebszugehörigkeit lange Kündigungsfristen zu beachten, wäre das ein Einstellungshindernis bzw. würde neu eingestellte Arbeitnehmer in befristete Arbeitsverhältnisse abdrängen.

43

(5) § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB führt nicht zu einer „Überkompensation“ der Schwierigkeiten, die ältere Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt nach wie vor haben. Zwar werden diese Arbeitnehmer auch durch den materiellen gesetzlichen Kündigungsschutz, insbesondere durch die Berücksichtigung des Lebensalters und der Betriebszugehörigkeit bei der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG, im Einklang mit der RL 2000/78/EG aus demselben Grund besonders geschützt(BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 49 ff., BAGE 140, 169). Das Kündigungsschutzgesetz verfolgt jedoch ein gänzlich anderes Schutzkonzept als § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB. Es will das Arbeitsverhältnis in seinem Bestand erhalten und so den Arbeitnehmer gänzlich vor dem mit einem Arbeitsplatzverlust verbundenen Arbeitsplatzwechsel schützen. Kommt es gleichwohl zu einem solchen Verlust oder wird der Arbeitnehmer von diesem Gesetz nicht erfasst, greift der komplementäre Schutz des § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB, der dem typischerweise älteren, lange betriebstreuen Arbeitnehmer Gelegenheit geben will, während einer längeren Frist vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus dem noch bestehenden Arbeitsverhältnis heraus einen neuen Arbeitsplatz zu suchen. Die dargestellten empirischen Daten belegen, dass diese Arbeitnehmer nach wie vor gerade bei einer solchen Suche besonders schutzbedürftig sind.

44

(6) Allerdings profitieren von der Verlängerung der Kündigungsfristen nach § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht nur Arbeitnehmer, die zwischen 55 und 65 Jahre oder jedenfalls mindestens 50 Jahre alt und damit nach herkömmlichem Verständnis „älter“ sind(vgl. unter Bezug auf die Lissabon-Strategie BfA Der Arbeitsmarkt in Deutschland Arbeitsmarktberichterstattung - September 2013 S. 5). Dies wird dadurch verstärkt, dass § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB altersdiskriminierend und deswegen unanwendbar ist(BAG 9. September 2010 - 2 AZR 714/08 - BAGE 135, 278). Eine Nachfolgeregelung gibt es bisher nicht. Insbesondere hat der Gesetzgeber die Erwägung, die ersten Jahre des Arbeitsverhältnisses bei der Ermittlung der Beschäftigungsdauer generell außer Betracht zu lassen (BT-Drs. 17/7489 S. 5; Plenarprotokoll 17/24 S. 2164), nicht umgesetzt. Nicht in Betracht gezogen hat er auch die Möglichkeit, die Verlängerung der Kündigungsfristen ausgehend vom ursprünglichen Regelungskonzept erst in einem typischerweise höheren Lebensalter beginnen zu lassen, indem die erforderliche Mindestdauer der Beschäftigung bis zur ersten Staffelungsstufe deutlich verlängert wird.

45

(a) Die Reduzierung des § 622 Abs. 2 BGB auf die Regelung in Satz 1 bewirkt, dass der Schutz durch formelle Kündigungsschranken schon wesentlich früher einsetzt als ursprünglich vom Gesetzgeber beabsichtigt. Die letzte der sieben Staffelungsstufen wird jetzt nicht mehr mit frühestens 45 Jahren erreicht, sondern kann theoretisch schon mit 35 Jahren erreicht sein, weil auch Zeiten der Berufsausbildung bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer zu berücksichtigen sind (BAG 2. Dezember 1999 - 2 AZR 139/99 -).

46

(b) Gleichwohl ist die Regelung noch angemessen.

47

(aa) Der Gesetzgeber durfte im Rahmen seiner Einschätzungsprärogative typisierend darauf abstellen, dass die Betriebszugehörigkeit nicht im Regelfall mit 15 Jahren beginnt und im selben Betrieb ununterbrochen fortbesteht, sondern in einer Vielzahl von Fällen Arbeitsverhältnisse - wie auch im vorliegenden Fall - in deutlich höherem Alter neu begründet werden, so dass die gesetzliche Regelung ihre Schutzwirkung typischerweise im höheren Lebensalter entfaltet.

48

(bb) Der Gesetzgeber durfte in seine Wertung auch einbeziehen, dass mit der von ihm gewählten Regelungssystematik die Betriebstreue der begünstigten Arbeitnehmer honoriert wird (vgl. BAG 15. Dezember 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 58, BAGE 140, 169).

49

(cc) Schließlich belastet die vom Gesetzgeber gewählte Gestaltung die kürzer beschäftigten, typischerweise jüngeren Arbeitnehmer nicht zusätzlich. Die Kündigungsfristen für kürzer Beschäftigte werden nicht verkürzt. Sie profitieren nur nicht im selben Umfang von der Verlängerung der Fristen wie länger Beschäftigte (vgl. Wendeling-Schröder NZA 2007, 1399, 1403; Rehm Ungleichbehandlungen aufgrund des Alters im Kündigungsrecht S. 93).

50

(7) Der Gesetzgeber musste die Kündigungsfristen nicht in Jahresabständen verlängern, sondern durfte Staffelungsstufen vorsehen. Er hat zudem bei der konkreten Ausgestaltung der Staffelung nicht längere Beschäftigungszeiten unangemessen gewichtet, sondern bis zur längst möglichen Kündigungsfrist ein annähernd gleiches proportionales Verhältnis zwischen der Beschäftigungsdauer und der Länge der Kündigungsfrist beibehalten. Dieses beträgt nach zwei Jahren und damit mit Beginn der ersten Stufe der Verlängerung gemäß § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB 4,2 % und schwankt in den weiteren Stufen zwischen 2,1 % im letzten Jahr der ersten Stufe und 3,5 % nach zwölf Jahren des Arbeitsverhältnisses. Mit Beginn der siebenten und letzten Stufe beträgt es 2,9 % (vgl. die Aufstellung bei Rehm Ungleichbehandlungen aufgrund des Alters im Kündigungsrecht S. 94). Danach sinkt es kontinuierlich ab, weil die Kündigungsfrist bei sieben Monaten zum Monatsende eingefroren wird.

51

II. Die Kündigung der Beklagten vom 20. Dezember 2011 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit der Frist des § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB und damit zum 31. Januar 2012 beendet. Die Klägerin wies im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung am 28. Dezember 2011 eine Beschäftigungsdauer von mehr als zwei, aber weniger als fünf Jahren auf. Zwar ist auch die Zeit der abgebrochenen Ausbildung zu berücksichtigen (vgl. BAG 2. Dezember 1999 - 2 AZR 139/99 -). Selbst unter Einbeziehung dieser Zeit war die Klägerin bei Zugang der Kündigung jedoch erst etwas mehr als viereinhalb Jahre beschäftigt.

52

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Biebl    

        

    Krumbiegel    

        

        

        

    Lauth    

        

    Kreis    

                 

Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein. Derartige unterschiedliche Behandlungen können insbesondere Folgendes einschließen:

1.
die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlohnung und Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Beschäftigten und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen,
2.
die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile,
3.
die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung auf Grund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder auf Grund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand,
4.
die Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen von Beschäftigten und die Verwendung von Alterskriterien im Rahmen dieser Systeme für versicherungsmathematische Berechnungen,
5.
eine Vereinbarung, die die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, zu dem der oder die Beschäftigte eine Rente wegen Alters beantragen kann; § 41 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch bleibt unberührt,
6.
Differenzierungen von Leistungen in Sozialplänen im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes, wenn die Parteien eine nach Alter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung geschaffen haben, in der die wesentlich vom Alter abhängenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters erkennbar berücksichtigt worden sind, oder Beschäftigte von den Leistungen des Sozialplans ausgeschlossen haben, die wirtschaftlich abgesichert sind, weil sie, gegebenenfalls nach Bezug von Arbeitslosengeld, rentenberechtigt sind.

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. März 2010 - 20 Sa 2058/09 - aufgehoben.

2. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Eberswalde vom 8. Juli 2009 - 3 Ca 140/09 - wird zurückgewiesen und der Tenor dieses Urteils zur Klarstellung neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass der Klägerin für die Jahre 2008 und 2009 jeweils ein weiterer Urlaubstag als Ersatzurlaub zusteht.

3. Der Beklagte hat auch die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin in den Jahren 2008 und 2009 Anspruch auf jeweils 29 oder 30 Urlaubstage hatte.

2

Die am 27. Oktober 1971 geborene Klägerin ist seit dem 1. September 1988 bei dem beklagten Landkreis als Angestellte mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden in der Fünftagewoche beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst vom 13. September 2005 in der Fassung des Änderungstarifvertrags Nr. 2 vom 31. März 2008 (TVöD) Anwendung. Dieser bestimmt ua.:

        

§ 26 

        

Erholungsurlaub

        

(1)     

Beschäftigte haben in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung des Entgelts (§ 21). Bei Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf fünf Tage in der Kalenderwoche beträgt der Urlaubsanspruch in jedem Kalenderjahr

                 

bis zum vollendeten 30. Lebensjahr

26 Arbeitstage,

                 

bis zum vollendeten 40. Lebensjahr

29 Arbeitstage und

                 

nach dem vollendeten 40. Lebensjahr

30 Arbeitstage.

                 

Maßgebend für die Berechnung der Urlaubsdauer ist das Lebensjahr, das im Laufe des Kalenderjahres vollendet wird. Bei einer anderen Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit als auf fünf Tage in der Woche erhöht oder vermindert sich der Urlaubsanspruch entsprechend. Verbleibt bei der Berechnung des Urlaubs ein Bruchteil, der mindestens einen halben Urlaubstag ergibt, wird er auf einen vollen Urlaubstag aufgerundet; Bruchteile von weniger als einem halben Urlaubstag bleiben unberücksichtigt. Der Erholungsurlaub muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und kann auch in Teilen genommen werden.

        

…       

        
        

§ 27   

        

Zusatzurlaub

        

(1)     

Beschäftigte, die ständig Wechselschichtarbeit nach § 7 Abs. 1 oder ständig Schichtarbeit nach § 7 Abs. 2 leisten und denen die Zulage nach § 8 Abs. 5 Satz 1 oder Abs. 6 Satz 1 zusteht, erhalten

                 

a)    

bei Wechselschichtarbeit für je zwei zusammenhängende Monate und

                 

b)    

bei Schichtarbeit für je vier zusammenhängende Monate

                 

einen Arbeitstag Zusatzurlaub.

        

(2)     

Im Falle nicht ständiger Wechselschicht- oder Schichtarbeit (z. B. ständige Vertreter) erhalten Beschäftigte des Bundes, denen die Zulage nach § 8 Abs. 5 Satz 2 oder Abs. 6 Satz 2 zusteht, einen Arbeitstag Zusatzurlaub für

                 

a)    

je drei Monate im Jahr, in denen sie überwiegend Wechselschichtarbeit geleistet haben, und

                 

b)    

je fünf Monate im Jahr, in denen sie überwiegend Schichtarbeit geleistet haben.

        

…       

                 
        

(4)     

Zusatzurlaub nach diesem Tarifvertrag und sonstigen Bestimmungen mit Ausnahme von § 125 SGB IX wird nur bis zu insgesamt sechs Arbeitstagen im Kalenderjahr gewährt. Erholungsurlaub und Zusatzurlaub (Gesamturlaub) dürfen im Kalenderjahr zusammen 35 Arbeitstage nicht überschreiten. Satz 2 ist für Zusatzurlaub nach den Absätzen 1 und 2 hierzu nicht anzuwenden. Bei Beschäftigten, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, gilt abweichend von Satz 2 eine Höchstgrenze von 36 Arbeitstagen; § 26 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.

        

…“    

        
3

Mit Schreiben vom 5. November 2008 machte die Klägerin gegenüber dem Beklagten einen jährlichen Gesamturlaub in Höhe von 30 Tagen für das Jahr 2008 und die Zukunft nach dem TVöD geltend. Der Beklagte lehnte die Gewährung von 30 Urlaubstagen vor der Vollendung des 40. Lebensjahres der Klägerin unter Hinweis auf die Verbindlichkeit der Regelung des § 26 Abs. 1 TVöD mit Schreiben vom 28. November 2008 ab. Die Klägerin hat daraufhin mit Schriftsatz vom 11. Februar 2009 die vorliegende Klage erhoben.

4

Sie hat die Ansicht vertreten, sie habe auch vor der Vollendung ihres 40. Lebensjahres Anspruch auf jährlich 30 und nicht nur 29 Urlaubstage. Die an das Lebensalter anknüpfende Staffelung des tariflichen Urlaubsanspruchs sei eine Diskriminierung wegen des Alters. Die in der Tarifregelung enthaltene Ungleichbehandlung jüngerer Arbeitnehmer sei nicht durch § 10 AGG gerechtfertigt. Im Übrigen würden die gesundheitlichen Wirkungen zusätzlichen Urlaubs zur Vermeidung beispielsweise von Stresserscheinungen am Arbeitsplatz auch in der medizinischen Literatur kontrovers diskutiert.

5

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass ihr für die Jahre 2008 und 2009 jeweils ein Urlaubstag als Ersatzurlaub zusteht.

6

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Diese sei bereits unzulässig, da das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO nötige Feststellungsinteresse fehle. Schließlich sei die Klage auch unbegründet. Die Altersstufenregelung des § 26 Abs. 1 TVöD sei durch einen sachlichen Grund nach § 10 AGG gerechtfertigt. Die Festlegung eines Mindestalters für die Gewährung von 30 Urlaubstagen pro Kalenderjahr stelle eine besondere Beschäftigungsbedingung zum Schutz älterer Beschäftigter bzw. eine Mindestanforderung an das Alter für einen mit der Beschäftigung verbundenen Vorteil dar, der zur Erreichung eines legitimen Ziels angemessen und erforderlich sei. Ältere Arbeitnehmer seien mit zunehmendem Alter aufgrund beruflicher Belastungen länger krank. Um diesen Umstand Rechnung zu tragen, hätten die Tarifvertragsparteien mit der Regelung in § 26 Abs. 1 TVöD auf das verstärkte Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer reagiert und deren Leistungsfähigkeit stärken wollen. Der Aspekt des Gesundheitsschutzes älterer Arbeitnehmer sei daher geeignet, die Ungleichbehandlung jüngerer Beschäftigter zu rechtfertigen. Schließlich würde auch eine Diskriminierung keine Angleichung „nach oben“ zur Folge haben.

7

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin die Wiederherstellung der stattgebenden Entscheidung des Arbeitsgerichts. Der Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

A. Die zulässige Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf die geltend gemachten Ersatzurlaubstage.

9

I. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Feststellungsklage zulässig ist. Die Klägerin hat ein rechtliches Interesse daran, durch das Gericht feststellen zu lassen, ob ihr für die Jahre 2008 und 2009 jeweils ein Urlaubstag als Ersatzurlaub zusteht ( § 256 Abs. 1 ZPO ). Der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit einer Klage, mit der ein Arbeitnehmer den Umfang des ihm zustehenden Urlaubs gerichtlich festgestellt haben will, nicht entgegen (vgl. BAG 12. April 2011 - 9 AZR 80/10  - Rn. 13 bis 15, EzA BUrlG § 7 Nr. 123).

10

II. Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten für den ihr in den Jahren 2008 und 2009 jeweils verweigerten 30. Urlaubstag gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB Anspruch auf jeweils einen Tag Ersatzurlaub. Die Urlaubsstaffelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD verstößt gegen die §§ 1, 3 Abs. 1 AGG. Denn sie gewährt Beschäftigten, die das 30., aber noch nicht das 40. Lebensjahr vollendet haben, einen um einen Tag kürzeren Urlaub. Sie ist deshalb nach § 7 Abs. 1 und Abs. 2 AGG iVm. § 134 BGB unwirksam. Dies hat zur Folge, dass die Klägerin auch vor der Vollendung ihres 40. Lebensjahres in jedem Kalenderjahr Anspruch auf 30 Urlaubstage hatte. Ihr steht für die Jahre 2008 und 2009 jeweils noch ein Tag Ersatzurlaub zu, weil der Beklagte ihr in diesen Jahren nur jeweils 29 Urlaubstage gewährte.

11

1. Nach § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD standen der am 27. Oktober 1971 geborenen Klägerin in den Jahren 2008 und 2009 jeweils 29 Urlaubstage zu. Erst nach dem vollendeten 40. Lebensjahr gewährt ihr diese Tarifregelung einen jährlichen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen. Diese an das Lebensalter anknüpfende Staffelung der Urlaubsdauer verstößt gegen das Verbot der Altersdiskriminierung in § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG. Sie ist als sachlich nicht nach den §§ 8, 10 AGG gerechtfertigte unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters gemäß § 7 Abs. 2 AGG iVm. § 134 BGB unwirksam. Zur Beseitigung dieser Diskriminierung ist eine Anpassung auf 30 Urlaubstage erforderlich.

12

2. Zutreffend haben die Vorinstanzen die Regelung in § 26 Abs. 1 TVöD am AGG gemessen. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG gelten die Diskriminierungsverbote der §§ 1, 7 AGG auch für die in kollektivrechtlichen Vereinbarungen geregelten Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen. Unter solchen Bedingungen sind alle Umstände zu verstehen, aufgrund derer und unter denen die Arbeitsleistung zu erbringen ist (vgl. BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 54, BAGE 132, 210). Zu den Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen gehört damit auch der Urlaub. Der Umstand, dass die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b TVöD bereits am 1. Januar 2006 und somit schon vor dem AGG vom 14. August 2006 in Kraft getreten ist, steht dem nicht entgegen. Die für die Jahre 2008 und 2009 geltend gemachte Benachteiligung durch § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD ist erst nach Inkrafttreten des AGG am 18. August 2006 eingetreten. Da § 33 Abs. 1 AGG insoweit keine Übergangsregelung enthält, findet dieses Gesetz auch dann Anwendung, wenn die Benachteiligung auf einem vor Inkrafttreten des AGG abgeschlossenen Tarifvertrag beruht. Es kommt allein auf den Zeitpunkt der Benachteiligungshandlung an (BAG 16. Dezember 2008 - 9 AZR 985/07 - Rn. 33, BAGE 129, 72).

13

3. Die Urlaubsstaffelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD enthält eine auf dem Merkmal des Alters beruhende Ungleichbehandlung der Beschäftigten, die das 30. bzw. das 40. Lebensjahr nicht vollendet haben. Das ist eine unmittelbare Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer wegen des Alters iSv. § 3 Abs. 1 AGG.

14

a) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Beim Alter handelt es sich um einen in § 1 AGG genannten Grund, wobei unter Alter das Lebensalter zu verstehen ist. Dies folgt aus dem gesetzlichen Wortlaut und auch aus der Gesetzesbegründung ( BT-Drucks. 16/1780 S. 31; BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 49, BAGE 132, 210; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07  - Rn. 36, BAGE 129, 181). Der für eine unmittelbare Benachteiligung erforderliche Kausalzusammenhang ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen oder mehrere in § 1 AGG genannte Gründe anknüpft oder dadurch motiviert ist(vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 32; BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 50, aaO).

15

b) Diese Voraussetzung ist erfüllt. § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD sieht für Beschäftigte bei einer Fünftagewoche in jedem Kalenderjahr einen Urlaubsanspruch bis zum vollendeten 30. Lebensjahr in Höhe von 26 Arbeitstagen, bis zum vollendeten 40. Lebensjahr in Höhe von 29 Arbeitstagen und erst nach dem vollendeten 40. Lebensjahr in Höhe von 30 Arbeitstagen vor. Die Höhe des Urlaubsanspruchs nach § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD knüpft damit in allen Stufen unmittelbar an das Lebensalter der Beschäftigten an. Danach haben Beschäftigte wie die Klägerin, die zwar das 30. Lebensjahr, aber noch nicht das 40. Lebensjahr vollendet haben, in jedem Jahr nur Anspruch auf 29 statt auf 30 Urlaubstage. Sie werden ebenso wie die unter 30-Jährigen im Vergleich zu den Beschäftigten, die das 40. Lebensjahr vollendet haben, hinsichtlich der Höhe des Urlaubsanspruchs wegen ihres geringeren Alters ungünstiger behandelt.

16

4. Diese Ungleichbehandlung ist nicht gerechtfertigt.

17

a) Bei ihr handelt es sich nicht um eine nach § 8 AGG zulässige unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher Anforderungen. Die Urlaubsstaffel des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD knüpft nicht an die Art der auszuübenden Tätigkeit oder die Bedingungen ihrer Ausübung an. Sie stellt nicht auf die Art der auszuübenden Tätigkeit ab und beansprucht damit Geltung für alle dem TVöD unterfallenden Beschäftigten.

18

b) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die Ungleichbehandlung auch nicht nach § 10 AGG sachlich gerechtfertigt(so ebenfalls die herrschende Meinung in der Literatur, vgl. Linck/Schütz FS Leinemann, S. 181 f.; Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV Stand Januar 2012 E § 26 TVöD Rn. 22; AGG/Voigt 3. Aufl. § 10 Rn. 33; Meinel/Heyn/Herms AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 42b; Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 105; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 144; Hock/Kramer/Schwerdtle ZTR 2006, 622, 623 mwN; Wulfers/Hecht ZTR 2007, 475, 478; vgl. ferner bereits zu § 48 BAT: Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156). § 10 Satz 1 AGG lässt eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters ungeachtet der Regelung des § 8 AGG zu, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Zudem müssen die Mittel zur Erreichung dieses Ziels nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist die an das Lebensalter anknüpfende Differenzierung in § 26 Abs. 1 TVöD nicht sachlich gerechtfertigt, weil sie einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung trägt und deren Gesundheit schützen will. Dabei kann dahinstehen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen das Ziel des Gesundheitsschutzes eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen würde. Die Tarifvorschrift verfolgt dieses Ziel schon nicht.

19

aa) Die Tarifvertragsparteien haben das mit der in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD geregelten Urlaubsstaffelung verfolgte Ziel nicht ausdrücklich genannt. Nennt eine Regelung oder Maßnahme kein Ziel, müssen zumindest aus dem Kontext abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter der Regelung oder der Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen, um die Legitimität des Ziels sowie die Angemessenheit und die Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüfen zu können. Dabei können nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die sozialpolitischen Ziele als legitim angesehen werden, die im allgemeinen Interesse stehen. Derjenige, der eine Ungleichbehandlung vornimmt, muss den nationalen Gerichten in geeigneter Weise die Möglichkeit zur Prüfung einräumen, ob mit der Ungleichbehandlung ein Ziel angestrebt wird, das die Ungleichbehandlung unter Beachtung der Ziele der Richtlinie 2000/78/EG rechtfertigt (vgl. EuGH 5. März 2009 - C-388/07  - [Age Concern England] Rn. 45 ff., Slg. 2009, I-1569; BAG 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08  - Rn. 36 ff., BAGE 131, 61). Denn das nationale Gericht hat zu prüfen, ob die Regelung oder Maßnahme ein rechtmäßiges Ziel iSd. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG verfolgt. Gleiches gilt für die Frage, ob die Tarifvertragsparteien als Normgeber angesichts des vorhandenen Wertungsspielraums davon ausgehen durften, dass die gewählten Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich waren (vgl. EuGH 5. März 2009 -  C-388/07  - [Age Concern England] Rn. 49 ff., aaO; vgl. auch BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 57, BAGE 132, 210).

20

bb) Die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD dient nicht dem Schutz älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG. Diese gesetzliche Regelung konkretisiert das legitime Ziel, nämlich ua. die Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter, wobei dieser Schutz auch die Festlegung besonderer Arbeitsbedingungen einschließen kann. Aus einer tariflichen Urlaubsstaffelung, die - wie die in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD - den Beschäftigten bereits nach Vollendung des 30. Lebensjahres drei weitere Urlaubstage und dann nach Vollendung des 40. Lebensjahres letztmals einen zusätzlichen Urlaubstag gewährt, lässt sich nicht ableiten, dass die Tarifvertragsparteien einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollten und das Ziel verfolgten, den Schutz älterer Beschäftigter iSd. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG sicherzustellen. Wenn sich auch eine genaue Schwelle für die Zuordnung zu den älteren Arbeitnehmern weder dieser Regelung selbst noch Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG entnehmen lässt, so ist diese freilich an der Zielsetzung (vgl. zu dieser Däubler/Bertzbach/Brors 2. Aufl. § 10 Rn. 42) auszurichten. Einen arbeitsmarktpolitischen Zweck verfolgt zB § 417 Abs. 1 SGB III, wonach Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die das 50. Lebensjahr vollendet haben und ihre Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung beenden oder vermeiden, unter den in der Vorschrift genannten Voraussetzungen Anspruch auf Leistungen der Entgeltsicherung haben. Diese Regelung der Entgeltsicherung bezweckt, die Arbeitslosigkeit älterer Arbeitnehmer abzubauen und ihren Anteil an der erwerbstätigen Bevölkerung zu erhöhen (vgl. BT-Drucks. 17/1945 S. 17). Im Vergleich zu der in § 417 Abs. 1 SGB III genannten Altersgruppe setzt sich die durch die Urlaubsstaffel in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD begünstigte Beschäftigtengruppe, der ein Urlaubsanspruch von jährlich 30 Arbeitstagen eingeräumt wird, nicht ausnahmslos aus älteren Beschäftigten zusammen. Vielmehr gehören ihr alle Beschäftigten ab Vollendung des 40. Lebensjahres an. Der Senat hat bereits entschieden, dass ein Arbeitnehmer jedenfalls ab Vollendung des 31. Lebensjahres offensichtlich kein älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG ist(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 55, BAGE 132, 210).

21

cc) Ein legitimes Ziel iSd. § 10 AGG ergibt sich entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts auch nicht aus § 10 Satz 3 Nr. 2 AGG. Danach kann eine zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile einschließen. Diese Regelung bestimmt selbst kein legitimes Ziel, sondern beschreibt nur ein mögliches Mittel, mit der ein auf andere Weise zu legitimierendes Ziel gerechtfertigt werden kann (vgl. ErfK/Schlachter 12. Aufl. § 10 AGG Rn. 6), sofern es erforderlich und angemessen iSd. § 10 Satz 2 AGG ist.

22

dd) Die Tarifvertragsparteien verfolgen entgegen der Auffassung des Beklagten nicht das Ziel des Gesundheitsschutzes älterer Arbeitnehmer.

23

(1) Das mit der Urlaubsstaffelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD verfolgte Ziel lässt sich nicht mit ausreichender Deutlichkeit aus dem Wortlaut des § 26 TVöD entnehmen. § 26 TVöD normiert ausweislich seiner Überschrift den Erholungsurlaub. Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 TVöD haben Beschäftigte in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung des Entgelts. § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD legt die Dauer dieses Erholungsurlaubs fest. Der Begriff des Erholungsurlaubs wird dabei nicht näher definiert und ist dem BUrlG entlehnt, auf das § 26 Abs. 2 TVöD im Übrigen verweist. Der Erholungsurlaub nach dem BUrlG soll nach der Gesetzesbegründung dem sozialpolitischen Anliegen der Erhaltung und Wiederauffrischung der Arbeitskraft der Arbeitnehmer dienen (vgl. den schriftlichen Bericht des Bundestagsausschusses für Arbeit, BT-Drucks. IV/785; Begründung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Bundesurlaubsgesetzes, BT-Drucks. IV/207). Durch den Erholungsurlaub wird dem Arbeitnehmer die Möglichkeit gesichert, für eine bestimmte Dauer im Jahr, die ihm eingeräumte Freizeit zur selbstbestimmten Erholung zu nutzen (st. Rspr., vgl. BAG 20. Juni 2000 - 9 AZR 405/99 - zu II 2 b bb 1 der Gründe, BAGE 95, 104; 8. März 1984 - 6 AZR 600/82 - zu II 5 b der Gründe, BAGE 45, 184; ebenso st. Rspr. des EuGH zum Jahresurlaub nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG , EuGH 22. No-vember 2011 - C-214/10 - [KHS] Rn. 31, AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 6 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 7; 20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06  - [Schultz-Hoff] Rn. 25, Slg. 2009, I-179). Wenn eine Tarifregelung die Urlaubsdauer nach dem Lebensalter staffelt, liegt die Annahme nahe, die Tarifvertragsparteien hätten einem mit zunehmendem Alter gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollen. Die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD rechtfertigt eine solche Annahme freilich nicht, sondern schließt sie aus.

24

(2) Das folgt bereits aus dem Inhalt der Regelung. Die Tarifvorschrift räumt den Beschäftigten schon ab dem 30. Lebensjahr drei weitere Urlaubstage ein. Dafür, dass die Tarifvertragsparteien von einem so deutlich gesteigertem Erholungsbedürfnis bereits nach der Vollendung des 30. Lebensjahres ausgegangen sind, fehlt jeder Anhaltspunkt. Gegen eine solche Annahme spricht auch, dass die Tarifvertragsparteien den Beschäftigten nach der Vollendung des 40. Lebensjahres letztmals nur einen weiteren Urlaubstag gewährt und davon abgesehen haben, ein gesteigertes Erholungsbedürfnis des Beschäftigten in der Zeit bis zum Erreichen des gesetzlich festgelegten Alters für den Bezug der Regelaltersrente (§ 33 Abs. 1 Buchst. a TVöD) zu berücksichtigen. Hätten die Tarifvertragsparteien ein gesteigertes Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter vor Augen gehabt, hätten sie nicht einem 30-Jährigen einen gegenüber einem 29-jährigen Beschäftigten um drei Tage längeren Urlaub gewährt, nach der Vollendung des 40. Lebensjahres des Beschäftigten eine wesentlich geringere Steigerung des Erholungsbedürfnisses angenommen und für die Zeit danach bis zum Erreichen des gesetzlich festgelegten Alters für den Bezug der Regelaltersrente ein zunehmendes Erholungsbedürfnis des Beschäftigten überhaupt nicht mehr berücksichtigt (vgl. Wulfers/Hecht ZTR 2007, 475, 478). Auch das Schrifttum nimmt ganz überwiegend an, dass eine tarifliche Urlaubsstaffelung nicht schon auf die Vollendung des 30. bzw. des 40. Lebensjahres abstellen darf, wenn sie einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen will (vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 22; Tempelmann/Stenslik DStR 2011, 1183, 1186; Richter Benachteiligung wegen des Alters im Erwerbsleben S. 170; Meinel/Heyn/Herms § 10 Rn. 42b; AGG/Voigt § 10 Rn. 33; Hey AGG § 10 Rn. 28; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 144; Hock/Kramer/Schwerdle ZTR 2006, 622, 623; Linck/Schütz FS Leinemann S. 181 f.; Senne Auswirkungen des europäischen Verbots der Altersdiskriminierung auf das deutsche Arbeitsrecht S. 269; Bertelsmann ZESAR 2005, 242, 246). Selbst wenn die Erholungsbedürftigkeit von Arbeitnehmern mit zunehmendem Lebensalter steigen sollte (zweifelnd Däubler/Bertzbach/Brors § 10 Rn. 50; aA Waltermann NZA 2005, 1265, 1269), hätte es mit dem Schutz älterer Arbeitnehmer nichts zu tun, bereits mit dem 30. Lebensjahr eine erste Verlängerung des Urlaubsanspruchs um drei Tage und die zweite und zugleich letzte Verlängerung um einen weiteren Urlaubstag bereits mit Vollendung des 40. Lebensjahres vorzusehen (so auch Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 22; Adomeit/Mohr § 10 Rn. 105; so bereits zu § 48 BAT: Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156). Es fehlt in beiden Stufen an dem erkennbaren Schutz Älterer. Die Verlängerung des Urlaubsanspruchs bereits mit dem vollendeten 30. Lebensjahr lässt sich kaum mit der Erhaltung der Leistungsfähigkeit Älterer begründen. Auch mit der Vollendung des 40. Lebensjahres hat ein Beschäftigter regelmäßig allenfalls die Mitte seines Erwerbsalters erreicht (vgl. auch Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156). Hätten die Tarifvertragsparteien gemäß der Ansicht des Beklagten ein gesteigertes Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter berücksichtigen wollen, hätten sich die gewählten Altersgrenzen nicht an dem mit dem Alter zunehmenden Erholungsbedürfnis orientiert und wären willkürlich.

25

(3) Gerade dieser Umstand bestätigt, dass die Tarifvertragsparteien mit der Regelung in § 26 TVöD weder den Schutz der Gesundheit bezweckten noch einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollten. Hätten sie diese Ziele verfolgt, hätte es nahe gelegen, gerade für die älteren Beschäftigten, zB die Gruppe der über 50- oder über 60-jährigen Beschäftigten, die Dauer des Erholungsurlaubs zu verlängern. Bei dieser Personengruppe ist ein altersbedingt gesteigertes Erholungsbedürfnis eher nachvollziehbar. Ein solches Schutzbedürfnis für die über 50-Jährigen haben die Tarifvertragsparteien aber nur hinsichtlich der Beschränkung der Höchstdauer des Gesamturlaubs bei besonders belastenden Arbeiten (Schicht- und Wechselschicht) gesehen. Das folgt aus § 27 Abs. 4 Satz 4 TVöD. Danach erhöht sich ab diesem Lebensalter die maximal erreichbare Gesamturlaubsdauer von jährlich 35 auf 36 Arbeitstage.

26

(4) Die Tarifgeschichte bestätigt, dass die Tarifvertragsparteien mit der Urlaubsstaffel nicht einem mit dem Lebensalter steigenden Erholungsbedürfnis Rechnung tragen wollten. Bereits seit dem Inkrafttreten des BAT wurde die Urlaubsdauer an das Lebensalter geknüpft (§ 48 Abs. 1 BAT). Sie steigerte sich auch nach dem vollendeten 30. Lebensjahr und nach dem vollendeten 40. Lebensjahr. Innerhalb der Lebensaltersstufen verlängerte sich die Urlaubsdauer teilweise nach Vergütungsgruppen. Je höher der Angestellte eingruppiert war, je länger war sein Urlaubsanspruch. Dies zeigt, dass nicht der Erholungszweck maßgebend für die Urlaubsdauer sein sollte. Der Urlaub wurde vielmehr als Quasi-Gegenleistung für die Arbeitsleistung geregelt. Nur so lässt sich die normierte Abhängigkeit der Urlaubsdauer von der Vergütungsgruppe erklären. Es kann deshalb nicht angenommen werden, die Tarifvertragsparteien hätten bei Angestellten in höheren Vergütungsgruppen ein gesteigertes Erholungsbedürfnis ausgleichen wollen. Die Differenzierung resultiert vielmehr aus der überkommenen Auffassung, der Urlaub werde „verdient“.

27

5. Die Diskriminierung der Klägerin kann nur durch die Verpflichtung des Beklagten beseitigt werden, der Klägerin für die Jahre 2008 und 2009 jeweils einen Ersatzurlaubstag zu gewähren. Zwar folgt aus § 7 Abs. 2 AGG nur, dass die diskriminierende Regelung unwirksam ist. Auch wird vom Senat nicht verkannt, dass es sich bei § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD um ein Stufensystem handelt, sodass grundsätzlich keine Stufe als die von den Tarifvertragsparteien als „übliche“ Urlaubsdauer gewollte angesehen werden kann. Jedoch kann die Beseitigung der Diskriminierung vorliegend nur durch eine Anpassung „nach oben“ erfolgen.

28

a) Grundsätzlich ist es Aufgabe der Tarifvertragsparteien, eine benachteiligungsfreie Regelung zu treffen, wofür ihnen verschiedene Möglichkeiten zu Verfügung stehen. Doch scheidet eine Aussetzung des Rechtsstreits unter Fristsetzung zur Lückenschließung durch die Tarifvertragsparteien selbst von vornherein aus (aM Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 23). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sind für den Fall, dass gesetzliche oder tarifvertragliche Regelungen eine mit der Richtlinie unvereinbare Diskriminierung vorsehen, die nationalen Gerichte gehalten, die Diskriminierung auf jede denkbare Weise und insbesondere dadurch auszuschließen, dass sie die Regelung für die nicht benachteiligte Gruppe auch auf die benachteiligte Gruppe anwenden, ohne die Beseitigung der Diskriminierung durch den Gesetzgeber, die Tarifvertragsparteien oder in anderer Weise abzuwarten (vgl. so bereits zur Richtlinie 76/207/EWG: EuGH 20. März 2003 - C-187/00 - [Kutz-Bauer] Rn. 75, Slg. 2003, I-2741). Auch nach Art. 9 Abs. 3 GG in Verbindung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wäre eine Aussetzung grundsätzlich allenfalls zur Beseitigung einer Diskriminierung für die Zukunft geboten(vgl. BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 28, NZA 2012, 161). Vorliegend geht es jedoch um die Beseitigung einer Diskriminierung in der Vergangenheit.

29

b) Die Benachteiligung der Klägerin kann nicht auf andere Weise für die Jahre 2008 und 2009 ausgeschlossen werden. Ein Rückgriff auf den noch unterhalb der Eingangstufe des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD liegenden gesetzlichen Mindesturlaub gemäß den §§ 1, 3 BUrlG in Höhe von 20 Arbeitstagen bei einer Fünftagewoche ist hierzu nicht geeignet(aM Wulfers/Hecht ZTR 2007, 475, 483; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand Februar 2012, § 26 Rn. 163.5). Der von den §§ 1, 7 AGG bzw. Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG verfolgte Zweck, Benachteiligungen zu verhindern oder zu beseitigen, würde nicht erreicht. Da diskriminierende Maßnahmen oder Vereinbarungen nicht hingenommen und ihre Fortwirkung nicht akzeptiert werden darf (vgl. ErfK/Schlachter § 7 AGG Rn. 5), ist auch nicht auf die Eingangsstufe des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD mit 26 Urlaubstagen abzustellen. Hätte die Klägerin nur Anspruch auf die erste Stufe der Urlaubsstaffel, fehlte es an einer Sanktion, die einen tatsächlichen und wirksamen Rechtsschutz gewährt und abschreckende Wirkung hat (vgl. zu diesem Aspekt: BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 18 ff., NZA 2012, 161).

30

c) Hingegen ist eine Anpassung „nach oben“ zur Beseitigung einer Altersdiskriminierung im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gerechtfertigt, wenn auf andere Weise die Diskriminierung nicht behoben werden kann, weil der Arbeitgeber den Begünstigten für die Vergangenheit die Leistung nicht mehr entziehen kann (vgl. ausführlich: BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 20 ff., NZA 2012, 161). Dies ist vorliegend der Fall. Der den begünstigten Beschäftigten in den Jahren 2008 und 2009 gewährte Urlaub von jährlich 30 Arbeitstagen kann nicht rückwirkend auf 29 oder 26 Arbeitstage begrenzt werden. Die als Urlaub bereits gewährte Freizeit ist nicht kondizierbar.

31

d) Schließlich steht der Anpassung „nach oben“ auch nicht § 15 Abs. 3 AGG entgegen. Danach ist der Arbeitgeber bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fährlässig handelt. Diese Bestimmung bezieht sich allein auf die immaterielle Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG(vgl. BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 38, NZA 2012, 161; ErfK/Schlachter § 15 AGG Rn. 13) und verhält sich nicht zur Beseitigung einer Diskriminierung durch eine den Diskriminierungsverboten genügende Regelung.

