Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 26. Mai 2016 - 6 Sa 23/16

ECLI:ECLI:DE:LAGST:2016:0526.6SA23.16.0A
bei uns veröffentlicht am26.05.2016

Tenor

Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 04.12.2013 – 3 Ca 1303/13 NMB – abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens bei dem Bundesarbeitsgericht 2 AZR 85/15.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses.

2

Der am     geborene Kläger war seit 17.02.1992 bei dem beklagten Land nach Maßgabe des Arbeitsvertrages vom 07.02.1992 (Bl. 3 f d. A.), konkret bei dem O (im Folgenden: O) als System- und Netzwerkbetreuer (IT-Verantwortlicher) tätig. Bis zum 31.12.2012 oblag ihm auch die Verwaltung des ADV-Depots. Er erhielt Vergütung nach Entgeltgruppe 9 des auf die Rechtsbeziehungen der Parteien zur Anwendung kommenden TV-L.

3

Das beklagte Land kündigte nach Anhörung des in der vorgenannten Dienststelle bestehenden Personalrates das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 18.04.2013 (Bl. 9 d. A.) außerordentlich. Darüber hinaus erfolgte mit Schreiben vom 13.05.2013 (Bl. 40 d. A.) nach vorangegangener Zustimmung des Personalrates eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2013.

4

Das beklagte Land legt dem Kläger zur Last, er habe – möglicherweise arbeitsteilig handelnd mit den (beamteten) Justizwachtmeistern C und S – in großem Umfang und über einen längeren Zeitraum mit Hilfe eines dienstlichen Zwecken dienenden, nicht in das Netzwerk des O eingebundenen sog. "Testrechners" unter Verwendung des Programms DVD-Shrink illegale Kopien von Video- und Audiodateien erstellt, diese auf der internen Festplatte bzw. auf zu diesem Rechner gehörenden externen Festplatten gespeichert und anschließend die Dateien auf von dem beklagten Land für Dienstzwecke beschaffte Datenträgerrohlinge (DVD/CD) kopiert ("gebrannt"). Das vorgenannte Programm beseitigt bei dem Kopiervorgang einen auf der Original-DVD/CD befindlichen Kopierschutz.

5

Das beklagte Land stützt diesen Vorwurf auf den von dem damaligen Geschäftsleiter des O, Herrn W unter dem Datum 11.04.2013 erstellten Prüfbericht nebst Anlagen über eine in dem Dienstzimmer des Klägers (Nr. 211) am 14.03.2013 durchgeführte Geschäftsprüfung. Wegen des weiteren Inhalts dieses Berichts wird auf Blatt 218 bis 225 der Akte verwiesen.

6

Zuvor hatte im Nachgang zu der Geschäftsprüfung durch Mitarbeiter der ADV-Stelle der Justiz des beklagten Landes in M eine Auswertung des "Testrechners" sowie der diesem zugeordneten drei externen Festplatten nach Wiederherstellung der dort gespeicherten Daten – sämtliche Festplatten waren zuvor gelöscht worden – stattgefunden. Danach fanden sich auf der internen Festplatte sowie auf zwei externen Festplatten, Typ "Buffalo 700 GB" insgesamt mehrere tausend Audio-, Video- und Bilddateien. Die dritte Festplatte ("Buffalo 500 GB") enthielt Sicherungskopien von privaten Rechnern. Weiter stellte die ADV-Stelle fest, dass mit dem auf dem Rechner installierten Programm DVD-Shrink im Zeitraum 06.10.2010 bis zur Geschäftsprüfung am 14.03.2013 insgesamt 1.128 DVD bearbeitet worden sind. Nach Auswertung des Zeiterfassungssystems ergab sich, dass das vorgenannte Programm 630 Mal im Zeitraum 01.04.2012 bis 14.03.2013 an Tagen genutzt wurde, an denen der Kläger im Dienst war. Wegen der weiteren Einzelheiten insoweit wird auf die Anlage B 7 des von dem beklagten Land zur Akte gereichten Schriftsatzes vom 03.07.2013 (Bl. 85 ff d. A.) verwiesen.

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Am 17.04.2013 führte der damalige Geschäftsleiter des O mit dem Kläger ein Personalgespräch, in dem er diesen mit den vorgenannten Vorwürfen konfrontierte. Der Kläger erklärte hierzu sinngemäß:

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Alles, was auf dem Rechner bezüglich der DVD`s ist, habe ich gemacht.

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Bei dem Rechner handelt es sich um einen "Test-Rechner". Ich selbst habe ihn zusammengebaut. Es ist ein Rechner des O.

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Den Rechner durfte ich mit nach Hause nehmen, weil ich zu Hause keinen Rechner hatte. Mal hatte ich den Rechner für 1 Woche oder für 2 Wochen und manchmal einen Tag. Es war aber nicht so, dass ich den Rechner täglich mit nach Hause genommen habe. Wenn ich zu Hause was machen wollte, konnte ich den Rechner mitnehmen. Das hat man mir erlaubt, das war so.

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Natürlich haben wir auch kopiert. Was das für DVD`s und CD`s waren, weiß ich nicht mehr. Ich habe den Leuten (Mitarbeitern des O) einen Gefallen getan. Wir (Mitarbeiter der ADV-Stelle Haus O) sollten auch sonst unseren Leuten helfen, wenn sie Probleme mit ihren privaten PC`s hatten.

12

Wegen des weiteren Inhaltes des vorgenannten Gespräch wird auf den hierzu gefertigten Besprechungsvermerk vom 17.04.2013 (Bl. 229 f d. A.) verwiesen.

13

Bei Aushändigung der außerordentlichen Kündigung am 22.04.2013 "widerrief" (Gesprächsvermerk vom 22.04.2013 – Bl. 70 d. A.) der Kläger die vorstehenden Angaben mit folgender Erklärung:

14

Aufgrund des Druckes wegen der anstehenden Disziplinarmaßnahmen habe ich Aussagen getätigt, die mir nicht dienlich sind bzw. dem Schutz von Kollegen und Vorgesetzten und mir dienen sollten. Die nehme ich hiermit ausdrücklich zurück. Ich werde in den anstehenden arbeitsrechtlichen Verfahren neu aussagen. Zu der hilfsweise beabsichtigten ordentlichen Kündigung möchte ich nicht noch einmal aussagen. Mir tut das alles leid.

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Der Kläger hat die Auffassung vertreten, den streitgegenständlichen Kündigungen komme keine Rechtswirksamkeit zu. Hierfür liege ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB bzw. ein verhaltensbedingter Grund im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG nicht vor. Weiter hat der Kläger die ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrates sowie hinsichtlich der außerordentlichen Kündigung die Einhaltung der Erklärungsfrist gemäß § 626 Abs. 2 BGB bestritten.

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Der Kläger hat beantragt,

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1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers weder durch die Kündigung des beklagten Landes vom 18.04.2013 beendet wurde, noch aufgrund der ordentlichen Kündigung des beklagten Landes vom 13.05.2013 beendet wird;

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2. hilfsweise für den Fall des Obsiegens das beklagte Land zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten Bedingungen als Angestellten im O im Rahmen der zuletzt ausgeübten Tätigkeit System- und Netzwerkbetreuung für das O, insbesondere mit

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- Installation, Wartung und Fehlerbehebung der Hardware

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- Installation, Pflege und Betreuung der Software

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- Technische Unterstützung der Nutzer

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- Administration der elektronischen Berechtigungen

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- Hardwarevoraussetzungen

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- Softwareangelegenheiten einschließlich Passwortvergabe

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weiterzubeschäftigen.

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Das beklagte Land hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

28

Das beklagte Land hat behauptet, der Kläger habe tatsächlich in dem von dem damaligen Geschäftsleiter nach Auswertung des "Testrechners" festgestellten Umfang unter Verwendung eines den Kopierschutz umgehenden Computerprogrammes während der Dienstzeit illegale Kopien von Audio- und Videodateien hergestellt. Dabei habe er auch Datenrohlinge, die auf seine Veranlassung hin über den Justizwachtmeister C von dem beklagten Land für Dienstzwecke bestellt und anschließend von dem Kläger in seinem Dienstzimmer eingelagert worden seien, verwendet. Die halbjährlich von dem Kläger vorgegebene Bestellmenge an Datenrohlingen habe in keinem Verhältnis zu dem Umfang der dienstlich benötigten Datenträger bestanden. Der Hauptverwendungszweck für diese Datenträger, die Herstellung von Kopien der juris-Datenbank-DVD für die Dienststellen im Geschäftsbereich des O, sei – unstreitig – schon im Jahr 2006, nachdem der Zugriff auf die juris-Datenbank geschäftsbereichsweit über Internet erfolge, in Wegfall geraten.

29

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 04.12.2013 der Kündigungsschutzklage und auch dem Antrag auf Weiterbeschäftigung – diesen eingeschränkt – stattgegeben sowie die Kosten des Rechtsstreits dem beklagten Land auferlegt. Wegen der weiteren Einzelheiten dieser Entscheidung wird auf Blatt 270 bis 292 der Akte verwiesen.

30

Das beklagte Land hat gegen die ihm am 09.12.2013 zugestellte Entscheidung am 08.01.2014 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 10.03.2014 am 10.03.2014 begründet.

31

Das beklagte Land hat im (ersten) Berufungsverfahren ergänzend zur Beteiligung des Personalrates betreffend die streitgegenständlichen Kündigungen sowie zur Einhaltung der Kündigungserklärungsfrist vorgetragen. So habe der damalige Geschäftsleiter des O, nachdem auf dem Dienst-Rechner des Justizwachtmeisters C ein Programm zur Herstellung von DVD/CD-Covern entdeckt worden sei, im Anschluss an die Auswertung dieses Vorfalls (Besprechungsvermerke vom 06. und 19.03.2013 betr. Herrn C – Bl. 498 f d. A.) die Geschäftsprüfung im Dienstzimmer des Klägers veranlasst. Die Auswertung des "Testrechners" einschließlich der externen Festplatten sei unter anderem aufgrund der sich anschließenden Osterfeiertage erst am 08.04.2013 abgeschlossen worden. An jenem Tag sei das Ergebnis dem damaligen Geschäftsleiter des O eröffnet worden. Dieser habe sodann am 11.04.2013 den benannten Prüfbericht gefertigt und noch am selben Tage dem – unstreitig – kündigungsberechtigten Präsidenten des O vorgelegt.

32

Das Landesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 19.12.2014 – 4 Sa 10/14 – die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Halle zurückgewiesen. Wegen des weiteren Inhaltes dieser Entscheidung wird auf Blatt 564 bis 609 der Akte verwiesen.

33

Auf die von dem Landesarbeitsgericht für das beklagte Land zugelassene Revision hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 16.07.2015 – 2 AZR 85/15 – die vorgenannte Entscheidung aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt zurückverwiesen. Wegen des weiteren Inhaltes dieser Entscheidung, insbesondere der weiteren Details des von den Parteien im ersten Rechtszug und im ersten Berufungsverfahren vorgetragenen Tatsachenstoffs, wird auf Blatt 644 bis 658 der Akte verwiesen.

34

In dem erneuten Berufungsverfahren hat das beklagte Land – unter Vertiefung und Ergänzung – an seinem bisherigen Sachvortrag festgehalten.

35

Angesichts der Vielzahl der gegen den Kläger sprechenden Indizien sei es auszuschließen, dass die für die Kündigung ausschlaggebenden Kopiervorgänge auf dem "Testrechner", der konkret dem Kläger zu dienstlichen Zwecken überlassen worden sei, ohne seine Beteiligung bzw. ohne sein Wissen und Wollen vorgenommen worden seien. Der Rechner habe nur über ein Benutzerkonto ("S") verfügt und sei – unstreitig – jedenfalls seit Anfang 2013 mit einem Passwort gesichert gewesen. Hierbei habe es sich nicht um das von dem Kläger im Verlauf des Rechtsstreits benannte Passwort "O" gehandelt, wie eine Eingabe dieses Passwortes gezeigt habe. Ferner sei auszuschließen, dass andere Mitarbeiter während der Anwesenheit des Klägers – dass während eines Urlaubs des Klägers in Neuseeland im Jahr 2011 fünf registrierte Kopiervorgänge nicht von ihm herrühren, ist zwischen den Parteien unstreitig geworden – die erfassten 630 Kopiervorgänge über das Programm DVD-Shrink ohne Beteiligung des Klägers ausgeführt haben. Weder sein Stellvertreter Herr P noch seine Vorgesetzte Frau P noch der Leiter der ADV-Stelle, der unstreitig seinen Dienstsitz in M habe und nur an wenigen Tagen im Monat im O anwesend sei, haben Zugriff auf den "Testrechner" des Klägers gehabt und diesen auch nicht – schon gar nicht für Kopiervorgänge – genutzt. Gleiches gelte für die Wachtmeister C und S. Zwar seien – unstreitig – beide Mitarbeiter in die Herstellung illegaler Kopien von Audio- und Videodateien involviert. Diese Handlungen seien jedoch nicht über den "Testrechner" des Klägers während seiner Anwesenheit erfolgt. Der Bedienstete S habe die von ihm eingeräumten Kopiervorgänge im mittleren dreistelligen Bereich vielmehr – unstreitig – auf dem ihm zur Verfügung gestellten, in das Netzwerk eingebundenen Dienst-Rechner gefertigt. Auch sei der Kläger stets darauf bedacht gewesen, dass kein anderer Bediensteter auf "seinen" Rechner zugreifen konnte.

36

Weiter sei nach der Indizienlage davon auszugehen, dass der Kläger die Kopien unter Verwendung von dienstlich angeschafften Datenträgern erstellt habe. Angesichts der von ihm über den Bediensteten C halbjährlich bestellten Anzahl von Rohlingen, für die es in dem Umfang keinerlei dienstliche Verwendung gebe, nämlich im Zeitraum 01.07.2008 bis 31.12.2012  2.325 DVD und 1.500 CD, während die ADV-Stelle der Justiz in M in jenem Zeitraum lediglich 870 DVD und 650 CD bezogen habe, spreche im Hinblick auf den bei der Geschäftsprüfung ermittelten Fehlbestand (Anlage 3 zum Prüfbericht – Bl. 225 d. A.) von 1.726 DVD und 1.420 CD mit einem Gesamtwert von – unstreitig – ca. 1.200,00 Euro alles für eine private Verwendung dieser Datenträger. Zwar sei formell die Bestellung jeweils durch den hierfür zuständigen Bediensteten C ausgelöst worden. Dieser habe jedoch lediglich die ihm von dem Kläger vorgegebene Bestellmenge in das Bestellformular für die Zentrale Beschaffungsstelle (ZBS) übernommen. Nach Lieferung seien die Datenträger in dem Dienstzimmer des Klägers als bis zum 31.12.2012 Verantwortlichen des ADV-Depots gelagert worden. Konkret seien die Datenrohlinge in dem in der für das Dienstzimmer des Klägers erstellten Lageskizze (Bl. 224 d. A.) mit "Nr. 5" bezeichneten Schrank, wo sich auch weitere ADV-Verbrauchsmaterialien – unstreitig – befunden haben, deponiert worden. Für diesem Schrank habe lediglich der Kläger über einen Schlüssel verfügt, den er nur im Fall seiner Abwesenheit seinem Vertreter ausgehändigt habe. Der Schrank sei im Übrigen ständig verschlossen gewesen. Daneben habe der Kläger – wie sich anlässlich der Geschäftsprüfung am 14.03.2013 gezeigt habe – Datenrohlinge in dem Schrank "Nr. 7" (Sideboard) gelagert. Zu diesem – ebenfalls immer verschlossenen Schrank – habe nur der Kläger Zugang gehabt. Er habe den diesbezüglichen Schlüssel auch während seiner Abwesenheit nicht herausgegeben. Insgesamt seien bei der Geschäftsprüfung folgende Bestände an Datenrohlingen in den beiden Schränken vorgefunden worden (Anlage 1 zum Prüfbericht vom 14.03.2013 – Blatt 222 f d. A.):

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Schrank 5

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. diverse Kabel

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. diverse Portreplikatoren

40

. diverse Strom-Mehrfachverteiler

41

. 32 x DVD-Softcover unterschiedliche Größen leer

42

. 24 x 10er Pck. DVD-R neu

43

. 10 x DVD-RW neu

44

. 16 x CD-R neu

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. 31 x DVD-RW neu

46

. diverse Software dienstlich

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. diverse Software dienstlich (PC-Praxis aus Zeitschrift)

48

. Nero 9

49

. Navigon 5

50

. externes DVD-Laufwerk

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. Pocket Loox mit GPS-Maus und Netzteil

52

. alte Diktiertechnik

53

. alte Anrufbeantworter

54

Schrank 7

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. 31 x 10er Pck. DVD-R neu + 3 einzeln

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. 2 x Cover gedruckt PC-Spiel in gelber Umlaufhülle

57

. 5 X DVD-RW  neu

58

. Notebook dienstlich

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. 3 x externe Festplatten dienstlich

60

. 104 CD-Leerhüllen

61

. 45 DVD-Softcover unterschiedliche Größen leer

62

. 54 x CD-R neu

63

. 10 x CD-RW neu

64

. 2 x 25er CD/DVD-Spindel leer

65

. 1 x 10er CD/DVD-Spindel leer

66

. 14 CD-Leerhüllen in grünem Beutel

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Schlussendlich sei bei einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen, dass der Kläger bei erstmaliger Konfrontation mit den Vorwürfen am 17.04.2013 diese eingeräumt habe. Sein späteres Abrücken hiervon habe er nicht plausibel erklären können.

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Aus einem, in dem zwischenzeitlich gegen den Kläger eingeleiteten Strafverfahren erstellten "Vermerk zur quantitativen EDV-Auswertung" des Landeskriminalamtes (LKA) vom 12.06.2015 (Bl. 848 f d. A.) ergeben sich keine den Kläger entlastenden Umstände. Selbst wenn – wie in dem Vermerk beschrieben – es sich bei wiederhergestellten Audiodateien nicht um illegale Kopien handeln und die Anzahl der kopierten Filme, weil pro Film mehrere Videodateien erzeugt werden, geringer als von der ADV-Stelle angenommen sein sollte, verbliebe auch nach diesem Vermerk eine erhebliche Zahl von illegal erzeugten Videodateien.

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Auch könne der Kläger sich – so hat das beklagte Land gemeint – nicht mit dem Hinweis entlasten, ihm sei es – unstreitig – seit den 90er-Jahren gestattet gewesen, während der Dienstzeit private Rechner von Bediensteten oder deren Angehörigen/Freunden zu reparieren. Hieraus habe der Kläger nicht den Schluss ziehen können, das beklagte Land werde auch illegale Kopiervorgänge in erheblichem Umfang noch dazu unter Verwendung von Landesmitteln nicht unmittelbar zum Anlass für eine außerordentliche Kündigung nehmen. Ebenso wenig habe der bis Ende 2011 im Amt befindliche Geschäftsleiter des O, Herr B von derartigen Handlungen des Klägers Kenntnis gehabt oder diese sogar geduldet, wie sich eindeutig aus der ergänzten dienstlichen Stellungnahme des Herrn B vom 10.07.2013 (Bl. 967 d. A.) ergebe.

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Das beklagte Land beantragt,

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das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 13.12.2014 abzuändern und die Klage abzuweisen.

72

Der Kläger beantragt,

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die Berufung des beklagten Landes zurückzuweisen.

74

Der Kläger verteidigt weiterhin die angefochtene Entscheidung des Arbeitsgerichts. Keineswegs habe er in großem Umfang illegale Kopien mit dem der ADV-Stelle – nicht ihm persönlich – zur Verfügung gestellten "Testrechner", bei dem das Programm DVD Shrink für jeden deutlich erkennbar durch ein Icon auf dem Desktop verknüpft war, hergestellt. Er habe lediglich während der Kaffeepausen und in Anwesenheit seiner unmittelbaren Vorgesetzten Frau P in geringem Umfang ausschließlich Videodateien erstellt und diese auf aus seinen Beständen stammende DVD kopiert. Das Einleiten des Kopiervorganges habe nur wenige Sekunden in Anspruch genommen. Einen Kopierschutz habe er dabei wissentlich nicht umgangen. Hiervon habe der frühere Geschäftsleiter B  Kenntnis gehabt und habe diese Vorgänge geduldet, wie sich aus seiner dienstlichen Stellungnahme vom 23.06.2013 (Bl. 908 f d. A.) ergebe.

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Die Auswertung des Testrechners durch die ADV-Stelle sei nicht professionell erfolgt, wie der Vermerk des LKA vom 12.06.2015 zeige. Insbesondere folge hieraus, dass sich auf dem „Testrechner“ tatsächlich (legal) hergestellte Sicherungskopien von den ihm zur Reparatur überlassenen privaten Rechnern befunden haben. Einer Wiederherstellung der auf den Festplatten gespeicherten Daten habe es nur deshalb bedurft, weil diese im laufenden Betrieb überschrieben worden seien.

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Zugriff auf den "Testrechner" haben sowohl die Bediensteten C und S als auch sein Stellvertreter P sowie seine Vorgesetzte P und der Leiter der ADV-Stelle S gehabt. Es sei davon auszugehen, dass die dokumentierten Kopiervorgänge mit dem Programm DVD-Shrink, die während seiner Dienstzeit stattgefunden haben, von anderen Mitarbeitern des O durchgeführt worden seien. Insbesondere seien hier Herr P sowie die Wachtmeister S und C zu benennen. Dass der  unstreitig ebenfalls im Dienstzimmer 211 tätige Herr S nach seinen Angaben im mittleren dreistelligen Bereich an seinem, im Netzwerk befindlichen Dienst-Rechner Brennvorgänge durchgeführt habe, schließe es nicht aus, dass auch zusätzlich jener Kollege über den "Testrechner" DVD/CD "gebrannt" habe. Das Passwort für den "Testrechner" sei bekannt gewesen.

77

Auf die in seinem Dienstzimmer eingelagerten Datenträgerrohlinge habe letztendlich jeder Mitarbeiter des O, der sein Zimmer aufgesucht habe, Zugriff gehabt. Die Schränke seien nicht verschlossen worden. Herr P habe permanent über einen Zweitschlüssel für den Schrank "Nr. 5" verfügt. Im Übrigen sei es möglich, diese Schränke auch mit Schlüsseln anderer Schränke zu öffnen, da das Mobiliar mehrfach mit gleichen (nummernmäßig erfassten) Schlössern und Schlüsseln ausgeliefert wurde und das Mobiliar veraltet sei.

78

Die Menge der zu bestellenden Datenträger sei von ihm nicht Herrn C vorgegeben worden. Herr C habe die Menge vielmehr abgefragt. Bei den von ihm diesbezüglich getätigten Angaben habe er sich keine Gedanken gemacht und immer wieder die bisher bestellte Menge angegeben.

79

Auch nach Umstellung der juris-Datenbank auf Internetzugriff habe noch ein dienstlicher Bedarf an DVD/CD bestanden, so beispielsweise für die Arbeit der Strafsenate.

80

Unzutreffend sei auch das Vorbringen des beklagten Landes, die Datenträgerrohlinge seien von ihm in seinem Dienstzimmer verwahrt worden. Vielmehr sei für die Verwahrung Herr C als Verwalter des Büromaterialdepots zuständig gewesen. Er habe sich lediglich für den täglichen Gebrauch von dort Datenträger geholt und in seinem Dienstzimmer verwahrt.

81

Zwar habe er in dem Personalgespräch am 17.04.2013, bei dem er sich in einer emotionalen Ausnahmesituation befunden habe, die im Gesprächsvermerk wiedergegebene Äußerung betr. die Herstellung von DVD/CD getätigt. Diese sei aber inhaltlich falsch, was bereits daraus folge, dass unstreitig während seines Neuseelandurlaubs Kopiervorgänge stattgefunden haben. Er habe damit Kollegen schützen und die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses vermeiden wollen.

82

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen, insbesondere auf die von den Parteien nach Zurückverweisung durch das Bundesarbeitsgericht eingereichten Schriftsätze, verwiesen.

83

Das Berufungsgericht hat im Termin am 26.05.2016 aufgrund des im Termin verkündeten Beschlusses wie folgt Beweis erhoben:

I.

84

Es soll Beweis erhoben werden über die folgenden Behauptungen des beklagten Landes:

85

1. Im Zeitraum Juli 2008 bis Dezember 2012 seien insgesamt für das OLG 2.325 DVD und 1.500 CD Rohlinge bestellt worden. Daneben seien weitere 870 DVD und 650 CD für die ADV-Stelle der Justiz bestellt worden durch Vernehmung des von dem beklagten Land benannten Zeugen W.

86

2. Die zu bestellende Menge an Datenträgern sei dem Bediensteten C von dem Kläger vorgegeben worden. Der Bedienstete habe die Bestellung entsprechend ausgelöst durch Vernehmung der von dem beklagten Land benannten Zeugen W und C.

87

3. Als für die Verwahrung zuständiger Mitarbeiter habe der Kläger nach Eingang der Bestellung die Datenträger in Empfang genommen und in seinem Dienstzimmer verwahrt durch Vernehmung des von dem beklagten Land benannten Zeugen W und den von beiden Parteien benannten Zeugen C und S sowie gegenbeweislich – Verwahrung durch den Bediensteten C im Verbrauchsmaterialdepot – durch Vernehmung der von dem Kläger weiter benannten Zeugen P und P.

4.

88

a. Auf die in seinem Dienstzimmer gelagerten Datenträger habe nur der Kläger Zugriff gehabt. Er habe diese überwiegend in einem jederzeit verschlossenen Sideboard ("Schrank Nr. 7") aufbewahrt. Dieses sie nur mit dem ständig – auch bei Abwesenheit – von dem Kläger verwahrten Schlüssel zu öffnen gewesen durch Vernehmung der von dem beklagten Land benannten Zeugen W, C, S, P und P.

89

b. Auch der weitere Schrank ("Nr. 5") sei verschlossen gewesen. Den einzigen Schlüssel habe der Kläger lediglich im Vertretungsfall an den Bediensteten P ausgehändigt durch Vernehmung des von dem beklagten Land und dem Kläger – Herr P habe über einen Zweitschlüssel verfügt; Schrank sei während der Dienstzeit geöffnet gewesen – benannten Zeugen P und der von dem beklagten Land weiter benannten Zeugin P.

90

c. Ein Öffnen dieser Schränke mit Schlüsseln anderer Büroschränke sei nicht möglich gewesen durch Vernehmung der von dem beklagten Land benannten Zeugen P und P.

5.

91

a. Herr P, Herr C oder Herr S haben den „Testrechner“ während Zeiten, in denen der Kläger sich im Dienst befand, nicht zur Durchführung von Kopiervorgängen unter Verwendung des Kopierprogramms Shrink DVD genutzt durch Vernehmung der von beiden Parteien benannten Zeugen P, C und S.

92

b. Der Kläger habe sehr darauf geachtet, dass kein anderer Bediensteter auf den Testrechner Zugriff nehmen kann durch Vernehmung des von dem beklagten Land benannten Zeugen P.

II.

93

Weiter soll Beweis erhoben über die Behauptung des beklagten Landes, die Auswertung des "Testrechners" durch die ADV-Stelle der Justiz in M habe bis zum 08.04.2013 angedauert. Der sodann erstellte Prüfbericht vom 11.04.2013 sei dem Präsidenten des O am selben Tage ausgehändigt worden

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durch Vernehmung des von dem beklagten Land benannten Zeugen W.

95

Die Zeugen C und S, gegen die u. a. ein Disziplinarverfahren anhängig ist, haben von ihrem Aussageverweigerungsrecht gemäß § 384 ZPO Gebrauch gemacht. Das beklagte Land hat sich für die Behauptung zu Ziffer I. 5. b. ergänzend im Verlauf der Sitzung auf das Zeugnis der Frau P berufen, während der Kläger im Verlauf der Sitzung auf die Vernehmung dieser Zeugin zu dem Beweisthema I. 3. verzichtet hat. Wegen des weiteren Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das vorgenannte Sitzungsprotokoll (Bl. 948 bis 962 d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

A.

96

Die zulässige Berufung des beklagten Landes ist begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die streitbefangene außerordentliche Kündigung des beklagten Landes vom 18.04.2013 mit deren Zugang am 22.04.2013 aufgelöst worden. Dieser Kündigung kommt Rechtswirksamkeit zu. Die Kündigungsschutzklage war daher unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils abzuweisen. Der hilfsweise (Protokoll vom 29.10.2013 – Bl. 212 d. A.; Schriftsatz vom 28.10.2013 – Bl. 263 d. A) für den Fall des Obsiegens gestellte Weiterbeschäftigungsantrag ist nicht (mehr) zur Entscheidung angefallen.

I.

97

Die Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB liegen zur Überzeugung der Kammer nach dem Gesamtergebnis der mündlichen Verhandlung, insbesondere der durchgeführten Beweisaufnahme, vor. Danach kann das Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

98

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG 08.05.2014 – 2 AZR 249/13 – Rn. 16) sind die Voraussetzungen dieser Norm in einem zweistufigen Verfahren zu prüfen. Erforderlich ist das Vorliegen eines wichtigen Grundes an sich sowie eine umfassende, zu Lasten des gekündigten Arbeitnehmers ausgehende Interessenabwägung im Einzelfall.

99

1. Für die streitbefangene außerordentliche Kündigung vom 18.04.2013 besteht ein wichtiger Grund an sich. Das wiederholte, unter Nutzung dienstlicher Ressourcen rechtswidrige Vervielfältigen von Musik- und Audiodateien ist als wichtiger Grund "an sich" geeignet. Ein Arbeitgeber hat, zumal wenn es sich bei ihm um eine Justizbehörde handelt, ein offenkundiges Interesse daran, dass dienstliche Rechner nicht  dazu benutzt werden, unter Umgehung eines Kopierschutzes Vervielfältigungen privat beschaffter Musik- oder Film-CD/DVD herzustellen. Dies gilt losgelöst von einer möglichen Strafbarkeit der Vorgänge und unabhängig davon, ob die Handlungen während der Arbeitszeit vorgenommen wurden. Darüber hinaus stellt die zweckwidrige Verwendung von Datenträgern, die auf Kosten des beklagten Landes bestellt wurden, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar (BAG 16.07.2015 – 2 AZR 85/15 – Rn. 32).

100

a) Nach dem Gesamtergebnis der mündlichen Verhandlung, insbesondere der durchgeführten Beweisaufnahme, steht zur vollen Überzeugung der Kammer (§ 286 ZPO) fest, dass der Kläger auf dem ihm zu dienstlichen Zwecken zur Verfügung gestellten "Testrechner" über einen mehrjährigen Zeitraum und im nicht unerheblichen Umfang zumindest Videodateien unter Verwendung eines den Kopierschutz beseitigenden Programms, nämlich DVD-Shrink, hergestellt hat. Die von dem beklagten Land hierzu vorgebrachten, teils unstreitigen, teils zur Überzeugung der Kammer bewiesenen Indizien lassen diesen Schluss zu.

101

aa) Der Kläger hat in seiner ersten Befragung zu den Vorwürfen am 17.04.2013 eingeräumt, die von der ADV-Stelle der Justiz auf dem "Testrechner" bzw. den externen Festplatten wiederhergestellten Video- (und auch Audio-)Dateien hergestellt zu haben. Sein späteres Abrücken von diesem "Geständnis" erscheint der Kammer nicht plausibel und daher nicht geeignet, den Indizwert zu schmälern. Sein Vorbringen, er habe sich in einer emotionalen Ausnahmesituation befunden, ist von ihm nicht weiter konkretisiert worden. Nach dem sich bietenden Sachverhalt kann jedenfalls nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger von den ihm gegenüber erhobenen Vorwürfen vollkommen überrascht gewesen ist. Er hat nicht in Abrede gestellt, dass das Kopierprogramm DVD-Shrink auf dem "Testrechner" installiert war, sondern vielmehr darauf verwiesen, dass dieses wegen des angelegten Desktop-Icons jedem sofort ins Auge gefallen ist. Wenn sich an eine Geschäftsprüfung und die Mitnahme des besagten „Testrechners“ durch Mitarbeiter der ADV-Stelle ein Personalgespräch anschließt, so widerspricht es jeder Lebenserfahrung, dass der Kläger sich nicht ausmalen konnte, welche Vorgänge dort zur Sprache kommen sollten. Er hat auch nicht etwa vorgetragen, ihm sei nicht bekannt gewesen, welche Funktion das Programm DVD-Shrink habe. Angesichts seiner langjährigen Tätigkeit als IT-Verantwortlicher lässt sich eine solche Schlussfolgerung auch nicht ziehen. Ebenso wenig plausibel erscheint seine Einlassung, er habe sich durch ein "falsches Geständnis“ den Arbeitsplatz erhalten wollen. Zutreffend verweist das beklagte Land darauf, dass typischerweise durch eine solche Verhaltungsweise Gegenteiliges bewirkt werde. Es erscheint vielmehr lebensnah, dass der Kläger, sofern er nicht an den Vorgängen beteiligt gewesen wäre, diese Tatsache deutlich zum Ausdruck gebracht hätte. Inwiefern sein „Geständnis“ dem Schutz von Arbeitskollegen dienen sollte und aus diesem Grund "falsch" sei, ist ebenso wenig erkennbar nachdem auch auf den Dienstrechnern der Wachtmeister C und S Video- und/oder Audiodateien festgestellt worden waren. Aus dem Umstand, dass der Kläger "alle Schuld auf sich genommen hat" folgt gerade nicht, dass er entgegen seiner eigenen Aussage überhaupt nicht an den kündigungsauslösenden Vorfällen maßgeblich beteiligt war. Der Indizwert wird weiter nicht dadurch geschmälert, dass unstreitig auch während seines Urlaubs im Jahr 2011 Kopiervorgänge stattgefunden haben. Angesichts der während der Anwesenheit des Klägers erfolgten Kopiervorgänge mittels DVD-Shrink im Umfang von 630 allein im Zeitraum April 2012 bis März 2013 erscheint seine spontane Aussage, "Alles… habe ich gemacht" realitätsnah. Im Übrigen ist der Kläger bei Übergabe der Kündigung am 22.04.2013 auch nicht vollinhaltlich von dieser Erklärung abgerückt. Er hat vielmehr in diesem Gespräch ausdrücklich erklärt, ihm tue das alles leid.

102

bb) Für eine Beteiligung des Klägers spricht weiterhin der Umstand, dass die internen und auch die externen Festplatten vor der Geschäftsprüfung gelöscht worden waren. Diesen Löschvorgang stellt der Kläger nicht substantiiert in Abrede. Sein Verweis, die wiederhergestellten Dateien seien "überschrieben" worden, verfängt insoweit nicht. Nach dem nicht bestrittenen Sachvortrag des beklagten Landes waren sämtliche Festplatten zum Zeitpunkt der Geschäftsprüfung scheinbar "leer". Dass insoweit ein Dritter ohne Beteiligung des Klägers sämtliche Festplatten gelöscht hat, hat auch der Kläger nicht behauptet.

103

cc) Weiter ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der "Testrechner" jedenfalls seit Anfang 2013 – auch nach diesem Zeitpunkt ist das Programm DVD-Shrink noch zum Einsatz gekommen – durch ein Passwort gesichert war. Der Kläger lässt im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast plausiblen Sachvortrag vermissen, inwiefern dennoch ohne sein Zutun ein Dritter in jenem Zeitraum auf den "Testrechner" und DVD-Shrink zugreifen konnte. Sein Vorbringen, das Passwort habe "O" gelautet und sei bekannt gewesen, ist nach dem unbestrittenen Sachvortrag des beklagten Landes, „O“ sei erfolglos eingegeben worden, nicht zutreffend und steht im Übrigen im Widerspruch zu seiner Erklärung im Personalgespräch am 17.04.2013, wonach das Passwort von jedem, der seine Familie kenne, "geknackt" werden könne. Nähere Angaben zu der Beschaffenheit des Passwortes hat der Kläger während des Rechtsstreits nicht getätigt.

104

dd) Auch nach der erneuten Auswertung des „Testrechners“ durch das LKA ergibt sich ein Bestand von annähernd 10.000 Videodateien auf den Festplatten. Selbst wenn man unter Berücksichtigung der von dem LKA durchgeführten Auswertung davon ausgeht, dass ein kopierter Film aus jeweils mehreren Videodateien besteht, so verbleibt dennoch ein "Filmbestand" im vierstelligen Bereich. Der Verweis des Klägers insoweit auf die von dem LKA ermittelten "Sicherungskopien", die nicht mit dem Programm DVD-Shrink hergestellt worden sind, steht dem nicht entgegen. Hierbei handelt es sich nach dem Auswertungsergebnis des LKA um Audiodateien.

105

ee) Schlussendlich vermag die Kammer aufgrund der Indizienlage auszuschließen, dass die mittels DVD-Shrink erstellten Videodateien nicht (auch) von dem Kläger produziert worden sind.

106

(1) Von dem Kläger nicht substantiiert bestritten ist die Tatsache, dass während seiner dienstlichen Anwesenheit das Programm DVD-Shrink seit 01.04.2012 630 Mal genutzt worden ist und hiermit im Zeitraum 06.10.2010 bis 14.03.2013 1.128 DVD bearbeitet worden sind. Weiter unstreitig befand sich der "Testrechner" während der Dienstzeit jedenfalls an dem Arbeitsplatz des Klägers. Es erscheint bereits nach der Lebenserfahrung als ausgeschlossen, dass die Herstellung einer derartig großen Zahl von Kopien mittels DVD-Shrink ohne Beteiligung des Klägers erfolgt sein kann.

107

(2) Bestätigt wird dieser Schluss durch das Ergebnis der Beweisaufnahme. Der Zeuge P hat glaubhaft bekundet, er habe keine Kopiervorgänge an dem "Testrechner" in der ADV-Stelle durchgeführt. Gleiches hat die Zeugin P hierzu bekundet. Die Kammer hält die Zeugen nach ihrem Gesamtauftreten und auch unter Berücksichtigung der vorab erfolgten eindringlichen Belehrung für glaubwürdig. Nach dem sich bietenden Sachverhalt sind auch beide Zeugen nicht in den hier kündigungsauslösenden Vorfall involviert, so dass ein Eigeninteresse, sich durch eine unzutreffende Aussage zu entlasten, nicht erkennbar ist.

108

Zwar haben die von dem Kläger als mögliche Nutzer des Programms DVD-Shrink genannten Zeugen C und S von ihrem Aussageverweigerungsrecht auch hinsichtlich dieser Beweisfrage Gebrauch gemacht. Das steht jedoch der vollen Überzeugungsbildung der Kammer nicht entgegen. Zum einen lässt sich hieraus nicht der Schluss ziehen, beide Mitarbeiter haben für sich oder gar gemeinschaftlich handelnd ohne Beteiligung des Klägers die vorstehend genannten Kopiervorgänge an dem "Testrechner" durchgeführt. Die Kammer bewertet die (vollständige) Aussageverweigerung der beiden Zeugen vielmehr "neutral". Berücksichtigt man jedoch weiter die Aussage der Zeugin P, sie gehe aufgrund der Wesensart des Klägers davon aus, dass dieser Dritten keinen Zugriff auf den "Testrechner" erlaubt habe, so spricht dies entscheidend für die Annahme, die vorstehend genannten Kopiervorgänge seien zumindest teilweise von dem Kläger ausgelöst worden. Hierfür spricht weiter, dass der Bedienstete C unstreitig nicht das Dienstzimmer mit dem Kläger teilte. Inwiefern dieser dennoch extensiven Zugriff auf den "Testrechner" während der Anwesenheit des Klägers haben konnte, ist nicht plausibel gemacht worden. Zwar bestand eine solche Möglichkeit für den im selben Dienstzimmer tätigen Bediensteten S. Anhaltspunkte dafür, dass dieser neben den von ihm eingeräumten umfangreichen Kopiervorgängen auf "seinem" Dienst-Rechner auch den "Testrechner" hierzu während der Anwesenheit des Klägers nutzte, sind jedoch nicht dargetan worden.

109

(3) Weiter vermag die zwischen den Parteien unstreitig gewordene Tatsache, dass während der Urlaubsabwesenheit des Klägers im Jahr 2011 Kopiervorgänge auf dem "Testrechner" mittels DVD-Shrink durchgeführt worden sind, die Überzeugungsbildung der Kammer nicht zu erschüttern. Zum einen erfolgte dies vor Vergabe eines Passwortes für den "Testrechner". Zum anderen lässt sich aus den insgesamt fünf Kopiervorgängen im Hinblick auf die gegenteiligen Indizien eine Erschütterung derselben nicht ableiten. Hieraus mag man allenfalls den Schluss ziehen, dass jedenfalls vor Vergabe eines Passwortes auch andere Mitarbeiter während der Abwesenheit des Klägers das Programm DVD-Shrink genutzt haben. Damit wird jedoch gerade nicht hinreichend dargelegt, dass andere Mitarbeiter auch während der Anwesenheit des Klägers die benannten Kopiervorgänge ausschließlich zu verantworten haben.

110

(4) Schlussendlich vermag der Verweis des Klägers auf den Leiter der ADV-Stelle S die Indizientatsachen nicht zweifelhaft erscheinen lassen. Das beklagte Land hat hierzu unwidersprochen vorgetragen, dieser sei aufgrund seines Dienstsitzes in M nur sporadisch in den Diensträumen des O anwesend. Dass Herr S diese Anwesenheitszeiten in dem benannten Zeitraum dazu benutzt hat, Videodateien mit Hilfe des Programms DVD-Shrink zu kopieren, erscheint extrem fernliegend.

111

ff) Bei einer Gesamtschau dieser Indizien, wobei dem "Geständnis" des Klägers ein hoher Indizwert beizumessen ist, ist die Kammer nach § 286 ZPO davon überzeugt, dass der Kläger die Herstellung von Videokopien unter Verwendung eines den Kopierschutz beseitigenden Programms zu verantworten hat.

112

b) Weiter ist die Kammer davon überzeugt, dass hierfür Datenträgerrohlinge (DVD) aus Beständen des Landes verwendet worden sind. Auch dies ergibt eine Gesamtschau der hierzu vorgetragenen, teils unstreitigen und im Übrigen von dem beklagten Land bewiesenen Indizien.

113

aa) Das beklagte Land hat durch die Aussage des Zeugen W seine Behauptung über die in Jahren 2008 bis 2012 bestellten Datenträgerrohlinge beweisen können. Der Zeuge W hat glaubhaft bekundet, er habe sich von der ZBS anhand der dort vorliegenden Bestelleingänge die entsprechenden Zahlen übermitteln lassen. Zweifel an der Richtigkeit dieser Zahlen haben sich für ihn nicht ergeben. Auch für die Kammer erscheint die Annahme, die ZBS habe Herrn W falsche Zahlen übermittelt, als ausgeschlossen. Vielmehr handelt es sich bei der ZBS gerade um die Stelle, die über die von ihr gelieferten CD- und DVD-Rohlinge originär Auskunft geben kann. Der Zeuge erscheint nach seinem Gesamteindruck und auch unter Berücksichtigung der erteilten Belehrung zur Wahrheitspflicht glaubwürdig. Insbesondere ist ein Eigeninteresse am Ausgang des Rechtsstreites nicht erkennbar. Dies gilt umso mehr, als der Zeuge nicht mehr bei dem OLG tätig ist.

114

bb) Weiter ist die Kammer davon überzeugt, dass die zu bestellende Menge an Datenträgern auf Angaben des Klägers beruhte. Zwar hat der Zeuge W insoweit seine Aussage nicht auf eine eigene Wahrnehmung stützen können. Die Kammer hält die Aussage des Zeugen dennoch für glaubhaft. Die von ihm für seinen Wissensstand benannten "Quellen" sind geeignet, sich verlässliche Kenntnis über die Bestellvorgänge im O zu verschaffen. Die Kammer vermag auch auszuschließen, dass der Zeuge C entgegen den Angaben des Klägers "auf eigene Faust" jeweils halbjährlich kontinuierlich eine deutlich höhere als von dem Kläger vorgegebene Menge an Datenträgern bestellt hat. Hiergegen spricht wiederum die Aussage des Zeugen W, der als Vorgesetzter des Bediensteten C die nachvollziehbare Einschätzung getroffen hat, Herr C führe die ihm übertragenen Aufgaben "korrekt" aus. In der Tat spricht gegen eine solche Annahme nicht der Umstand, dass Herr Cr nunmehr in den Verdacht geraten ist, selber an illegalen Kopiervorgängen beteiligt zu sein. Hieraus folgt nicht, dass er seine eigentlichen Dienstpflichten – so wie konkret aufgetragen – erfüllt hat.

115

Bei der Bewertung der Aussage des Zeugen W war weiter der diesbezügliche Sachvortrag des Klägers zu berücksichtigen. Dieser hat sich hinsichtlich des Bestellvorganges betreffend die Datenrohlinge in unterschiedlicher Weise eingelassen. So hat er im Schriftsatz vom 24.02.2016, Seite 5 vorgetragen, er habe immer wieder bei Herrn C dieselbe Anzahl von Verbrauchsmaterialien – auch von DVD-Rohlingen – angegeben, ohne sich darüber Gedanken zu machen. Hingegen trägt der Kläger im Schriftsatz vom 13.04.2016, Seite 6, vor, er habe die Zahl der zu bestellenden Rohlinge nicht vorgegeben. Konkretes Vorbringen, wie genau nach seiner Sicht der Dinge sich Abweichungen zwischen seinen Angaben und der tatsächlich von Herrn C bestellten Menge ergeben sollen, ist hieraus nicht ableitbar. Dem Kläger als IT-Verantwortlichen konnte nicht verborgen geblieben sein, dass aufgrund der Umstellung der juris-Datenbank auf Internetzugang im Jahr 2006 sich ein deutlicher Rückgang des Verbrauchs an DVD-Rohlingen ergeben hat. Dennoch hat der Kläger – so seine eigenen Angaben im Schriftsatz vom 24.02.2016 – die bisher sich ergebende Verbrauchsmenge für die Bestellungen in den Folgejahren bis einschließlich 2012 an Herrn C unverändert – und damit deutlich überhöht – weitergegeben. Daraus folgt, dass unter maßgeblicher Beteiligung des Klägers im streitigen Zeitraum DVD-Bestellungen erfolgt sind, die nicht mehr dem dienstlichen Anfall entsprachen. Soweit der Kläger Einzelfälle zur dienstlichen Verwendung von Datenträgern anführt, so ergibt sich hieraus auch nicht annähernd ein dienstlicher Bedarf in einem der Bestellmenge entsprechenden Umfang.

116

cc) Schlussendlich geht die Kammer davon aus, dass die DVD/CD-Rohlinge von dem Kläger in seinem Dienstzimmer verwahrt und verwaltet worden sind. Auch dies hat der Zeuge W aufgrund seiner Wahrnehmungen betreffend den allgemeinen Geschäftsbetrieb im O nach seinem Dienstantritt glaubhaft bekundet. Gestützt wird diese Aussage durch den Zeugen P. Dieser hat auf Befragen erklärt, er habe bei der Materialbeschaffung im Materialbüro des Herrn C keine DVD/CD gesehen, wenngleich er den Schrank nicht "durchsucht" habe. Die Tatsache, dass dem als stellvertretenden Systemverwalter mit IT-Materialien vertrauten Zeugen beim Hineinsehen in den Materialschrank gerade keine CD/DVD "ins Auge gesprungen" sind, belegt, dass sich jedenfalls größere Mengen (Bestellmenge pro Halbjahr 250 bis 300 Stück – so die Aussage des Zeugen W) dort nicht befunden haben. Dies spricht vielmehr für die von dem Zeugen W weiter bekundete Handhabung, dass in diesem Depotschrank lediglich eine geringe Zahl an DVD/CD (20 bis 30 Stück) von Herrn C für den Dienstgebrauch vorgehalten und der Großteil derselben in dem Dienstzimmer des Klägers eingelagert wurde. In diese Richtung geht auch die Aussage der Zeugin P, die bekundet hat, sie habe sich an den Kläger gewandt, wenn sie einen Datenträgerrohling benötigt habe. Dieser habe ihr denselben dann ausgehändigt.

117

Schlussendlich kann bei der Bewertung der Indizienlage nicht unberücksichtigt bleiben, dass sich nach dem Ergebnis der Geschäftsprüfung, das insoweit von dem Kläger nicht in Zweifel gezogen worden ist, eine erhebliche Zahl von CD- und DVD-Rohlingen in den Schränken "Nr. 5 und Nr. 7", im letztgenannten u.a. „31 x 10er Pck. DVD-R neu“, befunden hat. Auch dies steht im Widerspruch zum Vorbringen des Klägers, er habe lediglich eine geringe Zahl der Datenträgerrohlinge in seinem Dienstzimmer vorgehalten.

118

dd) Nach den vorliegenden Indizien ergibt sich auch nicht, dass der Fehlbestand an DVD im Umfang von 1.726 Stück (Anlage 3 zum Prüfbericht) ganz überwiegend auf einen dienstlichen Gebrauch zurückzuführen ist. Dem steht bereits entgegen, dass nach der Auswertung der ADV-Stelle der Justiz mit dem Programm DVD-Shrink auf dem "Testrechner" 1.128 DVD im Zeitraum 06.10.2010 bis 14.03.2013 bearbeitet worden sind. Der weitere Sachvortrag des Klägers betreffend die dienstliche Verwendung von DVD/CD vermag einen derartigen "Verbrauch" ebenfalls nicht zu erklären.

119

ee) Ein Zugriff auf die von dem Kläger verwahrten DVD durch Dritte in großem Umfang kann nach der Indizienlage ausgeschlossen werden. Der Zeuge P hat hierzu glaubhaft bekundet, der Schrank "Nr. 7", in dem bei der Geschäftsprüfung ein erheblicher Bestand an Rohlingen vorgefunden wurde, sei der "Privatschrank" des Klägers gewesen. Dementsprechend habe er hierauf auch als sein Stellvertreter keinen Zugriff gehabt. Dieser habe sich auf den Schrank "Nr. 5" beschränkt, wofür er auch nur bei Abwesenheit des Klägers einen Schlüssel gehabt habe. Bestätigt wird diese Aussage durch die Zeugin P, die glaubhaft bekundet hat, sich habe sich bei Bedarf an den Kläger gewandt. Dieser habe aus dem Schrank "Nr. 5" ihr dann einen Datenrohling ausgehändigt. Damit ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine "Selbstbedienungsmentalität" dahingehend, dass letztendlich jeder Mitarbeiter bei Bedarf sich aus dem einen oder dem anderen Schrank an Datenträgerrohlingen "bedient" hat. Für eine Verwahrung unter Verschluss betreffend den Schrank "Nr. 5" sprechen weiter die Aussagen der Zeugen P und P, wonach sich dort auch sonstiges IT-Material befunden hat. Es entspricht nicht der Lebenserfahrung, dass diese für den Dienstgebrauch wesentlichen Betriebsmittel für jeden zugänglich verwahrt werden. Auszuschließen ist weiter, dass ein unbekannter Mitarbeiter sich  mit Hilfe eines aufgrund gleicher Nummer passenden Schlüssels Zugang zu dem Schrank "Nr. 5 oder Nr. 7" verschafft hat. Zwar besteht nach den Aussagen der Zeugen W und P eine solche theoretische Möglichkeit. Nach der weiteren Aussage des Zeugen P ist zur Überzeugung der Kammer jedoch auszuschließen, dass sich ein Zugriff mittels gleichnummerierten Schlüssels auf den Schrank "Nr. 5 oder Nr. 7" tatsachlich zugetragen hat. Dem Zeugen W war konkret nicht bekannt, dass im O eine solche "Schlüsselgleichheit" tatsächlich auftritt. Auch der Zeuge P hat dies nach Überzeugung der Kammer glaubhaft verneint. Insbesondere seine Bekundung, man habe, als der Kläger vergessen hatte, vor seinem Urlaub den Schlüssel für den Schrank "Nr. 5" zu übergeben, langwierig nach einem passenden Ersatzschlüssel gesucht, wobei er sich an das Ergebnis der Suche nicht mehr erinnern konnte, macht deutlich, dass ein Zugriff mittels eines "Zweitschlüssels" auf die Schränke "Nr. 5 und/oder Nr. 7" in einem Umfang, dass sich letztendlich ein Fehlbestand an DVD in Höhe von rund 1.700 ergibt, nur theoretischer Natur ist. Tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass aufgrund des Alters des Mobiliars – konkret der Schränke „Nr. 5 und Nr. 7“ – jeder Schlüssel „passe“, haben sich im Ergebnis der Beweisaufnahme nicht ergeben.

120

ff) Nach alledem ist die Kammer davon überzeugt, dass bei der von dem Kläger zu verantworteten Herstellung von DVD mittels DVD-Shrink auch Verbrauchsmaterialen des beklagten Landes von ihm eingesetzt worden sind.

121

2. Die, nachdem ein wichtiger Grund an sich bejaht worden ist, vorzunehmende umfassende Interessenabwägung geht im Ergebnis zu Lasten des Klägers aus

122

Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung – etwa im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlusts und ihre wirtschaftlichen Folgen –, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf.

123

Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist eine Kündigung nicht gerechtfertigt, wenn es mildere Mittel gibt, eine Vertragsstörung zukünftig zu beseitigen. Dieser Aspekt hat durch die Regelung des § 314 Abs. 2 BGB iVm. § 323 Abs. 2 BGB eine gesetzgeberische Bestätigung erfahren. Einer Abmahnung bedarf es in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes deshalb nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Als mildere Reaktionen sind insbesondere Abmahnung und ordentliche Kündigung anzusehen. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck – die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen – zu erreichen (BAG 10.06.2010 – 2 AZR 541/09).

124

a) Bei Anwendung dieser Rechtssätze war eine Abmahnung des Klägers entbehrlich. Das zur Überzeugung der Kammer feststehende Fehlverhalten des Klägers ist derart schwerwiegend, dass er nicht darauf vertrauen durfte, das beklagte Land werde einen derartigen Pflichtverstoß nicht unmittelbar zum Anlass einer außerordentlichen Kündigung nehmen. Der Kläger hat nicht nur Betriebsmittel („Testrechner“) dazu verwendet, unter Umgehung eines Kopierschutzes im erheblichen Umfang und über einen relativ langen Zeitraum Videodateien herzustellen. Er hat auch hierfür Vermögenswerte seines Arbeitgebers eingesetzt und dabei nach dem unbestrittenen Vortrag des beklagten Landes einen erheblichen Schaden insgesamt (ca. 1.200,00 EUR) verursacht, der jedenfalls nicht dem sog. Bagatellbereich zugerechnet werden kann.

125

b) Auch die Interessenabwägung im engeren Sinne geht zu Lasten des Klägers aus. Zu seinem Gunsten ist zwar die lange und störungsfreie Betriebszugehörigkeit sowie sein Lebensalter, das die Chancen auf dem Arbeitsmarkt verringert, zu berücksichtigen, wobei allerdings andererseits in die Abwägung einzubeziehen ist, dass der Kläger alsbald Altersrente beanspruchen kann. Entscheidend für ein überwiegendes Interesse des beklagten Landes an einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Interesse des Klägers, dieses zumindest bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Quartalsende (§ 34 Abs. 1 TV-L) fortzusetzen, ist die Intensität der Pflichtverletzung. Der Kläger hat hier nicht nur einmalig – quasi in einer "schwachen Minute" – dienstliche Mittel zur Herstellung von Videodateien unter Umgehung eines Kopierschutzes verwendet, sondern – so stellt sich der Sachverhalt für die Kammer nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung, insbesondere der Beweisaufnahme dar – über einen längeren Zeitraum und im erheblichen Umfang diese Vorgänge betrieben. Der Kläger hat dabei seine relativ selbständige Position als IT-Verantwortlicher ausgenutzt.

126

Nicht zu seinen Gunsten zu berücksichtigen war der Umstand, dass das beklagte Land ihm in der Vergangenheit gestattet hatte, während der Dienstzeit private Rechner von Bediensteten des O oder deren Angehörigen/Freunden zu reparieren.  Auch wenn der Kläger dabei davon ausgegangen sein sollte, diese von einem früheren Vorgesetzten erteilte Erlaubnis stehe nicht in Einklang mit den das beklagte Land intern bindenden haushaltsrechtlichen Vorgaben und auch nicht mit arbeitsrechtlichen Pflichten, so konnte er hieraus nicht den Schluss ziehen, das beklagte Land werde darüber hinausgehende Pflichtwidrigkeiten in der hier vorliegenden Form ebenfalls nicht beanstanden. Die hier zu bewertenden Kopiervorgänge unter Verwendung dienstlicher Ressourcen gehen über das Instandsetzen von privaten Rechnern weit hinaus. Dem kommt insbesondere eine rufschädigende Wirkung gerade für eine Justizbehörde zu.

127

Ebenso wenig vermag eine nach dem Vorbringen des Klägers erfolgte Duldung durch den früheren Geschäftsleiter B der von ihm eingeräumten gelegentlichen legalen Brennvorgänge unter Verwendung eigener DVD-Rohlinge zu einem überwiegenden Interesse des Klägers in Bezug auf die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses führen. Selbst wenn Herr B derartige Vorgänge geduldet haben sollte, so konnte der Kläger hieraus nicht schutzwürdig ableiten, der Geschäftsleiter werde auch das Vervielfältigen von Videodateien auf dem „Testrechner“ unter Verwendung eines den Kopierschutz beseitigenden Programms und von dem beklagten Land beschaffter Rohlinge dulden. Auch insoweit gilt, dass die Dimension dieser Vorgänge nicht mit dem gelegentlichen Vervielfältigen von privaten Dateien gleichgesetzt werden kann.

128

Aus dem Vorgehen des beklagten Landes gegenüber den beamteten Wachtmeistern C und S ergibt sich  ebenfalls kein – zumindest auf die Dauer der für eine ordentliche Kündigung geltenden Kündigungsfrist bezogenes – überwiegendes Interesse des Klägers. Das beklagte Land hat keineswegs deren Verhalten sanktionslos "hingenommen“. Es hat vielmehr – den beamtenrechtlichen Vorschriften entsprechend – gegen beide Bedienstete ein Disziplinarverfahren eingeleitet.

II.

129

Das beklagte Land hat weiterhin die für den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung einzuhaltende Erklärungsfrist von zwei Wochen gemäß § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Das Bundesarbeitsgericht hat in der vorangegangenen Revisionsentscheidung hierzu bindend festgestellt, dass die von dem beklagten Land vorgenommenen Aufklärungsbemühungen diese Erklärungsfrist zunächst gehemmt haben (BAG a. a. O. Rn. 57). Zu klären war mithin insoweit im zweiten Berufungsverfahren noch, ob – was von dem Kläger bestritten worden ist – der Prüfbericht vom 11.04.2013 an jenem Tag dem kündigungsberechtigten Präsidenten des O übergeben worden ist. Dies hat der Zeuge W glaubhaft bekundet. Er hat insbesondere die im Vorfeld abgelaufenen Geschehnisse, nämlich den Abschluss der Auswertung seitens der ADV-Stelle erst am 08.04.2013, bestätigt.

130

Unerheblich ist, ob dem kündigungsberechtigten Präsidenten des O – wovon wohl auszugehen sein dürfte – bereits im Vorfeld Informationen über das Ergebnis der Geschäftsprüfung vom 14.03.2013 zugänglich gemacht worden sind. Angesichts der erst wieder herzustellenden Datenbestände auf dem "Testrechner" konnte jedenfalls von einem umfassenden, für die Kündigung maßgeblichen Kenntnisstand seitens des kündigungsberechtigten Präsidenten erst nach Abschluss der von der ADV-Stelle vorzunehmenden Auswertung ausgegangen werden.

III.

131

Schlussendlich scheitert die Rechtswirksamkeit der außerordentlichen Kündigung nicht an § 67 Abs. 2 PersVG LSA, wonach als Wirksamkeitsvoraussetzung der zuständige Personalrat vor Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung anzuhören ist. Auch hierzu hat das Bundesarbeitsgericht (a. a. O. Rn. 72) festgestellt, dass die von dem beklagten Land durchgeführte Beteiligung des Personalrates in ordnungsgemäßer Form erfolgt ist.

132

Zwar hat der Kläger im (zweiten) Berufungsverfahren erneut die ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrates bestritten. Er hat jedoch hierzu keinen, die Feststellung des Bundesarbeitsgerichts aufgrund tatsächlicher Veränderungen in Zweifel ziehenden neuen Tatsachenstoff vorgetragen. Soweit er meint, das Bundesarbeitsgericht habe hinsichtlich der Beteiligung des Personalrates keine abschließende rechtliche Bewertung treffen können, weil es an Tatsachenfeststellungen durch das Landesarbeitsgericht (4. Kammer) gefehlt habe, so interpretiert er die Entscheidung im Revisionsverfahren fehlerhaft. Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung gerügt, dass nicht zu erkennen sei, welche von dem Landesarbeitsgericht festgestellten Tatsachen es für seine Entscheidungsfindung herangezogen hat.

B.

133

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

C.

134

Gegen diese Entscheidung findet ein weiteres Rechtsmittel nicht. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor. Den entscheidungserheblichen Rechtsfragen kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Die Kammer wendet die von dem Bundesarbeitsgericht im vorangegangenen Revisionsverfahren 2 AZR 85/15 aufgestellten Rechtssätze auf den vorliegenden Einzelfall an.

135

Auf § 72a ArbGG wird hingewiesen.


Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 26. Mai 2016 - 6 Sa 23/16

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(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 1 Sozial ungerechtfertigte Kündigungen


(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt is
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(1) Dauerschuldverhältnisse kann jeder Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung

Zivilprozessordnung - ZPO | § 384 Zeugnisverweigerung aus sachlichen Gründen


Das Zeugnis kann verweigert werden:1.über Fragen, deren Beantwortung dem Zeugen oder einer Person, zu der er in einem der im § 383 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Verhältnisse steht, einen unmittelbaren vermögensrechtlichen Schaden verursachen würde;2.über

Referenzen - Urteile

Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 26. Mai 2016 - 6 Sa 23/16 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).

Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 26. Mai 2016 - 6 Sa 23/16 zitiert 5 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 16. Juli 2015 - 2 AZR 85/15

bei uns veröffentlicht am 16.07.2015

Tenor 1. Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 19. Dezember 2014 - 4 Sa 10/14 - aufgehoben.

Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 19. Dez. 2014 - 4 Sa 10/14

bei uns veröffentlicht am 19.12.2014

Tenor 1. Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 04.12.2013 – 3 Ca 1303/13 NMB – wird zurückgewiesen. 2. Das beklagte Land trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. 3. Die Revision wird zugelassen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 08. Mai 2014 - 2 AZR 249/13

bei uns veröffentlicht am 08.05.2014

Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 13. November 2012 - 14 Sa 1178/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Arbeitsgericht Halle Urteil, 04. Dez. 2013 - 3 Ca 1303/13 NMB

bei uns veröffentlicht am 04.12.2013

Tenor 1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers weder durch die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 18.04.2013 beendet worden ist noch durch die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 13.05.2013 zum 31.12.2013 been

Bundesarbeitsgericht Urteil, 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09

bei uns veröffentlicht am 10.06.2010

Tenor 1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. Februar 2009 - 7 Sa 2017/08 - aufgehoben.

Referenzen

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers weder durch die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 18.04.2013 beendet worden ist noch durch die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 13.05.2013 zum 31.12.2013 beendet wird.

2. Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens vorläufig zu unveränderten Bedingungen als vollbeschäftigten Angestellten in der Entgeltgruppe 9 TV-L im Oberlandesgericht A-Stadt weiterzubeschäftigen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

5. Der Streitwert wird auf 16.429,05 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen und einer (hilfsweise ausgesprochenen) ordentlichen arbeitgeberseitigen Kündigung des zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses.

2

Der am … geborene verheiratete Kläger ist seit dem 17.02.1992 beim beklagten Land beschäftigt, zunächst als Arbeiter und seit September 1992 im Angestelltenverhältnis. Im Arbeitsvertrag / Änderungsvertrag vom 14.09.1992 (Bl. 15 d. A.) wurde unter anderem folgendes vereinbart:

3

„ zu § 1
Herr A. wird mit Wirkung vom 01. September 1992 nicht mehr als Arbeiter tätig sein, sondern als vollbeschäftigter Angestellter auf unbestimmte Zeit weiterbeschäftigt

zu § 2
Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich somit nach dem BAT-O und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) jeweils geltenden Fassung.

… „

4

Dienstort des Klägers ist das Oberlandesgericht in A-Stadt. Dort ist er als Justizangestellter tätig und als „IT-Verantwortlicher“ im Wesentlichen mit der System- und Netzwerkbetreuung beschäftigt. Zu seinen Aufgaben gehört u. a. auch die Verwaltung des ADV-Depots, die Wartung, Pflege und Betreuung der Hard- und Software, die technische Unterstützung der Nutzer des Hauses, die Administration der elektronischen Berechtigungen und die Passwortvergabe.

5

Nach der Einführung des neuen Tarifwerks und der Überleitung des Arbeitsverhältnisses auf die Bestimmungen des TV–L wurde der Kläger tariflich in die Entgeltgruppe 9 TV-L eingestuft und erhält derzeit eine monatliche Vergütung in Höhe von 3.285,81 € brutto.

6

Am 14.03.2013 wurde im Dienstzimmer … des Oberlandesgerichts eine Geschäftsprüfung der Arbeitsplätze des Klägers und eines weiteren dort tätigen Mitarbeiters durchgeführt. Über die bei der Prüfung getätigten Feststellungen fertigte der Geschäftsleiter des OLG am 11.04.2013 einen Vermerk (Prüfungsbericht) mit folgendem Inhalt (Bl. 166 ff. d. A.):

7

„…

8

Am 14.03.2013 habe ich eine Geschäftsprüfung der Arbeitsplätze des Justizangestellten A. und des im Dienstzimmer 211 durchgeführt.

9

Herr A. ist gemäß Geschäftsverteilungsplan im Referat IV (ADV) überwiegend als System- und Netzwerkbetreuer für das Oberlandesgericht zuständig für. Bis zum 31.12.2012 war Herr A. auch für die Depotverwaltung und Verwaltung der EDV-Verbrauchsmittel einschließlich deren Bestellung verantwortlich.

10

An der Geschäftsprüfung nahmen neben dem Unterzeichner teil;

11

. Herr A.,

12

.
. Frau …,
. Herr … und
. Herr ….

13

Frau …, Herr … und Herr … nahmen auf meine Anordnung an der Geschäftsprüfung teil, um bei der Bestandsaufnahme unterstützend tätig zu sein,

14

Die Dokumentation der Schrank- und Regalinhalte einschließlich des Raumplanes ist als Anlage 1 (Dokumentation) und als Anlage 2 (Raumplan) dem Protokoll beigefügt

15

Herr A. und teilten auf Befragen mit, dass sich nur noch bei Herrn Cramer einige DVD's und CD's befinden könnten.

16

Auf Befragen teilten sowohl Herr A. als auch mit, dass keine Nachweise über den Zugang und den Abgang der EDV-Verbrauchsmittel geführt werden und vorliegen. Hierunter fallen neben Druckerpatronen auch DVD’s und CD's. Genaue Angaben über Zugänge und Abgänge konnten mir gegenüber nicht gemacht werden. Geschildert wurde jedoch das Procedere der Bestellung der EDV-Verbrauchsmittel. Herr A. bestellte bis zum 31.12.2012 halbjährlich die EDV-Verbrauchsmittel, die mit anderen zu beschaffenden Verbrauchsmitteln von Herrn … zusammengefasst und von ihm an die ZBS als Bestellung weitergeleitet worden sind.

17

Die Anzahl der seit dem 2. Halbjahr 2008 bestellten und gelieferten DVD's und CD’s ist in Anlage 3 aufgeführt. Die in Anlage 3 aufgeführten Zahlen sind mir auf telefonische Nachfrage von der ZBS zur Verfügung gestellt worden.

18

Diesbezüglich bleibt festzustellen:

19

In der Zelt vom 01.07.20013 bis zum 31.12.2012 sind für das Oberlandesgericht … insgesamt 2.325 DVD's und 1.500 CD's bestellt worden; für die ADV-Stelle Justiz sind in demselben Zeitraum 870 DVD's und 650 CD's bestellt worden.

20

Im Nachgang der Geschäftsprüfung erklärte Herr A. in Gegenwart von Frau … auf meine Nachfrage. dass seit der Einführung von JURIS kaum DVD’s und CD's von Bediensteten bei ihm abgefordert wurden; genaue bzw. genauere Angaben kann er jedoch nicht machen. Auf Befragen teilt er weiter mit. dass vor der Einführung von JURIS seines Erachtens nach 50 bis 60 DVD's und CD's vierteljährlich und nach der Einführung von JURIS ca. 150 bis 200 DVD's und ca. 50 CD's jährlich bestellt worden sind. Einer Verfügung vom 02.03.2006 ist zu entnehmen, dass JURIS landesweit seit 2006 genutzt werden kann. Die Verfügung ist als Anlage 4 beigefügt.

21

Auf der Grundlage der erfolgten Bestellmengen (= Liefermengen) abzüglich des vorgefundenen Bestandes hätten in der Zeit vom 01.07.2008 bis zum 31.12.2012 durchschnittlich jährlich 383 DVD's und 315 CD's dienstlich verwendet werden müssen. Anhaltspunkte hierüber liegen nicht vor; Erklärungen hierüber sind nicht bekannt.

22

Es bleibt festzuhalten. dass der Verbleib der DVD’s und CD's zu einem überwiegenden Teil am 14.03.2013 nicht nachvollziehbar und erklärbar ist.

23

Im Rahmen der Prüfung sind auch jeweils der Rechner von Herrn A. und von sowie drei externe Festplatten - zwei der drei externen Festplatten sind bezeichnet mit "EXTERN700GB" und "Extern 700GB", eine dritte Festplatte war nicht gesondert gekennzeichnet -, die im Schrank Nummer 7 aufbewahrt werden, untersucht worden.

24

Nach einem groben Oberflächenscannen ist am 08.04.2013 folgendes Zwischenergebnis festzuhalten:

25

a) Rechner Herr A.

26

Harr A. räumte während der Prüfung ein, dass einige private Dateien auf dem Rechner seien.

27

Der Rechner ist nicht in die Domäne eingebunden; der Rechner ist nicht wie bei allen anderen dienstlichen Rechnern üblich "greifbar". Mit Herrn A. konnte als "lokaler Admin" nur ein Nutzer festgestellt werden. Ein Zugriff Dritter aus der "Ferne" ist nicht feststellbar und nahezu nicht möglich. weil der Rechner nicht in die Domäne eingebunden war.

28

Der Rechner besteht aus

29

• zwei Festplatten,
• zwei Brennern und
• einem Kartenleser (SD, CF).

30

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass eine Festplatte und ein Brenner nachgerüstet wurden.

31

Eine der beiden Festplanen wies keine Auffälligkeiten auf.

32

Die andere Festplatte im Rechner als,,2. Festplatte" bezeichnet, verfügt über eine Speicherkapazität von ca. 232 GB. Vor der Wiederherstellung waren ca. 16 GB belegt. Letzte Aktivitäten waren am 14.03.2013 ab 05.59 Uhr registriert.

33

Nach der Wiederherstellung wurden insgesamt 6.427 Dateien festgestellt, die Speicherkapazität war mit 232 GB nahezu erschöpft. Die letzte Verwendung datiert vom 14.03.2013. Eine erste vorgenommene Sichtung der 2. Festplatte am 08.04.2013 ergab, dass regelmäßig Überschreibungen vorgenommen worden sind und von einer fast ausschweifenden Nutzung ausgegangen werden muss.

34

Den 6.427 gefundenen Dateien sind unter anderem

35

• 2.466 elektronische Bücher (ebook),
• 2.378 Bilddateien (wahrscheinlich Cover),
• 834 Audiodateien (Hörbücher und Musik) und
• 230 Videodateien (DVD-Kopien als VOB Datei bezeichnet)

36

zuzuordnen. Von den Hörbüchern sind grundsätzlich drei Formate als PDF, epub und mobi angelegt, wobei die Formate epub und mobi sogenannte "ebook-Formate" sind.

37

Auf dem Rechner ist auch das Programm "DVD Shrink" installiert Dieses Programm ist geeignet, den Kopierschutz des Herstellers seiner DVD's (Filme betreffend) zu decodieren. Das Programm Shrink wurde nach Auswertung der Rechnerdaten in der Zeit vom 06.10.2010 bis 14,03.2013 regelmäßig genutzt. In diesem Zeitraum sind 1.128 DVD's bearbeitet worden. Anzumerken ist, dass für diesen Zeitraum insgesamt 1.150 DVD's bestellt und geliefert worden sind, deren dienstlicher Verbleib nicht erklärbar ist.

38

Neben dem Programm "DVD Shrink" waren auch die Programme

39

• d\ldfab (eigene Werbung im Internet: "Beste Software zum Kopieren von Blueray und DVD").
• Engelmann media (videoconverter, geeignet zum Umwandeln) und
• anyDVD (Kopierprogramm zum Herunterladen aus dem Internet)

40

installiert.

41

Für den Dienstgebrauch sind diese Programme ihrem Wesen nach zu 100% entbehrlich und absolut nicht erforderlich.

42

Am 02.04.2013 bat Herr A. am Ende eines von ihm gewünschten und mit mir geführten Gesprächs, an dem auch die Vorsitzende des Örtlichen Personalrates, Frau …,. teilnahm, um die Rückgabe einer silberfarbigen Festplatte. die anlässlich der Geschäftsprüfung zu Untersuchungszwecken mitgenommen worden ist, Er bräuchte diese, um auf bereits vorhandene Sicherungen zurückgreifen zu können. wenn ein PC wieder herzustellen ist. Das erspare ihm viel Zeit. Ohne die Festplatte benötigte er 1,5 Tage. Die anderen Festplatten können wir behalten „bis Weihnachten ist."

43

Herr A. führte ohne Nachfrage aus, dass er für (andere) Mitarbeiter des Oberlandesgerichts sowie deren Verwandte mit Erlaubnis die privaten Rechner und Laptops wiederhergestellt habe und entsprechende Sicherungen auf einer der (dienstlichen) Festplatten gespeichert habe. So sei im Falle einer wiederholten Wiederherstellung des Rechners I Laptops das Procedere erleichtert.

44

Auf Nachfrage erklärte Herr A., dass eine Festplatte (schwarzes Gehäuse) leer ist und auf einer weiteren Festplatte (ebenfalls schwarzes Gehäuse) 2 bis 3 Sicherungen enthalten sind.

45

Die Untersuchung der externen Festplatten am 08.04.2013 ergab folgendes Ergebnis:

46

c) externe Festplatte "EXTERN700GB" (schwarzes Gehäuse, Typ Buffalo 700 GB)

47

Die Festplatte war anscheinend leer. Nach der Wiederherstellung wurden 38.899 Dateien sichtbar.

48

Den 38.899 gefundenen Dateien Sind unter anderem

49

• 34.090 Audiodateien (fast ausschließlich Musikdateien, die ein breites Spektrum bzw. nahezu alle Musikrichtungen abdecken) und
• 1.822 Cover

50

zuzuordnen, Der Ordnerpfad heißt „Musikbox".

51

d) externe Festplatte "Extern 700GB“ (schwarzes Gehäuse. Typ Buffalo 700 GB)

52

Die Festplatte war anscheinend leer. Nach der Wiederherstellung wurden 36.899 Dateien sichtbar.

53

Den 9.969 gefundenen Dateien sind unter anderem

54

• 1.152 Audiodateien (Hörbücher und Musik) und
• 41 DVD-Kopien (Musik DVD's u.a. ACDC)

55

zuzuordnen.

56

e) externe Festplatte (silberfarbenes Gehäuse, Typ Buffalo 500 GB)

57

Der Aufbau dieser Festplatte ist dadurch gekennzeichnet, dass ein Bereich dem dienstlichen Gebrauch vorbehalten ist während ein zweiter Bereich Sicherungen von Dienstrechnern, aber auch Privatrechnern dient

58

In dem angelegten Ordner „Private Rechner" sind die nachfolgenden Unterordner angelegt:

59

• …
• Daten Berzau hierunter Unterordner: … PC, …
• Esprimo 5905
• Hausmeister privat
• Laptop …
• Laptop …
• Laptop …
• Laptop …
• Laptop …
• Laptop …
• Laptop …
• Rechner für …
• Rechner …
• Rechner ….

60

Dokumentation Schrank-I Regalinhalte, Nummerierung gem. Raumplan

61

Schrank 1

62

• Jacke A.
• Tonerrollen für Fax
• Laserjet-Etiketten
• HP-Fotopapier für Farblaserdrucker
• diverses Telefonzubehör
• diverse Parallelkabel für Drucker
• Computer-Etiketten
• diverse Strommehrfachverteiler

63

Schrank 2

64

• Jacke ...
• Geschirr
• verschlossener Karton (auf Nachfrage an Herrn ... privat, blieb daher ungeöffnet)

65

Schrank 3

66

• diverse Leitz-Ordner
• 4x 10er CD·Spindeln leer
• 1x 50er CD-Spindeln ½ voll (CD-R)
• 1x 25er CD-Spindel fast voll {CD-R}
• 3x 50er CD-Spindel leer

67

Schrank 4

68

• 4x 50er CD-Spindel leer
• 1X 50er Spindel gefüllt mit 10 CDs gebrannt, Software dienstlich
• Gebrannte Musik-CDs: „Ich und Ich" (handbeschriftet)
                               ,,Bela B - Code B" (gedrucktes Label)
                               „Kaki King" (gedrucktes Label)
                               "Bela B -Code B" (handbeschriftet)
                               „Avin Geffen“ (handbeschriftet)
                               „EF" (hand beschriftet)
                               „Neues Glas aus alten Scherben" (handbeschriftet)
                               "Pink Floyd" (handbeschriftet)
                               „Steven Wilson" (handbeschriftet)
                               "Dante - November Red" (original)
                               "Epicloud" (original)

69

Schrank 5

70

• diverse Kabel
• diverse Portreplikatoren
• diverse Strom-Mehrfachverteiler
• 32x DVG-Softcover unterschiedliche Größen leer
• 24 X10er Pck. DVD-R neu
• 10 x DVD·RW neu
• 16 x CD-R neu
• 31 x DVD-RW neu
• diverse Software dienstlich
• diverse Software dienstlich (PC-Praxis aus Zeitschrift)
• Nero 9
• Navigon 5
• externes DVD-Laufwerk
• Pocket Loox mit GPS-Maus und Netzteil
• alte Diktiertechnik
• alte Anrufbeantworter

71

Schrank 6

72

• Werkzeugkoffer befüllt
• diverse Kabel
• interne CD-Laufwerke alt
• Grafickarte Ge Force 6400 GS Noiseless Edition 3D Club (verpackt) privat
• USB-Verteiler
• 2 x 5fach GBit-Switche
• diverse Leitzordner
• Alt-Technik Netzwerkkarten

73

Schrank 7

74

• 31 x 10er Pck. DVD-R neu + 3 einzeln
• 2 x Cover gedruckt PC-Spiel in gelber Umlaufhülle
• 5 x DVD-RW neu
• Notbook dienstlich
• 3 x externe Festplatten dienstlich
• 104 CD-Leerhüllen
• 45 DVD-Softcover unterschiedliche Größen, leer
• 54 x CD-R neu
• 10 x CD-RW neu
• 2 x 25er CD/DVD-Spindel leer
• 1 X 10er CD/DVD-Spindel leer
• 14 CD-Leerhüllen in grünem Beutel

75

Schrank 8

76

• diverse Tastaturen
• diverse PC-Zeitschriften

77

Schrank 9

78

• Geschirr

79

Regal 10

80

• Literatur -diverse IT-Fachbücher
• Mehrere KVM-Switche
• 15 PC's dienstlich
• Boxen X-230 Logitech

81

…“

82

Am 17.04.2013 wurde der Kläger vom Geschäftsleiter des OLG zu dem Ergebnis der Geschäftsprüfung sowie zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung seines Arbeitsverhältnisses persönlich angehört. Über den Inhalt des Gesprächs fertigte der Geschäftsleiter einen Besprechungsvermerk (Bl. 177 d. A.), auf dessen Inhalt ausdrücklich Bezug genommen wird.

83

Mit Schreiben vom 18.04.2013 (Bl. 18 d. A.), dem Kläger am 22.04.2013 ausgehändigt, kündigte der Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich und fristlos.

84

Mit Schreiben vom 13.05.2013 (Bl. 46 d. A.), dem Kläger am 15.05.2013 zugegangen, wurde das Arbeitsverhältnis des Klägers unter Bezugnahme auf die außerordentliche Kündigung nochmals vorsorglich („hilfsweise“) ordentlich zum 31.12.2013 gekündigt.

85

Am 02.05.2013 hat Kläger beim Arbeitsgericht Halle die vorliegende Klage erhoben, im Rahmen derer er zunächst die Feststellung begehrte, dass sein Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 18.04.2013 nicht wirksam aufgelöst worden ist. Nach Erhalt der zweiten Kündigung hat er die Klage am 17.05.2013 erweitert und begehrt nunmehr auch die Feststellung, dass sein Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung vom 13.05.2013 nicht wirksam beendet wird. Ferner verlangt er die vorläufige Weiterbeschäftigung bis zum Abschluss des Rechtstreits.

86

Der Kläger bestreitet sowohl das Vorliegen eines wichtigen Kündigungsgrundes für die außerordentliche Kündigung als auch das Vorliegen hinreichender Kündigungsgründe für die ordentliche Kündigung. Zunächst werde bestritten, dass er seinen Dienstrechner privat genutzt habe. Bei dem Rechner, auf dem sich die betreffenden Dateien und Programme befänden, handele sich um einen von der Dienststelle zusätzlich angeschafften Rechner, der sich auch in seinem Dienstzimmer befunden habe. Dieser sei nicht mit den dienstlichen Rechnern vernetzt gewesen. Die hier installierten Kopier- und Brennprogramme seien auch dienstlich genutzt worden, etwa für Videoaufnahmen in Strafverfahren, die oftmals nur in veralteten Formaten vorlägen. Zutreffend sei, dass auch der Kläger gelegentlich die Programme privat genutzt habe. Diese Vorgänge hätte jedoch jeweils nur wenige Sekunden in Anspruch genommen, so dass von Arbeitszeitbetrug nicht die Rede sein könne. Auch sei die gelegentliche Privatnutzung niemals ausdrücklich untersagt worden. Des Weiteren werde darauf verwiesen, dass der Kläger auf den externen Speichermedien Sicherungen von dienstlichen und Privatrechnern anderer Mitarbeiter des Hauses vorgenommen habe. Dies sei ihm durch den früheren Referatsleiter ausdrücklich erlaubt worden. Ebenfalls habe er sich in der Dienstzeit gelegentlich um die Privatrechner anderer Mitarbeiter kümmern dürfen, wenn dort Probleme aufgetreten seien. Dies sei zu keinem Zeitpunkt vom Arbeitgeber beanstandet worden. Der vom Beklagten behauptete Umfang seiner Privatnutzung werde ausdrücklich bestritten. Er habe auch keine illegalen Kopien gefertigt und/oder sich strafbar gemacht. Die einzelnen Vorgänge seien dem Kläger in keiner Weise zuzuordnen. Wer den Rechner wann genutzt habe, sei unklar. Es müsse ausdrücklich bestritten werden, dass dies nur der Kläger gewesen sei. Dies sei nicht der Fall. Grundsätzlich hätten viele Mitarbeiter des Hauses Zugang zu diesem Rechner gehabt und diesen auch privat genutzt, sowohl während der Kläger anwesend war als auch in dessen Abwesenheit. Zutritt zum Dienstzimmer sei jederzeit auch für andere Mitarbeiter möglich. Das einfache Passwort für den Zugang sei allgemein bekannt. Keiner der dokumentierten Vorgänge auf dem Rechner sei dem Kläger nachweislich persönlich zuzuordnen. Dass viele Nutzungen (Brennvorgänge etc.) während der Abwesenheit des Klägers, etwa bei Urlaub oder Krankheit, erfolgt seien, beweise die Zugriffsmöglichkeit anderer Personen. Auch die externen Festplatten hätten anderen Mitarbeitern zur Verfügung gestanden. Der hohe Verbrauch von Büromaterialien wie der Rohlinge sei nicht vom Kläger zu vertreten. Das Material sei ebenfalls frei zugänglich gewesen; viele Mitarbeiter hätten sich bedient. Der Kläger habe auch nicht die Bestellungen des Materials vorgenommen oder ausgelöst. Schließlich werde bestritten, dass der Kläger in irgendeiner Weise Vorgänge auf dem Rechner oder den externen Festplatten verschleiert oder versteckt habe. Ein Kündigungsgrund habe nach alledem nicht vorgelegen. Ferner rügt der Kläger die Nichteinhaltung der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB und bestreitet jeweils die ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrats vor Ausspruch beider Kündigungen.

87

Der Kläger beantragt,

88

1) festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers weder durch die Kündigung des Beklagten vom 18.04.2013 beendet wurde, noch aufgrund der ordentlichen Kündigung des Beklagten vom 13.05.2013 beendet wird;

89

2) den Beklagten zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten Bedingungen als Angestellten im Oberlandesgericht A-Stadt im Rahmen der zuletzt ausgeübten Tätigkeit System- und Netzwerkbetreuung für das Oberlandesgericht, insbesondere mit

90

− Installation, Wartung und Fehlerbehebung der Hardware
− Installation, Pflege und Betreuung der Software
− Technische Unterstützung der Nutzer
− Administration der elektronischen Berechtigungen
− Hardwarevoraussetzungen
− Softwareangelegenheiten einschließlich Passwortvergabe

91

weiterzubeschäftigen.

92

Der Beklagte beantragt,

93

die Klage abzuweisen.

94

Der Beklagte hält die außerordentliche Kündigung, zumindest jedoch die ordentliche Kündigung aus verhaltenbedingten Gründen für gerechtfertigt und damit wirksam. Der Kläger habe mindestens von Oktober 2010 bis März 2013 den ihm dienstlich anvertrauten Rechner in erheblichem Umfang privat und zu nicht dienstlichen Zwecken genutzt, insbesondere zum Kopieren und Brennen von DVDs und CDs sowie zum Herunterladen von Musik- und Videodateien. Zu diesem Zweck habe er bestimmte Programme installiert, z. B. das Programm „DVD Shrink“. Es seien (Stand:11.04.2013) insgesamt 6.427 Dateien mit offenbar nicht dienstlichem Inhalt gesichtet worden. Auch dienstlich angeschaffte Festplatten habe er privat genutzt. Mit seinem Verhalten habe er seine Vertragspflichten in grober Weise über einen langen Zeitraum verletzt. Da illegale Kopien hergestellt worden seien, habe er sich wohl auch strafbar gemacht. Dazu komme der Arbeitszeitbetrug, weil die umfangreichen Privatnutzungen des Rechners überwiegend in der Dienstzeit erfolgt seien. Schließlich habe er über 2.000 DVD-Rohlinge und über 1.000 CD-Rohlinge auf Kosten des Arbeitgebers bestellt und privat verwendet. Das notwendige Vertrauensverhältnis sei durch die Verhaltensweisen des Klägers vollständig zerstört worden. Darüber hinaus sei es auch wegen der Gefahr für den ordnungsgemäßen Betriebsablauf und der Gefahr, dass es Nachahmer gebe, für den Beklagten nicht mehr zumutbar gewesen, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Eine vorherige Abmahnung sei nicht erforderlich gewesen, weil der Kläger von vornherein gewusst habe, dass sein Verhalten verboten sei und in keiner Weise vom Arbeitgeber geduldet werden würde. Es werde ausdrücklich bestritten, dass andere Mitarbeiter des Hauses die Möglichkeit gehabt hätten, auf den Rechner des Klägers zuzugreifen und dass tatsächlich auch andere Mitarbeiter den Rechner privat genutzt hätten. Dies sei auszuschließen. Der bei der Geschäftsprüfung festgestellte Sachverhalt sei dem Präsidenten des OLG am 11.04.2013 bekannt gegeben worden, so dass die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten worden sei. Vor Ausspruch der Kündigung sei der Kläger persönlich gehört worden, habe jedoch die Vorwürfe letztlich nicht entkräften können. Auch der Personalrat sei vor beiden Kündigungen ordnungsgemäß nach den Bestimmungen des Landespersonalvertretungsgesetzes beteiligt worden.

95

Wegen der zahlreichen Einzelheiten des Parteivorbringens in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

96

Die Klage ist zulässig und begründet.

97

Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis ist weder durch die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 18.04.2013 wirksam mit sofortiger Wirkung beendet worden noch wird es durch die vorsorglich ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 13.05.2013 wirksam zum 31.12.2013 aufgelöst. Folglich steht dem Kläger auch ein Anspruch auf vorläufige Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu.

I.

98

Die außerordentliche Kündigung vom 18.04.2013 ist rechtsunwirksam, weil nach den Feststellungen der Kammer kein wichtiger Kündigungsgrund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB vorgelegen hat.

1.

99

Nach dieser gesetzlichen Bestimmung kann ein Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Voraussetzung für eine fristlose Kündigung ist daher zunächst das Vorliegen eines Sachverhalts, der an sich objektiv geeignet ist, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Dabei bilden verhaltensbedingte Gründe dann einen wichtigen Grund, wenn der Arbeitnehmer nicht nur objektiv, sondern auch rechtswidrig und schuldhaft seine Vertragspflichten verletzt hat. Sodann müssten eine Einzelfallprüfung und eine Interessenabwägung vorgenommen werden. Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgt, dass eine fristlose Kündigung nur dann wirksam ausgesprochen werden kann, wenn dem Kündigenden das Festhalten am Arbeitsverhältnis schlechthin nicht mehr zumutbar ist und andere Sanktionsmöglichkeiten als nicht ausreichend erscheinen (fristlose Kündigung als ultima-ratio).

100

Bevor ein Arbeitnehmer wegen eines vertragswidrigen Verhaltens gekündigt werden kann, ist er in aller Regel zuvor einschlägig und wirksam abzumahnen. Dies gilt bei Störungen im Verhaltensbereich und im Leistungsbereich sowie eingeschränkt auch im Vertrauensbereich. Soweit „steuerbares“ Verhalten vorliegt, wird regelmäßig anzunehmen sein, dass der Arbeitsnehmer nach einer Abmahnung sein verhalten ändern und sich vertragskonform verhalten wird.

101

Entbehrlich sind Abmahnungen nur dann, wenn im Einzelfall besondere Umstände vorliegen, aufgrund derer eine Abmahnung als nicht erfolgversprechend angesehen werden durfte, weil objektiv nicht erwartet werden kann, dass sich das Verhalten trotz Abmahnung künftig ändern wird, oder bei außergewöhnlich schweren und regelmäßig vorsätzlichen Vertragsverletzungen, die das notwendige Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer grundlegend und vollständig erschüttern (vgl. BAG, Urteil vom 12.01.2006 – 2 AZR 179/05 – juris). Hier handelt es sich insbesondere um zu Lasten des Arbeitgebers begangene Straftaten, wie etwa Eigentumsdelikte, die an sich stets einen wichtigen Kündigungsgrund darstellen. Jedoch sind grundsätzlich immer die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen und abschließend zu würdigen (vgl. BAG, Urteil vom 10.06.2010 – 2 AZR 541/09 – juris; LAG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 06.12.2005 – 8 Sa 327/05 – juris).

102

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann nicht nur eine erwiesene strafbare Handlung oder eine erwiesene erhebliche schuldhafte Vertragsverletzung des Arbeitnehmers, sondern auch der Verdacht, dieser habe eine strafbare Handlung oder eine erhebliche schuldhafte Vertragsverletzung begangen, einen Grund für eine außerordentliche oder ordentliche verhaltensbedingte Kündigung darstellen (vgl. BAG, Urteil vom 03. 07. 2003 – 2 AZR 437/02 – juris; BAG, Urteil vom 23. 06. 2009 – 2 AZR 474/07 – juris).

103

Der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung oder einer strafbaren Handlung ist gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Pflichtverletzung tatsächlich begangen, ein eigenständiger Kündigungsgrund, der im Tatvorwurf nicht zwangsläufig enthalten ist. Hier ist es gerade der Verdacht der – nicht erwiesenen – Pflichtverletzung, der das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses notwendige Vertrauensverhältnis zerstört. Voraussetzung ist aber immer, dass im Zeitpunkt der Kündigung der Verdacht durch objektive Tatsachen begründet ist und dass es sich um sehr schwerwiegende Pflichtverletzungen handelt. Es muss eine sehr große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass der betreffende Arbeitnehmer eine schwerwiegende Pflichtverletzung oder strafbare Handlung (in der Regel zum Nachteil des Arbeitgebers) begangen hat. Der Arbeitgeber muss alle ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Aufklärung des Sachverhaltes genutzt und insbesondere auch den Arbeitnehmer persönlich zu allen Verdachtsmomenten angehört haben. Wegen der Gefahr, dass ein „Unschuldiger“ seinen Arbeitsplatz (nach unter Umständen langjähriger Betriebszugehörigkeit) allein wegen eines Verdachts einer Pflichtverletzung verliert, sind an die Voraussetzungen für eine Verdachtskündigung sehr strenge Maßstäbe anzulegen.

2.

104

Im Streitfall waren nach Auffassung der Kammer die Voraussetzungen für den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers nicht gegeben.

a.

105

Die Wirksamkeit der Kündigung war nicht unter dem Gesichtspunkt der Verdachtskündigung zu prüfen, weil der Beklagte ausdrücklich keine Verdachtskündigung ausgesprochen hat und dies auch nicht wollte (wie die Beklagtenvertreter im Kammertermin auf Nachfrage des Vorsitzenden bestätigt haben). Zudem wurde auch der Personalrat nicht zu einer etwaigen Verdachtskündigung angehört.

b.

106

Als Tatkündigung erweist sich die fristlose Kündigung vom 18.04.2013 im Ergebnis wegen des nicht nachgewiesenen (wichtigen) Kündigungsgrundes als unwirksam. Dies folgt aus folgenden Erwägungen:

aa.

107

Obgleich gewisse Verdachtsmomente vorliegen, ist es letztlich nur eine unbewiesene Behauptung des Beklagten, dass alle vorgefundenen Privatdateien dem Kläger zuzurechnen seien und dass dieser (allein) alle Privatnutzungen durchgeführt, damit auch etwaige (nach § 106 UrhG strafbare) Vervielfältigungen vorgenommen und auch alle Brennvorgänge selbst durchgeführt hat. Keiner der dokumentierten Vorgänge lässt sich einzelnen Personen und damit auch nicht dem Kläger zuordnen. Der Beklagte stellt letztlich nur Vermutungen an und zieht Schlussfolgerungen, weil sich der Rechner am Arbeitsplatz bzw. im Dienstzimmer des Klägers befunden hat. Niemand hat den Kläger bei einzelnen Privatnutzungen beobachtet. Es ist auch nicht bewiesen, dass es gerade der Kläger war, der die Kopierprogramme installiert hat.

108

Allein die unstreitige Tatsache, dass auch in Zeiten, in denen sich der Kläger wegen Urlaubs oder Krankheit nicht am Arbeitsplatz aufgehalten hat oder sonstwie dienstlich abwesend war, zahlreiche „Vorgänge“ dokumentiert wurden, beweist, dass andere Personen sowohl Zugriff auf den Rechner hatten als auch in der Lage waren, die Kopierprogramme usw. zu nutzen.

109

Weshalb der Beklagte diesen eindeutigen Umstand bis zuletzt ignoriert hat, blieb unverständlich. Geradezu abenteuerlich hält die Kammer die Behauptung der Beklagtenvertreter im Kammertermin, dann müsse der Kläger wohl auch während seiner Krankheitszeiten und seiner Urlaube regelmäßig auf Arbeit erschienen sein und den Rechner privat genutzt haben. Wie es der Kläger allerdings hat anstellen sollen, beispielsweise aus seinem Neuseeland-Urlaub zwischenzeitlich das OLG aufzusuchen, nur um in paar CDs zu brennen, konnte niemand schlüssig erläutern. Viele Mitarbeiter des OLG verfügen über einen Dienstschüssel für das Zimmer des Klägers. Das Passwort für den Rechner (laut Angaben des Klägers: „OLG“) ist leicht herauszufinden. Wenn die entsprechenden Programme einmal installiert sind, dürfte es auch für einen technisch nicht sehr bewanderten Mitarbeiter leicht möglich sein, diese zu nutzen. Schließlich war auch zu berücksichtigen, dass sich die Ermittlungen des Beklagten auch gegen zumindest einen weiteren Mitarbeiter des Hauses richten, von dem ebenfalls angenommen wird, er habe Privatnutzungen vorgenommen.

110

Die „Ermittlungen“ gegen andere Mitarbeiter, die vom Kläger als mögliche Nutzer bezeichnet wurden, haben sich offensichtlich darauf beschränkt, zu fragen, ob sie den Rechner genutzt haben. Nachdem diese Mitarbeiter schlicht mit „Nein“ geantwortet haben, war für den Beklagten die Sachlage klar. So jedenfalls wurde es im Kammertermin erklärt, nachdem der Vorsitzende fragte, weshalb sich der Beklagte sicher sei, dass keine anderen Mitarbeiter beteiligt seien. Diese Art der Aufklärung überzeugte die Kammer jedoch nicht.

111

Nach alledem steht gerade nicht zur Überzeugung der erkennenden Kammer fest, dass der Kläger für alle Privatnutzungen verantwortlich ist. Auch können ihm somit konkrete Straftaten im Zusammenhang mit Urheberrechtsverletzung nicht nachgewiesen werden. Wann genau etwa hat er welche konkrete CD oder DVD unzulässig vervielfältigt?

112

Es muss nochmals darauf hingewiesen, werden, dass unter diesen Umständen allenfalls eine Verdachtskündigung in Betracht gekommen wäre.

bb.

113

Soweit eine (zugestandene) Privatnutzung in geringem Umfang verbleibt, wobei jedoch der zeitliche Umfang und die Intensität vollkommen ungeklärt blieben, reichte dies keinesfalls für eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus.

114

Die unbefugte Privatnutzung von Dienstrechnern, verbunden mit dem Verbrauch dienstlich angeschafften Materials (hier Rohlinge) während der Arbeitszeit stellt zweifelsfrei eine gravierende Pflichtverletzung des Arbeitnehmers dar, die nicht bagatellisiert werden soll. Unter Umständen handelt es sich sogar um strafbares Verhalten (Arbeitszeitbetrug, Diebstahl oder Unterschlagung). Regelmäßig sind solche Verhaltensweisen nach den Umständen des Einzelfalls geeignet, eine fristlose oder fristgemäße Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen.

115

Im Streitfall sind jedoch schon Umfang und Intensität der Pflichtverletzung des Klägers unklar. Zu beachten ist zudem, dass nicht jedes strafbare Verhalten oder jede grobe Pflichtverletzung eines Arbeitnehmers ohne Weiteres eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses ohne vorherige Abmahnung rechtfertigen kann (vgl. den Fall „Emmely“: BAG, Urteil vom 10.06.2010 – 2 AZR 541/09 – juris).

116

Wenn man lediglich das zugestandene Verhalten des Klägers zugrunde legt, nämlich eine Privatnutzung in geringem Umfang (alles andere konnte nicht bewiesen werden), konnte eine Kündigung, jedenfalls ohne vorherige Abmahnung, nicht wirksam ausgesprochen werden.

117

Zwar liegt ein „Arbeitszeitbetrug“ insoweit vor, als dass der Kläger während seiner Arbeitszeit, für die er bezahlt wird, weil er dienstliche Dinge erledigen soll, Privates erledigt hat. Unabhängig von dem nicht feststehenden Umfang der privat genutzten Zeit ist hier jedoch zu berücksichtigen, dass es dem Kläger jedenfalls (unbestritten!) erlaubt war, sich um die Privatrechner von Mitarbeitern des Hauses „zu kümmern“, wenn ein Problem auftrat. Hier durfte er also während der Arbeitszeit nicht dienstliche Dinge erledigen. Auf Nachfrage in der Kammerverhandlung haben die Beklagtenvertreter erklärt, dass die Kündigung auf diese Tätigkeiten des Klägers ausdrücklich nicht gestützt werde.

118

Wenn dies jedoch in der Arbeitszeit erlaubt oder zumindest geduldet wurde, war für den Kläger nicht ohne weiteres ersichtlich, dass eine Privatnutzunge des Rechners, beispielsweise zum Kopieren einer CD, streng untersagt war und er damit rechnen musste, hierfür ohne weiteres gekündigt zu werden.

119

Auch weil es sich eindeutig um steuerbares Verhalten handelt, welches hier gerügt wird, musste der Beklagte schon zur Klarstellung, welches Verhalten gebilligt und welches Verhalten nicht toleriert wird, zunächst eine Abmahnung aussprechen, bevor er zum (letzten) Mittel der fristlosen Kündigung greift. In der Abmahnung hätte er klarstellen müssen, welches Verhalten künftig nicht mehr geduldet wird und er hätte für den Fall weitergehender einschlägiger Pflichtverletzungen eine Kündigung androhen müssen. Im Falle, dass sich die Pflichtverletzungen wiederholt hätten, wäre dann eine Kündigung grundsätzlich möglich gewesen. Angesichts aller Umstände ist anzunehmen, dass der Kläger nach einer etwaigen Abmahnung sein Verhalten geändert hätte.

120

Die fristlose Kündigung war aus objektiver Sicht keinesfalls die „ultima ratio“, zumal auch nicht feststellbar war, ob und welcher Schaden gerade durch den Kläger verursacht wurde. Schon wegen Unverhältnismäßigkeit erweist sich die Kündigung daher als rechtsunwirksam.

121

Auf die Interessenabwägung, die auch das Lebensalter des Klägers und die 21jährige - beanstandungsfreie - Beschäftigungszeit berücksichtigen müsste, kam es nicht mehr an.

122

Für die Kammer war letztlich nicht nachvollziehbar, wie die nunmehr vorgetragenen Umstände und insbesondere der erhebliche Umfang privater Nutzung von dienstlichen Ressourcen so lange unentdeckt geblieben sein soll. Möglicherweise wurden bestimmte Dinge toleriert und geduldet, wohl weil eine Anzahl von Mitarbeitern des Hauses hiervon in unterschiedlicher Weise profitiert hat. Nachdem jedoch bestimmte Sachverhalte und Verhaltensweisen offiziell festgestellt, gemeldet und damit nachweislich bekannt wurden, wurde sogleich ein Exempel statuiert.

II.

123

Die vorsorglich ausgesprochene ordentliche verhaltensbedingte Kündigung vom 13.05.2013 ist sozial ungerechtfertigt im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG und damit ebenfalls rechtsunwirksam, weil kein hinreichender Kündigungsgrund vorgelegen hat.

124

Insofern wird grundsätzlich auf die obigen Ausführungen zur außerordentlichen Kündigung Bezug genommen. Trotz Vorliegens vertragswidriger und vorwerfbarer Pflichtverletzungen seitens des Klägers ist auch die ordentliche (fristgemäße) Kündigung des Arbeitsverhältnisses unter den gegebenen Umständen nicht verhältnismäßig. Auch insoweit wäre zunächst eine Abmahnung erforderlich gewesen, mit denen die Pflichtverletzungen hätten sanktioniert werden können und müssen.

III.

125

Nachdem sich beide Kündigungen im Ergebnis wegen eines fehlenden hinreichenden Kündigungsgrundes als rechtsunwirksam erwiesen haben, bedurfte die Frage der ordnungsgemäßen Beteiligung des Personalrats vor Ausspruch der Kündigungen keiner Erörterung mehr.

IV.

126

Da das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die streitgegenständlichen Kündigungen nicht wirksam beendet worden ist bzw. beendet wird, ist der Beklagte verpflichtet, den Kläger – vorläufig – bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu den bisherigen vertraglichen Bedingungen weiter zu beschäftigen.

127

Das Bundesarbeitsgericht hat den allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers nach Obsiegen mit einer Kündigungsschutzklage in erster Instanz grundsätzlich anerkannt, da dann in aller Regel das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers das Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung überwiegt (vgl. BAG, Beschluss des Großen Senats vom 27.02.1985 – GS 1/84 – juris). Gründe, die hier ausnahmsweise ein besonderes überwiegendes Interesse des Beklagten an der vorläufigen Nichtbeschäftigung begründen könnten, wurden beklagtenseits nicht vorgetragen. Die tatsächliche Beschäftigungsmöglichkeit ist auch nicht entfallen. Darüber hinaus könnte sich der Beklagte zur Abwendung der Weiterbeschäftigungspflicht nicht erfolgreich auf den Aspekt der Wiederholungsgefahr berufen. Wenn man davon ausgeht (s. o.), dass sich das vorgeworfene Verhalten nach dem Ausspruch der Kündigung wohl nicht wiederholen wird bzw. nach dem Ausspruch einer einschlägigen Abmahnung nicht wiederholt hätte, wäre es widersprüchlich, den Weiterbeschäftigungsanspruch eben unter Hinweis auf die Wiederholungsgefahr abzulehnen.

128

Der Anspruch auf vorläufige Weiterbeschäftigung für die Dauer des laufenden Rechtstreits ist jedoch nur auf eine vertragsgemäße Beschäftigung gerichtet. Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer zur den bisherigen Vertragsbedingungen weiter zu beschäftigen. Dabei obliegt die konkrete Zuweisung der Tätigkeit grundsätzlich dem Direktionsrecht, soweit dieses nicht arbeitsvertraglich oder tarifvertraglich beschränkt ist. Somit hat der Kläger – wie bisher – nur Anspruch auf eine Beschäftigung als Angestellter im OLG A-Stadt mit Tätigkeiten in der Entgeltgruppe 9 TV-L. Auch durch langjährige Beschäftigung mit bestimmten Tätigkeiten erwirbt ein Angestellter im öffentlichen Dienst keinen Anspruch darauf, auch künftig ausschließlich und gerade mit diesen Tätigkeiten beschäftigt zu werden, soweit nicht ausnahmsweise im Arbeitsvertrag anderes vereinbart wurde, was hier nicht der Fall ist.

129

Folglich konnte dem Antrag nur in der allgemeinen Form entsprochen werden. Der Arbeitnehmer kann im Zuge der vorläufigen Weiterbeschäftigung nicht besser behandelt werden als im regulären Arbeitsverhältnis.

130

Nach alledem war der Klage in dem im Tenor der Entscheidung zum Ausdruck gekommenen Umfang stattzugeben; im Übrigen war sie abzuweisen.

131

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 46 Abs. 2 ArbGG. Grundsätzlich hat die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Zwar war der Kläger hinsichtlich des konkreten Inhalts des Weiterbeschäftigungsanspruchs teilweise unterlegen. Jedoch fällt dies geringfügige Unterliegen nicht ins Gewicht, zumal es auch keine höheren Kosten veranlasst hat. Somit kam Kostenquotelung nicht in Betracht und dem Beklagten waren die gesamten Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

132

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 61 Abs. 1 ArbGG, 42 Abs. 2 GKG, 3 ZPO. Für den Feststellungsantrag bezogen auf die erste Kündigung wurde ein Betrag in Höhe des dreifachen Bruttomonatsverdienstes des Klägers (3.285,81 €) in Ansatz gebracht. Für die zweite Kündigung wurde ein weiterer Monatsverdienst angesetzt, da zwischen dem Ausspruch beider Kündigungen ein Zeitraum von ca. einem Monat lag. Der Weiterbeschäftigungsanspruch wurde (üblicherweise) mit einem weiteren Monatsverdienst bewertet.


Tenor

1. Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 19. Dezember 2014 - 4 Sa 10/14 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen und einer hilfsweise ordentlichen Kündigung.

2

Der 1954 geborene Kläger war bei dem beklagten Land seit Februar 1992 als Justizangestellter beschäftigt. Zuletzt war er am Oberlandesgericht N als „IT-Verantwortlicher“ tätig. Zu seinen Aufgaben gehörten die System- und Netzwerkbetreuung, die Verwaltung des sog. ADV-Depots, die Wartung, Pflege und Betreuung der Hard- und Software, die technische Unterstützung der Nutzer des Hauses, die Administration der elektronischen Berechtigungen und die Passwortvergabe. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand zuletzt der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) Anwendung.

3

Am 6. und am 19. März 2013 führte der Geschäftsleiter des Oberlandesgerichts mit dem Leiter der Wachtmeisterei - im Beisein der Vorsitzenden des örtlichen Personalrats - ein Personalgespräch. Dem Beamten wurde vorgehalten, unbefugt dienstliche Farbdrucker für die Erstellung sog. CD-Cover genutzt zu haben. In dem ersten Gespräch soll er laut eines „Besprechungsvermerks“ den Kläger als diejenige Person benannt haben, die für die Bestellung des Zubehörs für den EDV-Raum - einschließlich DVDs und CDs - verantwortlich gewesen sei.

4

Am 14. März 2013 unterzog der Geschäftsleiter den Arbeitsbereich des Klägers und den eines Justizhauptsekretärs, der sich mit dem Kläger das Dienstzimmer teilte, einer Geschäftsprüfung. In einem Vermerk des Geschäftsleiters vom 11. April 2013 („Prüfungsbericht“) heißt es, in der Zeit vom 1. Juli 2008 bis zum 31. Dezember 2012 seien für das Oberlandesgericht 2.325 DVDs und 1.500 CDs bestellt worden. Nach den eigenen Angaben des Klägers - so der Vermerk - seien zu dienstlichen Zwecken nur 150 bis 200 DVDs und etwa 50 CDs jährlich benötigt worden. Der Verbleib des restlichen Materials sei nicht aufzuklären. Auf einem mit dem Netzwerk des Oberlandesgerichts nicht verbundenen Computer sei lediglich der Kläger als „lokaler Admin“ und Nutzer festzustellen. Auf einer der Festplatten des Rechners seien nach Wiederherstellung vom Nutzer gelöschter Dateien 2.466 elektronische Bücher, 2.378 Bilddateien, 834 Audiodateien und 230 Videodateien gefunden worden. Ferner seien auf dem Rechner vier Programme installiert gewesen, die zum Umwandeln und Kopieren von DVDs und CDs geeignet seien. In der Zeit vom 6. Oktober 2010 bis zum 14. März 2013 sei eines von ihnen 1.128 Mal zur Bearbeitung von DVDs genutzt worden. Auf zwei weiteren externen Festplatten seien zusätzlich 41.242 Audiodateien, 1.822 Cover und 41 DVD-Kopien gefunden worden. Eine dritte externe Festplatte habe einen Ordner „Private Rechner“ enthalten. In den Schränken des Dienstzimmers hätten sich verschiedene leere und gefüllte „CD-Spindeln“ unterschiedlicher Größe, gebrannte Musik-CDs und leere DVDs befunden.

5

Mit Schreiben vom 16. April 2013 hörte das beklagte Land den örtlichen Personalrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien an.

6

Am 17. April 2013 fand zwischen dem Geschäftsleiter, einer Richterin am Oberlandesgericht und dem Kläger ein Personalgespräch statt. Dabei soll der Kläger - laut Vermerk - „sinngemäß“ erklärt haben, „alles, was auf dem Rechner bezüglich der DVDs“ sei, habe er „gemacht“. Er habe den Rechner mit nach Hause nehmen dürfen. „Natürlich [hätten sie] auch kopiert“. „Was das für DVDs und CDs“ gewesen seien, wisse er nicht mehr. Er habe „den Leuten einen Gefallen getan“. Er habe „manchmal“ festgestellt, dass sein Rechner von anderen Personen benutzt worden sei. Dies habe er nicht mitgeteilt, da es sich „nur“ um den „Test-Rechner“ gehandelt habe. Seit etwa Dezember 2012 habe er ein Passwort vergeben. Dieses sei aber für jeden, der seine Familie kenne, zu „knacken“ gewesen. Er habe „hundertprozentig“ keine „privaten Sachen“ für sich selbst „im Dienst gemacht“, sondern nur „für andere Leute aus dem OLG“.

7

Mit Schreiben vom 18. April 2013 informierte das beklagte Land den örtlichen Personalrat über den Inhalt des Gesprächs vom Vortag und über die Verwendungsmöglichkeiten des zur Bearbeitung von DVDs benutzten Umwandlungs- und Kopierprogramms. Zugleich teilte es mit, der Kläger habe sich nicht weiter geäußert. Mit Schreiben vom selben Tag erklärte der Personalrat, er habe die Angelegenheit „zur Kenntnis genommen“.

8

Mit Schreiben vom 18. April 2013, das dem Kläger am 22. April 2013 durch den Geschäftsleiter übergeben wurde, kündigte das beklagte Land das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos. In einem Vermerk heißt es, der Kläger habe bei Aushändigung der Kündigung erklärt, er nehme seine „zuvor getätigten Aussagen“ zurück. Er habe Kollegen und Vorgesetzte schützen wollen.

9

Am 22. April 2013 führte der Geschäftsleiter mit dem Bediensteten, auf dessen Arbeitsplatz sich die Geschäftsprüfung erstreckt hatte, im Beisein der Personalratsvorsitzenden ein Personalgespräch. Laut Vermerk soll der Mitarbeiter eingeräumt haben, CDs und DVDs für Musik und Filme jeweils „im mittleren dreistelligen Bereich … gebrannt“ zu haben. Die Vorlagen habe er in regelmäßigen Abständen vom Leiter der Wachtmeisterei und dem Kläger erhalten. Er habe das Kopierprogramm „für DVDs privat genutzt“. Die bei der zentralen Beschaffungsstelle des beklagten Landes bestellten DVDs und CDs seien in einem verschlossenen Schrank aufbewahrt worden. Der Schlüssel sei vom Kläger verwahrt und „immer mitgenommen“ worden.