32

e) Der Beklagte kann auch keinen Vertrauensschutz in Anspruch nehmen. In den Jahren 2008 und 2009 galt bereits das am 18. August 2006 in Kraft getretene AGG. Dieses nimmt Dauerschuldverhältnisse und damit auch Arbeitsverhältnisse ebenso wenig wie Tarifverträge aus, die vor dem Inkrafttreten des AGG bereits abgeschlossen waren. Übergangsvorschriften oder Vertrauensschutzregelungen sind insoweit in § 33 AGG nicht vorgesehen. Gemäß § 1 AGG ist ua. Ziel dieses Gesetzes, Benachteiligungen aus Gründen des Alters nicht nur zu verhindern, sondern auch zu beseitigen. Die damit einhergehende unechte Rückwirkung ist zulässig. Der zeitliche Geltungsbereich wird je nach Lage der Verhältnisse im Einzelfall nur durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes beschränkt (vgl. so bereits zu § 81 Abs. 2 SGB IX aF: BAG 16. Dezember 2008 - 9 AZR 985/07 - Rn. 38, BAGE 129, 72). Dies setzt jedoch in jedem Fall das Vorliegen eines schutzwürdigen Vertrauens voraus, das vorliegend nicht gegeben ist, selbst wenn man die Grundsätze zum Vertrauensschutz bei unechter Rückwirkung von Gesetzen anwendet. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Grundsatz des Vertrauensschutzes nur dann verletzt, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen (vgl. BVerfG 10. August 2006 - 2 BvR 563/05  - Rn. 14, BVerfGK 9, 28). Zum einen dient das AGG der Umsetzung von EU-Richtlinien zum Schutz vor Diskriminierung im Bereich Beschäftigung und Beruf und enthält insoweit insbesondere im Bereich der Altersdiskriminierung unionsrechtlich verankerte notwendige und bedeutende Regelungen. Zum anderen wäre ein Vertrauen in den Fortbestand der angewandten tarifvertraglichen Regelungen nicht schutzwürdig. Denn die Richtlinie 2000/78/EG wurde schon im Jahr 2000 erlassen und stellt in Art. 16 Buchst. b ausdrücklich klar, dass die Diskriminierungsverbote auch auf tarifvertragliche Bestimmungen Anwendung finden. Nach Art. 18 der Richtlinie 2000/78/EG war diese zudem spätestens zum 2. Dezember 2006 in nationales Recht umzusetzen. Der Beklagte musste ebenso wie die Tarifvertragsparteien damit rechnen, dass tarifvertragliche Regelungen auch am Verbot der Altersdiskriminierung gemessen werden. Deshalb konnte der Beklagte nicht darauf vertrauen, dass auch nach Inkrafttreten des AGG die Urlaubsstaffelregelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD zulässig war, zumal in der Gesetzesbegründung zum AGG die Anknüpfung an das bloße Lebensalter als Mindestgrenze für mit der Beschäftigung verbundener Vorteile nicht unkritisch gesehen wurde(vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 36) und im Schrifttum nicht nur vereinzelt die Unwirksamkeit des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD wegen Verstoßes gegen das Verbot der Altersdiskriminierung angenommen wurde (vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 22 mwN; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 144; Hock/Kramer/Schwerdtle ZTR 2006, 622, 623 mwN; so bereits zu § 48 Abs. 1 BAT: Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156).

33

6. Die Klägerin hat Anspruch auf Ersatzurlaub gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB. Die Resturlaubsansprüche für die Jahre 2008 und 2009 waren mangels Vorliegens eines Übertragungsgrundes nach § 26 Abs. 1 Satz 6 TVöD iVm. § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG zum 31. Dezember des jeweiligen Jahres verfallen. Diesen Untergang hat der Beklagte zu vertreten, weil er sich mit der Gewährung des Urlaubs in Verzug befand.

34

a) Die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs aus Verzug gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB liegen vor. Die Klägerin hatte in den Jahren 2008 und 2009 Anspruch auf jeweils 30 Urlaubstage. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wandelt sich der Urlaubsanspruch in einen Schadensersatzanspruch um, der auf Gewährung von Ersatzurlaub als Naturalrestitution gerichtet ist, wenn der Arbeitgeber den rechtzeitig verlangten Urlaub nicht gewährt und der Urlaub aufgrund seiner Befristung verfällt ( BAG 11. April 2006 - 9 AZR 523/05  - Rn. 24, AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 28 = EzA BUrlG § 7 Nr. 116).

35

b) Die Klägerin machte mit Schreiben vom 5. November 2008 unter der Überschrift „Geltendmachung von Urlaubsansprüchen“ Urlaub in Höhe von 30 Tagen nach dem TVöD geltend und bat zudem, den Urlaubsanspruch auch für die Zukunft entsprechend anzupassen. Dahingestellt bleiben kann, ob dies schon ein konkretes Verlangen beinhaltet hat, den Urlaub in den Jahren 2008 und 2009 zu gewähren. Nach der Rechtsprechung des Senats ist hierfür zumindest erforderlich, dass der Arbeitgeber nach den Grundsätzen des § 133 BGB davon ausgehen muss, der Arbeitnehmer wünsche ab einem bestimmten Zeitpunkt Erholungsurlaub(vgl. BAG 17. November 2009 - 9 AZR 745/08 - Rn. 45; 11. April 2006 -  9 AZR 523/05  - Rn. 28, AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 28 = EzA BUrlG § 7 Nr. 116). Maßgebend ist, dass der Beklagte mit Schreiben vom 28. November 2008 erklärt hat, er lehne den Antrag auf Verlängerung des Urlaubs „auf 30 Tage vor Erreichen des 41. Lebensjahres“ ab, weil der Klägerin nach dem für ihn verbindlichen § 26 Abs. 1 TVöD derzeit nur 29 Urlaubstage zustünden. Aus objektiver Empfängersicht lag darin eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung des Beklagten als Schuldner des Urlaubsanspruchs, die gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB eine Mahnung der Klägerin entbehrlich machte(vgl. BAG 31. Januar 1991 - 8 AZR 462/89  - zu II der Gründe). Denn der Beklagte gab mit diesem Schreiben vor Ablauf des Urlaubsjahres 2008 klar zu erkennen, dass er nicht bereit sei, im laufenden Jahr mehr als 29 Tage Urlaub zu gewähren. Hinsichtlich des weiteren Urlaubstags für das Jahr 2009 folgt der Verzug des Beklagten zudem daraus, dass er jedenfalls mit dem Antrag auf Klageabweisung vom 24. April 2009 und somit vor Ablauf des Urlaubsjahres 2009 zu erkennen gegeben hat, den weiteren Urlaubstag auch im Jahr 2009 nicht gewähren zu wollen. Darin lag ebenso seine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung als Schuldner des Urlaubsanspruchs, die gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB eine Mahnung der Klägerin ebenfalls entbehrlich machte(vgl. BAG 17. Mai 2011 - 9 AZR 197/10 - Rn. 14, EzA TVG § 4 Metallindustrie Nr. 138; 31. Januar 1991 - 8 AZR 462/89  - zu II der Gründe).

36

B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

        

        

    Preuß    

        

    Neumann-Redlin    

        

        

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 7. September 2012 - 6 Sa 709/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe des jährlichen Urlaubsanspruchs.

2

Die Beklagte stellt Schuhe her. Die am 10. April 1960 geborene Klägerin ist bei ihr seit dem 1. Juli 1994 als Produktionsmitarbeiterin beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 13. November 2000 ist ua. vereinbart, dass der jährliche Urlaubsanspruch 34 Arbeitstage beträgt. Die Beklagte gewährt allen Arbeitnehmern, die das 58. Lebensjahr vollendet haben, 36 Arbeitstage Jahresurlaub, ohne dass individuelle Vereinbarungen über einen höheren Jahresurlaub vorliegen. Die übrigen Beschäftigten erhalten jährlich 34 Urlaubstage.

3

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Urlaubsregelung sei altersdiskriminierend. Die Behauptung, ältere Mitarbeiter benötigten im Produktionsbetrieb längere Erholungsphasen, sei durch die darlegungsbelastete Beklagte nicht dargetan. Das Bundesurlaubsgesetz stelle bezüglich der Dauer des Urlaubs weder auf die physische Belastung noch auf das Alter der Arbeitnehmer ab. Die Beklagte habe keinen Grund genannt, warum ein gesteigertes Erholungsbedürfnis ausgerechnet mit 58 Jahren eintrete. Zudem könne mit lediglich zwei zusätzlichen Urlaubstagen ein etwaiger höherer Erholungsbedarf nicht ausgeglichen werden. Bei einem stetig steigenden Erholungsbedarf müsste jedenfalls auch die Urlaubsdauer gestaffelt werden. Bei anderen Arbeitnehmergruppen sei ein erhöhter Erholungsbedarf nachvollziehbar. Diese würden jedoch nicht begünstigt. So seien jüngere Arbeitnehmer durch Familie und Beruf oftmals stärker beansprucht als ältere. Die Beklagte habe ihr zur Beseitigung der Diskriminierung jährlich zwei weitere Urlaubstage zu gewähren.

4

Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt

        

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr 36 Arbeitstage Erholungsurlaub zu gewähren.

5

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, ihre Urlaubsregelung beinhalte keine Diskriminierung. Nach der Lebenserfahrung benötigten ältere Arbeitnehmer, die körperlich ermüdende und schwere Arbeiten verrichten, längere Erholungszeiten als jüngere. Zwei zusätzliche Urlaubstage seien angemessen.

6

Das Arbeitsgericht hat die Klage - soweit für die Revision von Bedeutung - abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Feststellungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass die Beklagte nicht verpflichtet ist, der Klägerin auch schon vor der Vollendung der 58. Lebensjahres insgesamt 36 Arbeitstage Erholungsurlaub pro Jahr zu gewähren.

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I. Die Klage ist in der gebotenen Auslegung zulässig, insbesondere besteht das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.

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1. Der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit einer Klage, mit der ein Arbeitnehmer den Umfang des ihm zustehenden Urlaubs gerichtlich festgestellt wissen will, nicht entgegen (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 9, BAGE 141, 73; 12. April 2011 - 9 AZR 80/10 - Rn. 13 ff., BAGE 137, 328).

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2. Die am 10. April 1960 geborene Klägerin hat ein rechtlich anerkennenswertes Interesse daran, alsbald zu erfahren, ob ihr bereits vor der Vollendung ihres 58. Lebensjahres zwei weitere Urlaubstage pro Jahr zustehen. Ihr Antrag bezieht sich dem Wortlaut nach zwar auf den gesamten Jahresurlaub. Er kann jedoch so ausgelegt werden, dass er sich nur auf zwei weitere Urlaubstage im Kalenderjahr bezieht. Zwischen den Parteien besteht kein Streit, dass der Klägerin die vertraglich vereinbarten 34 Urlaubstage pro Jahr zustehen. Die Klägerin hat im Laufe des Verfahrens deutlich gemacht, dass der Antrag auf die Feststellung des Bestehens zweier zusätzlicher Urlaubstage gerichtet ist. Darüber hinaus hat das Landesarbeitsgericht den Klageantrag zutreffend so verstanden, dass er vergangene Urlaubsjahre nicht erfasst. Es handelt sich um einen gegenwartsbezogenen Feststellungsantrag, für dessen Entscheidung grundsätzlich auf die Sachlage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht abzustellen ist (vgl. BAG 15. Mai 2013 - 7 AZR 494/11 - Rn. 15 ff.).

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II. Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen vor Vollendung ihres 58. Lebensjahres nicht gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 iVm. § 7 Abs. 1 und Abs. 2 AGG zwei weitere Urlaubstage zu. Die Urlaubsregelung ist nicht gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam und führt somit bezüglich der Dauer des Urlaubs der Klägerin nicht zu einer „Anpassung nach oben“(siehe dazu BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 27 ff., BAGE 141, 73; vgl. aber auch BAG 14. Mai 2013 - 1 AZR 44/12 - Rn. 25, BAGE 145, 113).

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1. Es liegt zwar eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor. Diese ist jedoch gemäß § 10 Satz 1, 2 und Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt.

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a) Nach § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Unter Alter iSd. § 1 AGG ist das Lebensalter zu verstehen. Dies folgt aus dem Wortlaut des Gesetzes und aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/1780 S. 31; BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 14, BAGE 141, 73; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 36, BAGE 129, 181). Eine unmittelbare Benachteiligung ist nach § 3 Abs. 1 AGG gegeben, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Der für eine unmittelbare Benachteiligung erforderliche Kausalzusammenhang ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen oder mehrere in § 1 AGG genannte Gründe anknüpft oder dadurch motiviert ist(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - aaO mwN).

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b) Daran gemessen liegt eine unmittelbare Ungleichbehandlung wegen des Alters vor. Die Urlaubsregelung knüpft die Gewährung von zwei weiteren Urlaubstagen an die Vollendung des 58. Lebensjahres und damit unmittelbar an das Lebensalter der Beschäftigten. Arbeitnehmer, die diese Altersgrenze nicht erreicht haben, werden wegen ihres Alters ungünstiger behandelt.

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c) Die Ungleichbehandlung ist jedoch gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt. Die Regelung bezweckt bei Berücksichtigung eines Gestaltungs- und Ermessensspielraums der Beklagten den in dieser Bestimmung genannten Schutz älterer Beschäftigter und ist geeignet, erforderlich und angemessen im Sinne von § 10 Satz 2 AGG.

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aa) Nach § 10 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG konkretisiert ua. das legitime Ziel der Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter, wobei dieser Schutz auch die Festlegung besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließen kann (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73).

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bb) § 10 AGG dient der Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG L 303 vom 2. Dezember 2000 S. 16) in das nationale Recht (BAG 18. März 2014 - 3 AZR 69/12 - Rn. 21). Der Gesetzgeber hat bei der Umsetzung den Text der Richtlinie nahezu wörtlich in das nationale Recht übernommen. Dessen Regelungen sind unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit der Richtlinie unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auszulegen (vgl. BAG 14. März 2012 - 7 AZR 480/08 - Rn. 30).

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cc) Dem Arbeitgeber steht bei freiwilligen zusätzlichen Leistungen - wozu auch die Gewährung von übergesetzlichem Mehrurlaub gehört - ein von den Gerichten zu respektierender Gestaltungs- und Ermessensspielraum zu (vgl. zu Leistungen der betrieblichen Altersversorgung: BAG 12. November 2013 - 3 AZR 356/12 - Rn. 28; 12. Februar 2013 - 3 AZR 100/11 - Rn. 31 mwN, BAGE 144, 231). Auch in der Rechtsprechung des EuGH ist anerkannt, dass die Mitgliedstaaten und gegebenenfalls die Sozialpartner auf nationaler Ebene beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts nicht nur bei der Entscheidung, welches konkrete Ziel von mehreren im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik sie verfolgen wollen, sondern auch bei der Festlegung der Maßnahmen zu seiner Erreichung über einen weiten Gestaltungsspielraum verfügen (EuGH 16. Oktober 2007 - C-411/05 - [Palacios de la Villa] Rn. 68, Slg. 2007, I-8531). Diese Erwägungen gelten nach dem EuGH auch für Ziele, die der Arbeitgeber mit einer vertraglichen Regelung verfolgt (vgl. EuGH 26. September 2013 - C-476/11 - [HK Danmark] Rn. 61).

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dd) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Benachteiligung der Arbeitnehmer der Beklagten, die das 58. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, gerechtfertigt.

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(1) Die Beklagte gewährt den Arbeitnehmern in ihrem Produktionsbetrieb nach der Vollendung des 58. Lebensjahres aufgrund ihres gesteigerten Erholungsbedürfnisses zwei weitere Urlaubstage im Kalenderjahr und bezweckt damit die Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG. Da dieser Schutz die Festlegung besonderer Arbeitsbedingungen einschließt (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73), unterfallen ihm auch zusätzliche Urlaubstage.

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(a) Das AGG definiert in § 10 Satz 3 Nr. 1 - ebenso wie Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG - nicht, wann ein Beschäftigter „älter“ im Sinne der Norm ist (vgl. zum herkömmlichen Verständnis: BAG 18. September 2014 - 6 AZR 636/13 - Rn. 44). Nach dem Sinn und Zweck des Benachteiligungsverbots reicht es ohne das Vorliegen anderer Differenzierungsgründe nicht aus, dass das Alter der begünstigten Arbeitnehmer höher ist als das Alter der nicht begünstigten. Dementsprechend hat der Senat angenommen, ein Arbeitnehmer sei nach der Vollendung seines 31. Lebensjahres offensichtlich noch kein älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 55, BAGE 132, 210). Aus dem systematischen Zusammenhang mit § 10 Satz 1 AGG und aus dem Regelungszweck folgt, dass die begünstigten Arbeitnehmer aufgrund ihres Alters der Förderung bei der beruflichen Eingliederung oder des Schutzes bedürfen müssen.

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(aa) Der Senat ist in seiner Entscheidung vom 20. März 2012 nicht davon ausgegangen, dass mit zunehmenden Alter das Erholungsbedürfnis von Arbeitnehmern steige. Er hat allerdings ab einem bestimmten Alter - konkret: bei über 50- oder über 60-jährigen Beschäftigten - ein altersbedingt gesteigertes Erholungsbedürfnis für „eher nachvollziehbar“ gehalten (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 24 f., BAGE 141, 73).

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(bb) Das Landesarbeitsgericht hat in Übereinstimmung mit der überwiegenden Auffassung im Schrifttum als Erfahrungssatz angenommen, dass mit zunehmenden Alter das Erholungsbedürfnis von Arbeitnehmern steigt (so auch Tempelmann/Stenslik DStR 2011, 1183, 1185 f.; Lingemann/Gotham NZA 2007, 663, 666; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 143 f.; Waltermann NZA 2005, 1265, 1269; Over Das Verbot der Altersdiskriminierung im Arbeitsrecht nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz S. 231; Küttner/Kania Personalbuch 2014 Diskriminierung Rn. 90; vgl. auch Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 - zu II 2 b cc (3) (a) der Gründe mwN). Diese Ansicht ist allerdings nicht unumstritten. So wird auf die Individualität der Alterungsprozesse und den fehlenden Nachweis von Altersklassen mit spezifischem Erholungsbedarf hingewiesen (Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 1 Rn. 822). Die Aufstellung eines generellen Erfahrungssatzes soll dem traditionellen Bild vom „alten Arbeitnehmer“ entsprechen (Däubler/Bertzbach/Brors 3. Aufl. § 10 Rn. 43). Auch wird hervorgehoben, dass der Gesetzgeber in § 3 BUrlG bezüglich der Dauer des Urlaubs nicht nach dem Lebensalter der Arbeitnehmer unterscheide und demnach nicht von einem unterschiedlichen Erholungsbedürfnis ausgehe(Bertelsmann in Rust/Falke AGG § 10 Rn. 93). Auch auf europäischer Ebene sehe Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG vier Wochen Urlaub einheitlich für alle Berufsgruppen altersunabhängig vor(v. Roetteken AGG Stand September 2014 § 10 Rn. 262). Verlangt wird zumindest die Darlegung eines empirischen Befunds zum steigenden Erholungsbedarf unter Beachtung der Tätigkeit bevorzugter Arbeitnehmer (Däubler/Bertzbach/Brors aaO; aA Kasprzyk Altersdiskriminierung im deutschen Arbeitsrecht S. 185).

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(b) Erfahrungssätze sind Hilfsmittel. Die Feststellung von allgemein anerkannten Erfahrungssätzen ist als Tatfrage den Tatsachengerichten vorbehalten. Dabei ist es diesen nicht verwehrt, das Bestehen oder Nichtbestehen eines Erfahrungssatzes zu beurteilen, wenn sie dazu über ausreichende Sachkunde und Lebenserfahrung verfügen. Andernfalls haben sie sich der Hilfe eines Sachverständigen zu bedienen. Die Zuziehung eines Sachverständigen zur Unterstützung des Gerichts ist gemäß § 144 Abs. 1 ZPO durch die Tatsachengerichte stets nach pflichtgemäßen Ermessen zu prüfen(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 65 mwN, BAGE 132, 210; vgl. allg. zu Erfahrungssätzen: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 73. Aufl. Einf. § 284 Rn. 22).

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(c) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass das Landesarbeitsgericht von der Zuziehung eines Sachverständigen abgesehen hat. Dieses durfte aufgrund der von ihm festgestellten körperlich anstrengenden Tätigkeiten im Produktionsbetrieb der Beklagten auch ohne Sachverständigengutachten annehmen, dass das Erholungsbedürfnis der dort beschäftigten Arbeitnehmer mit zunehmenden Alter steigt. Ob es einen tätigkeitsunabhängigen generellen Zusammenhang zwischen dem Erholungsbedarf und dem Alter gibt (so etwa Kamanabrou aaO), kann dahinstehen.

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(aa) Die Annahme eines Erfahrungssatzes dahin gehend, dass bei körperlich belastenden Berufen das Erholungsbedürfnis im höheren Alter steigt, begegnet keinen Bedenken. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die physische Belastbarkeit mit zunehmendem Alter abnimmt (etwa BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 67 mwN, BAGE 132, 210; Bayerischer VGH 24. Oktober 2011 - 3 ZB 08.721 - zu II 1 b der Gründe). Dieser Erfahrungssatz betrifft auch den Wirkungszusammenhang von erreichtem Lebensalter und Krankheitsanfälligkeit (Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 - zu II 2 b cc (3) (a) der Gründe mwN). Alle bekannten privaten und öffentlichen Systeme der Kranken-, Renten- und Lebensversicherung beruhen auf dieser Erwartung (BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 54, BAGE 128, 238). Entgegen der Ansicht der Klägerin kommen auch nicht lediglich Studien älteren Datums - wie etwa die ILO-Empfehlung Nr. 162 vom 23. Juni 1980 oder der WHO Technical Report Series 835 „Aging and Working Capacity” (dt. Übersetzung: „Altern und Arbeit“ 1994) - zu diesem Ergebnis. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen werden bestätigt zB durch den „Fortschrittsreport ‚Altersgerechte Arbeitswelt“, Ausgabe 3 des Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Stand September 2013). Nach diesem hat sich zwar die körperliche Konstitution besonders für die Altersgruppe der 45- bis 64-Jährigen verbessert (Ziff. 3.1). Dennoch zeigt die Studie weiterhin ein Ansteigen der Anzahl der krankheitsbedingten Fehltage sowie eine Verschlechterung des Gesundheitszustands mit fortschreitendem Lebensalter (Ziff. 4.2, Tabelle 2). Insbesondere bei belastenden Berufen nimmt die Anzahl krankheitsbedingter Fehltage im Alter überproportional zu und der Gesundheitszustand verschlechtert sich überproportional (vgl. Ziff. 4.2). Auch bei einfachen Dienstleistungen und einfachen manuellen Berufen verschlechtert sich der „selbstberichtete Gesundheitszustand in der Altersgruppe 55 bis 64 Jahre im Vergleich zum Durchschnitt“ immer noch deutlich (Ziff. 3.4). Zumindest hinsichtlich dieser Berufe erscheint die Annahme eines größeren Erholungsbedarfs im erhöhten Alter als nicht fehlerhaft (ebenso Reinhard ArbRB 2012, 342, 343). Auch Gegner eines allgemeinen Erfahrungssatzes gestehen zu, dass bei gesundheitlich besonders belastenden Tätigkeiten ein gesteigerter Erholungsbedarf mit zunehmendem Alter angenommen werden kann (v. Roetteken aaO; Däubler/Bertzbach/Brors aaO; Löwisch/Rieble § 1 Rn. 823).

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Soweit das Landesarbeitsgericht auf die teilweise geforderte Darlegung spezifischer empirischer Untersuchungen bezogen auf die Tätigkeiten im Produktionsbetrieb der Beklagten verzichtet hat, ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Durchführung derartiger Untersuchungen wäre praktisch aufwändig und schwierig (weiter gehend Kasprzyk aaO: „unmöglich“). Eine übersteigerte Darlegungslast würde die Einführung freiwilliger Leistungen unzumutbar erschweren. Die Feststellungen durch das Landesarbeitsgericht, dass die Beschäftigten der Beklagten bei der Schuhfertigung körperlich ermüdende und teils schwere Arbeiten leisten, verstärkt durch einen besonderen, prämienbezogenen Zeit- und Qualitätsdruck im Sinne eines Teamakkords, genügt danach als Tatsachenbasis für die Bejahung des dargestellten Erfahrungssatzes.

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(bb) Der Hinweis auf die fehlende Altersstaffelung in § 3 BUrlG und Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG hilft der Klägerin für die Frage der Legitimität des Zwecks nicht weiter. Die Vorschriften regeln nur die Dauer des Mindesturlaubs und damit das unterste Maß dessen, was nach deutschem und europäischem Urlaubsrecht unabhängig von individuellen Besonderheiten zur Erholung erforderlich ist. Spezifische Charakteristika - wie das Alter oder der physische oder psychische Gesundheitszustand - bleiben bei der Setzung eines einheitlichen Minimalstandards naturgemäß außer Betracht. Auf nationaler Ebene kommt hinzu, dass der Gesetzgeber durchaus gesehen hat, dass es altersabhängig einen unterschiedlichen Erholungsbedarf geben kann, wie etwa § 57 Abs. 2 SeeArbG und § 19 Abs. 2 JArbSchG zeigen(siehe dazu v. Roetteken § 10 Rn. 263).

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(d) Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die Sicherstellung des Schutzes ihrer Arbeitnehmer nach Vollendung des 58. Lebensjahres als Zweck der zwei weiteren Urlaubstage vorgeschoben hat.

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(aa) Allerdings ist dieser Zweck nicht unmittelbar der - nicht schriftlich fixierten - Regelung zu entnehmen. Nennt eine Regelung oder Maßnahme kein Ziel, müssen zumindest aus dem Kontext abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter der Regelung oder der Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen, um die Legitimität des Ziels sowie die Angemessenheit und die Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüfen zu können (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 19 mwN, BAGE 141, 73; vgl. zur Richtlinie 2000/78/EG: EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 39 mwN, Slg. 2011, I-6919).

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(bb) Wenn eine Tarifregelung die Urlaubsdauer nach dem Lebensalter staffelt, liegt die Annahme nahe, die Tarifvertragsparteien hätten einem mit zunehmendem Alter gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollen (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 23, BAGE 141, 73). Diese Annahme darf freilich nicht durch die konkrete Wahl der Altersgrenze(n) widerlegt werden, wie dies bei § 26 TVöD aF, der zusätzliche Urlaubstage bereits ab dem 30. Lebensjahr vorsah, der Fall war (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 24 ff., aaO).

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(cc) Es ist kein Grund ersichtlich, bei einer individualrechtlichen Regelung nicht ebenfalls grundsätzlich davon auszugehen, dass mit einer Altersgrenze für die Gewährung zusätzlichen Urlaubs einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer Rechnung getragen werden soll. Diese Annahme erscheint umso mehr gerechtfertigt, wenn sie wie hier mit der Anerkennung eines Erfahrungssatzes bezüglich des gesteigerten Erholungsbedarfs bei körperlich belastenden Berufen korreliert. Hinzu kommt, dass die ständige Übung der Beklagten inhaltlich einer einschlägigen tarifvertraglichen Regelung entspricht. So sah der persönlich, fachlich und räumlich einschlägige Manteltarifvertrag vom 23. April 1997, abgeschlossen zwischen dem Hauptverband der Deutschen Schuhindustrie e. V. und der Gewerkschaft Leder sowie der IG BCE, für gewerbliche Arbeitnehmer in § 17 Ziff. 4 Buchst. a ab dem 58. Lebensjahr ebenfalls zwei zusätzliche Urlaubstage vor. Diese Regelung war im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht nicht durch eine neue Bestimmung abgeändert.

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(dd) Schließlich widerlegt die Altersgrenze von 58 Lebensjahren nicht den Zweck, mit zwei weiteren Urlaubstagen im Kalenderjahr dem gesteigerten Erholungsbedürfnis Rechnung zu tragen. Dabei kann dahinstehen, ab welchem Alter die Annahme, der zusätzliche Urlaub diene dem höheren Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG, nicht mehr ohne Weiteres aufrechterhalten bzw. als widerlegt erachtet werden kann. Der Senat hat in der Entscheidung vom 20. März 2012 gemäß dem Rechtsgedanken aus § 417 Abs. 1 SGB III eine Altersgrenze von 50 Lebensjahren für die Einordnung als älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG in Betracht gezogen(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73; vgl. zu einer solchen Altersgrenze für die Gewährung zusätzlicher Urlaubstage: Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 -). Das Landesarbeitsgericht hat ergänzend darauf verwiesen, dass Leitlinie 17 der Entscheidung des Rates vom 12. Juli 2005 über Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten (2005/600/EG) Arbeitskräfte ab Vollendung des 55. Lebensjahres als ältere Arbeitnehmer erachtet und die WHO-Studiengruppe „Altern und Arbeit“ aus arbeitsmedizinischer Sicht wegen auftretender Schwierigkeiten in Arbeit und Beruf eine Grenze ab dem 45. Lebensjahr angenommen hat (zu A II 15 b bb (3) (b) der Gründe). Das Berufungsgericht hat damit nachvollziehbar begründet, warum es davon ausgeht, dass die Urlaubsregelung einem legitimen Zweck iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG dient und es diesen Zweck nicht lediglich als von der Beklagten vorgeschoben erachtet.

34

(2) Die Regelung ist geeignet, den in § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG beschriebenen Zweck zu fördern. Insbesondere kann die Klägerin nicht mit dem Argument gehört werden, dass die Gewährung von lediglich zwei Urlaubstagen ungeeignet sei, einen altersbedingt erhöhten Erholungsbedarf auszugleichen. Die Geeignetheit ist nicht deshalb zu verneinen, weil ein gestiegener Erholungsbedarf unter Umständen nicht vollständig, sondern nur partiell ausgeglichen wird. Gerade angesichts des vom Arbeitgeber bei einer freiwilligen Leistung selbst gesetzten Dotierungsrahmens wäre die Beschränkung auf einen Teilausgleich nachvollziehbar und zulässig. Zudem haben auch die Tarifvertragsparteien angesichts der Tätigkeit eines Produktionsmitarbeiters in der Schuhbranche zwei Tage Urlaub für geeignet und ausreichend erachtet. Dass die Beklagte sich die von den Sozialpartnern ausgehandelte Regelung zu eigen macht und im Rahmen ihres Ermessensspielraums eine entsprechende Regelung trifft, ist unter dem Aspekt der Geeignetheit der Regelung nicht zu beanstanden.

35

(3) Die Regelung ist auch erforderlich und angemessen (§ 10 Satz 2 AGG). Mildere Mittel, die in gleicher Weise den Schutz älterer Arbeitnehmer verwirklichen könnten, sind nicht ersichtlich.

36

(a) Die Wahl einer anderen, niedrigeren Altersgrenze stellte kein gleich wirksames, milderes Mittel mit geringerem altersspezifischen Effekt dar. Es handelte sich vielmehr um eine andere Maßnahme mit einem erhöhtem Dotierungsrahmen.

37

(b) Eine niedrigere Altersgrenze verbunden mit nur einem weiteren Urlaubstag im Kalenderjahr müsste zwar nicht zwingend zu einer Erhöhung des Dotierungsrahmens führen. Allerdings hätten dann Arbeitnehmer nach Vollendung des 58. Lebensjahres nicht mehr Anspruch auf den zweiten weiteren Urlaubstag, den die Beklagte im Einklang mit dem einschlägigen Tarifvertrag angesichts des gesteigerten Erholungsbedarfs im höheren Alter in der Schuhproduktion für notwendig erachtet. Der Gestaltungs- und Ermessensspielraum der Beklagten lässt auch im Rahmen der Erforderlichkeit und Angemessenheit die von ihr angewandte Regelung zu. Die Interessen der Beteiligten werden hinreichend berücksichtigt. Es werden lediglich in Übereinstimmung mit dem Abwägungsergebnis der Tarifvertragsparteien die Interessen der über 58-Jährigen an einem zusätzlichen Urlaubstag höher gewichtet als die Interessen der übrigen Beschäftigten, schon im jüngeren Alter einen zusätzlichen Urlaubstag zu erhalten.

38

(c) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Beklagte nicht verpflichtet, zusätzliche Urlaubstage nur nach dem individuell ermittelten Erholungsbedarf unter Einbeziehung altersunabhängiger Belastungsfaktoren, wie der Pflege und Betreuung von Kindern, sowie unter Berücksichtigung des individuellen Alterungsprozesses zu gewähren. Zwar mag es zutreffen, dass es weitere Belastungsfaktoren gibt, die zu einem gesteigerten Erholungsbedarf führen können. Jedoch wäre eine solche individuelle Regelung in vielerlei Hinsicht praktisch nicht oder nur mit großen Schwierigkeiten handhabbar. Dies gilt nicht nur bezüglich der Gewichtung der einzelnen (persönlichen) Belastungsfaktoren untereinander, sondern vor allem auch für deren Ermittlung durch die Beklagte. Auch der Gerichtshof der Europäischen Union hat anerkannt, dass bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Regelung im Hinblick auf das Verbot der Altersdiskriminierung zu beachten ist, dass die fragliche Regelung in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht handhabbar bleiben müsse, und deshalb nicht generell verlangt werden könne, dass immer jeder Einzelfall individuell geprüft werde (EuGH 19. Juni 2014 - C-501/12 ua. - [Specht ua.] Rn. 78). Unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten darf der Arbeitgeber daher im Sinne einer typisierenden Betrachtung in Ausübung seines Gestaltungsspielraums auch einen Grund für ein gesteigertes Erholungsbedürfnis - wie etwa das Alter in belastenden Berufen - als Differenzierungskriterium heranziehen. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG enthält kein Gebot, die dort genannten typischerweise besonders schutzbedürftigen Personengruppen (Jugendliche, ältere Beschäftigte und Personen mit Fürsorgepflichten) hinsichtlich besonderer Arbeitsbedingungen gleich zu behandeln.

39

2. Aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz folgt ebenfalls kein Anspruch der Klägerin auf die begehrten zwei zusätzlichen Urlaubstage. Ist - wie hier - die unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmergruppen aus einem in § 1 AGG genannten Grund unter den im AGG normierten Voraussetzungen zulässig, ist auch der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt(ebenso bezüglich des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes: BAG 17. September 2013 - 3 AZR 686/11 - Rn. 25 mwN). Eine sachwidrige Ungleichbehandlung kommt angesichts der Rechtfertigung gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG nicht in Betracht.

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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Klose    

        

        

        

    M. Lücke    

        

    Kranzusch    

                 

Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein. Derartige unterschiedliche Behandlungen können insbesondere Folgendes einschließen:

1.
die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlohnung und Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Beschäftigten und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen,
2.
die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile,
3.
die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung auf Grund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder auf Grund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand,
4.
die Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen von Beschäftigten und die Verwendung von Alterskriterien im Rahmen dieser Systeme für versicherungsmathematische Berechnungen,
5.
eine Vereinbarung, die die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, zu dem der oder die Beschäftigte eine Rente wegen Alters beantragen kann; § 41 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch bleibt unberührt,
6.
Differenzierungen von Leistungen in Sozialplänen im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes, wenn die Parteien eine nach Alter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung geschaffen haben, in der die wesentlich vom Alter abhängenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters erkennbar berücksichtigt worden sind, oder Beschäftigte von den Leistungen des Sozialplans ausgeschlossen haben, die wirtschaftlich abgesichert sind, weil sie, gegebenenfalls nach Bezug von Arbeitslosengeld, rentenberechtigt sind.

(1) § 305 Absatz 2 und 3, § 308 Nummer 1, 2 bis 9 und § 309 finden keine Anwendung auf Allgemeine Geschäftsbedingungen, die gegenüber einem Unternehmer, einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen verwendet werden. § 307 Abs. 1 und 2 findet in den Fällen des Satzes 1 auch insoweit Anwendung, als dies zur Unwirksamkeit von in § 308 Nummer 1, 2 bis 9 und § 309 genannten Vertragsbestimmungen führt; auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche ist angemessen Rücksicht zu nehmen. In den Fällen des Satzes 1 finden § 307 Absatz 1 und 2 sowie § 308 Nummer 1a und 1b auf Verträge, in die die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B (VOB/B) in der jeweils zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung ohne inhaltliche Abweichungen insgesamt einbezogen ist, in Bezug auf eine Inhaltskontrolle einzelner Bestimmungen keine Anwendung.

(2) Die §§ 308 und 309 finden keine Anwendung auf Verträge der Elektrizitäts-, Gas-, Fernwärme- und Wasserversorgungsunternehmen über die Versorgung von Sonderabnehmern mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser aus dem Versorgungsnetz, soweit die Versorgungsbedingungen nicht zum Nachteil der Abnehmer von Verordnungen über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung von Tarifkunden mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser abweichen. Satz 1 gilt entsprechend für Verträge über die Entsorgung von Abwasser.

(3) Bei Verträgen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher (Verbraucherverträge) finden die Vorschriften dieses Abschnitts mit folgenden Maßgaben Anwendung:

1.
Allgemeine Geschäftsbedingungen gelten als vom Unternehmer gestellt, es sei denn, dass sie durch den Verbraucher in den Vertrag eingeführt wurden;
2.
§ 305c Abs. 2 und die §§ 306 und 307 bis 309 dieses Gesetzes sowie Artikel 46b des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche finden auf vorformulierte Vertragsbedingungen auch dann Anwendung, wenn diese nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind und soweit der Verbraucher auf Grund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte;
3.
bei der Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 und 2 sind auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen.

(4) Dieser Abschnitt findet keine Anwendung bei Verträgen auf dem Gebiet des Erb-, Familien- und Gesellschaftsrechts sowie auf Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen. Bei der Anwendung auf Arbeitsverträge sind die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen; § 305 Abs. 2 und 3 ist nicht anzuwenden. Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen stehen Rechtsvorschriften im Sinne von § 307 Abs. 3 gleich.

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 12. Dezember 2013 - 2 Ca 1627/13 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass der Klägerin ein kalenderjährlicher Urlaubsanspruch in Höhe von 27 Arbeitstagen zusteht.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtstreits hat die Klägerin 60 % und die Beklagte 40 % zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe des jährlichen Urlaubsanspruchs.

2

Die am ... 1980 geborene Klägerin ist bei der Beklagten, die in H ein Hotel betreibt, seit dem 2. September 1999 als Bankett- und Reservierungsassistentin zu einem Bruttomonatsentgelt von 1.712,- € beschäftigt (Arbeitsvertrag vom 16. April 2003, Bl. 5 f. d. A. sowie Änderungsvertrag vom 26. April 2012, Bl. 13 d. A.).

3

Kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit findet der Manteltarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe Sachsen-Anhalt (im Folgenden: MTV), abgeschlossen zwischen der D. Sachsen-Anhalt e. V. und der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten, Landesbezirk Ost, vom 18. Mai 2002 - wieder in Kraft gesetzt mit Wirkung vom 01. April 2007 durch Protokollnotiz der Tarifvertragsparteien vom 30. März 2007 - Anwendung. Dieser bestimmt zum Erholungsurlaub u.a.:

4

㤠7 Urlaub

5

(1) Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr.

6

(2) Der Urlaubsanspruch der Arbeitnehmer staffelt sich nach dem Lebensalter It. Nachstehender Tabelle:

7

 Lebensalter

 Anzahl d. Urlaubstage

 bis 25 Jahre

 23 Arbeitstage

 ab 26 Jahre

 24 Arbeitstage

 ab 31 Jahre

 25 Arbeitstage

 ab 40 Jahre

 27 Arbeitstage

 ab 50 Jahre

 30 Arbeitstage

8

Als Urlaubstage - Arbeitstage gelten die Tage Montag bis Freitag, soweit sie nicht gesetzliche Feiertage sind. Für die Feststellung des Urlaubsanspruchs gilt das Lebensjahr bei Beginn des Kalenderjahres (Stichtag 01.01.) ...

9

(5) Der Urlaub muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Die Übertragung ist nur statthaft, wenn

10

- dringende betriebliche Gründe,

11

- Gründe in der Person des Arbeitnehmers liegen,

12

die dies rechtfertigen. ...“

13

Die Klägerin machte gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 19. April 2013 (Bl. 14 d. A.) unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 20. März 2012 (9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803) die Gewährung eines jährlichen Urlaubsanspruchs von 30 Tagen ab dem Jahre 2012 geltend. Die Beklagte errechnete für die Klägerin demgegenüber entsprechend § 7 MTV einen jährlichen Urlaubsanspruch von 25 Tagen und lehnte eine weitergehende Urlaubsgewährung ab. Für das Jahr 2012 berief sie sich zudem auf den Verfall des erst nach dem 31. März 2013 geltend gemachten weitergehenden Urlaubsanspruchs (Schreiben vom 3. Mai 2013, Bl. 15 d. A.)

14

Mit der am 07. Juni 2013 bei dem Arbeitsgericht Halle eingegangenen und der Beklagten am 26. Juni 2013 zugestellten Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

15

Sie ist der Ansicht, sie habe auch schon vor Vollendung des 50. Lebensjahres einen Anspruch auf jährlich 30 Urlaubstage. Die an das Lebensalter anknüpfende Staffelung des tariflichen Urlaubsanspruchs sei eine Diskriminierung wegen des Alters und diese Ungleichbehandlung jüngerer Arbeitnehmer sei nicht im Sinne von § 10 AGG sachlich gerechtfertigt.

16

Die Klägerin hat beantragt,

17

festzustellen, dass ihr ein kalenderjährlicher Urlaubsanspruch in Höhe von 30 Arbeitstagen zusteht.

18

Die Beklagte hat beantragt,

19

die Klage abzuweisen.