10

Nach erneuter Anhörung des örtlichen Personalrats und mit dessen Zustimmung kündigte das beklagte Land das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 13. Mai 2013, das dem Kläger zwei Tage später zuging, ordentlich zum 31. Dezember 2013.

11

Der Kläger hat sich mit der vorliegenden Klage rechtzeitig gegen beide Kündigungen gewandt. Er hat geltend gemacht, die fristlose Kündigung sei mangels wichtigen Grundes unwirksam, die ordentliche Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Das Kopierprogramm und andere auf dem „Test-Rechner“ installierte Software habe er nicht in dem zutage getretenen Umfang genutzt. Zwar habe er sich ihrer gelegentlich bedient. Dies stelle aber keine schwerwiegende Pflichtverletzung dar, zumal ihm die Nutzung dienstlicher Computer, auch von Zuhause aus, zu privaten Zwecken in geringem Umfang durchaus erlaubt gewesen sei. Im Dienst durchgeführte Kopiervorgänge hätten jeweils nur wenige Sekunden in Anspruch genommen. Sie hätten seine Arbeitszeit insgesamt nicht verkürzt. Jedenfalls habe er keine „illegalen Kopien“ gefertigt. Keiner der beanstandeten Brennvorgänge sei ihm persönlich zuzuordnen. Wer den „Test-Rechner“ wann genutzt habe, stehe nicht fest. Auch andere Bedienstete hätten sich Zugang zu ihm verschaffen können. Das Passwort sei allgemein bekannt gewesen. Eine erhebliche Zahl der beanstandeten Nutzungen falle in eine Zeit, in der er selbst krankheits- oder urlaubsbedingt abwesend gewesen sei. Das beklagte Land gehe selbst davon aus, dass ein Kollege Brennvorgänge in nicht geringem Umfang durchgeführt habe. Ohnehin befänden sich auf dem „Server“ des Gerichts tausende von privaten Dateien, ohne dass dies je zu Beanstandungen geführt habe. Den hohen Verbrauch von Büromaterialien habe er nicht zu vertreten. Im Übrigen sei die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt. Auch sei der Personalrat nicht ordnungsgemäß unterrichtet worden. Jedenfalls zu einem gegen ihn gerichteten Verdacht als Kündigungsgrund sei dieser nicht angehört worden.

12

Der Kläger hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung des beklagten Landes vom 18. April 2013 noch durch dessen ordentliche Kündigung vom 13. Mai 2013 beendet worden ist;

        

2.    

das beklagte Land zu verurteilen, ihn zu unveränderten Bedingungen als Angestellten im Oberlandesgericht N im Rahmen der zuletzt ausgeübten - von ihm näher beschriebenen - Tätigkeit weiterzubeschäftigen.

13

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat die Kündigungen - auch wegen eines gegen den Kläger gerichteten Verdachts - als wirksam verteidigt. Der Kläger habe den ihm dienstlich anvertrauten Rechner während der Arbeitszeit umfangreich und unerlaubt zu privaten Zwecken - dem Kopieren und Brennen von DVDs und CDs mithilfe spezifischer, nicht zu dienstlichen Zwecken bestimmter Programme - genutzt. In 630 Fällen seien entsprechende Vorgänge zu Zeiten erfolgt, in denen er im Dienst gewesen sei. Die fraglichen Programme habe er zumindest während dieser Zeiten selbst genutzt. Dadurch habe er seine Vertragspflichten über einen langen Zeitraum in grober Weise verletzt. Durch das Herstellen illegaler Kopien habe er sich überdies strafbar gemacht. Zudem habe er „Arbeitszeitbetrug“ begangen. Auch habe er über 2.000 DVDs und über 1.000 CDs auf seine - des beklagten Landes - Kosten bestellt und privat verwendet. Mit seinem Verhalten habe er das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses notwendige Vertrauen unwiederbringlich zerstört. Die Frist zur Erklärung der Kündigung sei gewahrt. Der zur Kündigung berechtigte Präsident des Oberlandesgerichts habe vom Kündigungssachverhalt erst durch den Prüfbericht des Geschäftsleiters vom 11. April 2013 Kenntnis erlangt. Die Beteiligung des Personalrats sei in jeder Hinsicht ordnungsgemäß erfolgt.

14

Das Arbeitsgericht hat der Klage - hinsichtlich des Weiterbeschäftigungsantrags mit Einschränkungen - stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt das beklagte Land sein Begehren weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

15

Die zulässige Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil war aufzuheben. Die Sache war zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 ZPO).

16

A. Die Revision ist zulässig. Sie ist ordnungsgemäß innerhalb der Frist des § 74 Abs. 1 ArbGG begründet worden.

17

I. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung die Angabe der Revisionsgründe. Bei einer Sachrüge muss die Revisionsbegründung den Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Dazu muss die Revisionsbegründung eine Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Urteils enthalten. Dies erfordert die genaue Darlegung der Gründe, aus denen das angefochtene Urteil rechtsfehlerhaft sein soll (BAG 2. Mai 2014 - 2 AZR 490/13 - Rn. 15; 13. November 2013 - 10 AZR 639/13 - Rn. 11).

18

II. Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung gerecht. Das beklagte Land setzt sich im Schriftsatz vom 7. April 2015 mit allen die angefochtene Entscheidung selbständig tragenden Begründungen des Landesarbeitsgerichts auseinander. Es zeigt auf, warum die Erwägungen sachlich unzutreffend sein sollen. Die Ausführungen zum wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB greift es mit der Begründung an, das Landesarbeitsgericht habe, soweit es die Kündigung unter dem Gesichtspunkt einer Tatkündigung für unwirksam erachtet habe, die den Kläger treffende, abgestufte Darlegungslast verkannt. Die Annahme des Gerichts, die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei nicht gewahrt, beruhe auf unzutreffenden Erwägungen zum Fristbeginn. Insbesondere habe das Landesarbeitsgericht nicht - wie geboten - auf die Person des Kündigungsberechtigten und dessen Kenntnis abgestellt. Soweit es auf die Möglichkeit verwiesen habe, strafrechtliche Ermittlungen zu veranlassen und deren Ergebnis abzuwarten, sei dies sachfremd. Soweit es gemeint habe, die Anhörung des Personalrats sei aufgrund von Äußerungen eines anderen Bediensteten vom 22. April 2013 nicht ordnungsgemäß, habe es den Grundsatz der subjektiven Determinierung verkannt. Diese Sachrügen wären im Falle ihrer Begründetheit geeignet, die angefochtene Entscheidung insgesamt, auch mit Blick auf die vorsorglich erklärte ordentliche Kündigung, zu Fall zubringen. Das reicht als Revisionsangriff aus, ohne dass es auf die Verfahrensrügen des beklagten Landes ankäme.

19

B. Die Revision ist begründet. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen durfte das Landesarbeitsgericht der Klage nicht stattgeben. Der Senat kann mangels zureichender Tatsachenfeststellungen nicht beurteilen, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche fristlose Kündigung vom 18. April 2013 aufgelöst worden ist.

20

I. Die bisherigen Feststellungen tragen nicht das Ergebnis, ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB liege nicht vor.

21

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“ und damit typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 16; 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 19 mwN).

22

2. Die Prüfung der Voraussetzungen des wichtigen Grundes ist in erster Linie Sache der Tatsacheninstanzen. Dennoch geht es um Rechtsanwendung, nicht um bloße Tatsachenfeststellung. Die Würdigung des Berufungsgerichts wird in der Revisionsinstanz darauf hin überprüft, ob es anzuwendende Rechtsbegriffe in ihrer allgemeinen Bedeutung verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (BAG 26. September 2013 - 2 AZR 682/12 - Rn. 45, BAGE 146, 161; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 17, BAGE 134, 349).

23

3. Dieser Überprüfung hält die angefochtene Entscheidung nicht stand.

24

a) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die fristlose Kündigung sei nicht als sog. Verdachtskündigung gerechtfertigt (zu dieser und ihren Voraussetzungen vgl. BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 20; 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 16 mwN). Dagegen wendet sich das beklagte Land nicht. Ein Rechtsfehler ist auch objektiv - im Ergebnis - nicht zu erkennen.

25

aa) Will der Arbeitgeber seine Kündigung auf den dringenden Verdacht einer erheblichen arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung stützen, muss er dies dem Betriebs- oder Personalrat mitteilen und die Umstände angeben, aus denen sich dieser Verdacht ergeben soll. Informiert er das Gremium lediglich über eine - aus seiner Sicht tatsächlich erfolgte - Vertragspflichtverletzung des Arbeitnehmers, kann er sich im späteren Kündigungsschutzprozess zur Begründung der Kündigung nicht mehr auf den bloßen Verdacht einer entsprechenden Handlung stützen, wenn ihm die Verdachtsmomente bei Ausspruch der Kündigung bereits bekannt waren (für die Anhörung des Betriebsrats vgl. BAG 18. Juni 2015 - 2 AZR 256/14 - Rn. 47; 23. April 2008 - 2 ABR 71/07 - Rn. 24 mwN; für die Beteiligung des Personalrats nach § 79 Abs. 1 Satz 1 BPersVG vgl. BAG 10. April 2014 - 2 AZR 684/13 - Rn. 21). Nur wenn dem Arbeitgeber nachträglich neue Verdachtstatsachen bekannt geworden sind, ist ein Nachschieben des Verdachts als Kündigungsgrund - zumindest dann, wenn die maßgebenden Verdachtsmomente objektiv schon vor Zugang der Kündigung vorlagen - möglich. Weitere Voraussetzung ist, dass der Arbeitgeber den Betriebs- bzw. Personalrat zuvor in analoger Anwendung der maßgebenden Bestimmungen zu seiner entsprechenden Absicht angehört hat (vgl. BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 32; 11. April 1985 - 2 AZR 239/84 - zu B I 2 b ee der Gründe, BAGE 49, 39).

26

bb) Das Vorbringen des beklagten Landes lässt nicht den Schluss zu, es habe den Personalrat vor Zugang der Kündigung über seine Absicht unterrichtet, das Arbeitsverhältnis (auch) wegen des Verdachts einer pflichtwidrigen Handlung zu kündigen. Die Anschreiben an den Personalrat vom 16. und 18. April 2013 enthalten keine entsprechende Mitteilung. Das beklagte Land hat nicht geltend gemacht, dass ihm einzelne der in den Rechtsstreit eingeführten Verdachtstatsachen erst nach Zugang der Kündigung bekannt geworden seien. Dafür spricht auch objektiv nichts.

27

b) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Kündigung sei auch unter dem Gesichtspunkt einer verwirklichten Pflichtverletzung - dh. einer „Tat“ - nicht berechtigt, ist rechtsfehlerhaft. Ihr ist schon nicht zu entnehmen, welchen tatsächlichen Sachverhalt das Landesarbeitsgericht seiner Beurteilung zugrunde gelegt hat.

28

aa) Im Tatbestand der angefochtenen Entscheidung hat sich das Landesarbeitsgericht in weiten Teilen auf die Wiedergabe von Vermerken des beklagten Landes beschränkt. Ob es die darin festgehaltenen Umstände einschließlich der Äußerungen des Klägers für wahr erachtet hat, ist nicht zweifelsfrei erkennbar.

29

bb) In den Entscheidungsgründen hat das Landesarbeitsgericht unter Wiederholung der Erwägungen des Arbeitsgerichts ausgeführt, trotz Vorliegens „gewisser Verdachtsmomente“ sei es letztlich eine unbewiesene Behauptung des beklagten Landes, es seien (alle) vorgefundenen Privatdateien dem Kläger zuzurechnen, dieser (allein) habe die Privatnutzungen und damit auch mögliche (nach § 106 UrhG strafbare) Vervielfältigungen und Brennvorgänge vorgenommen bzw. durchgeführt. Keiner der dokumentierten Vorgänge lasse sich einzelnen Personen - etwa dem Kläger - zuordnen. Es sei auch „nicht bewiesen“, dass es gerade dieser gewesen sei, der die Kopierprogramme installiert habe. „Allein die Tatsache“, dass zahlreiche dokumentierte „Vorgänge“ Zeiten beträfen, während derer sich der Kläger nicht am Arbeitsplatz aufgehalten habe, beweise, dass andere Personen sowohl Zugriff auf den Rechner gehabt hätten als auch in der Lage gewesen seien, die Kopierprogramme zu nutzen. Auch diesen Ausführungen ist nicht zu entnehmen, von welchem konkreten, seiner Meinung nach feststehenden Sachverhalt das Landesarbeitsgericht ausgegangen ist. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, worin es die - für nicht ausreichend erachteten - „Verdachtsmomente“ erblickt hat.

30

c) Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts kann selbst dann keinen Bestand haben, wenn unterstellt wird, es habe den Inhalt der Vermerke und das sonstige Vorbringen des beklagten Landes als wahr unterstellt. Unter dieser Prämisse verletzt seine Würdigung die Vorschrift des § 626 Abs. 1 BGB. Es fehlt an einer nachprüfbaren Unterordnung des behaupteten Kündigungssachverhalts unter die Norm.

31

aa) Die Beurteilung des Landesarbeitsgerichts, die Kündigung sei auch als sog. Tatkündigung nicht berechtigt, ist schon im Ansatz nicht nachzuvollziehen. Sie lässt nicht erkennen, wie es den von der Beklagten unterbreiteten Kündigungssachverhalt materiell-rechtlich eingeordnet, dh. welche konkreten, möglicherweise als wichtiger Grund geeigneten Pflichtverletzungen es in Betracht gezogen hat. Zudem ist nicht erkennbar, dass es seine Würdigung in tatsächlicher Hinsicht auf alle in Frage kommenden Kündigungsgründe ausgerichtet hätte.

32

(1) Nach dem Vorbringen des beklagten Landes kommt eine Berechtigung der fristlosen Kündigung unter mehreren Gesichtspunkten in Betracht. Vorrangig erhebt das Land den Vorwurf, der Kläger habe - sei es als Allein-, sei es als Mittäter - wiederholt unter Nutzung dienstlicher Ressourcen urheberrechtswidrig Musik- und Audiodateien vervielfältigt. Ein solches Verhalten ist als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB „an sich“ geeignet. Ein Arbeitgeber hat, zumal wenn es sich bei ihm um eine Justizbehörde handelt, ein offenkundiges Interesse daran, dass nicht dienstliche Rechner dazu benutzt werden, unter Umgehung eines Kopierschutzes Vervielfältigungen privat beschaffter Musik- oder Film-CDs/DVDs herzustellen. Das gilt losgelöst von einer möglichen Strafbarkeit der Vorgänge (zur Problematik vgl. Treppehl/Schmidl NZA 2009, 985 ff.) und unabhängig davon, ob die Handlungen während der Arbeitszeit vorgenommen wurden. Eine Strafbarkeit der Kopier- und Brennvorgänge oder ein damit einhergehender „Arbeitszeitbetrug“ wäre allerdings geeignet, das Gewicht des Kündigungsgrundes noch zu verstärken. Dies wiederum kann für das Erfordernis einer Abmahnung und die weitere Interessenabwägung Bedeutung gewinnen. Darüber hinaus kann die dem Kläger angelastete zweckwidrige Verwendung von CD- und/oder DVD-Rohlingen, die auf Kosten des beklagten Landes bestellt wurden, als eigenständiger Kündigungsgrund Bedeutung erlangen.

33

(2) Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts lassen nicht erkennen, dass es die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung unter jedem dieser Gesichtspunkte überprüft und seine Würdigung - soweit es „Verdachtsmomente“ gewichtet hat - hierauf ausgerichtet hätte.

34

bb) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, das beklagte Land habe weder eine strafbare Urheberrechtsverletzung noch eine ähnlich schwerwiegende Vertragspflichtverletzung nachgewiesen, ist auch aus anderen Gründen rechtsfehlerhaft.

35

(1) Gemäß § 286 Abs. 1 ZPO haben die Tatsacheninstanzen unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer ggf. durchgeführten Beweisaufnahme nach ihrer freien Überzeugung darüber zu befinden, ob sie eine tatsächliche Behauptung für wahr erachten oder nicht. Die Beweiswürdigung muss vollständig, widerspruchsfrei und umfassend sein. Mögliche Zweifel müssen überwunden, brauchen aber nicht völlig ausgeschlossen zu werden (vgl. BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 44; 31. Mai 2007 - 2 AZR 276/06 - Rn. 42, BAGE 123, 1). Soll ein Vortrag mittels Indizien bewiesen werden, hat das Gericht zu prüfen, ob es die vorgetragenen Hilfstatsachen - deren Richtigkeit unterstellt - von der Wahrheit der Haupttatsache überzeugen. Das Gericht hat die insoweit maßgebenden Umstände vollständig und verfahrensrechtlich einwandfrei zu ermitteln und alle Beweisanzeichen erschöpfend zu würdigen (BGH 16. Januar 1990 - VI ZR 109/89 - zu II 2 der Gründe; 4. Juli 1989 - VI ZR 309/88 - zu II 2 der Gründe). Dabei sind die Tatsacheninstanzen grundsätzlich frei darin, welche Beweiskraft sie den behaupteten Indiztatsachen im Einzelnen und in einer Gesamtschau beimessen (BAG 18. Juni 2015 - 2 AZR 480/14 - Rn. 35; allgemein zum Indizienbeweis BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 43). Revisionsrechtlich ist ihre Würdigung allein darauf hin zu überprüfen, ob alle Umstände vollständig berücksichtigt und nicht Denk- und Erfahrungsgrundsätze verletzt wurden. Um diese Überprüfung zu ermöglichen, haben die Tatsachengerichte nach § 286 Abs. 1 Satz 2 ZPO die wesentlichen Grundlagen ihrer Überzeugungsbildung nachvollziehbar darzulegen(BAG 19. April 2005 - 9 AZR 184/04 - zu II 3 der Gründe; BGH 31. Juli 2013 - VII ZR 11/12 - Rn. 10; 22. November 2006 - IV ZR 21/05 - Rn. 11; 22. Januar 1991 - VI ZR 97/90 - zu II 1 der Gründe).

36

(2) Danach rügt das beklagte Land zu Recht eine Verletzung von § 286 ZPO. Der Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist nicht zu entnehmen, welche möglichen Indiztatsachen („Verdachtsmomente“) es in seine Beurteilung einbezogen und welchen Beweiswert es ihnen beigemessen hat. Damit ist nicht erkennbar, ob es den Vortrag des beklagten Landes vollständig zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat.

37

(3) Der Annahme eines wichtigen Grundes steht nicht entgegen, dass das beklagte Land den Sachverhalt - jedenfalls bis zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung - selbst ermittelt hat. Das mindert weder den Beweiswert der in Rede stehenden Indizien, noch ist die Kündigung deshalb unwirksam, weil polizeiliche oder staatsanwaltschaftliche Ermittlungen möglicherweise zu weitergehenden Ergebnissen geführt hätten. Soweit das Landesarbeitsgericht gemeint hat, das beklagte Land habe zu bestimmten, potentiell entlastenden Umständen nicht ausreichend vorgetragen, wird seine Rechtsanwendung überdies der den Kläger insoweit treffenden abgestuften Darlegungslast (§ 138 Abs. 2 ZPO) nicht gerecht.

38

(a) Die Rechtfertigung einer „Tatkündigung“ hängt allein davon ab, ob im Kündigungszeitpunkt objektiv Tatsachen vorlagen, die zu der Annahme berechtigen, dem Kündigenden sei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses - im Fall der außerordentlichen Kündigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - unzumutbar gewesen. Vor diesem Hintergrund mag eine umfassende, der Kündigung vorausgehende Sachverhaltsaufklärung im eigenen Interesse des Arbeitgebers liegen. Unterlässt er sie, geht er aber „nur“ das Risiko ein, die behauptete Pflichtverletzung im Prozess nicht beweisen zu können. Anders als bei der Verdachtskündigung ist der Arbeitgeber vor Ausspruch einer „Tatkündigung“ nicht verpflichtet, alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts - auch mit Blick auf den Arbeitnehmer möglicherweise entlastende Umstände - zu unternehmen. Ob der behauptete Kündigungsgrund vorliegt, beurteilt sich allein danach, ob die ihn tragenden und im Prozess mitgeteilten Tatsachen bewiesen sind oder nicht (vgl. BAG 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 57, BAGE 131, 155; 18. September 1997 - 2 AZR 36/97 - zu II 2 a der Gründe; zur Verdachtskündigung siehe demgegenüber BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 700/11 - Rn. 13 mwN, BAGE 143, 244). Im Übrigen braucht der Arbeitgeber selbst bei der Verdachtskündigung nicht jeder noch so entfernten Möglichkeit einer Entlastung des Arbeitnehmers nachzugehen, insbesondere dann nicht, wenn sich der Arbeitnehmer im Rahmen seiner Anhörung auf entsprechende Umstände nicht berufen hat.

39

(b) Auf der Grundlage des bisherigen Parteivorbringens durfte das Landesarbeitsgericht nicht davon ausgehen, das beklagte Land sei seiner prozessualen Darlegungslast mit Blick auf mögliche Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe nicht hinreichend nachgekommen.

40

(aa) Im Kündigungsschutzprozess obliegt dem Arbeitgeber die volle Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Kündigungsgrundes (BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 75/13 - Rn. 30, BAGE 148, 129). Für Umstände, die das Verhalten des Arbeitnehmers rechtfertigen oder entschuldigen könnten, ist seine Darlegungslast allerdings abgestuft. Der Arbeitgeber darf sich zunächst darauf beschränken, den objektiven Tatbestand einer Arbeitspflichtverletzung vorzutragen. Er muss nicht jeden erdenklichen Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund vorbeugend ausschließen (BAG 3. November 2011 - 2 AZR 748/10 - Rn. 23; 21. Mai 1992 - 2 AZR 10/92 - zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 70, 262). Es ist vielmehr Sache des Arbeitnehmers, für das Eingreifen solcher Gründe - soweit sie sich nicht unmittelbar aufdrängen - zumindest greifbare Anhaltspunkte zu benennen.

41

(bb) Schon auf der Tatbestandsebene des wichtigen Grundes kann den Arbeitnehmer darüber hinaus eine sekundäre Darlegungslast treffen. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber als primär darlegungsbelastete Partei außerhalb des fraglichen Geschehensablaufs steht, während der Arbeitnehmer aufgrund seiner Sachnähe die wesentlichen Tatsachen kennt. In einer solchen Situation kann der Arbeitnehmer gehalten sein, dem Arbeitgeber durch nähere Angaben weiteren Sachvortrag zu ermöglichen (BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 694/11 - Rn. 52, BAGE 142, 188; 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - Rn. 31). Kommt er in einer solchen Prozesslage seiner sekundären Darlegungslast nicht nach, gilt das tatsächliche Vorbringen des Arbeitgebers - soweit es nicht völlig „aus der Luft gegriffen“ ist - iSv. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden(vgl. BAG 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - aaO). Dabei dürfen an die sekundäre Behauptungslast des Arbeitnehmers keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Sie dient lediglich dazu, es dem kündigenden Arbeitgeber als primär darlegungs- und beweispflichtiger Partei zu ermöglichen, weitere Nachforschungen anzustellen und sodann substantiiert zum Kündigungsgrund vorzutragen und ggf. Beweis anzutreten (zu den Einzelheiten vgl. BAG 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - Rn. 33).

42

(cc) Danach musste das beklagte Land nicht von sich aus denkbare Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe auf Seiten des Klägers ausschließen. Die gegenteilige Sichtweise des Landesarbeitsgerichts überspannt die Anforderungen an die Darlegungslast des Arbeitgebers und geht von einer Ermittlungspflicht aus, die zumindest bei einer „Tatkündigung“ nicht besteht.

43

(dd) Das Landesarbeitsgericht hat zwar einzelne Gesichtspunkte angesprochen, die einer weiteren Aufklärung zugänglich gewesen sein sollen. Es hat aber nicht aufgezeigt, warum sie einer möglichen Entlastung des Klägers hätten dienen können. Das ist auch nicht unmittelbar ersichtlich.

44

(aaa) Das Landesarbeitsgericht hat auf Äußerungen anderer Bediensteter verwiesen, die ausweislich vorliegender Besprechungsvermerke eingeräumt hätten, „an den hier streitgegenständlichen Geschehnissen im OLG“ beteiligt gewesen zu sein. Der im gleichen Dienstzimmer wie der Kläger tätige Justizhauptsekretär habe „sozusagen“ in Teilen ein „Geständnis“ abgelegt. Weshalb diese Erklärungen den Vorwurf sollten entkräften können, der Kläger habe während seiner Anwesenheitszeiten im Gericht in erheblichem Umfang Kopier- und Brennvorgänge eigenhändig vorgenommen, erschließt sich nicht. Das gilt erst recht unter Berücksichtigung des Vorhalts des beklagten Landes, der Kläger habe mit anderen Bediensteten arbeitsteilig zusammengewirkt oder sie bei ihrem pflichtwidrigen Verhalten maßgeblich unterstützt. Ebenso wenig erschließt sich die Relevanz der Äußerungen mit Blick auf den Vorwurf, der Kläger habe in erheblichem Umfang Verbrauchsmaterialien auf Kosten des beklagten Landes bestellt, ohne dass dafür ein dienstlicher Anlass bestanden hätte und ihr Verbleib geklärt wäre.

45

(bbb) Der Kläger hat - soweit ersichtlich - nicht behauptet, der Inhalt eines bei der Geschäftsprüfung im Schrank eines anderen Bediensteten vorgefundenen, verschlossenen Kartons habe zu seiner Entlastung beitragen können. Es ist deshalb nicht ersichtlich, inwieweit das Unterbleiben einer Aufklärung dem beklagten Land zum Nachteil gereichen könnte. Die Erwägungen des Landesarbeitsgerichts bewegen sich im Bereich der Spekulation.

46

(ccc) Soweit das Landesarbeitsgericht „Erläuterungen“ zu den Aufgaben des Klägers, insbesondere hinsichtlich einer „technischen Unterstützung der Nutzer des Hauses“ und zur Verteilung der Aufgaben und Verantwortlichkeiten auf insgesamt vier Administratoren vermisst hat, bleiben seine Ausführungen im Vagen haften. Es hat nicht festgestellt, dass beim Kläger aufgrund der ihm eingeräumten Befugnisse der Eindruck habe entstehen können, er dürfe im Dienst auf dienstlichen Rechnern unter Umgehung von Kopierschutz Vervielfältigungen privat beschaffter CDs und DVDs vornehmen und Verbrauchsmaterialien in erheblichem Umfang zu ausschließlich privaten Zwecken bestellen und verwenden oder sie Dritten zur privaten Nutzung überlassen. Eine solche Annahme liegt auch fern. Das Gleiche gilt für die Behauptung des Klägers, ein zwischenzeitlich außer Dienst getretener Referatsleiter habe ihm erlaubt, sich während der Arbeitszeit um die „Privatrechner“ der Bediensteten und ihrer Angehörigen „zu kümmern“. Daraus durfte der Kläger jedenfalls nicht schließen, er habe urheberrechtsverletzende Kopier- und Brennvorgänge auf dienstlichen Computern vornehmen und dienstliche Materialien privat verwenden dürfen. Auf die Verfahrensrüge, mit der sich das beklagte Land gegen die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zum Inhalt der fraglichen Erlaubnis wendet, kommt es hierfür nicht an.

47

(ddd) Unklar bleibt, welche den Kläger entlastenden Schlussfolgerungen daraus zu ziehen sein sollen, dass die in Rede stehende Nutzung des „Test-Rechners“ lange Zeit unbemerkt blieb. Die entsprechende Erwägung des Landesarbeitsgerichts berücksichtigt zudem nicht, dass das beanstandete Verhalten des Klägers auf Heimlichkeit angelegt und der fragliche Computer an das Netzwerk des Oberlandesgerichts nicht angeschlossen war.

48

(eee) Das beklagte Land hat unter Beweisantritt vorgebracht, der Kläger sei für die Verwaltung des „ADV-Depots“ zuständig und für die Bestellung der „EDV-Verbrauchsmittel“ verantwortlich gewesen. Es hat die Anzahl der von ihm ermittelten Bestellungen für die Zeit von Juli 2008 bis Dezember 2012 genannt und dem die Behauptung des Klägers gegenüber gestellt, bei ihm seien „seit Einführung von Juris“ - wohl im Jahr 2006 - „kaum“ DVDs und CDs „von Bediensteten“ abgefordert worden. Außerdem hat es auf den Geschäftsprüfungsbericht und dessen Anlage 3 verwiesen und behauptet, daraus gehe hervor, dass im fraglichen Zeitraum für das Oberlandesgericht mehr als die doppelte Zahl von CD- und DVD-Rohlingen bestellt worden sei als für die in M ansässige „ADV-Stelle Justiz“. Zudem hat es behauptet, der Kläger habe die Verbrauchsmaterialien unter Verschluss gehalten, soweit er sie nicht an Dritte herausgegeben habe, und habe erklärt, zum Verbleib der Materialien keine Angaben machen zu können. Das Landesarbeitsgericht hat sich mit diesem Vorbringen nicht auseinandergesetzt. Es hat sich darauf beschränkt, pauschal auf die Möglichkeit weiterer Ermittlungen zu „Bestellvorgänge[n], Zeichnung und Gegenzeichnung unter Beteiligung welcher Bediensteter des OLG, ggf. nebst Kostenvergleichen anderer vergleichbarer Behörden“ zu verweisen. Dem Hinweis ist nicht zu entnehmen, dass - und ggf. warum - es den Vortrag des beklagten Landes selbst unter der Prämisse für erläuterungsbedürftig erachtet hat, er sei wahr.

49

(fff) Es kommt hinzu, dass der Kläger laut Gesprächsvermerk vom 17. April 2013 eingeräumt haben soll, er habe - wie andere Bedienstete auch - „natürlich auch kopiert“. Im Prozess hat er vorgetragen, „die Programme … gelegentlich“ privat genutzt zu haben, nur nicht in dem vom beklagten Land behaupteten Umfang und nicht in „illegaler“ Weise. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts berücksichtigt nicht, dass der Kläger damit der ihn treffenden sekundären Behauptungslast nicht nachgekommen ist. Die Kopiervorgänge bewegten sich nach der Behauptung des beklagten Landes außerhalb des Wahrnehmungsbereichs seiner Repräsentanten. Das Gegenteil hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt; der Sachvortrag des Klägers gibt insoweit nichts her. Er hätte deshalb konkretisieren müssen, was er unter „gelegentlichen“ Kopiervorgängen versteht. Außerdem hätte er - unter Ausschöpfung seines Erinnerungsvermögens - beschreiben müssen, um Kopien welcher Musik-/Film-CDs/DVDs es sich gehandelt habe, welche Programme er dafür eingesetzt und welche „Rohlinge“ er genutzt habe. Ebenso wenig durfte das Landesarbeitsgericht annehmen, dem Kläger seien die auf dem „Test-Rechner“ erfolgten Brenn- und Kopiervorgänge nicht zweifelsfrei zuzurechnen, ohne sich mit der Frage befasst zu haben, welche Rückschlüsse aus der Erklärung des Klägers vom 17. April 2013, „alles, was auf dem Rechner bezüglich der DVDs [sei], habe [er] gemacht“, und dem Umstand zu ziehen sind, dass er von dieser Äußerung später wieder Abstand genommen hat. Soweit das Landesarbeitsgericht gemeint hat, die behauptete Aussage eines anderen Bediensteten vom 22. April 2013, „CDs und DVDs im mittleren dreistelligen Bereich gebrannt [zu haben]“, sei „möglicherweise“ geeignet, den Kläger zu entlasten, fehlt es an einer eindeutigen richterlichen Würdigung. Auch dürfte eine wie auch immer geartete „Entlastung“ angesichts des in Rede stehenden Umfangs der Kopier- und Brennvorgänge und der behaupteten ausschließlichen Verwaltung der Rohlinge durch den Kläger schwerlich begründbar sein. Näher liegt es - wie das Landesarbeitsgericht an anderer Stelle selbst ausgeführt hat - in den fraglichen Umständen Anhaltspunkte für ein mittäterschaftliches Zusammenwirken zu erblicken. Dann wiederum könnte sich der Kläger nach dem Rechtsgedanken des § 830 BGB ohnehin nicht darauf beschränken vorzutragen, er wisse nicht mehr, welche Taten von wem begangen worden seien(ähnlich BAG 5. März 1981 - 3 AZR 559/78 - zu II 3 a der Gründe).

50

II. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Beidem unterliegt auch die Entscheidung über die vorsorglich erklärte ordentliche Kündigung und den (Hilfs-)Antrag des Klägers auf vorläufige Weiterbeschäftigung.

51

1. Der Senat kann nicht abschließend beurteilen, ob ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB vorliegt. Das Landesarbeitsgericht hat den Kündigungssachverhalt nicht festgestellt und an der Norm des § 626 Abs. 1 BGB gemessen. Die erforderliche Beurteilung kann der Senat nicht selbst vornehmen. Sie verlangt weitere Sachaufklärung. In Anbetracht der Vielzahl der gegen den Kläger sprechenden Indizien ist nicht auszuschließen, dass sich die gegen ihn erhobenen Vorwürfe als berechtigt erweisen.

52

2. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar. Seine Auffassung, das beklagte Land habe die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt und den Personalrat nicht ordnungsgemäß beteiligt, ist rechtsfehlerhaft.

53

a) Die außerordentliche Kündigung ist auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht außerhalb der Frist des § 626 Abs. 2 BGB erklärt worden.

54

aa) Die Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB beginnt nach Satz 2 der Vorschrift mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist der Fall, sobald er eine zuverlässige und hinreichend vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht. Selbst eine grob fahrlässige Unkenntnis setzt die Frist nicht in Gang (BAG 12. Februar 2015 - 6 AZR 845/13 - Rn. 94 mwN; 22. November 2012 - 2 AZR 732/11 - Rn. 30 mwN). Zu den maßgebenden Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen die Kündigung sprechenden Umstände. Der Kündigungsberechtigte, der gewisse Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Ermittlungen anstellen und dazu auch den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen begänne. Dies gilt allerdings nur solange, wie er aus verständigen Gründen und mit der gebotenen Eile Ermittlungen durchführt, die ihm eine umfassende und zuverlässige Kenntnis des Kündigungssachverhalts verschaffen sollen. Soll der Kündigungsgegner angehört werden, muss dies innerhalb einer kurzen Frist erfolgen. Sie darf im Allgemeinen nicht mehr als eine Woche betragen und nur bei Vorliegen besonderer Umstände überschritten werden (BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 407/13 - Rn. 40; 20. März 2014 - 2 AZR 1037/12 - Rn. 14). Für die übrigen Ermittlungen gilt keine Regelfrist. Bei ihnen ist fallbezogen zu beurteilen, ob sie hinreichend zügig betrieben wurden (BAG 31. März 1993 - 2 AZR 492/92 - zu II 1 der Gründe, BAGE 73, 42; 10. Juni 1988 - 2 AZR 25/88 - zu III 3 c der Gründe).

55

bb) Neben den Mitgliedern der Organe von juristischen Personen und Körperschaften gehören zu den Kündigungsberechtigten auch die Mitarbeiter, denen der Arbeitgeber das Recht zur außerordentlichen Kündigung übertragen hat. Dagegen ist die Kenntnis anderer Personen für den Lauf der Ausschlussfrist grundsätzlich unbeachtlich. Dies gilt auch dann, wenn ihnen Aufsichtsfunktionen übertragen worden sind. Nur ausnahmsweise muss sich der Arbeitgeber auch ihre Kenntnis nach Treu und Glauben zurechnen lassen. Dazu müssen diese Personen eine herausgehobene Position und Funktion im Betrieb oder in der Verwaltung innehaben sowie tatsächlich und rechtlich in der Lage sein, den Sachverhalt so umfassend zu klären, dass mit ihrem Bericht an den Kündigungsberechtigten dieser ohne weitere Nachforschungen seine (Kündigungs-)Entscheidung abgewogen treffen kann. Voraussetzung dafür, dem Arbeitgeber solche Kenntnisse zuzurechnen, ist ferner, dass die Verspätung, mit der er in eigener Person Kenntnis erlangt hat, auf einer unsachgemäßen Organisation des Betriebs oder der Verwaltung beruht (BAG 21. Februar 2013 - 2 AZR 433/12 - Rn. 28; 23. Oktober 2008 - 2 AZR 388/07 - Rn. 22).

56

cc) Diese Vorgaben hat das Landesarbeitsgericht nicht beachtet.

57

(1) Die Kündigungsbefugnis lag nach Teil 3 Ziff. 12.3 Satz 1 PersBef-AV iVm. Teil 1 Ziff. 2 Satz 1 Buchst. a PersBef-AV beim Präsidenten des Oberlandesgerichts. Gemäß dem - streitigen - Vorbringen des beklagten Landes ist dieser am 11. April 2013 über die Vorgänge und das Ergebnis der Ermittlungen in Kenntnis gesetzt worden. Dann wäre die Erklärungsfrist bei Zugang der Kündigung am 22. April 2013 allemal gewahrt gewesen. Den bisherigen Feststellungen ist nicht zu entnehmen, dass eine nicht kündigungsberechtigte Person schon vor dem 11. April 2013 von den Kündigungsgründen Kenntnis erlangt und eine Funktion innegehabt hätte, die es rechtlich erlaubte, ihre Kenntnisse dem Präsidenten des Oberlandesgerichts zuzurechnen.

58

(2) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, das beklagte Land habe Ermittlungen nicht mit der gebotenen Eile durchgeführt, verletzt § 626 Abs. 2 BGB iVm. § 138 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO. Die Würdigung verkennt die Voraussetzungen, unter denen Ermittlungen als „zügig“ anzusehen sind. Überdies hat es zu hohe Anforderungen an den betreffenden Sachvortrag des beklagten Landes gestellt.

59

(a) Soweit das Landesarbeitsgericht darauf abhebt, das beklagte Land habe umgehend die Strafverfolgungsbehörden einschalten und - ohne Nachteile mit Blick auf die Frist des § 626 Abs. 2 BGB befürchten zu müssen - den Aus- und Fortgang des Ermittlungs- und Strafverfahrens abwarten können, ist dies zwar zutreffend(vgl. BAG 22. November 2012 - 2 AZR 732/11 - Rn. 31; 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 16, BAGE 137, 54). Daraus folgt für das Land aber keine Beschränkung in der Wahl seiner Mittel zur Aufklärung. Dem Arbeitgeber steht es frei, eigene Ermittlungen anzustellen und die Strafverfolgungsbehörden nicht unmittelbar einzuschalten. Auch „private“ Ermittlungen hemmen - zügig vorangetrieben - den Lauf der Frist.

60

(b) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, das beklagte Land habe den Kläger nicht binnen Wochenfrist angehört, ist nicht nachvollziehbar. Es fehlt an Feststellungen, wann diese Frist zu laufen begonnen habe. Falls der Präsident des Oberlandesgerichts - wie vom beklagten Land behauptet - erst am 11. April 2013 Kenntnis erlangt hat, wäre die Wochenfrist mit der Anhörung vom 17. April 2013 eingehalten.

61

(c) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, das insoweit darlegungsbelastete Land (vgl. dazu BAG 1. Februar 2007 - 2 AZR 333/06 - Rn. 21) habe nicht aufgezeigt, dass es die Ermittlungen nach Durchführung der Geschäftsprüfung zügig vorangetrieben habe, ist nicht tragfähig. Das beklagte Land hat geltend gemacht, es sei erst aufgrund einer außerhalb des Oberlandesgerichts durchgeführten Überprüfung der vom Kläger genutzten Rechner und Festplatten in der Lage gewesen, das Ausmaß der Privatnutzung zu bestimmen. Dies habe bis zum 8. April 2013 Zeit beansprucht, weil Hardware nach M habe verbracht und umfangreiches Datenmaterial, teils unter Wiederherstellung gelöschter Dateien, habe gesichtet werden müssen. Außerdem seien die Osterfeiertage in die Zeit gefallen. Die Ausführungen sind geeignet, die Dauer der Untersuchung plausibel zu machen. Unter Berücksichtigung der wenigen zusätzlichen Tage, welche die Erstellung des Prüfberichts in Anspruch genommen hat, ergeben sich auf der Basis der bisherigen Feststellungen keine Anhaltspunkte für ein nur zögerliches Vorantreiben der Ermittlungen.

62

b) Die außerordentliche Kündigung vom 18. April 2013 ist nicht mangels ordnungsgemäßer Anhörung des Personalrats nach § 108 Abs. 2 BPersVG, § 67 Abs. 2 Satz 4 PersVG LSA unwirksam.

63

aa) Gemäß § 67 Abs. 2 Satz 1 PersVG LSA ist der Personalrat vor der außerordentlichen Kündigung eines Arbeitnehmers anzuhören. Die Leitung der Dienststelle hat die beabsichtigte Maßnahme nach § 67 Abs. 2 Satz 2 PersVG LSA zu begründen. Insoweit gelten die gleichen Anforderungen wie an eine Anhörung des Betriebsrats gemäß § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG(vgl. BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 57 mwN). Nach dem Grundsatz der subjektiven Determinierung muss der Arbeitgeber dem Personalrat die Umstände mitteilen, die seinen Kündigungsentschluss tatsächlich bestimmt haben. Dem kommt er dann nicht nach, wenn er ihm einen schon aus seiner eigenen Sicht unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt darstellt. Zu einer vollständigen und wahrheitsgemäßen Information gehört darüber hinaus die Unterrichtung über Tatsachen, die ihm - dem Arbeitgeber - bekannt und für eine Stellungnahme des Betriebsrats möglicherweise bedeutsam sind, weil sie den Arbeitnehmer entlasten und deshalb gegen eine Kündigung sprechen können (BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 736/13 - Rn. 14; 19. Juli 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn. 41 mwN, BAGE 142, 339).

64

bb) Nach diesen Grundsätzen war die Anhörung zur fristlosen Kündigung mit Schreiben vom 16. April 2013 ordnungsgemäß.

65

(1) Dem Personalrat war das Ergebnis der Geschäftsprüfung vom 14. März 2013 unter Vorlage des betreffenden Vermerks zur Kenntnis gebracht worden. Im Anhörungsschreiben selbst heißt es, hieraus ergebe sich eine „ausschweifende“ Privatnutzung des dienstlichen Rechners unter Verwendung eines den Kopierschutz umgehenden Programms während der Dienstzeit und ein nicht erklärlicher Umgang mit dienstlich bestelltem Material (DVDs und CDs). Ungeachtet der Frage, ob es einer solchen Information bedarf (vgl. KR-Etzel 10. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 64; APS-Koch 4. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 129), konnte der Personalrat nach den ihm erteilten Informationen nachvollziehen, dass das beklagte Land der eigenen Ansicht zufolge den Kündigungssachverhalt jedenfalls nicht vor dem 8. April 2013 erfassen konnte. Der Personalrat vermochte sich anhand dessen ein eigenes Bild von der Einhaltung der Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB zu verschaffen. Das reicht aus. Eine nähere Begründung der den Kündigungsentschluss tragenden Abwägung ist wegen des Grundsatzes der subjektiven Determinierung regelmäßig nicht erforderlich. Die Anhörung zu der Absicht, das Arbeitsverhältnis (fristlos) zu kündigen, impliziert eine Abwägung zu Lasten des Arbeitnehmers (BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 736/13 - Rn. 15; 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 27, BAGE 146, 303).

66

(2) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die Anhörung nicht deshalb unvollständig, weil das beklagte Land es unterlassen hat, den Personalrat über den Inhalt eines am 22. April 2013 mit einem anderen Bediensteten geführten Personalgesprächs zu unterrichten. Dabei kann zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass diese Unterredung vor Übergabe des Kündigungsschreibens stattfand und sich aus der Einlassung des Bediensteten Anhaltspunkte dafür ergaben, dass dieser Kopier- und Brennvorgänge im Zusammenwirken mit ihm - dem Kläger - durchgeführt hat. Das beklagte Land ging bei Einleitung des Anhörungsverfahrens - für den Personalrat erkennbar - davon aus, der Kläger selbst habe das fragliche Programm wiederholt zu privaten Zwecken während der Dienstzeit genutzt. Sowohl aus der subjektiven Sicht des beklagten Landes als auch aus objektiver Sicht handelt es sich bei der aus dem Personalgespräch deutlich gewordenen Möglichkeit, der Kläger und der andere Bedienstete hätten zusammengewirkt, keineswegs um einen entlastenden Umstand, wie das Landesarbeitsgericht gemeint hat. Allein- und Mittäterschaft sind in ihrem Unrechtsgehalt gleichwertig und im Rahmen einer kündigungsrechtlichen Beurteilung regelmäßig gleich zu gewichten.

67

(3) Die Äußerungsfrist von drei Arbeitstagen (§ 67 Abs. 2 Satz 3 PersVG LSA) hat das beklagte Land - auch unter Berücksichtigung der dem Personalrat am 18. April 2013 unterbreiteten ergänzenden Informationen - gewahrt.

68

(a) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist dem Personalrat das Schreiben vom 16. April 2013 am selben Tag zugegangen. Gemäß § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 1 BGB lief die Frist von drei Arbeitstagen am 19. April 2013 (einem Freitag), 24:00 Uhr ab. Zwar wurde das Kündigungsschreiben bereits am 18. April 2013 ausgefertigt und dem Geschäftsleiter des Oberlandesgerichts als Erklärungsboten des beklagten Landes zwecks persönlicher Übergabe an den Kläger ausgehändigt. Ein Treffen zwischen dem Geschäftsleiter und dem Kläger war aber - schon zuvor - erst für den 22. April 2013 vereinbart worden. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte das Kündigungsschreiben den Machtbereich des Präsidenten des Oberlandesgerichts nicht verlassen und war es diesem möglich, die Kündigung anzuhalten, falls der Personalrat gewichtige und aus Sicht des beklagten Landes überzeugende Argumente gegen sie vorbrächte. Der Fall liegt insoweit nicht anders, als wenn der Präsident des Oberlandesgerichts das Kündigungsschreiben zwar am 18. April 2013 unterschrieben, jedoch bis zum 22. April 2013 weiter selbst verwahrt hätte.

69

(b) Das Anhörungsverfahren war bei Übergabe des Kündigungsschreibens an den Kläger - anders als dieser meint - nicht deshalb noch nicht abgeschlossen, weil das beklagte Land dem Personalrat mit Schreiben vom 18. April 2013 ergänzende Informationen hat zukommen lassen. Auf der Grundlage der Darlegungen des beklagten Landes ist davon auszugehen, dass das Anhörungsverfahren durch das vorbezeichnete Schreiben nicht neu in Gang gesetzt worden ist.

70

(aa) Vor Ausspruch der Kündigung kann der Arbeitgeber seine Informationen gegenüber dem Betriebs- oder Personalrat jederzeit ergänzen. Die Beurteilung, ob aufgrund der nachträglichen Unterrichtung die Äußerungsfrist neu anläuft, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Dabei ist auch auf den Gegenstand der nachgereichten Informationen Bedacht zu nehmen (vgl. BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 736/13 - Rn. 27).

71

(bb) Im Streitfall ist das Schreiben vom 18. April 2013 ausdrücklich als „Ergänzung“ und nicht, wie das Schreiben vom 16. April 2013, als „Anhörung“ bezeichnet worden. Bereits dies spricht gegen die Annahme, das beklagte Land habe das Verfahren neu in Gang setzen wollen. Eine andere Interpretation ist auch nicht wegen des Inhalts der zusätzlichen Informationen geboten. Mittels der Vorlage der protokollierten Kopiervorgänge und des Journals der Arbeitszeit wurden lediglich die im Schreiben vom 16. April 2013 bereits geschilderten Vorgänge vertiefend dargestellt und erläutert, nicht aber ein Sachverhalt unterbreitet, der den bisher bekannten Sachverhalt in einem gänzlich neuen Licht erscheinen ließe. Im Ergebnis nichts anderes gilt für die Unterrichtung über den Inhalt des mit dem Kläger am 17. April 2013 geführten Gesprächs und die ihm bis zum 18. April 2013, 9:00 Uhr eingeräumte Möglichkeit zur weitergehenden Stellungnahme. Auch diese Mitteilung diente der Vervollständigung der Information des Personalrats, nicht aber der Einführung eines neuen Sachverhalts. Das gilt jedenfalls mit Blick auf die hier interessierende „Tatkündigung“, bei der die Anhörung des Arbeitnehmers nicht Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung ist, und unter Berücksichtigung des Umstands, dass das Gespräch vom 17. April 2013 keine Erkenntnisse zutage förderte, die den Kläger entscheidend hätten entlasten können.

72

III. Bei der neuen Verhandlung wird das Landesarbeitsgericht zunächst zu prüfen und zu bewerten haben, ob ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB gegeben und ob die Frist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt ist. Dazu wird es die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben. Sollte es zu dem Ergebnis gelangen, die Kündigung sei iSv. § 626 BGB wirksam, wird es auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen davon ausgehen können, dass der Personalrat zur außerordentlichen Kündigung ordnungsgemäß beteiligt worden ist. Die Klage dürfte in diesem Fall abzuweisen sein, ohne dass der auf die ordentliche Kündigung bezogene Feststellungsantrag und der Antrag auf Weiterbeschäftigung noch zur Entscheidung anfielen. Sollte das Landesarbeitsgericht die Kündigung für unwirksam erachten, wird es über die ordentliche Kündigung zu befinden haben, je nach Ausgang dieses Streits auch über den (Hilfs-)Antrag des Klägers auf vorläufige Weiterbeschäftigung. Für die weitere Sachbehandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

73

1. Bei der Prüfung von § 626 Abs. 1 BGB wird das Landesarbeitsgericht - unter Berücksichtigung der zu B. I. und II. dargestellten Rechtsauffassung des Senats - zu würdigen haben, ob die vorgetragenen Indizien ausreichen, ihm die erforderliche Überzeugung zu vermitteln, der Kläger habe seine vertraglichen Pflichten verletzt. Über streitige Tatsachen wird ggf. Beweis zu erheben sein. Dabei hat sich das Gericht mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit zu begnügen, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig ausschließen zu müssen (BAG 29. Januar 2015 - 2 AZR 280/14 - Rn. 30 mwN; BGH 11. November 2014 - VI ZR 76/13 - Rn. 23 mwN).

74

2. Im Hinblick auf eine ggf. vorzunehmende Würdigung der Umstände des Einzelfalls und Interessenabwägung wird zu berücksichtigen sein, dass die vom Landesarbeitsgericht bisher - im Rahmen der Überprüfung der ordentlichen Kündigung - zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit angestellten Erwägungen nicht tragen.

75

a) Die Wertung, es habe deshalb einer Abmahnung bedurft, weil „fast alle Bediensteten einschließlich der Richterschaft […] offenbar von der Tätigkeit des Klägers profitiert und dieser auch nicht widersprochen [hätten]“ und daraus auf ein mangelndes Unrechtsbewusstsein - auch des Klägers - zu schließen sei, entbehrt der Tatsachenbasis. Es ist unklar, auf welche Handlungen des Klägers sich das Landesarbeitsgericht bezogen und welche Personen es vor Augen gehabt hat, die aus den nicht näher konkretisierten Aktivitäten des Klägers einen bisher nicht definierten Nutzen gezogen haben sollen.

76

b) Für die vom Landesarbeitsgericht mit Blick auf den Umgang mit beschäftigten Beamten ins Spiel gebrachte Heranziehung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes fehlt es an einer rechtlichen Grundlage. Zwar mögen bei der Interessenabwägung nach § 626 Abs. 1 BGB ähnliche Erwägungen anzustellen sein wie im Rahmen einer disziplinarrechtlichen Würdigung. Daraus kann aber nicht - wie das Landesarbeitsgericht offenbar gemeint hat - abgeleitet werden, der Arbeitgeber dürfe gegenüber einem Arbeitnehmer, der seine Pflichten in gemeinschaftlichem Zusammenwirken mit Beamten verletzt hat, nicht zum Mittel der Kündigung greifen, solange er nicht auch die Entlassung der Beamten initiiere oder doch andere disziplinarische Maßnahmen ihnen gegenüber ergreife. Die Erwägung lässt außer Acht, dass sich Wertungen, wie sie aus dem in der Regel auf Lebenszeit angelegten, durch besondere Treue- und Fürsorgepflichten geprägten Dienstverhältnis der Beamten folgen, nicht auf eine privatrechtliche Leistungsbeziehung übertragen lassen (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 29, BAGE 134, 349; 17. Juni 1993 - 6 AZR 620/92 - zu B II 2 d bb der Gründe, BAGE 73, 262). Selbst im Verhältnis von Arbeitnehmern untereinander scheidet mit Blick auf verhaltensbedingte Kündigungen eine Anwendung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes weitgehend aus (BAG 8. Dezember 1994 - 2 AZR 470/93 - zu B II 5 g der Gründe; zu eng begrenzten Ausnahmekonstellationen vgl. BAG 22. Februar 1979 - 2 AZR 115/78 - zu 2 a der Gründe). Die fraglichen Erwägungen des Landesarbeitsgerichts lassen überdies die herausgehobene Position des Klägers als „IT-Verantwortlicher“ außer Acht. Unbeschadet der unterschiedlichen Rechtsstellung von Beamten und Angestellten widerspricht auch dies - neben weiteren in Betracht zu ziehenden Unterschieden - einer Vergleichbarkeit der Sachverhalte.

77

c) Das Landesarbeitsgericht wird, sollte es auf die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung ankommen, weiterhin davon ausgehen können, dass deren soziale Rechtfertigung (§ 1 Abs. 1 und Abs. 2 KSchG) unter dem Gesichtspunkt des Verdachts nicht in Betracht kommt - auch deshalb, weil der Personalrat dazu laut Schreiben vom 23. April 2013 nicht beteiligt worden ist. Die Prüfung, ob die Kündigung als Tatkündigung durch Gründe iSv. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist, wird das Landesarbeitsgericht neu vorzunehmen und die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben. Was die Frage betrifft, ob die Beteiligung des Personalrats zu einer ordentlichen Kündigung nach § 67 Abs. 1 Nr. 8 PersVG LSA ordnungsgemäß erfolgt ist, wird zu beachten sein, dass die in der angefochtenen Entscheidung vertretene Auffassung, die Anhörung sei unwirksam, weil das beklagte Land dem Personalrat mögliche Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe nicht mitgeteilt habe, auf der Basis der bisherigen Feststellungen nicht haltbar ist. Um welche, nach dem Grundsatz der subjektiven Determiniertheit beachtlichen Tatsachen es sich insoweit handeln soll, ist nicht nachzuvollziehen.

78

IV. Der Senat hat bei der Zurückverweisung von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.

        

    Kreft    

        

    Rachor    

        

    Berger    

        

        

        

    Perreng    

        

    Der ehrenamtliche Richter Dr. Bartz ist wegen des Endes seiner Amtszeit verhindert, seine Unterschrift beizufügen.
Kreft    

                 

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Tenor

1. Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 04.12.2013 – 3 Ca 1303/13 NMB – wird zurückgewiesen.

2. Das beklagte Land trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung vom 18. April 2013 (Bl.18 d. A.) sowie einer hilfsweisen ordentlichen Kündigung (unter Einhaltung der einschlägigen Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Schluss eines Kalendervierteljahres zum 31.12.2013, hilfsweise zum nächst möglichen Kündigungstermin) mit Schreiben vom 13. Mai 2013 (Bl. 46 d. A.). Die fristlose Kündigung des beklagten Landes vom 18. April 2013 ist dem Kläger am 22. April 2013 zugegangen. Die hilfsweise ordentliche Kündigung des beklagten Landes vom 13. Mai 2013 hat er am 15. Mai 2013 erhalten.

2

Der am xx.xxx. 1954 geborene Kläger ist beim beklagten Land seit dem xx.xxx. 1992 in Vollzeit nach Maßgabe des TV-L beschäftigt.

3

Dienstort des Klägers ist das O. (fortan: O.) in N. Dort ist er als Justizangestellter tätig und als „IT-Verantwortlicher“ im Wesentlichen mit der System- und Netzwerkbetreuung beschäftigt. Zu seinen Aufgaben gehört u. a. auch die Verwaltung des ADV-Depots, die Wartung, Pflege und Betreuung der Hart- und Software, die technische Unterstützung der Nutzer des Hauses, die Administration der elektronischen Berechtigungen und die Passwortvergabe. Zuletzt wurde der Kläger in die Entgeltgruppe 9 TV-L eingestuft und erhält eine monatliche Vergütung in Höhe von derzeit rund xxx,- € brutto.

4

Am 06. März 2013 fand zwischen dem Geschäftsleiter W. und Bediensteten C. sowie der Vorsitzenden des örtlichen Personalrats B. ein Personalgespräch statt, das am 19. März 2013 fortgesetzt wurde. Der diesbezügliche Besprechungsvermerk, der mit dem Schriftsatz des beklagten Land vom 17.09.2014 (Bl. 513 – 513 R. d. A.) überreicht wurde, lautet:

5

„Besprechungsvermerk

Teilnehmer:

EJHW C.
JA W.
JRin B. als Vorsitzende des örtlichen Personalrats

6. März 2013

Herr W weist Herrn C. analog § 136 StPO darauf hin, dass er sich nicht äußern und auch nicht selbst belasten muss.