20

Sie ist der Ansicht, die tarifliche Urlaubsstaffelung beinhalte keine Diskriminierung. Die Differenzierung nach dem Lebensalter sei sachlich gerechtfertigt. Der überwiegende Teil der vom Manteltarifvertrag erfassten Arbeitnehmer übe körperlich ermüdende, in Teilen schwere und im Stehen auszuführenden Arbeiten aus. Nach der Lebenserfahrung hätten die Arbeitnehmer in vielen Berufen des Hotel- und Gaststättengewerbes, deren Berufseinstieg regelmäßig mit 16 bis 21 Jahren erfolge, mit zunehmendem Lebensalter ein erhöhtes Erholungsbedürfnis. Dem trage die tarifliche Regelung Rechnung.

21

Das Arbeitsgericht hat der Klage unter Zulassung der Berufung mit dem Urteil vom 12. Dezember 2013 in vollem Umfang stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass die Urlaubsstaffelung nach dem Lebensalter vorliegend gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters verstoße. Die Ungleichbehandlung sei weder durch berufliche Anforderungen sachlich gerechtfertigt noch diene sie dem Schutz älterer Beschäftigter. Aufgrund der Unwirksamkeit der Urlaubsstaffelung habe die Klägerin einen kalenderjährlichen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen. Wegen des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe im Übrigen wird auf Bl. 80 bis 88 d. A. Bezug genommen.

22

Gegen dieses ihr am 05. Februar 2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 28. Februar 2014 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 05. Mai 2014 am 24. April 2014 begründet.

23

Sie ist weiterhin der Ansicht, dass die Ungleichbehandlung aufgrund des Alters in § 7 Abs. 2 MTV gemäß § 10 AGG sachlich gerechtfertigt sei. Mit der Altersstaffelung verfolgten die Tarifvertragsparteien ein legitimes Ziel. Die Regelung trage dem mit zunehmendem Alter aufgrund der körperlichen Beanspruchung gesteigerten Erholungsbedürfnis der Beschäftigten Rechnung und diene damit dem Gesundheitsschutz. Die Berufe in diesem Gewerbe seien von Tätigkeiten geprägt, die überwiegend im Stehen oder Gehen ausgeübt würden. Mit diesen Tätigkeiten gingen Verschleißerscheinungen einher, die bei zunehmendem Alter ein erhöhtes Erholungsbedürfnis zur Folge hätten. Die Beklagte beruft sich hierzu auf eine Information des österreichischen Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, nach der die Arbeit im Hotel- und Gaststättengewerbe hohe körperliche und psychische Anforderungen stelle und häufig zu Fehlbelastungen und daraus resultierenden gesundheitlichen Beschwerden und Erkrankungen führe. Dementsprechend seien beispielsweise Kellner - diese legten arbeitstäglich ca. 10 km zurück - ausdrücklich als gefährdete Berufsgruppe für die Berufskrankheit „Druckschädigung der Nerven“ genannt. Diese Belastungssituation treffe jedoch nicht nur für die Berufsgruppe der Kellner, sondern vielmehr auch für die anderen klassischen Berufe im Gaststätten- und Hotelgewerbe, wie beispielsweise Köche, Zimmerreinigungspersonal, Metzger und Konditoren, zu. Das bedeute, dass die überwiegend auszuübenden Tätigkeiten hohe körperliche Anforderungen an die Beschäftigten stellten und die sich daraus ergebenden gesundheitlichen Beschwerden und Erkrankungen, die in jungen Jahren zwar noch aufgefangen werden könnten, aber sich danach in Fünfjahresstufen zunehmend negativ in der Gesundheit niederschlügen.

24

Das bedeute, dass der zusätzliche Urlaub je nach den angeführten besonderen gesteigerten Bedürfnissen in den genannten Lebensaltersstufen in erster Linie aus Fürsorgegesichtspunkten gewährt werde.

25

Die einzelnen Staffeln in § 7 Abs. 2 MTV seien im Hinblick auf Gesundheitsschutz der Beschäftigten geeignet, erforderlich und angemessen:

26

Sie trügen dem Umstand Rechnung, dass der Berufseinstieg im Hotel- und Gaststättengewerbe üblicherweise mit 16 bis 21 Jahren erfolge. Eine Tätigkeit in der Gastronomie erfolge nur selten mit dem Bildungshintergrund der allgemeinen Hochschulreife. Vielmehr begännen die Auszubildenden ihre Ausbildung bereits nach dem Hauptschulabschluss und damit in der Regel bereits mit dem 16. Lebensjahr. Aufgrund dieses relativ jungen Einstiegsalters werde bereits ab dem 26. Lebensjahr, also nach fünf bis zehn Jahren Arbeitstätigkeit ein zusätzlicher Urlaubstag gewährt, um ihre Berufsfähigkeit und ihr für das Gewerbe entscheidendes positives Aussehen zu ermöglichen. Bereits zu diesem Zeitpunkt sei mit Verschleißerscheinungen zu rechnen. Regelmäßig trete bereits nach dem 25. Lebensjahr ein biologisch bedingter stetiger Verlust der Körperkraft ein. Dazu beruft die Beklagte sich auf den Auszug aus der Studie von Hauer (Seite 4, Anlage B 5, Bl. 140 d. A.). Dieser Bewertung stehe auch die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 20. März 2012 (9 AZR 529/10) nicht entgegen, wonach Beschäftigte, die das 31. Lebensjahr erreicht hätten, noch nicht als ältere Beschäftigte gelten. Die Staffelung in § 7 Abs. 2 MTV stelle nicht auf ein bloßes erhöhtes Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter ab. Vielmehr trage sie den Besonderheiten der Branche Rechnung, indem mit zunehmendem Alter zusätzliche Urlaubstage gewährt werden, weil die physische Belastbarkeit der Beschäftigten bei gleichbleibend anstrengender körperlicher Arbeit sinke.

27

Ebenfalls gerechtfertigt sei die zweite Steigerung mit dem 31. Lebensjahr, da in diesem Alter davon auszugehen sei, dass die Beschäftigten bereits seit zehn bis 15 Jahren anstrengende körperliche Arbeiten ausgeübt hätten. Hinzu komme, dass ab dem 30. Lebensjahr von einem stetigen Abbau der Muskulatur ausgegangen werden könne, der ca. 5 % in einem Zeitraum von 10 Jahren ausmache.

28

Die dritte Steigerung ab dem 40. Lebensjahr diene dazu, die langjährig körperlich belastenden Tätigkeiten sowie die damit einhergehenden körperlichen Verschleißerscheinungen auszugleichen. Die letzte Steigerung ab dem 50. Lebensjahr sei darin begründet, dass zu diesem Zeitpunkt neben der bereits langjährigen körperlichen Beanspruchung und einem regelmäßigen körperlichen Verfall eine gesteigerte Erholungsbedürftigkeit aufgrund des Alters eintrete.

29

Außerdem sei davon auszugehen, dass die in dem Hotel- und Gaststättengewerbe tätigen Beschäftigten besonders auf ein repräsentatives Äußeres zu achten hätten, da der wirtschaftliche Erfolg in dieser mit Erholung und Freizeit, aber auch geschäftlichen sowie gesellschaftlichen Anlässen eng verwobenen Dienstleistungsbranche besonders durch das Personal und dessen entspanntes und erholtes Auftreten bestimmt werde. Unter der Annahme, dass die Pflege dieses Erscheinungsbildes durch eigene Erholung positiv unterstützt und erreicht werde und mit zunehmendem Alter mehr Zeit in Anspruch nehme, werde der Urlaubsanspruch der Beschäftigten mit zunehmendem Alter entsprechend erhöht. Ständiger Stress sei dagegen einem entspannten Äußeren abträglich.

30

Im Übrigen macht die Beklagte geltend, dass das Arbeitsgericht rechtsfehlerhaft nicht die einzelnen Steigerungsstufen geprüft habe, sondern pauschal eine sachliche Rechtfertigung der Staffelung des Urlaubsanspruchs abgelehnt habe.

31

Die Beklagte beantragt,

32

das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 12. Dezember 2012 - 2 Ca 1627/13 abzuändern und die Klage abzuweisen.

33

Die Klägerin beantragt,

34

die Berufung zurückzuweisen.

35

Sie ist weiterhin der Ansicht, dass die Urlaubsregelung in § 7 Abs. 2 MTV altersdiskriminierend sei. Die Altersstaffelung sei weder nach § 8 AGG noch nach § 10 AGG sachlich gerechtfertigt. Es möge zwar sein, dass bestimmte Tätigkeiten mit Gehen und Stehen verbunden seien, jedoch unterscheide die tarifliche Regelung nicht zwischen einzelnen Tätigkeiten und Beschäftigtengruppen. Insbesondere könne sich die Beklagte nicht auf die Berufskrankheit „Druckschädigung“ der Nerven“ berufen. Dabei handele es sich um die Berufskrankheit Nr. 2106 nach der Berufskrankheitenverordnung. Im Merkblatt (Bekanntmachung des MBA vom 01.10.2002, BArbBl. 11/2002, Bl. 165 bis 173 d. A.) seien insbesondere Kellner nicht genannt. Zudem sei die Urlaubsstaffelung in § 7 MTV nicht zur Vermeidung von Berufskrankheiten ergangen. Auch komme es nicht darauf an, ob gesundheitliche Beschwerden und Krankheiten in Fünfjahresstufen zunähmen, da die tarifliche Regelung andere Staffelungen enthalte. Die Beklagte zitiere die Studie von Hauer unvollständig. Auf deren Seite drei (Bl. 174 d. A.) sei ausgewiesen, dass der Rückgang der körperlichen Leistungsfähigkeit ca. 1 % bis 1,5 % pro Jahr ab dem 35. Lebensjahr betrage. Im Übrigen komme es bei einem 30jährigen Beschäftigten, der anstrengende körperliche Arbeiten verrichte, wohl eher zu einem Muskelaufbau bzw. einer Stabilisierung der Muskulatur. Aus alledem ergebe sich, dass die tarifliche Urlaubsstaffelung nach dem Alter willkürlich sei.

36

Wegen des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf die Sitzungsniederschriften sowie die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

37

A. Die an sich statthafte (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 ArbGG) und aufgrund der Berufungszulassung zulässige (auch § 64 Abs. 2 lit. a) ArbGG) Berufung der Beklagten ist von ihr form- und fristgerecht eingelegt und auch begründet worden (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 519, 590 ZPO).

38

B. Die Berufung ist teilweise begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen kalenderjährlichen Urlaubsanspruch in Höhe von 27 Arbeitstagen, nicht jedoch von 30 Arbeitstagen.

39

I. Die Feststellungsklage ist mit der gebotene Auslegung zulässig. Insbesondere besteht das erforderliche Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO).

40

1. Der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit einer Klage, mit der ein Arbeitnehmer den Umfang des ihm zustehenden Urlaubs gerichtlich festgestellt haben will, nicht entgegen (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803, Rn. 9 mwN).

41

2. Die ... 1980 geborene Klägerin hat ein rechtlich anerkanntes Interesse daran, alsbald zu erfahren, ob ihr bereits vor Vollendung des 50. Lebensjahres fünf weitere Urlaubstage pro Jahr zustehen. Ihr Antrag bezieht sich dem Wortlaut nach zwar auf den gesamten Jahresurlaub. Er kann jedoch so ausgelegt werden, dass er sich nur auf fünf weitere Urlaubstage im Kalenderjahr bezieht. Zwischen den Parteien besteht kein Streit, dass der Klägerin die sich aus der Staffelung nach § 7 Abs. 2 MTV ergebenden 25 Urlaubstage pro Jahr zustehen. In der Klagebegründung hat die Klägerin deutlich gemacht, dass ihr Antrag auf die Feststellung des Bestehens fünf zusätzlicher Urlaubstage gerichtet sei (vgl. zu einer solchen Auslegung: BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 10).

42

3. Soweit die Beklagte geltend gemacht hat, dass klarzustellen sei, dass sich der Anspruch der Klägerin lediglich auf den Tariftext in der Fassung aus dem Jahre 2002 beziehe, so bedurfte es dieser Klarstellung nicht. Bei dem Klageantrag handelt es sich um einen gegenwartsbezogenen Feststellungsantrag, für dessen Entscheidung es grundsätzlich auf die Sachlage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht ankommt (vgl. BAG 15. Mai 2013 - 7 AZR 494/11 - NZA 2013; 1267, Rn. 15 ff; BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 10). Spätere Änderungen des Tarifvertrages werden demnach von der Rechtskraft der vorliegenden Entscheidung nicht erfasst.

43

II. Die Klage ist teilweise begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen kalenderjährlichen Urlaubsanspruch von 27 Arbeitstagen. Die Urlaubsstaffelung in § 7 MTV verstößt gegen §§ 1, 3 Abs. 1 AGG, soweit sie Arbeitnehmern, die noch nicht das 40. Lebensjahr vollendet haben, einen kürzeren Urlaub gewährt. Sie ist deshalb insoweit nach § 7 Abs. 1 und Abs. 2 AGG i. V. m. § 134 BGB unwirksam, sodass die Klägerin auch schon vor Vollendung des 40. Lebensjahres einen jährlichen Erholungsurlaubsanspruch in Höhe von 27 Urlaubstagen hat. In diesem Umfang ist der Urlaubsanspruch der Klägerin nach oben anzupassen (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 27 ff; BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 11). Demgegenüber ist die Differenzierung in der Urlaubsstaffelung zwischen Arbeitnehmern, die das 50. Lebensjahr vollendet haben und den jüngeren Arbeitnehmern nach § 10 AGG sachlich gerechtfertigt und damit wirksam.

44

1. Die Regelung in § 7 MTV ist an den Bestimmungen des AGG zu messen, auch wenn der Tarifvertrag vor Inkrafttreten des AGG abgeschlossen worden ist, da es maßgeblich auf den Zeitpunkt der Benachteiligungshandlung ankommt(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803, Rn. 12 mwN). Im Übrigen ist der Tarifvertrag auch 2007 durch eine Protokollnotiz der Tarifvertragsparteien wieder in Kraft gesetzt worden, also zu einem Zeitpunkt, zu dem das 2006 in Kraft getretene AGG bereits galt.

45

2. Die Urlaubsstaffelung in § 7 MTV enthält eine auf dem Merkmal des Alters - dabei ist unter Alter im Sinne von § 1 AGG das Lebensalter zu verstehen(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - AP AGG § 7 Nr. 1 = NZA 2010, 327, Rn. 49) - beruhende Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer, die das 26., 31., 40. oder 50. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Die Gewährung von weiteren Urlaubstagen knüpft an die Vollendung eines bestimmten Lebensalters und damit unmittelbar an das Lebensalter der Beschäftigten an. Arbeitnehmer, die diese Altersgrenze nicht erreicht haben, werden wegen des Alters ungünstiger behandelt. Das ist eine unmittelbare Benachteiligung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803, = Rn. 14 f; BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 12 f.).

46

3. Diese Ungleichbehandlung ist nur wegen der Steigerung ab dem 50. Lebensjahr gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt.

47

a) Bei ihr handelt es sich in allen Altersgrenzen nicht um eine nach § 8 AGG zulässige unterschiedliche Behandlung wegen der beruflichen Anforderungen.

48

(1) Die Urlaubsstaffelungen knüpfen nicht an die Art der auszuübenden Tätigkeit oder die Bedingungen ihrer Ausübung an und stellen auch nicht darauf ab (vgl. dazu ebenfalls: BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803, Rn. 17).

49

(2) Soweit die Beklagte ohne nähere Begründung auf eine allgemeine Lebenserfahrung verweist wonach die Tätigkeiten im Hotel- und Gaststättengewerbe belastender als im Anwendungsbereich des TVöD seien, der der Entscheidung des BAG vom 20. März 2012 (9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803) zugrunde gelegen hat, so genügt dies nicht zur Begründung der sachlichen Rechtfertigung wegen der beruflichen Anforderungen. Aus dem allgemeinen und pauschal vorgenommenen Vergleich mit den Belastungen im öffentlichen Dienst lässt sich eine gesteigerte berufliche Anforderung wegen der Art der auszuübenden Tätigkeiten oder der Bedingungen der Ausübung nicht entnehmen. Dem TVöD unterfallen sehr unterschiedliche Tätigkeiten mit sehr unterschiedlichen Belastungen. Das zeigt sich allein darin, dass die frühere Unterscheidung nach Tarifverträgen zwischen Angestellten und Arbeitern durch Zusammenführung der verschiedenen Regelungswerke aufgegeben worden ist. Letztlich kommt es hierauf aber nicht an. Dem MTV unterfallen ebenfalls sehr unterschiedliche Arbeitnehmergruppen, ohne dass hier eine Differenzierung nach der Art der Belastungen vorgenommen worden wäre. Die Beklagte kann sich insoweit auch nicht auf die von ihr vorgelegte Stellungnahme des für die Arbeitgeberseite tarifschließenden D. Sachsen-Anhalt e. V. vom 08. Mai 2013 (Bl. 38 f. d. A.) berufen. Die Auskunft enthält nur allgemeine Ausführungen zur Kompensation altersbedingter Belastungen. Auf konkrete Verhandlungsinhalte wird darin nicht verwiesen.

50

b) Die Ungleichbehandlung ist lediglich in der letzten Lebensaltersstufe von 50 Jahren im Sinne von § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt. Nur dieser Teil der Regelung bezweckt bei Berücksichtigung eines Gestaltungs- und Ermessensspielraums der Tarifvertragsparteien (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803, Rn. 19; BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 18) den Schutz älterer Beschäftigter und ist geeignet, erforderlich und angemessen im Sinne von § 10 Satz 2 AGG.

51

aa) Die Gewährung zusätzlicher Urlaubstage unterfällt dem Anwendungsbereich des § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG, also der Sicherstellung des Schutzes älterer Arbeitnehmer(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803, Rn. 20; BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 20).

52

bb) § 10 Satz 1 AGG lässt eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters ungeachtet der Regelung des § 8 AGG zu, wenn sie objektiv angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Zudem müssen die Mittel zur Erreichung des Ziels nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG konkretisiert u.a. das legitime Ziel der Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter, wobei dieser Schütz auch die Festlegung besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließen kann (BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 16; BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803, Rn. 20 mwN). Aufgrund der Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG L 303 vom 2. Dezember 2000, S. 16) in nationales Recht durch § 10 AGG sind diese Bestimmungen unionsrechtskonform auszulegen(BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 17).

53

cc) Bei freiwilligen zusätzlichen Leistungen - zu denen auch die Gewährung von übergesetzlichem Mehrurlaub gehört - steht dem Arbeitgeber - und damit auch den Tarifvertragsparteien - ein von den Gerichten zu respektierender Gestaltungs- und Ermessensspielraum zu (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803, Rn. 19; BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12-NZA 2015, 297, Rn. 18).

54

dd) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist nur die Differenzierung in der letzten Stufe sachlich gerechtfertigt.

55

(1) Aufgrund der feststehenden unstreitigen Ungleichbehandlung ist die Klägerin der ihr gemäß § 22 AGG obliegenden Darlegungs- und Beweislast nachgekommen(vgl. zu den Anforderungen nur: BAG 16. Oktober 2014 - 6 AZR 661/12 - zitiert nach Juris, Rn. 45). Demgegenüber hat die Beklagte als diejenige, die sich auf den Rechtfertigungsgrund nach § 10 AGG beruft und deshalb insoweit darlegungs- und beweispflichtig ist(vgl. BAG 24. Januar 2013 - 8 AZR 429/11 - AP AGG § 10 Nr. 2 = NZA 2013, 498, Rn. 47), ausreichende sachliche Gründe nur für die letzte Altersgrenze vorgetragen.

56

(2) Die Tarifvertragsparteien haben das mit der Urlaubsstaffelung verfolgte Ziel nicht ausdrücklich genannt. Das ist jedoch unschädlich.

57

(2.1) Erforderlich, aber auch ausreichend ist, wenn aus dem Kontext abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter der Regelung oder der Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen, um die Legitimität des Ziels sowie die Angemessenheit und die Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich prüfen zu können (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803, Rn. 19; BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 30). Diese Voraussetzung erfüllt die vorliegende Regelung. Wenn eine Tarifregelung die Urlaubsdauer nach dem Lebensalter staffelt, liegt die Annahme nahe, die Tarifvertragsparteien hätten damit einem mit dem zunehmendem Alter gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer Rechnung tragen wollen (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 303, Rn. 23; BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 30). Diese Annahme darf jedoch nicht durch die konkrete Wahl der Altersgrenze(n) widerlegt werden (BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 31).

58

(2.2) Im Streitfall ergibt sich die Anknüpfung an das gesteigerte Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer bereits daraus, dass eine sehr differenzierte Staffelung nach dem Lebensalter vorgenommen worden ist, die insbesondere auch die Gruppe der über 50- jährigen Arbeitnehmer erfasst (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803, Rn. 25).

59

(2.3) Diese Annahme ist auch nicht deshalb widerlegt, weil die Tarifvertragsparteien mit den übrigen Altersstaffelungen Altersgrenzen gewählt haben, die keine ausreichende Grundlage für eine sachliche Rechtfertigung darstellen. Anders als in der Entscheidung des BAG vom 20. März 2012 (9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803, Rn. 23 ff.) haben sich die Tarifvertragsparteien nicht darauf beschränkt, nur solche Altersgrenzen festzulegen, die offensichtlich nicht dem Schutz älterer Arbeitnehmer im Sinne von § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG dienen können. Jede Altersgrenze ist deshalb gesondert auf ihre Wirksamkeit zu prüfen. Aus der Unwirksamkeit einzelner Altersgrenzen kann daher nicht auf die Unwirksamkeit der übrigen Altersgrenzen geschlossen werden. Zudem findet eine Inhaltskontrolle gemäß §§ 305 ff BGB nach § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB nicht statt. Auf das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion (§ 306 BGB) kommt es danach nicht an.

60

(3) Arbeitnehmer des Hotel- und Gaststättengewerbes, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, sind ältere Arbeitnehmer in diesem Sinne, nicht jedoch Arbeitnehmer, die erst das 26., 31. oder 40. Lebensjahr vollendet haben.

61

(3.1) Weder § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG noch Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. A der Richtlinie 2000/78/EG - definieren, wann ein Beschäftigter „älter“ im Sinne der Norm ist. Nach dem Sinn und Zweck des Benachteiligungsverbotes reicht es ohne das Vorliegen anderer Differenzierungsgründe nicht aus, dass das Alter der begünstigten Arbeitnehmer höher ist als das Alter der nicht begünstigten. Aus dem Regelungszweck folgt, dass die begünstigten Arbeitnehmer aufgrund ihres Alters der Förderung bei der beruflichen Eingliederung oder des Schutzes bedürfen müssen (BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 21).

62

(3.2) Die Altersgrenzen von 26 und 31 Jahren sind nicht sachlich gerechtfertigt im Sinne von § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG. Solche Arbeitnehmer sind offensichtlich noch keine älteren Beschäftigten in diesem Sinne (vgl. nur BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - AP AGG § 7 Nr. 1 = NZA 2010, 327, Rn. 55). Nichts anderes gilt auch für das 40. Lebensjahr, selbst dann, wenn die Erholungsbedürftigkeit mit steigendem Lebensalter zunehmen sollte (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803, Rn. 24).

63

Die Beklagte kann sich in Abgrenzung zu diesen Entscheidungen auch mit ihren Ausführungen zu den frühen körperlichen Belastungen im Hotel- und Gaststättengewerbe nicht erfolgreich darauf berufen, dass es der Gesundheitsschutz gebiete, schon ab dem 26. Lebensjahr Differenzierungen vorzunehmen. Die allgemeinen Ausführungen rechtfertigen eine solche Annahme schon offensichtlich nicht. Der behauptete frühe Berufseinstieg steht in keinem nachvollziehbaren Zusammenhang mit dem Alter und der Leistungsfähigkeit. Die Beklagte beruft sich selbst auf die Studie von Hauer, nach der Körperkraft ab dem 25. Lebensjahr stetig sinke (Seite 4 des auszugsweise vorgelegten Dokuments). An anderer Stelle (Seite 3 des auszugsweise vorgelegten Dokuments) stellt Hauer aber klar, dass die körperliche Leistungsfähigkeit ab dem 35. Lebensjahr jährlich um 1 bis 1,5 % sinke. Selbst wenn diese Zahlen als zutreffend unterstellt werden, so fehlt es doch an dem Zusammenhang dieser Studie zur „Kraft und funktionellen Leistung im Alter“ mit den auszuübenden Tätigkeiten. Es ist schon nicht feststellbar, dass für die auszuübenden Tätigkeiten für eine einhundertprozentige Leistung auch einhundert Prozent der Körperkraft des Menschen erforderlich sind. Auch die festgelegten Altersgrenzen entsprechen nicht dieser Studie, bei der es sich, soweit erkennbar, nicht um eine arbeitsmedizinische Untersuchung handelt. Konsequenterweise hätten die Tarifvertragsparteien dann Beschäftigten vor dem 25. Lebensjahr unabhängig von § 19 Abs. 2 JArbSchG entsprechend wie den 26- und 30-Jährigen entsprechend höhere Urlaubsansprüche gewähren müssen. Auch die gewählten Zeiträume widersprechen der Argumentation der Beklagten, die selbst von Fünfjahreszeiträumen ausgeht. Auch die allgemeinen Hinweise auf mögliche Erkrankungen von Kellnern und sonstigen Beschäftigten sowie deren überwiegenden Tätigkeiten im Gehen und Stehen rechtfertigen die Differenzierung ohne konkrete Anknüpfungspunkte an bestimmte Lebensalter nicht. Erst Recht ist der von der Beklagten hergestellte Zusammenhang zwischen den Mehrurlaubstagen und dem äußeren Erscheinungsbild nicht nachvollziehbar.

64

(3.3) Demgegenüber ist für das Hotel- und Gaststättengewerbe anzunehmen, dass es sich bei den Arbeitnehmern, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, um ältere Beschäftigte in diesem Sinne handelt.

65

(3.3.1) Allerdings kann dies noch nicht unmittelbar auf die Entscheidung des BAG vom 20. März 2012 (9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803, Rn. 24) gestützt werden. In dieser Entscheidung ist das BAG nicht davon ausgegangen, dass mit zunehmendem Alter das Erholungsbedürfnis von Arbeitnehmern steige. Vielmehr hat es bei über 50- oder 60-jährigen Beschäftigten ein altersbedingt gesteigertes Erholungsbedürfnis für „eher nachvollziehbar“ gehalten (BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 22).

66

(3.3.2) Im Streitfall kann offen bleiben, ob es einen tätigkeitsunabhängigen generellen Zusammenhang zwischen dem Erholungsbedarf und dem Alter gibt.

67

(3.3.2.1) Generell gilt ein gerichtlicher Erfahrungssatz, dass die physische Belastbarkeit eines Menschen mit zunehmendem Alter abnimmt (BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - AP AGG § 7 Nr. 1 = NZA 2010, 327, Rn. 67). Dieser Erfahrungssatz betrifft auch den Wirkungszusammenhang von erreichtem Lebensalter und Krankheitsanfälligkeit (BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 182 = NZA 2009, 361, Rn. 54).

68

(3.3.2.2) Auch für die vorliegende Altersgrenze des 50. Lebensjahres für den Bereich des Hotel- und Gaststättengewerbes gilt ein Erfahrungssatz, dass ein größerer Erholungsbedarf im erhöhten Alter besteht. Nach der auch vom BAG (21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12- NZA 2015, 297, Rn. 26) in Bezug genommenen Untersuchung „Fortschrittsreport Altersgerechte Arbeitswelt“ (Ausgabe 3 des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, Stand 2013) hat sich zwar die körperliche Konstitution der 45- bis 64-Jährigen verbessert, jedoch verschlechtert sich auch bei einfachen Dienstleistungen und einfachen manuellen Berufen der „selbstberichtete Gesundheitszustand in der Altersgruppe 55 bis 64 Jahre im Vergleich zum Durchschnitt“ immer noch deutlich.

69

(3.3.2.3) Dieser Bewertung entspricht auch, dass die Europäische Union in Leitlinie 17 der Entscheidung des Rates vom 12. Juli 2005 über Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten 2005/600/EG (Abl. L 205 S. 24) als ältere Arbeitnehmer in diesem Sinne Arbeitskräfte über 55 Jahre angesehen und die WHO-Studiengruppe Altern und Arbeit 1991 aus arbeitsmedizinischer Sicht wegen auftretender Schwierigkeiten in Arbeit und Beruf eine Grenze ab dem 45. Lebensjahr angenommen hat (WHO Technical Report Series 835 Aging and Working Capacity - dt. Übersetzung Altern und Arbeit 1994 S. 9 f., zitiert nach LAG Rheinland-Pfalz 7. September 2012 - 6 Sa 709/11 - zitiert nach Juris, Rn. 198). Die Diskussionen um die arbeitspsychologische und - medizinische Beurteilung alternsgerechten Arbeitens bezeichnen Grenzwerte in gleicher Altersspanne (vgl. Lehr NZA-Beilage 1 2008 S. 3, 4; Dunkel-Benz ebd. S. 25).

70

(3.3.2.4) Hinter einem solchen Erfahrungssatz steht die arbeitsmedizinische Erkenntnis eines um ca. 30% jenseits des 50. Lebensjahres verminderten Belastbarkeits- und Gesundheitszustands, namentlich aufgrund Skelett-, Muskel-, Lungen-, Herz- und Sinnesfunktionseinbußen (WHO Technical Report Series 835 Aging and Working Capacity - Altern und Arbeit 1994 S. 20 ff.; Dunkel-Benz NZA-Beilage 1 2008 S. 25 ff.; Lehr ebd. S. 3, 7; Winkels Demographischer Wandel: Herausforderungen und Chancen für Personalentwicklung und betriebliche Weiterbildung S. 63 ff.; Lange Verhaltensdispositionen älterer Arbeitnehmer im Zeichen des demographischen Wandels S. 35 f.; u.a.: zitiert nach LAG Rheinland-Pfalz 7. September 2012 - 6 Sa 709/11 - zitiert nach Juris, Rn. 202). Trotz individueller Unterschiede handelt es sich um einen für jede Person lebensbegleitenden Prozess, der die Fähigkeit zu körperlicher Höchstleistung verringert, Hör- und Sehfähigkeit schmälert und Reaktionsfähigkeiten, Bewegungskoordination und Geschicklichkeiten mindert (LAG Rheinland-Pfalz 7. September 2012 - 6 Sa 709/11 - zitiert nach Juris, Rn. 202).

71

(3.3.2.5) Die Tarifvertragsparteien durften deshalb aufgrund dieser Spannbreite und der Tätigkeiten im Dienstleistungssektor annehmen, dass im Bereich des Hotel- und Gaststättengewerbes ab dem 50. Lebensjahr ein größerer Erholungsbedarf besteht. Eine empirische Untersuchung liegt zwar nicht vor, aus der sich diese konkrete Altersgrenze entnehmen ließe. Aufgrund vorgenannten Untersuchung und des Ermessenspielraums der Tarifvertragsparteien erscheint deren Annahme jedenfalls vertretbar. Wenn in der Altersgruppe der 55 bis 64 Jahre alten Beschäftigten schon ein deutlicher Unterschied besteht, dann ist, weil die Grenzen hier fließend sind, jedenfalls die Altersgrenze von 50 Jahren nachvollziehbar. Dies steht auch im Einklang mit der gesetzgeberischen Wertung (vgl. nur § 417 SGB III und § 89 Satz 3 SGB III in der seit dem 01. Januar 2015 geltenden Fassung). Somit widerlegt die Altersgrenze von 50 Jahre auch nicht den Zweck, mit drei weiteren Urlaubstagen im Kalenderjahr dem gesteigerten Erholungsbedürfnis Rechnung zu tragen.

72

(3.3.2.6) Damit handelt es sich auch um eine objektive Regelung im Sinne von § 10 Satz 1 AGG. Dies ist immer dann der Fall, wenn das verfolgte Interesse auf tatsächlichen und nachvollziehbaren Erwägungen und die Ungleichbehandlung nicht nur aufgrund von bloßen Vermutungen oder subjektiven Einschätzungen vorgenommen wird (BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - AP AGG § 7 Nr. 1 = NZA 2010, 327, Rn. 64).

73

(4) Der Mehrurlaub von drei Tagen im Kalenderjahr - maßgeblich ist im Streitfall nur der Vergleich zwischen der letzten beiden Altersgrenzen - ist auch geeignet, den Zweck nach § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG zu fördern. Unerheblich ist dabei, ob der gestiegene Erholungsbedarf ganz oder nur partiell ausgeglichen wird (BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 34).

74

(5) Die Regelung ist auch erforderlich und angemessen im Sinne von § 10 Satz 2 AGG.

75

(5.1) Die Altersgrenze von 50 Jahren erscheint nach dem gegenwärtigen Stand der arbeitsmedizinischen Diskussion einer Spannbreite von 45 bis 55 Jahren angemessen.

76

(5.2) Die Mehrurlaubsdauer von drei Tagen ist auch nicht unverhältnismäßig, um dem erstrebten Zweck zu dienen. Sie liegt unterhalb des Zusatzurlaubs von fünf Tagen für Schwerbehinderte (§ 125 SGB IX) und entspricht beispielsweise der Regelung in BZTV Nr. 2 zum BMT-G 2(vgl. dazu: BAG 24. Februar 2010 - 4 AZR 708/08 - AP TVÜ § 2 Nr 2) und entsprach § 5 HessUrlaubsVO 2007(vgl. hierzu: ArbG Gießen 22. März 2013 - 10 Ca 358/12 - zitiert nach Juris, Rn. 73 ff, das eine Regelung des Mehrurlaubs für Arbeitnehmer, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, für wirksam erachtet).

77

(5.3) Dem steht auch nicht entgegen, dass nicht alle Beschäftigten im Hotel- und Gaststättengewerbe denselben Erschwernissen von Dienstleistungstätigkeiten unterliegen. Es genügt, dass es sich um die Mehrheit der Beschäftigten handelt, worüber die Parteien letztlich auch nicht streiten. Von den Tarifvertragsparteien war - auch im Hinblick auf die praktische Handhabbarkeit und den Betriebsfrieden - nicht zu verlangen, nach konkreten Tätigkeiten zu differenzieren und einzelne Beschäftigtengruppen von dem Mehrurlaub auszuschließen. Auf den individuellen Bedarf musste deshalb nicht abgestellt werden (BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 34).

78

4. Die Beseitigung der Diskriminierung wegen der Staffelung vor Vollendung des 50. Lebensjahres kann nur durch eine Anpassung nach oben erfolgen, ohne dass die Beklagte Vertrauensschutz in Anspruch nehmen könnte (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803, zu A.II.5 der Gründe = Rn. 27-32; BAG 10. November 2011 -6 AZR 148/09 - NZA 2012, 161, Rn. 20 ff).

79

5. Die Klägerin kann den geltend gemachten Anspruch auf die weiteren drei Mehrurlaubstage der Rechtfertigung der Ungleichbehandlung gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG nicht auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz stützen(BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 39).

80

C. Die Kostentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Aufgrund des teilweisen Obsiegens und Unterliegens der Parteien waren die Kosten des Rechtsstreits verhältnismäßig zu teilen. Die Parteien streiten über eine Differenz von fünf Urlaubstagen, von denen der Klägerin zwei - entsprechend 40 % - zugesprochen worden sind.

81

D. Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG liegen vor.


Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein. Derartige unterschiedliche Behandlungen können insbesondere Folgendes einschließen:

1.
die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlohnung und Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Beschäftigten und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen,
2.
die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile,
3.
die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung auf Grund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder auf Grund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand,
4.
die Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen von Beschäftigten und die Verwendung von Alterskriterien im Rahmen dieser Systeme für versicherungsmathematische Berechnungen,
5.
eine Vereinbarung, die die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, zu dem der oder die Beschäftigte eine Rente wegen Alters beantragen kann; § 41 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch bleibt unberührt,
6.
Differenzierungen von Leistungen in Sozialplänen im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes, wenn die Parteien eine nach Alter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung geschaffen haben, in der die wesentlich vom Alter abhängenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters erkennbar berücksichtigt worden sind, oder Beschäftigte von den Leistungen des Sozialplans ausgeschlossen haben, die wirtschaftlich abgesichert sind, weil sie, gegebenenfalls nach Bezug von Arbeitslosengeld, rentenberechtigt sind.

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 12. Dezember 2013 - 2 Ca 1627/13 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass der Klägerin ein kalenderjährlicher Urlaubsanspruch in Höhe von 27 Arbeitstagen zusteht.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtstreits hat die Klägerin 60 % und die Beklagte 40 % zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe des jährlichen Urlaubsanspruchs.

2

Die am ... 1980 geborene Klägerin ist bei der Beklagten, die in H ein Hotel betreibt, seit dem 2. September 1999 als Bankett- und Reservierungsassistentin zu einem Bruttomonatsentgelt von 1.712,- € beschäftigt (Arbeitsvertrag vom 16. April 2003, Bl. 5 f. d. A. sowie Änderungsvertrag vom 26. April 2012, Bl. 13 d. A.).

3

Kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit findet der Manteltarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe Sachsen-Anhalt (im Folgenden: MTV), abgeschlossen zwischen der D. Sachsen-Anhalt e. V. und der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten, Landesbezirk Ost, vom 18. Mai 2002 - wieder in Kraft gesetzt mit Wirkung vom 01. April 2007 durch Protokollnotiz der Tarifvertragsparteien vom 30. März 2007 - Anwendung. Dieser bestimmt zum Erholungsurlaub u.a.:

4

㤠7 Urlaub

5

(1) Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr.

6

(2) Der Urlaubsanspruch der Arbeitnehmer staffelt sich nach dem Lebensalter It. Nachstehender Tabelle:

7

 Lebensalter

 Anzahl d. Urlaubstage

 bis 25 Jahre

 23 Arbeitstage

 ab 26 Jahre

 24 Arbeitstage

 ab 31 Jahre

 25 Arbeitstage

 ab 40 Jahre

 27 Arbeitstage

 ab 50 Jahre

 30 Arbeitstage

8

Als Urlaubstage - Arbeitstage gelten die Tage Montag bis Freitag, soweit sie nicht gesetzliche Feiertage sind. Für die Feststellung des Urlaubsanspruchs gilt das Lebensjahr bei Beginn des Kalenderjahres (Stichtag 01.01.) ...

9

(5) Der Urlaub muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Die Übertragung ist nur statthaft, wenn

10

- dringende betriebliche Gründe,

11

- Gründe in der Person des Arbeitnehmers liegen,

12

die dies rechtfertigen. ...“

13

Die Klägerin machte gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 19. April 2013 (Bl. 14 d. A.) unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 20. März 2012 (9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803) die Gewährung eines jährlichen Urlaubsanspruchs von 30 Tagen ab dem Jahre 2012 geltend. Die Beklagte errechnete für die Klägerin demgegenüber entsprechend § 7 MTV einen jährlichen Urlaubsanspruch von 25 Tagen und lehnte eine weitergehende Urlaubsgewährung ab. Für das Jahr 2012 berief sie sich zudem auf den Verfall des erst nach dem 31. März 2013 geltend gemachten weitergehenden Urlaubsanspruchs (Schreiben vom 3. Mai 2013, Bl. 15 d. A.)

14

Mit der am 07. Juni 2013 bei dem Arbeitsgericht Halle eingegangenen und der Beklagten am 26. Juni 2013 zugestellten Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

15

Sie ist der Ansicht, sie habe auch schon vor Vollendung des 50. Lebensjahres einen Anspruch auf jährlich 30 Urlaubstage. Die an das Lebensalter anknüpfende Staffelung des tariflichen Urlaubsanspruchs sei eine Diskriminierung wegen des Alters und diese Ungleichbehandlung jüngerer Arbeitnehmer sei nicht im Sinne von § 10 AGG sachlich gerechtfertigt.

16

Die Klägerin hat beantragt,

17

festzustellen, dass ihr ein kalenderjährlicher Urlaubsanspruch in Höhe von 30 Arbeitstagen zusteht.

18

Die Beklagte hat beantragt,

19

die Klage abzuweisen.

20

Sie ist der Ansicht, die tarifliche Urlaubsstaffelung beinhalte keine Diskriminierung. Die Differenzierung nach dem Lebensalter sei sachlich gerechtfertigt. Der überwiegende Teil der vom Manteltarifvertrag erfassten Arbeitnehmer übe körperlich ermüdende, in Teilen schwere und im Stehen auszuführenden Arbeiten aus. Nach der Lebenserfahrung hätten die Arbeitnehmer in vielen Berufen des Hotel- und Gaststättengewerbes, deren Berufseinstieg regelmäßig mit 16 bis 21 Jahren erfolge, mit zunehmendem Lebensalter ein erhöhtes Erholungsbedürfnis. Dem trage die tarifliche Regelung Rechnung.

21

Das Arbeitsgericht hat der Klage unter Zulassung der Berufung mit dem Urteil vom 12. Dezember 2013 in vollem Umfang stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass die Urlaubsstaffelung nach dem Lebensalter vorliegend gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters verstoße. Die Ungleichbehandlung sei weder durch berufliche Anforderungen sachlich gerechtfertigt noch diene sie dem Schutz älterer Beschäftigter. Aufgrund der Unwirksamkeit der Urlaubsstaffelung habe die Klägerin einen kalenderjährlichen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen. Wegen des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe im Übrigen wird auf Bl. 80 bis 88 d. A. Bezug genommen.

22

Gegen dieses ihr am 05. Februar 2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 28. Februar 2014 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 05. Mai 2014 am 24. April 2014 begründet.

23

Sie ist weiterhin der Ansicht, dass die Ungleichbehandlung aufgrund des Alters in § 7 Abs. 2 MTV gemäß § 10 AGG sachlich gerechtfertigt sei. Mit der Altersstaffelung verfolgten die Tarifvertragsparteien ein legitimes Ziel. Die Regelung trage dem mit zunehmendem Alter aufgrund der körperlichen Beanspruchung gesteigerten Erholungsbedürfnis der Beschäftigten Rechnung und diene damit dem Gesundheitsschutz. Die Berufe in diesem Gewerbe seien von Tätigkeiten geprägt, die überwiegend im Stehen oder Gehen ausgeübt würden. Mit diesen Tätigkeiten gingen Verschleißerscheinungen einher, die bei zunehmendem Alter ein erhöhtes Erholungsbedürfnis zur Folge hätten. Die Beklagte beruft sich hierzu auf eine Information des österreichischen Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, nach der die Arbeit im Hotel- und Gaststättengewerbe hohe körperliche und psychische Anforderungen stelle und häufig zu Fehlbelastungen und daraus resultierenden gesundheitlichen Beschwerden und Erkrankungen führe. Dementsprechend seien beispielsweise Kellner - diese legten arbeitstäglich ca. 10 km zurück - ausdrücklich als gefährdete Berufsgruppe für die Berufskrankheit „Druckschädigung der Nerven“ genannt. Diese Belastungssituation treffe jedoch nicht nur für die Berufsgruppe der Kellner, sondern vielmehr auch für die anderen klassischen Berufe im Gaststätten- und Hotelgewerbe, wie beispielsweise Köche, Zimmerreinigungspersonal, Metzger und Konditoren, zu. Das bedeute, dass die überwiegend auszuübenden Tätigkeiten hohe körperliche Anforderungen an die Beschäftigten stellten und die sich daraus ergebenden gesundheitlichen Beschwerden und Erkrankungen, die in jungen Jahren zwar noch aufgefangen werden könnten, aber sich danach in Fünfjahresstufen zunehmend negativ in der Gesundheit niederschlügen.

24

Das bedeute, dass der zusätzliche Urlaub je nach den angeführten besonderen gesteigerten Bedürfnissen in den genannten Lebensaltersstufen in erster Linie aus Fürsorgegesichtspunkten gewährt werde.

25

Die einzelnen Staffeln in § 7 Abs. 2 MTV seien im Hinblick auf Gesundheitsschutz der Beschäftigten geeignet, erforderlich und angemessen:

26

Sie trügen dem Umstand Rechnung, dass der Berufseinstieg im Hotel- und Gaststättengewerbe üblicherweise mit 16 bis 21 Jahren erfolge. Eine Tätigkeit in der Gastronomie erfolge nur selten mit dem Bildungshintergrund der allgemeinen Hochschulreife. Vielmehr begännen die Auszubildenden ihre Ausbildung bereits nach dem Hauptschulabschluss und damit in der Regel bereits mit dem 16. Lebensjahr. Aufgrund dieses relativ jungen Einstiegsalters werde bereits ab dem 26. Lebensjahr, also nach fünf bis zehn Jahren Arbeitstätigkeit ein zusätzlicher Urlaubstag gewährt, um ihre Berufsfähigkeit und ihr für das Gewerbe entscheidendes positives Aussehen zu ermöglichen. Bereits zu diesem Zeitpunkt sei mit Verschleißerscheinungen zu rechnen. Regelmäßig trete bereits nach dem 25. Lebensjahr ein biologisch bedingter stetiger Verlust der Körperkraft ein. Dazu beruft die Beklagte sich auf den Auszug aus der Studie von Hauer (Seite 4, Anlage B 5, Bl. 140 d. A.). Dieser Bewertung stehe auch die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 20. März 2012 (9 AZR 529/10) nicht entgegen, wonach Beschäftigte, die das 31. Lebensjahr erreicht hätten, noch nicht als ältere Beschäftigte gelten. Die Staffelung in § 7 Abs. 2 MTV stelle nicht auf ein bloßes erhöhtes Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter ab. Vielmehr trage sie den Besonderheiten der Branche Rechnung, indem mit zunehmendem Alter zusätzliche Urlaubstage gewährt werden, weil die physische Belastbarkeit der Beschäftigten bei gleichbleibend anstrengender körperlicher Arbeit sinke.

27

Ebenfalls gerechtfertigt sei die zweite Steigerung mit dem 31. Lebensjahr, da in diesem Alter davon auszugehen sei, dass die Beschäftigten bereits seit zehn bis 15 Jahren anstrengende körperliche Arbeiten ausgeübt hätten. Hinzu komme, dass ab dem 30. Lebensjahr von einem stetigen Abbau der Muskulatur ausgegangen werden könne, der ca. 5 % in einem Zeitraum von 10 Jahren ausmache.

28

Die dritte Steigerung ab dem 40. Lebensjahr diene dazu, die langjährig körperlich belastenden Tätigkeiten sowie die damit einhergehenden körperlichen Verschleißerscheinungen auszugleichen. Die letzte Steigerung ab dem 50. Lebensjahr sei darin begründet, dass zu diesem Zeitpunkt neben der bereits langjährigen körperlichen Beanspruchung und einem regelmäßigen körperlichen Verfall eine gesteigerte Erholungsbedürftigkeit aufgrund des Alters eintrete.

29

Außerdem sei davon auszugehen, dass die in dem Hotel- und Gaststättengewerbe tätigen Beschäftigten besonders auf ein repräsentatives Äußeres zu achten hätten, da der wirtschaftliche Erfolg in dieser mit Erholung und Freizeit, aber auch geschäftlichen sowie gesellschaftlichen Anlässen eng verwobenen Dienstleistungsbranche besonders durch das Personal und dessen entspanntes und erholtes Auftreten bestimmt werde. Unter der Annahme, dass die Pflege dieses Erscheinungsbildes durch eigene Erholung positiv unterstützt und erreicht werde und mit zunehmendem Alter mehr Zeit in Anspruch nehme, werde der Urlaubsanspruch der Beschäftigten mit zunehmendem Alter entsprechend erhöht. Ständiger Stress sei dagegen einem entspannten Äußeren abträglich.

30

Im Übrigen macht die Beklagte geltend, dass das Arbeitsgericht rechtsfehlerhaft nicht die einzelnen Steigerungsstufen geprüft habe, sondern pauschal eine sachliche Rechtfertigung der Staffelung des Urlaubsanspruchs abgelehnt habe.

31

Die Beklagte beantragt,

32

das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 12. Dezember 2012 - 2 Ca 1627/13 abzuändern und die Klage abzuweisen.

33

Die Klägerin beantragt,

34

die Berufung zurückzuweisen.

35

Sie ist weiterhin der Ansicht, dass die Urlaubsregelung in § 7 Abs. 2 MTV altersdiskriminierend sei. Die Altersstaffelung sei weder nach § 8 AGG noch nach § 10 AGG sachlich gerechtfertigt. Es möge zwar sein, dass bestimmte Tätigkeiten mit Gehen und Stehen verbunden seien, jedoch unterscheide die tarifliche Regelung nicht zwischen einzelnen Tätigkeiten und Beschäftigtengruppen. Insbesondere könne sich die Beklagte nicht auf die Berufskrankheit „Druckschädigung“ der Nerven“ berufen. Dabei handele es sich um die Berufskrankheit Nr. 2106 nach der Berufskrankheitenverordnung. Im Merkblatt (Bekanntmachung des MBA vom 01.10.2002, BArbBl. 11/2002, Bl. 165 bis 173 d. A.) seien insbesondere Kellner nicht genannt. Zudem sei die Urlaubsstaffelung in § 7 MTV nicht zur Vermeidung von Berufskrankheiten ergangen. Auch komme es nicht darauf an, ob gesundheitliche Beschwerden und Krankheiten in Fünfjahresstufen zunähmen, da die tarifliche Regelung andere Staffelungen enthalte. Die Beklagte zitiere die Studie von Hauer unvollständig. Auf deren Seite drei (Bl. 174 d. A.) sei ausgewiesen, dass der Rückgang der körperlichen Leistungsfähigkeit ca. 1 % bis 1,5 % pro Jahr ab dem 35. Lebensjahr betrage. Im Übrigen komme es bei einem 30jährigen Beschäftigten, der anstrengende körperliche Arbeiten verrichte, wohl eher zu einem Muskelaufbau bzw. einer Stabilisierung der Muskulatur. Aus alledem ergebe sich, dass die tarifliche Urlaubsstaffelung nach dem Alter willkürlich sei.

36

Wegen des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf die Sitzungsniederschriften sowie die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

37

A. Die an sich statthafte (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 ArbGG) und aufgrund der Berufungszulassung zulässige (auch § 64 Abs. 2 lit. a) ArbGG) Berufung der Beklagten ist von ihr form- und fristgerecht eingelegt und auch begründet worden (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 519, 590 ZPO).

38

B. Die Berufung ist teilweise begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen kalenderjährlichen Urlaubsanspruch in Höhe von 27 Arbeitstagen, nicht jedoch von 30 Arbeitstagen.

39

I. Die Feststellungsklage ist mit der gebotene Auslegung zulässig. Insbesondere besteht das erforderliche Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO).

40

1. Der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit einer Klage, mit der ein Arbeitnehmer den Umfang des ihm zustehenden Urlaubs gerichtlich festgestellt haben will, nicht entgegen (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803, Rn. 9 mwN).

41

2. Die ... 1980 geborene Klägerin hat ein rechtlich anerkanntes Interesse daran, alsbald zu erfahren, ob ihr bereits vor Vollendung des 50. Lebensjahres fünf weitere Urlaubstage pro Jahr zustehen. Ihr Antrag bezieht sich dem Wortlaut nach zwar auf den gesamten Jahresurlaub. Er kann jedoch so ausgelegt werden, dass er sich nur auf fünf weitere Urlaubstage im Kalenderjahr bezieht. Zwischen den Parteien besteht kein Streit, dass der Klägerin die sich aus der Staffelung nach § 7 Abs. 2 MTV ergebenden 25 Urlaubstage pro Jahr zustehen. In der Klagebegründung hat die Klägerin deutlich gemacht, dass ihr Antrag auf die Feststellung des Bestehens fünf zusätzlicher Urlaubstage gerichtet sei (vgl. zu einer solchen Auslegung: BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 10).

42

3. Soweit die Beklagte geltend gemacht hat, dass klarzustellen sei, dass sich der Anspruch der Klägerin lediglich auf den Tariftext in der Fassung aus dem Jahre 2002 beziehe, so bedurfte es dieser Klarstellung nicht. Bei dem Klageantrag handelt es sich um einen gegenwartsbezogenen Feststellungsantrag, für dessen Entscheidung es grundsätzlich auf die Sachlage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht ankommt (vgl. BAG 15. Mai 2013 - 7 AZR 494/11 - NZA 2013; 1267, Rn. 15 ff; BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 10). Spätere Änderungen des Tarifvertrages werden demnach von der Rechtskraft der vorliegenden Entscheidung nicht erfasst.

43

II. Die Klage ist teilweise begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen kalenderjährlichen Urlaubsanspruch von 27 Arbeitstagen. Die Urlaubsstaffelung in § 7 MTV verstößt gegen §§ 1, 3 Abs. 1 AGG, soweit sie Arbeitnehmern, die noch nicht das 40. Lebensjahr vollendet haben, einen kürzeren Urlaub gewährt. Sie ist deshalb insoweit nach § 7 Abs. 1 und Abs. 2 AGG i. V. m. § 134 BGB unwirksam, sodass die Klägerin auch schon vor Vollendung des 40. Lebensjahres einen jährlichen Erholungsurlaubsanspruch in Höhe von 27 Urlaubstagen hat. In diesem Umfang ist der Urlaubsanspruch der Klägerin nach oben anzupassen (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 27 ff; BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 11). Demgegenüber ist die Differenzierung in der Urlaubsstaffelung zwischen Arbeitnehmern, die das 50. Lebensjahr vollendet haben und den jüngeren Arbeitnehmern nach § 10 AGG sachlich gerechtfertigt und damit wirksam.

44

1. Die Regelung in § 7 MTV ist an den Bestimmungen des AGG zu messen, auch wenn der Tarifvertrag vor Inkrafttreten des AGG abgeschlossen worden ist, da es maßgeblich auf den Zeitpunkt der Benachteiligungshandlung ankommt(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803, Rn. 12 mwN). Im Übrigen ist der Tarifvertrag auch 2007 durch eine Protokollnotiz der Tarifvertragsparteien wieder in Kraft gesetzt worden, also zu einem Zeitpunkt, zu dem das 2006 in Kraft getretene AGG bereits galt.

45

2. Die Urlaubsstaffelung in § 7 MTV enthält eine auf dem Merkmal des Alters - dabei ist unter Alter im Sinne von § 1 AGG das Lebensalter zu verstehen(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - AP AGG § 7 Nr. 1 = NZA 2010, 327, Rn. 49) - beruhende Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer, die das 26., 31., 40. oder 50. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Die Gewährung von weiteren Urlaubstagen knüpft an die Vollendung eines bestimmten Lebensalters und damit unmittelbar an das Lebensalter der Beschäftigten an. Arbeitnehmer, die diese Altersgrenze nicht erreicht haben, werden wegen des Alters ungünstiger behandelt. Das ist eine unmittelbare Benachteiligung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803, = Rn. 14 f; BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 12 f.).

46

3. Diese Ungleichbehandlung ist nur wegen der Steigerung ab dem 50. Lebensjahr gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt.

47

a) Bei ihr handelt es sich in allen Altersgrenzen nicht um eine nach § 8 AGG zulässige unterschiedliche Behandlung wegen der beruflichen Anforderungen.

48

(1) Die Urlaubsstaffelungen knüpfen nicht an die Art der auszuübenden Tätigkeit oder die Bedingungen ihrer Ausübung an und stellen auch nicht darauf ab (vgl. dazu ebenfalls: BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803, Rn. 17).

49

(2) Soweit die Beklagte ohne nähere Begründung auf eine allgemeine Lebenserfahrung verweist wonach die Tätigkeiten im Hotel- und Gaststättengewerbe belastender als im Anwendungsbereich des TVöD seien, der der Entscheidung des BAG vom 20. März 2012 (9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803) zugrunde gelegen hat, so genügt dies nicht zur Begründung der sachlichen Rechtfertigung wegen der beruflichen Anforderungen. Aus dem allgemeinen und pauschal vorgenommenen Vergleich mit den Belastungen im öffentlichen Dienst lässt sich eine gesteigerte berufliche Anforderung wegen der Art der auszuübenden Tätigkeiten oder der Bedingungen der Ausübung nicht entnehmen. Dem TVöD unterfallen sehr unterschiedliche Tätigkeiten mit sehr unterschiedlichen Belastungen. Das zeigt sich allein darin, dass die frühere Unterscheidung nach Tarifverträgen zwischen Angestellten und Arbeitern durch Zusammenführung der verschiedenen Regelungswerke aufgegeben worden ist. Letztlich kommt es hierauf aber nicht an. Dem MTV unterfallen ebenfalls sehr unterschiedliche Arbeitnehmergruppen, ohne dass hier eine Differenzierung nach der Art der Belastungen vorgenommen worden wäre. Die Beklagte kann sich insoweit auch nicht auf die von ihr vorgelegte Stellungnahme des für die Arbeitgeberseite tarifschließenden D. Sachsen-Anhalt e. V. vom 08. Mai 2013 (Bl. 38 f. d. A.) berufen. Die Auskunft enthält nur allgemeine Ausführungen zur Kompensation altersbedingter Belastungen. Auf konkrete Verhandlungsinhalte wird darin nicht verwiesen.

50

b) Die Ungleichbehandlung ist lediglich in der letzten Lebensaltersstufe von 50 Jahren im Sinne von § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt. Nur dieser Teil der Regelung bezweckt bei Berücksichtigung eines Gestaltungs- und Ermessensspielraums der Tarifvertragsparteien (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803, Rn. 19; BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 18) den Schutz älterer Beschäftigter und ist geeignet, erforderlich und angemessen im Sinne von § 10 Satz 2 AGG.

51

aa) Die Gewährung zusätzlicher Urlaubstage unterfällt dem Anwendungsbereich des § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG, also der Sicherstellung des Schutzes älterer Arbeitnehmer(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803, Rn. 20; BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 20).

52

bb) § 10 Satz 1 AGG lässt eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters ungeachtet der Regelung des § 8 AGG zu, wenn sie objektiv angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Zudem müssen die Mittel zur Erreichung des Ziels nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG konkretisiert u.a. das legitime Ziel der Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter, wobei dieser Schütz auch die Festlegung besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließen kann (BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 16; BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803, Rn. 20 mwN). Aufgrund der Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG L 303 vom 2. Dezember 2000, S. 16) in nationales Recht durch § 10 AGG sind diese Bestimmungen unionsrechtskonform auszulegen(BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 17).

53

cc) Bei freiwilligen zusätzlichen Leistungen - zu denen auch die Gewährung von übergesetzlichem Mehrurlaub gehört - steht dem Arbeitgeber - und damit auch den Tarifvertragsparteien - ein von den Gerichten zu respektierender Gestaltungs- und Ermessensspielraum zu (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803, Rn. 19; BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12-NZA 2015, 297, Rn. 18).

54

dd) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist nur die Differenzierung in der letzten Stufe sachlich gerechtfertigt.

55

(1) Aufgrund der feststehenden unstreitigen Ungleichbehandlung ist die Klägerin der ihr gemäß § 22 AGG obliegenden Darlegungs- und Beweislast nachgekommen(vgl. zu den Anforderungen nur: BAG 16. Oktober 2014 - 6 AZR 661/12 - zitiert nach Juris, Rn. 45). Demgegenüber hat die Beklagte als diejenige, die sich auf den Rechtfertigungsgrund nach § 10 AGG beruft und deshalb insoweit darlegungs- und beweispflichtig ist(vgl. BAG 24. Januar 2013 - 8 AZR 429/11 - AP AGG § 10 Nr. 2 = NZA 2013, 498, Rn. 47), ausreichende sachliche Gründe nur für die letzte Altersgrenze vorgetragen.

56

(2) Die Tarifvertragsparteien haben das mit der Urlaubsstaffelung verfolgte Ziel nicht ausdrücklich genannt. Das ist jedoch unschädlich.

57

(2.1) Erforderlich, aber auch ausreichend ist, wenn aus dem Kontext abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter der Regelung oder der Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen, um die Legitimität des Ziels sowie die Angemessenheit und die Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich prüfen zu können (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803, Rn. 19; BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 30). Diese Voraussetzung erfüllt die vorliegende Regelung. Wenn eine Tarifregelung die Urlaubsdauer nach dem Lebensalter staffelt, liegt die Annahme nahe, die Tarifvertragsparteien hätten damit einem mit dem zunehmendem Alter gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer Rechnung tragen wollen (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 303, Rn. 23; BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 30). Diese Annahme darf jedoch nicht durch die konkrete Wahl der Altersgrenze(n) widerlegt werden (BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 31).

58

(2.2) Im Streitfall ergibt sich die Anknüpfung an das gesteigerte Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer bereits daraus, dass eine sehr differenzierte Staffelung nach dem Lebensalter vorgenommen worden ist, die insbesondere auch die Gruppe der über 50- jährigen Arbeitnehmer erfasst (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803, Rn. 25).

59

(2.3) Diese Annahme ist auch nicht deshalb widerlegt, weil die Tarifvertragsparteien mit den übrigen Altersstaffelungen Altersgrenzen gewählt haben, die keine ausreichende Grundlage für eine sachliche Rechtfertigung darstellen. Anders als in der Entscheidung des BAG vom 20. März 2012 (9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803, Rn. 23 ff.) haben sich die Tarifvertragsparteien nicht darauf beschränkt, nur solche Altersgrenzen festzulegen, die offensichtlich nicht dem Schutz älterer Arbeitnehmer im Sinne von § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG dienen können. Jede Altersgrenze ist deshalb gesondert auf ihre Wirksamkeit zu prüfen. Aus der Unwirksamkeit einzelner Altersgrenzen kann daher nicht auf die Unwirksamkeit der übrigen Altersgrenzen geschlossen werden. Zudem findet eine Inhaltskontrolle gemäß §§ 305 ff BGB nach § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB nicht statt. Auf das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion (§ 306 BGB) kommt es danach nicht an.

60

(3) Arbeitnehmer des Hotel- und Gaststättengewerbes, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, sind ältere Arbeitnehmer in diesem Sinne, nicht jedoch Arbeitnehmer, die erst das 26., 31. oder 40. Lebensjahr vollendet haben.

61

(3.1) Weder § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG noch Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. A der Richtlinie 2000/78/EG - definieren, wann ein Beschäftigter „älter“ im Sinne der Norm ist. Nach dem Sinn und Zweck des Benachteiligungsverbotes reicht es ohne das Vorliegen anderer Differenzierungsgründe nicht aus, dass das Alter der begünstigten Arbeitnehmer höher ist als das Alter der nicht begünstigten. Aus dem Regelungszweck folgt, dass die begünstigten Arbeitnehmer aufgrund ihres Alters der Förderung bei der beruflichen Eingliederung oder des Schutzes bedürfen müssen (BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 21).

62

(3.2) Die Altersgrenzen von 26 und 31 Jahren sind nicht sachlich gerechtfertigt im Sinne von § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG. Solche Arbeitnehmer sind offensichtlich noch keine älteren Beschäftigten in diesem Sinne (vgl. nur BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - AP AGG § 7 Nr. 1 = NZA 2010, 327, Rn. 55). Nichts anderes gilt auch für das 40. Lebensjahr, selbst dann, wenn die Erholungsbedürftigkeit mit steigendem Lebensalter zunehmen sollte (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803, Rn. 24).

63

Die Beklagte kann sich in Abgrenzung zu diesen Entscheidungen auch mit ihren Ausführungen zu den frühen körperlichen Belastungen im Hotel- und Gaststättengewerbe nicht erfolgreich darauf berufen, dass es der Gesundheitsschutz gebiete, schon ab dem 26. Lebensjahr Differenzierungen vorzunehmen. Die allgemeinen Ausführungen rechtfertigen eine solche Annahme schon offensichtlich nicht. Der behauptete frühe Berufseinstieg steht in keinem nachvollziehbaren Zusammenhang mit dem Alter und der Leistungsfähigkeit. Die Beklagte beruft sich selbst auf die Studie von Hauer, nach der Körperkraft ab dem 25. Lebensjahr stetig sinke (Seite 4 des auszugsweise vorgelegten Dokuments). An anderer Stelle (Seite 3 des auszugsweise vorgelegten Dokuments) stellt Hauer aber klar, dass die körperliche Leistungsfähigkeit ab dem 35. Lebensjahr jährlich um 1 bis 1,5 % sinke. Selbst wenn diese Zahlen als zutreffend unterstellt werden, so fehlt es doch an dem Zusammenhang dieser Studie zur „Kraft und funktionellen Leistung im Alter“ mit den auszuübenden Tätigkeiten. Es ist schon nicht feststellbar, dass für die auszuübenden Tätigkeiten für eine einhundertprozentige Leistung auch einhundert Prozent der Körperkraft des Menschen erforderlich sind. Auch die festgelegten Altersgrenzen entsprechen nicht dieser Studie, bei der es sich, soweit erkennbar, nicht um eine arbeitsmedizinische Untersuchung handelt. Konsequenterweise hätten die Tarifvertragsparteien dann Beschäftigten vor dem 25. Lebensjahr unabhängig von § 19 Abs. 2 JArbSchG entsprechend wie den 26- und 30-Jährigen entsprechend höhere Urlaubsansprüche gewähren müssen. Auch die gewählten Zeiträume widersprechen der Argumentation der Beklagten, die selbst von Fünfjahreszeiträumen ausgeht. Auch die allgemeinen Hinweise auf mögliche Erkrankungen von Kellnern und sonstigen Beschäftigten sowie deren überwiegenden Tätigkeiten im Gehen und Stehen rechtfertigen die Differenzierung ohne konkrete Anknüpfungspunkte an bestimmte Lebensalter nicht. Erst Recht ist der von der Beklagten hergestellte Zusammenhang zwischen den Mehrurlaubstagen und dem äußeren Erscheinungsbild nicht nachvollziehbar.

64

(3.3) Demgegenüber ist für das Hotel- und Gaststättengewerbe anzunehmen, dass es sich bei den Arbeitnehmern, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, um ältere Beschäftigte in diesem Sinne handelt.

65

(3.3.1) Allerdings kann dies noch nicht unmittelbar auf die Entscheidung des BAG vom 20. März 2012 (9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803, Rn. 24) gestützt werden. In dieser Entscheidung ist das BAG nicht davon ausgegangen, dass mit zunehmendem Alter das Erholungsbedürfnis von Arbeitnehmern steige. Vielmehr hat es bei über 50- oder 60-jährigen Beschäftigten ein altersbedingt gesteigertes Erholungsbedürfnis für „eher nachvollziehbar“ gehalten (BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 22).

66

(3.3.2) Im Streitfall kann offen bleiben, ob es einen tätigkeitsunabhängigen generellen Zusammenhang zwischen dem Erholungsbedarf und dem Alter gibt.

67

(3.3.2.1) Generell gilt ein gerichtlicher Erfahrungssatz, dass die physische Belastbarkeit eines Menschen mit zunehmendem Alter abnimmt (BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - AP AGG § 7 Nr. 1 = NZA 2010, 327, Rn. 67). Dieser Erfahrungssatz betrifft auch den Wirkungszusammenhang von erreichtem Lebensalter und Krankheitsanfälligkeit (BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 182 = NZA 2009, 361, Rn. 54).

68

(3.3.2.2) Auch für die vorliegende Altersgrenze des 50. Lebensjahres für den Bereich des Hotel- und Gaststättengewerbes gilt ein Erfahrungssatz, dass ein größerer Erholungsbedarf im erhöhten Alter besteht. Nach der auch vom BAG (21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12- NZA 2015, 297, Rn. 26) in Bezug genommenen Untersuchung „Fortschrittsreport Altersgerechte Arbeitswelt“ (Ausgabe 3 des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, Stand 2013) hat sich zwar die körperliche Konstitution der 45- bis 64-Jährigen verbessert, jedoch verschlechtert sich auch bei einfachen Dienstleistungen und einfachen manuellen Berufen der „selbstberichtete Gesundheitszustand in der Altersgruppe 55 bis 64 Jahre im Vergleich zum Durchschnitt“ immer noch deutlich.

69

(3.3.2.3) Dieser Bewertung entspricht auch, dass die Europäische Union in Leitlinie 17 der Entscheidung des Rates vom 12. Juli 2005 über Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten 2005/600/EG (Abl. L 205 S. 24) als ältere Arbeitnehmer in diesem Sinne Arbeitskräfte über 55 Jahre angesehen und die WHO-Studiengruppe Altern und Arbeit 1991 aus arbeitsmedizinischer Sicht wegen auftretender Schwierigkeiten in Arbeit und Beruf eine Grenze ab dem 45. Lebensjahr angenommen hat (WHO Technical Report Series 835 Aging and Working Capacity - dt. Übersetzung Altern und Arbeit 1994 S. 9 f., zitiert nach LAG Rheinland-Pfalz 7. September 2012 - 6 Sa 709/11 - zitiert nach Juris, Rn. 198). Die Diskussionen um die arbeitspsychologische und - medizinische Beurteilung alternsgerechten Arbeitens bezeichnen Grenzwerte in gleicher Altersspanne (vgl. Lehr NZA-Beilage 1 2008 S. 3, 4; Dunkel-Benz ebd. S. 25).

70

(3.3.2.4) Hinter einem solchen Erfahrungssatz steht die arbeitsmedizinische Erkenntnis eines um ca. 30% jenseits des 50. Lebensjahres verminderten Belastbarkeits- und Gesundheitszustands, namentlich aufgrund Skelett-, Muskel-, Lungen-, Herz- und Sinnesfunktionseinbußen (WHO Technical Report Series 835 Aging and Working Capacity - Altern und Arbeit 1994 S. 20 ff.; Dunkel-Benz NZA-Beilage 1 2008 S. 25 ff.; Lehr ebd. S. 3, 7; Winkels Demographischer Wandel: Herausforderungen und Chancen für Personalentwicklung und betriebliche Weiterbildung S. 63 ff.; Lange Verhaltensdispositionen älterer Arbeitnehmer im Zeichen des demographischen Wandels S. 35 f.; u.a.: zitiert nach LAG Rheinland-Pfalz 7. September 2012 - 6 Sa 709/11 - zitiert nach Juris, Rn. 202). Trotz individueller Unterschiede handelt es sich um einen für jede Person lebensbegleitenden Prozess, der die Fähigkeit zu körperlicher Höchstleistung verringert, Hör- und Sehfähigkeit schmälert und Reaktionsfähigkeiten, Bewegungskoordination und Geschicklichkeiten mindert (LAG Rheinland-Pfalz 7. September 2012 - 6 Sa 709/11 - zitiert nach Juris, Rn. 202).

71

(3.3.2.5) Die Tarifvertragsparteien durften deshalb aufgrund dieser Spannbreite und der Tätigkeiten im Dienstleistungssektor annehmen, dass im Bereich des Hotel- und Gaststättengewerbes ab dem 50. Lebensjahr ein größerer Erholungsbedarf besteht. Eine empirische Untersuchung liegt zwar nicht vor, aus der sich diese konkrete Altersgrenze entnehmen ließe. Aufgrund vorgenannten Untersuchung und des Ermessenspielraums der Tarifvertragsparteien erscheint deren Annahme jedenfalls vertretbar. Wenn in der Altersgruppe der 55 bis 64 Jahre alten Beschäftigten schon ein deutlicher Unterschied besteht, dann ist, weil die Grenzen hier fließend sind, jedenfalls die Altersgrenze von 50 Jahren nachvollziehbar. Dies steht auch im Einklang mit der gesetzgeberischen Wertung (vgl. nur § 417 SGB III und § 89 Satz 3 SGB III in der seit dem 01. Januar 2015 geltenden Fassung). Somit widerlegt die Altersgrenze von 50 Jahre auch nicht den Zweck, mit drei weiteren Urlaubstagen im Kalenderjahr dem gesteigerten Erholungsbedürfnis Rechnung zu tragen.

72

(3.3.2.6) Damit handelt es sich auch um eine objektive Regelung im Sinne von § 10 Satz 1 AGG. Dies ist immer dann der Fall, wenn das verfolgte Interesse auf tatsächlichen und nachvollziehbaren Erwägungen und die Ungleichbehandlung nicht nur aufgrund von bloßen Vermutungen oder subjektiven Einschätzungen vorgenommen wird (BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - AP AGG § 7 Nr. 1 = NZA 2010, 327, Rn. 64).

73

(4) Der Mehrurlaub von drei Tagen im Kalenderjahr - maßgeblich ist im Streitfall nur der Vergleich zwischen der letzten beiden Altersgrenzen - ist auch geeignet, den Zweck nach § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG zu fördern. Unerheblich ist dabei, ob der gestiegene Erholungsbedarf ganz oder nur partiell ausgeglichen wird (BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 34).

74

(5) Die Regelung ist auch erforderlich und angemessen im Sinne von § 10 Satz 2 AGG.

75

(5.1) Die Altersgrenze von 50 Jahren erscheint nach dem gegenwärtigen Stand der arbeitsmedizinischen Diskussion einer Spannbreite von 45 bis 55 Jahren angemessen.

76

(5.2) Die Mehrurlaubsdauer von drei Tagen ist auch nicht unverhältnismäßig, um dem erstrebten Zweck zu dienen. Sie liegt unterhalb des Zusatzurlaubs von fünf Tagen für Schwerbehinderte (§ 125 SGB IX) und entspricht beispielsweise der Regelung in BZTV Nr. 2 zum BMT-G 2(vgl. dazu: BAG 24. Februar 2010 - 4 AZR 708/08 - AP TVÜ § 2 Nr 2) und entsprach § 5 HessUrlaubsVO 2007(vgl. hierzu: ArbG Gießen 22. März 2013 - 10 Ca 358/12 - zitiert nach Juris, Rn. 73 ff, das eine Regelung des Mehrurlaubs für Arbeitnehmer, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, für wirksam erachtet).

77

(5.3) Dem steht auch nicht entgegen, dass nicht alle Beschäftigten im Hotel- und Gaststättengewerbe denselben Erschwernissen von Dienstleistungstätigkeiten unterliegen. Es genügt, dass es sich um die Mehrheit der Beschäftigten handelt, worüber die Parteien letztlich auch nicht streiten. Von den Tarifvertragsparteien war - auch im Hinblick auf die praktische Handhabbarkeit und den Betriebsfrieden - nicht zu verlangen, nach konkreten Tätigkeiten zu differenzieren und einzelne Beschäftigtengruppen von dem Mehrurlaub auszuschließen. Auf den individuellen Bedarf musste deshalb nicht abgestellt werden (BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 34).

78

4. Die Beseitigung der Diskriminierung wegen der Staffelung vor Vollendung des 50. Lebensjahres kann nur durch eine Anpassung nach oben erfolgen, ohne dass die Beklagte Vertrauensschutz in Anspruch nehmen könnte (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803, zu A.II.5 der Gründe = Rn. 27-32; BAG 10. November 2011 -6 AZR 148/09 - NZA 2012, 161, Rn. 20 ff).

79

5. Die Klägerin kann den geltend gemachten Anspruch auf die weiteren drei Mehrurlaubstage der Rechtfertigung der Ungleichbehandlung gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG nicht auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz stützen(BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 39).

80

C. Die Kostentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Aufgrund des teilweisen Obsiegens und Unterliegens der Parteien waren die Kosten des Rechtsstreits verhältnismäßig zu teilen. Die Parteien streiten über eine Differenz von fünf Urlaubstagen, von denen der Klägerin zwei - entsprechend 40 % - zugesprochen worden sind.

81

D. Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG liegen vor.


Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein. Derartige unterschiedliche Behandlungen können insbesondere Folgendes einschließen:

1.
die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlohnung und Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Beschäftigten und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen,
2.
die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile,
3.
die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung auf Grund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder auf Grund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand,
4.
die Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen von Beschäftigten und die Verwendung von Alterskriterien im Rahmen dieser Systeme für versicherungsmathematische Berechnungen,
5.
eine Vereinbarung, die die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, zu dem der oder die Beschäftigte eine Rente wegen Alters beantragen kann; § 41 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch bleibt unberührt,
6.
Differenzierungen von Leistungen in Sozialplänen im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes, wenn die Parteien eine nach Alter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung geschaffen haben, in der die wesentlich vom Alter abhängenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters erkennbar berücksichtigt worden sind, oder Beschäftigte von den Leistungen des Sozialplans ausgeschlossen haben, die wirtschaftlich abgesichert sind, weil sie, gegebenenfalls nach Bezug von Arbeitslosengeld, rentenberechtigt sind.

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 7. September 2012 - 6 Sa 709/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe des jährlichen Urlaubsanspruchs.

2

Die Beklagte stellt Schuhe her. Die am 10. April 1960 geborene Klägerin ist bei ihr seit dem 1. Juli 1994 als Produktionsmitarbeiterin beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 13. November 2000 ist ua. vereinbart, dass der jährliche Urlaubsanspruch 34 Arbeitstage beträgt. Die Beklagte gewährt allen Arbeitnehmern, die das 58. Lebensjahr vollendet haben, 36 Arbeitstage Jahresurlaub, ohne dass individuelle Vereinbarungen über einen höheren Jahresurlaub vorliegen. Die übrigen Beschäftigten erhalten jährlich 34 Urlaubstage.

3

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Urlaubsregelung sei altersdiskriminierend. Die Behauptung, ältere Mitarbeiter benötigten im Produktionsbetrieb längere Erholungsphasen, sei durch die darlegungsbelastete Beklagte nicht dargetan. Das Bundesurlaubsgesetz stelle bezüglich der Dauer des Urlaubs weder auf die physische Belastung noch auf das Alter der Arbeitnehmer ab. Die Beklagte habe keinen Grund genannt, warum ein gesteigertes Erholungsbedürfnis ausgerechnet mit 58 Jahren eintrete. Zudem könne mit lediglich zwei zusätzlichen Urlaubstagen ein etwaiger höherer Erholungsbedarf nicht ausgeglichen werden. Bei einem stetig steigenden Erholungsbedarf müsste jedenfalls auch die Urlaubsdauer gestaffelt werden. Bei anderen Arbeitnehmergruppen sei ein erhöhter Erholungsbedarf nachvollziehbar. Diese würden jedoch nicht begünstigt. So seien jüngere Arbeitnehmer durch Familie und Beruf oftmals stärker beansprucht als ältere. Die Beklagte habe ihr zur Beseitigung der Diskriminierung jährlich zwei weitere Urlaubstage zu gewähren.

4

Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt

        

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr 36 Arbeitstage Erholungsurlaub zu gewähren.

5

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, ihre Urlaubsregelung beinhalte keine Diskriminierung. Nach der Lebenserfahrung benötigten ältere Arbeitnehmer, die körperlich ermüdende und schwere Arbeiten verrichten, längere Erholungszeiten als jüngere. Zwei zusätzliche Urlaubstage seien angemessen.

6

Das Arbeitsgericht hat die Klage - soweit für die Revision von Bedeutung - abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Feststellungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass die Beklagte nicht verpflichtet ist, der Klägerin auch schon vor der Vollendung der 58. Lebensjahres insgesamt 36 Arbeitstage Erholungsurlaub pro Jahr zu gewähren.

8

I. Die Klage ist in der gebotenen Auslegung zulässig, insbesondere besteht das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.

9

1. Der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit einer Klage, mit der ein Arbeitnehmer den Umfang des ihm zustehenden Urlaubs gerichtlich festgestellt wissen will, nicht entgegen (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 9, BAGE 141, 73; 12. April 2011 - 9 AZR 80/10 - Rn. 13 ff., BAGE 137, 328).

10

2. Die am 10. April 1960 geborene Klägerin hat ein rechtlich anerkennenswertes Interesse daran, alsbald zu erfahren, ob ihr bereits vor der Vollendung ihres 58. Lebensjahres zwei weitere Urlaubstage pro Jahr zustehen. Ihr Antrag bezieht sich dem Wortlaut nach zwar auf den gesamten Jahresurlaub. Er kann jedoch so ausgelegt werden, dass er sich nur auf zwei weitere Urlaubstage im Kalenderjahr bezieht. Zwischen den Parteien besteht kein Streit, dass der Klägerin die vertraglich vereinbarten 34 Urlaubstage pro Jahr zustehen. Die Klägerin hat im Laufe des Verfahrens deutlich gemacht, dass der Antrag auf die Feststellung des Bestehens zweier zusätzlicher Urlaubstage gerichtet ist. Darüber hinaus hat das Landesarbeitsgericht den Klageantrag zutreffend so verstanden, dass er vergangene Urlaubsjahre nicht erfasst. Es handelt sich um einen gegenwartsbezogenen Feststellungsantrag, für dessen Entscheidung grundsätzlich auf die Sachlage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht abzustellen ist (vgl. BAG 15. Mai 2013 - 7 AZR 494/11 - Rn. 15 ff.).