Im Anschluss hält Herr W Herrn C. vor, CD-Cover auf dem im Zimmer O /D befindlichen Farbdrucker ausgedruckt zu haben, die eindeutig keinen dienstlichen Charakter haben. In diesem Zusammenhang weist er nochmals auf die Hausmitteilung hin, in der auf die veränderten Standorte der Drucker hingewiesen wurde. In dieser sei auch der Hinweis enthalten gewesen, dass selbstverständlich Ausdrucke gefertigt werden könnten, sofern sie dienstlichen Bezug hätten.

Herr C. gibt zu, die Ausdrucke gefertigt zu haben, obwohl ihm die dienstliche Anweisung bekannt gewesen sei. Er entschuldigt sich und erklärt, er hätte fragen sollen und wolle die Ausdrucke auch bezahlen. Sein Farbdrucker Zuhause sei defekt und er habe der Tochter eines guten Bekannten, der kürzlich verstorben sei, einen Gefallen tun und sie ablenken wollen. Er begründet dies auch damit, dass er ein besonderes Vertrauensverhältnis zu der Tochter habe. Einige der Cover seien auch für den Eigengebrauch gewesen. Er erklärt, die Cover auf einem Stick von Zuhause mitgebracht zu haben, auch das Papier sei sein eigenes gewesen – dienstliches Material habe er nicht verwandt.

Auf Nachfrage gesteht er ein, auch zuvor bereits gelegentlich (ca. 5 – 10 mal) Ausdrucke gefertigt zu haben. CDs habe er nicht gebrannt, das gebe seine Technik nicht her. Er habe lediglich Musik-CD-Cover ausgedruckt, sofern er diese von Kumpel ohne Cover erhalte.

Herr W. erkundigt sich nach dem Gesundheitszustand der Ehefrau, die Ende letzten Jahres einen Herzinfarkt erlitten hat. Herr C. berichtet und erklärt darüber hinaus, dass auch seine Mutter schwer herzkrank und sein Schwiegervater im letzten Jahr verstorben sein. Alles in allem sei die private Situation derzeit eher von Sorge geprägt.

Herr W weist abschließend darauf hin, dass – zunächst rein theoretisch – verschiedene Maßnahmen in Betracht kämen:

. Entzug der Leitung der Wachtmeisterei
. Versetzung an eine andere Dienststelle
. Disziplinarverfahren.

Außerdem sei der PC eingezogen worden und werde auf die von Herrn C. gemachten Angaben überprüft. Sofern ihm noch Dinge, die im Zusammenhang mit dem Drucken von Covern sowie der Herstellung von CDs einfallen würden, könne sich Herr C. gern an ihn oder Frau B. wenden.

Herr C. betont, dass er gern am O. tätig sei und auch gern bleiben würde.

Herr W. hält als bisheriges Zwischenergebnis fest, dass ein Disziplinarverfahren einzuleiten sei. Er tue sich schwer, aufgrund der bisherigen Ermittlungsergebnisse den Äußerungen Glauben zu schenken.

Herr C. entgegnet, dass er die Sachen (Cover) ausgedruckt habe, CDs stünden Zuhause im Regal.

Auf die Frage, was zu finden wäre, wenn die Internetprotokolle aus Barby abgefordert würden, entgegnet Herr C., nur in absoluten Ausnahmefällen Cover aus dem Internet heruntergeladen zu haben. Er habe diese weitestgehend zu Hause eingescannt. Die Original-CDs habe er aus dem Freundeskreis erhalten.

Herrn C. wird vorgehalten, dass die Anzahl der Cover, die sich in 1 ½ Jahren angesammelt hätten, ca. 11 CDs pro Tag ergäbe. Er erklärt, dass er sich am Wochenende viel mit Musik beschäftige, die Cover hier ausgedruckt, aber Zuhause fertig gemacht habe. Ihm sei bewusst, dass er das nicht hätte machen dürfen und hätte das nicht an die große Glocke gehängt. Er sei jedoch gewiss nicht der Einzige, der hier bunte Bilder drucke, u. a. sei am 28.02. eine Geburtstagskarte gedruckt worden.

Auf Nachfrage: Druckaufträge habe ich immer vom PC aus ausgelöst.

Auf Herrn Ws Äußerung, er könne sich nicht vorstellen, dass z. B. Herr S. nicht mitbekommen haben solle, dass Cover-Ausdrucke gefertigt wurden, erklärt Herr C., es habe ihn niemand darauf angesprochen.

Zur Bestellung von EDV-Verbrauchsmitteln erklärt Herr C., dass Herr Sch. für die Bestellung des Zubehörs für den EDV-Raum (z. B. Datensicherungsbänder), DVDs und CDs zuständig sei. Er habe hingegen lediglich Druckerpatronen bestellt. CDs und DVDs habe er nicht bestellt, habe lediglich ein paar bei sich für Eilfälle (z. B. Bibliothek).

Herr C. wird erneut darauf hingewiesen, dass ein Disziplinarverfahren einzuleiten sei und ein Ermittlungsführer bestellt werde.

Herr C. betont nochmals, keine Musik illegal aus dem Internet herunter geladen zu haben. Er habe ca. 6.000 Original-CDs Zuhause und Kopien wirklich nur für den Eigenbedarf gefertigt. Dafür habe er sich CDs bei Freunden ausgeliehen, die Cover eingescannt und diese Zuhause, aber auch im O. ausgedruckt. Leider sei das mehr und häufiger vorgekommen, als hätte sein sollen.

Fortsetzung 19.03.2013

Teilnehmer: s. o.

Herr C. bittet um ein Gespräch und bietet Folgendes an:

. Erstattung der Kosten für die Ausdrucke (2 Seiten pro Cover, dass i. d. R. aus 3 Dateien besteht)
. Nacharbeiten der durch die Cover-Bearbeitung versäumten Dienstzeiten
. Evtl. Versetzungsgesuch an das A. N.

Herr W. wird in diesem Sinne bei Herr Schu. vortragen.“

6

Am 14.03.2013 wurde im Dienstzimmer 211 des O. eine Geschäftsprüfung der Arbeitsplätze des Klägers und eines weiteren dort tätigen Mitarbeiters durchgeführt. Über die bei der Prüfung getätigten Feststellungen fertigte der Geschäftsleiter des O. am 11.04.2013 einen Vermerk (Prüfungsbericht) mit folgendem Inhalt (Bl. 166 ff. d. A.):

7

 „…     

Am 14.03.2013 habe ich eine Geschäftsprüfung der Arbeitsplätze des Justizangestellten H. Sch. und des … im Dienstzimmer 211 durchgeführt.

Herr Sch. ist gemäß Geschäftsverteilungsplan im Referat IV (ADV) überwiegend als System- und Netzwerkbetreuer für das O. zuständig… Bis zum 31.12.2012 war Herr Sch. auch für die Depotverwaltung und Verwaltung der EDV-Verbrauchsmittel einschließlich deren Bestellung verantwortlich.

An der Geschäftsprüfung nahmen neben dem Unterzeichner teil;

. Herr H. Sch.,
. Frau P.,
. Herr H. und
. Herr K.

Frau P., Herr H. und Herr K. nahmen auf meine Anordnung an der Geschäftsprüfung teil, um bei der Bestandsaufnahme unterstützend tätig zu sein,

Die Dokumentation der Schrank- und Regalinhalte einschließlich des Raumplanes ist als Anlage 1 (Dokumentation) und als Anlage 2 (Raumplan) dem Protokoll beigefügt

Herr Sch. und … teilten auf Befragen mit, dass sich nur noch bei Herrn C. einige DVD's und CD's befinden könnten.

Auf Befragen teilten sowohl Herr Sch. als auch … mit, dass keine Nachweise über den Zugang und den Abgang der EDV-Verbrauchsmittel geführt werden und vorliegen. Hierunter fallen neben Druckerpatronen auch DVD’s und CD's. Genaue Angaben über Zugänge und Abgänge konnten mir gegenüber nicht gemacht werden. Geschildert wurde jedoch das Procedere der Bestellung der EDV-Verbrauchsmittel. Herr Sch. bestellte bis zum 31.12.2012 halbjährlich die EDV-Verbrauchsmittel, die mit anderen zu beschaffenden Verbrauchsmitteln von Herrn C. zusammengefasst und von ihm an die ZBS als Bestellung weitergeleitet worden sind.

Die Anzahl der seit dem 2. Halbjahr 2008 bestellten und gelieferten DVD's und CD’s ist in Anlage 3 aufgeführt. Die in Anlage 3 aufgeführten Zahlen sind mir auf telefonische Nachfrage von der ZBS zur Verfügung gestellt worden.

Diesbezüglich bleibt festzustellen:

In der Zelt vom 01.07.2008 bis zum 31.12.2012 sind für das O. N. insgesamt 2.325 DVD's und 1.500 CD's bestellt worden; für die ADV-Stelle Justiz sind in demselben Zeitraum 870 DVD's und 650 CD's bestellt worden.

Im Nachgang der Geschäftsprüfung erklärte Herr Sch. in Gegenwart von Frau P. auf meine Nachfrage, dass seit der Einführung von JURIS kaum DVD’s und CD's von Bediensteten bei ihm abgefordert wurden; genaue bzw. genauere Angaben kann er jedoch nicht machen. Auf Befragen teilt er weiter mit. dass vor der Einführung von JURIS seines Erachtens nach 50 bis 60 DVD's und CD's vierteljährlich und nach der Einführung von JURIS ca. 150 bis 200 DVD's und ca. 50 CD's jährlich bestellt worden sind. Einer Verfügung vom 02.03.2006 ist zu entnehmen, dass JURIS landesweit seit 2006 genutzt werden kann. Die Verfügung ist als Anlage 4 beigefügt.

Auf der Grundlage der erfolgten Bestellmengen (= Liefermengen) abzüglich des vorgefundenen Bestandes hätten in der Zeit vom 01.07.2008 bis zum 31.12.2012 durchschnittlich jährlich 383 DVD's und 315 CD's dienstlich verwendet werden müssen. Anhaltspunkte hierüber liegen nicht vor; Erklärungen hierüber sind nicht bekannt.

Es bleibt festzuhalten. dass der Verbleib der DVD’s und CD's zu einem überwiegenden Teil am 14.03.2013 nicht nachvollziehbar und erklärbar ist.

Im Rahmen der Prüfung sind auch jeweils der Rechner von Herrn Sch. und … von sowie drei externe Festplatten - zwei der drei externen Festplatten sind bezeichnet mit "EXTERN700GB" und "Extern 700GB", eine dritte Festplatte war nicht gesondert gekennzeichnet -, die im Schrank Nummer 7 aufbewahrt werden, untersucht worden.

Nach einem groben Oberflächenscannen ist am 08.04.2013 folgendes Zwischenergebnis festzuhalten:

a) Rechner Herr Sch.

Harr Sch. räumte während der Prüfung ein, dass einige private Dateien auf dem Rechner seien.

Der Rechner ist nicht in die Domäne eingebunden; der Rechner ist nicht wie bei allen anderen dienstlichen Rechnern üblich "greifbar". Mit Herrn Sch. konnte als "lokaler Admin" nur ein Nutzer festgestellt werden. Ein Zugriff Dritter aus der "Ferne" ist nicht feststellbar und nahezu nicht möglich. weil der Rechner nicht in die Domäne eingebunden war.

Der Rechner besteht aus

• zwei Festplatten,
• zwei Brennern und
• einem Kartenleser (SD, CF).

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass eine Festplatte und ein Brenner nachgerüstet wurden.

Eine der beiden Festplatten wies keine Auffälligkeiten auf.

Die andere Festplatte im Rechner als,,2. Festplatte" bezeichnet, verfügt über eine Speicherkapazität von ca. 232 GB. Vor der Wiederherstellung waren ca. 16 GB belegt. Letzte Aktivitäten waren am 14.03.2013 ab 05.59 Uhr registriert.

Nach der Wiederherstellung wurden insgesamt 6.427 Dateien festgestellt, die Speicherkapazität war mit 232 GB nahezu erschöpft. Die letzte Verwendung datiert vom 14.03.2013. Eine erste vorgenommene Sichtung der 2. Festplatte am 08.04.2013 ergab, dass regelmäßig Überschreibungen vorgenommen worden sind und von einer fast ausschweifenden Nutzung ausgegangen werden muss.

Den 6.427 gefundenen Dateien sind unter anderem

• 2.466 elektronische Bücher (ebook),
• 2.378 Bilddateien (wahrscheinlich Cover),
• 834 Audiodateien (Hörbücher und Musik) und
• 230 Videodateien (DVD-Kopien als VOB Datei bezeichnet)

zuzuordnen. Von den Hörbüchern sind grundsätzlich drei Formate als PDF, epub und mobi angelegt, wobei die Formate epub und mobi sogenannte "ebook-Formate" sind.

Auf dem Rechner ist auch das Programm "DVD Shrink" installiert Dieses Programm ist geeignet, den Kopierschutz des Herstellers seiner DVD's (Filme betreffend) zu decodieren. Das Programm Shrink wurde nach Auswertung der Rechnerdaten in der Zeit vom 06.10.2010 bis 14.03.2013 regelmäßig genutzt. In diesem Zeitraum sind 1.128 DVD's bearbeitet worden. Anzumerken ist, dass für diesen Zeitraum insgesamt 1.150 DVD's bestellt und geliefert worden sind, deren dienstlicher Verbleib nicht erklärbar ist.

Neben dem Programm "DVD Shrink" waren auch die Programme

• d\ldfab (eigene Werbung im Internet: "Beste Software zum Kopieren von Blueray und DVD").
• Engelmann media (videoconverter, geeignet zum Umwandeln) und
• anyDVD (Kopierprogramm zum Herunterladen aus dem Internet)

installiert.

Für den Dienstgebrauch sind diese Programme ihrem Wesen nach zu 100% entbehrlich und absolut nicht erforderlich.

Am 02.04.2013 bat Herr Sch. am Ende eines von ihm gewünschten und mit mir geführten Gesprächs, an dem auch die Vorsitzende des Örtlichen Personalrates, Frau JR’in B., teilnahm, um die Rückgabe einer silberfarbigen Festplatte. die anlässlich der Geschäftsprüfung zu Untersuchungszwecken mitgenommen worden ist, Er bräuchte diese, um auf bereits vorhandene Sicherungen zurückgreifen zu können. wenn ein PC wieder herzustellen ist. Das erspare ihm viel Zeit. Ohne die Festplatte benötigte er 1,5 Tage. Die anderen Festplatten können wir behalten „bis Weihnachten ist."

Herr Sch. führte ohne Nachfrage aus, dass er für (andere) Mitarbeiter des O. sowie deren Verwandte mit Erlaubnis die privaten Rechner und Laptops wiederhergestellt habe und entsprechende Sicherungen auf einer der (dienstlichen) Festplatten gespeichert habe. So sei im Falle einer wiederholten Wiederherstellung des Rechners I Laptops das Procedere erleichtert.

Auf Nachfrage erklärte Herr Sch., dass eine Festplatte (schwarzes Gehäuse) leer ist und auf einer weiteren Festplatte (ebenfalls schwarzes Gehäuse) 2 bis 3 Sicherungen enthalten sind.

Die Untersuchung der externen Festplatten am 08.04.2013 ergab folgendes Ergebnis:

c) externe Festplatte "EXTERN700GB" (schwarzes Gehäuse, Typ Buffalo 700 GB)

Die Festplatte war anscheinend leer. Nach der Wiederherstellung wurden 38.899 Dateien sichtbar.

Den 38.899 gefundenen Dateien sind unter anderem

• 34.090 Audiodateien (fast ausschließlich Musikdateien, die ein breites Spektrum bzw. nahezu alle Musikrichtungen abdecken) und
• 1.822 Cover

zuzuordnen, Der Ordnerpfad heißt „Musikbox".

d) externe Festplatte "Extern 700GB“ (schwarzes Gehäuse. Typ Buffalo 700 GB)

Die Festplatte war anscheinend leer. Nach der Wiederherstellung wurden 36.899 Dateien sichtbar.

Den 9.969 gefundenen Dateien sind unter anderem

• 1.152 Audiodateien (Hörbücher und Musik) und
• 41 DVD-Kopien (Musik DVD's u.a. ACDC)

zuzuordnen.

e) externe Festplatte (silberfarbenes Gehäuse, Typ Buffalo 500 GB)

Der Aufbau dieser Festplatte ist dadurch gekennzeichnet, dass ein Bereich dem dienstlichen Gebrauch vorbehalten, ist während ein zweiter Bereich Sicherungen von Dienstrechnern, aber auch Privatrechnern dient.

In dem angelegten Ordner „Private Rechner" sind die nachfolgenden Unterordner angelegt:

• C., C.
• Daten B. hierunter Unterordner: I. W. PC, L., M., W.
• Esprimo 5905
• Hausmeister privat
• Laptop B.
• Laptop B.
• Laptop B.
• Laptop H.
• Laptop K.
• Laptop Tochter B.
• Laptop Z.
• Rechner für S.
• Rechner H.
• Rechner S.

 Dokumentation Schrank-I Regalinhalte, Nummerierung gem. Raumplan

Schrank 1

• Jacke Sch.
• Tonerrollen für Fax
• Laserjet-Etiketten
• HP-Fotopapier für Farblaserdrucker
• diverses Telefonzubehör
• diverse Parallelkabel für Drucker
• Computer-Etiketten
• diverse Strommehrfachverteiler

Schrank 2

• Jacke S.
• Geschirr
• verschlossener Karton (auf Nachfrage an Herrn S. privat, blieb daher ungeöffnet)

Schrank 3

• diverse Leitz-Ordner
• 4x 10er CD·Spindeln leer
• 1x 50er CD-Spindeln ½ voll (CD-R)
• 1x 25er CD-Spindel fast voll {CD-R}
• 3x 50er CD-Spindel leer

Schrank 4

• 4x 50er CD-Spindel leer
• 1X 50er Spindel gefüllt mit 10 CDs gebrannt, Software dienstlich
• Gebrannte Musik-CDs: „Ich und Ich" (handbeschriftet)
                         ,,Bela B - Code B" (gedrucktes Label)
                         „Kaki King" (gedrucktes Label)
                         "Bela B -Code B" (handbeschriftet)
                         „Avin Geffen“ (handbeschriftet)
                         „EF" (hand beschriftet)
                         „Neues Glas aus alten Scherben" (handbeschriftet)
                         "Pink Floyd" (handbeschriftet)
                         „Steven Wilson" (handbeschriftet)
                         "Dante - November Red" (original)
                         "Epicloud" (original)

Schrank 5

• diverse Kabel
• diverse Portreplikatoren
• diverse Strom-Mehrfachverteiler
• 32x DVG-Softcover unterschiedliche Größen leer
• 24 X10er Pck. DVD-R neu
• 10 x DVD·RW neu
• 16 x CD-R neu
• 31 x DVD-RW neu
• diverse Software dienstlich
• diverse Software dienstlich (PC-Praxis aus Zeitschrift)
• Nero 9
• Navigon 5
• externes DVD-Laufwerk
• Pocket Loox mit GPS-Maus und Netzteil
• alte Diktiertechnik
• alte Anrufbeantworter

Schrank 6

• Werkzeugkoffer befüllt
• diverse Kabel
• interne CD-Laufwerke alt
• Grafickarte Ge Force 6400 GS Noiseless Edition 3D Club (verpackt) privat
• USB-Verteiler
• 2 x 5fach GBit-Switche
• diverse Leitzordner
• Alt-Technik Netzwerkkarten

Schrank 7

• 31 x 10er Pck. DVD-R neu + 3 einzeln
• 2 x Cover gedruckt PC-Spiel in gelber Umlaufhülle
• 5 x DVD-RW neu
• Notbook dienstlich
• 3 x externe Festplatten dienstlich
• 104 CD-Leerhüllen
• 45 DVD-Softcover unterschiedliche Größen, leer
• 54 x CD-R neu
• 10 x CD-RW neu
• 2 x 25er CD/DVD-Spindel leer
• 1 X 10er CD/DVD-Spindel leer
• 14 CD-Leerhüllen in grünem Beutel

Schrank 8

• diverse Tastaturen
• diverse PC-Zeitschriften

Schrank 9

• Geschirr

Regal 10

• Literatur -diverse IT-Fachbücher
• Mehrere KVM-Switche
• 15 PC's dienstlich
• Boxen X-230 Logitech

 …“     

8

Die Verfügung vom 16. April 2013 betreffend das Schreiben an die Vorsitzende des Örtlichen Personalrates – dieser noch am gleichen Tage ausgehändigt – lautet (vgl. Bl. 164/165 d. A.):

9

„…    

1. Schreiben an Frau Vorsitzende des Örtlichen Personalrates

Sehr geehrte Frau B.,

anliegend übersende ich Ihnen den Auszug meines Geschäftsprüfungsberichts vom 11.04.2013. Die Anlage erkläre ich vollinhaltlich zum Gegenstand dieses Berichts, um Wiederholungen zu vermeiden. Der Auszug aus dem Geschäftsprüfungsbericht betrifft Herrn Justizangestellten H. Sch.

Auf Grund der bisher mir seit dem 08.04.2013 vorliegenden Erkenntnisse ist Folgendes festzustellen:

• Herr H. Sch. hat auf dem dienstlichen Rechner Programme installiert, die von ihm privat genutzt worden sind.

• Mit Hilfe des Programms „DVD-Shrink“ sind in dem Zeitraum vom 06.10.2010 bis 13.04.2013 auf dem dienstlichen Rechner insgesamt 1.128 DVD´s bearbeitet worden. Das Bearbeiten erfolgte sehr häufig während der Dienstzeit.

• Auf dem dienstlichen Rechner befanden sich zum Zeitpunkt der Prüfung 6.427 Dateien, die nicht dem Dienstgebrauch zuzuordnen sind.

• Der Verbleib von insgesamt 2.325 DVD´s und 1.500 CD´s, die in dem Zeitraum vom 01.07.2008 bis zum 31.12.2012 über die Zentrale Beschaffungsstelle bestellt wurden, ist nicht bekannt. In dem Zeitraum vom 06.10.2010 bis 13.04.2013 (s.o.) sind 1.150 DVD´s bestellt und geliefert worden, deren dienstlicher Verbleib nicht erklärbar ist. Herr H. Sch. war bis zum 31.12.2012 für die Verwaltung des ADV-Depots zuständig.

• Die externe dienstliche Festplatte „EXTERN700GB“ (schwarzes Gehäuse, Typ Buffalo 700 GB) hatte ausschließlich privaten Inhalt.

• Die externe Festplatte „Extern 700GB“ (schwarzes Gehäuse, Typ Buffalo 700 GB) hatte ausschließlich privaten Inhalt.

• Die externe Festplatte (silberfarbenes Gehäuse, Typ Buffalo, 500 GB) hatte neben dienstlichen auch private Inhalte.

Herr H. Sch. hat somit den dienstlichen Rechner sowie die dienstlichen externen Festplatten in vielschichtiger Art und Weise für private Zwecke genutzt, kann über den Verbleib von bestellten EDV-Verbrauchsmitteln (hier DVD´s und CD´s) keine hinreichenden Aussagen treffen und nutzte das Programm „DVD-Shrink“ für private Zwecke wiederholt während der Dienstzeit.

Das Vertrauensverhältnis ist zutiefst und dauerhaft gestört. Die geschilderten Sachverhalte stellen gröbste Vertragspflichtverletzungen dar. Auch unter Berücksichtigung der nach dem Geschäftsverteilungsplan zugewiesenen Aufgaben ist eine Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zumutbar.

Ich beabsichtigte daher, Herrn Sch. eine außerordentliche Kündigung auszusprechen.

Die Anhörung des Örtlichen Personalrates folgt aus § 67 Abs. 2 Satz 1 PersVG LSA).

Des Weiteren füge ich als Anlage das Datenblatt bei.

Mit freundlichen Grüßen

z.p.U. (Dr. Z.)

2. Datenblatt zu 1. beifügen
3. Anlagen 1. beifügen
4. Herrn Dr. Z. mit der Bitte um Unterschrift
5. Wiedervorlage

Im Auftrag
W.“

10

Der Vermerk über die Besprechung mit dem Kläger am 17. April 2013 (Bl. 229 – 230 d. A.) lautet:

11

„Besprechungsvermerk:

Teilnehmer:
Herr H. Sch.
RiOLG B. W.
JAM W.

17. April 2013

Herr W. weist Herrn H. Sch. vorsorglich analog der Vorschriften des Strafprozessrechts darauf hin, dass er sich nicht äußern und auch nicht selbst belasten muss.

Im Anschluss hält Herr W. Herrn H. Sch. die Ergebnisse des Geschäftsprüfungsberichts vom 11.04.2013 vor.

Herrn H. Sch. wird mündlich mitgeteilt, dass aufgrund der vorliegenden Ergebnisse beabsichtigt ist, ihm eine außerordentliche Kündigung auszusprechen. Ferner ist Herrn H. Sch. mitgeteilt worden, dass er ab sofort freigestellt ist und alle in seinem Besitz befindlichen dienstlichen Gegenstände abzugeben hat. Dieser Aufforderung ist Herr H. Sch. nach Beendigung des Gesprächs nachgekommen; er erklärte keine dienstlichen Gegenstände mehr in seinem Besitz zu haben; er hat im Anschluss an das Gespräch seine privaten Gegenstände aus seinem Dienstzimmer geholt und die Schlüssel abgegeben.

Herr H. Sch. erklärte sinngemäß:

Alles was auf dem Rechner bezüglich der DVD´s ist, habe ich gemacht.

Bei dem Rechner handelt es sich um einen Test-Rechner. Ich selbst habe ihn zusammengebaut. Es ist ein Rechner des O..

Den Rechner durfte ich mit nach Hause nehmen, weil ich zu Hause keinen Rechner hatte. Mal hatte ich den Rechner für 1 Woche oder für 2 Wochen und manchmal einen Tag. Es war aber nicht so, dass ich den Rechner täglich mit nach Hause genommen habe. Wenn ich zu Hause was machen wollte, konnte ich den Rechner mitnehmen. Das hat man mir erlaubt, das war so.

Natürlich haben wir auch kopiert. Was das für DVD´s und CD´s waren, weiß ich nicht mehr. Ich habe den Leuten (Mitarbeitern des O.) einen Gefallen getan. Wir (Mitarbeiter der ADV-Stelle Haus O.) sollten auch sonst unseren Leuten helfen, wenn sie Probleme mit ihren privaten PC´s hatten.

Ich habe manchmal festgestellt, dass mein Rechner von anderen Personen genutzt wurde. Eine Mitteilung an den Geschäftsführer oder Referenten habe ich nicht gemacht, weil es sich nur um den Test-Rechner handelte. Seit ca. Dezember 2012 habe ich ein Passwort vergeben. Das Passwort ist aber so einfach, dass es jeder knacken kann, der meine Familie kennt.

Ich habe hundertprozentig keine privaten Sachen für mich im Dienst gemacht. Für andere Leute aus dem O. habe ich für private Zwecke im Dienst was gemacht, zum Beispiel Kopien von DVD´s und CD´s. Wir sollten ja helfen.

Herrn H. Sch. sind das Anschreiben an den Örtlichen Personalrat vom 16.04.2013 und der Geschäftprüfungsbericht vom 11.04.2013 nebst Anlagen übergeben worden. Herrn H. Sch. wurde erklärt, dass er über das bereits Gesagte hinaus die Möglichkeit zur Stellungnahme bis zum 18.04.2013 um 09.00 Uhr hat. Er antwortete, dass er erstmal zum Anwalt gehen werde.

Am Ende des Gesprächs wurde Herr H. Sch. darauf hingewiesen, sich am Montag, den 22.04.2013, 14.00 Uhr im Dienstzimmer des amt. Geschäftsleiters einzufinden.“

12

Die Verfügung betreffend das Schreiben des Präsidenten des O. an die Vorsitzende des Örtlichen Personalrates vom 18. April 2013 (Bl. 176 d. A.) lautet:

13

„Verfügung

1. Schreiben an Frau Vorsitzende des Örtlichen Personalrates

Sehr geehrte Frau B.,

in Ergänzung meines Berichts vom 16.04.2013 möchte ich Sie davon in Kenntnis setzen, dass ich Herrn H. Sch. in einem am 17.04.2013 geführten Gespräch von der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung unterrichtet habe. Den Vermerk über das Gespräch füge ich als Anlage bei. Darüber hinaus habe ich Herrn H. Sch. die Möglichkeit eröffnet, eine Stellungnahme bis zum 18.04.2013, um 09.00 Uhr abzugeben. Eine Stellungnahme liegt mir nicht vor.

Des Weiteren füge ich ein Protokoll über die Nutzung des Programms „DVD-Shrink“ und einen Kalenderausdruck vom 01.01.2011 und 30.04.2014 (?) sowie ein Journal der Arbeitszeit vom 01.04.2012 bis 14.03.2013 bei. Diesen Anlagen ist zu entnehmen, dass in der Zeit vom 01.04.2012 bis 31.03.2012 das Programm „DVD-Shrink“ insgesamt 630 Mal an Tagen genutzt worden ist, an denen Herr H. Sch. im Dienst war. In der Zeit vom 01.04.2012 bis 14.03.2013 ist das Programm „DVD-Shrink“ insgesamt 181 Mal während der Dienstzeit des Herrn H. Sch. genutzt worden. An den mit „x“ markierten Tagen war Herr H. Sch. im Dienst.

Mit freundlichen Grüßen
z.p.U. (Schu.)

2. Herrn Schu. mit der Bitte um Unterschrift
3. Wiedervorlage

Im Auftrag
W.“

14

Der Besprechungsvermerk vom 22.April 2013 (Bl. 395 – 395 R. d. A.) lautet:

15

„Besprechungsvermerk

Teilnehmer:
JHS S.
JA W.
JRin B. als Vorsitzende des örtlichen Personalrats

22. April 2013

Herr W. weist Herrn S. analog § 136 StPO darauf hin, dass er sich nicht äußern und auch nicht selbst belasten muss.

Herr W. hält Herrn S. die wesentlichen Inhalte des Prüfungsberichts vor.

Herr S. erklärt sinngemäß:

Die 2. Festplatte auf meinem Dienstrechner ist von Herrn H. Sch. vor längerer Zeit (vor mindestes 3 Jahren) installiert worden. Ob darüber hinaus ein Brenner und oder Laufwerk nachgerüstet wurden, weiß ich nicht.

Die 2. Festplatte wurde für den Dienstgebrauch eingebaut.

Die Löschung der 2. Festplatte erfolgte zwischen dem 04.03.2013 und dem 14.03.2013.

Die drei externen Festplatten hatte Herr H. Sch. unter Verschluss.

Der Inhalt der silberfarbigen Festplatte war mir hinsichtlich der privaten Rechner bekannt. Der Inhalt der anderen externen Festplatten war mir nicht bekannt.

Herr M. C. und ich sind von Herrn B. wegen der angefertigten Farbausdrucke ca. 2011 in ermahnender Weise angesprochen worden. Ob Herr H. Sch. von Herrn B. angesprochen wurde, weiß ich nicht.

Ich habe CD`s und DVD`s für Musik und Filme jeweils im mittleren dreistelligen Bereich gebrannt.

Von Herrn M. C. habe ich Musik, dessen Herkunft mir nicht bekannt war, auf die Festplatte meines Dienstrechners gespeichert.

Ich habe Musik und Filme für mich gebrannt; Vorlagen habe ich in regelmäßigen (?) von Herrn M. C. und Herrn H. Sch. erhalten.

Das Programm „DVD-Shrink“ habe ich für DVD`s privat genutzt.

Die bei der Zentrale Beschaffungsstelle bei dem Landgericht Magdeburg bestellten und von ihr gelieferten DVD`s und CD`s sind im Schrank (Schrank Nummer 5 gemäß Anlage zum Geschäftsprüfungsbericht vom 11.04.2013) aufbewahrt worden. Der Schrank war immer verschlossen. Den Schlüssel für diesen Schrank hatte Herr H. Sch., er hat meines Erachtens den Schlüssel immer mitgenommen.

Über die Bestellmengen und die Verbrauchsmengen bis zum 31.12.2012 war mir nichts bekannt.

geschlossen“

16

Das Schreiben des Präsidenten des O. an die Vorsitzende des Örtlichen Personalrats vom 23. April 2013 (Bl. 261 – 262 d. A.) hat folgenden Inhalt:

17

„…    

Sehr geehrte Frau B.,

anliegend übersende ich Ihnen den Auszug meines Geschäftsprüfungsberichts vom 11.04.2013. Die Anlage erkläre ich vollinhaltlich zum Gegenstand dieses Berichts, um Wiederholungen zu vermeiden. Der Auszug aus dem Geschäftsprüfungsbericht betrifft Herrn Justizangestellten H. Sch.

Auf Grund der bisher mir seit dem 08.04.2013 vorliegenden Erkenntnisse ist Folgendes festzustellen:

• Herr H. Sch. hat auf dem dienstlichen Rechner Programme installiert, die von ihm privat genutzt worden sind.

• Mit Hilfe des Programms „DVD-Shrink“ sind in dem Zeitraum vom 06.10.2010 bis 13.04.2013 auf dem dienstlichen Rechner insgesamt 1.128 DVD´s bearbeitet worden. Das Bearbeiten erfolgte sehr häufig während der Dienstzeit.

• Auf dem dienstlichen Rechner befanden sich zum Zeitpunkt der Prüfung 6.427 Dateien, die nicht dem Dienstgebrauch zuzuordnen sind.

• Der Verbleib von insgesamt 2.325 DVD´s und 1.500 CD´s, die in dem Zeitraum vom 01.07.2008 bis zum 31.12.2012 über die Zentrale Beschaffungsstelle bestellt wurden, ist nicht bekannt. In dem Zeitraum vom 06.10.2010 bis 13.04.2013 (s.o.) sind 1.150 DVD´s bestellt und geliefert worden, deren dienstlicher Verbleib nicht erklärbar ist. Herr H. Sch. war bis zum 31.12.2012 für die Verwaltung des ADV-Depots zuständig.

• Die externe dienstliche Festplatte „EXTERN700GB“ (schwarzes Gehäuse, Typ Buffalo 700 GB) hatte ausschließlich privaten Inhalt.

• Die externe Festplatte „Extern 700GB“ (schwarzes Gehäuse, Typ Buffalo 700 GB) hatte ausschließlich privaten Inhalt.

• Die externe Festplatte (silberfarbenes Gehäuse, Typ Buffalo, 500 GB) hatte neben dienstlichen auch private Inhalte.

Herr H. Sch. hat somit den dienstlichen Rechner sowie die dienstlichen externen Festplatten in vielschichtiger Art und Weise für private Zwecke genutzt, kann über den Verbleib von bestellten EDV-Verbrauchsmitteln (hier DVD´s und CD´s) keine hinreichenden Aussagen treffen und nutzte das Programm „DVD-Shrink“ für private Zwecke wiederholt während der Dienstzeit.

Als Anlage füge ich ein Protokoll über die Nutzung des Programms „DVD-Shrink“ und einen Kalenderausdruck vom 01.01.2011 bis 30.04.2014 sowie ein Journal der Arbeitszeiterfassung Herrn H Sch betreffend vom 01.04.2012 bis 14.03.2013 bei. Diesen Anlagen ist zu entnehmen, dass in der Zeit vom 01.04.2012 bis 31.03.2012 das Programm „DVD-Shrink“ insgesamt 630 Mal an Tagen genutzt worden ist, an denen Herr H. Sch. im Dienst war. In der Zeit vom 01.04.2012 bis 14.03.2013 ist das Programm „DVD-Shrink“ insgesamt 181 Mal während der Dienstzeit des Herrn H. Sch. genutzt worden. An den mit „x“ markierten Tagen war Herr H. Sch. im Dienst.

Des Weiteren füge ich die Vermerke über die mit Herrn H. Sch. am 17.04.2013 und am 22.04.2013 geführten Gespräche sowie das Datenblatt bei.

Das Vertrauensverhältnis ist zutiefst und dauerhaft gestört. Die geschilderten Sachverhalte stellen gröbste Vertragspflichtverletzungen dar. Auch unter Berücksichtigung der nach dem Geschäftsverteilungsplan zugewiesenen Aufgaben ist eine Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zumutbar.

Ich beabsichtige daher, unter Verweis auf meine Berichte vom 16.04.2013 und vom 18.04.2013 sowie der am 22.04.2013 ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung Herrn H. Sch. hilfsweise eine ordentliche Kündigung unter Einhaltung der einschlägigen Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Schluss eines Kalendervierteljahres (§ 34 Abs. 1 TV-L) aus verhaltensbedingten Gründen auszusprechen. Das Arbeitsverhältnis würde mit Ablauf des 31.12.2013 enden.

Ich habe Herrn H. Sch. am 22.04.2013 die Möglichkeit eröffnet, eine Stellungnahme bis zum 25.04.2013, um 09.00 Uhr abzugeben. Eine weitere Stellungnahme ist nicht zu erwarten (siehe Vermerk vom 22.04.2013).

Ich bitte um die Zustimmung des Örtlichen Personalrates zu der beabsichtigten Personalmaßnahme (§ 67 Abs. 1 Nr. 8 PersVG LSA).

Mit freundlichen Grüßen
z.p.U (Schu.)

1. Datenblatt zu 1. beifügen
2. Anlagen zu 1. beifügen
3. Herrn Schu. mit der Bitte um Unterschrift
4. Wiedervorlage

Im Auftrag
W. …“

18

Am 02.05.2013 hat der Kläger beim Arbeitsgericht Halle die vorliegende Klage erhoben. Dort hat er zunächst die Feststellung begehrt, dass sein Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 18. April 2013 – ihm zugegangen am 22.04.2013 – nicht wirksam aufgelöst worden ist.

19

Der Personalrat hat der beabsichtigten Maßnahme (ordentliche Kündigung) sodann mit Schreiben vom 06. Mai 2013 zugestimmt (vgl. Bl. 106 d. A.).

20

Nach Erhalt der ordentlichen Kündigung vom 13. Mai 2013 (Zugang am 15. Mai 2013) hat der Kläger die Klage am 17.05.2013 erweitert und begehrt nunmehr auch die Feststellung, dass sein Arbeitsverhältnis auch durch die ordentliche Kündigung vom 13.05.2013 nicht wirksam beendet wird. Ferner verlangt er die vorläufige Weiterbeschäftigung bis zum Abschluss des Rechtstreits.

21

Der Kläger hat sowohl das Vorliegen eines wichtigen Kündigungsgrundes für die außerordentliche Kündigung als auch das Vorliegen hinreichender Kündigungsgründe für die ordentliche Kündigung bestritten. Bei dem Rechner, auf dem sich die betreffenden Dateien und Programme befänden, handele sich um einen von der Dienststelle zusätzlich angeschafften Rechner, der sich auch in seinem Dienstzimmer befunden habe. Dieser sei nicht mit den dienstlichen Rechnern vernetzt gewesen. Die hier installierten Kopier- und Brennprogramme seien auch dienstlich genutzt worden, etwa für Videoaufnahmen in Strafverfahren, die oftmals nur in veralteten Formaten vorlägen. Zutreffend sei, dass auch der Kläger gelegentlich die Programme privat genutzt habe. Diese Vorgänge hätte jedoch jeweils nur wenige Sekunden in Anspruch genommen, so dass von Arbeitszeitbetrug nicht die Rede sein könne. Auch sei die gelegentliche Privatnutzung niemals ausdrücklich untersagt worden. Des Weiteren habe er auf den externen Speichermedien Sicherungen von dienstlichen und Privatrechnern anderer Mitarbeiter des Hauses vorgenommen. Dies sei ihm durch den früheren Referatsleiter ausdrücklich erlaubt worden.

22

Ebenfalls habe er sich in der Dienstzeit gelegentlich um die Privatrechner anderer Bedienstete kümmern dürfen, wenn dort Probleme aufgetreten seien. Dies sei zu keinem Zeitpunkt vom Arbeitgeber beanstandet worden. Der vom beklagten Land behauptete Umfang seiner Privatnutzung werde ausdrücklich bestritten. Er habe auch keine illegalen Kopien gefertigt und/oder sich strafbar gemacht. Die einzelnen Vorgänge seien dem Kläger in keiner Weise zuzuordnen. Wer den Rechner wann genutzt habe, sei unklar. Es müsse ausdrücklich bestritten werden, dass dies nur der Kläger gewesen sei. Dies sei nicht der Fall. Grundsätzlich hätten viele Bedienstete des Hauses Zugang zu diesem Rechner gehabt und diesen auch privat genutzt, sowohl während der Kläger anwesend war als auch in dessen Abwesenheit. Zutritt zum Dienstzimmer sei jederzeit auch für andere Bedienstete möglich. Das einfache Passwort für den Zugang sei allgemein bekannt. Keiner der dokumentierten Vorgänge auf dem Rechner sei ihm nachweislich persönlich zuzuordnen. Dass viele Nutzungen (Brennvorgänge etc.) während seiner Abwesenheit, etwa bei Urlaub oder Krankheit, erfolgt seien, beweise die Zugriffsmöglichkeit anderer Personen. Auch die externen Festplatten hätten anderen Bedienstete zur Verfügung gestanden.

23

Der hohe Verbrauch von Büromaterialien wie der Rohlinge sei nicht von ihm zu vertreten. Das Material sei ebenfalls frei zugänglich gewesen; viele Mitarbeiter hätten sich bedient. Er habe auch nicht die Bestellungen des Materials vorgenommen oder ausgelöst. Schließlich werde bestritten, dass er in irgendeiner Weise Vorgänge auf dem Rechner oder den externen Festplatten verschleiert oder versteckt habe. Ein Kündigungsgrund habe nach alledem nicht vorgelegen. Ferner hat der Kläger die Nichteinhaltung der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB gerügt und jeweils die ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrats vor Ausspruch beider Kündigungen bestritten.

24

Der Kläger hat in der 1. Instanz beantragt,

25

1) festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die Kündigung des beklagten Landes vom 18.04.2013 beendet wurde, noch aufgrund der ordentlichen Kündigung des beklagten Landes vom 13.05.2013 beendet wird;

26

2) das beklagte Land zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten Bedingungen als Angestellten im O. N. im Rahmen der zuletzt ausgeübten Tätigkeit System- und Netzwerkbetreuung für das O., insbesondere mit

27

- Installation, Wartung und Fehlerbehebung der Hardware
- Installation, Pflege und Betreuung der Software
- Technische Unterstützung der Nutzer
- Administration der elektronischen Berechtigungen
- Hardwarevoraussetzungen
- Softwareangelegenheiten einschließlich Passwortvergabe

28

weiterzubeschäftigen.

29

Das beklagte Land hat in der 1. Instanz beantragt,

30

die Klage abzuweisen.

31

Es hat ausgeführt, die außerordentliche Kündigung, zumindest jedoch die ordentliche Kündigung, sei aus verhaltenbedingten Gründen sozial gerechtfertigt und damit wirksam. Der Kläger habe mindestens von Oktober 2010 bis März 2013 den ihm dienstlich anvertrauten Rechner in erheblichem Umfang privat und zu nicht dienstlichen Zwecken genutzt, insbesondere zum Kopieren und Brennen von DVDs und CDs sowie zum Herunterladen von Musik- und Videodateien. Zu diesem Zweck habe er bestimmte Programme installiert, z. B. das Programm „DVD Shrink“. Es seien (Stand:11.04.2013) insgesamt 6.427 Dateien mit offenbar nicht dienstlichem Inhalt gesichtet worden. Auch dienstlich angeschaffte Festplatten habe er privat genutzt. Mit seinem Verhalten habe er seine Vertragspflichten in grober Weise über einen langen Zeitraum verletzt. Da illegale Kopien hergestellt worden seien, habe er sich wohl auch strafbar gemacht. Dazu komme der Arbeitszeitbetrug, weil die umfangreichen Privatnutzungen des Rechners überwiegend in der Dienstzeit erfolgt seien. Schließlich habe er über 2.000 DVD-Rohlinge und über 1.000 CD-Rohlinge auf Kosten des Arbeitgebers bestellt und privat verwendet.

32

Das notwendige Vertrauensverhältnis sei durch die Verhaltensweisen des Klägers vollständig zerstört worden. Darüber hinaus sei es auch wegen der Gefahr für den ordnungsgemäßen Betriebsablauf und der Gefahr, dass es Nachahmer gebe, für das beklagte Land nicht mehr zumutbar gewesen, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Eine vorherige Abmahnung sei nicht erforderlich gewesen, weil der Kläger von vornherein gewusst habe, dass sein Verhalten verboten sei und in keiner Weise vom Arbeitgeber geduldet werden würde.

33

Es werde ausdrücklich bestritten, dass andere Bedienstete des Hauses die Möglichkeit gehabt hätten, auf den Rechner des Klägers zuzugreifen und dass tatsächlich auch andere Mitarbeiter den Rechner privat genutzt hätten. Dies sei auszuschließen. Der bei der Geschäftsprüfung festgestellte Sachverhalt sei dem Präsidenten des O. erst am 11.04.2013 bekannt gegeben worden, so dass die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten worden sei. Vor Ausspruch der Kündigung sei der Kläger persönlich gehört worden, habe jedoch die Vorwürfe letztlich nicht entkräften können. Auch der Personalrat sei vor beiden Kündigungen ordnungsgemäß nach den Bestimmungen des Landespersonalvertretungsgesetzes beteiligt worden.

34

Die Ziffern 1. und 2. des Urteils des Arbeitsgerichts Halle vom 04. Dezember 2013 lauten:

35
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers weder durch die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 18.04.2013 beendet worden ist noch durch die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 13.05.2013 zum 31.12.2013 beendet wird.
36
2. Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens vorläufig zu unveränderten Bedingungen als vollbeschäftigten Angestellten in der Entgeltgruppe 9 TV-L im O. N. weiterzubeschäftigen.
37

Wegen des Tatbestands des vorgenannten Urteils des Arbeitsgerichts Halle vom 04. Dezember 2013 wird auf dessen Seiten 2 bis 12 (Bl. 271 – 281 d. A.) Bezug genommen.

38

Das Arbeitsgericht Halle hat in seinem vorgenannten Urteil vom 04. Dezember 2013 ausgeführt, die Kündigung vom 18. April 2013 sei unwirksam, weil kein wichtiger Grund i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB vorgelegen habe. Die Voraussetzungen für den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers seien nicht gegeben.

39

Die Wirksamkeit der Kündigung sei nicht unter dem Gesichtspunkt der Verdachtskündigung zu prüfen gewesen, weil das beklagte Land ausdrücklich keine Verdachtskündigung ausgesprochen und dies auch nicht gewollt habe – wie die Beklagtenvertreter im Kammertermin auf Nachfragen des Vorsitzenden bestätigt hätten. Zudem sei der Personalrat auch nicht zu einer etwaigen Verdachtskündigung angehört worden. Als Tatkündigung erweise sich die fristlose Kündigung vom 18. April 2013 im Ergebnis wegen des nicht nachgewiesenen (wichtigen) Kündigungsgrundes als unwirksam.

40

Obgleich gewisse Verdachtsmomente vorliegen würden, sei es letztlich nur eine unbewiesene Behauptung des beklagten Landes, dass alle vorgefunden Privatdateien dem Kläger zuzurechnen seien und dass dieser (allein) alle Privatnutzungen durchgeführt, damit auch etwaige (nach § 106 UrhG strafbare) Vervielfältigungen vorgenommen und auch alle Brennvorgänge durchgeführt habe. Keiner der dokumentierten Vorgänge lasse sich einzelnen Personen und damit auch nicht dem Kläger zuordnen. Das beklagte Land stelle letztlich nur Vermutungen an und ziehe Schlussfolgerungen, weil sich der Rechner am Arbeitsplatz bzw. Dienstzimmer des Klägers befunden habe. Niemand habe den Kläger bei einzelnen Privatnutzungen beobachtet.

41

Es sei auch nicht bewiesen, dass es gerade der Kläger gewesen sei, der die Kopierprogramme installiert habe. Allein die unstreitige Tatsache, dass auch in Zeiten, in denen sich der Kläger wegen Urlaubs oder Krankheit nicht am Arbeitsplatz aufgehalten habe oder sonst wie dienstlich abwesend gewesen sei, zahlreiche „Vorgänge“ dokumentiert worden seien, beweise, dass andere Personen sowohl Zugriff auf den Rechner gehabt hätten als auch in der Lage gewesen seien, die Kopierprogramme usw. zu nutzen. Sodann heißt es auf den Seiten 16 und 17 des vorgenannten Urteils u. a.:

42

„Weshalb der Beklagte diesen eindeutigen Umstand bis zuletzt ignoriert hat, blieb unverständlich. Geradezu für abenteuerlich hält die Kammer die Behauptung der Beklagtenvertreter im Kammertermin, dann müsse der Kläger wohl auch während seiner Krankheitszeiten und seiner Urlaube regelmäßig auf Arbeit erschienen sein und den Rechner privat genutzt haben. Wie es der Kläger allerdings hat anstellen sollen, beispielsweise aus seinem Neuseeland-Urlaub zwischenzeitlich das O. aufzusuchen, nur um ein paar CDs zu brennen, konnte niemand schlüssig erläutern. Viele Mitarbeiter des O. verfügen über einen Dienstschüssel für das Zimmer des Klägers. Das Passwort für den Rechner ist leicht herauszufinden. Wenn die entsprechenden Programme einmal installiert sind, dürfte es auch für einen technisch nicht sehr bewanderten Mitarbeiter leicht möglich sein, diese zu nutzen. Schließlich war auch zu berücksichtigen, dass sich die Ermittlungen des Beklagten auch gegen zumindest einen weiteren Mitarbeiter des Hauses richten, von dem ebenfalls angenommen wird, er habe Privatnutzungen vorgenommen.

43

Die „Ermittlungen“ gegen andere Mitarbeiter, die vom Kläger als mögliche Nutzer bezeichnet wurden, haben sich offensichtlich darauf beschränkt, zu fragen, ob sie den Rechner genutzt haben. Nachdem diese Mitarbeiter schlicht mit „Nein“ geantwortet haben, war für den Beklagten die Sachlage klar. So jedenfalls wurde es im Kammertermin erklärt, nachdem der Vorsitzende fragte, weshalb sich der Beklagte sicher sei, dass keine anderen Mitarbeiter beteiligt seien. Diese Art der Aufklärung überzeugte die Kammer jedoch nicht.

44

Nach alledem steht gerade nicht zur Überzeugung der erkennenden Kammer fest, dass der Kläger für alle Privatnutzungen verantwortlich ist. Auch können ihm somit konkrete Straftaten im Zusammenhang mit Urheberrechtsverletzung nicht nachgewiesen werden. Wann genau etwa hat er welche konkrete CD oder DVD unzulässig vervielfältigt?

45

Es muss nochmals darauf hingewiesen werden, dass unter diesen Umständen allenfalls eine Verdachtskündigung in Betracht gekommen wäre.“

46

„Soweit eine (zugestandene) Privatnutzung in geringem Umfang verbleibt, wobei jedoch der zeitliche Umfang und die Intensität vollkommen ungeklärt blieben, reichte dies keinesfalls für eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus.

47

Die unbefugte Privatnutzung von Dienstrechnern, verbunden mit dem Verbrauch dienstlich angeschafften Materials (hier Rohlinge) während der Arbeitszeit stellt zweifelsfrei eine gravierende Pflichtverletzung des Arbeitnehmers dar, die nicht bagatellisiert werden soll. Unter Umständen handelt es sich sogar um strafbares Verhalten (Arbeitszeitbetrug, Diebstahl oder Unterschlagung). Regelmäßig sind solche Verhaltensweisen nach den Umständen des Einzelfalls geeignet, eine fristlose oder fristgemäße Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen.

48

Im Streitfall sind jedoch schon Umfang und Intensität der Pflichtverletzung des Klägers unklar. Zu beachten ist zudem, dass nicht jedes strafbare Verhalten oder jede grobe Pflichtverletzung eines Arbeitnehmers ohne Weiteres eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses ohne vorherige Abmahnung rechtfertigen kann (vgl. den Fall „Emmely“: BAG, Urteil vom 10.06.2010 – 2 AZR 541/09 – juris).

49

Wenn man lediglich das zugestandene Verhalten des Klägers zugrunde legt, nämlich eine Privatnutzung in geringem Umfang (alles andere konnte nicht bewiesen werden), konnte eine Kündigung, jedenfalls ohne vorherige Abmahnung, nicht wirksam ausgesprochen werden.

50

Zwar liegt ein „Arbeitszeitbetrug“ insoweit vor, als dass der Kläger während seiner Arbeitszeit, für die er bezahlt wird, weil er dienstliche Dinge erledigen soll, Privates erledigt hat. Unabhängig von dem nicht feststehenden Umfang der privat genutzten Zeit ist hier jedoch zu berücksichtigen, dass es dem Kläger jedenfalls (unbestritten!) erlaubt war, sich um die Privatrechner von Mitarbeitern des Hauses „zu kümmern“, wenn ein Problem auftrat. Hier durfte er also während der Arbeitszeit nicht dienstliche Dinge erledigen. Auf Nachfrage in der Kammerverhandlung haben die Beklagtenvertreter erklärt, dass die Kündigung auf diese Tätigkeiten des Klägers ausdrücklich nicht gestützt werde.

51

Wenn dies jedoch in der Arbeitszeit erlaubt oder zumindest geduldet wurde, war für den Kläger nicht ohne weiteres ersichtlich, dass eine Privatnutzunge des Rechners, beispielsweise zum Kopieren einer CD, streng untersagt war und er damit rechnen musste, hierfür ohne weiteres gekündigt zu werden.

52

Auch weil es sich eindeutig um steuerbares Verhalten handelt, welches hier gerügt wird, musste der Beklagte schon zur Klarstellung, welches Verhalten gebilligt und welches Verhalten nicht toleriert wird, zunächst eine Abmahnung aussprechen, bevor er zum (letzten) Mittel der fristlosen Kündigung greift. In der Abmahnung hätte er klarstellen müssen, welches Verhalten künftig nicht mehr geduldet wird und er hätte für den Fall weitergehender einschlägiger Pflichtverletzungen eine Kündigung androhen müssen. Im Falle, dass sich die Pflichtverletzungen wiederholt hätten, wäre dann eine Kündigung grundsätzlich möglich gewesen. Angesichts aller Umstände ist anzunehmen, dass der Kläger nach einer etwaigen Abmahnung sein Verhalten geändert hätte.

53

Die fristlose Kündigung war aus objektiver Sicht keinesfalls die „ultima ratio“, zumal auch nicht feststellbar war, ob und welcher Schaden gerade durch den Kläger verursacht wurde. Schon wegen Unverhältnismäßigkeit erweist sich die Kündigung daher als rechtsunwirksam.

54

Auf die Interessenabwägung, die auch das Lebensalter des Klägers und die xx-jährige - beanstandungsfreie - Beschäftigungszeit berücksichtigen müsste, kam es nicht mehr an.

55

Für die Kammer war letztlich nicht nachvollziehbar, wie die nunmehr vorgetragenen Umstände und insbesondere der erhebliche Umfang privater Nutzung von dienstlichen Ressourcen so lange unentdeckt geblieben sein soll. Möglicherweise wurden bestimmte Dinge toleriert und geduldet, wohl weil eine Anzahl von Mitarbeitern des Hauses hiervon in unterschiedlicher Weise profitiert hat. Nachdem jedoch bestimmte Sachverhalte und Verhaltensweisen offiziell festgestellt, gemeldet und damit nachweislich bekannt wurden, wurde sogleich ein Exempel statuiert.“

56

Weiter hat das Arbeitsgericht Halle in seinem vorgenannten Urteil ausgeführt (S. 19 ff), die vorsorglich ausgesprochene ordentliche verhaltensbedingte Kündigung sei ebenfalls sozial ungerechtfertigt und damit rechtsunwirksam. Es habe kein hinreichender Kündigungsgrund vorgelegen. Insoweit nimmt das Arbeitsgericht auf seine Ausführungen zur außerordentlichen Kündigung Bezug. Trotz Vorliegens vertragswidriger und vorwerfbarer Pflichtverletzungen seitens des Klägers sei auch die ordentliche (fristgemäße Kündigung) des Arbeitsverhältnisses nicht verhältnismäßig. Insoweit sei zunächst eine Abmahnung erforderlich gewesen. Da sich beide Kündigungen im Ergebnis wegen eines fehlenden hinreichenden Kündigungsgrundes als rechtsunwirksam erwiesen hätten, habe die Frage der ordnungsgemäßen Beteiligung des Betriebsrats vor Ausspruch der Kündigungen keiner Erörterungen mehr bedurft. Der Kläger sei bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses Kündigungsschutzverfahrens weiter zu beschäftigen.

57

Wegen der übrigen Gründe der vorgenannten Entscheidung des Arbeitsgerichts Halle vom 04. Dezember 2013 wird auf dessen Seiten 12 bis 21 (Bl. 281 – 290 d. A.) verwiesen.