11

II. Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen vor Vollendung ihres 58. Lebensjahres nicht gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 iVm. § 7 Abs. 1 und Abs. 2 AGG zwei weitere Urlaubstage zu. Die Urlaubsregelung ist nicht gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam und führt somit bezüglich der Dauer des Urlaubs der Klägerin nicht zu einer „Anpassung nach oben“(siehe dazu BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 27 ff., BAGE 141, 73; vgl. aber auch BAG 14. Mai 2013 - 1 AZR 44/12 - Rn. 25, BAGE 145, 113).

12

1. Es liegt zwar eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor. Diese ist jedoch gemäß § 10 Satz 1, 2 und Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt.

13

a) Nach § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Unter Alter iSd. § 1 AGG ist das Lebensalter zu verstehen. Dies folgt aus dem Wortlaut des Gesetzes und aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/1780 S. 31; BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 14, BAGE 141, 73; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 36, BAGE 129, 181). Eine unmittelbare Benachteiligung ist nach § 3 Abs. 1 AGG gegeben, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Der für eine unmittelbare Benachteiligung erforderliche Kausalzusammenhang ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen oder mehrere in § 1 AGG genannte Gründe anknüpft oder dadurch motiviert ist(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - aaO mwN).

14

b) Daran gemessen liegt eine unmittelbare Ungleichbehandlung wegen des Alters vor. Die Urlaubsregelung knüpft die Gewährung von zwei weiteren Urlaubstagen an die Vollendung des 58. Lebensjahres und damit unmittelbar an das Lebensalter der Beschäftigten. Arbeitnehmer, die diese Altersgrenze nicht erreicht haben, werden wegen ihres Alters ungünstiger behandelt.

15

c) Die Ungleichbehandlung ist jedoch gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt. Die Regelung bezweckt bei Berücksichtigung eines Gestaltungs- und Ermessensspielraums der Beklagten den in dieser Bestimmung genannten Schutz älterer Beschäftigter und ist geeignet, erforderlich und angemessen im Sinne von § 10 Satz 2 AGG.

16

aa) Nach § 10 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG konkretisiert ua. das legitime Ziel der Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter, wobei dieser Schutz auch die Festlegung besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließen kann (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73).

17

bb) § 10 AGG dient der Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG L 303 vom 2. Dezember 2000 S. 16) in das nationale Recht (BAG 18. März 2014 - 3 AZR 69/12 - Rn. 21). Der Gesetzgeber hat bei der Umsetzung den Text der Richtlinie nahezu wörtlich in das nationale Recht übernommen. Dessen Regelungen sind unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit der Richtlinie unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auszulegen (vgl. BAG 14. März 2012 - 7 AZR 480/08 - Rn. 30).

18

cc) Dem Arbeitgeber steht bei freiwilligen zusätzlichen Leistungen - wozu auch die Gewährung von übergesetzlichem Mehrurlaub gehört - ein von den Gerichten zu respektierender Gestaltungs- und Ermessensspielraum zu (vgl. zu Leistungen der betrieblichen Altersversorgung: BAG 12. November 2013 - 3 AZR 356/12 - Rn. 28; 12. Februar 2013 - 3 AZR 100/11 - Rn. 31 mwN, BAGE 144, 231). Auch in der Rechtsprechung des EuGH ist anerkannt, dass die Mitgliedstaaten und gegebenenfalls die Sozialpartner auf nationaler Ebene beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts nicht nur bei der Entscheidung, welches konkrete Ziel von mehreren im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik sie verfolgen wollen, sondern auch bei der Festlegung der Maßnahmen zu seiner Erreichung über einen weiten Gestaltungsspielraum verfügen (EuGH 16. Oktober 2007 - C-411/05 - [Palacios de la Villa] Rn. 68, Slg. 2007, I-8531). Diese Erwägungen gelten nach dem EuGH auch für Ziele, die der Arbeitgeber mit einer vertraglichen Regelung verfolgt (vgl. EuGH 26. September 2013 - C-476/11 - [HK Danmark] Rn. 61).

19

dd) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Benachteiligung der Arbeitnehmer der Beklagten, die das 58. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, gerechtfertigt.

20

(1) Die Beklagte gewährt den Arbeitnehmern in ihrem Produktionsbetrieb nach der Vollendung des 58. Lebensjahres aufgrund ihres gesteigerten Erholungsbedürfnisses zwei weitere Urlaubstage im Kalenderjahr und bezweckt damit die Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG. Da dieser Schutz die Festlegung besonderer Arbeitsbedingungen einschließt (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73), unterfallen ihm auch zusätzliche Urlaubstage.

21

(a) Das AGG definiert in § 10 Satz 3 Nr. 1 - ebenso wie Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG - nicht, wann ein Beschäftigter „älter“ im Sinne der Norm ist (vgl. zum herkömmlichen Verständnis: BAG 18. September 2014 - 6 AZR 636/13 - Rn. 44). Nach dem Sinn und Zweck des Benachteiligungsverbots reicht es ohne das Vorliegen anderer Differenzierungsgründe nicht aus, dass das Alter der begünstigten Arbeitnehmer höher ist als das Alter der nicht begünstigten. Dementsprechend hat der Senat angenommen, ein Arbeitnehmer sei nach der Vollendung seines 31. Lebensjahres offensichtlich noch kein älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 55, BAGE 132, 210). Aus dem systematischen Zusammenhang mit § 10 Satz 1 AGG und aus dem Regelungszweck folgt, dass die begünstigten Arbeitnehmer aufgrund ihres Alters der Förderung bei der beruflichen Eingliederung oder des Schutzes bedürfen müssen.

22

(aa) Der Senat ist in seiner Entscheidung vom 20. März 2012 nicht davon ausgegangen, dass mit zunehmenden Alter das Erholungsbedürfnis von Arbeitnehmern steige. Er hat allerdings ab einem bestimmten Alter - konkret: bei über 50- oder über 60-jährigen Beschäftigten - ein altersbedingt gesteigertes Erholungsbedürfnis für „eher nachvollziehbar“ gehalten (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 24 f., BAGE 141, 73).

23

(bb) Das Landesarbeitsgericht hat in Übereinstimmung mit der überwiegenden Auffassung im Schrifttum als Erfahrungssatz angenommen, dass mit zunehmenden Alter das Erholungsbedürfnis von Arbeitnehmern steigt (so auch Tempelmann/Stenslik DStR 2011, 1183, 1185 f.; Lingemann/Gotham NZA 2007, 663, 666; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 143 f.; Waltermann NZA 2005, 1265, 1269; Over Das Verbot der Altersdiskriminierung im Arbeitsrecht nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz S. 231; Küttner/Kania Personalbuch 2014 Diskriminierung Rn. 90; vgl. auch Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 - zu II 2 b cc (3) (a) der Gründe mwN). Diese Ansicht ist allerdings nicht unumstritten. So wird auf die Individualität der Alterungsprozesse und den fehlenden Nachweis von Altersklassen mit spezifischem Erholungsbedarf hingewiesen (Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 1 Rn. 822). Die Aufstellung eines generellen Erfahrungssatzes soll dem traditionellen Bild vom „alten Arbeitnehmer“ entsprechen (Däubler/Bertzbach/Brors 3. Aufl. § 10 Rn. 43). Auch wird hervorgehoben, dass der Gesetzgeber in § 3 BUrlG bezüglich der Dauer des Urlaubs nicht nach dem Lebensalter der Arbeitnehmer unterscheide und demnach nicht von einem unterschiedlichen Erholungsbedürfnis ausgehe(Bertelsmann in Rust/Falke AGG § 10 Rn. 93). Auch auf europäischer Ebene sehe Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG vier Wochen Urlaub einheitlich für alle Berufsgruppen altersunabhängig vor(v. Roetteken AGG Stand September 2014 § 10 Rn. 262). Verlangt wird zumindest die Darlegung eines empirischen Befunds zum steigenden Erholungsbedarf unter Beachtung der Tätigkeit bevorzugter Arbeitnehmer (Däubler/Bertzbach/Brors aaO; aA Kasprzyk Altersdiskriminierung im deutschen Arbeitsrecht S. 185).

24

(b) Erfahrungssätze sind Hilfsmittel. Die Feststellung von allgemein anerkannten Erfahrungssätzen ist als Tatfrage den Tatsachengerichten vorbehalten. Dabei ist es diesen nicht verwehrt, das Bestehen oder Nichtbestehen eines Erfahrungssatzes zu beurteilen, wenn sie dazu über ausreichende Sachkunde und Lebenserfahrung verfügen. Andernfalls haben sie sich der Hilfe eines Sachverständigen zu bedienen. Die Zuziehung eines Sachverständigen zur Unterstützung des Gerichts ist gemäß § 144 Abs. 1 ZPO durch die Tatsachengerichte stets nach pflichtgemäßen Ermessen zu prüfen(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 65 mwN, BAGE 132, 210; vgl. allg. zu Erfahrungssätzen: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 73. Aufl. Einf. § 284 Rn. 22).

25

(c) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass das Landesarbeitsgericht von der Zuziehung eines Sachverständigen abgesehen hat. Dieses durfte aufgrund der von ihm festgestellten körperlich anstrengenden Tätigkeiten im Produktionsbetrieb der Beklagten auch ohne Sachverständigengutachten annehmen, dass das Erholungsbedürfnis der dort beschäftigten Arbeitnehmer mit zunehmenden Alter steigt. Ob es einen tätigkeitsunabhängigen generellen Zusammenhang zwischen dem Erholungsbedarf und dem Alter gibt (so etwa Kamanabrou aaO), kann dahinstehen.

26

(aa) Die Annahme eines Erfahrungssatzes dahin gehend, dass bei körperlich belastenden Berufen das Erholungsbedürfnis im höheren Alter steigt, begegnet keinen Bedenken. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die physische Belastbarkeit mit zunehmendem Alter abnimmt (etwa BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 67 mwN, BAGE 132, 210; Bayerischer VGH 24. Oktober 2011 - 3 ZB 08.721 - zu II 1 b der Gründe). Dieser Erfahrungssatz betrifft auch den Wirkungszusammenhang von erreichtem Lebensalter und Krankheitsanfälligkeit (Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 - zu II 2 b cc (3) (a) der Gründe mwN). Alle bekannten privaten und öffentlichen Systeme der Kranken-, Renten- und Lebensversicherung beruhen auf dieser Erwartung (BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 54, BAGE 128, 238). Entgegen der Ansicht der Klägerin kommen auch nicht lediglich Studien älteren Datums - wie etwa die ILO-Empfehlung Nr. 162 vom 23. Juni 1980 oder der WHO Technical Report Series 835 „Aging and Working Capacity” (dt. Übersetzung: „Altern und Arbeit“ 1994) - zu diesem Ergebnis. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen werden bestätigt zB durch den „Fortschrittsreport ‚Altersgerechte Arbeitswelt“, Ausgabe 3 des Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Stand September 2013). Nach diesem hat sich zwar die körperliche Konstitution besonders für die Altersgruppe der 45- bis 64-Jährigen verbessert (Ziff. 3.1). Dennoch zeigt die Studie weiterhin ein Ansteigen der Anzahl der krankheitsbedingten Fehltage sowie eine Verschlechterung des Gesundheitszustands mit fortschreitendem Lebensalter (Ziff. 4.2, Tabelle 2). Insbesondere bei belastenden Berufen nimmt die Anzahl krankheitsbedingter Fehltage im Alter überproportional zu und der Gesundheitszustand verschlechtert sich überproportional (vgl. Ziff. 4.2). Auch bei einfachen Dienstleistungen und einfachen manuellen Berufen verschlechtert sich der „selbstberichtete Gesundheitszustand in der Altersgruppe 55 bis 64 Jahre im Vergleich zum Durchschnitt“ immer noch deutlich (Ziff. 3.4). Zumindest hinsichtlich dieser Berufe erscheint die Annahme eines größeren Erholungsbedarfs im erhöhten Alter als nicht fehlerhaft (ebenso Reinhard ArbRB 2012, 342, 343). Auch Gegner eines allgemeinen Erfahrungssatzes gestehen zu, dass bei gesundheitlich besonders belastenden Tätigkeiten ein gesteigerter Erholungsbedarf mit zunehmendem Alter angenommen werden kann (v. Roetteken aaO; Däubler/Bertzbach/Brors aaO; Löwisch/Rieble § 1 Rn. 823).

27

Soweit das Landesarbeitsgericht auf die teilweise geforderte Darlegung spezifischer empirischer Untersuchungen bezogen auf die Tätigkeiten im Produktionsbetrieb der Beklagten verzichtet hat, ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Durchführung derartiger Untersuchungen wäre praktisch aufwändig und schwierig (weiter gehend Kasprzyk aaO: „unmöglich“). Eine übersteigerte Darlegungslast würde die Einführung freiwilliger Leistungen unzumutbar erschweren. Die Feststellungen durch das Landesarbeitsgericht, dass die Beschäftigten der Beklagten bei der Schuhfertigung körperlich ermüdende und teils schwere Arbeiten leisten, verstärkt durch einen besonderen, prämienbezogenen Zeit- und Qualitätsdruck im Sinne eines Teamakkords, genügt danach als Tatsachenbasis für die Bejahung des dargestellten Erfahrungssatzes.

28

(bb) Der Hinweis auf die fehlende Altersstaffelung in § 3 BUrlG und Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG hilft der Klägerin für die Frage der Legitimität des Zwecks nicht weiter. Die Vorschriften regeln nur die Dauer des Mindesturlaubs und damit das unterste Maß dessen, was nach deutschem und europäischem Urlaubsrecht unabhängig von individuellen Besonderheiten zur Erholung erforderlich ist. Spezifische Charakteristika - wie das Alter oder der physische oder psychische Gesundheitszustand - bleiben bei der Setzung eines einheitlichen Minimalstandards naturgemäß außer Betracht. Auf nationaler Ebene kommt hinzu, dass der Gesetzgeber durchaus gesehen hat, dass es altersabhängig einen unterschiedlichen Erholungsbedarf geben kann, wie etwa § 57 Abs. 2 SeeArbG und § 19 Abs. 2 JArbSchG zeigen(siehe dazu v. Roetteken § 10 Rn. 263).

29

(d) Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die Sicherstellung des Schutzes ihrer Arbeitnehmer nach Vollendung des 58. Lebensjahres als Zweck der zwei weiteren Urlaubstage vorgeschoben hat.

30

(aa) Allerdings ist dieser Zweck nicht unmittelbar der - nicht schriftlich fixierten - Regelung zu entnehmen. Nennt eine Regelung oder Maßnahme kein Ziel, müssen zumindest aus dem Kontext abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter der Regelung oder der Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen, um die Legitimität des Ziels sowie die Angemessenheit und die Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüfen zu können (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 19 mwN, BAGE 141, 73; vgl. zur Richtlinie 2000/78/EG: EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 39 mwN, Slg. 2011, I-6919).

31

(bb) Wenn eine Tarifregelung die Urlaubsdauer nach dem Lebensalter staffelt, liegt die Annahme nahe, die Tarifvertragsparteien hätten einem mit zunehmendem Alter gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollen (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 23, BAGE 141, 73). Diese Annahme darf freilich nicht durch die konkrete Wahl der Altersgrenze(n) widerlegt werden, wie dies bei § 26 TVöD aF, der zusätzliche Urlaubstage bereits ab dem 30. Lebensjahr vorsah, der Fall war (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 24 ff., aaO).

32

(cc) Es ist kein Grund ersichtlich, bei einer individualrechtlichen Regelung nicht ebenfalls grundsätzlich davon auszugehen, dass mit einer Altersgrenze für die Gewährung zusätzlichen Urlaubs einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer Rechnung getragen werden soll. Diese Annahme erscheint umso mehr gerechtfertigt, wenn sie wie hier mit der Anerkennung eines Erfahrungssatzes bezüglich des gesteigerten Erholungsbedarfs bei körperlich belastenden Berufen korreliert. Hinzu kommt, dass die ständige Übung der Beklagten inhaltlich einer einschlägigen tarifvertraglichen Regelung entspricht. So sah der persönlich, fachlich und räumlich einschlägige Manteltarifvertrag vom 23. April 1997, abgeschlossen zwischen dem Hauptverband der Deutschen Schuhindustrie e. V. und der Gewerkschaft Leder sowie der IG BCE, für gewerbliche Arbeitnehmer in § 17 Ziff. 4 Buchst. a ab dem 58. Lebensjahr ebenfalls zwei zusätzliche Urlaubstage vor. Diese Regelung war im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht nicht durch eine neue Bestimmung abgeändert.

33

(dd) Schließlich widerlegt die Altersgrenze von 58 Lebensjahren nicht den Zweck, mit zwei weiteren Urlaubstagen im Kalenderjahr dem gesteigerten Erholungsbedürfnis Rechnung zu tragen. Dabei kann dahinstehen, ab welchem Alter die Annahme, der zusätzliche Urlaub diene dem höheren Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG, nicht mehr ohne Weiteres aufrechterhalten bzw. als widerlegt erachtet werden kann. Der Senat hat in der Entscheidung vom 20. März 2012 gemäß dem Rechtsgedanken aus § 417 Abs. 1 SGB III eine Altersgrenze von 50 Lebensjahren für die Einordnung als älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG in Betracht gezogen(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73; vgl. zu einer solchen Altersgrenze für die Gewährung zusätzlicher Urlaubstage: Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 -). Das Landesarbeitsgericht hat ergänzend darauf verwiesen, dass Leitlinie 17 der Entscheidung des Rates vom 12. Juli 2005 über Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten (2005/600/EG) Arbeitskräfte ab Vollendung des 55. Lebensjahres als ältere Arbeitnehmer erachtet und die WHO-Studiengruppe „Altern und Arbeit“ aus arbeitsmedizinischer Sicht wegen auftretender Schwierigkeiten in Arbeit und Beruf eine Grenze ab dem 45. Lebensjahr angenommen hat (zu A II 15 b bb (3) (b) der Gründe). Das Berufungsgericht hat damit nachvollziehbar begründet, warum es davon ausgeht, dass die Urlaubsregelung einem legitimen Zweck iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG dient und es diesen Zweck nicht lediglich als von der Beklagten vorgeschoben erachtet.

34

(2) Die Regelung ist geeignet, den in § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG beschriebenen Zweck zu fördern. Insbesondere kann die Klägerin nicht mit dem Argument gehört werden, dass die Gewährung von lediglich zwei Urlaubstagen ungeeignet sei, einen altersbedingt erhöhten Erholungsbedarf auszugleichen. Die Geeignetheit ist nicht deshalb zu verneinen, weil ein gestiegener Erholungsbedarf unter Umständen nicht vollständig, sondern nur partiell ausgeglichen wird. Gerade angesichts des vom Arbeitgeber bei einer freiwilligen Leistung selbst gesetzten Dotierungsrahmens wäre die Beschränkung auf einen Teilausgleich nachvollziehbar und zulässig. Zudem haben auch die Tarifvertragsparteien angesichts der Tätigkeit eines Produktionsmitarbeiters in der Schuhbranche zwei Tage Urlaub für geeignet und ausreichend erachtet. Dass die Beklagte sich die von den Sozialpartnern ausgehandelte Regelung zu eigen macht und im Rahmen ihres Ermessensspielraums eine entsprechende Regelung trifft, ist unter dem Aspekt der Geeignetheit der Regelung nicht zu beanstanden.

35

(3) Die Regelung ist auch erforderlich und angemessen (§ 10 Satz 2 AGG). Mildere Mittel, die in gleicher Weise den Schutz älterer Arbeitnehmer verwirklichen könnten, sind nicht ersichtlich.

36

(a) Die Wahl einer anderen, niedrigeren Altersgrenze stellte kein gleich wirksames, milderes Mittel mit geringerem altersspezifischen Effekt dar. Es handelte sich vielmehr um eine andere Maßnahme mit einem erhöhtem Dotierungsrahmen.

37

(b) Eine niedrigere Altersgrenze verbunden mit nur einem weiteren Urlaubstag im Kalenderjahr müsste zwar nicht zwingend zu einer Erhöhung des Dotierungsrahmens führen. Allerdings hätten dann Arbeitnehmer nach Vollendung des 58. Lebensjahres nicht mehr Anspruch auf den zweiten weiteren Urlaubstag, den die Beklagte im Einklang mit dem einschlägigen Tarifvertrag angesichts des gesteigerten Erholungsbedarfs im höheren Alter in der Schuhproduktion für notwendig erachtet. Der Gestaltungs- und Ermessensspielraum der Beklagten lässt auch im Rahmen der Erforderlichkeit und Angemessenheit die von ihr angewandte Regelung zu. Die Interessen der Beteiligten werden hinreichend berücksichtigt. Es werden lediglich in Übereinstimmung mit dem Abwägungsergebnis der Tarifvertragsparteien die Interessen der über 58-Jährigen an einem zusätzlichen Urlaubstag höher gewichtet als die Interessen der übrigen Beschäftigten, schon im jüngeren Alter einen zusätzlichen Urlaubstag zu erhalten.

38

(c) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Beklagte nicht verpflichtet, zusätzliche Urlaubstage nur nach dem individuell ermittelten Erholungsbedarf unter Einbeziehung altersunabhängiger Belastungsfaktoren, wie der Pflege und Betreuung von Kindern, sowie unter Berücksichtigung des individuellen Alterungsprozesses zu gewähren. Zwar mag es zutreffen, dass es weitere Belastungsfaktoren gibt, die zu einem gesteigerten Erholungsbedarf führen können. Jedoch wäre eine solche individuelle Regelung in vielerlei Hinsicht praktisch nicht oder nur mit großen Schwierigkeiten handhabbar. Dies gilt nicht nur bezüglich der Gewichtung der einzelnen (persönlichen) Belastungsfaktoren untereinander, sondern vor allem auch für deren Ermittlung durch die Beklagte. Auch der Gerichtshof der Europäischen Union hat anerkannt, dass bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Regelung im Hinblick auf das Verbot der Altersdiskriminierung zu beachten ist, dass die fragliche Regelung in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht handhabbar bleiben müsse, und deshalb nicht generell verlangt werden könne, dass immer jeder Einzelfall individuell geprüft werde (EuGH 19. Juni 2014 - C-501/12 ua. - [Specht ua.] Rn. 78). Unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten darf der Arbeitgeber daher im Sinne einer typisierenden Betrachtung in Ausübung seines Gestaltungsspielraums auch einen Grund für ein gesteigertes Erholungsbedürfnis - wie etwa das Alter in belastenden Berufen - als Differenzierungskriterium heranziehen. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG enthält kein Gebot, die dort genannten typischerweise besonders schutzbedürftigen Personengruppen (Jugendliche, ältere Beschäftigte und Personen mit Fürsorgepflichten) hinsichtlich besonderer Arbeitsbedingungen gleich zu behandeln.

39

2. Aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz folgt ebenfalls kein Anspruch der Klägerin auf die begehrten zwei zusätzlichen Urlaubstage. Ist - wie hier - die unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmergruppen aus einem in § 1 AGG genannten Grund unter den im AGG normierten Voraussetzungen zulässig, ist auch der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt(ebenso bezüglich des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes: BAG 17. September 2013 - 3 AZR 686/11 - Rn. 25 mwN). Eine sachwidrige Ungleichbehandlung kommt angesichts der Rechtfertigung gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG nicht in Betracht.

40

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Klose    

        

        

        

    M. Lücke    

        

    Kranzusch    

                 

Soweit die Bundesregierung die Umsetzung des Bundesprogramms „Ausbildungsplätze sichern“ der Bundesagentur überträgt, erstattet der Bund der Bundesagentur abweichend von § 363 Absatz 1 Satz 2 die durch die Umsetzung entstehenden Verwaltungskosten.

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. März 2010 - 20 Sa 2058/09 - aufgehoben.

2. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Eberswalde vom 8. Juli 2009 - 3 Ca 140/09 - wird zurückgewiesen und der Tenor dieses Urteils zur Klarstellung neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass der Klägerin für die Jahre 2008 und 2009 jeweils ein weiterer Urlaubstag als Ersatzurlaub zusteht.

3. Der Beklagte hat auch die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin in den Jahren 2008 und 2009 Anspruch auf jeweils 29 oder 30 Urlaubstage hatte.

2

Die am 27. Oktober 1971 geborene Klägerin ist seit dem 1. September 1988 bei dem beklagten Landkreis als Angestellte mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden in der Fünftagewoche beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst vom 13. September 2005 in der Fassung des Änderungstarifvertrags Nr. 2 vom 31. März 2008 (TVöD) Anwendung. Dieser bestimmt ua.:

        

§ 26 

        

Erholungsurlaub

        

(1)     

Beschäftigte haben in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung des Entgelts (§ 21). Bei Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf fünf Tage in der Kalenderwoche beträgt der Urlaubsanspruch in jedem Kalenderjahr

                 

bis zum vollendeten 30. Lebensjahr

26 Arbeitstage,

                 

bis zum vollendeten 40. Lebensjahr

29 Arbeitstage und

                 

nach dem vollendeten 40. Lebensjahr

30 Arbeitstage.

                 

Maßgebend für die Berechnung der Urlaubsdauer ist das Lebensjahr, das im Laufe des Kalenderjahres vollendet wird. Bei einer anderen Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit als auf fünf Tage in der Woche erhöht oder vermindert sich der Urlaubsanspruch entsprechend. Verbleibt bei der Berechnung des Urlaubs ein Bruchteil, der mindestens einen halben Urlaubstag ergibt, wird er auf einen vollen Urlaubstag aufgerundet; Bruchteile von weniger als einem halben Urlaubstag bleiben unberücksichtigt. Der Erholungsurlaub muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und kann auch in Teilen genommen werden.

        

…       

        
        

§ 27   

        

Zusatzurlaub

        

(1)     

Beschäftigte, die ständig Wechselschichtarbeit nach § 7 Abs. 1 oder ständig Schichtarbeit nach § 7 Abs. 2 leisten und denen die Zulage nach § 8 Abs. 5 Satz 1 oder Abs. 6 Satz 1 zusteht, erhalten

                 

a)    

bei Wechselschichtarbeit für je zwei zusammenhängende Monate und

                 

b)    

bei Schichtarbeit für je vier zusammenhängende Monate

                 

einen Arbeitstag Zusatzurlaub.

        

(2)     

Im Falle nicht ständiger Wechselschicht- oder Schichtarbeit (z. B. ständige Vertreter) erhalten Beschäftigte des Bundes, denen die Zulage nach § 8 Abs. 5 Satz 2 oder Abs. 6 Satz 2 zusteht, einen Arbeitstag Zusatzurlaub für

                 

a)    

je drei Monate im Jahr, in denen sie überwiegend Wechselschichtarbeit geleistet haben, und

                 

b)    

je fünf Monate im Jahr, in denen sie überwiegend Schichtarbeit geleistet haben.

        

…       

                 
        

(4)     

Zusatzurlaub nach diesem Tarifvertrag und sonstigen Bestimmungen mit Ausnahme von § 125 SGB IX wird nur bis zu insgesamt sechs Arbeitstagen im Kalenderjahr gewährt. Erholungsurlaub und Zusatzurlaub (Gesamturlaub) dürfen im Kalenderjahr zusammen 35 Arbeitstage nicht überschreiten. Satz 2 ist für Zusatzurlaub nach den Absätzen 1 und 2 hierzu nicht anzuwenden. Bei Beschäftigten, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, gilt abweichend von Satz 2 eine Höchstgrenze von 36 Arbeitstagen; § 26 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.

        

…“    

        
3

Mit Schreiben vom 5. November 2008 machte die Klägerin gegenüber dem Beklagten einen jährlichen Gesamturlaub in Höhe von 30 Tagen für das Jahr 2008 und die Zukunft nach dem TVöD geltend. Der Beklagte lehnte die Gewährung von 30 Urlaubstagen vor der Vollendung des 40. Lebensjahres der Klägerin unter Hinweis auf die Verbindlichkeit der Regelung des § 26 Abs. 1 TVöD mit Schreiben vom 28. November 2008 ab. Die Klägerin hat daraufhin mit Schriftsatz vom 11. Februar 2009 die vorliegende Klage erhoben.

4

Sie hat die Ansicht vertreten, sie habe auch vor der Vollendung ihres 40. Lebensjahres Anspruch auf jährlich 30 und nicht nur 29 Urlaubstage. Die an das Lebensalter anknüpfende Staffelung des tariflichen Urlaubsanspruchs sei eine Diskriminierung wegen des Alters. Die in der Tarifregelung enthaltene Ungleichbehandlung jüngerer Arbeitnehmer sei nicht durch § 10 AGG gerechtfertigt. Im Übrigen würden die gesundheitlichen Wirkungen zusätzlichen Urlaubs zur Vermeidung beispielsweise von Stresserscheinungen am Arbeitsplatz auch in der medizinischen Literatur kontrovers diskutiert.

5

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass ihr für die Jahre 2008 und 2009 jeweils ein Urlaubstag als Ersatzurlaub zusteht.

6

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Diese sei bereits unzulässig, da das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO nötige Feststellungsinteresse fehle. Schließlich sei die Klage auch unbegründet. Die Altersstufenregelung des § 26 Abs. 1 TVöD sei durch einen sachlichen Grund nach § 10 AGG gerechtfertigt. Die Festlegung eines Mindestalters für die Gewährung von 30 Urlaubstagen pro Kalenderjahr stelle eine besondere Beschäftigungsbedingung zum Schutz älterer Beschäftigter bzw. eine Mindestanforderung an das Alter für einen mit der Beschäftigung verbundenen Vorteil dar, der zur Erreichung eines legitimen Ziels angemessen und erforderlich sei. Ältere Arbeitnehmer seien mit zunehmendem Alter aufgrund beruflicher Belastungen länger krank. Um diesen Umstand Rechnung zu tragen, hätten die Tarifvertragsparteien mit der Regelung in § 26 Abs. 1 TVöD auf das verstärkte Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer reagiert und deren Leistungsfähigkeit stärken wollen. Der Aspekt des Gesundheitsschutzes älterer Arbeitnehmer sei daher geeignet, die Ungleichbehandlung jüngerer Beschäftigter zu rechtfertigen. Schließlich würde auch eine Diskriminierung keine Angleichung „nach oben“ zur Folge haben.

7

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin die Wiederherstellung der stattgebenden Entscheidung des Arbeitsgerichts. Der Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

A. Die zulässige Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf die geltend gemachten Ersatzurlaubstage.

9

I. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Feststellungsklage zulässig ist. Die Klägerin hat ein rechtliches Interesse daran, durch das Gericht feststellen zu lassen, ob ihr für die Jahre 2008 und 2009 jeweils ein Urlaubstag als Ersatzurlaub zusteht ( § 256 Abs. 1 ZPO ). Der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit einer Klage, mit der ein Arbeitnehmer den Umfang des ihm zustehenden Urlaubs gerichtlich festgestellt haben will, nicht entgegen (vgl. BAG 12. April 2011 - 9 AZR 80/10  - Rn. 13 bis 15, EzA BUrlG § 7 Nr. 123).

10

II. Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten für den ihr in den Jahren 2008 und 2009 jeweils verweigerten 30. Urlaubstag gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB Anspruch auf jeweils einen Tag Ersatzurlaub. Die Urlaubsstaffelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD verstößt gegen die §§ 1, 3 Abs. 1 AGG. Denn sie gewährt Beschäftigten, die das 30., aber noch nicht das 40. Lebensjahr vollendet haben, einen um einen Tag kürzeren Urlaub. Sie ist deshalb nach § 7 Abs. 1 und Abs. 2 AGG iVm. § 134 BGB unwirksam. Dies hat zur Folge, dass die Klägerin auch vor der Vollendung ihres 40. Lebensjahres in jedem Kalenderjahr Anspruch auf 30 Urlaubstage hatte. Ihr steht für die Jahre 2008 und 2009 jeweils noch ein Tag Ersatzurlaub zu, weil der Beklagte ihr in diesen Jahren nur jeweils 29 Urlaubstage gewährte.

11

1. Nach § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD standen der am 27. Oktober 1971 geborenen Klägerin in den Jahren 2008 und 2009 jeweils 29 Urlaubstage zu. Erst nach dem vollendeten 40. Lebensjahr gewährt ihr diese Tarifregelung einen jährlichen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen. Diese an das Lebensalter anknüpfende Staffelung der Urlaubsdauer verstößt gegen das Verbot der Altersdiskriminierung in § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG. Sie ist als sachlich nicht nach den §§ 8, 10 AGG gerechtfertigte unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters gemäß § 7 Abs. 2 AGG iVm. § 134 BGB unwirksam. Zur Beseitigung dieser Diskriminierung ist eine Anpassung auf 30 Urlaubstage erforderlich.

12

2. Zutreffend haben die Vorinstanzen die Regelung in § 26 Abs. 1 TVöD am AGG gemessen. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG gelten die Diskriminierungsverbote der §§ 1, 7 AGG auch für die in kollektivrechtlichen Vereinbarungen geregelten Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen. Unter solchen Bedingungen sind alle Umstände zu verstehen, aufgrund derer und unter denen die Arbeitsleistung zu erbringen ist (vgl. BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 54, BAGE 132, 210). Zu den Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen gehört damit auch der Urlaub. Der Umstand, dass die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b TVöD bereits am 1. Januar 2006 und somit schon vor dem AGG vom 14. August 2006 in Kraft getreten ist, steht dem nicht entgegen. Die für die Jahre 2008 und 2009 geltend gemachte Benachteiligung durch § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD ist erst nach Inkrafttreten des AGG am 18. August 2006 eingetreten. Da § 33 Abs. 1 AGG insoweit keine Übergangsregelung enthält, findet dieses Gesetz auch dann Anwendung, wenn die Benachteiligung auf einem vor Inkrafttreten des AGG abgeschlossenen Tarifvertrag beruht. Es kommt allein auf den Zeitpunkt der Benachteiligungshandlung an (BAG 16. Dezember 2008 - 9 AZR 985/07 - Rn. 33, BAGE 129, 72).

13

3. Die Urlaubsstaffelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD enthält eine auf dem Merkmal des Alters beruhende Ungleichbehandlung der Beschäftigten, die das 30. bzw. das 40. Lebensjahr nicht vollendet haben. Das ist eine unmittelbare Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer wegen des Alters iSv. § 3 Abs. 1 AGG.

14

a) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Beim Alter handelt es sich um einen in § 1 AGG genannten Grund, wobei unter Alter das Lebensalter zu verstehen ist. Dies folgt aus dem gesetzlichen Wortlaut und auch aus der Gesetzesbegründung ( BT-Drucks. 16/1780 S. 31; BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 49, BAGE 132, 210; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07  - Rn. 36, BAGE 129, 181). Der für eine unmittelbare Benachteiligung erforderliche Kausalzusammenhang ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen oder mehrere in § 1 AGG genannte Gründe anknüpft oder dadurch motiviert ist(vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 32; BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 50, aaO).

15

b) Diese Voraussetzung ist erfüllt. § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD sieht für Beschäftigte bei einer Fünftagewoche in jedem Kalenderjahr einen Urlaubsanspruch bis zum vollendeten 30. Lebensjahr in Höhe von 26 Arbeitstagen, bis zum vollendeten 40. Lebensjahr in Höhe von 29 Arbeitstagen und erst nach dem vollendeten 40. Lebensjahr in Höhe von 30 Arbeitstagen vor. Die Höhe des Urlaubsanspruchs nach § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD knüpft damit in allen Stufen unmittelbar an das Lebensalter der Beschäftigten an. Danach haben Beschäftigte wie die Klägerin, die zwar das 30. Lebensjahr, aber noch nicht das 40. Lebensjahr vollendet haben, in jedem Jahr nur Anspruch auf 29 statt auf 30 Urlaubstage. Sie werden ebenso wie die unter 30-Jährigen im Vergleich zu den Beschäftigten, die das 40. Lebensjahr vollendet haben, hinsichtlich der Höhe des Urlaubsanspruchs wegen ihres geringeren Alters ungünstiger behandelt.

16

4. Diese Ungleichbehandlung ist nicht gerechtfertigt.

17

a) Bei ihr handelt es sich nicht um eine nach § 8 AGG zulässige unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher Anforderungen. Die Urlaubsstaffel des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD knüpft nicht an die Art der auszuübenden Tätigkeit oder die Bedingungen ihrer Ausübung an. Sie stellt nicht auf die Art der auszuübenden Tätigkeit ab und beansprucht damit Geltung für alle dem TVöD unterfallenden Beschäftigten.

18

b) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die Ungleichbehandlung auch nicht nach § 10 AGG sachlich gerechtfertigt(so ebenfalls die herrschende Meinung in der Literatur, vgl. Linck/Schütz FS Leinemann, S. 181 f.; Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV Stand Januar 2012 E § 26 TVöD Rn. 22; AGG/Voigt 3. Aufl. § 10 Rn. 33; Meinel/Heyn/Herms AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 42b; Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 105; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 144; Hock/Kramer/Schwerdtle ZTR 2006, 622, 623 mwN; Wulfers/Hecht ZTR 2007, 475, 478; vgl. ferner bereits zu § 48 BAT: Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156). § 10 Satz 1 AGG lässt eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters ungeachtet der Regelung des § 8 AGG zu, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Zudem müssen die Mittel zur Erreichung dieses Ziels nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist die an das Lebensalter anknüpfende Differenzierung in § 26 Abs. 1 TVöD nicht sachlich gerechtfertigt, weil sie einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung trägt und deren Gesundheit schützen will. Dabei kann dahinstehen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen das Ziel des Gesundheitsschutzes eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen würde. Die Tarifvorschrift verfolgt dieses Ziel schon nicht.

19

aa) Die Tarifvertragsparteien haben das mit der in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD geregelten Urlaubsstaffelung verfolgte Ziel nicht ausdrücklich genannt. Nennt eine Regelung oder Maßnahme kein Ziel, müssen zumindest aus dem Kontext abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter der Regelung oder der Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen, um die Legitimität des Ziels sowie die Angemessenheit und die Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüfen zu können. Dabei können nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die sozialpolitischen Ziele als legitim angesehen werden, die im allgemeinen Interesse stehen. Derjenige, der eine Ungleichbehandlung vornimmt, muss den nationalen Gerichten in geeigneter Weise die Möglichkeit zur Prüfung einräumen, ob mit der Ungleichbehandlung ein Ziel angestrebt wird, das die Ungleichbehandlung unter Beachtung der Ziele der Richtlinie 2000/78/EG rechtfertigt (vgl. EuGH 5. März 2009 - C-388/07  - [Age Concern England] Rn. 45 ff., Slg. 2009, I-1569; BAG 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08  - Rn. 36 ff., BAGE 131, 61). Denn das nationale Gericht hat zu prüfen, ob die Regelung oder Maßnahme ein rechtmäßiges Ziel iSd. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG verfolgt. Gleiches gilt für die Frage, ob die Tarifvertragsparteien als Normgeber angesichts des vorhandenen Wertungsspielraums davon ausgehen durften, dass die gewählten Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich waren (vgl. EuGH 5. März 2009 -  C-388/07  - [Age Concern England] Rn. 49 ff., aaO; vgl. auch BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 57, BAGE 132, 210).

20

bb) Die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD dient nicht dem Schutz älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG. Diese gesetzliche Regelung konkretisiert das legitime Ziel, nämlich ua. die Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter, wobei dieser Schutz auch die Festlegung besonderer Arbeitsbedingungen einschließen kann. Aus einer tariflichen Urlaubsstaffelung, die - wie die in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD - den Beschäftigten bereits nach Vollendung des 30. Lebensjahres drei weitere Urlaubstage und dann nach Vollendung des 40. Lebensjahres letztmals einen zusätzlichen Urlaubstag gewährt, lässt sich nicht ableiten, dass die Tarifvertragsparteien einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollten und das Ziel verfolgten, den Schutz älterer Beschäftigter iSd. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG sicherzustellen. Wenn sich auch eine genaue Schwelle für die Zuordnung zu den älteren Arbeitnehmern weder dieser Regelung selbst noch Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG entnehmen lässt, so ist diese freilich an der Zielsetzung (vgl. zu dieser Däubler/Bertzbach/Brors 2. Aufl. § 10 Rn. 42) auszurichten. Einen arbeitsmarktpolitischen Zweck verfolgt zB § 417 Abs. 1 SGB III, wonach Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die das 50. Lebensjahr vollendet haben und ihre Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung beenden oder vermeiden, unter den in der Vorschrift genannten Voraussetzungen Anspruch auf Leistungen der Entgeltsicherung haben. Diese Regelung der Entgeltsicherung bezweckt, die Arbeitslosigkeit älterer Arbeitnehmer abzubauen und ihren Anteil an der erwerbstätigen Bevölkerung zu erhöhen (vgl. BT-Drucks. 17/1945 S. 17). Im Vergleich zu der in § 417 Abs. 1 SGB III genannten Altersgruppe setzt sich die durch die Urlaubsstaffel in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD begünstigte Beschäftigtengruppe, der ein Urlaubsanspruch von jährlich 30 Arbeitstagen eingeräumt wird, nicht ausnahmslos aus älteren Beschäftigten zusammen. Vielmehr gehören ihr alle Beschäftigten ab Vollendung des 40. Lebensjahres an. Der Senat hat bereits entschieden, dass ein Arbeitnehmer jedenfalls ab Vollendung des 31. Lebensjahres offensichtlich kein älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG ist(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 55, BAGE 132, 210).

21

cc) Ein legitimes Ziel iSd. § 10 AGG ergibt sich entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts auch nicht aus § 10 Satz 3 Nr. 2 AGG. Danach kann eine zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile einschließen. Diese Regelung bestimmt selbst kein legitimes Ziel, sondern beschreibt nur ein mögliches Mittel, mit der ein auf andere Weise zu legitimierendes Ziel gerechtfertigt werden kann (vgl. ErfK/Schlachter 12. Aufl. § 10 AGG Rn. 6), sofern es erforderlich und angemessen iSd. § 10 Satz 2 AGG ist.

22

dd) Die Tarifvertragsparteien verfolgen entgegen der Auffassung des Beklagten nicht das Ziel des Gesundheitsschutzes älterer Arbeitnehmer.

23

(1) Das mit der Urlaubsstaffelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD verfolgte Ziel lässt sich nicht mit ausreichender Deutlichkeit aus dem Wortlaut des § 26 TVöD entnehmen. § 26 TVöD normiert ausweislich seiner Überschrift den Erholungsurlaub. Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 TVöD haben Beschäftigte in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung des Entgelts. § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD legt die Dauer dieses Erholungsurlaubs fest. Der Begriff des Erholungsurlaubs wird dabei nicht näher definiert und ist dem BUrlG entlehnt, auf das § 26 Abs. 2 TVöD im Übrigen verweist. Der Erholungsurlaub nach dem BUrlG soll nach der Gesetzesbegründung dem sozialpolitischen Anliegen der Erhaltung und Wiederauffrischung der Arbeitskraft der Arbeitnehmer dienen (vgl. den schriftlichen Bericht des Bundestagsausschusses für Arbeit, BT-Drucks. IV/785; Begründung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Bundesurlaubsgesetzes, BT-Drucks. IV/207). Durch den Erholungsurlaub wird dem Arbeitnehmer die Möglichkeit gesichert, für eine bestimmte Dauer im Jahr, die ihm eingeräumte Freizeit zur selbstbestimmten Erholung zu nutzen (st. Rspr., vgl. BAG 20. Juni 2000 - 9 AZR 405/99 - zu II 2 b bb 1 der Gründe, BAGE 95, 104; 8. März 1984 - 6 AZR 600/82 - zu II 5 b der Gründe, BAGE 45, 184; ebenso st. Rspr. des EuGH zum Jahresurlaub nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG , EuGH 22. No-vember 2011 - C-214/10 - [KHS] Rn. 31, AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 6 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2003/88 Nr. 7; 20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06  - [Schultz-Hoff] Rn. 25, Slg. 2009, I-179). Wenn eine Tarifregelung die Urlaubsdauer nach dem Lebensalter staffelt, liegt die Annahme nahe, die Tarifvertragsparteien hätten einem mit zunehmendem Alter gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollen. Die Regelung in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD rechtfertigt eine solche Annahme freilich nicht, sondern schließt sie aus.

24

(2) Das folgt bereits aus dem Inhalt der Regelung. Die Tarifvorschrift räumt den Beschäftigten schon ab dem 30. Lebensjahr drei weitere Urlaubstage ein. Dafür, dass die Tarifvertragsparteien von einem so deutlich gesteigertem Erholungsbedürfnis bereits nach der Vollendung des 30. Lebensjahres ausgegangen sind, fehlt jeder Anhaltspunkt. Gegen eine solche Annahme spricht auch, dass die Tarifvertragsparteien den Beschäftigten nach der Vollendung des 40. Lebensjahres letztmals nur einen weiteren Urlaubstag gewährt und davon abgesehen haben, ein gesteigertes Erholungsbedürfnis des Beschäftigten in der Zeit bis zum Erreichen des gesetzlich festgelegten Alters für den Bezug der Regelaltersrente (§ 33 Abs. 1 Buchst. a TVöD) zu berücksichtigen. Hätten die Tarifvertragsparteien ein gesteigertes Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter vor Augen gehabt, hätten sie nicht einem 30-Jährigen einen gegenüber einem 29-jährigen Beschäftigten um drei Tage längeren Urlaub gewährt, nach der Vollendung des 40. Lebensjahres des Beschäftigten eine wesentlich geringere Steigerung des Erholungsbedürfnisses angenommen und für die Zeit danach bis zum Erreichen des gesetzlich festgelegten Alters für den Bezug der Regelaltersrente ein zunehmendes Erholungsbedürfnis des Beschäftigten überhaupt nicht mehr berücksichtigt (vgl. Wulfers/Hecht ZTR 2007, 475, 478). Auch das Schrifttum nimmt ganz überwiegend an, dass eine tarifliche Urlaubsstaffelung nicht schon auf die Vollendung des 30. bzw. des 40. Lebensjahres abstellen darf, wenn sie einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen will (vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 22; Tempelmann/Stenslik DStR 2011, 1183, 1186; Richter Benachteiligung wegen des Alters im Erwerbsleben S. 170; Meinel/Heyn/Herms § 10 Rn. 42b; AGG/Voigt § 10 Rn. 33; Hey AGG § 10 Rn. 28; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 144; Hock/Kramer/Schwerdle ZTR 2006, 622, 623; Linck/Schütz FS Leinemann S. 181 f.; Senne Auswirkungen des europäischen Verbots der Altersdiskriminierung auf das deutsche Arbeitsrecht S. 269; Bertelsmann ZESAR 2005, 242, 246). Selbst wenn die Erholungsbedürftigkeit von Arbeitnehmern mit zunehmendem Lebensalter steigen sollte (zweifelnd Däubler/Bertzbach/Brors § 10 Rn. 50; aA Waltermann NZA 2005, 1265, 1269), hätte es mit dem Schutz älterer Arbeitnehmer nichts zu tun, bereits mit dem 30. Lebensjahr eine erste Verlängerung des Urlaubsanspruchs um drei Tage und die zweite und zugleich letzte Verlängerung um einen weiteren Urlaubstag bereits mit Vollendung des 40. Lebensjahres vorzusehen (so auch Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 22; Adomeit/Mohr § 10 Rn. 105; so bereits zu § 48 BAT: Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156). Es fehlt in beiden Stufen an dem erkennbaren Schutz Älterer. Die Verlängerung des Urlaubsanspruchs bereits mit dem vollendeten 30. Lebensjahr lässt sich kaum mit der Erhaltung der Leistungsfähigkeit Älterer begründen. Auch mit der Vollendung des 40. Lebensjahres hat ein Beschäftigter regelmäßig allenfalls die Mitte seines Erwerbsalters erreicht (vgl. auch Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156). Hätten die Tarifvertragsparteien gemäß der Ansicht des Beklagten ein gesteigertes Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter berücksichtigen wollen, hätten sich die gewählten Altersgrenzen nicht an dem mit dem Alter zunehmenden Erholungsbedürfnis orientiert und wären willkürlich.

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(3) Gerade dieser Umstand bestätigt, dass die Tarifvertragsparteien mit der Regelung in § 26 TVöD weder den Schutz der Gesundheit bezweckten noch einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollten. Hätten sie diese Ziele verfolgt, hätte es nahe gelegen, gerade für die älteren Beschäftigten, zB die Gruppe der über 50- oder über 60-jährigen Beschäftigten, die Dauer des Erholungsurlaubs zu verlängern. Bei dieser Personengruppe ist ein altersbedingt gesteigertes Erholungsbedürfnis eher nachvollziehbar. Ein solches Schutzbedürfnis für die über 50-Jährigen haben die Tarifvertragsparteien aber nur hinsichtlich der Beschränkung der Höchstdauer des Gesamturlaubs bei besonders belastenden Arbeiten (Schicht- und Wechselschicht) gesehen. Das folgt aus § 27 Abs. 4 Satz 4 TVöD. Danach erhöht sich ab diesem Lebensalter die maximal erreichbare Gesamturlaubsdauer von jährlich 35 auf 36 Arbeitstage.

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(4) Die Tarifgeschichte bestätigt, dass die Tarifvertragsparteien mit der Urlaubsstaffel nicht einem mit dem Lebensalter steigenden Erholungsbedürfnis Rechnung tragen wollten. Bereits seit dem Inkrafttreten des BAT wurde die Urlaubsdauer an das Lebensalter geknüpft (§ 48 Abs. 1 BAT). Sie steigerte sich auch nach dem vollendeten 30. Lebensjahr und nach dem vollendeten 40. Lebensjahr. Innerhalb der Lebensaltersstufen verlängerte sich die Urlaubsdauer teilweise nach Vergütungsgruppen. Je höher der Angestellte eingruppiert war, je länger war sein Urlaubsanspruch. Dies zeigt, dass nicht der Erholungszweck maßgebend für die Urlaubsdauer sein sollte. Der Urlaub wurde vielmehr als Quasi-Gegenleistung für die Arbeitsleistung geregelt. Nur so lässt sich die normierte Abhängigkeit der Urlaubsdauer von der Vergütungsgruppe erklären. Es kann deshalb nicht angenommen werden, die Tarifvertragsparteien hätten bei Angestellten in höheren Vergütungsgruppen ein gesteigertes Erholungsbedürfnis ausgleichen wollen. Die Differenzierung resultiert vielmehr aus der überkommenen Auffassung, der Urlaub werde „verdient“.

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5. Die Diskriminierung der Klägerin kann nur durch die Verpflichtung des Beklagten beseitigt werden, der Klägerin für die Jahre 2008 und 2009 jeweils einen Ersatzurlaubstag zu gewähren. Zwar folgt aus § 7 Abs. 2 AGG nur, dass die diskriminierende Regelung unwirksam ist. Auch wird vom Senat nicht verkannt, dass es sich bei § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD um ein Stufensystem handelt, sodass grundsätzlich keine Stufe als die von den Tarifvertragsparteien als „übliche“ Urlaubsdauer gewollte angesehen werden kann. Jedoch kann die Beseitigung der Diskriminierung vorliegend nur durch eine Anpassung „nach oben“ erfolgen.

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a) Grundsätzlich ist es Aufgabe der Tarifvertragsparteien, eine benachteiligungsfreie Regelung zu treffen, wofür ihnen verschiedene Möglichkeiten zu Verfügung stehen. Doch scheidet eine Aussetzung des Rechtsstreits unter Fristsetzung zur Lückenschließung durch die Tarifvertragsparteien selbst von vornherein aus (aM Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 23). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sind für den Fall, dass gesetzliche oder tarifvertragliche Regelungen eine mit der Richtlinie unvereinbare Diskriminierung vorsehen, die nationalen Gerichte gehalten, die Diskriminierung auf jede denkbare Weise und insbesondere dadurch auszuschließen, dass sie die Regelung für die nicht benachteiligte Gruppe auch auf die benachteiligte Gruppe anwenden, ohne die Beseitigung der Diskriminierung durch den Gesetzgeber, die Tarifvertragsparteien oder in anderer Weise abzuwarten (vgl. so bereits zur Richtlinie 76/207/EWG: EuGH 20. März 2003 - C-187/00 - [Kutz-Bauer] Rn. 75, Slg. 2003, I-2741). Auch nach Art. 9 Abs. 3 GG in Verbindung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wäre eine Aussetzung grundsätzlich allenfalls zur Beseitigung einer Diskriminierung für die Zukunft geboten(vgl. BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 28, NZA 2012, 161). Vorliegend geht es jedoch um die Beseitigung einer Diskriminierung in der Vergangenheit.

29

b) Die Benachteiligung der Klägerin kann nicht auf andere Weise für die Jahre 2008 und 2009 ausgeschlossen werden. Ein Rückgriff auf den noch unterhalb der Eingangstufe des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD liegenden gesetzlichen Mindesturlaub gemäß den §§ 1, 3 BUrlG in Höhe von 20 Arbeitstagen bei einer Fünftagewoche ist hierzu nicht geeignet(aM Wulfers/Hecht ZTR 2007, 475, 483; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand Februar 2012, § 26 Rn. 163.5). Der von den §§ 1, 7 AGG bzw. Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG verfolgte Zweck, Benachteiligungen zu verhindern oder zu beseitigen, würde nicht erreicht. Da diskriminierende Maßnahmen oder Vereinbarungen nicht hingenommen und ihre Fortwirkung nicht akzeptiert werden darf (vgl. ErfK/Schlachter § 7 AGG Rn. 5), ist auch nicht auf die Eingangsstufe des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD mit 26 Urlaubstagen abzustellen. Hätte die Klägerin nur Anspruch auf die erste Stufe der Urlaubsstaffel, fehlte es an einer Sanktion, die einen tatsächlichen und wirksamen Rechtsschutz gewährt und abschreckende Wirkung hat (vgl. zu diesem Aspekt: BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 18 ff., NZA 2012, 161).

30

c) Hingegen ist eine Anpassung „nach oben“ zur Beseitigung einer Altersdiskriminierung im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gerechtfertigt, wenn auf andere Weise die Diskriminierung nicht behoben werden kann, weil der Arbeitgeber den Begünstigten für die Vergangenheit die Leistung nicht mehr entziehen kann (vgl. ausführlich: BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 20 ff., NZA 2012, 161). Dies ist vorliegend der Fall. Der den begünstigten Beschäftigten in den Jahren 2008 und 2009 gewährte Urlaub von jährlich 30 Arbeitstagen kann nicht rückwirkend auf 29 oder 26 Arbeitstage begrenzt werden. Die als Urlaub bereits gewährte Freizeit ist nicht kondizierbar.

31

d) Schließlich steht der Anpassung „nach oben“ auch nicht § 15 Abs. 3 AGG entgegen. Danach ist der Arbeitgeber bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fährlässig handelt. Diese Bestimmung bezieht sich allein auf die immaterielle Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG(vgl. BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 38, NZA 2012, 161; ErfK/Schlachter § 15 AGG Rn. 13) und verhält sich nicht zur Beseitigung einer Diskriminierung durch eine den Diskriminierungsverboten genügende Regelung.

32

e) Der Beklagte kann auch keinen Vertrauensschutz in Anspruch nehmen. In den Jahren 2008 und 2009 galt bereits das am 18. August 2006 in Kraft getretene AGG. Dieses nimmt Dauerschuldverhältnisse und damit auch Arbeitsverhältnisse ebenso wenig wie Tarifverträge aus, die vor dem Inkrafttreten des AGG bereits abgeschlossen waren. Übergangsvorschriften oder Vertrauensschutzregelungen sind insoweit in § 33 AGG nicht vorgesehen. Gemäß § 1 AGG ist ua. Ziel dieses Gesetzes, Benachteiligungen aus Gründen des Alters nicht nur zu verhindern, sondern auch zu beseitigen. Die damit einhergehende unechte Rückwirkung ist zulässig. Der zeitliche Geltungsbereich wird je nach Lage der Verhältnisse im Einzelfall nur durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes beschränkt (vgl. so bereits zu § 81 Abs. 2 SGB IX aF: BAG 16. Dezember 2008 - 9 AZR 985/07 - Rn. 38, BAGE 129, 72). Dies setzt jedoch in jedem Fall das Vorliegen eines schutzwürdigen Vertrauens voraus, das vorliegend nicht gegeben ist, selbst wenn man die Grundsätze zum Vertrauensschutz bei unechter Rückwirkung von Gesetzen anwendet. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Grundsatz des Vertrauensschutzes nur dann verletzt, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen (vgl. BVerfG 10. August 2006 - 2 BvR 563/05  - Rn. 14, BVerfGK 9, 28). Zum einen dient das AGG der Umsetzung von EU-Richtlinien zum Schutz vor Diskriminierung im Bereich Beschäftigung und Beruf und enthält insoweit insbesondere im Bereich der Altersdiskriminierung unionsrechtlich verankerte notwendige und bedeutende Regelungen. Zum anderen wäre ein Vertrauen in den Fortbestand der angewandten tarifvertraglichen Regelungen nicht schutzwürdig. Denn die Richtlinie 2000/78/EG wurde schon im Jahr 2000 erlassen und stellt in Art. 16 Buchst. b ausdrücklich klar, dass die Diskriminierungsverbote auch auf tarifvertragliche Bestimmungen Anwendung finden. Nach Art. 18 der Richtlinie 2000/78/EG war diese zudem spätestens zum 2. Dezember 2006 in nationales Recht umzusetzen. Der Beklagte musste ebenso wie die Tarifvertragsparteien damit rechnen, dass tarifvertragliche Regelungen auch am Verbot der Altersdiskriminierung gemessen werden. Deshalb konnte der Beklagte nicht darauf vertrauen, dass auch nach Inkrafttreten des AGG die Urlaubsstaffelregelung des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD zulässig war, zumal in der Gesetzesbegründung zum AGG die Anknüpfung an das bloße Lebensalter als Mindestgrenze für mit der Beschäftigung verbundener Vorteile nicht unkritisch gesehen wurde(vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 36) und im Schrifttum nicht nur vereinzelt die Unwirksamkeit des § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD wegen Verstoßes gegen das Verbot der Altersdiskriminierung angenommen wurde (vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV E § 26 TVöD Rn. 22 mwN; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 144; Hock/Kramer/Schwerdtle ZTR 2006, 622, 623 mwN; so bereits zu § 48 Abs. 1 BAT: Lüderitz Altersdiskriminierung durch Altersgrenzen S. 156).

33

6. Die Klägerin hat Anspruch auf Ersatzurlaub gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB. Die Resturlaubsansprüche für die Jahre 2008 und 2009 waren mangels Vorliegens eines Übertragungsgrundes nach § 26 Abs. 1 Satz 6 TVöD iVm. § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG zum 31. Dezember des jeweiligen Jahres verfallen. Diesen Untergang hat der Beklagte zu vertreten, weil er sich mit der Gewährung des Urlaubs in Verzug befand.

34

a) Die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs aus Verzug gemäß § 280 Abs. 1, § 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1 BGB liegen vor. Die Klägerin hatte in den Jahren 2008 und 2009 Anspruch auf jeweils 30 Urlaubstage. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wandelt sich der Urlaubsanspruch in einen Schadensersatzanspruch um, der auf Gewährung von Ersatzurlaub als Naturalrestitution gerichtet ist, wenn der Arbeitgeber den rechtzeitig verlangten Urlaub nicht gewährt und der Urlaub aufgrund seiner Befristung verfällt ( BAG 11. April 2006 - 9 AZR 523/05  - Rn. 24, AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 28 = EzA BUrlG § 7 Nr. 116).

35

b) Die Klägerin machte mit Schreiben vom 5. November 2008 unter der Überschrift „Geltendmachung von Urlaubsansprüchen“ Urlaub in Höhe von 30 Tagen nach dem TVöD geltend und bat zudem, den Urlaubsanspruch auch für die Zukunft entsprechend anzupassen. Dahingestellt bleiben kann, ob dies schon ein konkretes Verlangen beinhaltet hat, den Urlaub in den Jahren 2008 und 2009 zu gewähren. Nach der Rechtsprechung des Senats ist hierfür zumindest erforderlich, dass der Arbeitgeber nach den Grundsätzen des § 133 BGB davon ausgehen muss, der Arbeitnehmer wünsche ab einem bestimmten Zeitpunkt Erholungsurlaub(vgl. BAG 17. November 2009 - 9 AZR 745/08 - Rn. 45; 11. April 2006 -  9 AZR 523/05  - Rn. 28, AP BUrlG § 7 Übertragung Nr. 28 = EzA BUrlG § 7 Nr. 116). Maßgebend ist, dass der Beklagte mit Schreiben vom 28. November 2008 erklärt hat, er lehne den Antrag auf Verlängerung des Urlaubs „auf 30 Tage vor Erreichen des 41. Lebensjahres“ ab, weil der Klägerin nach dem für ihn verbindlichen § 26 Abs. 1 TVöD derzeit nur 29 Urlaubstage zustünden. Aus objektiver Empfängersicht lag darin eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung des Beklagten als Schuldner des Urlaubsanspruchs, die gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB eine Mahnung der Klägerin entbehrlich machte(vgl. BAG 31. Januar 1991 - 8 AZR 462/89  - zu II der Gründe). Denn der Beklagte gab mit diesem Schreiben vor Ablauf des Urlaubsjahres 2008 klar zu erkennen, dass er nicht bereit sei, im laufenden Jahr mehr als 29 Tage Urlaub zu gewähren. Hinsichtlich des weiteren Urlaubstags für das Jahr 2009 folgt der Verzug des Beklagten zudem daraus, dass er jedenfalls mit dem Antrag auf Klageabweisung vom 24. April 2009 und somit vor Ablauf des Urlaubsjahres 2009 zu erkennen gegeben hat, den weiteren Urlaubstag auch im Jahr 2009 nicht gewähren zu wollen. Darin lag ebenso seine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung als Schuldner des Urlaubsanspruchs, die gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB eine Mahnung der Klägerin ebenfalls entbehrlich machte(vgl. BAG 17. Mai 2011 - 9 AZR 197/10 - Rn. 14, EzA TVG § 4 Metallindustrie Nr. 138; 31. Januar 1991 - 8 AZR 462/89  - zu II der Gründe).

36

B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

        

        

    Preuß    

        

    Neumann-Redlin    

        

        

Soweit die Bundesregierung die Umsetzung des Bundesprogramms „Ausbildungsplätze sichern“ der Bundesagentur überträgt, erstattet der Bund der Bundesagentur abweichend von § 363 Absatz 1 Satz 2 die durch die Umsetzung entstehenden Verwaltungskosten.

Die Förderhöhe und die Förderdauer richten sich nach dem Umfang der Einschränkung der Arbeitsleistung der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers und nach den Anforderungen des jeweiligen Arbeitsplatzes (Minderleistung). Der Eingliederungszuschuss kann bis zu 50 Prozent des zu berücksichtigenden Arbeitsentgelts und die Förderdauer bis zu zwölf Monate betragen. Bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, kann die Förderdauer bis zu 36 Monate betragen, wenn die Förderung bis zum 31. Dezember 2023 begonnen hat.

Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein. Derartige unterschiedliche Behandlungen können insbesondere Folgendes einschließen:

1.
die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlohnung und Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Beschäftigten und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen,
2.
die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile,
3.
die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung auf Grund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder auf Grund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand,
4.
die Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen von Beschäftigten und die Verwendung von Alterskriterien im Rahmen dieser Systeme für versicherungsmathematische Berechnungen,
5.
eine Vereinbarung, die die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, zu dem der oder die Beschäftigte eine Rente wegen Alters beantragen kann; § 41 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch bleibt unberührt,
6.
Differenzierungen von Leistungen in Sozialplänen im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes, wenn die Parteien eine nach Alter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung geschaffen haben, in der die wesentlich vom Alter abhängenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters erkennbar berücksichtigt worden sind, oder Beschäftigte von den Leistungen des Sozialplans ausgeschlossen haben, die wirtschaftlich abgesichert sind, weil sie, gegebenenfalls nach Bezug von Arbeitslosengeld, rentenberechtigt sind.

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 7. September 2012 - 6 Sa 709/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe des jährlichen Urlaubsanspruchs.

2

Die Beklagte stellt Schuhe her. Die am 10. April 1960 geborene Klägerin ist bei ihr seit dem 1. Juli 1994 als Produktionsmitarbeiterin beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 13. November 2000 ist ua. vereinbart, dass der jährliche Urlaubsanspruch 34 Arbeitstage beträgt. Die Beklagte gewährt allen Arbeitnehmern, die das 58. Lebensjahr vollendet haben, 36 Arbeitstage Jahresurlaub, ohne dass individuelle Vereinbarungen über einen höheren Jahresurlaub vorliegen. Die übrigen Beschäftigten erhalten jährlich 34 Urlaubstage.

3

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Urlaubsregelung sei altersdiskriminierend. Die Behauptung, ältere Mitarbeiter benötigten im Produktionsbetrieb längere Erholungsphasen, sei durch die darlegungsbelastete Beklagte nicht dargetan. Das Bundesurlaubsgesetz stelle bezüglich der Dauer des Urlaubs weder auf die physische Belastung noch auf das Alter der Arbeitnehmer ab. Die Beklagte habe keinen Grund genannt, warum ein gesteigertes Erholungsbedürfnis ausgerechnet mit 58 Jahren eintrete. Zudem könne mit lediglich zwei zusätzlichen Urlaubstagen ein etwaiger höherer Erholungsbedarf nicht ausgeglichen werden. Bei einem stetig steigenden Erholungsbedarf müsste jedenfalls auch die Urlaubsdauer gestaffelt werden. Bei anderen Arbeitnehmergruppen sei ein erhöhter Erholungsbedarf nachvollziehbar. Diese würden jedoch nicht begünstigt. So seien jüngere Arbeitnehmer durch Familie und Beruf oftmals stärker beansprucht als ältere. Die Beklagte habe ihr zur Beseitigung der Diskriminierung jährlich zwei weitere Urlaubstage zu gewähren.

4

Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt

        

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr 36 Arbeitstage Erholungsurlaub zu gewähren.

5

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, ihre Urlaubsregelung beinhalte keine Diskriminierung. Nach der Lebenserfahrung benötigten ältere Arbeitnehmer, die körperlich ermüdende und schwere Arbeiten verrichten, längere Erholungszeiten als jüngere. Zwei zusätzliche Urlaubstage seien angemessen.

6

Das Arbeitsgericht hat die Klage - soweit für die Revision von Bedeutung - abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Feststellungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass die Beklagte nicht verpflichtet ist, der Klägerin auch schon vor der Vollendung der 58. Lebensjahres insgesamt 36 Arbeitstage Erholungsurlaub pro Jahr zu gewähren.

8

I. Die Klage ist in der gebotenen Auslegung zulässig, insbesondere besteht das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.

9

1. Der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit einer Klage, mit der ein Arbeitnehmer den Umfang des ihm zustehenden Urlaubs gerichtlich festgestellt wissen will, nicht entgegen (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 9, BAGE 141, 73; 12. April 2011 - 9 AZR 80/10 - Rn. 13 ff., BAGE 137, 328).

10

2. Die am 10. April 1960 geborene Klägerin hat ein rechtlich anerkennenswertes Interesse daran, alsbald zu erfahren, ob ihr bereits vor der Vollendung ihres 58. Lebensjahres zwei weitere Urlaubstage pro Jahr zustehen. Ihr Antrag bezieht sich dem Wortlaut nach zwar auf den gesamten Jahresurlaub. Er kann jedoch so ausgelegt werden, dass er sich nur auf zwei weitere Urlaubstage im Kalenderjahr bezieht. Zwischen den Parteien besteht kein Streit, dass der Klägerin die vertraglich vereinbarten 34 Urlaubstage pro Jahr zustehen. Die Klägerin hat im Laufe des Verfahrens deutlich gemacht, dass der Antrag auf die Feststellung des Bestehens zweier zusätzlicher Urlaubstage gerichtet ist. Darüber hinaus hat das Landesarbeitsgericht den Klageantrag zutreffend so verstanden, dass er vergangene Urlaubsjahre nicht erfasst. Es handelt sich um einen gegenwartsbezogenen Feststellungsantrag, für dessen Entscheidung grundsätzlich auf die Sachlage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht abzustellen ist (vgl. BAG 15. Mai 2013 - 7 AZR 494/11 - Rn. 15 ff.).

11

II. Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen vor Vollendung ihres 58. Lebensjahres nicht gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 iVm. § 7 Abs. 1 und Abs. 2 AGG zwei weitere Urlaubstage zu. Die Urlaubsregelung ist nicht gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam und führt somit bezüglich der Dauer des Urlaubs der Klägerin nicht zu einer „Anpassung nach oben“(siehe dazu BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 27 ff., BAGE 141, 73; vgl. aber auch BAG 14. Mai 2013 - 1 AZR 44/12 - Rn. 25, BAGE 145, 113).

12

1. Es liegt zwar eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor. Diese ist jedoch gemäß § 10 Satz 1, 2 und Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt.

13

a) Nach § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Unter Alter iSd. § 1 AGG ist das Lebensalter zu verstehen. Dies folgt aus dem Wortlaut des Gesetzes und aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/1780 S. 31; BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 14, BAGE 141, 73; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 36, BAGE 129, 181). Eine unmittelbare Benachteiligung ist nach § 3 Abs. 1 AGG gegeben, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Der für eine unmittelbare Benachteiligung erforderliche Kausalzusammenhang ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen oder mehrere in § 1 AGG genannte Gründe anknüpft oder dadurch motiviert ist(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - aaO mwN).

14

b) Daran gemessen liegt eine unmittelbare Ungleichbehandlung wegen des Alters vor. Die Urlaubsregelung knüpft die Gewährung von zwei weiteren Urlaubstagen an die Vollendung des 58. Lebensjahres und damit unmittelbar an das Lebensalter der Beschäftigten. Arbeitnehmer, die diese Altersgrenze nicht erreicht haben, werden wegen ihres Alters ungünstiger behandelt.

15

c) Die Ungleichbehandlung ist jedoch gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt. Die Regelung bezweckt bei Berücksichtigung eines Gestaltungs- und Ermessensspielraums der Beklagten den in dieser Bestimmung genannten Schutz älterer Beschäftigter und ist geeignet, erforderlich und angemessen im Sinne von § 10 Satz 2 AGG.

16

aa) Nach § 10 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG konkretisiert ua. das legitime Ziel der Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter, wobei dieser Schutz auch die Festlegung besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließen kann (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73).

17

bb) § 10 AGG dient der Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG L 303 vom 2. Dezember 2000 S. 16) in das nationale Recht (BAG 18. März 2014 - 3 AZR 69/12 - Rn. 21). Der Gesetzgeber hat bei der Umsetzung den Text der Richtlinie nahezu wörtlich in das nationale Recht übernommen. Dessen Regelungen sind unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit der Richtlinie unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auszulegen (vgl. BAG 14. März 2012 - 7 AZR 480/08 - Rn. 30).

18

cc) Dem Arbeitgeber steht bei freiwilligen zusätzlichen Leistungen - wozu auch die Gewährung von übergesetzlichem Mehrurlaub gehört - ein von den Gerichten zu respektierender Gestaltungs- und Ermessensspielraum zu (vgl. zu Leistungen der betrieblichen Altersversorgung: BAG 12. November 2013 - 3 AZR 356/12 - Rn. 28; 12. Februar 2013 - 3 AZR 100/11 - Rn. 31 mwN, BAGE 144, 231). Auch in der Rechtsprechung des EuGH ist anerkannt, dass die Mitgliedstaaten und gegebenenfalls die Sozialpartner auf nationaler Ebene beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts nicht nur bei der Entscheidung, welches konkrete Ziel von mehreren im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik sie verfolgen wollen, sondern auch bei der Festlegung der Maßnahmen zu seiner Erreichung über einen weiten Gestaltungsspielraum verfügen (EuGH 16. Oktober 2007 - C-411/05 - [Palacios de la Villa] Rn. 68, Slg. 2007, I-8531). Diese Erwägungen gelten nach dem EuGH auch für Ziele, die der Arbeitgeber mit einer vertraglichen Regelung verfolgt (vgl. EuGH 26. September 2013 - C-476/11 - [HK Danmark] Rn. 61).

19

dd) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Benachteiligung der Arbeitnehmer der Beklagten, die das 58. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, gerechtfertigt.

20

(1) Die Beklagte gewährt den Arbeitnehmern in ihrem Produktionsbetrieb nach der Vollendung des 58. Lebensjahres aufgrund ihres gesteigerten Erholungsbedürfnisses zwei weitere Urlaubstage im Kalenderjahr und bezweckt damit die Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG. Da dieser Schutz die Festlegung besonderer Arbeitsbedingungen einschließt (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73), unterfallen ihm auch zusätzliche Urlaubstage.

21

(a) Das AGG definiert in § 10 Satz 3 Nr. 1 - ebenso wie Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG - nicht, wann ein Beschäftigter „älter“ im Sinne der Norm ist (vgl. zum herkömmlichen Verständnis: BAG 18. September 2014 - 6 AZR 636/13 - Rn. 44). Nach dem Sinn und Zweck des Benachteiligungsverbots reicht es ohne das Vorliegen anderer Differenzierungsgründe nicht aus, dass das Alter der begünstigten Arbeitnehmer höher ist als das Alter der nicht begünstigten. Dementsprechend hat der Senat angenommen, ein Arbeitnehmer sei nach der Vollendung seines 31. Lebensjahres offensichtlich noch kein älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 55, BAGE 132, 210). Aus dem systematischen Zusammenhang mit § 10 Satz 1 AGG und aus dem Regelungszweck folgt, dass die begünstigten Arbeitnehmer aufgrund ihres Alters der Förderung bei der beruflichen Eingliederung oder des Schutzes bedürfen müssen.

22

(aa) Der Senat ist in seiner Entscheidung vom 20. März 2012 nicht davon ausgegangen, dass mit zunehmenden Alter das Erholungsbedürfnis von Arbeitnehmern steige. Er hat allerdings ab einem bestimmten Alter - konkret: bei über 50- oder über 60-jährigen Beschäftigten - ein altersbedingt gesteigertes Erholungsbedürfnis für „eher nachvollziehbar“ gehalten (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 24 f., BAGE 141, 73).

23

(bb) Das Landesarbeitsgericht hat in Übereinstimmung mit der überwiegenden Auffassung im Schrifttum als Erfahrungssatz angenommen, dass mit zunehmenden Alter das Erholungsbedürfnis von Arbeitnehmern steigt (so auch Tempelmann/Stenslik DStR 2011, 1183, 1185 f.; Lingemann/Gotham NZA 2007, 663, 666; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 143 f.; Waltermann NZA 2005, 1265, 1269; Over Das Verbot der Altersdiskriminierung im Arbeitsrecht nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz S. 231; Küttner/Kania Personalbuch 2014 Diskriminierung Rn. 90; vgl. auch Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 - zu II 2 b cc (3) (a) der Gründe mwN). Diese Ansicht ist allerdings nicht unumstritten. So wird auf die Individualität der Alterungsprozesse und den fehlenden Nachweis von Altersklassen mit spezifischem Erholungsbedarf hingewiesen (Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 1 Rn. 822). Die Aufstellung eines generellen Erfahrungssatzes soll dem traditionellen Bild vom „alten Arbeitnehmer“ entsprechen (Däubler/Bertzbach/Brors 3. Aufl. § 10 Rn. 43). Auch wird hervorgehoben, dass der Gesetzgeber in § 3 BUrlG bezüglich der Dauer des Urlaubs nicht nach dem Lebensalter der Arbeitnehmer unterscheide und demnach nicht von einem unterschiedlichen Erholungsbedürfnis ausgehe(Bertelsmann in Rust/Falke AGG § 10 Rn. 93). Auch auf europäischer Ebene sehe Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG vier Wochen Urlaub einheitlich für alle Berufsgruppen altersunabhängig vor(v. Roetteken AGG Stand September 2014 § 10 Rn. 262). Verlangt wird zumindest die Darlegung eines empirischen Befunds zum steigenden Erholungsbedarf unter Beachtung der Tätigkeit bevorzugter Arbeitnehmer (Däubler/Bertzbach/Brors aaO; aA Kasprzyk Altersdiskriminierung im deutschen Arbeitsrecht S. 185).

24

(b) Erfahrungssätze sind Hilfsmittel. Die Feststellung von allgemein anerkannten Erfahrungssätzen ist als Tatfrage den Tatsachengerichten vorbehalten. Dabei ist es diesen nicht verwehrt, das Bestehen oder Nichtbestehen eines Erfahrungssatzes zu beurteilen, wenn sie dazu über ausreichende Sachkunde und Lebenserfahrung verfügen. Andernfalls haben sie sich der Hilfe eines Sachverständigen zu bedienen. Die Zuziehung eines Sachverständigen zur Unterstützung des Gerichts ist gemäß § 144 Abs. 1 ZPO durch die Tatsachengerichte stets nach pflichtgemäßen Ermessen zu prüfen(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 65 mwN, BAGE 132, 210; vgl. allg. zu Erfahrungssätzen: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 73. Aufl. Einf. § 284 Rn. 22).

25

(c) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass das Landesarbeitsgericht von der Zuziehung eines Sachverständigen abgesehen hat. Dieses durfte aufgrund der von ihm festgestellten körperlich anstrengenden Tätigkeiten im Produktionsbetrieb der Beklagten auch ohne Sachverständigengutachten annehmen, dass das Erholungsbedürfnis der dort beschäftigten Arbeitnehmer mit zunehmenden Alter steigt. Ob es einen tätigkeitsunabhängigen generellen Zusammenhang zwischen dem Erholungsbedarf und dem Alter gibt (so etwa Kamanabrou aaO), kann dahinstehen.

26

(aa) Die Annahme eines Erfahrungssatzes dahin gehend, dass bei körperlich belastenden Berufen das Erholungsbedürfnis im höheren Alter steigt, begegnet keinen Bedenken. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die physische Belastbarkeit mit zunehmendem Alter abnimmt (etwa BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 67 mwN, BAGE 132, 210; Bayerischer VGH 24. Oktober 2011 - 3 ZB 08.721 - zu II 1 b der Gründe). Dieser Erfahrungssatz betrifft auch den Wirkungszusammenhang von erreichtem Lebensalter und Krankheitsanfälligkeit (Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 - zu II 2 b cc (3) (a) der Gründe mwN). Alle bekannten privaten und öffentlichen Systeme der Kranken-, Renten- und Lebensversicherung beruhen auf dieser Erwartung (BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 54, BAGE 128, 238). Entgegen der Ansicht der Klägerin kommen auch nicht lediglich Studien älteren Datums - wie etwa die ILO-Empfehlung Nr. 162 vom 23. Juni 1980 oder der WHO Technical Report Series 835 „Aging and Working Capacity” (dt. Übersetzung: „Altern und Arbeit“ 1994) - zu diesem Ergebnis. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen werden bestätigt zB durch den „Fortschrittsreport ‚Altersgerechte Arbeitswelt“, Ausgabe 3 des Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Stand September 2013). Nach diesem hat sich zwar die körperliche Konstitution besonders für die Altersgruppe der 45- bis 64-Jährigen verbessert (Ziff. 3.1). Dennoch zeigt die Studie weiterhin ein Ansteigen der Anzahl der krankheitsbedingten Fehltage sowie eine Verschlechterung des Gesundheitszustands mit fortschreitendem Lebensalter (Ziff. 4.2, Tabelle 2). Insbesondere bei belastenden Berufen nimmt die Anzahl krankheitsbedingter Fehltage im Alter überproportional zu und der Gesundheitszustand verschlechtert sich überproportional (vgl. Ziff. 4.2). Auch bei einfachen Dienstleistungen und einfachen manuellen Berufen verschlechtert sich der „selbstberichtete Gesundheitszustand in der Altersgruppe 55 bis 64 Jahre im Vergleich zum Durchschnitt“ immer noch deutlich (Ziff. 3.4). Zumindest hinsichtlich dieser Berufe erscheint die Annahme eines größeren Erholungsbedarfs im erhöhten Alter als nicht fehlerhaft (ebenso Reinhard ArbRB 2012, 342, 343). Auch Gegner eines allgemeinen Erfahrungssatzes gestehen zu, dass bei gesundheitlich besonders belastenden Tätigkeiten ein gesteigerter Erholungsbedarf mit zunehmendem Alter angenommen werden kann (v. Roetteken aaO; Däubler/Bertzbach/Brors aaO; Löwisch/Rieble § 1 Rn. 823).

27

Soweit das Landesarbeitsgericht auf die teilweise geforderte Darlegung spezifischer empirischer Untersuchungen bezogen auf die Tätigkeiten im Produktionsbetrieb der Beklagten verzichtet hat, ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Durchführung derartiger Untersuchungen wäre praktisch aufwändig und schwierig (weiter gehend Kasprzyk aaO: „unmöglich“). Eine übersteigerte Darlegungslast würde die Einführung freiwilliger Leistungen unzumutbar erschweren. Die Feststellungen durch das Landesarbeitsgericht, dass die Beschäftigten der Beklagten bei der Schuhfertigung körperlich ermüdende und teils schwere Arbeiten leisten, verstärkt durch einen besonderen, prämienbezogenen Zeit- und Qualitätsdruck im Sinne eines Teamakkords, genügt danach als Tatsachenbasis für die Bejahung des dargestellten Erfahrungssatzes.