58

Dieses Urteil wurde dem beklagten Land am 09. Dezember 2013 zugestellt. Dessen Berufungsschrift ist am 08. Januar 2014 und dessen Berufungsbegründung – nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 10. März 2014 – am 10. März 2014 beim Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt eingegangen.

59

Das beklagte Land hat in seiner hier ausdrücklich in Bezug genommenen Berufungsbegründung vom 10. März 2014 nebst Anlagen (Bl. 354 – 399 d. A.) ausgeführt, die angefochtene Entscheidung des Arbeitsgerichts Halle beruhe auf einer unzureichenden Tatsachenfeststellung. Auf dem dienstlichen Rechner des Klägers seien im Zeitraum vom 06. Oktober 2010 bis zum 13. April 2013 bzw. 14. März 2013 mit dem Programm „DVD-Shrink“ insgesamt 1128 DVDs vorwiegend während der Dienstzeit bearbeitet worden.

60

Dieses Programm sei im vorgenannten Zeitraum insgesamt 630-mal an Tagen benutzt worden, an denen der Kläger im Dienst gewesen sei. Dabei habe das Arbeitsgericht Halle die vermeintliche fehlende Plausibilität auf einen Gesichtspunkt des Vortrages des Klägers gestützt, dessen entscheidungserhebliche Bedeutung dem beklagten Land nicht ohne richterlichen Hinweis habe bewusst sein können.

61

Der Tatsachenstoff, wie der Kläger es habe anstellen sollen, beispielsweise aus seinem N.-urlaub zwischendurch das O. aufzusuchen, „nur um ein paar CDs zu brennen“ (Seite 16 des Urteils des Arbeitsgerichts Halle) habe nicht ohne vorherigen gerichtlichen Hinweis verwendet werden dürfen. Im Rahmen der Besprechung zwischen dem Kläger und dem Geschäftsleiter des O. N. vom 17. April 2013 habe der Kläger sinngemäß ausgeführt, alles, was auf dem Rechner bezüglich der DVDs sei, habe er gemacht.

62

Im Übrigen habe das Arbeitsgericht Halle den erstinstanzlich vorgebrachten Tatsachenstoff nicht ausgeschöpft. Darüber hinaus lasse die angefochtene Entscheidung des Arbeitsgerichts Halle jede Auseinandersetzung mit der fehlenden Schlüssigkeit des klägerischen Vorbringens dazu vermissen, dass die dokumentierten Transfervorgänge nicht auf sein Verhalten, sondern ausschließlich auf den Zugriff anderer Bediensteter auf seinen Computer zurückzuführen seien. Auch den Sachvortrag des beklagten Landes zum Verbrauch der für den Dienstgebrauch bestimmten CDs und DVDs habe das Arbeitsgericht nicht ausgeschöpft. Der streitgegenständliche Rechner sei der Benutzung durch den Kläger zugewiesen gewesen. Es handele sich um einen vom Kläger zusammengebauten „Testrechner“ des O. Der Kläger sei als Benutzer zugelassen gewesen. Der Kläger habe ein individuelles Passwort vergeben. Dem Kläger sei seit dem Jahr 2004 bekannt, dass die auf dem Rechner des Klägers vorgefundenen Programme für diese Installation nicht frei gegeben gewesen seien. Sodann erfolgt seitens des beklagten Landes Hilfsvorbringen zu arbeitsteiligem Vorgehen. Wegen der diesbezüglichen Einzelheiten nimmt das beklagte Land auf die Besprechung vom 22. April 2013 Bezug. Danach erfolgt ab Seite 18 ff. der vorgenannten Berufungsbegründung vom 10.03.2014 Hilfsvorbringen zur Verdachtskündigung. Hierüber sei auch der Personalrat unterrichtet worden. Ab der Seite 20 der Berufungsbegründung erfolgen Ausführungen des beklagten Landes dazu, dass es hier am Erfordernis einer Abmahnung fehlt. Damit ergebe sich auch, dass der geltend gemachte Weiterbeschäftigungsanspruch unbegründet sei.

63

Das beklagte Land beantragt,

64

unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Klage abzuweisen.

65

Der Kläger beantragt,

66

die Berufung zurückzuweisen.

67

Der Kläger führt in seiner ebenfalls ausdrücklich in Bezug genommenen Berufungserwiderung vom 09. Mai 2014 (Bl. 417 - 427 d. A.) aus, eine Vielzahl von Vorgängen sei auch durch den Bediensteten S erfolgt. Damit sei – wie das Arbeitsgericht ausgeführt habe – lediglich eine geringe Privatnutzung von den ursprünglichen Vorwürfen übrig geblieben. Dies reiche jedoch keinesfalls für eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus. Das gelte umso mehr, als das beklagte Land nunmehr als Anlage BK2 a die Dienstanweisung für die Nutzung von E-Mail, Intranet und Internet im Geschäftsbereich des Ministeriums xxx vom 12. Juli 2004 vorlege. Dieser sei zu entnehmen, dass – jedenfalls soweit es E-Mail, Intranet und Internet betrifft – eine Nutzung der EDV des beklagten Landes zu privaten Zwecken zulässig sei. Eine im Umfang ungeklärte und lediglich behauptete verbotene Nutzung von Rechnern des Arbeitgebers rechtfertige keine fristlose Kündigung. Bei der vorsorglich ausgesprochenen ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung vom 13. Mai 2013 fehle es bereits an einer Abmahnung. Daher habe offen bleiben können, ob die Anhörung des Betriebsrates (gemeint ist offenbar der Personalrat) ordnungsgemäß erfolgt sei. Mit seinem Schreiben vom 18. April 2013 habe der Präsident des O die ursprünglich mit Schreiben vom 16. April 2013 erfolgte Anhörung des Personalrates ergänzt und insbesondere auf die am 17. April 2013 erfolgte Anhörung des Klägers verwiesen. Eine nachträgliche Information sei zwar zulässig, führe allerdings dazu, dass insoweit die Frist für die Stellungnahme des Personalrates neu zu laufen beginne. Diese Frist sei im Zeitpunkt des Zugangs der fristlosen Kündigung am 22. April 2013 noch nicht verstrichen gewesen.

68

Soweit das beklagte Land den Vermerk vom 17. April 2013 zitiere, sei dies unzureichend. Tatsächlich habe der Kläger ausweislich dieses Vermerks geäußert:

69

„Ich habe manchmal festgestellt, dass mein Rechner von anderen Personen genutzt wurde. Eine Mitteilung an den Geschäftsleiter oder Referenten habe ich nicht gemacht, weil es sich nur um den Testrechner handelt. Seit ca. Dezember 2012 habe ich ein Passwort vergeben. Das Passwort ist aber so einfach, dass es jeder knacken kann…“

70

Im Weiteren verschweige das beklagte Land, dass der Kläger anlässlich der Übergabe der Kündigung ausdrücklich erklärt habe:

71

„Aufgrund des Druckes wegen der anstehenden Disziplinarmaßnahmen habe ich Aussagen getätigt, die mir nicht deutlich sind bzw. dem Schutz von Kollegen und Vorgesetzten und mir dienen sollten. Die nehme ich hiermit ausdrücklich zurück. Ich werde in dem anstehenden arbeitsrechtlichen Verfahren neu aussagen (Vermerk JAM W. vom 22.04.2013, Anlage B 3 zum Schriftsatz des Beklagten vom 03.07.2013).“

72

Der Kläger habe über die Nutzung des Testrechners durch dritte Personen kein Buch geführt. Die Behauptung des beklagten Landes, der Kläger habe höchst sorgfältig darauf geachtet, Dritten keinen Einblick in seine Arbeitsvorgänge zu gewähren, sei aus der Luft gegriffen und falsch. Tatsächlich seien im O. seit 2011 mindestens 4 Administratoren eingesetzt, nämlich neben dem Kläger Frau P, Herr P. und Herr S. Das Dienstzimmer des Klägers sei für jedermann offen gewesen. Dort hätten Farbdrucker gestanden, die für jeden Mitarbeiter des O. zugänglich sein mussten. Schlüssel für die Schränke hätten neben dem Kläger der Zeuge P. als Vertreter des Klägers gehabt. Sodann heißt es auf Seite 8 der Berufungserwiderung des Klägers vom 09. Mai 2014 u. a.:

73

„Eine Erklärung für den Verbleib von DVD´s und CD´s liefert das beklagte Land im Übrigen selbst, indem es auf den Besprechungsvermerk vom 22.04.2013 (Anlage BK 4) verweist. Danach hat Herr S CD´s und DVD´s für Musik und Filme jeweils im mittleren dreistelligen Bereich gebrannt.“

74

Außerdem heißt es auf Seite 8 der vorgenannten Berufungserwiderung des Klägers weiter:

75

„Bei dem streitgegenständlichen Rechner handelt es sich um einen Testrechner des O.. Dieser war zur allgemeinen Benutzung durch die Mitarbeiter des DV-Referats bestimmt und wurde durch diese auch entsprechend genutzt. Auf den diesbezüglichen erstinstanzlichen Vortrag nimmt der Kläger Bezug. Auf dem Testrechner waren während seiner Lebensdauer unterschiedliche Betriebssysteme installiert. Ein Passwort befindet sich auf dem Computer erst seit Anfang 2013. Bis Ende 2007 war der Computer ohne Passwort nutzbar. Der Benutzernahme „Sch“ war jedem Interessierten bekannt. Dieser konnte den Computer dann auch nutzen.“

76

Weiterhin heißt es auf Seite 10 der vorgenannten Berufungserwiderung des Klägers unter 4.7:

77

„Die Datei „H. und K.“ ist dem Kläger ebenso unbekannt, wie die Datei „Take Shelter“. Entsprechende „Transfervorgänge“ hat der Kläger nicht vorgenommen. Der Kläger hat auch keine E-Box kopiert.

78

Dem Kläger ist in seiner Eigenschaft als Administrator bekannt, dass eine Vielzahl von Programmen entgegen der Dienstanweisung auf allen Ebenen installiert und benutzt wurde. Darüber hinaus befanden sich auf dem Server des O. mehrere tausend private Dateien von Urlauben oder kleinen Filmen. Auf diesem Umstand hat der Kläger mehrfach in Dienstbesprechungen hingewiesen, ohne Ergebnis.“

79

Das beklagte Land habe die Kündigung ausdrücklich nicht als Verdachtskündigung ausgesprochen. Es habe den Personalrat auch nicht zu einer Verdachtskündigung angehört. Der Ausspruch einer Verdachtskündigung würde im Übrigen vorausgesetzt haben, dass das beklagte Land vor Anhörung des Personalrates den Kläger dazu angehört hätte. Dies habe das beklagte Land nicht getan. Vielmehr habe dieses in der erstinstanzlichen Kammerverhandlung ausdrücklich erklärt, dass die Kündigung nicht als Verdachtskündigung ausgesprochen worden sei.

80

Schließlich heißt es auf Seite 11 der Berufungserwiderung des Klägers vom 09. Mai 2014 unter 4.9. (Bl. 427 d. A.):

81

„Dem Kläger kann die Nutzung des Testrechners dafür, Computer von Mitgliedern des O. zu sichern bzw. zu reparieren, nicht vorgeworfen werden, da diese Tätigkeit ausdrücklich durch den damaligen Referatsleiter gebilligt wurde. Dass der Kläger Mitarbeiter des O. bei Computerproblemen geholfen hat und dies auch tun sollte, war im gesamten O. bekannt. Dies folgt schon daraus, dass er für die Vorsitzenden Richter GB. bzw. H. entsprechend tätig war.

82

Der Kläger hat den Datenbestand nicht verschleiert. Datenüberschreibungen sind keine Verschleierungen, sondern ein in der Natur der Sache liegender Vorgang. Damit ist auch nicht von einer Veränderung des Computers auszugehen.“

83

Mit Schriftsatz vom 28. Juli 2014 hat das beklagte Land zur Berufungserwiderung des Klägers vom 09. Mai 2014 Stellung genommen. Auf diesen Schriftsatz (Bl. 454 – Bl. 460 d. A.) wird Bezug genommen. Anschließend hat der Kläger mit Schriftsatz vom 13. August 2014 zum vorgenannten Schriftsatz des beklagten Landes vom 28. Juli 2014 Stellung genommen. Auf diesen Schriftsatz wird ebenfalls Bezug genommen (Bl. 469 – Bl. 474 d. A.).

84

Wegen des Inhalts des am Ende der Berufungsverhandlung vom 20. August 2014 verkündeten Kammerbeschlusses wird auf Bl. 478 d. A. Bezug genommen.

85

Dazu hat der Kläger mit Schriftsatz vom 15. September 2014 (Bl. 487 d. A.) Stellung genommen. Das beklagte Land hat mit Schriftsatz vom 17. September 2014 nebst Anlagen (Bl. 503 – Bl. 516 d. A.) Stellung genommen, dem u. a. das Schreiben des Personalrates beim O. N. vom 06. Mai 2013, wonach der örtliche Personalrat der beantragten Maßnahme zugestimmt hat, beigefügt war. Sodann hat der Kläger mit Schriftsatz vom 15. Oktober 2014 zum Schriftsatz des beklagten Landes vom 17. September 2014 Stellung genommen. Wegen der Einzelheiten dieses Schriftsatzes vom 15. Oktober 2014 wird auf Blatt 523 – Bl. 527 der Akte Bezug genommen. Im Rahmen der Berufungsverhandlung vom 12. November 2014 erhielten beide Parteien Gelegenheit, sich zu verschiedenen Punkten zu äußern. Es blieb streitig, ob der Kläger zu einem Zeitraum im Urlaub im N. war, während es auf dem ausgewerteten Rechner zu Brennvorgängen gekommen ist. Am Schluss dieser Sitzung wurde ein Kammerbeschluss verkündet, wegen dessen Inhalts auf Bl. 533 d. A. verwiesen wird.

86

Daraufhin legte der Kläger mit Schriftsatz vom 19. November 2014 eine Buchungsbestätigung nebst Anlagen vor, wonach er sich vom 23. Oktober 2011 bis zum 18. November 2011 im Rahmen der Rundreise „xxx“ in A. und N. befunden hat (vgl. Bl. 536 – Bl. 537 d. A. und Bl. 538 – Bl. 544 d. A.). Das beklagte Land hat dazu mit Schriftsatz vom 09. Dezember 2014 (Bl. 545 bis 551 d. A.) Stellung genommen.

87

Mit Schreiben vom 03. November 2014 hat die Polizeidirektion xxx xxx unter dem Az.: xxx beim LAG Sachsen-Anhalt – dort eingegangen am 05. November 2014 – im Auftrag der Staatsanwaltschaft H. um Aktenübersendung wegen geführter Ermittlungen gegen den Kläger wegen des Verstoßes gegen das Urheberrechtsgesetz gebeten. Unter dem 06. November 2014 ist dort mitgeteilt worden, dass hier Termin am 12. November 2014 ansteht und der dortige Antrag danach bearbeitet wird.

Entscheidungsgründe

88

Den Parteien ist aufgrund der beiden Berufungsverhandlungen nebst den dortigen Erörterungen und anschließenden Kammerbeschlüssen ausreichendes rechtliches Gehör gewährt worden. Die Berufungskammer hat sich dort jeweils darum bemüht, auf eine Einigung der Parteien hinzuwirken. In beiden Berufungsverhandlungen war das beklagte Land jedoch nicht bereit, etwaige Inhalte einer einvernehmlichen Regelung zu erörtern. Der Kläger hat dazu auf seine Rentennähe sowie seine grundsätzliche Bereitschaft, auszuscheiden, hingewiesen. Folglich bedurfte es hier dieser Entscheidung:

I.

89

Die statthafte (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässige (§ 64 Abs. 2 ArbGG), form- und fristgerechte eingelegte und begründete Berufung (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. §§ 517, 519 ZPO) des beklagten Landes gegen das vorgenannte Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 04.12.2013 ist ohne Weiteres zulässig.

II.

90

Die Berufung des beklagten Landes gegen dieses Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 04.12.2013 – 3 Ca 1303/13 NMB – ist jedoch unbegründet. Sie war demgemäß zurückzuweisen. Die Kosten des Berufungsverfahrens waren dem beklagten Land aufzuerlegen. Die Revision war zuzulassen. Dabei folgt die Berufungskammer zunächst der erstinstanzlichen Entscheidung des Arbeitsgerichts Halle gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG und macht sich diese Ausführungen – auch zur Vermeidung von Wiederholungen – zu Eigen. Dies gilt auch insoweit, als das Arbeitsgericht Halle in seinem Urteil vom 04. Dezember 2013 auf S.18 bis S. 19 folgendes ausgeführt hat:

91

„Für die Kammer war letztlich nicht nachvollziehbar, wie die nunmehr vorgetragenen Umstände und insbesondere der erhebliche Umfang privater Nutzung von dienstlichen Ressourcen so lange unentdeckt geblieben sein soll. Möglicherweise wurden bestimmte Dinge toleriert und geduldet, wohl weil eine Anzahl von Mitarbeitern des Hauses hiervon in unterschiedlicher Weise profitiert hat. Nachdem jedoch bestimmte Sachverhalte und Verhaltensweisen offiziell festgestellt, gemeldet und damit nachweislich bekannt wurden, wurde sogleich ein Exempel statuiert.“

92

Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis hat demgemäß weder durch die fristlose Kündigung des beklagten Landes vom 18. April 2013 noch durch die anschließende ordentliche Kündigung des beklagten Landes vom 13. Mai 2013 sein Ende gefunden. Beide Kündigungen sind rechtsunwirksam. Deshalb ist der Kläger weiter zu beschäftigen. Im Einzelnen:

1.

93

Die streitgegenständliche fristlose Kündigung des beklagten Landes vom 18. April 2013 ist unwirksam. Es fehlt für diese am wichtigen Grund im Sinne von § 626 (1) BGB und an der Einhaltung der Frist gemäß § 626 (2) BGB.

a)

94

Auch nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (fortan: BGH) setzt die Feststellung eines zur außerordentlichen Kündigung eines Dienst- bzw. Arbeitsverhältnisses berechtigenden Grundes eine umfassende und rechtlich einwandfreie Abwägung aller Umstände voraus (vgl. bereits BGH vom 09. November 1992 – II ZR 234/91 – = NJW 1993, 463).

95

Eine fristlose Kündigung eines Geschäftsführer - Anstellungsvertrages kommt z. B. in Betracht, wenn der Fall eines missbräuchlichen Ausnutzens für diesen bzw. sich selbst vorliegt. Ein solches Verhalten kann einen wichtigen Grund i. S. v. § 626 BGB darstellen, weil bei Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Dienst- bzw. Arbeitsverhältnisses bis zu seinem Ablauf unzumutbar ist (vgl. BGH vom 13. Februar 1995 – II ZR 225/93 – NJW 1995, 1358). Die BGH-Entscheidung vom 28. Oktober 2002 – II ZR 353/00 – = NJW 2003, 431 verhält sich über einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung im Zusammenhang mit der Erstattung von Spesen.

96

Der wichtige Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB – ein objektives Tatbestandsmerkmal – bestimmt sich nach ganz herrschender Auffassung anhand objektiver Kriterien, d. h. der wichtige Grund wird allein aufgrund der objektiv vorliegenden Tatsachen bestimmt, die an sich geeignet sind, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar zu machen. Weder enthält dieser Begriff des wichtigen Grundes ein subjektives Element noch ist ein Verschulden für das Vorliegen eines solchen wichtigen Grundes erforderlich (sog. erste Stufe). Erst im Rahmen der erforderlichen Interessenabwägung (sog. zweite Stufe) wird die Frage des Verschuldens relevant. Insoweit wird ein wichtiger Grund in der Regel nur bei einem sowohl rechtswidrigen als auch schuldhaften Verhalten bejaht werden können, wobei allerdings unter Umständen auch Fahrlässigkeit ausreichen kann (vgl. HWK-Sandmann, 6. Auflage, § 626 BGB Rz. 115 f mit umfangreichen weiteren Nachweisen). Ob Straftaten des Arbeitnehmers einen wichtigen Grund ergeben, hängt von der Bedeutung der Straftat für das Arbeitsverhältnis ab. Erst dann, wenn durch die Straftat arbeitsvertragliche Pflichten verletzt werden und dem Arbeitgeber deshalb die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar geworden ist, liegt ein wichtiger Grund vor (HWK-Sandmann, a. a. O., § 626 BGB Rz. 236). Daneben können Arbeitspflichtverletzungen ebenfalls einen wichtigen Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB darstellen. Dasselbe gilt für Arbeitszeitbetrugsfälle. Im Übrigen stellen nicht genehmigungsfähige Nebentätigkeiten in Unkenntnis des Arbeitgebers regelmäßig bereits für sich – also ohne das Hinzutreten besonderer Umstände – einen wichtigen Grund für eine Kündigung i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB dar (vgl. Bundesarbeitsgericht - fortan kurz: BAG vom 18. September 2008 – 2 AZR 827/06 – = DB 2009, 743). Dies muss nach Auffassung der Kammer erst recht gelten, wenn derartige Tätigkeiten nicht außerhalb, sondern während der Arbeitszeit erfolgen.

b)

97

Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Streitfall ergibt dazu folgenden Befund:

98

Das Arbeitsgericht Halle hat hierzu bereits in seinem Urteil vom 04. Dezember 2013 auf S. 15 f. (Bl.283-Bl.284 d. A.) zu Recht u.a. ausgeführt:

99

„Obgleich gewisse Verdachtsmomente vorliegen würden, sei es letztlich nur eine unbewiesene Behauptung des beklagten Landes, dass alle vorgefunden Privatdateien dem Kläger zuzurechnen seien und dass dieser (allein) alle Privatnutzungen durchgeführt, damit auch etwaige (nach § 106 UrhG strafbare) Vervielfältigungen vorgenommen und auch alle Brennvorgänge durchgeführt habe. Keiner der dokumentierten Vorgänge lasse sich einzelnen Personen und damit auch nicht dem Kläger zuordnen. Das beklagte Land stelle letztlich nur Vermutungen an und ziehe Schlussfolgerungen, weil sich der Rechner am Arbeitsplatz bzw. Dienstzimmer des Klägers befunden habe. Niemand habe den Kläger bei einzelnen Privatnutzungen beobachtet.

100

Es sei auch nicht bewiesen, dass es gerade der Kläger gewesen sei, der die Kopierprogramme installiert habe. Allein die unstreitige Tatsache, dass auch in Zeiten, in denen sich der Kläger wegen Urlaubs oder Krankheit nicht am Arbeitsplatz aufgehalten habe oder sonst wie dienstlich abwesend gewesen sei, zahlreiche „Vorgänge“ dokumentiert worden seien, beweise, dass andere Personen sowohl Zugriff auf den Rechner gehabt hätten als auch in der Lage gewesen seien, die Kopierprogramme usw. zu nutzen.“

101

Weiter heißt es auf den Seiten 16 und 17 des vorgenannten Urteils u. a.:

102

„Weshalb der Beklagte diesen eindeutigen Umstand bis zuletzt ignoriert hat, blieb unverständlich. Geradezu für abenteuerlich hält die Kammer die Behauptung der Beklagtenvertreter im Kammertermin, dann müsse der Kläger wohl auch während seiner Krankheitszeiten und seiner Urlaube regelmäßig auf Arbeit erschienen sein und den Rechner privat genutzt haben. Wie es der Kläger allerdings hat anstellen sollen, beispielsweise aus seinem Neuseeland-Urlaub zwischenzeitlich das O. aufzusuchen, nur um in paar CDs zu brennen, konnte niemand schlüssig erläutern. Viele Mitarbeiter des O. verfügen über einen Dienstschüssel für das Zimmer des Klägers. Das Passwort für den Rechner ist leicht herauszufinden. Wenn die entsprechenden Programme einmal installiert sind, dürfte es auch für einen technisch nicht sehr bewanderten Mitarbeiter leicht möglich sein, diese zu nutzen. Schließlich war auch zu berücksichtigen, dass sich die Ermittlungen des Beklagten auch gegen zumindest einen weiteren Mitarbeiter des Hauses richten, von dem ebenfalls angenommen wird, er habe Privatnutzungen vorgenommen.

103

Die „Ermittlungen“ gegen andere Mitarbeiter, die vom Kläger als mögliche Nutzer bezeichnet wurden, haben sich offensichtlich darauf beschränkt, zu fragen, ob sie den Rechner genutzt haben. Nachdem diese Mitarbeiter schlicht mit „Nein“ geantwortet haben, war für den Beklagten die Sachlage klar. So jedenfalls wurde es im Kammertermin erklärt, nachdem der Vorsitzende fragte, weshalb sich der Beklagte sicher sei, dass keine anderen Mitarbeiter beteiligt seien. Diese Art der Aufklärung überzeugte die Kammer jedoch nicht.“

aa)

104

Außerdem muss ein Arbeitgeber bei seinen „Ermittlungen“ auch den Tatsachen bzw. Umständen konkret nachgehen, die der Arbeitnehmer zu seiner Rechtfertigung bzw. zu seiner Entschuldigung vorträgt. Er trägt nämlich die Darlegungs-und Beweislast auch dafür, dass nicht solche Tatsachen vorgelegen haben, die das kündigungsrelevante Verhalten des Arbeitnehmers gerechtfertigt oder entschuldigt erscheinen lassen (BAG vom 08. Mai 2014 - 2 AZR 75/13 - m. w. N.)

105

Unterlässt der (öffentliche) Arbeitgeber dieses gleichwohl, so geht dies – wie hier - zu seinen Lasten. Diesbezüglich geht es hier insbesondere um folgendes:

106

- Am 06.03.2013 fand zwischen dem Geschäftsleiter W. und dem EJHW C. ein Personalgespräch im Beisein der Personalratsvorsitzenden B. statt, das am 18.03.2013 fortgesetzt wurde (vgl. den mit Schriftsatz vom 17.09.2014 überreichten Besprechungsvermerk (Bl. 513 und Bl. 513 R. d. A.);

107

- Am 14.03.2013 (Tag der Geschäftsprüfung beim Kläger) befand sich im Schrank 2 des Bediensteten S. offenbar ein verschlossener Karton. Dazu heißt im Vermerk (Prüfungsbericht) des Geschäftsleiters W vom 11.04.2013 zu dieser Geschäftsprüfung am 14.03.2013: „(auf Nachfrage an Herrn S. privat, blieb daher ungeöffnet).“ (vgl. dazu auch oben S.7 dieses Urteils). Hier zeigt sich mehr als deutlich der Unterschied zwischen „privaten“ Ermittlungen des Arbeitgebers und einer förmlichen Untersuchung durch die Polizei bzw. die Staatsanwaltschaft, die auch zur Entlastung des Klägers hätte führen können. Das kann nicht ohne weiteres zu Lasten des Klägers gehen;

108

- Der Bedienstete JHS S. hat sich ausweislich des Besprechungsvermerks vom 22.April 2013 nach Hinweis des Geschäftsleiters W (analog § 136 StPO/JHS S. müsse sich nicht selbst belasten) im Beisein der Vorsitzenden des Örtlichen Personalrats „zur Sache“ geäußert. Er hat dort aus der Sicht der Berufungskammer eindeutig erklärt, an den hier streitgegenständlichen Geschehnissen im O. beteiligt gewesen zu sein. Diesem Besprechungsvermerk vom 22.April 2013 ist auch deutlich zu entnehmen, dass neben JHS S. und dem Kläger außerdem der EJHW C. an den Geschehnissen im O. beteiligt war. Der JHS S. hat dort sozusagen jedenfalls in Teilen ein „Geständnis“ abgelegt.

109

- Erläuterungen zu den Aufgaben des Klägers, u.a. die technische Unterstützung der Nutzer des Hauses einerseits, wozu laut dem früheren Referatsleiter allen Bediensteten einschließlich Richterschaft/Leitung geholfen werden soll, welche darum bitten. Andererseits die etwaige ausdrückliche Erlaubnis des früheren Referatsleiters, Sicherungen für dienstliche und private Rechner (auch) auf den externen Speichermedien vorzunehmen. Außerdem: Nichtuntersagung gelegentlicher Privatnutzung der Programme durch den Kläger auch außerhalb des O. (seit wann?). Verteilung der Aufgaben und Verantwortlichkeiten auf die 4 Administratoren (der Kläger und 3 weitere);

110

- Die (konkludente) Erlaubnis, sich während der Arbeitszeit um die „Privatrechner“ der Bediensteten des O. und deren Angehörigen zu kümmern (bzw. dies zu dürfen), worauf sich das beklagte Land in diesem Verfahren nicht stützt;

111

- Nachvollziehbare Erklärungen dafür, dass die private Nutzung dienstlicher Ressourcen so lange unentdeckt blieb. Nutzung des „Testrechners“ mit einem einfachen Passwort während der Anwesenheit des Klägers und bei dessen Abwesenheit (Urlaub, Krankheit) durch welche Bedienstete des O.;

112

- Büromaterial und Rohlinge sowie Cover: Bestellvorgänge, Zeichnung und Gegenzeichnung unter Beteiligung welcher Bediensteten des O., ggf. nebst Kostenvergleich mit anderen vergleichbaren Behörden.

bb)

113

All das ist vorliegend vom beklagten Land weder hinreichend vorgetragen noch zuvor weiter aufgeklärt worden. Die Berufungskammer kann und will andererseits nicht ausschließen, dass die drei Bediensteten S., C. und der Kläger einvernehmlich außerhalb des zulässigen arbeitsvertraglichen, beamtenmäßigen und gesetzlichen Rahmens tätig waren, wobei ein konkreter Tatbeitrag des Klägers vom beklagten Land nicht dargelegt worden ist. Lediglich die im O. und im MJ angestellten Ermittlungen ohne amtliche Klärung durch Polizei und Staatsanwaltschaft genügen wohl nicht z.B. zur Beantwortung der Frage, ob hier etwa eine sogenannte Mittäterschaft mit welchen konkreten Verantwortlichkeiten vorliegt und wer von diesen 3 Personen (JHS S., EJHW C. und der Kläger) sowie welcher weitere Personenkreis von diesen Handlungen konkret profitiert hat, und zwar besonders auch durch Kosteneinsparungen unter Verletzung geschützter Urheberrechte, also etwa durch sogenanntes „Schwarzbrennen“.

114

All dies geht – wie dargelegt - zu Lasten des beklagten Landes. Der Umfang der „Taten“ mag feststehen, nicht aber der Umfang der konkreten Verantwortlichkeit des Klägers.

c)

115

Das beklagte Land hat zudem die zweiwöchige Frist des § 626 (2) BGB beim Ausspruch der hier streitgegenständlichen Kündigung vom 18. April 2013 nicht eingehalten, die der Kläger am 22.04.2013 erhalten hat.

116

Eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grunde gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich nachweisen (§ 626 Abs. 2 BGB). Diese kurze Frist dient dem Gebot der Rechtssicherheit und -klarheit. Es darf nicht unangemessen lange ungewiss bleiben, ob ein bestimmter Umstand kündigungsrechtliche Folgen nach sich zieht oder nicht. Der Kündigungsberechtigte soll sich keinen Kündigungsgrund aufsparen, um damit den Vertragspartner unter Druck setzen zu können (ständige Rechtsprechung auch des BAG; vgl. etwa BAG vom 25.02.1983 – 2 AZR 298/81 – = DB 1983, 1605). Demgegenüber soll die Frist des § 626 Abs. 2 BGB den Kündigungsberechtigten aber nicht etwa dazu veranlassen, voreilig zu kündigen. Deshalb genügt erst die vollständige positive Kenntnis der für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen, um die Frist in Gang zu setzen. Dem Kündigungsberechtigten muss eine (überlegte) Gesamtwürdigung möglich sein, die auch beinhaltet, dass sie genügend Tatsachen kennt, um seiner Behauptungs- und Beweislast im Prozess nachkommen zu können (h. M.; vgl. etwa HWK-Sandmann, a. a. O., § 626 BGB Rz. 339 unter Hinweis auf BAG vom 15. November 1995 – 2 AZR 974/94 – = NJW 1996, 1556). In dieser BAG-Entscheidung vom 20.03.2014 – 2 AZR 1037/12 – heißt es u. a. zu 1. und 2.:

117

„1. Der Kündigungsberechtigte, der bislang nur Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen beginne. Sollte der Kündigungsgegner angehört werden, muss dies innerhalb einer kurzen Frist erfolgen. Sie darf im allgemeinen nicht mehr als eine Woche betragen. Bei Vorliegen besonderer Umstände darf sie auch überschritten werden. Unerheblich ist, ob die Ermittlungsmaßnahmen tatsächlich zur Aufklärung des Sachverhaltes beigetragen haben oder nicht …

118

1. Das bedeutet zugleich, dass der mit der beabsichtigten Anhörung verbundene Fristaufschub i. S. v. § 626 Abs. 2 BGB nicht nachträglich entfällt, wenn der Arbeitgeber das ergebnislose Verstreichen der Frist zur Stellungnahme für den Arbeitnehmer zum Anlass nimmt, nunmehr auf dessen Anhörung zu verzichten. Ein solcher nachträglicher Wegfall des ursprünglichen Aufschubs käme nur in Frage, wenn der betreffende Entschluss des Arbeitgebers auf Willkür beruhte. Davon kann die Rede nicht sein, wenn Anlass für den neuen Entschluss der Umstand ist, dass sich der Arbeitnehmer innerhalb einer ihm gesetzten, angemessenen Frist nicht geäußert hat …“

119

Geht es aber um ein strafbares Verhalten des Arbeitnehmers, darf der Arbeitgeber den Aus- oder Fortgang des Ermittlungs- und Strafverfahrens abwarten und in dessen Verlauf zu einem nicht willkürlich gewählten Zeitpunkt kündigen (vgl. BAG vom 27.01.2011 – 2 AZR 825/09 – = NJW 2011, 2231).

120

Einen Sonderfall betrifft die Entscheidung des BAG vom 21. Februar 2013 – 2 AZR 433/12 – = BB 2013, 1716, wonach sich der Arbeitgeber ausnahmsweise die Kenntnis derjenigen Personen i. S. v. § 626 Abs. 2 BGB zurechnen lassen muss, wenn diese eine herausgehobene Position und Funktion haben sowie in der Lage sind, einen Sachverhalt, der Anhaltspunkte für eine außerordentliche Kündigung bietet, so umfassend zu klären, dass mit ihrer Mitteilung der Kündigungsberechtigte die Entscheidung abgewogen treffen kann. Allerdings schränkt das BAG dies ein auf eine unsachgemäße Organisation des Betriebs bzw. der Verwaltung.

121

Weitere wichtige Gründe können grundsätzlich auch noch im Rechtsstreit nachgeschoben werden, soweit sie erst nach Ausspruch der Kündigung objektiv vorlagen und dem Kündigenden nicht länger als zwei Wochen zuvor bekannt geworden waren. Bei einem Dauerverhalten beginnt die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB ohnehin nicht vor der Beendigung dieses Verhaltens (so zutreffend BGH vom 20. Juni 2005 – II ZR 18/03 – = NJW 2005, 3069 im Einzelnen zur fristlosen und ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung sowie zur Tat- und Verdachtskündigung und zur Personalratsbeteiligung).

aa)

122

Auch hier geht es auch um ein strafbares Verhalten des Klägers. Deshalb hätte das beklagte Land den Aus- oder Fortgang eines Ermittlungs- und Strafverfahrens ohne weiteres abwarten und in dessen Verlauf zu einem nicht willkürlich gewählten Zeitpunkt auf einer konkreten Ermittlungsgrundlage kündigen können (vgl. BAG vom 27.01.2011 – 2 AZR 825/09 – = NJW 2011, 2231).

bb)

123

Das beklagte Land hat hier zunächst davon abgesehen, die möglicherweise strafbaren Vorgänge den Strafverfolgungsbehörden mitzuteilen, um dadurch sofort staatsanwaltliche Ermittlungen einzuleiten. Es hat lediglich eigene Ermittlungen durch Bedienstete des O. und MJ angestellt, und zwar spätestens ab der Geschäftsprüfung am 14.03.2013 bis zum 22. 04.2013 (Vermerk über die Besprechung zwischen dem Geschäftsleiter W., dem JHS S. sowie der Personalratsvorsitzenden B. einerseits und der Aushändigung der fristlosen Kündigung vom 18.04.2013 an der Kläger andererseits).

124

Diese „Ermittlungen“ haben jedoch keinen Einfluss auf den Lauf der Frist des § 626 (2) BGB.Der Kündigungsberechtigte, der möglicherweise bislang nur Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann zwar nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen beginnt. Soll der Kündigungsgegner angehört werden, muss dies innerhalb einer kurzen Frist erfolgen. Sie darf im Allgemeinen nicht mehr als eine Woche betragen (so oben bereits BAG vom 20.03.2014 - 2 AZR 1037/12).

125

Zwar soll der Kläger hier bestimmte Dinge eingeräumt und sinngemäß zugegeben haben.Die erforderliche fristgerechte Anhörung des Klägers ist bereits nicht erfolgt. Auch die den Kläger möglicherweise entlastenden Erklärungen des JHS S. am 22.04.2013 sind nicht mit ihm, dem Kläger, besprochen worden. Im Übrigen vermag die Berufungskammer auch nicht zu erkennen, warum die Inhalte und Ergebnisse der Geschäftsprüfung am 14.3.2013 erst durch Vermerk vom 11.04.2013 niedergelegt wurden. Allein dazwischen liegen rund 4 Wochen. Besondere Schwierigkeiten bei der Wiederherstellung der Inhalte der Festplatten vermag die Kammer im Rahmen des diesbezüglichen Vorbringens des beklagten Landes nicht zu erkennen. Es ist nicht konkret vorgetragen worden, mit welchen Verfahren im Einzelnen die Festplatten „initial“ gelöscht wurden und mit welchen Sicherheitsstufen diese Löschvorgänge durchgeführt wurden (Anzahl der Löschvorgänge). Die Menge der Datensätze für sich alleine vermag nur schwerlich die Zeitdauer der Datenwiederherstellung zu erklären. Entscheidend dürfte dafür vielmehr – wie dargelegt – vor allem auch die Anzahl der Überschreibungen sein.

126

Somit reicht das Vorbringen des beklagten Landes auf den Seiten 4 und 5 des Schriftsatzes vom 17.09.2014 (Bl. 506 und Bl. 507 d. A.) zur Begründung der Dauer der Datenwiederherstellung nicht aus.

127

Nach alledem kann hier mangels substantiierten Vortrags des beklagten Landes nicht von „aller Zügigkeit“ ausgegangen werden. Der Arbeitgeber hat es – wie oben dargelegt - weder in der Privatwirtschaft noch im öffentlichen Dienst in der Hand, den Beginn dieser Ausschlussfrist herauszuzögern.

2.

128

Die verhaltensbedingte ordentliche Kündigung des beklagten Landes vom 13. Mai 2013 ist ebenfalls unwirksam.

a)

129

Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG kommt eine Kündigung auch durch Gründe in Betracht, die in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Eine solche verhaltensbedingte Kündigung ist grundsätzlich in drei Stufen zu prüfen: Zunächst ist festzustellen, ob eine Verletzung von Vertragspflichten vorliegt. Weiterhin ist zu prüfen, ob eine einschlägige Abmahnung erforderlich ist oder ob diese wegen der Schwere der Pflichtverletzung ausnahmsweise entbehrlich ist. Auf dritter Stufe ist eine Interessenabwägung vorzunehmen. In Abwägung der Interessen beider Vertragsteile muss die Kündigung billigenswert und angemessen erscheinen. Eine nähere Bestimmung des verhaltensbedingten Kündigungsgrundes enthält das Kündigungsschutzgesetz nicht. Ganz unstreitig ist, dass die verhaltensbedingte Kündigung eine Vertragspflichtverletzung durch steuerbares Verhalten erfordert. Dabei kann das Vortäuschen der Aufgabenerfüllung während der Arbeitszeit durch den Arbeitnehmer eine erhebliche Arbeitspflichtverletzung und damit grundsätzlich einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen. Machen diese Arbeitsaufgaben, die nur selten anfallen, aber nur einen Teil seiner geschuldeten Tätigkeit aus und ist bis zum Ablauf der Frist für eine ordentliche Kündigung nicht mit weiteren Vertragsstörungen zu rechnen, kann es dem Arbeitgeber zumutbar sein, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzusetzen (so BAG vom 09. Juni 2011 – 2 AZR 284/10 – = DB 2011, 2724).

130

Als Tatkündigung kommt die vorliegende ordentliche Kündigung nicht in Betracht. Insoweit kann auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden. Es fehlt bereits an der konkreten Darlegung des genauen Tatvorwurfs. Abgesehen davon dürfte mit dem Arbeitsgericht Halle mit Blick auf den hier vorliegenden Sachverhalt, wonach fast alle Bediensteten einschließlich der Richterschaft offenbar von der Tätigkeit des Klägers profitiert und dieser auch nicht widersprochen haben, eher eine Abmahnung als eine Kündigung dem Ultima-Ratio-Pip entsprochen haben. Für seine Handlungen fehlte dem Kläger deshalb möglicherweise ebenso wie vielen anderen (auch richterlichen) Bediensteten im O. ein entsprechendes Unrechtsbewusstsein.

131

Zudem ist insoweit in Ermangelung diesbezüglichen Vorbringens des beklagten Landes auch nicht hinreichend erkennbar, ob und wie das beklagte Land in dieser Angelegenheit gegenüber den Beamten, nämlich dem JHS S. und dem EJHW C., in vergleichbarer Weise wie gegenüber dem Kläger verfährt. Zwar findet der Gleichbehandlungsgrundsatz hier im Verhältnis zwischen Beamten und Angestellten nicht ohne weiteres unmittelbare Anwendung (vgl. dazu etwa BAG vom 20.03.2002 – 4 AZR 90/01). Das gilt aber hier unabhängig von den anerkannten mittelbaren Wirkungen des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht für begangene Pflichtverletzungen, die von Beamten und Angestellten gemeinsam begangen wurden. Diese wiegen bei Beamten sicher nicht ohne weiteres leichter als bei Angestellten. Gleichwohl sind die hier betroffenen Beamten nach wie vor im Dienst. Es ist nicht ersichtlich, dass ihre Entlassung veranlasst ist bzw. konkret bevorsteht oder gegen sie andere disziplinarische Maßnahmen ergriffen wurden.

b)

132

Eine Verdachtskündigung hat das beklagte Land weder mit der fristlosen Kündigung vom 18. April 2013 noch mit der fristgerechten Kündigung vom 13.Mai 2013 sind ausgesprochen.

aa)

133

Ist eine erhebliche Vertragspflichtverletzung nachweislich erfolgt und damit als Tat erwiesen, kann sie sowohl einen wichtigen Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB als auch einen verhaltensbedingten Kündigungsgrund i. S. v. § 1 Abs. 2 KSchG darstellen. Aber auch der dringende, schwerwiegende Verdacht eine strafbaren Handlung mit Bezug zum Arbeitsverhältnis oder eine Verletzung erheblicher arbeitsvertraglicher Pflichten kann einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung gegenüber einem verdächtigen Arbeitnehmer darstellen oder als Grund für eine verhaltensbedingte ordentliche Kündigung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG in Betracht kommt. Dabei stellt der Verdacht einer strafbaren Handlung gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe eine Tat tatsächlich begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar, der in dem Tatvorwurf noch nicht enthalten ist (vgl. bereits BAG vom 14. September 1994 – 2 AZR 164/4 – = DB 1995, 534).

134

Eine sog. Verdachtskündigung kommt – schon wegen der in besonderem Maße bestehenden Gefahr, dass ein Unschuldiger getroffen wird – auch als ordentliche Kündigung neben einer außerordentlichen Kündigung nur in Betracht, wenn das Arbeitsverhältnis bereits durch den Verdacht so gravierend beeinträchtigt wird, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann. Dies setzt voraus, dass nicht nur der Verdacht als solcher schwerwiegend ist, vielmehr muss ihm ein erhebliches Fehlverhalten des Arbeitnehmers – strafbare Handlung oder schwerwiegende Pflichtverletzung (Tat) – zugrunde liegen. Die Verdachtsmomente müssen daher, auch im Falle einer ordentlichen Kündigung, regelmäßig ein solches Gewicht erreichen, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses überhaupt nicht mehr zugemutet werden kann, hierauf also grundsätzlich eine ordentliche Kündigung gestützt werden könnte (vgl. BAG 27.11.2008 – 2 AZR 98/07).

135

Wenn sich somit starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen und diese Verdachtsmomente geeignet sind, dass für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erhebliche Vertrauen zu zerstören und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhaltes unternommen hat, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat, ist eine solche Verdachtskündigung zulässig. Die Anhörung des Arbeitnehmers hat im Zuge der gebotenen Aufklärung des Sachverhaltes zu erfolgen. Ihr Umfang richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Die Anhörung muss sich auf einen greifbaren Sachverhalt beziehen. Der Arbeitnehmer muss die Möglichkeit haben, bestimmte zeitlich und räumlich eingegrenzte Tatsachen zu bestreiten oder den Verdacht entkräftende Tatsachen zu bezeichnen und so zur Aufhellung der für den Arbeitgeber im Dunkeln liegenden Geschehnisse beizutragen. Allein um dieser Aufklärung willen wird dem Arbeitgeber die Anhörung abverlangt. Dagegen ist sie nicht dazu bestimmt, als verfahrensrechtliche Erschwernis die Aufklärung zu verzögern und Wahrheit zu verdunkeln.

136

Die Anhörung des Arbeitnehmers vor Ausspruch einer Verdachtskündigung soll diesem somit die Möglichkeit geben, den gegen ihn bestehenden Verdacht zu entkräften. Dies ist aber nur dann möglich, wenn der Arbeitnehmer eigene Kenntnis von den gegen ihn erhobenen Vorwürfen hat (so BAG vom 13.03.2008 – 2 AZR 961/06). Im Übrigen entspricht es den Besonderheiten der Verdachtskündigung, dass der Arbeitgeber seinen Verpflichtungen zur Erfüllung der Aufklärungspflicht als Voraussetzung einer wirksamen Verdachtskündigung vollständig nachkommt (so BAG vom 26.09.2002 – 2 AZR 424/01 – = DB 2003, 1336).

137

Im Übrigen gilt folgendes: Eine Verdachtskündigung liegt begrifflich nur dann vor, wenn und soweit der Arbeitgeber seine Kündigung damit begründet, gerade der Verdacht eines (nicht erwiesenen) strafbaren Verhaltens habe das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstört. Um eine Verdachtskündigung handelt es sich dagegen nicht, wenn der Arbeitgeber, obwohl er nur einen Verdacht hegt, die Verfehlung des Arbeitnehmers als sicher hinstellt und mit dieser Begründung die Kündigung erklärt (so LAG Rheinland-Pfalz vom 27. Januar 2004 – 2 Sa 1221/03 – = NZA – RR 2004, 473). Dementsprechend hat das BAG in seiner Entscheidung vom 20.03.2014 – 2 AZR 1037/12 – a. a. O., noch einmal hervorgehoben, dass die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung ist.

138

Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer vor Ausspruch der Kündigung also Gelegenheit geben, zu den Verdachtsmomenten Stellung zu nehmen, um dessen Einlassung bei seiner Entscheidungsfindung berücksichtigen zu können. Versäumt er dies, kann er sich im Prozess nicht auf den Verdacht eines pflichtwidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers berufen; die hierauf gestützte Kündigung ist unwirksam. Demgegenüber ist das Unterlassen der Anhörung nur dann unschädlich, wenn der Arbeitnehmer entweder von vorn herein nicht bereit war, sich gegen die ihn erhobenen Vorwürfe einzulassen und nach seinen Kräften an einer Aufklärung mitzuwirken oder wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Rahmen des Zumutbaren Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat und dieser sich innerhalb einer gesetzten angemessenen Frist gleichwohl nicht geäußert hat (BAG vom 20. März 2014 – 2 AZR 1037/12 – a. a. O.).

139

Schließlich kann sich der Arbeitgeber auch für die Überlegung, ob er eine Verdachtskündigung aussprechen soll, am Fortgang des Ermittlungs- und Strafverfahrens orientieren. Dort gewonnene Erkenntnisse oder Handlungen der Strafverfolgungsbehörde können die Annahme verstärken, der Vertragspartner habe die Pflichtverletzungen begangen. Eine solche den Verdacht intensivierende Wirkung kann auch die Erhebung der öffentlichen Klage haben (vgl. BAG vom 27.01.2011 – 2 AZR 825/09 – = NJW 2011, 2231).

bb)

140

Die fristlose Kündigung vom 18.04.2013 und die ordentliche Kündigung vom 13.05.2013 wollte das beklagte Land bis zum Ende der I. Instanz nur als Tatkündigung aussprechen. Eigenständige Verdachtskündigungen wurden ersichtlich nicht ausgesprochen. Erstmals in der Berufungsinstanz meint das beklagte Land offenbar, sich allein durch sein erstmaliges schriftsätzliches Vorbringen auf diesen eigenständigen Kündigungsgrund stützen zu können. Beim Ausspruch dieser Kündigungen war das noch gar nicht gewollt. Demgemäß wurde der Kläger auch nicht eigens hierzu angehört. Diese Anhörung des Arbeitnehmers vor Ausspruch einer Verdachtskündigung soll diesem – wie dargelegt - die Möglichkeit geben, den gegen ihn bestehenden Verdacht zu entkräften. Dies ist diesem aber nur dann möglich, wenn der Arbeitnehmer eigene Kenntnis von den gegen ihn erhobenen Vorwürfen hat. Das mag zwar zum Teil der Fall sein. Im Rahmen einer solchen Anhörung in Zusammenhang mit dem beabsichtigten Ausspruch einer eigenständigen Verdachtskündigung hätte der Kläger aber auch diejenigen Gründe darlegen können, die sein Verhalten rechtfertigen oder entschuldigen können. Abgesehen von alledem liegen aber alleine aufgrund der arbeitgeberseitigen Ermittlungen durch Bedienstete des O. und des MJ nicht die notwendigen Voraussetzungen für den Ausspruch einer solchen Verdachtskündigung vor, und zwar weder hinsichtlich der hier streitgegenständlichen fristlosen Kündigung vom 18.04.2013 noch der ordentlichen Kündigung vom 13.05.2013.

3.

a)

141

Die streitgegenständlichen Kündigungen sind auch wegen fehlerhafter Beteiligung des Personalrats unwirksam.

142

Im Bereich des öffentlichen Dienstes hat der Personalrat bei ordentlichen verhaltensbedingten Kündigungen mitzuwirken. Dieses zwingende Mitwirkungsrecht besteht aber lediglich bei der ordentlichen Kündigung i. S. v. § 622 BGB. Vor Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung ist der Personalrat hingegen nur anzuhören. Da die Beteiligungsrechte jedoch unterschiedlich ausgestaltet sind, scheidet eine Umdeutung einer fristlosen in eine ordentliche Kündigung aus. Daher muss zwingend vor Ausspruch einer fristlosen Kündigung der Personalrat auch hinsichtlich einer „vorsorglichen ordentlichen Kündigung“ beteiligt werden (vgl. BAG vom 03. Dezember 1981 – 2 AZR 679/79 und BAG vom 23.04.1998 – 8 AZR 622/96 jeweils n. v.; so auch Groeger-Schulte, Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst, 2. Auflage, Seite 529 Teil 4 B – Rz. 65). Unstreitig ist einer der Hauptanwendungsfälle für Wahrnehmung von Rechten durch Personalräte die Beteiligung an der Kündigung. Eine ohne die vorgeschriebene Beteiligung des Personalrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam (vgl. Groeger-Pahlen, a. a. O., Seite 555 – Teil 4 D Rz. 9). Der Personalrat ist zum einen rechtzeitig und zum anderen umfassend zu unterrichten. Rechtzeitig ist die Unterrichtung, wenn die gesamte Personalvertretung die Möglichkeit hat, die ihr mitgeteilten rechtlichen und tatsächlichen Umstände vor der Erörterung und Beschlussfassung im Gremium zu verarbeiten und die erteilten Informationen bei ihrer Willensbildung zu berücksichtigen. Ist die Beteiligung des Personalrates mit der Einhaltung einer Frist verbunden, beginnt die Äußerungsfrist erst, wenn die für die Meinungs- und Willensbildung erforderliche Information erteilt und die notwendigen Unterlagen überreicht wurden. Außerdem muss die Information umfassend sein. Dem Personalrat sind die rechtlichen und tatsächlichen Umstände mitzuteilen, die ihn in die Lage versetzen, eine sachgerechte Entscheidung zu treffen. Dabei ist nicht auf die konkret beteiligte, sondern eine objektive, verständig würdigende Personalvertretung abzustellen. Eine den Anforderungen des Gesetzes entsprechende Information erfordert zudem regelmäßig auch die Vorlage der notwendigen Unterlagen (so zutreffend und mit weiteren Nachweisen Groeger-Pahlen, a. a. O., Seite 561 f – Teil 4 D Rz. 19 – 20 m. w. N.). In seiner Entscheidung vom 26. September 2013 – 2 AZR 843/12 – = DB 2014, 1028 hat sich das BAG erneut auf den Standpunkt gestellt, dass eine durch den Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung unwirksam ist, wenn die Personalvertretung nicht oder nicht ordnungsgemäß beteiligt worden ist. Die ordnungsgemäße Durchführung der jeweiligen vom Landesgesetzgeber vorgeschriebenen Beteiligungsverfahren ist damit Wirksamkeitsvoraussetzung jeder Kündigung.

b)

143

Vorliegend gilt folgendes:

aa)

144

Die fristlose Kündigung datiert auf den 18.04.2013, ist also an diesem Tage unterschrieben worden. Übergeben wurde sie dem Kläger aber erst am 22.04.2013. Der Besprechungsvermerk Bl.395-Bl.395 R d. A. datiert ebenfalls auf den 22. April 2013. Also ist der Inhalt der Besprechung vom 22.04.2013 nicht mehr ohne weiteres in die Kündigungsentscheidung eingeflossen. Zwar hat die Personalratsvorsitzende B. an dem Gespräch vom 22.04.2013 (W., S., B.) teilgenommen, es ist jedoch nicht vorgetragen worden, dass der Personalrat - als Gremium - von den Erklärungen des JHS S. am 22.04.2013 noch Kenntnisse erlangte, bevor es zu dem Entschluss des beklagten Landes kam, fristlos zu kündigen. Diese Erklärung des JHS S. ist aus der Sicht der Berufungskammer von Bedeutung. Aus ihr folgt ggf. eine Mittäterschaft.

bb)

145

Bezüglich der ordentlichen Kündigung vom 13. Mai 2013 hat der Personalrat keine vollständigen Informationen zum Tatvorwurf gegenüber dem Kläger erhalten. Es fehlt insbesondere die Darlegung der Rechtfertigungs-und Entschuldigungsgründe.

cc)

146

Zum Thema „ eigenständige Verdachtskündigungen“ fehlt es bereits an ordnungsgemäßen Unterrichtungen. Diese sind bereits deshalb nicht erfolgt, weil das beklagte Land bis zum Ende der I. Instanz noch gar keine Verdachtskündigungen aussprechen wollte.

147

Nach alldem kann dahinstehen, ob dem Personalrat überhaupt hinreichend verdeutlicht wurde, dass die ihm vorgetragenen Sachverhalte nur auf eigenen Arbeitgeberermittlungen durch Bedienstete des O. und des MJ ohne amtlichen Charakter erfolgt sind. Möglicherweise hätte der Personalrat dann auch aus Gründen der Transparenz auf die Einschaltung der Polizei bzw. der Staatsanwaltschaft gedrungen, wie es bei jedem Fahrraddiebstahl üblich ist.

III.

148

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

IV.

149

Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen. Hier geht es auch um die (unterschiedliche) Behandlung von (gemeinsam begangenen) Pflichtverletzungen durch Beamte und Angestellte.


Tenor

1. Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 19. Dezember 2014 - 4 Sa 10/14 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen und einer hilfsweise ordentlichen Kündigung.

2

Der 1954 geborene Kläger war bei dem beklagten Land seit Februar 1992 als Justizangestellter beschäftigt. Zuletzt war er am Oberlandesgericht N als „IT-Verantwortlicher“ tätig. Zu seinen Aufgaben gehörten die System- und Netzwerkbetreuung, die Verwaltung des sog. ADV-Depots, die Wartung, Pflege und Betreuung der Hard- und Software, die technische Unterstützung der Nutzer des Hauses, die Administration der elektronischen Berechtigungen und die Passwortvergabe. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand zuletzt der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) Anwendung.

3

Am 6. und am 19. März 2013 führte der Geschäftsleiter des Oberlandesgerichts mit dem Leiter der Wachtmeisterei - im Beisein der Vorsitzenden des örtlichen Personalrats - ein Personalgespräch. Dem Beamten wurde vorgehalten, unbefugt dienstliche Farbdrucker für die Erstellung sog. CD-Cover genutzt zu haben. In dem ersten Gespräch soll er laut eines „Besprechungsvermerks“ den Kläger als diejenige Person benannt haben, die für die Bestellung des Zubehörs für den EDV-Raum - einschließlich DVDs und CDs - verantwortlich gewesen sei.

4

Am 14. März 2013 unterzog der Geschäftsleiter den Arbeitsbereich des Klägers und den eines Justizhauptsekretärs, der sich mit dem Kläger das Dienstzimmer teilte, einer Geschäftsprüfung. In einem Vermerk des Geschäftsleiters vom 11. April 2013 („Prüfungsbericht“) heißt es, in der Zeit vom 1. Juli 2008 bis zum 31. Dezember 2012 seien für das Oberlandesgericht 2.325 DVDs und 1.500 CDs bestellt worden. Nach den eigenen Angaben des Klägers - so der Vermerk - seien zu dienstlichen Zwecken nur 150 bis 200 DVDs und etwa 50 CDs jährlich benötigt worden. Der Verbleib des restlichen Materials sei nicht aufzuklären. Auf einem mit dem Netzwerk des Oberlandesgerichts nicht verbundenen Computer sei lediglich der Kläger als „lokaler Admin“ und Nutzer festzustellen. Auf einer der Festplatten des Rechners seien nach Wiederherstellung vom Nutzer gelöschter Dateien 2.466 elektronische Bücher, 2.378 Bilddateien, 834 Audiodateien und 230 Videodateien gefunden worden. Ferner seien auf dem Rechner vier Programme installiert gewesen, die zum Umwandeln und Kopieren von DVDs und CDs geeignet seien. In der Zeit vom 6. Oktober 2010 bis zum 14. März 2013 sei eines von ihnen 1.128 Mal zur Bearbeitung von DVDs genutzt worden. Auf zwei weiteren externen Festplatten seien zusätzlich 41.242 Audiodateien, 1.822 Cover und 41 DVD-Kopien gefunden worden. Eine dritte externe Festplatte habe einen Ordner „Private Rechner“ enthalten. In den Schränken des Dienstzimmers hätten sich verschiedene leere und gefüllte „CD-Spindeln“ unterschiedlicher Größe, gebrannte Musik-CDs und leere DVDs befunden.

5

Mit Schreiben vom 16. April 2013 hörte das beklagte Land den örtlichen Personalrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien an.

6

Am 17. April 2013 fand zwischen dem Geschäftsleiter, einer Richterin am Oberlandesgericht und dem Kläger ein Personalgespräch statt. Dabei soll der Kläger - laut Vermerk - „sinngemäß“ erklärt haben, „alles, was auf dem Rechner bezüglich der DVDs“ sei, habe er „gemacht“. Er habe den Rechner mit nach Hause nehmen dürfen. „Natürlich [hätten sie] auch kopiert“. „Was das für DVDs und CDs“ gewesen seien, wisse er nicht mehr. Er habe „den Leuten einen Gefallen getan“. Er habe „manchmal“ festgestellt, dass sein Rechner von anderen Personen benutzt worden sei. Dies habe er nicht mitgeteilt, da es sich „nur“ um den „Test-Rechner“ gehandelt habe. Seit etwa Dezember 2012 habe er ein Passwort vergeben. Dieses sei aber für jeden, der seine Familie kenne, zu „knacken“ gewesen. Er habe „hundertprozentig“ keine „privaten Sachen“ für sich selbst „im Dienst gemacht“, sondern nur „für andere Leute aus dem OLG“.

7

Mit Schreiben vom 18. April 2013 informierte das beklagte Land den örtlichen Personalrat über den Inhalt des Gesprächs vom Vortag und über die Verwendungsmöglichkeiten des zur Bearbeitung von DVDs benutzten Umwandlungs- und Kopierprogramms. Zugleich teilte es mit, der Kläger habe sich nicht weiter geäußert. Mit Schreiben vom selben Tag erklärte der Personalrat, er habe die Angelegenheit „zur Kenntnis genommen“.

8

Mit Schreiben vom 18. April 2013, das dem Kläger am 22. April 2013 durch den Geschäftsleiter übergeben wurde, kündigte das beklagte Land das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos. In einem Vermerk heißt es, der Kläger habe bei Aushändigung der Kündigung erklärt, er nehme seine „zuvor getätigten Aussagen“ zurück. Er habe Kollegen und Vorgesetzte schützen wollen.

9

Am 22. April 2013 führte der Geschäftsleiter mit dem Bediensteten, auf dessen Arbeitsplatz sich die Geschäftsprüfung erstreckt hatte, im Beisein der Personalratsvorsitzenden ein Personalgespräch. Laut Vermerk soll der Mitarbeiter eingeräumt haben, CDs und DVDs für Musik und Filme jeweils „im mittleren dreistelligen Bereich … gebrannt“ zu haben. Die Vorlagen habe er in regelmäßigen Abständen vom Leiter der Wachtmeisterei und dem Kläger erhalten. Er habe das Kopierprogramm „für DVDs privat genutzt“. Die bei der zentralen Beschaffungsstelle des beklagten Landes bestellten DVDs und CDs seien in einem verschlossenen Schrank aufbewahrt worden. Der Schlüssel sei vom Kläger verwahrt und „immer mitgenommen“ worden.

10

Nach erneuter Anhörung des örtlichen Personalrats und mit dessen Zustimmung kündigte das beklagte Land das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 13. Mai 2013, das dem Kläger zwei Tage später zuging, ordentlich zum 31. Dezember 2013.

11

Der Kläger hat sich mit der vorliegenden Klage rechtzeitig gegen beide Kündigungen gewandt. Er hat geltend gemacht, die fristlose Kündigung sei mangels wichtigen Grundes unwirksam, die ordentliche Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Das Kopierprogramm und andere auf dem „Test-Rechner“ installierte Software habe er nicht in dem zutage getretenen Umfang genutzt. Zwar habe er sich ihrer gelegentlich bedient. Dies stelle aber keine schwerwiegende Pflichtverletzung dar, zumal ihm die Nutzung dienstlicher Computer, auch von Zuhause aus, zu privaten Zwecken in geringem Umfang durchaus erlaubt gewesen sei. Im Dienst durchgeführte Kopiervorgänge hätten jeweils nur wenige Sekunden in Anspruch genommen. Sie hätten seine Arbeitszeit insgesamt nicht verkürzt. Jedenfalls habe er keine „illegalen Kopien“ gefertigt. Keiner der beanstandeten Brennvorgänge sei ihm persönlich zuzuordnen. Wer den „Test-Rechner“ wann genutzt habe, stehe nicht fest. Auch andere Bedienstete hätten sich Zugang zu ihm verschaffen können. Das Passwort sei allgemein bekannt gewesen. Eine erhebliche Zahl der beanstandeten Nutzungen falle in eine Zeit, in der er selbst krankheits- oder urlaubsbedingt abwesend gewesen sei. Das beklagte Land gehe selbst davon aus, dass ein Kollege Brennvorgänge in nicht geringem Umfang durchgeführt habe. Ohnehin befänden sich auf dem „Server“ des Gerichts tausende von privaten Dateien, ohne dass dies je zu Beanstandungen geführt habe. Den hohen Verbrauch von Büromaterialien habe er nicht zu vertreten. Im Übrigen sei die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt. Auch sei der Personalrat nicht ordnungsgemäß unterrichtet worden. Jedenfalls zu einem gegen ihn gerichteten Verdacht als Kündigungsgrund sei dieser nicht angehört worden.

12

Der Kläger hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung des beklagten Landes vom 18. April 2013 noch durch dessen ordentliche Kündigung vom 13. Mai 2013 beendet worden ist;

        

2.    

das beklagte Land zu verurteilen, ihn zu unveränderten Bedingungen als Angestellten im Oberlandesgericht N im Rahmen der zuletzt ausgeübten - von ihm näher beschriebenen - Tätigkeit weiterzubeschäftigen.

13

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat die Kündigungen - auch wegen eines gegen den Kläger gerichteten Verdachts - als wirksam verteidigt. Der Kläger habe den ihm dienstlich anvertrauten Rechner während der Arbeitszeit umfangreich und unerlaubt zu privaten Zwecken - dem Kopieren und Brennen von DVDs und CDs mithilfe spezifischer, nicht zu dienstlichen Zwecken bestimmter Programme - genutzt. In 630 Fällen seien entsprechende Vorgänge zu Zeiten erfolgt, in denen er im Dienst gewesen sei. Die fraglichen Programme habe er zumindest während dieser Zeiten selbst genutzt. Dadurch habe er seine Vertragspflichten über einen langen Zeitraum in grober Weise verletzt. Durch das Herstellen illegaler Kopien habe er sich überdies strafbar gemacht. Zudem habe er „Arbeitszeitbetrug“ begangen. Auch habe er über 2.000 DVDs und über 1.000 CDs auf seine - des beklagten Landes - Kosten bestellt und privat verwendet. Mit seinem Verhalten habe er das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses notwendige Vertrauen unwiederbringlich zerstört. Die Frist zur Erklärung der Kündigung sei gewahrt. Der zur Kündigung berechtigte Präsident des Oberlandesgerichts habe vom Kündigungssachverhalt erst durch den Prüfbericht des Geschäftsleiters vom 11. April 2013 Kenntnis erlangt. Die Beteiligung des Personalrats sei in jeder Hinsicht ordnungsgemäß erfolgt.

14

Das Arbeitsgericht hat der Klage - hinsichtlich des Weiterbeschäftigungsantrags mit Einschränkungen - stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt das beklagte Land sein Begehren weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

15

Die zulässige Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil war aufzuheben. Die Sache war zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 ZPO).

16

A. Die Revision ist zulässig. Sie ist ordnungsgemäß innerhalb der Frist des § 74 Abs. 1 ArbGG begründet worden.

17

I. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung die Angabe der Revisionsgründe. Bei einer Sachrüge muss die Revisionsbegründung den Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Dazu muss die Revisionsbegründung eine Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Urteils enthalten. Dies erfordert die genaue Darlegung der Gründe, aus denen das angefochtene Urteil rechtsfehlerhaft sein soll (BAG 2. Mai 2014 - 2 AZR 490/13 - Rn. 15; 13. November 2013 - 10 AZR 639/13 - Rn. 11).

18

II. Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung gerecht. Das beklagte Land setzt sich im Schriftsatz vom 7. April 2015 mit allen die angefochtene Entscheidung selbständig tragenden Begründungen des Landesarbeitsgerichts auseinander. Es zeigt auf, warum die Erwägungen sachlich unzutreffend sein sollen. Die Ausführungen zum wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB greift es mit der Begründung an, das Landesarbeitsgericht habe, soweit es die Kündigung unter dem Gesichtspunkt einer Tatkündigung für unwirksam erachtet habe, die den Kläger treffende, abgestufte Darlegungslast verkannt. Die Annahme des Gerichts, die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei nicht gewahrt, beruhe auf unzutreffenden Erwägungen zum Fristbeginn. Insbesondere habe das Landesarbeitsgericht nicht - wie geboten - auf die Person des Kündigungsberechtigten und dessen Kenntnis abgestellt. Soweit es auf die Möglichkeit verwiesen habe, strafrechtliche Ermittlungen zu veranlassen und deren Ergebnis abzuwarten, sei dies sachfremd. Soweit es gemeint habe, die Anhörung des Personalrats sei aufgrund von Äußerungen eines anderen Bediensteten vom 22. April 2013 nicht ordnungsgemäß, habe es den Grundsatz der subjektiven Determinierung verkannt. Diese Sachrügen wären im Falle ihrer Begründetheit geeignet, die angefochtene Entscheidung insgesamt, auch mit Blick auf die vorsorglich erklärte ordentliche Kündigung, zu Fall zubringen. Das reicht als Revisionsangriff aus, ohne dass es auf die Verfahrensrügen des beklagten Landes ankäme.

19

B. Die Revision ist begründet. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen durfte das Landesarbeitsgericht der Klage nicht stattgeben. Der Senat kann mangels zureichender Tatsachenfeststellungen nicht beurteilen, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche fristlose Kündigung vom 18. April 2013 aufgelöst worden ist.

20

I. Die bisherigen Feststellungen tragen nicht das Ergebnis, ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB liege nicht vor.

21

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“ und damit typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 16; 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 19 mwN).

22

2. Die Prüfung der Voraussetzungen des wichtigen Grundes ist in erster Linie Sache der Tatsacheninstanzen. Dennoch geht es um Rechtsanwendung, nicht um bloße Tatsachenfeststellung. Die Würdigung des Berufungsgerichts wird in der Revisionsinstanz darauf hin überprüft, ob es anzuwendende Rechtsbegriffe in ihrer allgemeinen Bedeutung verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (BAG 26. September 2013 - 2 AZR 682/12 - Rn. 45, BAGE 146, 161; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 17, BAGE 134, 349).

23

3. Dieser Überprüfung hält die angefochtene Entscheidung nicht stand.

24

a) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die fristlose Kündigung sei nicht als sog. Verdachtskündigung gerechtfertigt (zu dieser und ihren Voraussetzungen vgl. BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 20; 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 16 mwN). Dagegen wendet sich das beklagte Land nicht. Ein Rechtsfehler ist auch objektiv - im Ergebnis - nicht zu erkennen.

25

aa) Will der Arbeitgeber seine Kündigung auf den dringenden Verdacht einer erheblichen arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung stützen, muss er dies dem Betriebs- oder Personalrat mitteilen und die Umstände angeben, aus denen sich dieser Verdacht ergeben soll. Informiert er das Gremium lediglich über eine - aus seiner Sicht tatsächlich erfolgte - Vertragspflichtverletzung des Arbeitnehmers, kann er sich im späteren Kündigungsschutzprozess zur Begründung der Kündigung nicht mehr auf den bloßen Verdacht einer entsprechenden Handlung stützen, wenn ihm die Verdachtsmomente bei Ausspruch der Kündigung bereits bekannt waren (für die Anhörung des Betriebsrats vgl. BAG 18. Juni 2015 - 2 AZR 256/14 - Rn. 47; 23. April 2008 - 2 ABR 71/07 - Rn. 24 mwN; für die Beteiligung des Personalrats nach § 79 Abs. 1 Satz 1 BPersVG vgl. BAG 10. April 2014 - 2 AZR 684/13 - Rn. 21). Nur wenn dem Arbeitgeber nachträglich neue Verdachtstatsachen bekannt geworden sind, ist ein Nachschieben des Verdachts als Kündigungsgrund - zumindest dann, wenn die maßgebenden Verdachtsmomente objektiv schon vor Zugang der Kündigung vorlagen - möglich. Weitere Voraussetzung ist, dass der Arbeitgeber den Betriebs- bzw. Personalrat zuvor in analoger Anwendung der maßgebenden Bestimmungen zu seiner entsprechenden Absicht angehört hat (vgl. BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 32; 11. April 1985 - 2 AZR 239/84 - zu B I 2 b ee der Gründe, BAGE 49, 39).

26

bb) Das Vorbringen des beklagten Landes lässt nicht den Schluss zu, es habe den Personalrat vor Zugang der Kündigung über seine Absicht unterrichtet, das Arbeitsverhältnis (auch) wegen des Verdachts einer pflichtwidrigen Handlung zu kündigen. Die Anschreiben an den Personalrat vom 16. und 18. April 2013 enthalten keine entsprechende Mitteilung. Das beklagte Land hat nicht geltend gemacht, dass ihm einzelne der in den Rechtsstreit eingeführten Verdachtstatsachen erst nach Zugang der Kündigung bekannt geworden seien. Dafür spricht auch objektiv nichts.

27

b) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Kündigung sei auch unter dem Gesichtspunkt einer verwirklichten Pflichtverletzung - dh. einer „Tat“ - nicht berechtigt, ist rechtsfehlerhaft. Ihr ist schon nicht zu entnehmen, welchen tatsächlichen Sachverhalt das Landesarbeitsgericht seiner Beurteilung zugrunde gelegt hat.

28

aa) Im Tatbestand der angefochtenen Entscheidung hat sich das Landesarbeitsgericht in weiten Teilen auf die Wiedergabe von Vermerken des beklagten Landes beschränkt. Ob es die darin festgehaltenen Umstände einschließlich der Äußerungen des Klägers für wahr erachtet hat, ist nicht zweifelsfrei erkennbar.

29

bb) In den Entscheidungsgründen hat das Landesarbeitsgericht unter Wiederholung der Erwägungen des Arbeitsgerichts ausgeführt, trotz Vorliegens „gewisser Verdachtsmomente“ sei es letztlich eine unbewiesene Behauptung des beklagten Landes, es seien (alle) vorgefundenen Privatdateien dem Kläger zuzurechnen, dieser (allein) habe die Privatnutzungen und damit auch mögliche (nach § 106 UrhG strafbare) Vervielfältigungen und Brennvorgänge vorgenommen bzw. durchgeführt. Keiner der dokumentierten Vorgänge lasse sich einzelnen Personen - etwa dem Kläger - zuordnen. Es sei auch „nicht bewiesen“, dass es gerade dieser gewesen sei, der die Kopierprogramme installiert habe. „Allein die Tatsache“, dass zahlreiche dokumentierte „Vorgänge“ Zeiten beträfen, während derer sich der Kläger nicht am Arbeitsplatz aufgehalten habe, beweise, dass andere Personen sowohl Zugriff auf den Rechner gehabt hätten als auch in der Lage gewesen seien, die Kopierprogramme zu nutzen. Auch diesen Ausführungen ist nicht zu entnehmen, von welchem konkreten, seiner Meinung nach feststehenden Sachverhalt das Landesarbeitsgericht ausgegangen ist. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, worin es die - für nicht ausreichend erachteten - „Verdachtsmomente“ erblickt hat.

30

c) Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts kann selbst dann keinen Bestand haben, wenn unterstellt wird, es habe den Inhalt der Vermerke und das sonstige Vorbringen des beklagten Landes als wahr unterstellt. Unter dieser Prämisse verletzt seine Würdigung die Vorschrift des § 626 Abs. 1 BGB. Es fehlt an einer nachprüfbaren Unterordnung des behaupteten Kündigungssachverhalts unter die Norm.

31

aa) Die Beurteilung des Landesarbeitsgerichts, die Kündigung sei auch als sog. Tatkündigung nicht berechtigt, ist schon im Ansatz nicht nachzuvollziehen. Sie lässt nicht erkennen, wie es den von der Beklagten unterbreiteten Kündigungssachverhalt materiell-rechtlich eingeordnet, dh. welche konkreten, möglicherweise als wichtiger Grund geeigneten Pflichtverletzungen es in Betracht gezogen hat. Zudem ist nicht erkennbar, dass es seine Würdigung in tatsächlicher Hinsicht auf alle in Frage kommenden Kündigungsgründe ausgerichtet hätte.

32

(1) Nach dem Vorbringen des beklagten Landes kommt eine Berechtigung der fristlosen Kündigung unter mehreren Gesichtspunkten in Betracht. Vorrangig erhebt das Land den Vorwurf, der Kläger habe - sei es als Allein-, sei es als Mittäter - wiederholt unter Nutzung dienstlicher Ressourcen urheberrechtswidrig Musik- und Audiodateien vervielfältigt. Ein solches Verhalten ist als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB „an sich“ geeignet. Ein Arbeitgeber hat, zumal wenn es sich bei ihm um eine Justizbehörde handelt, ein offenkundiges Interesse daran, dass nicht dienstliche Rechner dazu benutzt werden, unter Umgehung eines Kopierschutzes Vervielfältigungen privat beschaffter Musik- oder Film-CDs/DVDs herzustellen. Das gilt losgelöst von einer möglichen Strafbarkeit der Vorgänge (zur Problematik vgl. Treppehl/Schmidl NZA 2009, 985 ff.) und unabhängig davon, ob die Handlungen während der Arbeitszeit vorgenommen wurden. Eine Strafbarkeit der Kopier- und Brennvorgänge oder ein damit einhergehender „Arbeitszeitbetrug“ wäre allerdings geeignet, das Gewicht des Kündigungsgrundes noch zu verstärken. Dies wiederum kann für das Erfordernis einer Abmahnung und die weitere Interessenabwägung Bedeutung gewinnen. Darüber hinaus kann die dem Kläger angelastete zweckwidrige Verwendung von CD- und/oder DVD-Rohlingen, die auf Kosten des beklagten Landes bestellt wurden, als eigenständiger Kündigungsgrund Bedeutung erlangen.

33

(2) Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts lassen nicht erkennen, dass es die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung unter jedem dieser Gesichtspunkte überprüft und seine Würdigung - soweit es „Verdachtsmomente“ gewichtet hat - hierauf ausgerichtet hätte.

34

bb) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, das beklagte Land habe weder eine strafbare Urheberrechtsverletzung noch eine ähnlich schwerwiegende Vertragspflichtverletzung nachgewiesen, ist auch aus anderen Gründen rechtsfehlerhaft.

35

(1) Gemäß § 286 Abs. 1 ZPO haben die Tatsacheninstanzen unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer ggf. durchgeführten Beweisaufnahme nach ihrer freien Überzeugung darüber zu befinden, ob sie eine tatsächliche Behauptung für wahr erachten oder nicht. Die Beweiswürdigung muss vollständig, widerspruchsfrei und umfassend sein. Mögliche Zweifel müssen überwunden, brauchen aber nicht völlig ausgeschlossen zu werden (vgl. BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 44; 31. Mai 2007 - 2 AZR 276/06 - Rn. 42, BAGE 123, 1). Soll ein Vortrag mittels Indizien bewiesen werden, hat das Gericht zu prüfen, ob es die vorgetragenen Hilfstatsachen - deren Richtigkeit unterstellt - von der Wahrheit der Haupttatsache überzeugen. Das Gericht hat die insoweit maßgebenden Umstände vollständig und verfahrensrechtlich einwandfrei zu ermitteln und alle Beweisanzeichen erschöpfend zu würdigen (BGH 16. Januar 1990 - VI ZR 109/89 - zu II 2 der Gründe; 4. Juli 1989 - VI ZR 309/88 - zu II 2 der Gründe). Dabei sind die Tatsacheninstanzen grundsätzlich frei darin, welche Beweiskraft sie den behaupteten Indiztatsachen im Einzelnen und in einer Gesamtschau beimessen (BAG 18. Juni 2015 - 2 AZR 480/14 - Rn. 35; allgemein zum Indizienbeweis BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 43). Revisionsrechtlich ist ihre Würdigung allein darauf hin zu überprüfen, ob alle Umstände vollständig berücksichtigt und nicht Denk- und Erfahrungsgrundsätze verletzt wurden. Um diese Überprüfung zu ermöglichen, haben die Tatsachengerichte nach § 286 Abs. 1 Satz 2 ZPO die wesentlichen Grundlagen ihrer Überzeugungsbildung nachvollziehbar darzulegen(BAG 19. April 2005 - 9 AZR 184/04 - zu II 3 der Gründe; BGH 31. Juli 2013 - VII ZR 11/12 - Rn. 10; 22. November 2006 - IV ZR 21/05 - Rn. 11; 22. Januar 1991 - VI ZR 97/90 - zu II 1 der Gründe).

36

(2) Danach rügt das beklagte Land zu Recht eine Verletzung von § 286 ZPO. Der Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist nicht zu entnehmen, welche möglichen Indiztatsachen („Verdachtsmomente“) es in seine Beurteilung einbezogen und welchen Beweiswert es ihnen beigemessen hat. Damit ist nicht erkennbar, ob es den Vortrag des beklagten Landes vollständig zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat.

37

(3) Der Annahme eines wichtigen Grundes steht nicht entgegen, dass das beklagte Land den Sachverhalt - jedenfalls bis zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung - selbst ermittelt hat. Das mindert weder den Beweiswert der in Rede stehenden Indizien, noch ist die Kündigung deshalb unwirksam, weil polizeiliche oder staatsanwaltschaftliche Ermittlungen möglicherweise zu weitergehenden Ergebnissen geführt hätten. Soweit das Landesarbeitsgericht gemeint hat, das beklagte Land habe zu bestimmten, potentiell entlastenden Umständen nicht ausreichend vorgetragen, wird seine Rechtsanwendung überdies der den Kläger insoweit treffenden abgestuften Darlegungslast (§ 138 Abs. 2 ZPO) nicht gerecht.

38

(a) Die Rechtfertigung einer „Tatkündigung“ hängt allein davon ab, ob im Kündigungszeitpunkt objektiv Tatsachen vorlagen, die zu der Annahme berechtigen, dem Kündigenden sei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses - im Fall der außerordentlichen Kündigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - unzumutbar gewesen. Vor diesem Hintergrund mag eine umfassende, der Kündigung vorausgehende Sachverhaltsaufklärung im eigenen Interesse des Arbeitgebers liegen. Unterlässt er sie, geht er aber „nur“ das Risiko ein, die behauptete Pflichtverletzung im Prozess nicht beweisen zu können. Anders als bei der Verdachtskündigung ist der Arbeitgeber vor Ausspruch einer „Tatkündigung“ nicht verpflichtet, alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts - auch mit Blick auf den Arbeitnehmer möglicherweise entlastende Umstände - zu unternehmen. Ob der behauptete Kündigungsgrund vorliegt, beurteilt sich allein danach, ob die ihn tragenden und im Prozess mitgeteilten Tatsachen bewiesen sind oder nicht (vgl. BAG 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 57, BAGE 131, 155; 18. September 1997 - 2 AZR 36/97 - zu II 2 a der Gründe; zur Verdachtskündigung siehe demgegenüber BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 700/11 - Rn. 13 mwN, BAGE 143, 244). Im Übrigen braucht der Arbeitgeber selbst bei der Verdachtskündigung nicht jeder noch so entfernten Möglichkeit einer Entlastung des Arbeitnehmers nachzugehen, insbesondere dann nicht, wenn sich der Arbeitnehmer im Rahmen seiner Anhörung auf entsprechende Umstände nicht berufen hat.

39

(b) Auf der Grundlage des bisherigen Parteivorbringens durfte das Landesarbeitsgericht nicht davon ausgehen, das beklagte Land sei seiner prozessualen Darlegungslast mit Blick auf mögliche Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe nicht hinreichend nachgekommen.

40

(aa) Im Kündigungsschutzprozess obliegt dem Arbeitgeber die volle Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Kündigungsgrundes (BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 75/13 - Rn. 30, BAGE 148, 129). Für Umstände, die das Verhalten des Arbeitnehmers rechtfertigen oder entschuldigen könnten, ist seine Darlegungslast allerdings abgestuft. Der Arbeitgeber darf sich zunächst darauf beschränken, den objektiven Tatbestand einer Arbeitspflichtverletzung vorzutragen. Er muss nicht jeden erdenklichen Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund vorbeugend ausschließen (BAG 3. November 2011 - 2 AZR 748/10 - Rn. 23; 21. Mai 1992 - 2 AZR 10/92 - zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 70, 262). Es ist vielmehr Sache des Arbeitnehmers, für das Eingreifen solcher Gründe - soweit sie sich nicht unmittelbar aufdrängen - zumindest greifbare Anhaltspunkte zu benennen.

41

(bb) Schon auf der Tatbestandsebene des wichtigen Grundes kann den Arbeitnehmer darüber hinaus eine sekundäre Darlegungslast treffen. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber als primär darlegungsbelastete Partei außerhalb des fraglichen Geschehensablaufs steht, während der Arbeitnehmer aufgrund seiner Sachnähe die wesentlichen Tatsachen kennt. In einer solchen Situation kann der Arbeitnehmer gehalten sein, dem Arbeitgeber durch nähere Angaben weiteren Sachvortrag zu ermöglichen (BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 694/11 - Rn. 52, BAGE 142, 188; 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - Rn. 31). Kommt er in einer solchen Prozesslage seiner sekundären Darlegungslast nicht nach, gilt das tatsächliche Vorbringen des Arbeitgebers - soweit es nicht völlig „aus der Luft gegriffen“ ist - iSv. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden(vgl. BAG 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - aaO). Dabei dürfen an die sekundäre Behauptungslast des Arbeitnehmers keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Sie dient lediglich dazu, es dem kündigenden Arbeitgeber als primär darlegungs- und beweispflichtiger Partei zu ermöglichen, weitere Nachforschungen anzustellen und sodann substantiiert zum Kündigungsgrund vorzutragen und ggf. Beweis anzutreten (zu den Einzelheiten vgl. BAG 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - Rn. 33).

42

(cc) Danach musste das beklagte Land nicht von sich aus denkbare Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe auf Seiten des Klägers ausschließen. Die gegenteilige Sichtweise des Landesarbeitsgerichts überspannt die Anforderungen an die Darlegungslast des Arbeitgebers und geht von einer Ermittlungspflicht aus, die zumindest bei einer „Tatkündigung“ nicht besteht.

43

(dd) Das Landesarbeitsgericht hat zwar einzelne Gesichtspunkte angesprochen, die einer weiteren Aufklärung zugänglich gewesen sein sollen. Es hat aber nicht aufgezeigt, warum sie einer möglichen Entlastung des Klägers hätten dienen können. Das ist auch nicht unmittelbar ersichtlich.

44

(aaa) Das Landesarbeitsgericht hat auf Äußerungen anderer Bediensteter verwiesen, die ausweislich vorliegender Besprechungsvermerke eingeräumt hätten, „an den hier streitgegenständlichen Geschehnissen im OLG“ beteiligt gewesen zu sein. Der im gleichen Dienstzimmer wie der Kläger tätige Justizhauptsekretär habe „sozusagen“ in Teilen ein „Geständnis“ abgelegt. Weshalb diese Erklärungen den Vorwurf sollten entkräften können, der Kläger habe während seiner Anwesenheitszeiten im Gericht in erheblichem Umfang Kopier- und Brennvorgänge eigenhändig vorgenommen, erschließt sich nicht. Das gilt erst recht unter Berücksichtigung des Vorhalts des beklagten Landes, der Kläger habe mit anderen Bediensteten arbeitsteilig zusammengewirkt oder sie bei ihrem pflichtwidrigen Verhalten maßgeblich unterstützt. Ebenso wenig erschließt sich die Relevanz der Äußerungen mit Blick auf den Vorwurf, der Kläger habe in erheblichem Umfang Verbrauchsmaterialien auf Kosten des beklagten Landes bestellt, ohne dass dafür ein dienstlicher Anlass bestanden hätte und ihr Verbleib geklärt wäre.

45

(bbb) Der Kläger hat - soweit ersichtlich - nicht behauptet, der Inhalt eines bei der Geschäftsprüfung im Schrank eines anderen Bediensteten vorgefundenen, verschlossenen Kartons habe zu seiner Entlastung beitragen können. Es ist deshalb nicht ersichtlich, inwieweit das Unterbleiben einer Aufklärung dem beklagten Land zum Nachteil gereichen könnte. Die Erwägungen des Landesarbeitsgerichts bewegen sich im Bereich der Spekulation.

46

(ccc) Soweit das Landesarbeitsgericht „Erläuterungen“ zu den Aufgaben des Klägers, insbesondere hinsichtlich einer „technischen Unterstützung der Nutzer des Hauses“ und zur Verteilung der Aufgaben und Verantwortlichkeiten auf insgesamt vier Administratoren vermisst hat, bleiben seine Ausführungen im Vagen haften. Es hat nicht festgestellt, dass beim Kläger aufgrund der ihm eingeräumten Befugnisse der Eindruck habe entstehen können, er dürfe im Dienst auf dienstlichen Rechnern unter Umgehung von Kopierschutz Vervielfältigungen privat beschaffter CDs und DVDs vornehmen und Verbrauchsmaterialien in erheblichem Umfang zu ausschließlich privaten Zwecken bestellen und verwenden oder sie Dritten zur privaten Nutzung überlassen. Eine solche Annahme liegt auch fern. Das Gleiche gilt für die Behauptung des Klägers, ein zwischenzeitlich außer Dienst getretener Referatsleiter habe ihm erlaubt, sich während der Arbeitszeit um die „Privatrechner“ der Bediensteten und ihrer Angehörigen „zu kümmern“. Daraus durfte der Kläger jedenfalls nicht schließen, er habe urheberrechtsverletzende Kopier- und Brennvorgänge auf dienstlichen Computern vornehmen und dienstliche Materialien privat verwenden dürfen. Auf die Verfahrensrüge, mit der sich das beklagte Land gegen die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zum Inhalt der fraglichen Erlaubnis wendet, kommt es hierfür nicht an.

47

(ddd) Unklar bleibt, welche den Kläger entlastenden Schlussfolgerungen daraus zu ziehen sein sollen, dass die in Rede stehende Nutzung des „Test-Rechners“ lange Zeit unbemerkt blieb. Die entsprechende Erwägung des Landesarbeitsgerichts berücksichtigt zudem nicht, dass das beanstandete Verhalten des Klägers auf Heimlichkeit angelegt und der fragliche Computer an das Netzwerk des Oberlandesgerichts nicht angeschlossen war.

48

(eee) Das beklagte Land hat unter Beweisantritt vorgebracht, der Kläger sei für die Verwaltung des „ADV-Depots“ zuständig und für die Bestellung der „EDV-Verbrauchsmittel“ verantwortlich gewesen. Es hat die Anzahl der von ihm ermittelten Bestellungen für die Zeit von Juli 2008 bis Dezember 2012 genannt und dem die Behauptung des Klägers gegenüber gestellt, bei ihm seien „seit Einführung von Juris“ - wohl im Jahr 2006 - „kaum“ DVDs und CDs „von Bediensteten“ abgefordert worden. Außerdem hat es auf den Geschäftsprüfungsbericht und dessen Anlage 3 verwiesen und behauptet, daraus gehe hervor, dass im fraglichen Zeitraum für das Oberlandesgericht mehr als die doppelte Zahl von CD- und DVD-Rohlingen bestellt worden sei als für die in M ansässige „ADV-Stelle Justiz“. Zudem hat es behauptet, der Kläger habe die Verbrauchsmaterialien unter Verschluss gehalten, soweit er sie nicht an Dritte herausgegeben habe, und habe erklärt, zum Verbleib der Materialien keine Angaben machen zu können. Das Landesarbeitsgericht hat sich mit diesem Vorbringen nicht auseinandergesetzt. Es hat sich darauf beschränkt, pauschal auf die Möglichkeit weiterer Ermittlungen zu „Bestellvorgänge[n], Zeichnung und Gegenzeichnung unter Beteiligung welcher Bediensteter des OLG, ggf. nebst Kostenvergleichen anderer vergleichbarer Behörden“ zu verweisen. Dem Hinweis ist nicht zu entnehmen, dass - und ggf. warum - es den Vortrag des beklagten Landes selbst unter der Prämisse für erläuterungsbedürftig erachtet hat, er sei wahr.

49

(fff) Es kommt hinzu, dass der Kläger laut Gesprächsvermerk vom 17. April 2013 eingeräumt haben soll, er habe - wie andere Bedienstete auch - „natürlich auch kopiert“. Im Prozess hat er vorgetragen, „die Programme … gelegentlich“ privat genutzt zu haben, nur nicht in dem vom beklagten Land behaupteten Umfang und nicht in „illegaler“ Weise. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts berücksichtigt nicht, dass der Kläger damit der ihn treffenden sekundären Behauptungslast nicht nachgekommen ist. Die Kopiervorgänge bewegten sich nach der Behauptung des beklagten Landes außerhalb des Wahrnehmungsbereichs seiner Repräsentanten. Das Gegenteil hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt; der Sachvortrag des Klägers gibt insoweit nichts her. Er hätte deshalb konkretisieren müssen, was er unter „gelegentlichen“ Kopiervorgängen versteht. Außerdem hätte er - unter Ausschöpfung seines Erinnerungsvermögens - beschreiben müssen, um Kopien welcher Musik-/Film-CDs/DVDs es sich gehandelt habe, welche Programme er dafür eingesetzt und welche „Rohlinge“ er genutzt habe. Ebenso wenig durfte das Landesarbeitsgericht annehmen, dem Kläger seien die auf dem „Test-Rechner“ erfolgten Brenn- und Kopiervorgänge nicht zweifelsfrei zuzurechnen, ohne sich mit der Frage befasst zu haben, welche Rückschlüsse aus der Erklärung des Klägers vom 17. April 2013, „alles, was auf dem Rechner bezüglich der DVDs [sei], habe [er] gemacht“, und dem Umstand zu ziehen sind, dass er von dieser Äußerung später wieder Abstand genommen hat. Soweit das Landesarbeitsgericht gemeint hat, die behauptete Aussage eines anderen Bediensteten vom 22. April 2013, „CDs und DVDs im mittleren dreistelligen Bereich gebrannt [zu haben]“, sei „möglicherweise“ geeignet, den Kläger zu entlasten, fehlt es an einer eindeutigen richterlichen Würdigung. Auch dürfte eine wie auch immer geartete „Entlastung“ angesichts des in Rede stehenden Umfangs der Kopier- und Brennvorgänge und der behaupteten ausschließlichen Verwaltung der Rohlinge durch den Kläger schwerlich begründbar sein. Näher liegt es - wie das Landesarbeitsgericht an anderer Stelle selbst ausgeführt hat - in den fraglichen Umständen Anhaltspunkte für ein mittäterschaftliches Zusammenwirken zu erblicken. Dann wiederum könnte sich der Kläger nach dem Rechtsgedanken des § 830 BGB ohnehin nicht darauf beschränken vorzutragen, er wisse nicht mehr, welche Taten von wem begangen worden seien(ähnlich BAG 5. März 1981 - 3 AZR 559/78 - zu II 3 a der Gründe).

50

II. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Beidem unterliegt auch die Entscheidung über die vorsorglich erklärte ordentliche Kündigung und den (Hilfs-)Antrag des Klägers auf vorläufige Weiterbeschäftigung.

51

1. Der Senat kann nicht abschließend beurteilen, ob ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB vorliegt. Das Landesarbeitsgericht hat den Kündigungssachverhalt nicht festgestellt und an der Norm des § 626 Abs. 1 BGB gemessen. Die erforderliche Beurteilung kann der Senat nicht selbst vornehmen. Sie verlangt weitere Sachaufklärung. In Anbetracht der Vielzahl der gegen den Kläger sprechenden Indizien ist nicht auszuschließen, dass sich die gegen ihn erhobenen Vorwürfe als berechtigt erweisen.

52

2. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar. Seine Auffassung, das beklagte Land habe die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt und den Personalrat nicht ordnungsgemäß beteiligt, ist rechtsfehlerhaft.

53

a) Die außerordentliche Kündigung ist auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht außerhalb der Frist des § 626 Abs. 2 BGB erklärt worden.

54

aa) Die Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB beginnt nach Satz 2 der Vorschrift mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist der Fall, sobald er eine zuverlässige und hinreichend vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht. Selbst eine grob fahrlässige Unkenntnis setzt die Frist nicht in Gang (BAG 12. Februar 2015 - 6 AZR 845/13 - Rn. 94 mwN; 22. November 2012 - 2 AZR 732/11 - Rn. 30 mwN). Zu den maßgebenden Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen die Kündigung sprechenden Umstände. Der Kündigungsberechtigte, der gewisse Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Ermittlungen anstellen und dazu auch den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen begänne. Dies gilt allerdings nur solange, wie er aus verständigen Gründen und mit der gebotenen Eile Ermittlungen durchführt, die ihm eine umfassende und zuverlässige Kenntnis des Kündigungssachverhalts verschaffen sollen. Soll der Kündigungsgegner angehört werden, muss dies innerhalb einer kurzen Frist erfolgen. Sie darf im Allgemeinen nicht mehr als eine Woche betragen und nur bei Vorliegen besonderer Umstände überschritten werden (BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 407/13 - Rn. 40; 20. März 2014 - 2 AZR 1037/12 - Rn. 14). Für die übrigen Ermittlungen gilt keine Regelfrist. Bei ihnen ist fallbezogen zu beurteilen, ob sie hinreichend zügig betrieben wurden (BAG 31. März 1993 - 2 AZR 492/92 - zu II 1 der Gründe, BAGE 73, 42; 10. Juni 1988 - 2 AZR 25/88 - zu III 3 c der Gründe).

55

bb) Neben den Mitgliedern der Organe von juristischen Personen und Körperschaften gehören zu den Kündigungsberechtigten auch die Mitarbeiter, denen der Arbeitgeber das Recht zur außerordentlichen Kündigung übertragen hat. Dagegen ist die Kenntnis anderer Personen für den Lauf der Ausschlussfrist grundsätzlich unbeachtlich. Dies gilt auch dann, wenn ihnen Aufsichtsfunktionen übertragen worden sind. Nur ausnahmsweise muss sich der Arbeitgeber auch ihre Kenntnis nach Treu und Glauben zurechnen lassen. Dazu müssen diese Personen eine herausgehobene Position und Funktion im Betrieb oder in der Verwaltung innehaben sowie tatsächlich und rechtlich in der Lage sein, den Sachverhalt so umfassend zu klären, dass mit ihrem Bericht an den Kündigungsberechtigten dieser ohne weitere Nachforschungen seine (Kündigungs-)Entscheidung abgewogen treffen kann. Voraussetzung dafür, dem Arbeitgeber solche Kenntnisse zuzurechnen, ist ferner, dass die Verspätung, mit der er in eigener Person Kenntnis erlangt hat, auf einer unsachgemäßen Organisation des Betriebs oder der Verwaltung beruht (BAG 21. Februar 2013 - 2 AZR 433/12 - Rn. 28; 23. Oktober 2008 - 2 AZR 388/07 - Rn. 22).

56

cc) Diese Vorgaben hat das Landesarbeitsgericht nicht beachtet.

57

(1) Die Kündigungsbefugnis lag nach Teil 3 Ziff. 12.3 Satz 1 PersBef-AV iVm. Teil 1 Ziff. 2 Satz 1 Buchst. a PersBef-AV beim Präsidenten des Oberlandesgerichts. Gemäß dem - streitigen - Vorbringen des beklagten Landes ist dieser am 11. April 2013 über die Vorgänge und das Ergebnis der Ermittlungen in Kenntnis gesetzt worden. Dann wäre die Erklärungsfrist bei Zugang der Kündigung am 22. April 2013 allemal gewahrt gewesen. Den bisherigen Feststellungen ist nicht zu entnehmen, dass eine nicht kündigungsberechtigte Person schon vor dem 11. April 2013 von den Kündigungsgründen Kenntnis erlangt und eine Funktion innegehabt hätte, die es rechtlich erlaubte, ihre Kenntnisse dem Präsidenten des Oberlandesgerichts zuzurechnen.

58

(2) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, das beklagte Land habe Ermittlungen nicht mit der gebotenen Eile durchgeführt, verletzt § 626 Abs. 2 BGB iVm. § 138 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO. Die Würdigung verkennt die Voraussetzungen, unter denen Ermittlungen als „zügig“ anzusehen sind. Überdies hat es zu hohe Anforderungen an den betreffenden Sachvortrag des beklagten Landes gestellt.

59

(a) Soweit das Landesarbeitsgericht darauf abhebt, das beklagte Land habe umgehend die Strafverfolgungsbehörden einschalten und - ohne Nachteile mit Blick auf die Frist des § 626 Abs. 2 BGB befürchten zu müssen - den Aus- und Fortgang des Ermittlungs- und Strafverfahrens abwarten können, ist dies zwar zutreffend(vgl. BAG 22. November 2012 - 2 AZR 732/11 - Rn. 31; 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 16, BAGE 137, 54). Daraus folgt für das Land aber keine Beschränkung in der Wahl seiner Mittel zur Aufklärung. Dem Arbeitgeber steht es frei, eigene Ermittlungen anzustellen und die Strafverfolgungsbehörden nicht unmittelbar einzuschalten. Auch „private“ Ermittlungen hemmen - zügig vorangetrieben - den Lauf der Frist.

60

(b) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, das beklagte Land habe den Kläger nicht binnen Wochenfrist angehört, ist nicht nachvollziehbar. Es fehlt an Feststellungen, wann diese Frist zu laufen begonnen habe. Falls der Präsident des Oberlandesgerichts - wie vom beklagten Land behauptet - erst am 11. April 2013 Kenntnis erlangt hat, wäre die Wochenfrist mit der Anhörung vom 17. April 2013 eingehalten.

61

(c) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, das insoweit darlegungsbelastete Land (vgl. dazu BAG 1. Februar 2007 - 2 AZR 333/06 - Rn. 21) habe nicht aufgezeigt, dass es die Ermittlungen nach Durchführung der Geschäftsprüfung zügig vorangetrieben habe, ist nicht tragfähig. Das beklagte Land hat geltend gemacht, es sei erst aufgrund einer außerhalb des Oberlandesgerichts durchgeführten Überprüfung der vom Kläger genutzten Rechner und Festplatten in der Lage gewesen, das Ausmaß der Privatnutzung zu bestimmen. Dies habe bis zum 8. April 2013 Zeit beansprucht, weil Hardware nach M habe verbracht und umfangreiches Datenmaterial, teils unter Wiederherstellung gelöschter Dateien, habe gesichtet werden müssen. Außerdem seien die Osterfeiertage in die Zeit gefallen. Die Ausführungen sind geeignet, die Dauer der Untersuchung plausibel zu machen. Unter Berücksichtigung der wenigen zusätzlichen Tage, welche die Erstellung des Prüfberichts in Anspruch genommen hat, ergeben sich auf der Basis der bisherigen Feststellungen keine Anhaltspunkte für ein nur zögerliches Vorantreiben der Ermittlungen.

62

b) Die außerordentliche Kündigung vom 18. April 2013 ist nicht mangels ordnungsgemäßer Anhörung des Personalrats nach § 108 Abs. 2 BPersVG, § 67 Abs. 2 Satz 4 PersVG LSA unwirksam.

63

aa) Gemäß § 67 Abs. 2 Satz 1 PersVG LSA ist der Personalrat vor der außerordentlichen Kündigung eines Arbeitnehmers anzuhören. Die Leitung der Dienststelle hat die beabsichtigte Maßnahme nach § 67 Abs. 2 Satz 2 PersVG LSA zu begründen. Insoweit gelten die gleichen Anforderungen wie an eine Anhörung des Betriebsrats gemäß § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG(vgl. BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 57 mwN). Nach dem Grundsatz der subjektiven Determinierung muss der Arbeitgeber dem Personalrat die Umstände mitteilen, die seinen Kündigungsentschluss tatsächlich bestimmt haben. Dem kommt er dann nicht nach, wenn er ihm einen schon aus seiner eigenen Sicht unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt darstellt. Zu einer vollständigen und wahrheitsgemäßen Information gehört darüber hinaus die Unterrichtung über Tatsachen, die ihm - dem Arbeitgeber - bekannt und für eine Stellungnahme des Betriebsrats möglicherweise bedeutsam sind, weil sie den Arbeitnehmer entlasten und deshalb gegen eine Kündigung sprechen können (BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 736/13 - Rn. 14; 19. Juli 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn. 41 mwN, BAGE 142, 339).

64

bb) Nach diesen Grundsätzen war die Anhörung zur fristlosen Kündigung mit Schreiben vom 16. April 2013 ordnungsgemäß.

65

(1) Dem Personalrat war das Ergebnis der Geschäftsprüfung vom 14. März 2013 unter Vorlage des betreffenden Vermerks zur Kenntnis gebracht worden. Im Anhörungsschreiben selbst heißt es, hieraus ergebe sich eine „ausschweifende“ Privatnutzung des dienstlichen Rechners unter Verwendung eines den Kopierschutz umgehenden Programms während der Dienstzeit und ein nicht erklärlicher Umgang mit dienstlich bestelltem Material (DVDs und CDs). Ungeachtet der Frage, ob es einer solchen Information bedarf (vgl. KR-Etzel 10. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 64; APS-Koch 4. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 129), konnte der Personalrat nach den ihm erteilten Informationen nachvollziehen, dass das beklagte Land der eigenen Ansicht zufolge den Kündigungssachverhalt jedenfalls nicht vor dem 8. April 2013 erfassen konnte. Der Personalrat vermochte sich anhand dessen ein eigenes Bild von der Einhaltung der Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB zu verschaffen. Das reicht aus. Eine nähere Begründung der den Kündigungsentschluss tragenden Abwägung ist wegen des Grundsatzes der subjektiven Determinierung regelmäßig nicht erforderlich. Die Anhörung zu der Absicht, das Arbeitsverhältnis (fristlos) zu kündigen, impliziert eine Abwägung zu Lasten des Arbeitnehmers (BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 736/13 - Rn. 15; 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 27, BAGE 146, 303).

66

(2) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die Anhörung nicht deshalb unvollständig, weil das beklagte Land es unterlassen hat, den Personalrat über den Inhalt eines am 22. April 2013 mit einem anderen Bediensteten geführten Personalgesprächs zu unterrichten. Dabei kann zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass diese Unterredung vor Übergabe des Kündigungsschreibens stattfand und sich aus der Einlassung des Bediensteten Anhaltspunkte dafür ergaben, dass dieser Kopier- und Brennvorgänge im Zusammenwirken mit ihm - dem Kläger - durchgeführt hat. Das beklagte Land ging bei Einleitung des Anhörungsverfahrens - für den Personalrat erkennbar - davon aus, der Kläger selbst habe das fragliche Programm wiederholt zu privaten Zwecken während der Dienstzeit genutzt. Sowohl aus der subjektiven Sicht des beklagten Landes als auch aus objektiver Sicht handelt es sich bei der aus dem Personalgespräch deutlich gewordenen Möglichkeit, der Kläger und der andere Bedienstete hätten zusammengewirkt, keineswegs um einen entlastenden Umstand, wie das Landesarbeitsgericht gemeint hat. Allein- und Mittäterschaft sind in ihrem Unrechtsgehalt gleichwertig und im Rahmen einer kündigungsrechtlichen Beurteilung regelmäßig gleich zu gewichten.

67

(3) Die Äußerungsfrist von drei Arbeitstagen (§ 67 Abs. 2 Satz 3 PersVG LSA) hat das beklagte Land - auch unter Berücksichtigung der dem Personalrat am 18. April 2013 unterbreiteten ergänzenden Informationen - gewahrt.

68

(a) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist dem Personalrat das Schreiben vom 16. April 2013 am selben Tag zugegangen. Gemäß § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 1 BGB lief die Frist von drei Arbeitstagen am 19. April 2013 (einem Freitag), 24:00 Uhr ab. Zwar wurde das Kündigungsschreiben bereits am 18. April 2013 ausgefertigt und dem Geschäftsleiter des Oberlandesgerichts als Erklärungsboten des beklagten Landes zwecks persönlicher Übergabe an den Kläger ausgehändigt. Ein Treffen zwischen dem Geschäftsleiter und dem Kläger war aber - schon zuvor - erst für den 22. April 2013 vereinbart worden. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte das Kündigungsschreiben den Machtbereich des Präsidenten des Oberlandesgerichts nicht verlassen und war es diesem möglich, die Kündigung anzuhalten, falls der Personalrat gewichtige und aus Sicht des beklagten Landes überzeugende Argumente gegen sie vorbrächte. Der Fall liegt insoweit nicht anders, als wenn der Präsident des Oberlandesgerichts das Kündigungsschreiben zwar am 18. April 2013 unterschrieben, jedoch bis zum 22. April 2013 weiter selbst verwahrt hätte.

69

(b) Das Anhörungsverfahren war bei Übergabe des Kündigungsschreibens an den Kläger - anders als dieser meint - nicht deshalb noch nicht abgeschlossen, weil das beklagte Land dem Personalrat mit Schreiben vom 18. April 2013 ergänzende Informationen hat zukommen lassen. Auf der Grundlage der Darlegungen des beklagten Landes ist davon auszugehen, dass das Anhörungsverfahren durch das vorbezeichnete Schreiben nicht neu in Gang gesetzt worden ist.

70

(aa) Vor Ausspruch der Kündigung kann der Arbeitgeber seine Informationen gegenüber dem Betriebs- oder Personalrat jederzeit ergänzen. Die Beurteilung, ob aufgrund der nachträglichen Unterrichtung die Äußerungsfrist neu anläuft, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Dabei ist auch auf den Gegenstand der nachgereichten Informationen Bedacht zu nehmen (vgl. BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 736/13 - Rn. 27).

71

(bb) Im Streitfall ist das Schreiben vom 18. April 2013 ausdrücklich als „Ergänzung“ und nicht, wie das Schreiben vom 16. April 2013, als „Anhörung“ bezeichnet worden. Bereits dies spricht gegen die Annahme, das beklagte Land habe das Verfahren neu in Gang setzen wollen. Eine andere Interpretation ist auch nicht wegen des Inhalts der zusätzlichen Informationen geboten. Mittels der Vorlage der protokollierten Kopiervorgänge und des Journals der Arbeitszeit wurden lediglich die im Schreiben vom 16. April 2013 bereits geschilderten Vorgänge vertiefend dargestellt und erläutert, nicht aber ein Sachverhalt unterbreitet, der den bisher bekannten Sachverhalt in einem gänzlich neuen Licht erscheinen ließe. Im Ergebnis nichts anderes gilt für die Unterrichtung über den Inhalt des mit dem Kläger am 17. April 2013 geführten Gesprächs und die ihm bis zum 18. April 2013, 9:00 Uhr eingeräumte Möglichkeit zur weitergehenden Stellungnahme. Auch diese Mitteilung diente der Vervollständigung der Information des Personalrats, nicht aber der Einführung eines neuen Sachverhalts. Das gilt jedenfalls mit Blick auf die hier interessierende „Tatkündigung“, bei der die Anhörung des Arbeitnehmers nicht Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung ist, und unter Berücksichtigung des Umstands, dass das Gespräch vom 17. April 2013 keine Erkenntnisse zutage förderte, die den Kläger entscheidend hätten entlasten können.

72

III. Bei der neuen Verhandlung wird das Landesarbeitsgericht zunächst zu prüfen und zu bewerten haben, ob ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB gegeben und ob die Frist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt ist. Dazu wird es die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben. Sollte es zu dem Ergebnis gelangen, die Kündigung sei iSv. § 626 BGB wirksam, wird es auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen davon ausgehen können, dass der Personalrat zur außerordentlichen Kündigung ordnungsgemäß beteiligt worden ist. Die Klage dürfte in diesem Fall abzuweisen sein, ohne dass der auf die ordentliche Kündigung bezogene Feststellungsantrag und der Antrag auf Weiterbeschäftigung noch zur Entscheidung anfielen. Sollte das Landesarbeitsgericht die Kündigung für unwirksam erachten, wird es über die ordentliche Kündigung zu befinden haben, je nach Ausgang dieses Streits auch über den (Hilfs-)Antrag des Klägers auf vorläufige Weiterbeschäftigung. Für die weitere Sachbehandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

73

1. Bei der Prüfung von § 626 Abs. 1 BGB wird das Landesarbeitsgericht - unter Berücksichtigung der zu B. I. und II. dargestellten Rechtsauffassung des Senats - zu würdigen haben, ob die vorgetragenen Indizien ausreichen, ihm die erforderliche Überzeugung zu vermitteln, der Kläger habe seine vertraglichen Pflichten verletzt. Über streitige Tatsachen wird ggf. Beweis zu erheben sein. Dabei hat sich das Gericht mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit zu begnügen, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig ausschließen zu müssen (BAG 29. Januar 2015 - 2 AZR 280/14 - Rn. 30 mwN; BGH 11. November 2014 - VI ZR 76/13 - Rn. 23 mwN).

74

2. Im Hinblick auf eine ggf. vorzunehmende Würdigung der Umstände des Einzelfalls und Interessenabwägung wird zu berücksichtigen sein, dass die vom Landesarbeitsgericht bisher - im Rahmen der Überprüfung der ordentlichen Kündigung - zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit angestellten Erwägungen nicht tragen.

75

a) Die Wertung, es habe deshalb einer Abmahnung bedurft, weil „fast alle Bediensteten einschließlich der Richterschaft […] offenbar von der Tätigkeit des Klägers profitiert und dieser auch nicht widersprochen [hätten]“ und daraus auf ein mangelndes Unrechtsbewusstsein - auch des Klägers - zu schließen sei, entbehrt der Tatsachenbasis. Es ist unklar, auf welche Handlungen des Klägers sich das Landesarbeitsgericht bezogen und welche Personen es vor Augen gehabt hat, die aus den nicht näher konkretisierten Aktivitäten des Klägers einen bisher nicht definierten Nutzen gezogen haben sollen.