28

(bb) Der Hinweis auf die fehlende Altersstaffelung in § 3 BUrlG und Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG hilft der Klägerin für die Frage der Legitimität des Zwecks nicht weiter. Die Vorschriften regeln nur die Dauer des Mindesturlaubs und damit das unterste Maß dessen, was nach deutschem und europäischem Urlaubsrecht unabhängig von individuellen Besonderheiten zur Erholung erforderlich ist. Spezifische Charakteristika - wie das Alter oder der physische oder psychische Gesundheitszustand - bleiben bei der Setzung eines einheitlichen Minimalstandards naturgemäß außer Betracht. Auf nationaler Ebene kommt hinzu, dass der Gesetzgeber durchaus gesehen hat, dass es altersabhängig einen unterschiedlichen Erholungsbedarf geben kann, wie etwa § 57 Abs. 2 SeeArbG und § 19 Abs. 2 JArbSchG zeigen(siehe dazu v. Roetteken § 10 Rn. 263).

29

(d) Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die Sicherstellung des Schutzes ihrer Arbeitnehmer nach Vollendung des 58. Lebensjahres als Zweck der zwei weiteren Urlaubstage vorgeschoben hat.

30

(aa) Allerdings ist dieser Zweck nicht unmittelbar der - nicht schriftlich fixierten - Regelung zu entnehmen. Nennt eine Regelung oder Maßnahme kein Ziel, müssen zumindest aus dem Kontext abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter der Regelung oder der Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen, um die Legitimität des Ziels sowie die Angemessenheit und die Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüfen zu können (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 19 mwN, BAGE 141, 73; vgl. zur Richtlinie 2000/78/EG: EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 39 mwN, Slg. 2011, I-6919).

31

(bb) Wenn eine Tarifregelung die Urlaubsdauer nach dem Lebensalter staffelt, liegt die Annahme nahe, die Tarifvertragsparteien hätten einem mit zunehmendem Alter gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollen (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 23, BAGE 141, 73). Diese Annahme darf freilich nicht durch die konkrete Wahl der Altersgrenze(n) widerlegt werden, wie dies bei § 26 TVöD aF, der zusätzliche Urlaubstage bereits ab dem 30. Lebensjahr vorsah, der Fall war (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 24 ff., aaO).

32

(cc) Es ist kein Grund ersichtlich, bei einer individualrechtlichen Regelung nicht ebenfalls grundsätzlich davon auszugehen, dass mit einer Altersgrenze für die Gewährung zusätzlichen Urlaubs einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer Rechnung getragen werden soll. Diese Annahme erscheint umso mehr gerechtfertigt, wenn sie wie hier mit der Anerkennung eines Erfahrungssatzes bezüglich des gesteigerten Erholungsbedarfs bei körperlich belastenden Berufen korreliert. Hinzu kommt, dass die ständige Übung der Beklagten inhaltlich einer einschlägigen tarifvertraglichen Regelung entspricht. So sah der persönlich, fachlich und räumlich einschlägige Manteltarifvertrag vom 23. April 1997, abgeschlossen zwischen dem Hauptverband der Deutschen Schuhindustrie e. V. und der Gewerkschaft Leder sowie der IG BCE, für gewerbliche Arbeitnehmer in § 17 Ziff. 4 Buchst. a ab dem 58. Lebensjahr ebenfalls zwei zusätzliche Urlaubstage vor. Diese Regelung war im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht nicht durch eine neue Bestimmung abgeändert.

33

(dd) Schließlich widerlegt die Altersgrenze von 58 Lebensjahren nicht den Zweck, mit zwei weiteren Urlaubstagen im Kalenderjahr dem gesteigerten Erholungsbedürfnis Rechnung zu tragen. Dabei kann dahinstehen, ab welchem Alter die Annahme, der zusätzliche Urlaub diene dem höheren Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG, nicht mehr ohne Weiteres aufrechterhalten bzw. als widerlegt erachtet werden kann. Der Senat hat in der Entscheidung vom 20. März 2012 gemäß dem Rechtsgedanken aus § 417 Abs. 1 SGB III eine Altersgrenze von 50 Lebensjahren für die Einordnung als älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG in Betracht gezogen(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73; vgl. zu einer solchen Altersgrenze für die Gewährung zusätzlicher Urlaubstage: Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 -). Das Landesarbeitsgericht hat ergänzend darauf verwiesen, dass Leitlinie 17 der Entscheidung des Rates vom 12. Juli 2005 über Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten (2005/600/EG) Arbeitskräfte ab Vollendung des 55. Lebensjahres als ältere Arbeitnehmer erachtet und die WHO-Studiengruppe „Altern und Arbeit“ aus arbeitsmedizinischer Sicht wegen auftretender Schwierigkeiten in Arbeit und Beruf eine Grenze ab dem 45. Lebensjahr angenommen hat (zu A II 15 b bb (3) (b) der Gründe). Das Berufungsgericht hat damit nachvollziehbar begründet, warum es davon ausgeht, dass die Urlaubsregelung einem legitimen Zweck iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG dient und es diesen Zweck nicht lediglich als von der Beklagten vorgeschoben erachtet.

34

(2) Die Regelung ist geeignet, den in § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG beschriebenen Zweck zu fördern. Insbesondere kann die Klägerin nicht mit dem Argument gehört werden, dass die Gewährung von lediglich zwei Urlaubstagen ungeeignet sei, einen altersbedingt erhöhten Erholungsbedarf auszugleichen. Die Geeignetheit ist nicht deshalb zu verneinen, weil ein gestiegener Erholungsbedarf unter Umständen nicht vollständig, sondern nur partiell ausgeglichen wird. Gerade angesichts des vom Arbeitgeber bei einer freiwilligen Leistung selbst gesetzten Dotierungsrahmens wäre die Beschränkung auf einen Teilausgleich nachvollziehbar und zulässig. Zudem haben auch die Tarifvertragsparteien angesichts der Tätigkeit eines Produktionsmitarbeiters in der Schuhbranche zwei Tage Urlaub für geeignet und ausreichend erachtet. Dass die Beklagte sich die von den Sozialpartnern ausgehandelte Regelung zu eigen macht und im Rahmen ihres Ermessensspielraums eine entsprechende Regelung trifft, ist unter dem Aspekt der Geeignetheit der Regelung nicht zu beanstanden.

35

(3) Die Regelung ist auch erforderlich und angemessen (§ 10 Satz 2 AGG). Mildere Mittel, die in gleicher Weise den Schutz älterer Arbeitnehmer verwirklichen könnten, sind nicht ersichtlich.

36

(a) Die Wahl einer anderen, niedrigeren Altersgrenze stellte kein gleich wirksames, milderes Mittel mit geringerem altersspezifischen Effekt dar. Es handelte sich vielmehr um eine andere Maßnahme mit einem erhöhtem Dotierungsrahmen.

37

(b) Eine niedrigere Altersgrenze verbunden mit nur einem weiteren Urlaubstag im Kalenderjahr müsste zwar nicht zwingend zu einer Erhöhung des Dotierungsrahmens führen. Allerdings hätten dann Arbeitnehmer nach Vollendung des 58. Lebensjahres nicht mehr Anspruch auf den zweiten weiteren Urlaubstag, den die Beklagte im Einklang mit dem einschlägigen Tarifvertrag angesichts des gesteigerten Erholungsbedarfs im höheren Alter in der Schuhproduktion für notwendig erachtet. Der Gestaltungs- und Ermessensspielraum der Beklagten lässt auch im Rahmen der Erforderlichkeit und Angemessenheit die von ihr angewandte Regelung zu. Die Interessen der Beteiligten werden hinreichend berücksichtigt. Es werden lediglich in Übereinstimmung mit dem Abwägungsergebnis der Tarifvertragsparteien die Interessen der über 58-Jährigen an einem zusätzlichen Urlaubstag höher gewichtet als die Interessen der übrigen Beschäftigten, schon im jüngeren Alter einen zusätzlichen Urlaubstag zu erhalten.

38

(c) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Beklagte nicht verpflichtet, zusätzliche Urlaubstage nur nach dem individuell ermittelten Erholungsbedarf unter Einbeziehung altersunabhängiger Belastungsfaktoren, wie der Pflege und Betreuung von Kindern, sowie unter Berücksichtigung des individuellen Alterungsprozesses zu gewähren. Zwar mag es zutreffen, dass es weitere Belastungsfaktoren gibt, die zu einem gesteigerten Erholungsbedarf führen können. Jedoch wäre eine solche individuelle Regelung in vielerlei Hinsicht praktisch nicht oder nur mit großen Schwierigkeiten handhabbar. Dies gilt nicht nur bezüglich der Gewichtung der einzelnen (persönlichen) Belastungsfaktoren untereinander, sondern vor allem auch für deren Ermittlung durch die Beklagte. Auch der Gerichtshof der Europäischen Union hat anerkannt, dass bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Regelung im Hinblick auf das Verbot der Altersdiskriminierung zu beachten ist, dass die fragliche Regelung in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht handhabbar bleiben müsse, und deshalb nicht generell verlangt werden könne, dass immer jeder Einzelfall individuell geprüft werde (EuGH 19. Juni 2014 - C-501/12 ua. - [Specht ua.] Rn. 78). Unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten darf der Arbeitgeber daher im Sinne einer typisierenden Betrachtung in Ausübung seines Gestaltungsspielraums auch einen Grund für ein gesteigertes Erholungsbedürfnis - wie etwa das Alter in belastenden Berufen - als Differenzierungskriterium heranziehen. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG enthält kein Gebot, die dort genannten typischerweise besonders schutzbedürftigen Personengruppen (Jugendliche, ältere Beschäftigte und Personen mit Fürsorgepflichten) hinsichtlich besonderer Arbeitsbedingungen gleich zu behandeln.

39

2. Aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz folgt ebenfalls kein Anspruch der Klägerin auf die begehrten zwei zusätzlichen Urlaubstage. Ist - wie hier - die unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmergruppen aus einem in § 1 AGG genannten Grund unter den im AGG normierten Voraussetzungen zulässig, ist auch der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt(ebenso bezüglich des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes: BAG 17. September 2013 - 3 AZR 686/11 - Rn. 25 mwN). Eine sachwidrige Ungleichbehandlung kommt angesichts der Rechtfertigung gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG nicht in Betracht.

40

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Klose    

        

        

        

    M. Lücke    

        

    Kranzusch    

                 

Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein. Derartige unterschiedliche Behandlungen können insbesondere Folgendes einschließen:

1.
die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlohnung und Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Beschäftigten und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen,
2.
die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile,
3.
die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung auf Grund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder auf Grund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand,
4.
die Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen von Beschäftigten und die Verwendung von Alterskriterien im Rahmen dieser Systeme für versicherungsmathematische Berechnungen,
5.
eine Vereinbarung, die die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, zu dem der oder die Beschäftigte eine Rente wegen Alters beantragen kann; § 41 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch bleibt unberührt,
6.
Differenzierungen von Leistungen in Sozialplänen im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes, wenn die Parteien eine nach Alter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung geschaffen haben, in der die wesentlich vom Alter abhängenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters erkennbar berücksichtigt worden sind, oder Beschäftigte von den Leistungen des Sozialplans ausgeschlossen haben, die wirtschaftlich abgesichert sind, weil sie, gegebenenfalls nach Bezug von Arbeitslosengeld, rentenberechtigt sind.

(1) In der schriftlichen Vereinbarung zwischen dem Träger der Eingliederungshilfe und dem Leistungserbringer sind zu regeln:

1.
Inhalt, Umfang und Qualität einschließlich der Wirksamkeit der Leistungen der Eingliederungshilfe (Leistungsvereinbarung) und
2.
die Vergütung der Leistungen der Eingliederungshilfe (Vergütungsvereinbarung).

(2) In die Leistungsvereinbarung sind als wesentliche Leistungsmerkmale mindestens aufzunehmen:

1.
der zu betreuende Personenkreis,
2.
die erforderliche sächliche Ausstattung,
3.
Art, Umfang, Ziel und Qualität der Leistungen der Eingliederungshilfe,
4.
die Festlegung der personellen Ausstattung,
5.
die Qualifikation des Personals sowie
6.
soweit erforderlich, die betriebsnotwendigen Anlagen des Leistungserbringers.
Soweit die Erbringung von Leistungen nach § 116 Absatz 2 zu vereinbaren ist, sind darüber hinaus die für die Leistungserbringung erforderlichen Strukturen zu berücksichtigen.

(3) Mit der Vergütungsvereinbarung werden unter Berücksichtigung der Leistungsmerkmale nach Absatz 2 Leistungspauschalen für die zu erbringenden Leistungen unter Beachtung der Grundsätze nach § 123 Absatz 2 festgelegt. Förderungen aus öffentlichen Mitteln sind anzurechnen. Die Leistungspauschalen sind nach Gruppen von Leistungsberechtigten mit vergleichbarem Bedarf oder Stundensätzen sowie für die gemeinsame Inanspruchnahme durch mehrere Leistungsberechtigte (§ 116 Absatz 2) zu kalkulieren. Abweichend von Satz 1 können andere geeignete Verfahren zur Vergütung und Abrechnung der Fachleistung unter Beteiligung der Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderungen vereinbart werden.

(4) Die Vergütungsvereinbarungen mit Werkstätten für behinderte Menschen und anderen Leistungsanbietern berücksichtigen zusätzlich die mit der wirtschaftlichen Betätigung in Zusammenhang stehenden Kosten, soweit diese Kosten unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse beim Leistungserbringer und der dort beschäftigten Menschen mit Behinderungen nach Art und Umfang über die in einem Wirtschaftsunternehmen üblicherweise entstehenden Kosten hinausgehen. Können die Kosten im Einzelfall nicht ermittelt werden, kann hierfür eine Vergütungspauschale vereinbart werden. Das Arbeitsergebnis des Leistungserbringers darf nicht dazu verwendet werden, die Vergütung des Trägers der Eingliederungshilfe zu mindern.

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 7. September 2012 - 6 Sa 709/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe des jährlichen Urlaubsanspruchs.

2

Die Beklagte stellt Schuhe her. Die am 10. April 1960 geborene Klägerin ist bei ihr seit dem 1. Juli 1994 als Produktionsmitarbeiterin beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 13. November 2000 ist ua. vereinbart, dass der jährliche Urlaubsanspruch 34 Arbeitstage beträgt. Die Beklagte gewährt allen Arbeitnehmern, die das 58. Lebensjahr vollendet haben, 36 Arbeitstage Jahresurlaub, ohne dass individuelle Vereinbarungen über einen höheren Jahresurlaub vorliegen. Die übrigen Beschäftigten erhalten jährlich 34 Urlaubstage.

3

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Urlaubsregelung sei altersdiskriminierend. Die Behauptung, ältere Mitarbeiter benötigten im Produktionsbetrieb längere Erholungsphasen, sei durch die darlegungsbelastete Beklagte nicht dargetan. Das Bundesurlaubsgesetz stelle bezüglich der Dauer des Urlaubs weder auf die physische Belastung noch auf das Alter der Arbeitnehmer ab. Die Beklagte habe keinen Grund genannt, warum ein gesteigertes Erholungsbedürfnis ausgerechnet mit 58 Jahren eintrete. Zudem könne mit lediglich zwei zusätzlichen Urlaubstagen ein etwaiger höherer Erholungsbedarf nicht ausgeglichen werden. Bei einem stetig steigenden Erholungsbedarf müsste jedenfalls auch die Urlaubsdauer gestaffelt werden. Bei anderen Arbeitnehmergruppen sei ein erhöhter Erholungsbedarf nachvollziehbar. Diese würden jedoch nicht begünstigt. So seien jüngere Arbeitnehmer durch Familie und Beruf oftmals stärker beansprucht als ältere. Die Beklagte habe ihr zur Beseitigung der Diskriminierung jährlich zwei weitere Urlaubstage zu gewähren.

4

Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt

        

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr 36 Arbeitstage Erholungsurlaub zu gewähren.

5

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, ihre Urlaubsregelung beinhalte keine Diskriminierung. Nach der Lebenserfahrung benötigten ältere Arbeitnehmer, die körperlich ermüdende und schwere Arbeiten verrichten, längere Erholungszeiten als jüngere. Zwei zusätzliche Urlaubstage seien angemessen.

6

Das Arbeitsgericht hat die Klage - soweit für die Revision von Bedeutung - abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Feststellungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass die Beklagte nicht verpflichtet ist, der Klägerin auch schon vor der Vollendung der 58. Lebensjahres insgesamt 36 Arbeitstage Erholungsurlaub pro Jahr zu gewähren.

8

I. Die Klage ist in der gebotenen Auslegung zulässig, insbesondere besteht das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.

9

1. Der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit einer Klage, mit der ein Arbeitnehmer den Umfang des ihm zustehenden Urlaubs gerichtlich festgestellt wissen will, nicht entgegen (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 9, BAGE 141, 73; 12. April 2011 - 9 AZR 80/10 - Rn. 13 ff., BAGE 137, 328).

10

2. Die am 10. April 1960 geborene Klägerin hat ein rechtlich anerkennenswertes Interesse daran, alsbald zu erfahren, ob ihr bereits vor der Vollendung ihres 58. Lebensjahres zwei weitere Urlaubstage pro Jahr zustehen. Ihr Antrag bezieht sich dem Wortlaut nach zwar auf den gesamten Jahresurlaub. Er kann jedoch so ausgelegt werden, dass er sich nur auf zwei weitere Urlaubstage im Kalenderjahr bezieht. Zwischen den Parteien besteht kein Streit, dass der Klägerin die vertraglich vereinbarten 34 Urlaubstage pro Jahr zustehen. Die Klägerin hat im Laufe des Verfahrens deutlich gemacht, dass der Antrag auf die Feststellung des Bestehens zweier zusätzlicher Urlaubstage gerichtet ist. Darüber hinaus hat das Landesarbeitsgericht den Klageantrag zutreffend so verstanden, dass er vergangene Urlaubsjahre nicht erfasst. Es handelt sich um einen gegenwartsbezogenen Feststellungsantrag, für dessen Entscheidung grundsätzlich auf die Sachlage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht abzustellen ist (vgl. BAG 15. Mai 2013 - 7 AZR 494/11 - Rn. 15 ff.).

11

II. Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen vor Vollendung ihres 58. Lebensjahres nicht gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 iVm. § 7 Abs. 1 und Abs. 2 AGG zwei weitere Urlaubstage zu. Die Urlaubsregelung ist nicht gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam und führt somit bezüglich der Dauer des Urlaubs der Klägerin nicht zu einer „Anpassung nach oben“(siehe dazu BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 27 ff., BAGE 141, 73; vgl. aber auch BAG 14. Mai 2013 - 1 AZR 44/12 - Rn. 25, BAGE 145, 113).

12

1. Es liegt zwar eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor. Diese ist jedoch gemäß § 10 Satz 1, 2 und Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt.

13

a) Nach § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Unter Alter iSd. § 1 AGG ist das Lebensalter zu verstehen. Dies folgt aus dem Wortlaut des Gesetzes und aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/1780 S. 31; BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 14, BAGE 141, 73; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 36, BAGE 129, 181). Eine unmittelbare Benachteiligung ist nach § 3 Abs. 1 AGG gegeben, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Der für eine unmittelbare Benachteiligung erforderliche Kausalzusammenhang ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen oder mehrere in § 1 AGG genannte Gründe anknüpft oder dadurch motiviert ist(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - aaO mwN).

14

b) Daran gemessen liegt eine unmittelbare Ungleichbehandlung wegen des Alters vor. Die Urlaubsregelung knüpft die Gewährung von zwei weiteren Urlaubstagen an die Vollendung des 58. Lebensjahres und damit unmittelbar an das Lebensalter der Beschäftigten. Arbeitnehmer, die diese Altersgrenze nicht erreicht haben, werden wegen ihres Alters ungünstiger behandelt.

15

c) Die Ungleichbehandlung ist jedoch gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt. Die Regelung bezweckt bei Berücksichtigung eines Gestaltungs- und Ermessensspielraums der Beklagten den in dieser Bestimmung genannten Schutz älterer Beschäftigter und ist geeignet, erforderlich und angemessen im Sinne von § 10 Satz 2 AGG.

16

aa) Nach § 10 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG konkretisiert ua. das legitime Ziel der Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter, wobei dieser Schutz auch die Festlegung besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließen kann (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73).

17

bb) § 10 AGG dient der Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG L 303 vom 2. Dezember 2000 S. 16) in das nationale Recht (BAG 18. März 2014 - 3 AZR 69/12 - Rn. 21). Der Gesetzgeber hat bei der Umsetzung den Text der Richtlinie nahezu wörtlich in das nationale Recht übernommen. Dessen Regelungen sind unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit der Richtlinie unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auszulegen (vgl. BAG 14. März 2012 - 7 AZR 480/08 - Rn. 30).

18

cc) Dem Arbeitgeber steht bei freiwilligen zusätzlichen Leistungen - wozu auch die Gewährung von übergesetzlichem Mehrurlaub gehört - ein von den Gerichten zu respektierender Gestaltungs- und Ermessensspielraum zu (vgl. zu Leistungen der betrieblichen Altersversorgung: BAG 12. November 2013 - 3 AZR 356/12 - Rn. 28; 12. Februar 2013 - 3 AZR 100/11 - Rn. 31 mwN, BAGE 144, 231). Auch in der Rechtsprechung des EuGH ist anerkannt, dass die Mitgliedstaaten und gegebenenfalls die Sozialpartner auf nationaler Ebene beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts nicht nur bei der Entscheidung, welches konkrete Ziel von mehreren im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik sie verfolgen wollen, sondern auch bei der Festlegung der Maßnahmen zu seiner Erreichung über einen weiten Gestaltungsspielraum verfügen (EuGH 16. Oktober 2007 - C-411/05 - [Palacios de la Villa] Rn. 68, Slg. 2007, I-8531). Diese Erwägungen gelten nach dem EuGH auch für Ziele, die der Arbeitgeber mit einer vertraglichen Regelung verfolgt (vgl. EuGH 26. September 2013 - C-476/11 - [HK Danmark] Rn. 61).

19

dd) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Benachteiligung der Arbeitnehmer der Beklagten, die das 58. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, gerechtfertigt.

20

(1) Die Beklagte gewährt den Arbeitnehmern in ihrem Produktionsbetrieb nach der Vollendung des 58. Lebensjahres aufgrund ihres gesteigerten Erholungsbedürfnisses zwei weitere Urlaubstage im Kalenderjahr und bezweckt damit die Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG. Da dieser Schutz die Festlegung besonderer Arbeitsbedingungen einschließt (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73), unterfallen ihm auch zusätzliche Urlaubstage.

21

(a) Das AGG definiert in § 10 Satz 3 Nr. 1 - ebenso wie Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG - nicht, wann ein Beschäftigter „älter“ im Sinne der Norm ist (vgl. zum herkömmlichen Verständnis: BAG 18. September 2014 - 6 AZR 636/13 - Rn. 44). Nach dem Sinn und Zweck des Benachteiligungsverbots reicht es ohne das Vorliegen anderer Differenzierungsgründe nicht aus, dass das Alter der begünstigten Arbeitnehmer höher ist als das Alter der nicht begünstigten. Dementsprechend hat der Senat angenommen, ein Arbeitnehmer sei nach der Vollendung seines 31. Lebensjahres offensichtlich noch kein älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 55, BAGE 132, 210). Aus dem systematischen Zusammenhang mit § 10 Satz 1 AGG und aus dem Regelungszweck folgt, dass die begünstigten Arbeitnehmer aufgrund ihres Alters der Förderung bei der beruflichen Eingliederung oder des Schutzes bedürfen müssen.

22

(aa) Der Senat ist in seiner Entscheidung vom 20. März 2012 nicht davon ausgegangen, dass mit zunehmenden Alter das Erholungsbedürfnis von Arbeitnehmern steige. Er hat allerdings ab einem bestimmten Alter - konkret: bei über 50- oder über 60-jährigen Beschäftigten - ein altersbedingt gesteigertes Erholungsbedürfnis für „eher nachvollziehbar“ gehalten (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 24 f., BAGE 141, 73).

23

(bb) Das Landesarbeitsgericht hat in Übereinstimmung mit der überwiegenden Auffassung im Schrifttum als Erfahrungssatz angenommen, dass mit zunehmenden Alter das Erholungsbedürfnis von Arbeitnehmern steigt (so auch Tempelmann/Stenslik DStR 2011, 1183, 1185 f.; Lingemann/Gotham NZA 2007, 663, 666; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 143 f.; Waltermann NZA 2005, 1265, 1269; Over Das Verbot der Altersdiskriminierung im Arbeitsrecht nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz S. 231; Küttner/Kania Personalbuch 2014 Diskriminierung Rn. 90; vgl. auch Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 - zu II 2 b cc (3) (a) der Gründe mwN). Diese Ansicht ist allerdings nicht unumstritten. So wird auf die Individualität der Alterungsprozesse und den fehlenden Nachweis von Altersklassen mit spezifischem Erholungsbedarf hingewiesen (Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 1 Rn. 822). Die Aufstellung eines generellen Erfahrungssatzes soll dem traditionellen Bild vom „alten Arbeitnehmer“ entsprechen (Däubler/Bertzbach/Brors 3. Aufl. § 10 Rn. 43). Auch wird hervorgehoben, dass der Gesetzgeber in § 3 BUrlG bezüglich der Dauer des Urlaubs nicht nach dem Lebensalter der Arbeitnehmer unterscheide und demnach nicht von einem unterschiedlichen Erholungsbedürfnis ausgehe(Bertelsmann in Rust/Falke AGG § 10 Rn. 93). Auch auf europäischer Ebene sehe Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG vier Wochen Urlaub einheitlich für alle Berufsgruppen altersunabhängig vor(v. Roetteken AGG Stand September 2014 § 10 Rn. 262). Verlangt wird zumindest die Darlegung eines empirischen Befunds zum steigenden Erholungsbedarf unter Beachtung der Tätigkeit bevorzugter Arbeitnehmer (Däubler/Bertzbach/Brors aaO; aA Kasprzyk Altersdiskriminierung im deutschen Arbeitsrecht S. 185).

24

(b) Erfahrungssätze sind Hilfsmittel. Die Feststellung von allgemein anerkannten Erfahrungssätzen ist als Tatfrage den Tatsachengerichten vorbehalten. Dabei ist es diesen nicht verwehrt, das Bestehen oder Nichtbestehen eines Erfahrungssatzes zu beurteilen, wenn sie dazu über ausreichende Sachkunde und Lebenserfahrung verfügen. Andernfalls haben sie sich der Hilfe eines Sachverständigen zu bedienen. Die Zuziehung eines Sachverständigen zur Unterstützung des Gerichts ist gemäß § 144 Abs. 1 ZPO durch die Tatsachengerichte stets nach pflichtgemäßen Ermessen zu prüfen(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 65 mwN, BAGE 132, 210; vgl. allg. zu Erfahrungssätzen: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 73. Aufl. Einf. § 284 Rn. 22).

25

(c) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass das Landesarbeitsgericht von der Zuziehung eines Sachverständigen abgesehen hat. Dieses durfte aufgrund der von ihm festgestellten körperlich anstrengenden Tätigkeiten im Produktionsbetrieb der Beklagten auch ohne Sachverständigengutachten annehmen, dass das Erholungsbedürfnis der dort beschäftigten Arbeitnehmer mit zunehmenden Alter steigt. Ob es einen tätigkeitsunabhängigen generellen Zusammenhang zwischen dem Erholungsbedarf und dem Alter gibt (so etwa Kamanabrou aaO), kann dahinstehen.

26

(aa) Die Annahme eines Erfahrungssatzes dahin gehend, dass bei körperlich belastenden Berufen das Erholungsbedürfnis im höheren Alter steigt, begegnet keinen Bedenken. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die physische Belastbarkeit mit zunehmendem Alter abnimmt (etwa BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 67 mwN, BAGE 132, 210; Bayerischer VGH 24. Oktober 2011 - 3 ZB 08.721 - zu II 1 b der Gründe). Dieser Erfahrungssatz betrifft auch den Wirkungszusammenhang von erreichtem Lebensalter und Krankheitsanfälligkeit (Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 - zu II 2 b cc (3) (a) der Gründe mwN). Alle bekannten privaten und öffentlichen Systeme der Kranken-, Renten- und Lebensversicherung beruhen auf dieser Erwartung (BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 54, BAGE 128, 238). Entgegen der Ansicht der Klägerin kommen auch nicht lediglich Studien älteren Datums - wie etwa die ILO-Empfehlung Nr. 162 vom 23. Juni 1980 oder der WHO Technical Report Series 835 „Aging and Working Capacity” (dt. Übersetzung: „Altern und Arbeit“ 1994) - zu diesem Ergebnis. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen werden bestätigt zB durch den „Fortschrittsreport ‚Altersgerechte Arbeitswelt“, Ausgabe 3 des Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Stand September 2013). Nach diesem hat sich zwar die körperliche Konstitution besonders für die Altersgruppe der 45- bis 64-Jährigen verbessert (Ziff. 3.1). Dennoch zeigt die Studie weiterhin ein Ansteigen der Anzahl der krankheitsbedingten Fehltage sowie eine Verschlechterung des Gesundheitszustands mit fortschreitendem Lebensalter (Ziff. 4.2, Tabelle 2). Insbesondere bei belastenden Berufen nimmt die Anzahl krankheitsbedingter Fehltage im Alter überproportional zu und der Gesundheitszustand verschlechtert sich überproportional (vgl. Ziff. 4.2). Auch bei einfachen Dienstleistungen und einfachen manuellen Berufen verschlechtert sich der „selbstberichtete Gesundheitszustand in der Altersgruppe 55 bis 64 Jahre im Vergleich zum Durchschnitt“ immer noch deutlich (Ziff. 3.4). Zumindest hinsichtlich dieser Berufe erscheint die Annahme eines größeren Erholungsbedarfs im erhöhten Alter als nicht fehlerhaft (ebenso Reinhard ArbRB 2012, 342, 343). Auch Gegner eines allgemeinen Erfahrungssatzes gestehen zu, dass bei gesundheitlich besonders belastenden Tätigkeiten ein gesteigerter Erholungsbedarf mit zunehmendem Alter angenommen werden kann (v. Roetteken aaO; Däubler/Bertzbach/Brors aaO; Löwisch/Rieble § 1 Rn. 823).

27

Soweit das Landesarbeitsgericht auf die teilweise geforderte Darlegung spezifischer empirischer Untersuchungen bezogen auf die Tätigkeiten im Produktionsbetrieb der Beklagten verzichtet hat, ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Durchführung derartiger Untersuchungen wäre praktisch aufwändig und schwierig (weiter gehend Kasprzyk aaO: „unmöglich“). Eine übersteigerte Darlegungslast würde die Einführung freiwilliger Leistungen unzumutbar erschweren. Die Feststellungen durch das Landesarbeitsgericht, dass die Beschäftigten der Beklagten bei der Schuhfertigung körperlich ermüdende und teils schwere Arbeiten leisten, verstärkt durch einen besonderen, prämienbezogenen Zeit- und Qualitätsdruck im Sinne eines Teamakkords, genügt danach als Tatsachenbasis für die Bejahung des dargestellten Erfahrungssatzes.

28

(bb) Der Hinweis auf die fehlende Altersstaffelung in § 3 BUrlG und Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG hilft der Klägerin für die Frage der Legitimität des Zwecks nicht weiter. Die Vorschriften regeln nur die Dauer des Mindesturlaubs und damit das unterste Maß dessen, was nach deutschem und europäischem Urlaubsrecht unabhängig von individuellen Besonderheiten zur Erholung erforderlich ist. Spezifische Charakteristika - wie das Alter oder der physische oder psychische Gesundheitszustand - bleiben bei der Setzung eines einheitlichen Minimalstandards naturgemäß außer Betracht. Auf nationaler Ebene kommt hinzu, dass der Gesetzgeber durchaus gesehen hat, dass es altersabhängig einen unterschiedlichen Erholungsbedarf geben kann, wie etwa § 57 Abs. 2 SeeArbG und § 19 Abs. 2 JArbSchG zeigen(siehe dazu v. Roetteken § 10 Rn. 263).

29

(d) Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die Sicherstellung des Schutzes ihrer Arbeitnehmer nach Vollendung des 58. Lebensjahres als Zweck der zwei weiteren Urlaubstage vorgeschoben hat.

30

(aa) Allerdings ist dieser Zweck nicht unmittelbar der - nicht schriftlich fixierten - Regelung zu entnehmen. Nennt eine Regelung oder Maßnahme kein Ziel, müssen zumindest aus dem Kontext abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter der Regelung oder der Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen, um die Legitimität des Ziels sowie die Angemessenheit und die Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüfen zu können (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 19 mwN, BAGE 141, 73; vgl. zur Richtlinie 2000/78/EG: EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 39 mwN, Slg. 2011, I-6919).

31

(bb) Wenn eine Tarifregelung die Urlaubsdauer nach dem Lebensalter staffelt, liegt die Annahme nahe, die Tarifvertragsparteien hätten einem mit zunehmendem Alter gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollen (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 23, BAGE 141, 73). Diese Annahme darf freilich nicht durch die konkrete Wahl der Altersgrenze(n) widerlegt werden, wie dies bei § 26 TVöD aF, der zusätzliche Urlaubstage bereits ab dem 30. Lebensjahr vorsah, der Fall war (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 24 ff., aaO).

32

(cc) Es ist kein Grund ersichtlich, bei einer individualrechtlichen Regelung nicht ebenfalls grundsätzlich davon auszugehen, dass mit einer Altersgrenze für die Gewährung zusätzlichen Urlaubs einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer Rechnung getragen werden soll. Diese Annahme erscheint umso mehr gerechtfertigt, wenn sie wie hier mit der Anerkennung eines Erfahrungssatzes bezüglich des gesteigerten Erholungsbedarfs bei körperlich belastenden Berufen korreliert. Hinzu kommt, dass die ständige Übung der Beklagten inhaltlich einer einschlägigen tarifvertraglichen Regelung entspricht. So sah der persönlich, fachlich und räumlich einschlägige Manteltarifvertrag vom 23. April 1997, abgeschlossen zwischen dem Hauptverband der Deutschen Schuhindustrie e. V. und der Gewerkschaft Leder sowie der IG BCE, für gewerbliche Arbeitnehmer in § 17 Ziff. 4 Buchst. a ab dem 58. Lebensjahr ebenfalls zwei zusätzliche Urlaubstage vor. Diese Regelung war im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht nicht durch eine neue Bestimmung abgeändert.

33

(dd) Schließlich widerlegt die Altersgrenze von 58 Lebensjahren nicht den Zweck, mit zwei weiteren Urlaubstagen im Kalenderjahr dem gesteigerten Erholungsbedürfnis Rechnung zu tragen. Dabei kann dahinstehen, ab welchem Alter die Annahme, der zusätzliche Urlaub diene dem höheren Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG, nicht mehr ohne Weiteres aufrechterhalten bzw. als widerlegt erachtet werden kann. Der Senat hat in der Entscheidung vom 20. März 2012 gemäß dem Rechtsgedanken aus § 417 Abs. 1 SGB III eine Altersgrenze von 50 Lebensjahren für die Einordnung als älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG in Betracht gezogen(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73; vgl. zu einer solchen Altersgrenze für die Gewährung zusätzlicher Urlaubstage: Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 -). Das Landesarbeitsgericht hat ergänzend darauf verwiesen, dass Leitlinie 17 der Entscheidung des Rates vom 12. Juli 2005 über Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten (2005/600/EG) Arbeitskräfte ab Vollendung des 55. Lebensjahres als ältere Arbeitnehmer erachtet und die WHO-Studiengruppe „Altern und Arbeit“ aus arbeitsmedizinischer Sicht wegen auftretender Schwierigkeiten in Arbeit und Beruf eine Grenze ab dem 45. Lebensjahr angenommen hat (zu A II 15 b bb (3) (b) der Gründe). Das Berufungsgericht hat damit nachvollziehbar begründet, warum es davon ausgeht, dass die Urlaubsregelung einem legitimen Zweck iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG dient und es diesen Zweck nicht lediglich als von der Beklagten vorgeschoben erachtet.

34

(2) Die Regelung ist geeignet, den in § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG beschriebenen Zweck zu fördern. Insbesondere kann die Klägerin nicht mit dem Argument gehört werden, dass die Gewährung von lediglich zwei Urlaubstagen ungeeignet sei, einen altersbedingt erhöhten Erholungsbedarf auszugleichen. Die Geeignetheit ist nicht deshalb zu verneinen, weil ein gestiegener Erholungsbedarf unter Umständen nicht vollständig, sondern nur partiell ausgeglichen wird. Gerade angesichts des vom Arbeitgeber bei einer freiwilligen Leistung selbst gesetzten Dotierungsrahmens wäre die Beschränkung auf einen Teilausgleich nachvollziehbar und zulässig. Zudem haben auch die Tarifvertragsparteien angesichts der Tätigkeit eines Produktionsmitarbeiters in der Schuhbranche zwei Tage Urlaub für geeignet und ausreichend erachtet. Dass die Beklagte sich die von den Sozialpartnern ausgehandelte Regelung zu eigen macht und im Rahmen ihres Ermessensspielraums eine entsprechende Regelung trifft, ist unter dem Aspekt der Geeignetheit der Regelung nicht zu beanstanden.

35

(3) Die Regelung ist auch erforderlich und angemessen (§ 10 Satz 2 AGG). Mildere Mittel, die in gleicher Weise den Schutz älterer Arbeitnehmer verwirklichen könnten, sind nicht ersichtlich.

36

(a) Die Wahl einer anderen, niedrigeren Altersgrenze stellte kein gleich wirksames, milderes Mittel mit geringerem altersspezifischen Effekt dar. Es handelte sich vielmehr um eine andere Maßnahme mit einem erhöhtem Dotierungsrahmen.

37

(b) Eine niedrigere Altersgrenze verbunden mit nur einem weiteren Urlaubstag im Kalenderjahr müsste zwar nicht zwingend zu einer Erhöhung des Dotierungsrahmens führen. Allerdings hätten dann Arbeitnehmer nach Vollendung des 58. Lebensjahres nicht mehr Anspruch auf den zweiten weiteren Urlaubstag, den die Beklagte im Einklang mit dem einschlägigen Tarifvertrag angesichts des gesteigerten Erholungsbedarfs im höheren Alter in der Schuhproduktion für notwendig erachtet. Der Gestaltungs- und Ermessensspielraum der Beklagten lässt auch im Rahmen der Erforderlichkeit und Angemessenheit die von ihr angewandte Regelung zu. Die Interessen der Beteiligten werden hinreichend berücksichtigt. Es werden lediglich in Übereinstimmung mit dem Abwägungsergebnis der Tarifvertragsparteien die Interessen der über 58-Jährigen an einem zusätzlichen Urlaubstag höher gewichtet als die Interessen der übrigen Beschäftigten, schon im jüngeren Alter einen zusätzlichen Urlaubstag zu erhalten.

38

(c) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Beklagte nicht verpflichtet, zusätzliche Urlaubstage nur nach dem individuell ermittelten Erholungsbedarf unter Einbeziehung altersunabhängiger Belastungsfaktoren, wie der Pflege und Betreuung von Kindern, sowie unter Berücksichtigung des individuellen Alterungsprozesses zu gewähren. Zwar mag es zutreffen, dass es weitere Belastungsfaktoren gibt, die zu einem gesteigerten Erholungsbedarf führen können. Jedoch wäre eine solche individuelle Regelung in vielerlei Hinsicht praktisch nicht oder nur mit großen Schwierigkeiten handhabbar. Dies gilt nicht nur bezüglich der Gewichtung der einzelnen (persönlichen) Belastungsfaktoren untereinander, sondern vor allem auch für deren Ermittlung durch die Beklagte. Auch der Gerichtshof der Europäischen Union hat anerkannt, dass bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Regelung im Hinblick auf das Verbot der Altersdiskriminierung zu beachten ist, dass die fragliche Regelung in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht handhabbar bleiben müsse, und deshalb nicht generell verlangt werden könne, dass immer jeder Einzelfall individuell geprüft werde (EuGH 19. Juni 2014 - C-501/12 ua. - [Specht ua.] Rn. 78). Unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten darf der Arbeitgeber daher im Sinne einer typisierenden Betrachtung in Ausübung seines Gestaltungsspielraums auch einen Grund für ein gesteigertes Erholungsbedürfnis - wie etwa das Alter in belastenden Berufen - als Differenzierungskriterium heranziehen. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG enthält kein Gebot, die dort genannten typischerweise besonders schutzbedürftigen Personengruppen (Jugendliche, ältere Beschäftigte und Personen mit Fürsorgepflichten) hinsichtlich besonderer Arbeitsbedingungen gleich zu behandeln.