76

b) Für die vom Landesarbeitsgericht mit Blick auf den Umgang mit beschäftigten Beamten ins Spiel gebrachte Heranziehung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes fehlt es an einer rechtlichen Grundlage. Zwar mögen bei der Interessenabwägung nach § 626 Abs. 1 BGB ähnliche Erwägungen anzustellen sein wie im Rahmen einer disziplinarrechtlichen Würdigung. Daraus kann aber nicht - wie das Landesarbeitsgericht offenbar gemeint hat - abgeleitet werden, der Arbeitgeber dürfe gegenüber einem Arbeitnehmer, der seine Pflichten in gemeinschaftlichem Zusammenwirken mit Beamten verletzt hat, nicht zum Mittel der Kündigung greifen, solange er nicht auch die Entlassung der Beamten initiiere oder doch andere disziplinarische Maßnahmen ihnen gegenüber ergreife. Die Erwägung lässt außer Acht, dass sich Wertungen, wie sie aus dem in der Regel auf Lebenszeit angelegten, durch besondere Treue- und Fürsorgepflichten geprägten Dienstverhältnis der Beamten folgen, nicht auf eine privatrechtliche Leistungsbeziehung übertragen lassen (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 29, BAGE 134, 349; 17. Juni 1993 - 6 AZR 620/92 - zu B II 2 d bb der Gründe, BAGE 73, 262). Selbst im Verhältnis von Arbeitnehmern untereinander scheidet mit Blick auf verhaltensbedingte Kündigungen eine Anwendung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes weitgehend aus (BAG 8. Dezember 1994 - 2 AZR 470/93 - zu B II 5 g der Gründe; zu eng begrenzten Ausnahmekonstellationen vgl. BAG 22. Februar 1979 - 2 AZR 115/78 - zu 2 a der Gründe). Die fraglichen Erwägungen des Landesarbeitsgerichts lassen überdies die herausgehobene Position des Klägers als „IT-Verantwortlicher“ außer Acht. Unbeschadet der unterschiedlichen Rechtsstellung von Beamten und Angestellten widerspricht auch dies - neben weiteren in Betracht zu ziehenden Unterschieden - einer Vergleichbarkeit der Sachverhalte.

77

c) Das Landesarbeitsgericht wird, sollte es auf die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung ankommen, weiterhin davon ausgehen können, dass deren soziale Rechtfertigung (§ 1 Abs. 1 und Abs. 2 KSchG) unter dem Gesichtspunkt des Verdachts nicht in Betracht kommt - auch deshalb, weil der Personalrat dazu laut Schreiben vom 23. April 2013 nicht beteiligt worden ist. Die Prüfung, ob die Kündigung als Tatkündigung durch Gründe iSv. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist, wird das Landesarbeitsgericht neu vorzunehmen und die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben. Was die Frage betrifft, ob die Beteiligung des Personalrats zu einer ordentlichen Kündigung nach § 67 Abs. 1 Nr. 8 PersVG LSA ordnungsgemäß erfolgt ist, wird zu beachten sein, dass die in der angefochtenen Entscheidung vertretene Auffassung, die Anhörung sei unwirksam, weil das beklagte Land dem Personalrat mögliche Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe nicht mitgeteilt habe, auf der Basis der bisherigen Feststellungen nicht haltbar ist. Um welche, nach dem Grundsatz der subjektiven Determiniertheit beachtlichen Tatsachen es sich insoweit handeln soll, ist nicht nachzuvollziehen.

78

IV. Der Senat hat bei der Zurückverweisung von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.

        

    Kreft    

        

    Rachor    

        

    Berger    

        

        

        

    Perreng    

        

    Der ehrenamtliche Richter Dr. Bartz ist wegen des Endes seiner Amtszeit verhindert, seine Unterschrift beizufügen.
Kreft    

                 

Das Zeugnis kann verweigert werden:

1.
über Fragen, deren Beantwortung dem Zeugen oder einer Person, zu der er in einem der im § 383 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Verhältnisse steht, einen unmittelbaren vermögensrechtlichen Schaden verursachen würde;
2.
über Fragen, deren Beantwortung dem Zeugen oder einem seiner im § 383 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Angehörigen zur Unehre gereichen oder die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden;
3.
über Fragen, die der Zeuge nicht würde beantworten können, ohne ein Kunst- oder Gewerbegeheimnis zu offenbaren.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 13. November 2012 - 14 Sa 1178/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten - noch - über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte betrieb bis April 2013 Handel mit Kfz-Ersatzteilen. Im Jahr 2012 beschäftigte sie regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer. Der 1963 geborene Kläger war bei ihr seit August 1988 tätig, zuletzt als Leiter der Finanzbuchhaltung. Sein Bruttomonatsverdienst betrug rund 3.900,00 Euro.

3

Im Juni 2011 übernahm eine Gesellschafterin der Beklagten Aufgaben im Bereich Buchhaltung. Daraus erwuchsen Unstimmigkeiten zwischen den Parteien. Eine dem Kläger am 3. Januar 2012 erteilte Abmahnung wegen behaupteter Arbeitsverweigerung hielt die Beklagte unter Hinweis auf Beweisschwierigkeiten nicht aufrecht.

4

Mit Schreiben vom 24. Februar 2012 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich zum 30. September 2012. Zur Begründung gab sie an, ihre Gesellschafterin habe zwischenzeitlich die Arbeitsaufgaben des Klägers vollständig übernommen. Dessen Arbeitsplatz sei weggefallen.

5

Der Kläger hat gegen die Kündigung Klage erhoben. Nachdem die Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht erfolglos geblieben war, fertigte sein Prozessbevollmächtigter unter dem 9. Mai 2012 eine Replik auf die Klageerwiderung der Beklagten. Darin heißt es, die Kündigung sei willkürlich erfolgt. Der Beklagten sei es lediglich darum gegangen, den Kläger als „lästigen Mitwisser“ zweifelhafter Geschäfte loszuwerden. Sie habe private Aufwendungen ihres Gesellschafters und seiner Ehefrau sowie des Lebensgefährten einer Gesellschafterin als Betriebsausgaben verbucht. Die Kündigung sei erfolgt, nachdem der Kläger nicht bereit gewesen sei, diese Handlungen zu dulden und/oder mit zu tragen. Der Schriftsatz ging der Beklagten zunächst außergerichtlich als Entwurf zu. In einem Begleitschreiben vom 14. Mai 2012 führte der Prozessbevollmächtigte des Klägers aus, absprachegemäß sollten „nochmal“ die Möglichkeiten einer einvernehmlichen Regelung „erörtert werden“. Falls „in den nächsten Tagen“ keine Rückäußerung erfolge, werde die Replik bei Gericht eingereicht.

6

Der Kläger verfuhr, nachdem eine Antwort der Beklagten ausgeblieben war, wie angekündigt. Mit Schreiben vom 23. Mai 2012 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos, „hilfsweise“ ordentlich. Der Kläger hat auch diese Kündigung im Wege einer Klageerweiterung fristgerecht angegriffen.

7

Nach - rechtskräftiger - Abweisung der Klage gegen die Kündigung vom 24. Februar 2012 hat sich der Kläger nur noch gegen die Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch die fristlose Kündigung gewandt. Er hat die Auffassung vertreten, ein wichtiger Grund iSv. § 626 BGB liege nicht vor. Im Schriftsatz vom 9. Mai 2012 habe er den Sachverhalt lediglich aus seiner Sicht dargelegt. Mit dem Begleitschreiben habe er keinen unzulässigen Druck auf die Beklagte ausgeübt.

8

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 23. Mai 2012 nicht aufgelöst worden ist.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, der Kläger habe mit der unüblichen und nicht abgesprochenen Vorabübersendung seines Schriftsatzes vom 9. Mai 2012 das Ziel verfolgt, sie hinsichtlich der angestrebten gütlichen Einigung „gefügig zu machen“. In der Ankündigung einer Offenbarung angeblicher „Unregelmäßigkeiten“ liege der Versuch einer Erpressung oder Nötigung. Zudem habe der Kläger die Unterlagen, die dem Schriftsatz beigefügt gewesen seien, unbefugt kopiert, um ein Druckmittel gegen sie zu haben. Eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist sei ihr unzumutbar gewesen.

10

Die Vorinstanzen haben festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 23. Mai 2012 nicht mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden ist. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage auch insoweit abzuweisen.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend entschieden, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 23. Mai 2012 nicht mit sofortiger Wirkung beendet worden ist. Es hat bis zum Termin der ordentlichen Kündigung vom 24. Februar 2012, dh. bis zum 30. September 2012 fortbestanden.

12

I. Das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für das Rechtsmittelverfahren ist gegeben.

13

1. Neben der Beschwer stellt das Rechtsschutzinteresse im Allgemeinen keine besonders zu prüfende Voraussetzung für die Zulässigkeit des Rechtsmittels dar; typischerweise folgt es aus ihr (vgl. BAG 2. März 1982 - 1 AZR 694/79 - zu I 1 der Gründe, BAGE 38, 85; BLAH 70. Aufl. Grundz. § 511 Rn. 14, 16 mwN). Ausnahmsweise kann das Rechtsschutzinteresse fehlen, wenn sich etwa die Einlegung des Rechtsmittels trotz Vorliegens einer Beschwer als unnötig, zweckwidrig oder missbräuchlich erweist (BAG 2. März 1982 - 1 AZR 694/79 - aaO).

14

2. Derartige Umstände sind hier nicht ersichtlich. Zwar hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis zwischenzeitlich für die Zeit bis zum 30. September 2012 abgerechnet und den sich aus den Abrechnungen ergebenden Nettoverdienst an den Kläger ausgekehrt. Damit hat sie aber nicht - auch nicht konkludent - erklärt, sie werde aus der fristlosen Kündigung gegenüber dem Kläger keine Rechte mehr herleiten. In ihrem Verhalten liegt auch kein - konkludenter - Verzicht auf die Revision. Darauf, ob die Beklagte bei einer Klageabweisung die Rückzahlung überschießender Vergütung beanspruchen will und kann, kommt es nicht an.

15

II. In der Sache bleibt die Revision ohne Erfolg. Die Klage gegen die fristlose Kündigung vom 23. Mai 2012 ist begründet. Ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB liegt nicht vor.

16

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 15; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 16, BAGE 134, 349).

17

2. Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 17; 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - Rn. 14 mwN). Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen der in Rede stehenden Pflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - aaO; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, BAGE 134, 349). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 27; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 24). Ein gegenüber der fristlosen Kündigung in diesem Sinne milderes Mittel ist ua. die ordentliche Kündigung (vgl. BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - aaO; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 35, aaO).

18

3. Danach ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Beklagten war es weder aufgrund der Erklärungen im anwaltlichen Schreiben vom 14. Mai 2012 und der Übersendung des Schriftsatzes vom 9. Mai 2012 im Entwurf, noch wegen des Fotokopierens betrieblicher Unterlagen durch den Kläger unzumutbar, das Arbeitsverhältnis bis zum 30. September 2012 - dem Termin der vorausgegangenen ordentlichen Kündigung - fortzusetzen.

19

a) Als wichtiger Grund ist neben der Verletzung vertraglicher Hauptpflichten auch die schuldhafte Verletzung von Nebenpflichten „an sich“ geeignet (vgl. BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 29, BAGE 137, 54; 12. März 2009 - 2 ABR 24/08 - Rn. 30). Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei des Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Diese Regelung dient dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks. Der Arbeitnehmer hat seine Arbeitspflichten so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung und Tätigkeit im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebs nach Treu und Glauben verlangt werden kann (vgl. BAG 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - Rn. 19; 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 20, BAGE 132, 72).

20

b) Droht der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber mit einem empfindlichen Übel, um die Erfüllung eigener streitiger Forderungen zu erreichen, kann darin - je nach den Umständen des Einzelfalls - ein erheblicher, die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigender Verstoß gegen seine Pflicht zur Wahrung von dessen Interessen liegen (vgl. KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 408). Entsprechendes kann gelten, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber nachteilige Folgen mit dem Ziel androht, dieser solle von einer beabsichtigten oder bereits erklärten Kündigung Abstand nehmen (ähnlich BAG 11. März 1999 - 2 AZR 507/98 - zu II 1 b aa der Gründe; 30. März 1984 - 2 AZR 362/82 - zu B I der Gründe; jeweils zur Androhung von Presseveröffentlichungen). Eine auf ein solches Verhalten gestützte Kündigung setzt regelmäßig die Widerrechtlichkeit der Drohung voraus. Unbeachtlich ist demgegenüber, ob das Verhalten den Straftatbestand der Nötigung (§ 240 StGB) erfüllt. Auch eine nicht strafbare, gleichwohl erhebliche Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten kann einen wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB bilden(BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 694/11 - Rn. 21 mwN, BAGE 142, 188).

21

c) Hier hat der Kläger seine vertragliche Pflicht zur Rücksichtnahme durch die Erklärungen im Schreiben vom 14. Mai 2012 selbst dann nicht verletzt, wenn er sich die Äußerungen seines Prozessbevollmächtigten aufgrund der erteilten Prozessvollmacht (§ 81 ZPO) uneingeschränkt nach § 85 Abs. 1 ZPO zurechnen lassen muss(zur Problematik vgl. BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 297/09 - Rn. 13 ff.; 28. März 1963 - 2 AZR 379/62 - BAGE 14, 147; Zöller/Vollkommer ZPO 30. Aufl. § 85 Rn. 7). Das Ansinnen einer gütlichen Einigung hinsichtlich der ordentlichen Kündigung vom 24. Februar 2012 war auch in Anbetracht der Ankündigung, im Falle der Nichtäußerung den im Entwurf beigefügten Schriftsatz vom 9. Mai 2012 bei Gericht einzureichen, nicht widerrechtlich. Darauf, ob sich die Parteien zuvor über das Procedere verständigt hatten, kommt es nicht an.

22

aa) Eine Drohung setzt objektiv die Ankündigung eines zukünftigen Übels voraus, dessen Zufügung in irgendeiner Weise als von der Macht des Ankündigenden abhängig hingestellt wird (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 418/10 - Rn. 14). Sie muss nicht ausdrücklich ausgesprochen werden. Die Drohung kann auch versteckt erfolgen, beispielsweise durch eine Warnung oder einen Hinweis auf nachteilige Folgen (vgl. BAG 9. März 1995 - 2 AZR 644/94 - zu 2 der Gründe; BGH 22. November 1995 - XII ZR 227/94 - zu 2 der Gründe). Als Übel genügt jeder Nachteil. Das In-Aussicht-Stellen eines zukünftigen Übels ist widerrechtlich, wenn entweder das Mittel, dh. das angedrohte Verhalten, oder der Zweck, dh. die erwartete Willenserklärung, oder jedenfalls der Einsatz des fraglichen Mittels zu dem fraglichen Zweck von der Rechtsordnung nicht gedeckt ist (vgl. BAG 22. Oktober 1998 - 8 AZR 457/97 - zu I 4 d bb der Gründe).

23

bb) Die Einführung des Schriftsatzes vom 9. Mai 2012 in den laufenden Kündigungsschutzprozess mag für die Beklagte ein empfindliches Übel gewesen sein. Das Vorgehen des Klägers war aber nicht widerrechtlich. Es war ihm - ebenso wie seine Ankündigung - erlaubt.

24

(1) Parteien dürfen zur Verteidigung ihrer Rechte schon im Hinblick auf den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) alles vortragen, was als rechts-, einwendungs- oder einredebegründender Umstand prozesserheblich sein kann (BVerfG 11. April 1991 - 2 BvR 963/90 - zu C II 3 der Gründe; BAG 29. August 2013 - 2 AZR 419/12 - Rn. 37 mwN). Ein Prozessbeteiligter darf auch starke, eindringliche Ausdrücke und sinnfällige Schlagworte benutzen, um seine Rechtsposition zu unterstreichen, selbst wenn er seinen Standpunkt vorsichtiger hätte formulieren können. Das gilt jedenfalls so lange, wie er die Grenzen der Wahrheitspflicht achtet (vgl. BAG 24. März 2011 - 2 AZR 674/09 - Rn. 22; 9. September 2010 - 2 AZR 482/09 - Rn. 12).

25

(a) Dass der Kläger in dem der Beklagten vorab übermittelten Schriftsatz vom 9. Mai 2012 leichtfertig unwahre Tatsachenbehauptungen aufgestellt hätte, ist nicht ersichtlich. Das Landesarbeitsgericht hat sein Vorbringen zur Verbuchung privater Aufwendungen und Erstattungsleistungen einer Versicherung mangels ausreichenden Bestreitens der Beklagten nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden angesehen. Die Würdigung wird von der Beklagten nicht angegriffen. Ein Rechtsfehler ist auch objektiv nicht erkennbar.

26

(b) Der Kläger hat nicht in rechtswidriger Weise gegen seine aus § 241 Abs. 2 BGB resultierende, durch § 17 UWG ergänzte Verpflichtung verstoßen, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse einschließlich der ihm aufgrund seiner Tätigkeit bekannt gewordenen privaten Geheimnisse der Beklagten zu wahren(zur Eignung solcher Verstöße als wichtiger Grund vgl. BAG 18. März 1982 - 2 AZR 940/79 - zu A IV 1 der Gründe). Es kommt nicht darauf an, ob sich die Beklagte hinsichtlich der in Rede stehenden „Betriebsinterna“ überhaupt auf ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse berufen könnte (zur Problematik vgl. Schaub/Linck ArbR-Hdb 15. Aufl. § 53 Rn. 55). Der Kläger war jedenfalls im Rahmen des Kündigungsrechtsstreits zur Offenlegung der betreffenden Tatsachen gegenüber seinem Prozessbevollmächtigten und dem Gericht befugt. Er handelte in Wahrnehmung berechtigter Interessen. Er wollte auf diese Weise unlautere Motive der Beklagten für die angeblich betriebsbedingte Kündigung dartun. Dass er die Informationen an andere Personen oder Stellen weitergegeben hätte, ist nicht dargetan.

27

(2) Der bezweckte Erfolg - eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits - war ebenso wenig widerrechtlich. Das gilt unabhängig davon, ob der Kläger seine Weiterbeschäftigung bei der Beklagten oder die Zahlung einer Abfindung anstrebte. Durch einen Vergleich sollen der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis im Wege des gegenseitigen Nachgebens beseitigt werden (§ 779 Abs. 1 Satz 1 BGB). Sein Abschluss ist in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten - vorbehaltlich eines sittenwidrigen Inhalts der Einigung - grundsätzlich erlaubt (vgl. BAG 20. November 1969 - 2 AZR 51/69 - zu I der Gründe).

28

(3) Das Vorgehen des Klägers stellt sich auch nicht wegen eines zwischen dem Inhalt des eingereichten Schriftsatzes und der angestrebten Einigung hergestellten Zusammenhangs - der Zweck-Mittel-Relation - als widerrechtlich dar.

29

(a) Wer sich bei zweifelhafter Rechtslage seinem Vertragspartner gegenüber auf einen objektiv vertretbaren Rechtsstandpunkt stellt, handelt nicht rechtswidrig, wenn er damit den Gegner zum Einlenken veranlassen will. Das gilt auch dann, wenn für den Fall der Nichteinigung eine bestimmte Verteidigungsstrategie angekündigt wird. Eine solche Offenlegung eines beabsichtigten Prozessverhaltens ist - sowohl im Vorfeld einer Klageerhebung als auch im Laufe eines gerichtlichen Verfahrens - jedenfalls dann rechtlich nicht zu beanstanden, wenn sie weder mutwillig erfolgt, noch zu einer über die Erhebung oder das Bestreiten bestimmter Ansprüche hinausgehenden Belastung des anderen Teils führt (vgl. BGH 19. April 2005 - X ZR 15/04 - zu II 5 a der Gründe). Anders als die Beklagte meint, reicht es für die Widerrechtlichkeit der Verknüpfung von Mittel und Zweck nicht aus, dass eine Partei auf den Abschluss eines Vergleichs keinen Rechtsanspruch hat (so schon RG 11. Dezember 1925 - VI 406/25 - RGZ 112, 226).

30

(b) Die Ankündigung des Klägers, bei einer Nichteinigung einen dem Entwurf der Replik entsprechenden Schriftsatz bei Gericht einzureichen, wäre allenfalls dann widerrechtlich, wenn sein darin ausgedrückter rechtlicher Standpunkt gänzlich unvertretbar wäre. Das ist nicht der Fall. Der Kläger musste nicht von der Wirksamkeit der Kündigung vom 24. Februar 2012 ausgehen. Er durfte sich mit der Behauptung verteidigen, die angestrebte Auflösung des Arbeitsverhältnisses beruhe auf seiner ablehnenden Haltung gegenüber bestimmten buchhalterischen Vorgängen. Seine Anregung, sich vor diesem Hintergrund auf eine einvernehmliche Beilegung des Rechtsstreits zu verständigen, erfolgte im Vertrauen auf eine nicht etwa gänzlich aussichtslose Rechtsposition.

31

d) Die Beklagte war nicht deshalb zur fristlosen Kündigung berechtigt, weil der Kläger Fotokopien von Geschäftsunterlagen hergestellt und diese bei Gericht eingereicht hatte. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, insoweit liege keine Verletzung vertraglicher Pflichten vor. Zumindest sei es der Beklagten nicht unzumutbar gewesen, die Kündigungsfrist einzuhalten. Die Würdigung hält im Ergebnis einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

32

aa) Dem Arbeitnehmer ist es aufgrund der dem Arbeitsvertrag immanenten Pflicht zur Rücksichtnahme verwehrt, sich ohne Einverständnis des Arbeitgebers betriebliche Unterlagen oder Daten anzueignen oder diese für betriebsfremde Zwecke zu vervielfältigen. Betreffen die Unterlagen ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis, ist die Herstellung einer verkörperten Wiedergabe gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b) UWG sogar strafbewehrt, wenn dies zu Zwecken des Wettbewerbs, aus Eigennutz, zugunsten eines Dritten oder in der Absicht geschieht, dem Inhaber des Unternehmens Schaden zuzufügen. Verstößt der Arbeitnehmer rechtswidrig und schuldhaft gegen diese Vorgaben, kann darin ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB liegen. Ob eine außerordentliche Kündigung berechtigt ist, hängt insbesondere von der Motivation des Arbeitnehmers und möglichen nachteiligen Folgen für den Arbeitgeber ab (vgl. BAG 18. März 1982 - 2 AZR 940/79 - zu A IV 1 der Gründe).

33

bb) Im Streitfall hat der Kläger ohne Einverständnis der Beklagten Fotokopien verschiedener, den Geschäftsbetrieb der Beklagten betreffender Rechnungen und Schecks hergestellt, ohne dass hierfür ein dienstliches Bedürfnis bestanden hätte. Selbst wenn er die Kopien ausschließlich zu seiner Rechtsverteidigung hat verwenden wollen und verwandt hat, durfte das Landesarbeitsgericht daraus nicht ohne Weiteres auf eine Wahrnehmung berechtigter Interessen schließen. Dem Rechtsschutzinteresse einer Partei, die sich nicht im Besitz prozessrelevanter Urkunden befindet, trägt das Gesetz mit den Regelungen zur Vorlagepflicht in § 142 ZPO und § 424 ZPO Rechnung. Besondere Umstände, aufgrund derer der Kläger hätte annehmen dürfen, ein entsprechendes prozessuales Vorgehen sei von vorneherein aussichtslos, sind nicht festgestellt.

34

cc) Es kann dahinstehen, ob sich der Kläger für die Rechtfertigung seines Verhaltens auf eine Beweisnot berufen könnte (zur Eignung eines solchen Sachverhalts als Rechtfertigungsgrund vgl. Haller BB 1997, 202, 203). Sein Verhalten wiegt den Umständen nach jedenfalls nicht so schwer, dass der Beklagten - auch unter Berücksichtigung ihrer eigenen Interessen - ein Festhalten am Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zumutbar gewesen wäre.

35

(1) Das Berufungsgericht hat bei der Interessenabwägung einen gewissen Beurteilungsspielraum. Seine Würdigung wird in der Revisionsinstanz (nur) daraufhin überprüft, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Verfahrensgrundsätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (BAG 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - Rn. 16).

36

(2) Einen solchen Rechtsfehler zeigt die Beklagte nicht auf.

37

(a) Das Landesarbeitsgericht hat zugunsten des Klägers dessen Dauer der Betriebszugehörigkeit von mehr als zwanzig Jahren berücksichtigt. Von dieser hat es angenommen, sie sei beanstandungsfrei verlaufen. Die Würdigung ist angesichts der „Rücknahme“ einer vorausgehenden Abmahnung des Klägers nachvollziehbar. Sonstige Beanstandungen sind nicht dargetan. Die Berücksichtigung des Lebensalters zugunsten des Klägers hat das Landesarbeitsgericht mit zu erwartenden Schwierigkeiten bei der Arbeitsvermittlung begründet. Es durfte außerdem bedenken, dass der Kläger die fraglichen Fotokopien nicht zu Wettbewerbszwecken oder zu dem Zweck hergestellt hat, der Beklagten zu schaden. Er hat sie - soweit ersichtlich - nur an seinen Rechtsanwalt und damit an eine ihrerseits zur Verschwiegenheit verpflichtete Person mit dem Ziel weitergegeben, sie bei Gericht einzureichen. Auf diese Weise wollte er sein Vorbringen zur Unsachlichkeit der Kündigung verdeutlichen und ihm stärkeres Gewicht verleihen. Diese Umstände schließen - wie aufgezeigt - die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens zwar nicht aus. Sie lassen es aber in einem milderen Licht erscheinen. Hinzu kommt, dass es sich um eine singuläre Pflichtverletzung handelte, der erkennbar die - irrige - Vorstellung des Klägers zugrunde lag, zur Selbsthilfe berechtigt zu sein.

38

(b) Aufgrund dieser Erwägungen war es ohne Weiteres vertretbar, dem Interesse des Klägers am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses - zumindest für die Dauer der Kündigungsfrist - Vorrang vor dem Beendigungsinteresse der Beklagten einzuräumen.

39

III. Das Landesarbeitsgericht hat unausgesprochen angenommen, die ordentliche Kündigung vom 23. Mai 2012 gehe ins Leere, da das Arbeitsverhältnis der Parteien bereits anderweitig zum 30. September 2012 aufgelöst worden sei. Dagegen erhebt die Beklagte keine Einwände. Ein Rechtsfehler ist nicht ersichtlich.

40

IV. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Rinck    

        

    Berger    

        

        

        

    Krichel    

        

    Pitsch    

                 

Tenor

1. Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 19. Dezember 2014 - 4 Sa 10/14 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen und einer hilfsweise ordentlichen Kündigung.

2

Der 1954 geborene Kläger war bei dem beklagten Land seit Februar 1992 als Justizangestellter beschäftigt. Zuletzt war er am Oberlandesgericht N als „IT-Verantwortlicher“ tätig. Zu seinen Aufgaben gehörten die System- und Netzwerkbetreuung, die Verwaltung des sog. ADV-Depots, die Wartung, Pflege und Betreuung der Hard- und Software, die technische Unterstützung der Nutzer des Hauses, die Administration der elektronischen Berechtigungen und die Passwortvergabe. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand zuletzt der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) Anwendung.

3

Am 6. und am 19. März 2013 führte der Geschäftsleiter des Oberlandesgerichts mit dem Leiter der Wachtmeisterei - im Beisein der Vorsitzenden des örtlichen Personalrats - ein Personalgespräch. Dem Beamten wurde vorgehalten, unbefugt dienstliche Farbdrucker für die Erstellung sog. CD-Cover genutzt zu haben. In dem ersten Gespräch soll er laut eines „Besprechungsvermerks“ den Kläger als diejenige Person benannt haben, die für die Bestellung des Zubehörs für den EDV-Raum - einschließlich DVDs und CDs - verantwortlich gewesen sei.

4

Am 14. März 2013 unterzog der Geschäftsleiter den Arbeitsbereich des Klägers und den eines Justizhauptsekretärs, der sich mit dem Kläger das Dienstzimmer teilte, einer Geschäftsprüfung. In einem Vermerk des Geschäftsleiters vom 11. April 2013 („Prüfungsbericht“) heißt es, in der Zeit vom 1. Juli 2008 bis zum 31. Dezember 2012 seien für das Oberlandesgericht 2.325 DVDs und 1.500 CDs bestellt worden. Nach den eigenen Angaben des Klägers - so der Vermerk - seien zu dienstlichen Zwecken nur 150 bis 200 DVDs und etwa 50 CDs jährlich benötigt worden. Der Verbleib des restlichen Materials sei nicht aufzuklären. Auf einem mit dem Netzwerk des Oberlandesgerichts nicht verbundenen Computer sei lediglich der Kläger als „lokaler Admin“ und Nutzer festzustellen. Auf einer der Festplatten des Rechners seien nach Wiederherstellung vom Nutzer gelöschter Dateien 2.466 elektronische Bücher, 2.378 Bilddateien, 834 Audiodateien und 230 Videodateien gefunden worden. Ferner seien auf dem Rechner vier Programme installiert gewesen, die zum Umwandeln und Kopieren von DVDs und CDs geeignet seien. In der Zeit vom 6. Oktober 2010 bis zum 14. März 2013 sei eines von ihnen 1.128 Mal zur Bearbeitung von DVDs genutzt worden. Auf zwei weiteren externen Festplatten seien zusätzlich 41.242 Audiodateien, 1.822 Cover und 41 DVD-Kopien gefunden worden. Eine dritte externe Festplatte habe einen Ordner „Private Rechner“ enthalten. In den Schränken des Dienstzimmers hätten sich verschiedene leere und gefüllte „CD-Spindeln“ unterschiedlicher Größe, gebrannte Musik-CDs und leere DVDs befunden.

5

Mit Schreiben vom 16. April 2013 hörte das beklagte Land den örtlichen Personalrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien an.

6

Am 17. April 2013 fand zwischen dem Geschäftsleiter, einer Richterin am Oberlandesgericht und dem Kläger ein Personalgespräch statt. Dabei soll der Kläger - laut Vermerk - „sinngemäß“ erklärt haben, „alles, was auf dem Rechner bezüglich der DVDs“ sei, habe er „gemacht“. Er habe den Rechner mit nach Hause nehmen dürfen. „Natürlich [hätten sie] auch kopiert“. „Was das für DVDs und CDs“ gewesen seien, wisse er nicht mehr. Er habe „den Leuten einen Gefallen getan“. Er habe „manchmal“ festgestellt, dass sein Rechner von anderen Personen benutzt worden sei. Dies habe er nicht mitgeteilt, da es sich „nur“ um den „Test-Rechner“ gehandelt habe. Seit etwa Dezember 2012 habe er ein Passwort vergeben. Dieses sei aber für jeden, der seine Familie kenne, zu „knacken“ gewesen. Er habe „hundertprozentig“ keine „privaten Sachen“ für sich selbst „im Dienst gemacht“, sondern nur „für andere Leute aus dem OLG“.

7

Mit Schreiben vom 18. April 2013 informierte das beklagte Land den örtlichen Personalrat über den Inhalt des Gesprächs vom Vortag und über die Verwendungsmöglichkeiten des zur Bearbeitung von DVDs benutzten Umwandlungs- und Kopierprogramms. Zugleich teilte es mit, der Kläger habe sich nicht weiter geäußert. Mit Schreiben vom selben Tag erklärte der Personalrat, er habe die Angelegenheit „zur Kenntnis genommen“.

8

Mit Schreiben vom 18. April 2013, das dem Kläger am 22. April 2013 durch den Geschäftsleiter übergeben wurde, kündigte das beklagte Land das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos. In einem Vermerk heißt es, der Kläger habe bei Aushändigung der Kündigung erklärt, er nehme seine „zuvor getätigten Aussagen“ zurück. Er habe Kollegen und Vorgesetzte schützen wollen.

9

Am 22. April 2013 führte der Geschäftsleiter mit dem Bediensteten, auf dessen Arbeitsplatz sich die Geschäftsprüfung erstreckt hatte, im Beisein der Personalratsvorsitzenden ein Personalgespräch. Laut Vermerk soll der Mitarbeiter eingeräumt haben, CDs und DVDs für Musik und Filme jeweils „im mittleren dreistelligen Bereich … gebrannt“ zu haben. Die Vorlagen habe er in regelmäßigen Abständen vom Leiter der Wachtmeisterei und dem Kläger erhalten. Er habe das Kopierprogramm „für DVDs privat genutzt“. Die bei der zentralen Beschaffungsstelle des beklagten Landes bestellten DVDs und CDs seien in einem verschlossenen Schrank aufbewahrt worden. Der Schlüssel sei vom Kläger verwahrt und „immer mitgenommen“ worden.

10

Nach erneuter Anhörung des örtlichen Personalrats und mit dessen Zustimmung kündigte das beklagte Land das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 13. Mai 2013, das dem Kläger zwei Tage später zuging, ordentlich zum 31. Dezember 2013.

11

Der Kläger hat sich mit der vorliegenden Klage rechtzeitig gegen beide Kündigungen gewandt. Er hat geltend gemacht, die fristlose Kündigung sei mangels wichtigen Grundes unwirksam, die ordentliche Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Das Kopierprogramm und andere auf dem „Test-Rechner“ installierte Software habe er nicht in dem zutage getretenen Umfang genutzt. Zwar habe er sich ihrer gelegentlich bedient. Dies stelle aber keine schwerwiegende Pflichtverletzung dar, zumal ihm die Nutzung dienstlicher Computer, auch von Zuhause aus, zu privaten Zwecken in geringem Umfang durchaus erlaubt gewesen sei. Im Dienst durchgeführte Kopiervorgänge hätten jeweils nur wenige Sekunden in Anspruch genommen. Sie hätten seine Arbeitszeit insgesamt nicht verkürzt. Jedenfalls habe er keine „illegalen Kopien“ gefertigt. Keiner der beanstandeten Brennvorgänge sei ihm persönlich zuzuordnen. Wer den „Test-Rechner“ wann genutzt habe, stehe nicht fest. Auch andere Bedienstete hätten sich Zugang zu ihm verschaffen können. Das Passwort sei allgemein bekannt gewesen. Eine erhebliche Zahl der beanstandeten Nutzungen falle in eine Zeit, in der er selbst krankheits- oder urlaubsbedingt abwesend gewesen sei. Das beklagte Land gehe selbst davon aus, dass ein Kollege Brennvorgänge in nicht geringem Umfang durchgeführt habe. Ohnehin befänden sich auf dem „Server“ des Gerichts tausende von privaten Dateien, ohne dass dies je zu Beanstandungen geführt habe. Den hohen Verbrauch von Büromaterialien habe er nicht zu vertreten. Im Übrigen sei die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt. Auch sei der Personalrat nicht ordnungsgemäß unterrichtet worden. Jedenfalls zu einem gegen ihn gerichteten Verdacht als Kündigungsgrund sei dieser nicht angehört worden.

12

Der Kläger hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung des beklagten Landes vom 18. April 2013 noch durch dessen ordentliche Kündigung vom 13. Mai 2013 beendet worden ist;

        

2.    

das beklagte Land zu verurteilen, ihn zu unveränderten Bedingungen als Angestellten im Oberlandesgericht N im Rahmen der zuletzt ausgeübten - von ihm näher beschriebenen - Tätigkeit weiterzubeschäftigen.

13

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat die Kündigungen - auch wegen eines gegen den Kläger gerichteten Verdachts - als wirksam verteidigt. Der Kläger habe den ihm dienstlich anvertrauten Rechner während der Arbeitszeit umfangreich und unerlaubt zu privaten Zwecken - dem Kopieren und Brennen von DVDs und CDs mithilfe spezifischer, nicht zu dienstlichen Zwecken bestimmter Programme - genutzt. In 630 Fällen seien entsprechende Vorgänge zu Zeiten erfolgt, in denen er im Dienst gewesen sei. Die fraglichen Programme habe er zumindest während dieser Zeiten selbst genutzt. Dadurch habe er seine Vertragspflichten über einen langen Zeitraum in grober Weise verletzt. Durch das Herstellen illegaler Kopien habe er sich überdies strafbar gemacht. Zudem habe er „Arbeitszeitbetrug“ begangen. Auch habe er über 2.000 DVDs und über 1.000 CDs auf seine - des beklagten Landes - Kosten bestellt und privat verwendet. Mit seinem Verhalten habe er das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses notwendige Vertrauen unwiederbringlich zerstört. Die Frist zur Erklärung der Kündigung sei gewahrt. Der zur Kündigung berechtigte Präsident des Oberlandesgerichts habe vom Kündigungssachverhalt erst durch den Prüfbericht des Geschäftsleiters vom 11. April 2013 Kenntnis erlangt. Die Beteiligung des Personalrats sei in jeder Hinsicht ordnungsgemäß erfolgt.

14

Das Arbeitsgericht hat der Klage - hinsichtlich des Weiterbeschäftigungsantrags mit Einschränkungen - stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt das beklagte Land sein Begehren weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

15

Die zulässige Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil war aufzuheben. Die Sache war zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 ZPO).

16

A. Die Revision ist zulässig. Sie ist ordnungsgemäß innerhalb der Frist des § 74 Abs. 1 ArbGG begründet worden.

17

I. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung die Angabe der Revisionsgründe. Bei einer Sachrüge muss die Revisionsbegründung den Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Dazu muss die Revisionsbegründung eine Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Urteils enthalten. Dies erfordert die genaue Darlegung der Gründe, aus denen das angefochtene Urteil rechtsfehlerhaft sein soll (BAG 2. Mai 2014 - 2 AZR 490/13 - Rn. 15; 13. November 2013 - 10 AZR 639/13 - Rn. 11).

18

II. Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung gerecht. Das beklagte Land setzt sich im Schriftsatz vom 7. April 2015 mit allen die angefochtene Entscheidung selbständig tragenden Begründungen des Landesarbeitsgerichts auseinander. Es zeigt auf, warum die Erwägungen sachlich unzutreffend sein sollen. Die Ausführungen zum wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB greift es mit der Begründung an, das Landesarbeitsgericht habe, soweit es die Kündigung unter dem Gesichtspunkt einer Tatkündigung für unwirksam erachtet habe, die den Kläger treffende, abgestufte Darlegungslast verkannt. Die Annahme des Gerichts, die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei nicht gewahrt, beruhe auf unzutreffenden Erwägungen zum Fristbeginn. Insbesondere habe das Landesarbeitsgericht nicht - wie geboten - auf die Person des Kündigungsberechtigten und dessen Kenntnis abgestellt. Soweit es auf die Möglichkeit verwiesen habe, strafrechtliche Ermittlungen zu veranlassen und deren Ergebnis abzuwarten, sei dies sachfremd. Soweit es gemeint habe, die Anhörung des Personalrats sei aufgrund von Äußerungen eines anderen Bediensteten vom 22. April 2013 nicht ordnungsgemäß, habe es den Grundsatz der subjektiven Determinierung verkannt. Diese Sachrügen wären im Falle ihrer Begründetheit geeignet, die angefochtene Entscheidung insgesamt, auch mit Blick auf die vorsorglich erklärte ordentliche Kündigung, zu Fall zubringen. Das reicht als Revisionsangriff aus, ohne dass es auf die Verfahrensrügen des beklagten Landes ankäme.

19

B. Die Revision ist begründet. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen durfte das Landesarbeitsgericht der Klage nicht stattgeben. Der Senat kann mangels zureichender Tatsachenfeststellungen nicht beurteilen, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche fristlose Kündigung vom 18. April 2013 aufgelöst worden ist.

20

I. Die bisherigen Feststellungen tragen nicht das Ergebnis, ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB liege nicht vor.

21

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“ und damit typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 16; 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 19 mwN).

22

2. Die Prüfung der Voraussetzungen des wichtigen Grundes ist in erster Linie Sache der Tatsacheninstanzen. Dennoch geht es um Rechtsanwendung, nicht um bloße Tatsachenfeststellung. Die Würdigung des Berufungsgerichts wird in der Revisionsinstanz darauf hin überprüft, ob es anzuwendende Rechtsbegriffe in ihrer allgemeinen Bedeutung verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (BAG 26. September 2013 - 2 AZR 682/12 - Rn. 45, BAGE 146, 161; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 17, BAGE 134, 349).

23

3. Dieser Überprüfung hält die angefochtene Entscheidung nicht stand.

24

a) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die fristlose Kündigung sei nicht als sog. Verdachtskündigung gerechtfertigt (zu dieser und ihren Voraussetzungen vgl. BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 20; 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 16 mwN). Dagegen wendet sich das beklagte Land nicht. Ein Rechtsfehler ist auch objektiv - im Ergebnis - nicht zu erkennen.

25

aa) Will der Arbeitgeber seine Kündigung auf den dringenden Verdacht einer erheblichen arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung stützen, muss er dies dem Betriebs- oder Personalrat mitteilen und die Umstände angeben, aus denen sich dieser Verdacht ergeben soll. Informiert er das Gremium lediglich über eine - aus seiner Sicht tatsächlich erfolgte - Vertragspflichtverletzung des Arbeitnehmers, kann er sich im späteren Kündigungsschutzprozess zur Begründung der Kündigung nicht mehr auf den bloßen Verdacht einer entsprechenden Handlung stützen, wenn ihm die Verdachtsmomente bei Ausspruch der Kündigung bereits bekannt waren (für die Anhörung des Betriebsrats vgl. BAG 18. Juni 2015 - 2 AZR 256/14 - Rn. 47; 23. April 2008 - 2 ABR 71/07 - Rn. 24 mwN; für die Beteiligung des Personalrats nach § 79 Abs. 1 Satz 1 BPersVG vgl. BAG 10. April 2014 - 2 AZR 684/13 - Rn. 21). Nur wenn dem Arbeitgeber nachträglich neue Verdachtstatsachen bekannt geworden sind, ist ein Nachschieben des Verdachts als Kündigungsgrund - zumindest dann, wenn die maßgebenden Verdachtsmomente objektiv schon vor Zugang der Kündigung vorlagen - möglich. Weitere Voraussetzung ist, dass der Arbeitgeber den Betriebs- bzw. Personalrat zuvor in analoger Anwendung der maßgebenden Bestimmungen zu seiner entsprechenden Absicht angehört hat (vgl. BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 32; 11. April 1985 - 2 AZR 239/84 - zu B I 2 b ee der Gründe, BAGE 49, 39).

26

bb) Das Vorbringen des beklagten Landes lässt nicht den Schluss zu, es habe den Personalrat vor Zugang der Kündigung über seine Absicht unterrichtet, das Arbeitsverhältnis (auch) wegen des Verdachts einer pflichtwidrigen Handlung zu kündigen. Die Anschreiben an den Personalrat vom 16. und 18. April 2013 enthalten keine entsprechende Mitteilung. Das beklagte Land hat nicht geltend gemacht, dass ihm einzelne der in den Rechtsstreit eingeführten Verdachtstatsachen erst nach Zugang der Kündigung bekannt geworden seien. Dafür spricht auch objektiv nichts.

27

b) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Kündigung sei auch unter dem Gesichtspunkt einer verwirklichten Pflichtverletzung - dh. einer „Tat“ - nicht berechtigt, ist rechtsfehlerhaft. Ihr ist schon nicht zu entnehmen, welchen tatsächlichen Sachverhalt das Landesarbeitsgericht seiner Beurteilung zugrunde gelegt hat.

28

aa) Im Tatbestand der angefochtenen Entscheidung hat sich das Landesarbeitsgericht in weiten Teilen auf die Wiedergabe von Vermerken des beklagten Landes beschränkt. Ob es die darin festgehaltenen Umstände einschließlich der Äußerungen des Klägers für wahr erachtet hat, ist nicht zweifelsfrei erkennbar.

29

bb) In den Entscheidungsgründen hat das Landesarbeitsgericht unter Wiederholung der Erwägungen des Arbeitsgerichts ausgeführt, trotz Vorliegens „gewisser Verdachtsmomente“ sei es letztlich eine unbewiesene Behauptung des beklagten Landes, es seien (alle) vorgefundenen Privatdateien dem Kläger zuzurechnen, dieser (allein) habe die Privatnutzungen und damit auch mögliche (nach § 106 UrhG strafbare) Vervielfältigungen und Brennvorgänge vorgenommen bzw. durchgeführt. Keiner der dokumentierten Vorgänge lasse sich einzelnen Personen - etwa dem Kläger - zuordnen. Es sei auch „nicht bewiesen“, dass es gerade dieser gewesen sei, der die Kopierprogramme installiert habe. „Allein die Tatsache“, dass zahlreiche dokumentierte „Vorgänge“ Zeiten beträfen, während derer sich der Kläger nicht am Arbeitsplatz aufgehalten habe, beweise, dass andere Personen sowohl Zugriff auf den Rechner gehabt hätten als auch in der Lage gewesen seien, die Kopierprogramme zu nutzen. Auch diesen Ausführungen ist nicht zu entnehmen, von welchem konkreten, seiner Meinung nach feststehenden Sachverhalt das Landesarbeitsgericht ausgegangen ist. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, worin es die - für nicht ausreichend erachteten - „Verdachtsmomente“ erblickt hat.

30

c) Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts kann selbst dann keinen Bestand haben, wenn unterstellt wird, es habe den Inhalt der Vermerke und das sonstige Vorbringen des beklagten Landes als wahr unterstellt. Unter dieser Prämisse verletzt seine Würdigung die Vorschrift des § 626 Abs. 1 BGB. Es fehlt an einer nachprüfbaren Unterordnung des behaupteten Kündigungssachverhalts unter die Norm.

31

aa) Die Beurteilung des Landesarbeitsgerichts, die Kündigung sei auch als sog. Tatkündigung nicht berechtigt, ist schon im Ansatz nicht nachzuvollziehen. Sie lässt nicht erkennen, wie es den von der Beklagten unterbreiteten Kündigungssachverhalt materiell-rechtlich eingeordnet, dh. welche konkreten, möglicherweise als wichtiger Grund geeigneten Pflichtverletzungen es in Betracht gezogen hat. Zudem ist nicht erkennbar, dass es seine Würdigung in tatsächlicher Hinsicht auf alle in Frage kommenden Kündigungsgründe ausgerichtet hätte.

32

(1) Nach dem Vorbringen des beklagten Landes kommt eine Berechtigung der fristlosen Kündigung unter mehreren Gesichtspunkten in Betracht. Vorrangig erhebt das Land den Vorwurf, der Kläger habe - sei es als Allein-, sei es als Mittäter - wiederholt unter Nutzung dienstlicher Ressourcen urheberrechtswidrig Musik- und Audiodateien vervielfältigt. Ein solches Verhalten ist als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB „an sich“ geeignet. Ein Arbeitgeber hat, zumal wenn es sich bei ihm um eine Justizbehörde handelt, ein offenkundiges Interesse daran, dass nicht dienstliche Rechner dazu benutzt werden, unter Umgehung eines Kopierschutzes Vervielfältigungen privat beschaffter Musik- oder Film-CDs/DVDs herzustellen. Das gilt losgelöst von einer möglichen Strafbarkeit der Vorgänge (zur Problematik vgl. Treppehl/Schmidl NZA 2009, 985 ff.) und unabhängig davon, ob die Handlungen während der Arbeitszeit vorgenommen wurden. Eine Strafbarkeit der Kopier- und Brennvorgänge oder ein damit einhergehender „Arbeitszeitbetrug“ wäre allerdings geeignet, das Gewicht des Kündigungsgrundes noch zu verstärken. Dies wiederum kann für das Erfordernis einer Abmahnung und die weitere Interessenabwägung Bedeutung gewinnen. Darüber hinaus kann die dem Kläger angelastete zweckwidrige Verwendung von CD- und/oder DVD-Rohlingen, die auf Kosten des beklagten Landes bestellt wurden, als eigenständiger Kündigungsgrund Bedeutung erlangen.

33

(2) Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts lassen nicht erkennen, dass es die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung unter jedem dieser Gesichtspunkte überprüft und seine Würdigung - soweit es „Verdachtsmomente“ gewichtet hat - hierauf ausgerichtet hätte.

34

bb) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, das beklagte Land habe weder eine strafbare Urheberrechtsverletzung noch eine ähnlich schwerwiegende Vertragspflichtverletzung nachgewiesen, ist auch aus anderen Gründen rechtsfehlerhaft.

35

(1) Gemäß § 286 Abs. 1 ZPO haben die Tatsacheninstanzen unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer ggf. durchgeführten Beweisaufnahme nach ihrer freien Überzeugung darüber zu befinden, ob sie eine tatsächliche Behauptung für wahr erachten oder nicht. Die Beweiswürdigung muss vollständig, widerspruchsfrei und umfassend sein. Mögliche Zweifel müssen überwunden, brauchen aber nicht völlig ausgeschlossen zu werden (vgl. BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 44; 31. Mai 2007 - 2 AZR 276/06 - Rn. 42, BAGE 123, 1). Soll ein Vortrag mittels Indizien bewiesen werden, hat das Gericht zu prüfen, ob es die vorgetragenen Hilfstatsachen - deren Richtigkeit unterstellt - von der Wahrheit der Haupttatsache überzeugen. Das Gericht hat die insoweit maßgebenden Umstände vollständig und verfahrensrechtlich einwandfrei zu ermitteln und alle Beweisanzeichen erschöpfend zu würdigen (BGH 16. Januar 1990 - VI ZR 109/89 - zu II 2 der Gründe; 4. Juli 1989 - VI ZR 309/88 - zu II 2 der Gründe). Dabei sind die Tatsacheninstanzen grundsätzlich frei darin, welche Beweiskraft sie den behaupteten Indiztatsachen im Einzelnen und in einer Gesamtschau beimessen (BAG 18. Juni 2015 - 2 AZR 480/14 - Rn. 35; allgemein zum Indizienbeweis BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 43). Revisionsrechtlich ist ihre Würdigung allein darauf hin zu überprüfen, ob alle Umstände vollständig berücksichtigt und nicht Denk- und Erfahrungsgrundsätze verletzt wurden. Um diese Überprüfung zu ermöglichen, haben die Tatsachengerichte nach § 286 Abs. 1 Satz 2 ZPO die wesentlichen Grundlagen ihrer Überzeugungsbildung nachvollziehbar darzulegen(BAG 19. April 2005 - 9 AZR 184/04 - zu II 3 der Gründe; BGH 31. Juli 2013 - VII ZR 11/12 - Rn. 10; 22. November 2006 - IV ZR 21/05 - Rn. 11; 22. Januar 1991 - VI ZR 97/90 - zu II 1 der Gründe).

36

(2) Danach rügt das beklagte Land zu Recht eine Verletzung von § 286 ZPO. Der Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist nicht zu entnehmen, welche möglichen Indiztatsachen („Verdachtsmomente“) es in seine Beurteilung einbezogen und welchen Beweiswert es ihnen beigemessen hat. Damit ist nicht erkennbar, ob es den Vortrag des beklagten Landes vollständig zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat.

37

(3) Der Annahme eines wichtigen Grundes steht nicht entgegen, dass das beklagte Land den Sachverhalt - jedenfalls bis zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung - selbst ermittelt hat. Das mindert weder den Beweiswert der in Rede stehenden Indizien, noch ist die Kündigung deshalb unwirksam, weil polizeiliche oder staatsanwaltschaftliche Ermittlungen möglicherweise zu weitergehenden Ergebnissen geführt hätten. Soweit das Landesarbeitsgericht gemeint hat, das beklagte Land habe zu bestimmten, potentiell entlastenden Umständen nicht ausreichend vorgetragen, wird seine Rechtsanwendung überdies der den Kläger insoweit treffenden abgestuften Darlegungslast (§ 138 Abs. 2 ZPO) nicht gerecht.

38

(a) Die Rechtfertigung einer „Tatkündigung“ hängt allein davon ab, ob im Kündigungszeitpunkt objektiv Tatsachen vorlagen, die zu der Annahme berechtigen, dem Kündigenden sei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses - im Fall der außerordentlichen Kündigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - unzumutbar gewesen. Vor diesem Hintergrund mag eine umfassende, der Kündigung vorausgehende Sachverhaltsaufklärung im eigenen Interesse des Arbeitgebers liegen. Unterlässt er sie, geht er aber „nur“ das Risiko ein, die behauptete Pflichtverletzung im Prozess nicht beweisen zu können. Anders als bei der Verdachtskündigung ist der Arbeitgeber vor Ausspruch einer „Tatkündigung“ nicht verpflichtet, alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts - auch mit Blick auf den Arbeitnehmer möglicherweise entlastende Umstände - zu unternehmen. Ob der behauptete Kündigungsgrund vorliegt, beurteilt sich allein danach, ob die ihn tragenden und im Prozess mitgeteilten Tatsachen bewiesen sind oder nicht (vgl. BAG 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 57, BAGE 131, 155; 18. September 1997 - 2 AZR 36/97 - zu II 2 a der Gründe; zur Verdachtskündigung siehe demgegenüber BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 700/11 - Rn. 13 mwN, BAGE 143, 244). Im Übrigen braucht der Arbeitgeber selbst bei der Verdachtskündigung nicht jeder noch so entfernten Möglichkeit einer Entlastung des Arbeitnehmers nachzugehen, insbesondere dann nicht, wenn sich der Arbeitnehmer im Rahmen seiner Anhörung auf entsprechende Umstände nicht berufen hat.

39

(b) Auf der Grundlage des bisherigen Parteivorbringens durfte das Landesarbeitsgericht nicht davon ausgehen, das beklagte Land sei seiner prozessualen Darlegungslast mit Blick auf mögliche Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe nicht hinreichend nachgekommen.

40

(aa) Im Kündigungsschutzprozess obliegt dem Arbeitgeber die volle Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Kündigungsgrundes (BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 75/13 - Rn. 30, BAGE 148, 129). Für Umstände, die das Verhalten des Arbeitnehmers rechtfertigen oder entschuldigen könnten, ist seine Darlegungslast allerdings abgestuft. Der Arbeitgeber darf sich zunächst darauf beschränken, den objektiven Tatbestand einer Arbeitspflichtverletzung vorzutragen. Er muss nicht jeden erdenklichen Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund vorbeugend ausschließen (BAG 3. November 2011 - 2 AZR 748/10 - Rn. 23; 21. Mai 1992 - 2 AZR 10/92 - zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 70, 262). Es ist vielmehr Sache des Arbeitnehmers, für das Eingreifen solcher Gründe - soweit sie sich nicht unmittelbar aufdrängen - zumindest greifbare Anhaltspunkte zu benennen.

41

(bb) Schon auf der Tatbestandsebene des wichtigen Grundes kann den Arbeitnehmer darüber hinaus eine sekundäre Darlegungslast treffen. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber als primär darlegungsbelastete Partei außerhalb des fraglichen Geschehensablaufs steht, während der Arbeitnehmer aufgrund seiner Sachnähe die wesentlichen Tatsachen kennt. In einer solchen Situation kann der Arbeitnehmer gehalten sein, dem Arbeitgeber durch nähere Angaben weiteren Sachvortrag zu ermöglichen (BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 694/11 - Rn. 52, BAGE 142, 188; 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - Rn. 31). Kommt er in einer solchen Prozesslage seiner sekundären Darlegungslast nicht nach, gilt das tatsächliche Vorbringen des Arbeitgebers - soweit es nicht völlig „aus der Luft gegriffen“ ist - iSv. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden(vgl. BAG 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - aaO). Dabei dürfen an die sekundäre Behauptungslast des Arbeitnehmers keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Sie dient lediglich dazu, es dem kündigenden Arbeitgeber als primär darlegungs- und beweispflichtiger Partei zu ermöglichen, weitere Nachforschungen anzustellen und sodann substantiiert zum Kündigungsgrund vorzutragen und ggf. Beweis anzutreten (zu den Einzelheiten vgl. BAG 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - Rn. 33).

42

(cc) Danach musste das beklagte Land nicht von sich aus denkbare Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe auf Seiten des Klägers ausschließen. Die gegenteilige Sichtweise des Landesarbeitsgerichts überspannt die Anforderungen an die Darlegungslast des Arbeitgebers und geht von einer Ermittlungspflicht aus, die zumindest bei einer „Tatkündigung“ nicht besteht.

43

(dd) Das Landesarbeitsgericht hat zwar einzelne Gesichtspunkte angesprochen, die einer weiteren Aufklärung zugänglich gewesen sein sollen. Es hat aber nicht aufgezeigt, warum sie einer möglichen Entlastung des Klägers hätten dienen können. Das ist auch nicht unmittelbar ersichtlich.

44

(aaa) Das Landesarbeitsgericht hat auf Äußerungen anderer Bediensteter verwiesen, die ausweislich vorliegender Besprechungsvermerke eingeräumt hätten, „an den hier streitgegenständlichen Geschehnissen im OLG“ beteiligt gewesen zu sein. Der im gleichen Dienstzimmer wie der Kläger tätige Justizhauptsekretär habe „sozusagen“ in Teilen ein „Geständnis“ abgelegt. Weshalb diese Erklärungen den Vorwurf sollten entkräften können, der Kläger habe während seiner Anwesenheitszeiten im Gericht in erheblichem Umfang Kopier- und Brennvorgänge eigenhändig vorgenommen, erschließt sich nicht. Das gilt erst recht unter Berücksichtigung des Vorhalts des beklagten Landes, der Kläger habe mit anderen Bediensteten arbeitsteilig zusammengewirkt oder sie bei ihrem pflichtwidrigen Verhalten maßgeblich unterstützt. Ebenso wenig erschließt sich die Relevanz der Äußerungen mit Blick auf den Vorwurf, der Kläger habe in erheblichem Umfang Verbrauchsmaterialien auf Kosten des beklagten Landes bestellt, ohne dass dafür ein dienstlicher Anlass bestanden hätte und ihr Verbleib geklärt wäre.