39

2. Aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz folgt ebenfalls kein Anspruch der Klägerin auf die begehrten zwei zusätzlichen Urlaubstage. Ist - wie hier - die unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmergruppen aus einem in § 1 AGG genannten Grund unter den im AGG normierten Voraussetzungen zulässig, ist auch der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt(ebenso bezüglich des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes: BAG 17. September 2013 - 3 AZR 686/11 - Rn. 25 mwN). Eine sachwidrige Ungleichbehandlung kommt angesichts der Rechtfertigung gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG nicht in Betracht.

40

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Klose    

        

        

        

    M. Lücke    

        

    Kranzusch    

                 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 12. Dezember 2013 - 2 Ca 1627/13 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass der Klägerin ein kalenderjährlicher Urlaubsanspruch in Höhe von 27 Arbeitstagen zusteht.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtstreits hat die Klägerin 60 % und die Beklagte 40 % zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe des jährlichen Urlaubsanspruchs.

2

Die am ... 1980 geborene Klägerin ist bei der Beklagten, die in H ein Hotel betreibt, seit dem 2. September 1999 als Bankett- und Reservierungsassistentin zu einem Bruttomonatsentgelt von 1.712,- € beschäftigt (Arbeitsvertrag vom 16. April 2003, Bl. 5 f. d. A. sowie Änderungsvertrag vom 26. April 2012, Bl. 13 d. A.).

3

Kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit findet der Manteltarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe Sachsen-Anhalt (im Folgenden: MTV), abgeschlossen zwischen der D. Sachsen-Anhalt e. V. und der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten, Landesbezirk Ost, vom 18. Mai 2002 - wieder in Kraft gesetzt mit Wirkung vom 01. April 2007 durch Protokollnotiz der Tarifvertragsparteien vom 30. März 2007 - Anwendung. Dieser bestimmt zum Erholungsurlaub u.a.:

4

㤠7 Urlaub

5

(1) Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr.

6

(2) Der Urlaubsanspruch der Arbeitnehmer staffelt sich nach dem Lebensalter It. Nachstehender Tabelle:

7

 Lebensalter

 Anzahl d. Urlaubstage

 bis 25 Jahre

 23 Arbeitstage

 ab 26 Jahre

 24 Arbeitstage

 ab 31 Jahre

 25 Arbeitstage

 ab 40 Jahre

 27 Arbeitstage

 ab 50 Jahre

 30 Arbeitstage

8

Als Urlaubstage - Arbeitstage gelten die Tage Montag bis Freitag, soweit sie nicht gesetzliche Feiertage sind. Für die Feststellung des Urlaubsanspruchs gilt das Lebensjahr bei Beginn des Kalenderjahres (Stichtag 01.01.) ...

9

(5) Der Urlaub muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Die Übertragung ist nur statthaft, wenn

10

- dringende betriebliche Gründe,

11

- Gründe in der Person des Arbeitnehmers liegen,

12

die dies rechtfertigen. ...“

13

Die Klägerin machte gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 19. April 2013 (Bl. 14 d. A.) unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 20. März 2012 (9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803) die Gewährung eines jährlichen Urlaubsanspruchs von 30 Tagen ab dem Jahre 2012 geltend. Die Beklagte errechnete für die Klägerin demgegenüber entsprechend § 7 MTV einen jährlichen Urlaubsanspruch von 25 Tagen und lehnte eine weitergehende Urlaubsgewährung ab. Für das Jahr 2012 berief sie sich zudem auf den Verfall des erst nach dem 31. März 2013 geltend gemachten weitergehenden Urlaubsanspruchs (Schreiben vom 3. Mai 2013, Bl. 15 d. A.)

14

Mit der am 07. Juni 2013 bei dem Arbeitsgericht Halle eingegangenen und der Beklagten am 26. Juni 2013 zugestellten Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

15

Sie ist der Ansicht, sie habe auch schon vor Vollendung des 50. Lebensjahres einen Anspruch auf jährlich 30 Urlaubstage. Die an das Lebensalter anknüpfende Staffelung des tariflichen Urlaubsanspruchs sei eine Diskriminierung wegen des Alters und diese Ungleichbehandlung jüngerer Arbeitnehmer sei nicht im Sinne von § 10 AGG sachlich gerechtfertigt.

16

Die Klägerin hat beantragt,

17

festzustellen, dass ihr ein kalenderjährlicher Urlaubsanspruch in Höhe von 30 Arbeitstagen zusteht.

18

Die Beklagte hat beantragt,

19

die Klage abzuweisen.

20

Sie ist der Ansicht, die tarifliche Urlaubsstaffelung beinhalte keine Diskriminierung. Die Differenzierung nach dem Lebensalter sei sachlich gerechtfertigt. Der überwiegende Teil der vom Manteltarifvertrag erfassten Arbeitnehmer übe körperlich ermüdende, in Teilen schwere und im Stehen auszuführenden Arbeiten aus. Nach der Lebenserfahrung hätten die Arbeitnehmer in vielen Berufen des Hotel- und Gaststättengewerbes, deren Berufseinstieg regelmäßig mit 16 bis 21 Jahren erfolge, mit zunehmendem Lebensalter ein erhöhtes Erholungsbedürfnis. Dem trage die tarifliche Regelung Rechnung.

21

Das Arbeitsgericht hat der Klage unter Zulassung der Berufung mit dem Urteil vom 12. Dezember 2013 in vollem Umfang stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass die Urlaubsstaffelung nach dem Lebensalter vorliegend gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters verstoße. Die Ungleichbehandlung sei weder durch berufliche Anforderungen sachlich gerechtfertigt noch diene sie dem Schutz älterer Beschäftigter. Aufgrund der Unwirksamkeit der Urlaubsstaffelung habe die Klägerin einen kalenderjährlichen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen. Wegen des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe im Übrigen wird auf Bl. 80 bis 88 d. A. Bezug genommen.

22

Gegen dieses ihr am 05. Februar 2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 28. Februar 2014 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 05. Mai 2014 am 24. April 2014 begründet.

23

Sie ist weiterhin der Ansicht, dass die Ungleichbehandlung aufgrund des Alters in § 7 Abs. 2 MTV gemäß § 10 AGG sachlich gerechtfertigt sei. Mit der Altersstaffelung verfolgten die Tarifvertragsparteien ein legitimes Ziel. Die Regelung trage dem mit zunehmendem Alter aufgrund der körperlichen Beanspruchung gesteigerten Erholungsbedürfnis der Beschäftigten Rechnung und diene damit dem Gesundheitsschutz. Die Berufe in diesem Gewerbe seien von Tätigkeiten geprägt, die überwiegend im Stehen oder Gehen ausgeübt würden. Mit diesen Tätigkeiten gingen Verschleißerscheinungen einher, die bei zunehmendem Alter ein erhöhtes Erholungsbedürfnis zur Folge hätten. Die Beklagte beruft sich hierzu auf eine Information des österreichischen Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, nach der die Arbeit im Hotel- und Gaststättengewerbe hohe körperliche und psychische Anforderungen stelle und häufig zu Fehlbelastungen und daraus resultierenden gesundheitlichen Beschwerden und Erkrankungen führe. Dementsprechend seien beispielsweise Kellner - diese legten arbeitstäglich ca. 10 km zurück - ausdrücklich als gefährdete Berufsgruppe für die Berufskrankheit „Druckschädigung der Nerven“ genannt. Diese Belastungssituation treffe jedoch nicht nur für die Berufsgruppe der Kellner, sondern vielmehr auch für die anderen klassischen Berufe im Gaststätten- und Hotelgewerbe, wie beispielsweise Köche, Zimmerreinigungspersonal, Metzger und Konditoren, zu. Das bedeute, dass die überwiegend auszuübenden Tätigkeiten hohe körperliche Anforderungen an die Beschäftigten stellten und die sich daraus ergebenden gesundheitlichen Beschwerden und Erkrankungen, die in jungen Jahren zwar noch aufgefangen werden könnten, aber sich danach in Fünfjahresstufen zunehmend negativ in der Gesundheit niederschlügen.

24

Das bedeute, dass der zusätzliche Urlaub je nach den angeführten besonderen gesteigerten Bedürfnissen in den genannten Lebensaltersstufen in erster Linie aus Fürsorgegesichtspunkten gewährt werde.

25

Die einzelnen Staffeln in § 7 Abs. 2 MTV seien im Hinblick auf Gesundheitsschutz der Beschäftigten geeignet, erforderlich und angemessen:

26

Sie trügen dem Umstand Rechnung, dass der Berufseinstieg im Hotel- und Gaststättengewerbe üblicherweise mit 16 bis 21 Jahren erfolge. Eine Tätigkeit in der Gastronomie erfolge nur selten mit dem Bildungshintergrund der allgemeinen Hochschulreife. Vielmehr begännen die Auszubildenden ihre Ausbildung bereits nach dem Hauptschulabschluss und damit in der Regel bereits mit dem 16. Lebensjahr. Aufgrund dieses relativ jungen Einstiegsalters werde bereits ab dem 26. Lebensjahr, also nach fünf bis zehn Jahren Arbeitstätigkeit ein zusätzlicher Urlaubstag gewährt, um ihre Berufsfähigkeit und ihr für das Gewerbe entscheidendes positives Aussehen zu ermöglichen. Bereits zu diesem Zeitpunkt sei mit Verschleißerscheinungen zu rechnen. Regelmäßig trete bereits nach dem 25. Lebensjahr ein biologisch bedingter stetiger Verlust der Körperkraft ein. Dazu beruft die Beklagte sich auf den Auszug aus der Studie von Hauer (Seite 4, Anlage B 5, Bl. 140 d. A.). Dieser Bewertung stehe auch die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 20. März 2012 (9 AZR 529/10) nicht entgegen, wonach Beschäftigte, die das 31. Lebensjahr erreicht hätten, noch nicht als ältere Beschäftigte gelten. Die Staffelung in § 7 Abs. 2 MTV stelle nicht auf ein bloßes erhöhtes Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter ab. Vielmehr trage sie den Besonderheiten der Branche Rechnung, indem mit zunehmendem Alter zusätzliche Urlaubstage gewährt werden, weil die physische Belastbarkeit der Beschäftigten bei gleichbleibend anstrengender körperlicher Arbeit sinke.

27

Ebenfalls gerechtfertigt sei die zweite Steigerung mit dem 31. Lebensjahr, da in diesem Alter davon auszugehen sei, dass die Beschäftigten bereits seit zehn bis 15 Jahren anstrengende körperliche Arbeiten ausgeübt hätten. Hinzu komme, dass ab dem 30. Lebensjahr von einem stetigen Abbau der Muskulatur ausgegangen werden könne, der ca. 5 % in einem Zeitraum von 10 Jahren ausmache.

28

Die dritte Steigerung ab dem 40. Lebensjahr diene dazu, die langjährig körperlich belastenden Tätigkeiten sowie die damit einhergehenden körperlichen Verschleißerscheinungen auszugleichen. Die letzte Steigerung ab dem 50. Lebensjahr sei darin begründet, dass zu diesem Zeitpunkt neben der bereits langjährigen körperlichen Beanspruchung und einem regelmäßigen körperlichen Verfall eine gesteigerte Erholungsbedürftigkeit aufgrund des Alters eintrete.

29

Außerdem sei davon auszugehen, dass die in dem Hotel- und Gaststättengewerbe tätigen Beschäftigten besonders auf ein repräsentatives Äußeres zu achten hätten, da der wirtschaftliche Erfolg in dieser mit Erholung und Freizeit, aber auch geschäftlichen sowie gesellschaftlichen Anlässen eng verwobenen Dienstleistungsbranche besonders durch das Personal und dessen entspanntes und erholtes Auftreten bestimmt werde. Unter der Annahme, dass die Pflege dieses Erscheinungsbildes durch eigene Erholung positiv unterstützt und erreicht werde und mit zunehmendem Alter mehr Zeit in Anspruch nehme, werde der Urlaubsanspruch der Beschäftigten mit zunehmendem Alter entsprechend erhöht. Ständiger Stress sei dagegen einem entspannten Äußeren abträglich.

30

Im Übrigen macht die Beklagte geltend, dass das Arbeitsgericht rechtsfehlerhaft nicht die einzelnen Steigerungsstufen geprüft habe, sondern pauschal eine sachliche Rechtfertigung der Staffelung des Urlaubsanspruchs abgelehnt habe.

31

Die Beklagte beantragt,

32

das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 12. Dezember 2012 - 2 Ca 1627/13 abzuändern und die Klage abzuweisen.

33

Die Klägerin beantragt,

34

die Berufung zurückzuweisen.

35

Sie ist weiterhin der Ansicht, dass die Urlaubsregelung in § 7 Abs. 2 MTV altersdiskriminierend sei. Die Altersstaffelung sei weder nach § 8 AGG noch nach § 10 AGG sachlich gerechtfertigt. Es möge zwar sein, dass bestimmte Tätigkeiten mit Gehen und Stehen verbunden seien, jedoch unterscheide die tarifliche Regelung nicht zwischen einzelnen Tätigkeiten und Beschäftigtengruppen. Insbesondere könne sich die Beklagte nicht auf die Berufskrankheit „Druckschädigung“ der Nerven“ berufen. Dabei handele es sich um die Berufskrankheit Nr. 2106 nach der Berufskrankheitenverordnung. Im Merkblatt (Bekanntmachung des MBA vom 01.10.2002, BArbBl. 11/2002, Bl. 165 bis 173 d. A.) seien insbesondere Kellner nicht genannt. Zudem sei die Urlaubsstaffelung in § 7 MTV nicht zur Vermeidung von Berufskrankheiten ergangen. Auch komme es nicht darauf an, ob gesundheitliche Beschwerden und Krankheiten in Fünfjahresstufen zunähmen, da die tarifliche Regelung andere Staffelungen enthalte. Die Beklagte zitiere die Studie von Hauer unvollständig. Auf deren Seite drei (Bl. 174 d. A.) sei ausgewiesen, dass der Rückgang der körperlichen Leistungsfähigkeit ca. 1 % bis 1,5 % pro Jahr ab dem 35. Lebensjahr betrage. Im Übrigen komme es bei einem 30jährigen Beschäftigten, der anstrengende körperliche Arbeiten verrichte, wohl eher zu einem Muskelaufbau bzw. einer Stabilisierung der Muskulatur. Aus alledem ergebe sich, dass die tarifliche Urlaubsstaffelung nach dem Alter willkürlich sei.

36

Wegen des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf die Sitzungsniederschriften sowie die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

37

A. Die an sich statthafte (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 ArbGG) und aufgrund der Berufungszulassung zulässige (auch § 64 Abs. 2 lit. a) ArbGG) Berufung der Beklagten ist von ihr form- und fristgerecht eingelegt und auch begründet worden (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 519, 590 ZPO).

38

B. Die Berufung ist teilweise begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen kalenderjährlichen Urlaubsanspruch in Höhe von 27 Arbeitstagen, nicht jedoch von 30 Arbeitstagen.

39

I. Die Feststellungsklage ist mit der gebotene Auslegung zulässig. Insbesondere besteht das erforderliche Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO).

40

1. Der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit einer Klage, mit der ein Arbeitnehmer den Umfang des ihm zustehenden Urlaubs gerichtlich festgestellt haben will, nicht entgegen (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803, Rn. 9 mwN).

41

2. Die ... 1980 geborene Klägerin hat ein rechtlich anerkanntes Interesse daran, alsbald zu erfahren, ob ihr bereits vor Vollendung des 50. Lebensjahres fünf weitere Urlaubstage pro Jahr zustehen. Ihr Antrag bezieht sich dem Wortlaut nach zwar auf den gesamten Jahresurlaub. Er kann jedoch so ausgelegt werden, dass er sich nur auf fünf weitere Urlaubstage im Kalenderjahr bezieht. Zwischen den Parteien besteht kein Streit, dass der Klägerin die sich aus der Staffelung nach § 7 Abs. 2 MTV ergebenden 25 Urlaubstage pro Jahr zustehen. In der Klagebegründung hat die Klägerin deutlich gemacht, dass ihr Antrag auf die Feststellung des Bestehens fünf zusätzlicher Urlaubstage gerichtet sei (vgl. zu einer solchen Auslegung: BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 10).

42

3. Soweit die Beklagte geltend gemacht hat, dass klarzustellen sei, dass sich der Anspruch der Klägerin lediglich auf den Tariftext in der Fassung aus dem Jahre 2002 beziehe, so bedurfte es dieser Klarstellung nicht. Bei dem Klageantrag handelt es sich um einen gegenwartsbezogenen Feststellungsantrag, für dessen Entscheidung es grundsätzlich auf die Sachlage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht ankommt (vgl. BAG 15. Mai 2013 - 7 AZR 494/11 - NZA 2013; 1267, Rn. 15 ff; BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 10). Spätere Änderungen des Tarifvertrages werden demnach von der Rechtskraft der vorliegenden Entscheidung nicht erfasst.

43

II. Die Klage ist teilweise begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen kalenderjährlichen Urlaubsanspruch von 27 Arbeitstagen. Die Urlaubsstaffelung in § 7 MTV verstößt gegen §§ 1, 3 Abs. 1 AGG, soweit sie Arbeitnehmern, die noch nicht das 40. Lebensjahr vollendet haben, einen kürzeren Urlaub gewährt. Sie ist deshalb insoweit nach § 7 Abs. 1 und Abs. 2 AGG i. V. m. § 134 BGB unwirksam, sodass die Klägerin auch schon vor Vollendung des 40. Lebensjahres einen jährlichen Erholungsurlaubsanspruch in Höhe von 27 Urlaubstagen hat. In diesem Umfang ist der Urlaubsanspruch der Klägerin nach oben anzupassen (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 27 ff; BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 11). Demgegenüber ist die Differenzierung in der Urlaubsstaffelung zwischen Arbeitnehmern, die das 50. Lebensjahr vollendet haben und den jüngeren Arbeitnehmern nach § 10 AGG sachlich gerechtfertigt und damit wirksam.

44

1. Die Regelung in § 7 MTV ist an den Bestimmungen des AGG zu messen, auch wenn der Tarifvertrag vor Inkrafttreten des AGG abgeschlossen worden ist, da es maßgeblich auf den Zeitpunkt der Benachteiligungshandlung ankommt(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803, Rn. 12 mwN). Im Übrigen ist der Tarifvertrag auch 2007 durch eine Protokollnotiz der Tarifvertragsparteien wieder in Kraft gesetzt worden, also zu einem Zeitpunkt, zu dem das 2006 in Kraft getretene AGG bereits galt.

45

2. Die Urlaubsstaffelung in § 7 MTV enthält eine auf dem Merkmal des Alters - dabei ist unter Alter im Sinne von § 1 AGG das Lebensalter zu verstehen(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - AP AGG § 7 Nr. 1 = NZA 2010, 327, Rn. 49) - beruhende Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer, die das 26., 31., 40. oder 50. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Die Gewährung von weiteren Urlaubstagen knüpft an die Vollendung eines bestimmten Lebensalters und damit unmittelbar an das Lebensalter der Beschäftigten an. Arbeitnehmer, die diese Altersgrenze nicht erreicht haben, werden wegen des Alters ungünstiger behandelt. Das ist eine unmittelbare Benachteiligung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803, = Rn. 14 f; BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 12 f.).

46

3. Diese Ungleichbehandlung ist nur wegen der Steigerung ab dem 50. Lebensjahr gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt.

47

a) Bei ihr handelt es sich in allen Altersgrenzen nicht um eine nach § 8 AGG zulässige unterschiedliche Behandlung wegen der beruflichen Anforderungen.

48

(1) Die Urlaubsstaffelungen knüpfen nicht an die Art der auszuübenden Tätigkeit oder die Bedingungen ihrer Ausübung an und stellen auch nicht darauf ab (vgl. dazu ebenfalls: BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803, Rn. 17).

49

(2) Soweit die Beklagte ohne nähere Begründung auf eine allgemeine Lebenserfahrung verweist wonach die Tätigkeiten im Hotel- und Gaststättengewerbe belastender als im Anwendungsbereich des TVöD seien, der der Entscheidung des BAG vom 20. März 2012 (9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803) zugrunde gelegen hat, so genügt dies nicht zur Begründung der sachlichen Rechtfertigung wegen der beruflichen Anforderungen. Aus dem allgemeinen und pauschal vorgenommenen Vergleich mit den Belastungen im öffentlichen Dienst lässt sich eine gesteigerte berufliche Anforderung wegen der Art der auszuübenden Tätigkeiten oder der Bedingungen der Ausübung nicht entnehmen. Dem TVöD unterfallen sehr unterschiedliche Tätigkeiten mit sehr unterschiedlichen Belastungen. Das zeigt sich allein darin, dass die frühere Unterscheidung nach Tarifverträgen zwischen Angestellten und Arbeitern durch Zusammenführung der verschiedenen Regelungswerke aufgegeben worden ist. Letztlich kommt es hierauf aber nicht an. Dem MTV unterfallen ebenfalls sehr unterschiedliche Arbeitnehmergruppen, ohne dass hier eine Differenzierung nach der Art der Belastungen vorgenommen worden wäre. Die Beklagte kann sich insoweit auch nicht auf die von ihr vorgelegte Stellungnahme des für die Arbeitgeberseite tarifschließenden D. Sachsen-Anhalt e. V. vom 08. Mai 2013 (Bl. 38 f. d. A.) berufen. Die Auskunft enthält nur allgemeine Ausführungen zur Kompensation altersbedingter Belastungen. Auf konkrete Verhandlungsinhalte wird darin nicht verwiesen.

50

b) Die Ungleichbehandlung ist lediglich in der letzten Lebensaltersstufe von 50 Jahren im Sinne von § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt. Nur dieser Teil der Regelung bezweckt bei Berücksichtigung eines Gestaltungs- und Ermessensspielraums der Tarifvertragsparteien (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803, Rn. 19; BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 18) den Schutz älterer Beschäftigter und ist geeignet, erforderlich und angemessen im Sinne von § 10 Satz 2 AGG.

51

aa) Die Gewährung zusätzlicher Urlaubstage unterfällt dem Anwendungsbereich des § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG, also der Sicherstellung des Schutzes älterer Arbeitnehmer(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803, Rn. 20; BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 20).

52

bb) § 10 Satz 1 AGG lässt eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters ungeachtet der Regelung des § 8 AGG zu, wenn sie objektiv angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Zudem müssen die Mittel zur Erreichung des Ziels nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG konkretisiert u.a. das legitime Ziel der Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter, wobei dieser Schütz auch die Festlegung besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließen kann (BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 16; BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803, Rn. 20 mwN). Aufgrund der Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG L 303 vom 2. Dezember 2000, S. 16) in nationales Recht durch § 10 AGG sind diese Bestimmungen unionsrechtskonform auszulegen(BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 17).

53

cc) Bei freiwilligen zusätzlichen Leistungen - zu denen auch die Gewährung von übergesetzlichem Mehrurlaub gehört - steht dem Arbeitgeber - und damit auch den Tarifvertragsparteien - ein von den Gerichten zu respektierender Gestaltungs- und Ermessensspielraum zu (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803, Rn. 19; BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12-NZA 2015, 297, Rn. 18).

54

dd) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist nur die Differenzierung in der letzten Stufe sachlich gerechtfertigt.

55

(1) Aufgrund der feststehenden unstreitigen Ungleichbehandlung ist die Klägerin der ihr gemäß § 22 AGG obliegenden Darlegungs- und Beweislast nachgekommen(vgl. zu den Anforderungen nur: BAG 16. Oktober 2014 - 6 AZR 661/12 - zitiert nach Juris, Rn. 45). Demgegenüber hat die Beklagte als diejenige, die sich auf den Rechtfertigungsgrund nach § 10 AGG beruft und deshalb insoweit darlegungs- und beweispflichtig ist(vgl. BAG 24. Januar 2013 - 8 AZR 429/11 - AP AGG § 10 Nr. 2 = NZA 2013, 498, Rn. 47), ausreichende sachliche Gründe nur für die letzte Altersgrenze vorgetragen.

56

(2) Die Tarifvertragsparteien haben das mit der Urlaubsstaffelung verfolgte Ziel nicht ausdrücklich genannt. Das ist jedoch unschädlich.

57

(2.1) Erforderlich, aber auch ausreichend ist, wenn aus dem Kontext abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter der Regelung oder der Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen, um die Legitimität des Ziels sowie die Angemessenheit und die Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich prüfen zu können (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803, Rn. 19; BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 30). Diese Voraussetzung erfüllt die vorliegende Regelung. Wenn eine Tarifregelung die Urlaubsdauer nach dem Lebensalter staffelt, liegt die Annahme nahe, die Tarifvertragsparteien hätten damit einem mit dem zunehmendem Alter gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer Rechnung tragen wollen (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 303, Rn. 23; BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 30). Diese Annahme darf jedoch nicht durch die konkrete Wahl der Altersgrenze(n) widerlegt werden (BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 31).

58

(2.2) Im Streitfall ergibt sich die Anknüpfung an das gesteigerte Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer bereits daraus, dass eine sehr differenzierte Staffelung nach dem Lebensalter vorgenommen worden ist, die insbesondere auch die Gruppe der über 50- jährigen Arbeitnehmer erfasst (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803, Rn. 25).

59

(2.3) Diese Annahme ist auch nicht deshalb widerlegt, weil die Tarifvertragsparteien mit den übrigen Altersstaffelungen Altersgrenzen gewählt haben, die keine ausreichende Grundlage für eine sachliche Rechtfertigung darstellen. Anders als in der Entscheidung des BAG vom 20. März 2012 (9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803, Rn. 23 ff.) haben sich die Tarifvertragsparteien nicht darauf beschränkt, nur solche Altersgrenzen festzulegen, die offensichtlich nicht dem Schutz älterer Arbeitnehmer im Sinne von § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG dienen können. Jede Altersgrenze ist deshalb gesondert auf ihre Wirksamkeit zu prüfen. Aus der Unwirksamkeit einzelner Altersgrenzen kann daher nicht auf die Unwirksamkeit der übrigen Altersgrenzen geschlossen werden. Zudem findet eine Inhaltskontrolle gemäß §§ 305 ff BGB nach § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB nicht statt. Auf das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion (§ 306 BGB) kommt es danach nicht an.

60

(3) Arbeitnehmer des Hotel- und Gaststättengewerbes, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, sind ältere Arbeitnehmer in diesem Sinne, nicht jedoch Arbeitnehmer, die erst das 26., 31. oder 40. Lebensjahr vollendet haben.

61

(3.1) Weder § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG noch Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. A der Richtlinie 2000/78/EG - definieren, wann ein Beschäftigter „älter“ im Sinne der Norm ist. Nach dem Sinn und Zweck des Benachteiligungsverbotes reicht es ohne das Vorliegen anderer Differenzierungsgründe nicht aus, dass das Alter der begünstigten Arbeitnehmer höher ist als das Alter der nicht begünstigten. Aus dem Regelungszweck folgt, dass die begünstigten Arbeitnehmer aufgrund ihres Alters der Förderung bei der beruflichen Eingliederung oder des Schutzes bedürfen müssen (BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 21).

62

(3.2) Die Altersgrenzen von 26 und 31 Jahren sind nicht sachlich gerechtfertigt im Sinne von § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG. Solche Arbeitnehmer sind offensichtlich noch keine älteren Beschäftigten in diesem Sinne (vgl. nur BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - AP AGG § 7 Nr. 1 = NZA 2010, 327, Rn. 55). Nichts anderes gilt auch für das 40. Lebensjahr, selbst dann, wenn die Erholungsbedürftigkeit mit steigendem Lebensalter zunehmen sollte (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803, Rn. 24).

63

Die Beklagte kann sich in Abgrenzung zu diesen Entscheidungen auch mit ihren Ausführungen zu den frühen körperlichen Belastungen im Hotel- und Gaststättengewerbe nicht erfolgreich darauf berufen, dass es der Gesundheitsschutz gebiete, schon ab dem 26. Lebensjahr Differenzierungen vorzunehmen. Die allgemeinen Ausführungen rechtfertigen eine solche Annahme schon offensichtlich nicht. Der behauptete frühe Berufseinstieg steht in keinem nachvollziehbaren Zusammenhang mit dem Alter und der Leistungsfähigkeit. Die Beklagte beruft sich selbst auf die Studie von Hauer, nach der Körperkraft ab dem 25. Lebensjahr stetig sinke (Seite 4 des auszugsweise vorgelegten Dokuments). An anderer Stelle (Seite 3 des auszugsweise vorgelegten Dokuments) stellt Hauer aber klar, dass die körperliche Leistungsfähigkeit ab dem 35. Lebensjahr jährlich um 1 bis 1,5 % sinke. Selbst wenn diese Zahlen als zutreffend unterstellt werden, so fehlt es doch an dem Zusammenhang dieser Studie zur „Kraft und funktionellen Leistung im Alter“ mit den auszuübenden Tätigkeiten. Es ist schon nicht feststellbar, dass für die auszuübenden Tätigkeiten für eine einhundertprozentige Leistung auch einhundert Prozent der Körperkraft des Menschen erforderlich sind. Auch die festgelegten Altersgrenzen entsprechen nicht dieser Studie, bei der es sich, soweit erkennbar, nicht um eine arbeitsmedizinische Untersuchung handelt. Konsequenterweise hätten die Tarifvertragsparteien dann Beschäftigten vor dem 25. Lebensjahr unabhängig von § 19 Abs. 2 JArbSchG entsprechend wie den 26- und 30-Jährigen entsprechend höhere Urlaubsansprüche gewähren müssen. Auch die gewählten Zeiträume widersprechen der Argumentation der Beklagten, die selbst von Fünfjahreszeiträumen ausgeht. Auch die allgemeinen Hinweise auf mögliche Erkrankungen von Kellnern und sonstigen Beschäftigten sowie deren überwiegenden Tätigkeiten im Gehen und Stehen rechtfertigen die Differenzierung ohne konkrete Anknüpfungspunkte an bestimmte Lebensalter nicht. Erst Recht ist der von der Beklagten hergestellte Zusammenhang zwischen den Mehrurlaubstagen und dem äußeren Erscheinungsbild nicht nachvollziehbar.

64

(3.3) Demgegenüber ist für das Hotel- und Gaststättengewerbe anzunehmen, dass es sich bei den Arbeitnehmern, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, um ältere Beschäftigte in diesem Sinne handelt.

65

(3.3.1) Allerdings kann dies noch nicht unmittelbar auf die Entscheidung des BAG vom 20. März 2012 (9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803, Rn. 24) gestützt werden. In dieser Entscheidung ist das BAG nicht davon ausgegangen, dass mit zunehmendem Alter das Erholungsbedürfnis von Arbeitnehmern steige. Vielmehr hat es bei über 50- oder 60-jährigen Beschäftigten ein altersbedingt gesteigertes Erholungsbedürfnis für „eher nachvollziehbar“ gehalten (BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 22).

66

(3.3.2) Im Streitfall kann offen bleiben, ob es einen tätigkeitsunabhängigen generellen Zusammenhang zwischen dem Erholungsbedarf und dem Alter gibt.

67

(3.3.2.1) Generell gilt ein gerichtlicher Erfahrungssatz, dass die physische Belastbarkeit eines Menschen mit zunehmendem Alter abnimmt (BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - AP AGG § 7 Nr. 1 = NZA 2010, 327, Rn. 67). Dieser Erfahrungssatz betrifft auch den Wirkungszusammenhang von erreichtem Lebensalter und Krankheitsanfälligkeit (BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 182 = NZA 2009, 361, Rn. 54).

68

(3.3.2.2) Auch für die vorliegende Altersgrenze des 50. Lebensjahres für den Bereich des Hotel- und Gaststättengewerbes gilt ein Erfahrungssatz, dass ein größerer Erholungsbedarf im erhöhten Alter besteht. Nach der auch vom BAG (21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12- NZA 2015, 297, Rn. 26) in Bezug genommenen Untersuchung „Fortschrittsreport Altersgerechte Arbeitswelt“ (Ausgabe 3 des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, Stand 2013) hat sich zwar die körperliche Konstitution der 45- bis 64-Jährigen verbessert, jedoch verschlechtert sich auch bei einfachen Dienstleistungen und einfachen manuellen Berufen der „selbstberichtete Gesundheitszustand in der Altersgruppe 55 bis 64 Jahre im Vergleich zum Durchschnitt“ immer noch deutlich.

69

(3.3.2.3) Dieser Bewertung entspricht auch, dass die Europäische Union in Leitlinie 17 der Entscheidung des Rates vom 12. Juli 2005 über Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten 2005/600/EG (Abl. L 205 S. 24) als ältere Arbeitnehmer in diesem Sinne Arbeitskräfte über 55 Jahre angesehen und die WHO-Studiengruppe Altern und Arbeit 1991 aus arbeitsmedizinischer Sicht wegen auftretender Schwierigkeiten in Arbeit und Beruf eine Grenze ab dem 45. Lebensjahr angenommen hat (WHO Technical Report Series 835 Aging and Working Capacity - dt. Übersetzung Altern und Arbeit 1994 S. 9 f., zitiert nach LAG Rheinland-Pfalz 7. September 2012 - 6 Sa 709/11 - zitiert nach Juris, Rn. 198). Die Diskussionen um die arbeitspsychologische und - medizinische Beurteilung alternsgerechten Arbeitens bezeichnen Grenzwerte in gleicher Altersspanne (vgl. Lehr NZA-Beilage 1 2008 S. 3, 4; Dunkel-Benz ebd. S. 25).

70

(3.3.2.4) Hinter einem solchen Erfahrungssatz steht die arbeitsmedizinische Erkenntnis eines um ca. 30% jenseits des 50. Lebensjahres verminderten Belastbarkeits- und Gesundheitszustands, namentlich aufgrund Skelett-, Muskel-, Lungen-, Herz- und Sinnesfunktionseinbußen (WHO Technical Report Series 835 Aging and Working Capacity - Altern und Arbeit 1994 S. 20 ff.; Dunkel-Benz NZA-Beilage 1 2008 S. 25 ff.; Lehr ebd. S. 3, 7; Winkels Demographischer Wandel: Herausforderungen und Chancen für Personalentwicklung und betriebliche Weiterbildung S. 63 ff.; Lange Verhaltensdispositionen älterer Arbeitnehmer im Zeichen des demographischen Wandels S. 35 f.; u.a.: zitiert nach LAG Rheinland-Pfalz 7. September 2012 - 6 Sa 709/11 - zitiert nach Juris, Rn. 202). Trotz individueller Unterschiede handelt es sich um einen für jede Person lebensbegleitenden Prozess, der die Fähigkeit zu körperlicher Höchstleistung verringert, Hör- und Sehfähigkeit schmälert und Reaktionsfähigkeiten, Bewegungskoordination und Geschicklichkeiten mindert (LAG Rheinland-Pfalz 7. September 2012 - 6 Sa 709/11 - zitiert nach Juris, Rn. 202).

71

(3.3.2.5) Die Tarifvertragsparteien durften deshalb aufgrund dieser Spannbreite und der Tätigkeiten im Dienstleistungssektor annehmen, dass im Bereich des Hotel- und Gaststättengewerbes ab dem 50. Lebensjahr ein größerer Erholungsbedarf besteht. Eine empirische Untersuchung liegt zwar nicht vor, aus der sich diese konkrete Altersgrenze entnehmen ließe. Aufgrund vorgenannten Untersuchung und des Ermessenspielraums der Tarifvertragsparteien erscheint deren Annahme jedenfalls vertretbar. Wenn in der Altersgruppe der 55 bis 64 Jahre alten Beschäftigten schon ein deutlicher Unterschied besteht, dann ist, weil die Grenzen hier fließend sind, jedenfalls die Altersgrenze von 50 Jahren nachvollziehbar. Dies steht auch im Einklang mit der gesetzgeberischen Wertung (vgl. nur § 417 SGB III und § 89 Satz 3 SGB III in der seit dem 01. Januar 2015 geltenden Fassung). Somit widerlegt die Altersgrenze von 50 Jahre auch nicht den Zweck, mit drei weiteren Urlaubstagen im Kalenderjahr dem gesteigerten Erholungsbedürfnis Rechnung zu tragen.

72

(3.3.2.6) Damit handelt es sich auch um eine objektive Regelung im Sinne von § 10 Satz 1 AGG. Dies ist immer dann der Fall, wenn das verfolgte Interesse auf tatsächlichen und nachvollziehbaren Erwägungen und die Ungleichbehandlung nicht nur aufgrund von bloßen Vermutungen oder subjektiven Einschätzungen vorgenommen wird (BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - AP AGG § 7 Nr. 1 = NZA 2010, 327, Rn. 64).

73

(4) Der Mehrurlaub von drei Tagen im Kalenderjahr - maßgeblich ist im Streitfall nur der Vergleich zwischen der letzten beiden Altersgrenzen - ist auch geeignet, den Zweck nach § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG zu fördern. Unerheblich ist dabei, ob der gestiegene Erholungsbedarf ganz oder nur partiell ausgeglichen wird (BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 34).

74

(5) Die Regelung ist auch erforderlich und angemessen im Sinne von § 10 Satz 2 AGG.

75

(5.1) Die Altersgrenze von 50 Jahren erscheint nach dem gegenwärtigen Stand der arbeitsmedizinischen Diskussion einer Spannbreite von 45 bis 55 Jahren angemessen.

76

(5.2) Die Mehrurlaubsdauer von drei Tagen ist auch nicht unverhältnismäßig, um dem erstrebten Zweck zu dienen. Sie liegt unterhalb des Zusatzurlaubs von fünf Tagen für Schwerbehinderte (§ 125 SGB IX) und entspricht beispielsweise der Regelung in BZTV Nr. 2 zum BMT-G 2(vgl. dazu: BAG 24. Februar 2010 - 4 AZR 708/08 - AP TVÜ § 2 Nr 2) und entsprach § 5 HessUrlaubsVO 2007(vgl. hierzu: ArbG Gießen 22. März 2013 - 10 Ca 358/12 - zitiert nach Juris, Rn. 73 ff, das eine Regelung des Mehrurlaubs für Arbeitnehmer, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, für wirksam erachtet).

77

(5.3) Dem steht auch nicht entgegen, dass nicht alle Beschäftigten im Hotel- und Gaststättengewerbe denselben Erschwernissen von Dienstleistungstätigkeiten unterliegen. Es genügt, dass es sich um die Mehrheit der Beschäftigten handelt, worüber die Parteien letztlich auch nicht streiten. Von den Tarifvertragsparteien war - auch im Hinblick auf die praktische Handhabbarkeit und den Betriebsfrieden - nicht zu verlangen, nach konkreten Tätigkeiten zu differenzieren und einzelne Beschäftigtengruppen von dem Mehrurlaub auszuschließen. Auf den individuellen Bedarf musste deshalb nicht abgestellt werden (BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 34).

78

4. Die Beseitigung der Diskriminierung wegen der Staffelung vor Vollendung des 50. Lebensjahres kann nur durch eine Anpassung nach oben erfolgen, ohne dass die Beklagte Vertrauensschutz in Anspruch nehmen könnte (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - AP TVöD § 26 Nr. 2 = NZA 2012, 803, zu A.II.5 der Gründe = Rn. 27-32; BAG 10. November 2011 -6 AZR 148/09 - NZA 2012, 161, Rn. 20 ff).

79

5. Die Klägerin kann den geltend gemachten Anspruch auf die weiteren drei Mehrurlaubstage der Rechtfertigung der Ungleichbehandlung gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG nicht auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz stützen(BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - NZA 2015, 297, Rn. 39).

80

C. Die Kostentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Aufgrund des teilweisen Obsiegens und Unterliegens der Parteien waren die Kosten des Rechtsstreits verhältnismäßig zu teilen. Die Parteien streiten über eine Differenz von fünf Urlaubstagen, von denen der Klägerin zwei - entsprechend 40 % - zugesprochen worden sind.

81

D. Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG liegen vor.


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.