45

(bbb) Der Kläger hat - soweit ersichtlich - nicht behauptet, der Inhalt eines bei der Geschäftsprüfung im Schrank eines anderen Bediensteten vorgefundenen, verschlossenen Kartons habe zu seiner Entlastung beitragen können. Es ist deshalb nicht ersichtlich, inwieweit das Unterbleiben einer Aufklärung dem beklagten Land zum Nachteil gereichen könnte. Die Erwägungen des Landesarbeitsgerichts bewegen sich im Bereich der Spekulation.

46

(ccc) Soweit das Landesarbeitsgericht „Erläuterungen“ zu den Aufgaben des Klägers, insbesondere hinsichtlich einer „technischen Unterstützung der Nutzer des Hauses“ und zur Verteilung der Aufgaben und Verantwortlichkeiten auf insgesamt vier Administratoren vermisst hat, bleiben seine Ausführungen im Vagen haften. Es hat nicht festgestellt, dass beim Kläger aufgrund der ihm eingeräumten Befugnisse der Eindruck habe entstehen können, er dürfe im Dienst auf dienstlichen Rechnern unter Umgehung von Kopierschutz Vervielfältigungen privat beschaffter CDs und DVDs vornehmen und Verbrauchsmaterialien in erheblichem Umfang zu ausschließlich privaten Zwecken bestellen und verwenden oder sie Dritten zur privaten Nutzung überlassen. Eine solche Annahme liegt auch fern. Das Gleiche gilt für die Behauptung des Klägers, ein zwischenzeitlich außer Dienst getretener Referatsleiter habe ihm erlaubt, sich während der Arbeitszeit um die „Privatrechner“ der Bediensteten und ihrer Angehörigen „zu kümmern“. Daraus durfte der Kläger jedenfalls nicht schließen, er habe urheberrechtsverletzende Kopier- und Brennvorgänge auf dienstlichen Computern vornehmen und dienstliche Materialien privat verwenden dürfen. Auf die Verfahrensrüge, mit der sich das beklagte Land gegen die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zum Inhalt der fraglichen Erlaubnis wendet, kommt es hierfür nicht an.

47

(ddd) Unklar bleibt, welche den Kläger entlastenden Schlussfolgerungen daraus zu ziehen sein sollen, dass die in Rede stehende Nutzung des „Test-Rechners“ lange Zeit unbemerkt blieb. Die entsprechende Erwägung des Landesarbeitsgerichts berücksichtigt zudem nicht, dass das beanstandete Verhalten des Klägers auf Heimlichkeit angelegt und der fragliche Computer an das Netzwerk des Oberlandesgerichts nicht angeschlossen war.

48

(eee) Das beklagte Land hat unter Beweisantritt vorgebracht, der Kläger sei für die Verwaltung des „ADV-Depots“ zuständig und für die Bestellung der „EDV-Verbrauchsmittel“ verantwortlich gewesen. Es hat die Anzahl der von ihm ermittelten Bestellungen für die Zeit von Juli 2008 bis Dezember 2012 genannt und dem die Behauptung des Klägers gegenüber gestellt, bei ihm seien „seit Einführung von Juris“ - wohl im Jahr 2006 - „kaum“ DVDs und CDs „von Bediensteten“ abgefordert worden. Außerdem hat es auf den Geschäftsprüfungsbericht und dessen Anlage 3 verwiesen und behauptet, daraus gehe hervor, dass im fraglichen Zeitraum für das Oberlandesgericht mehr als die doppelte Zahl von CD- und DVD-Rohlingen bestellt worden sei als für die in M ansässige „ADV-Stelle Justiz“. Zudem hat es behauptet, der Kläger habe die Verbrauchsmaterialien unter Verschluss gehalten, soweit er sie nicht an Dritte herausgegeben habe, und habe erklärt, zum Verbleib der Materialien keine Angaben machen zu können. Das Landesarbeitsgericht hat sich mit diesem Vorbringen nicht auseinandergesetzt. Es hat sich darauf beschränkt, pauschal auf die Möglichkeit weiterer Ermittlungen zu „Bestellvorgänge[n], Zeichnung und Gegenzeichnung unter Beteiligung welcher Bediensteter des OLG, ggf. nebst Kostenvergleichen anderer vergleichbarer Behörden“ zu verweisen. Dem Hinweis ist nicht zu entnehmen, dass - und ggf. warum - es den Vortrag des beklagten Landes selbst unter der Prämisse für erläuterungsbedürftig erachtet hat, er sei wahr.

49

(fff) Es kommt hinzu, dass der Kläger laut Gesprächsvermerk vom 17. April 2013 eingeräumt haben soll, er habe - wie andere Bedienstete auch - „natürlich auch kopiert“. Im Prozess hat er vorgetragen, „die Programme … gelegentlich“ privat genutzt zu haben, nur nicht in dem vom beklagten Land behaupteten Umfang und nicht in „illegaler“ Weise. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts berücksichtigt nicht, dass der Kläger damit der ihn treffenden sekundären Behauptungslast nicht nachgekommen ist. Die Kopiervorgänge bewegten sich nach der Behauptung des beklagten Landes außerhalb des Wahrnehmungsbereichs seiner Repräsentanten. Das Gegenteil hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt; der Sachvortrag des Klägers gibt insoweit nichts her. Er hätte deshalb konkretisieren müssen, was er unter „gelegentlichen“ Kopiervorgängen versteht. Außerdem hätte er - unter Ausschöpfung seines Erinnerungsvermögens - beschreiben müssen, um Kopien welcher Musik-/Film-CDs/DVDs es sich gehandelt habe, welche Programme er dafür eingesetzt und welche „Rohlinge“ er genutzt habe. Ebenso wenig durfte das Landesarbeitsgericht annehmen, dem Kläger seien die auf dem „Test-Rechner“ erfolgten Brenn- und Kopiervorgänge nicht zweifelsfrei zuzurechnen, ohne sich mit der Frage befasst zu haben, welche Rückschlüsse aus der Erklärung des Klägers vom 17. April 2013, „alles, was auf dem Rechner bezüglich der DVDs [sei], habe [er] gemacht“, und dem Umstand zu ziehen sind, dass er von dieser Äußerung später wieder Abstand genommen hat. Soweit das Landesarbeitsgericht gemeint hat, die behauptete Aussage eines anderen Bediensteten vom 22. April 2013, „CDs und DVDs im mittleren dreistelligen Bereich gebrannt [zu haben]“, sei „möglicherweise“ geeignet, den Kläger zu entlasten, fehlt es an einer eindeutigen richterlichen Würdigung. Auch dürfte eine wie auch immer geartete „Entlastung“ angesichts des in Rede stehenden Umfangs der Kopier- und Brennvorgänge und der behaupteten ausschließlichen Verwaltung der Rohlinge durch den Kläger schwerlich begründbar sein. Näher liegt es - wie das Landesarbeitsgericht an anderer Stelle selbst ausgeführt hat - in den fraglichen Umständen Anhaltspunkte für ein mittäterschaftliches Zusammenwirken zu erblicken. Dann wiederum könnte sich der Kläger nach dem Rechtsgedanken des § 830 BGB ohnehin nicht darauf beschränken vorzutragen, er wisse nicht mehr, welche Taten von wem begangen worden seien(ähnlich BAG 5. März 1981 - 3 AZR 559/78 - zu II 3 a der Gründe).

50

II. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Beidem unterliegt auch die Entscheidung über die vorsorglich erklärte ordentliche Kündigung und den (Hilfs-)Antrag des Klägers auf vorläufige Weiterbeschäftigung.

51

1. Der Senat kann nicht abschließend beurteilen, ob ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB vorliegt. Das Landesarbeitsgericht hat den Kündigungssachverhalt nicht festgestellt und an der Norm des § 626 Abs. 1 BGB gemessen. Die erforderliche Beurteilung kann der Senat nicht selbst vornehmen. Sie verlangt weitere Sachaufklärung. In Anbetracht der Vielzahl der gegen den Kläger sprechenden Indizien ist nicht auszuschließen, dass sich die gegen ihn erhobenen Vorwürfe als berechtigt erweisen.

52

2. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar. Seine Auffassung, das beklagte Land habe die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt und den Personalrat nicht ordnungsgemäß beteiligt, ist rechtsfehlerhaft.

53

a) Die außerordentliche Kündigung ist auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht außerhalb der Frist des § 626 Abs. 2 BGB erklärt worden.

54

aa) Die Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB beginnt nach Satz 2 der Vorschrift mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist der Fall, sobald er eine zuverlässige und hinreichend vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht. Selbst eine grob fahrlässige Unkenntnis setzt die Frist nicht in Gang (BAG 12. Februar 2015 - 6 AZR 845/13 - Rn. 94 mwN; 22. November 2012 - 2 AZR 732/11 - Rn. 30 mwN). Zu den maßgebenden Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen die Kündigung sprechenden Umstände. Der Kündigungsberechtigte, der gewisse Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Ermittlungen anstellen und dazu auch den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen begänne. Dies gilt allerdings nur solange, wie er aus verständigen Gründen und mit der gebotenen Eile Ermittlungen durchführt, die ihm eine umfassende und zuverlässige Kenntnis des Kündigungssachverhalts verschaffen sollen. Soll der Kündigungsgegner angehört werden, muss dies innerhalb einer kurzen Frist erfolgen. Sie darf im Allgemeinen nicht mehr als eine Woche betragen und nur bei Vorliegen besonderer Umstände überschritten werden (BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 407/13 - Rn. 40; 20. März 2014 - 2 AZR 1037/12 - Rn. 14). Für die übrigen Ermittlungen gilt keine Regelfrist. Bei ihnen ist fallbezogen zu beurteilen, ob sie hinreichend zügig betrieben wurden (BAG 31. März 1993 - 2 AZR 492/92 - zu II 1 der Gründe, BAGE 73, 42; 10. Juni 1988 - 2 AZR 25/88 - zu III 3 c der Gründe).

55

bb) Neben den Mitgliedern der Organe von juristischen Personen und Körperschaften gehören zu den Kündigungsberechtigten auch die Mitarbeiter, denen der Arbeitgeber das Recht zur außerordentlichen Kündigung übertragen hat. Dagegen ist die Kenntnis anderer Personen für den Lauf der Ausschlussfrist grundsätzlich unbeachtlich. Dies gilt auch dann, wenn ihnen Aufsichtsfunktionen übertragen worden sind. Nur ausnahmsweise muss sich der Arbeitgeber auch ihre Kenntnis nach Treu und Glauben zurechnen lassen. Dazu müssen diese Personen eine herausgehobene Position und Funktion im Betrieb oder in der Verwaltung innehaben sowie tatsächlich und rechtlich in der Lage sein, den Sachverhalt so umfassend zu klären, dass mit ihrem Bericht an den Kündigungsberechtigten dieser ohne weitere Nachforschungen seine (Kündigungs-)Entscheidung abgewogen treffen kann. Voraussetzung dafür, dem Arbeitgeber solche Kenntnisse zuzurechnen, ist ferner, dass die Verspätung, mit der er in eigener Person Kenntnis erlangt hat, auf einer unsachgemäßen Organisation des Betriebs oder der Verwaltung beruht (BAG 21. Februar 2013 - 2 AZR 433/12 - Rn. 28; 23. Oktober 2008 - 2 AZR 388/07 - Rn. 22).

56

cc) Diese Vorgaben hat das Landesarbeitsgericht nicht beachtet.

57

(1) Die Kündigungsbefugnis lag nach Teil 3 Ziff. 12.3 Satz 1 PersBef-AV iVm. Teil 1 Ziff. 2 Satz 1 Buchst. a PersBef-AV beim Präsidenten des Oberlandesgerichts. Gemäß dem - streitigen - Vorbringen des beklagten Landes ist dieser am 11. April 2013 über die Vorgänge und das Ergebnis der Ermittlungen in Kenntnis gesetzt worden. Dann wäre die Erklärungsfrist bei Zugang der Kündigung am 22. April 2013 allemal gewahrt gewesen. Den bisherigen Feststellungen ist nicht zu entnehmen, dass eine nicht kündigungsberechtigte Person schon vor dem 11. April 2013 von den Kündigungsgründen Kenntnis erlangt und eine Funktion innegehabt hätte, die es rechtlich erlaubte, ihre Kenntnisse dem Präsidenten des Oberlandesgerichts zuzurechnen.

58

(2) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, das beklagte Land habe Ermittlungen nicht mit der gebotenen Eile durchgeführt, verletzt § 626 Abs. 2 BGB iVm. § 138 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO. Die Würdigung verkennt die Voraussetzungen, unter denen Ermittlungen als „zügig“ anzusehen sind. Überdies hat es zu hohe Anforderungen an den betreffenden Sachvortrag des beklagten Landes gestellt.

59

(a) Soweit das Landesarbeitsgericht darauf abhebt, das beklagte Land habe umgehend die Strafverfolgungsbehörden einschalten und - ohne Nachteile mit Blick auf die Frist des § 626 Abs. 2 BGB befürchten zu müssen - den Aus- und Fortgang des Ermittlungs- und Strafverfahrens abwarten können, ist dies zwar zutreffend(vgl. BAG 22. November 2012 - 2 AZR 732/11 - Rn. 31; 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 16, BAGE 137, 54). Daraus folgt für das Land aber keine Beschränkung in der Wahl seiner Mittel zur Aufklärung. Dem Arbeitgeber steht es frei, eigene Ermittlungen anzustellen und die Strafverfolgungsbehörden nicht unmittelbar einzuschalten. Auch „private“ Ermittlungen hemmen - zügig vorangetrieben - den Lauf der Frist.

60

(b) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, das beklagte Land habe den Kläger nicht binnen Wochenfrist angehört, ist nicht nachvollziehbar. Es fehlt an Feststellungen, wann diese Frist zu laufen begonnen habe. Falls der Präsident des Oberlandesgerichts - wie vom beklagten Land behauptet - erst am 11. April 2013 Kenntnis erlangt hat, wäre die Wochenfrist mit der Anhörung vom 17. April 2013 eingehalten.

61

(c) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, das insoweit darlegungsbelastete Land (vgl. dazu BAG 1. Februar 2007 - 2 AZR 333/06 - Rn. 21) habe nicht aufgezeigt, dass es die Ermittlungen nach Durchführung der Geschäftsprüfung zügig vorangetrieben habe, ist nicht tragfähig. Das beklagte Land hat geltend gemacht, es sei erst aufgrund einer außerhalb des Oberlandesgerichts durchgeführten Überprüfung der vom Kläger genutzten Rechner und Festplatten in der Lage gewesen, das Ausmaß der Privatnutzung zu bestimmen. Dies habe bis zum 8. April 2013 Zeit beansprucht, weil Hardware nach M habe verbracht und umfangreiches Datenmaterial, teils unter Wiederherstellung gelöschter Dateien, habe gesichtet werden müssen. Außerdem seien die Osterfeiertage in die Zeit gefallen. Die Ausführungen sind geeignet, die Dauer der Untersuchung plausibel zu machen. Unter Berücksichtigung der wenigen zusätzlichen Tage, welche die Erstellung des Prüfberichts in Anspruch genommen hat, ergeben sich auf der Basis der bisherigen Feststellungen keine Anhaltspunkte für ein nur zögerliches Vorantreiben der Ermittlungen.

62

b) Die außerordentliche Kündigung vom 18. April 2013 ist nicht mangels ordnungsgemäßer Anhörung des Personalrats nach § 108 Abs. 2 BPersVG, § 67 Abs. 2 Satz 4 PersVG LSA unwirksam.

63

aa) Gemäß § 67 Abs. 2 Satz 1 PersVG LSA ist der Personalrat vor der außerordentlichen Kündigung eines Arbeitnehmers anzuhören. Die Leitung der Dienststelle hat die beabsichtigte Maßnahme nach § 67 Abs. 2 Satz 2 PersVG LSA zu begründen. Insoweit gelten die gleichen Anforderungen wie an eine Anhörung des Betriebsrats gemäß § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG(vgl. BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 57 mwN). Nach dem Grundsatz der subjektiven Determinierung muss der Arbeitgeber dem Personalrat die Umstände mitteilen, die seinen Kündigungsentschluss tatsächlich bestimmt haben. Dem kommt er dann nicht nach, wenn er ihm einen schon aus seiner eigenen Sicht unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt darstellt. Zu einer vollständigen und wahrheitsgemäßen Information gehört darüber hinaus die Unterrichtung über Tatsachen, die ihm - dem Arbeitgeber - bekannt und für eine Stellungnahme des Betriebsrats möglicherweise bedeutsam sind, weil sie den Arbeitnehmer entlasten und deshalb gegen eine Kündigung sprechen können (BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 736/13 - Rn. 14; 19. Juli 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn. 41 mwN, BAGE 142, 339).

64

bb) Nach diesen Grundsätzen war die Anhörung zur fristlosen Kündigung mit Schreiben vom 16. April 2013 ordnungsgemäß.

65

(1) Dem Personalrat war das Ergebnis der Geschäftsprüfung vom 14. März 2013 unter Vorlage des betreffenden Vermerks zur Kenntnis gebracht worden. Im Anhörungsschreiben selbst heißt es, hieraus ergebe sich eine „ausschweifende“ Privatnutzung des dienstlichen Rechners unter Verwendung eines den Kopierschutz umgehenden Programms während der Dienstzeit und ein nicht erklärlicher Umgang mit dienstlich bestelltem Material (DVDs und CDs). Ungeachtet der Frage, ob es einer solchen Information bedarf (vgl. KR-Etzel 10. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 64; APS-Koch 4. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 129), konnte der Personalrat nach den ihm erteilten Informationen nachvollziehen, dass das beklagte Land der eigenen Ansicht zufolge den Kündigungssachverhalt jedenfalls nicht vor dem 8. April 2013 erfassen konnte. Der Personalrat vermochte sich anhand dessen ein eigenes Bild von der Einhaltung der Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB zu verschaffen. Das reicht aus. Eine nähere Begründung der den Kündigungsentschluss tragenden Abwägung ist wegen des Grundsatzes der subjektiven Determinierung regelmäßig nicht erforderlich. Die Anhörung zu der Absicht, das Arbeitsverhältnis (fristlos) zu kündigen, impliziert eine Abwägung zu Lasten des Arbeitnehmers (BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 736/13 - Rn. 15; 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 27, BAGE 146, 303).

66

(2) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die Anhörung nicht deshalb unvollständig, weil das beklagte Land es unterlassen hat, den Personalrat über den Inhalt eines am 22. April 2013 mit einem anderen Bediensteten geführten Personalgesprächs zu unterrichten. Dabei kann zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass diese Unterredung vor Übergabe des Kündigungsschreibens stattfand und sich aus der Einlassung des Bediensteten Anhaltspunkte dafür ergaben, dass dieser Kopier- und Brennvorgänge im Zusammenwirken mit ihm - dem Kläger - durchgeführt hat. Das beklagte Land ging bei Einleitung des Anhörungsverfahrens - für den Personalrat erkennbar - davon aus, der Kläger selbst habe das fragliche Programm wiederholt zu privaten Zwecken während der Dienstzeit genutzt. Sowohl aus der subjektiven Sicht des beklagten Landes als auch aus objektiver Sicht handelt es sich bei der aus dem Personalgespräch deutlich gewordenen Möglichkeit, der Kläger und der andere Bedienstete hätten zusammengewirkt, keineswegs um einen entlastenden Umstand, wie das Landesarbeitsgericht gemeint hat. Allein- und Mittäterschaft sind in ihrem Unrechtsgehalt gleichwertig und im Rahmen einer kündigungsrechtlichen Beurteilung regelmäßig gleich zu gewichten.

67

(3) Die Äußerungsfrist von drei Arbeitstagen (§ 67 Abs. 2 Satz 3 PersVG LSA) hat das beklagte Land - auch unter Berücksichtigung der dem Personalrat am 18. April 2013 unterbreiteten ergänzenden Informationen - gewahrt.

68

(a) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist dem Personalrat das Schreiben vom 16. April 2013 am selben Tag zugegangen. Gemäß § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 1 BGB lief die Frist von drei Arbeitstagen am 19. April 2013 (einem Freitag), 24:00 Uhr ab. Zwar wurde das Kündigungsschreiben bereits am 18. April 2013 ausgefertigt und dem Geschäftsleiter des Oberlandesgerichts als Erklärungsboten des beklagten Landes zwecks persönlicher Übergabe an den Kläger ausgehändigt. Ein Treffen zwischen dem Geschäftsleiter und dem Kläger war aber - schon zuvor - erst für den 22. April 2013 vereinbart worden. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte das Kündigungsschreiben den Machtbereich des Präsidenten des Oberlandesgerichts nicht verlassen und war es diesem möglich, die Kündigung anzuhalten, falls der Personalrat gewichtige und aus Sicht des beklagten Landes überzeugende Argumente gegen sie vorbrächte. Der Fall liegt insoweit nicht anders, als wenn der Präsident des Oberlandesgerichts das Kündigungsschreiben zwar am 18. April 2013 unterschrieben, jedoch bis zum 22. April 2013 weiter selbst verwahrt hätte.

69

(b) Das Anhörungsverfahren war bei Übergabe des Kündigungsschreibens an den Kläger - anders als dieser meint - nicht deshalb noch nicht abgeschlossen, weil das beklagte Land dem Personalrat mit Schreiben vom 18. April 2013 ergänzende Informationen hat zukommen lassen. Auf der Grundlage der Darlegungen des beklagten Landes ist davon auszugehen, dass das Anhörungsverfahren durch das vorbezeichnete Schreiben nicht neu in Gang gesetzt worden ist.

70

(aa) Vor Ausspruch der Kündigung kann der Arbeitgeber seine Informationen gegenüber dem Betriebs- oder Personalrat jederzeit ergänzen. Die Beurteilung, ob aufgrund der nachträglichen Unterrichtung die Äußerungsfrist neu anläuft, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Dabei ist auch auf den Gegenstand der nachgereichten Informationen Bedacht zu nehmen (vgl. BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 736/13 - Rn. 27).

71

(bb) Im Streitfall ist das Schreiben vom 18. April 2013 ausdrücklich als „Ergänzung“ und nicht, wie das Schreiben vom 16. April 2013, als „Anhörung“ bezeichnet worden. Bereits dies spricht gegen die Annahme, das beklagte Land habe das Verfahren neu in Gang setzen wollen. Eine andere Interpretation ist auch nicht wegen des Inhalts der zusätzlichen Informationen geboten. Mittels der Vorlage der protokollierten Kopiervorgänge und des Journals der Arbeitszeit wurden lediglich die im Schreiben vom 16. April 2013 bereits geschilderten Vorgänge vertiefend dargestellt und erläutert, nicht aber ein Sachverhalt unterbreitet, der den bisher bekannten Sachverhalt in einem gänzlich neuen Licht erscheinen ließe. Im Ergebnis nichts anderes gilt für die Unterrichtung über den Inhalt des mit dem Kläger am 17. April 2013 geführten Gesprächs und die ihm bis zum 18. April 2013, 9:00 Uhr eingeräumte Möglichkeit zur weitergehenden Stellungnahme. Auch diese Mitteilung diente der Vervollständigung der Information des Personalrats, nicht aber der Einführung eines neuen Sachverhalts. Das gilt jedenfalls mit Blick auf die hier interessierende „Tatkündigung“, bei der die Anhörung des Arbeitnehmers nicht Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung ist, und unter Berücksichtigung des Umstands, dass das Gespräch vom 17. April 2013 keine Erkenntnisse zutage förderte, die den Kläger entscheidend hätten entlasten können.

72

III. Bei der neuen Verhandlung wird das Landesarbeitsgericht zunächst zu prüfen und zu bewerten haben, ob ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB gegeben und ob die Frist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt ist. Dazu wird es die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben. Sollte es zu dem Ergebnis gelangen, die Kündigung sei iSv. § 626 BGB wirksam, wird es auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen davon ausgehen können, dass der Personalrat zur außerordentlichen Kündigung ordnungsgemäß beteiligt worden ist. Die Klage dürfte in diesem Fall abzuweisen sein, ohne dass der auf die ordentliche Kündigung bezogene Feststellungsantrag und der Antrag auf Weiterbeschäftigung noch zur Entscheidung anfielen. Sollte das Landesarbeitsgericht die Kündigung für unwirksam erachten, wird es über die ordentliche Kündigung zu befinden haben, je nach Ausgang dieses Streits auch über den (Hilfs-)Antrag des Klägers auf vorläufige Weiterbeschäftigung. Für die weitere Sachbehandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

73

1. Bei der Prüfung von § 626 Abs. 1 BGB wird das Landesarbeitsgericht - unter Berücksichtigung der zu B. I. und II. dargestellten Rechtsauffassung des Senats - zu würdigen haben, ob die vorgetragenen Indizien ausreichen, ihm die erforderliche Überzeugung zu vermitteln, der Kläger habe seine vertraglichen Pflichten verletzt. Über streitige Tatsachen wird ggf. Beweis zu erheben sein. Dabei hat sich das Gericht mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit zu begnügen, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig ausschließen zu müssen (BAG 29. Januar 2015 - 2 AZR 280/14 - Rn. 30 mwN; BGH 11. November 2014 - VI ZR 76/13 - Rn. 23 mwN).

74

2. Im Hinblick auf eine ggf. vorzunehmende Würdigung der Umstände des Einzelfalls und Interessenabwägung wird zu berücksichtigen sein, dass die vom Landesarbeitsgericht bisher - im Rahmen der Überprüfung der ordentlichen Kündigung - zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit angestellten Erwägungen nicht tragen.

75

a) Die Wertung, es habe deshalb einer Abmahnung bedurft, weil „fast alle Bediensteten einschließlich der Richterschaft […] offenbar von der Tätigkeit des Klägers profitiert und dieser auch nicht widersprochen [hätten]“ und daraus auf ein mangelndes Unrechtsbewusstsein - auch des Klägers - zu schließen sei, entbehrt der Tatsachenbasis. Es ist unklar, auf welche Handlungen des Klägers sich das Landesarbeitsgericht bezogen und welche Personen es vor Augen gehabt hat, die aus den nicht näher konkretisierten Aktivitäten des Klägers einen bisher nicht definierten Nutzen gezogen haben sollen.

76

b) Für die vom Landesarbeitsgericht mit Blick auf den Umgang mit beschäftigten Beamten ins Spiel gebrachte Heranziehung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes fehlt es an einer rechtlichen Grundlage. Zwar mögen bei der Interessenabwägung nach § 626 Abs. 1 BGB ähnliche Erwägungen anzustellen sein wie im Rahmen einer disziplinarrechtlichen Würdigung. Daraus kann aber nicht - wie das Landesarbeitsgericht offenbar gemeint hat - abgeleitet werden, der Arbeitgeber dürfe gegenüber einem Arbeitnehmer, der seine Pflichten in gemeinschaftlichem Zusammenwirken mit Beamten verletzt hat, nicht zum Mittel der Kündigung greifen, solange er nicht auch die Entlassung der Beamten initiiere oder doch andere disziplinarische Maßnahmen ihnen gegenüber ergreife. Die Erwägung lässt außer Acht, dass sich Wertungen, wie sie aus dem in der Regel auf Lebenszeit angelegten, durch besondere Treue- und Fürsorgepflichten geprägten Dienstverhältnis der Beamten folgen, nicht auf eine privatrechtliche Leistungsbeziehung übertragen lassen (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 29, BAGE 134, 349; 17. Juni 1993 - 6 AZR 620/92 - zu B II 2 d bb der Gründe, BAGE 73, 262). Selbst im Verhältnis von Arbeitnehmern untereinander scheidet mit Blick auf verhaltensbedingte Kündigungen eine Anwendung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes weitgehend aus (BAG 8. Dezember 1994 - 2 AZR 470/93 - zu B II 5 g der Gründe; zu eng begrenzten Ausnahmekonstellationen vgl. BAG 22. Februar 1979 - 2 AZR 115/78 - zu 2 a der Gründe). Die fraglichen Erwägungen des Landesarbeitsgerichts lassen überdies die herausgehobene Position des Klägers als „IT-Verantwortlicher“ außer Acht. Unbeschadet der unterschiedlichen Rechtsstellung von Beamten und Angestellten widerspricht auch dies - neben weiteren in Betracht zu ziehenden Unterschieden - einer Vergleichbarkeit der Sachverhalte.

77

c) Das Landesarbeitsgericht wird, sollte es auf die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung ankommen, weiterhin davon ausgehen können, dass deren soziale Rechtfertigung (§ 1 Abs. 1 und Abs. 2 KSchG) unter dem Gesichtspunkt des Verdachts nicht in Betracht kommt - auch deshalb, weil der Personalrat dazu laut Schreiben vom 23. April 2013 nicht beteiligt worden ist. Die Prüfung, ob die Kündigung als Tatkündigung durch Gründe iSv. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist, wird das Landesarbeitsgericht neu vorzunehmen und die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben. Was die Frage betrifft, ob die Beteiligung des Personalrats zu einer ordentlichen Kündigung nach § 67 Abs. 1 Nr. 8 PersVG LSA ordnungsgemäß erfolgt ist, wird zu beachten sein, dass die in der angefochtenen Entscheidung vertretene Auffassung, die Anhörung sei unwirksam, weil das beklagte Land dem Personalrat mögliche Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe nicht mitgeteilt habe, auf der Basis der bisherigen Feststellungen nicht haltbar ist. Um welche, nach dem Grundsatz der subjektiven Determiniertheit beachtlichen Tatsachen es sich insoweit handeln soll, ist nicht nachzuvollziehen.

78

IV. Der Senat hat bei der Zurückverweisung von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.

        

    Kreft    

        

    Rachor    

        

    Berger    

        

        

        

    Perreng    

        

    Der ehrenamtliche Richter Dr. Bartz ist wegen des Endes seiner Amtszeit verhindert, seine Unterschrift beizufügen.
Kreft    

                 

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Dauerschuldverhältnisse kann jeder Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

(2) Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Vertrag, ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. Für die Entbehrlichkeit der Bestimmung einer Frist zur Abhilfe und für die Entbehrlichkeit einer Abmahnung findet § 323 Absatz 2 Nummer 1 und 2 entsprechende Anwendung. Die Bestimmung einer Frist zur Abhilfe und eine Abmahnung sind auch entbehrlich, wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Kündigung rechtfertigen.

(3) Der Berechtigte kann nur innerhalb einer angemessenen Frist kündigen, nachdem er vom Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat.

(4) Die Berechtigung, Schadensersatz zu verlangen, wird durch die Kündigung nicht ausgeschlossen.

*

(1) Erbringt bei einem gegenseitigen Vertrag der Schuldner eine fällige Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß, so kann der Gläubiger, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat, vom Vertrag zurücktreten.

(2) Die Fristsetzung ist entbehrlich, wenn

1.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert,
2.
der Schuldner die Leistung bis zu einem im Vertrag bestimmten Termin oder innerhalb einer im Vertrag bestimmten Frist nicht bewirkt, obwohl die termin- oder fristgerechte Leistung nach einer Mitteilung des Gläubigers an den Schuldner vor Vertragsschluss oder auf Grund anderer den Vertragsabschluss begleitenden Umstände für den Gläubiger wesentlich ist, oder
3.
im Falle einer nicht vertragsgemäß erbrachten Leistung besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt rechtfertigen.

(3) Kommt nach der Art der Pflichtverletzung eine Fristsetzung nicht in Betracht, so tritt an deren Stelle eine Abmahnung.

(4) Der Gläubiger kann bereits vor dem Eintritt der Fälligkeit der Leistung zurücktreten, wenn offensichtlich ist, dass die Voraussetzungen des Rücktritts eintreten werden.

(5) Hat der Schuldner eine Teilleistung bewirkt, so kann der Gläubiger vom ganzen Vertrag nur zurücktreten, wenn er an der Teilleistung kein Interesse hat. Hat der Schuldner die Leistung nicht vertragsgemäß bewirkt, so kann der Gläubiger vom Vertrag nicht zurücktreten, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist.

(6) Der Rücktritt ist ausgeschlossen, wenn der Gläubiger für den Umstand, der ihn zum Rücktritt berechtigen würde, allein oder weit überwiegend verantwortlich ist oder wenn der vom Schuldner nicht zu vertretende Umstand zu einer Zeit eintritt, zu welcher der Gläubiger im Verzug der Annahme ist.

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. Februar 2009 - 7 Sa 2017/08 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 21. August 2008 - 2 Ca 3632/08 - abgeändert:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die fristlose Kündigung, noch durch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung vom 22. Februar 2008 aufgelöst worden ist.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.

2

Die 1958 geborene Klägerin war seit April 1977 bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerinnen als Verkäuferin mit Kassentätigkeit beschäftigt.

3

Die Beklagte ist ein überregional vertretenes Einzelhandelsunternehmen. In einigen ihrer Filialen, so auch in der Beschäftigungsfiliale der Klägerin, besteht die Möglichkeit, Leergut an einem Automaten gegen Ausstellung eines Leergutbons zurückzugeben. Wird ein solcher Bon an der Kasse eingelöst, ist er von der Kassiererin/dem Kassierer abzuzeichnen. Mitarbeiter der Filiale sind angewiesen, mitgebrachtes Leergut beim Betreten des Markts dem Filialleiter vorzuzeigen und einen am Automaten erstellten Leergutbon durch den Leiter gesondert abzeichnen zu lassen, bevor sie den Bon an der Kasse einlösen. Dort wird er wie ein Kundenbon ein weiteres Mal abgezeichnet. Diese Regelungen, die Manipulationen beim Umgang mit Leergut ausschließen sollen, sind der Klägerin bekannt.

4

Im Herbst 2007 beteiligte sich die Klägerin mit weiteren sieben von insgesamt 36 Beschäftigten ihrer Filiale an einem gewerkschaftlich getragenen Streik. Während die Streikbereitschaft anderer Arbeitnehmer mit der Zeit nachließ, nahm die Klägerin bis zuletzt an den Maßnahmen teil. Im Januar 2008 lud der Filialleiter Beschäftigte, die sich nicht am Arbeitskampf beteiligt hatten, zu einer Feier außer Hause ein. Aus diesem Grund wurde er später von der Beklagten abgemahnt und in eine andere Filiale versetzt.

5

Am 12. Januar 2008 fand eine Mitarbeiterin im Kassenbereich einer separaten Backtheke zwei nicht abgezeichnete Leergutbons im Wert von 0,48 Euro und 0,82 Euro. Sie trugen das Datum des Tages und waren im Abstand von ca. einer Dreiviertelstunde am Automaten erstellt worden. Die Mitarbeiterin legte die Bons dem Filialleiter vor. Dieser reichte sie an die Klägerin mit der Maßgabe weiter, sie im Kassenbüro aufzubewahren für den Fall, dass sich noch ein Kunde melden und Anspruch darauf erheben würde; andernfalls sollten sie als „Fehlbons“ verbucht werden. Die Klägerin legte die Bons auf eine - für alle Mitarbeiter zugängliche und einsehbare - Ablage im Kassenbüro.

6

Am 22. Januar 2008 kaufte die Klägerin in der Filiale außerhalb ihrer Arbeitszeit privat ein. An der Kasse überreichte sie ihrer Kollegin zwei nicht abgezeichnete Leergutbons. Laut Kassenjournal wurden diese mit Werten von 0,48 Euro und 0,82 Euro registriert. Beim Kassieren war auch die Kassenleiterin und Vorgesetzte der Klägerin anwesend.

7

Zur Klärung der Herkunft der eingereichten Bons führte die Beklagte mit der Klägerin ab dem 25. Januar 2008 insgesamt vier Gespräche, an denen - außer am ersten Gespräch - jeweils zwei Mitglieder des Betriebsrats teilnahmen. Sie hielt ihr vor, die eingelösten Bons seien nicht abgezeichnet gewesen und stimmten hinsichtlich Wert und Ausgabedatum mit den im Kassenbüro aufbewahrten Bons überein. Es bestehe der dringende Verdacht, dass sie - die Klägerin - die dort abgelegten „Kundenbons“ an sich genommen und zu ihrem Vorteil verwendet habe. Die Klägerin bestritt dies und erklärte, selbst wenn die Bons übereinstimmten, bestehe die Möglichkeit, dass ihr entsprechende Bons durch eine ihrer Töchter oder durch Dritte zugesteckt worden seien. Beispielsweise habe sie am 21. oder 22. Januar 2008 einer Arbeitskollegin ihre Geldbörse ausgehändigt mit der Bitte, diese in ihren Spind zu legen. Die Beklagte legte der Klägerin nahe, zur Untermauerung ihrer Behauptung eine eidesstattliche Erklärung einer Tochter beizubringen. Außerdem befragte sie die benannte Kollegin, die die Angaben der Klägerin bestritt. Beim letzten, am 15. Februar 2008 geführten Gespräch überreichte die Klägerin eine schriftliche Erklärung, mit der eine ihrer Töchter bestätigte, bei der Beklagten hin und wieder für ihre Mutter einzukaufen, dabei auch Leergut einzulösen und „Umgang“ mit der Geldbörse ihrer Mutter „pflegen zu dürfen“.

8

Mit Schreiben vom 18. Februar 2008 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung, gestützt auf den Verdacht der Einlösung der Bons, an. Der Betriebsrat äußerte Bedenken gegen die fristlose Kündigung, einer ordentlichen Kündigung widersprach er und verwies auf die Möglichkeit einer gegen die Klägerin gerichteten Intrige.

9

Mit Schreiben vom 22. Februar 2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise fristgemäß zum 30. September 2008.

10

Die Klägerin hat Kündigungsschutzklage erhoben. Sie hat behauptet, sie habe jedenfalls nicht bewusst Leergutbons eingelöst, die ihr nicht gehörten. Sollte es sich bei den registrierten Bons tatsächlich um die im Kassenbüro abgelegten Bons gehandelt haben, müsse auch die Möglichkeit eines Austauschs der Bons während des Kassiervorgangs in Betracht gezogen werden. Denkbares Motiv hierfür sei ihre Streikteilnahme, die ohnehin der wahre Grund für die Kündigung sei. Anders sei nicht zu erklären, weshalb ihre Kollegin und die Vorgesetzte sie - unstreitig - nicht bereits beim Kassieren oder unmittelbar anschließend auf die fehlende Abzeichnung der überreichten Leergutbons angesprochen hätten. Angesichts der streikbedingt aufgetretenen Spannungen unter den Filialmitarbeitern sei es lebensfremd anzunehmen, sie habe ausgerechnet bei einer Kollegin, mit der sie im Streit gestanden habe, und in Anwesenheit ihrer Vorgesetzten die im Kassenbüro verwahrten, nicht abgezeichneten Bons eingelöst. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, eine Verdachtskündigung sei wegen der in Art. 6 Abs. 2 EMRK verankerten Unschuldsvermutung ohnehin unzulässig. Das gelte in besonderem Maße, wenn sich der Verdacht auf die Entwendung einer nur geringwertigen Sache beziehe. Selbst bei nachgewiesener Tat sei in einem solchen Fall ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB nicht gegeben. Zumindest sei in ihrem Fall die Kündigung in Anbetracht der Einmaligkeit des Vorfalls und ihrer langen Betriebszugehörigkeit unangemessen, zumal der Beklagten kein Schaden entstanden sei.

11

Die Klägerin hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die fristlose, noch durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 22. Februar 2008 aufgelöst worden ist;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, sie entsprechend den arbeitsvertraglichen Bedingungen als Verkäuferin mit Kassentätigkeit zu beschäftigen.

12

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, es bestehe der dringende Verdacht, dass die Klägerin die im Kassenbüro hinterlegten Leergutbons für sich verwendet habe. Dafür sprächen die in der Anhörung angeführten Tatsachen sowie der Umstand, dass diese Bons bei einer unmittelbar nach dem Einkauf der Klägerin durchgeführten Suche nicht mehr auffindbar gewesen seien. Es sei auch das mehrfach geänderte Verteidigungsvorbringen der Klägerin zu berücksichtigen, das sich in keinem Punkt als haltbar erwiesen habe. Damit sei das Vertrauen in die redliche Ausführung der Arbeitsaufgaben durch die Klägerin unwiederbringlich zerstört. Das Arbeitsverhältnis sei auch nicht unbelastet verlaufen. Sie habe die Klägerin im Jahr 2005 wegen ungebührlichen Verhaltens gegenüber einem Arbeitskollegen abgemahnt. Außerdem habe die Klägerin, wie ihr erst nachträglich bekannt geworden sei, am 22. November 2007 bei einem privaten Einkauf einen Sondercoupon aus einem Bonussystem eingelöst, obwohl die Einkaufssumme den dafür erforderlichen Betrag nicht erreicht habe. Derselbe Coupon sei dreimal „über die Kasse gezogen“ worden. Dadurch seien der Klägerin zu Unrecht Punkte im Wert von 3,00 Euro gutgeschrieben worden. Deren Behauptung, ihre Vorgesetzte habe sie zu einer derartigen Manipulation - vergeblich - verleiten wollen, sei nicht plausibel; die Vorgesetzte habe an dem betreffenden Tag - wie zuletzt unstreitig - nicht gearbeitet.

13

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer durch das Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision ist begründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Unrecht abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist weder durch die außerordentliche noch durch die ordentliche Kündigung vom 22. Februar 2008 aufgelöst worden. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts war deshalb aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Einer Zurückverweisung bedurfte es nicht. Die Sache war nach dem festgestellten Sachverhältnis zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO).

15

A. Die außerordentliche Kündigung ist unwirksam. Es fehlt an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB.

16

I. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Das Gesetz kennt folglich keine „absoluten“ Kündigungsgründe. Vielmehr ist jeder Einzelfall gesondert zu beurteilen. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (st. Rspr., Senat 26. März 2009 - 2 AZR 953/07 - Rn. 21 mwN, AP BGB § 626 Nr. 220; 27. April 2006 - 2 AZR 386/05 - Rn. 19, BAGE 118, 104).

17

II. Die Prüfung der Voraussetzungen des wichtigen Grundes ist in erster Linie Sache der Tatsacheninstanzen. Dennoch geht es um Rechtsanwendung, nicht um Tatsachenfeststellung. Die Würdigung des Berufungsgerichts wird in der Revisionsinstanz darauf hin überprüft, ob es den anzuwendenden Rechtsbegriff in seiner allgemeinen Bedeutung verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (st. Rspr., Senat 27. November 2008 - 2 AZR 193/07 - Rn. 22, AP BGB § 626 Nr. 219; 6. September 2007 - 2 AZR 722/06 - Rn. 40, BAGE 124, 59).

18

III. Auch unter Beachtung eines in diesem Sinne eingeschränkten Maßstabs hält die Würdigung des Landesarbeitsgerichts einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Zwar liegt nach dem festgestellten Sachverhalt „an sich“ ein wichtiger Grund zur Kündigung vor. Das Landesarbeitsgericht hat jedoch bei der vorzunehmenden Einzelfallprüfung und Interessenabwägung nicht alle wesentlichen Gesichtspunkte einbezogen und zutreffend abgewogen.

19

1. Entgegen der Auffassung der Revision ist die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nicht deshalb zu beanstanden, weil dieses seiner rechtlichen Würdigung die fragliche Pflichtverletzung im Sinne einer erwiesenen Tat und nicht nur - wie die Beklagte selbst - einen entsprechenden Verdacht zugrunde gelegt hat.

20

a) Das Landesarbeitsgericht ist vom Fund zweier Leergutbons am 12. Januar 2008 und deren Aushändigung an die Klägerin durch den Marktleiter ausgegangen. Nach Beweisaufnahme hat es zudem für wahr erachtet, dass die Klägerin die beiden zunächst im Kassenbüro abgelegten Bons im Wert von 0,48 Euro und 0,82 Euro zu einem unbestimmten Zeitpunkt an sich nahm und am 22. Januar 2008 bei einem Einkauf zu ihren Gunsten einlöste; dadurch ermäßigte sich die Kaufsumme für sie um 1,30 Euro. Darin hat es ein vorsätzliches, pflichtwidriges Verhalten der Klägerin erblickt.

21

b) An die vom Landesarbeitsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen ist der Senat gemäß § 559 Abs. 2 ZPO gebunden. Die Klägerin hat - auch wenn sie vorsätzliches Fehlverhalten weiterhin in Abrede stellt - von Angriffen gegen die Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts ausdrücklich abgesehen.

22

c) Einer Würdigung des Geschehens unter der Annahme, die Klägerin habe sich nachweislich pflichtwidrig verhalten, steht nicht entgegen, dass die Beklagte sich zur Rechtfertigung der Kündigung nur auf einen entsprechenden Verdacht berufen und den Betriebsrat auch nur zu einer Verdachtskündigung angehört hat.

23

aa) Das Landesarbeitsgericht hat auf diese Weise nicht etwa Vortrag berücksichtigt, den die Beklagte nicht gehalten hätte. Der Verdacht eines pflichtwidrigen Verhaltens stellt zwar gegenüber dem Tatvorwurf einen eigenständigen Kündigungsgrund dar (st. Rspr., Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 55 mwN, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 47 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 8). Beide Gründe stehen jedoch nicht beziehungslos nebeneinander. Wird die Kündigung mit dem Verdacht pflichtwidrigen Verhaltens begründet, steht indessen zur Überzeugung des Gerichts die Pflichtwidrigkeit tatsächlich fest, lässt dies die materiell-rechtliche Wirksamkeit der Kündigung unberührt. Maßgebend ist allein der objektive Sachverhalt, wie er sich dem Gericht nach Parteivorbringen und ggf. Beweisaufnahme darstellt. Ergibt sich daraus nach tatrichterlicher Würdigung das Vorliegen einer Pflichtwidrigkeit, ist das Gericht nicht gehindert, dies seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Es ist nicht erforderlich, dass der Arbeitgeber sich während des Prozesses darauf berufen hat, er stütze die Kündigung auch auf die erwiesene Tat (Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - aaO mwN).

24

bb) Der Umstand, dass der Betriebsrat ausschließlich zu einer beabsichtigten Verdachtskündigung gehört wurde, steht dem nicht entgegen. Die gerichtliche Berücksichtigung des Geschehens als erwiesene Tat setzt voraus, dass dem Betriebsrat - ggf. im Rahmen zulässigen „Nachschiebens“ - diejenigen Umstände mitgeteilt worden sind, welche nicht nur den Tatverdacht, sondern zur Überzeugung des Gerichts auch den Tatvorwurf begründen (Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 59 mwN, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 47 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 8). Bei dieser Sachlage ist dem Normzweck des § 102 Abs. 1 BetrVG auch durch eine Anhörung nur zur Verdachtskündigung genüge getan. Dem Betriebsrat wird dadurch nichts vorenthalten. Die Mitteilung des Arbeitgebers, einem Arbeitnehmer solle schon und allein wegen des Verdachts einer pflichtwidrigen Handlung gekündigt werden, gibt ihm sogar weit stärkeren Anlass für ein umfassendes Tätigwerden als eine Anhörung wegen einer als erwiesen behaupteten Tat (Senat 3. April 1986 - 2 AZR 324/85 - zu II 1 c cc der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 18 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 63; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 217). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Das Landesarbeitsgericht hat seiner Entscheidung ausschließlich solche - aus seiner Sicht bewiesene - Tatsachen zugrunde gelegt, die Gegenstand der Betriebsratsanhörung waren.

25

2. Der vom Landesarbeitsgericht festgestellte Sachverhalt ist „an sich“ als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB geeignet. Zum Nachteil des Arbeitgebers begangene Eigentums- oder Vermögensdelikte, aber auch nicht strafbare, ähnlich schwerwiegende Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen des Arbeitgebers kommen typischerweise - unabhängig vom Wert des Tatobjekts und der Höhe eines eingetretenen Schadens - als Grund für eine außerordentliche Kündigung in Betracht.

26

a) Begeht der Arbeitnehmer bei oder im Zusammenhang mit seiner Arbeit rechtswidrige und vorsätzliche - ggf. strafbare - Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen seines Arbeitgebers, verletzt er zugleich in schwerwiegender Weise seine schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) und missbraucht das in ihn gesetzte Vertrauen. Ein solches Verhalten kann auch dann einen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB darstellen, wenn die rechtswidrige Handlung Sachen von nur geringem Wert betrifft oder zu einem nur geringfügigen, möglicherweise zu gar keinem Schaden geführt hat(Senat 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 16, 17, AP BGB § 626 Nr. 210 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 20; 12. August 1999 - 2 AZR 923/98 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 92, 184; 17. Mai 1984 - 2 AZR 3/83 - zu II 1 der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 14 = EzA BGB § 626 nF Nr. 90).

27

b) An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Die entgegenstehende Ansicht, die Pflichtverletzungen im Vermögensbereich bei Geringfügigkeit bereits aus dem Anwendungsbereich des § 626 Abs. 1 BGB herausnehmen will(so LAG Köln 30. September 1999 - 5 Sa 872/99 - zu 2 der Gründe, NZA-RR 2001, 83; LAG Hamburg 8. Juli 1998 - 4 Sa 38/97 - zu II 3 a aa der Gründe, NZA-RR 1999, 469; ArbG Reutlingen 4. Juni 1996 - 1 Ca 73/96 - RzK I 6 d Nr. 12; Däubler Das Arbeitsrecht 2 12. Aufl. Rn. 1128; eingeschränkt Gerhards BB 1996, 794, 796), überzeugt nicht. Ein Arbeitnehmer, der die Integrität von Eigentum und Vermögen seines Arbeitgebers vorsätzlich und rechtswidrig verletzt, zeigt ein Verhalten, das geeignet ist, die Zumutbarkeit seiner Weiterbeschäftigung in Frage zu stellen. Die durch ein solches Verhalten ausgelöste „Erschütterung“ der für die Vertragsbeziehung notwendigen Vertrauensgrundlage tritt unabhängig davon ein, welche konkreten wirtschaftlichen Schäden mit ihm verbunden sind. Aus diesem Grund ist die Festlegung einer nach dem Wert bestimmten Relevanzschwelle mit dem offen gestalteten Tatbestand des § 626 Abs. 1 BGB nicht zu vereinbaren. Sie würfe im Übrigen mannigfache Folgeprobleme auf - etwa das einer exakten Wertberechnung, das der Folgen mehrfacher, für sich betrachtet „irrelevanter“ Verstöße sowie das der Behandlung nur marginaler Grenzüberschreitungen - und vermöchte schon deshalb einem angemessenen Interessenausgleich schwerlich zu dienen.

28

c) Mit seiner Auffassung setzt sich der Senat nicht in Widerspruch zu der in § 248a StGB getroffenen Wertung. Nach dieser Bestimmung werden Diebstahl und Unterschlagung geringwertiger Sachen nur auf Antrag oder bei besonderem öffentlichem Interesse verfolgt. Der Vorschrift liegt eine Einschätzung des Gesetzgebers darüber zugrunde, ab welcher Grenze staatliche Sanktionen für Rechtsverstöße in diesem Bereich zwingend geboten sind. Ein solcher Ansatz ist dem Schuldrecht fremd. Hier geht es um störungsfreien Leistungsaustausch. Die Berechtigung einer verhaltensbedingten Kündigung ist nicht daran zu messen, ob diese - vergleichbar einer staatlichen Maßnahme - als Sanktion für den fraglichen Vertragsverstoß angemessen ist. Statt des Sanktions- gilt das Prognoseprinzip. Eine verhaltensbedingte Kündigung ist gerechtfertigt, wenn eine störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht, künftigen Pflichtverstößen demnach nur durch die Beendigung der Vertragsbeziehung begegnet werden kann (st. Rspr., Senat 26. November 2009 - 2 AZR 751/08 - Rn. 10, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 61 = EzA BGB 2002 § 611 Abmahnung Nr. 5; 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 32, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17).

29

d) Ebenso wenig besteht ein Wertungswiderspruch zwischen der Auffassung des Senats und der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Dieses erkennt zwar bei der disziplinarrechtlichen Beurteilung vergleichbarer Dienstvergehen eines Beamten die Geringwertigkeit der betroffenen Vermögensobjekte als Milderungsgrund an (BVerwG 13. Februar 2008 - 2 WD 9/07 - DÖV 2008, 1056; 24. November 1992 - 1 D 66/91 - zu 3 der Gründe, BVerwGE 93, 314; bei kassenverwaltender Tätigkeit: BVerwG 11. November 2003 - 1 D 5/03 - zu 4 b der Gründe). Dies geschieht jedoch vor dem Hintergrund einer abgestuften Reihe von disziplinarischen Reaktionsmöglichkeiten des Dienstherrn. Diese reichen von der Anordnung einer Geldbuße (§ 7 BDG) über die Kürzung von Dienstbezügen (§ 8 BDG) und die Zurückstufung (§ 9 BDG) bis zur Entfernung aus dem Dienst (§ 13 Abs. 2 BDG). Eine solche Reaktionsbreite kennt das Arbeitsrecht nicht. Der Arbeitgeber könnte auf die „Entfernung aus dem Dienst“ nicht zugunsten einer Kürzung der Vergütung verzichten. Wertungen, wie sie für das in der Regel auf Lebenszeit angelegte, durch besondere Treue- und Fürsorgepflichten geprägte Dienstverhältnis der Beamten und Soldaten getroffen werden, lassen sich deshalb auf eine privatrechtliche Leistungsbeziehung regelmäßig nicht übertragen (Keiser JR 2010, 55, 57 ff.; Reuter NZA 2009, 594, 595).

30

e) Das Landesarbeitsgericht hat das Verhalten der Klägerin als „Vermögensdelikt“ zulasten der Beklagten gewürdigt, hat aber offen gelassen, welchen straf- und/oder zivilrechtlichen Deliktstatbestand es als erfüllt ansieht. Das ist im Ergebnis unschädlich. Das Verhalten der Klägerin kommt auch dann als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB in Betracht, wenn es - wie die Revision im Anschluss an Äußerungen in der Literatur (Hüpers Jura 2010, 52 ff.; Schlösser HRRS 2009, 509 ff.) meint - nicht strafbar sein sollte, jedenfalls nicht im Sinne eines Vermögensdelikts zum Nachteil der Beklagten. Für die kündigungsrechtliche Beurteilung ist weder die strafrechtliche noch die sachenrechtliche Bewertung maßgebend. Entscheidend ist der Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten und der mit ihm verbundene Vertrauensbruch (Senat 19. April 2007 - 2 AZR 78/06 - Rn. 28, AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 77 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 8; 2. März 2006 - 2 AZR 53/05 - Rn. 29, AP BGB § 626 Krankheit Nr. 14 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 16; 21. April 2005 - 2 AZR 255/04 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 114, 264; Preis AuR 2010, 242 f.). Auch eine nicht strafbare, gleichwohl erhebliche Verletzung der sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Pflichten kann deshalb ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB sein. Das gilt insbesondere in Fällen, in denen die Pflichtverletzung mit einem vorsätzlichen Verstoß gegen eine den unmittelbaren Vermögensinteressen des Arbeitgebers dienende Weisung einhergeht (KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 459).

31

f) Danach liegt eine erhebliche, die Schwelle zum wichtigen Grund überschreitende Pflichtverletzung vor. Die Klägerin hat sich mit dem Einlösen der Leergutbons gegenüber der Beklagten einen Vermögensvorteil verschafft, der ihr nicht zustand. Ihr Verhalten wiegt umso schwerer, als sie eine konkrete Anordnung des Marktleiters zum Umgang mit den Bons missachtet hat. Es kommt nicht darauf an, ob sie damit schon gegen ihre Hauptleistungspflichten als Kassiererin oder gegen ihre Pflicht zur Rücksichtnahme aus § 241 Abs. 2 BGB verstoßen hat. In jedem Fall gehört die Pflicht zur einschränkungslosen Wahrung der Vermögensinteressen der Beklagten zum Kernbereich ihrer Arbeitsaufgaben. Die Schwere der Pflichtverletzung hängt von einer exakten Zuordnung nicht ab. Die Vorgabe des Marktleiters, die Bons nach einer gewissen Zeit als „Fehlbons“ zu verbuchen, sollte sicherstellen, dass die Beklagte insoweit nicht mehr in Anspruch genommen würde. Ob damit den Interessen der Kunden ausreichend Rechnung getragen wurde, ist im Verhältnis der Parteien ohne Bedeutung. Die Klägerin jedenfalls durfte die Bons nicht zum eigenen Vorteil einlösen.

32

3. Die fristlose Kündigung ist bei Beachtung aller Umstände des vorliegenden Falls und nach Abwägung der widerstreitenden Interessen gleichwohl nicht gerechtfertigt. Als Reaktion der Beklagten auf das Fehlverhalten der Klägerin hätte eine Abmahnung ausgereicht. Dies vermag der Senat selbst zu entscheiden.

33

a) Dem Berufungsgericht kommt bei der im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Interessenabwägung zwar ein Beurteilungsspielraum zu(Senat 11. Dezember 2003 - 2 AZR 36/03 - zu II 1 f der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 179 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 5). Eine eigene Abwägung durch das Revisionsgericht ist aber möglich, wenn die des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist und sämtliche relevanten Tatsachen feststehen (Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 36, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17; 12. Januar 2006 - 2 AZR 179/05 - Rn. 61, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 54 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Ein solcher Fall liegt hier vor.

34

b) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung - etwa im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlusts und ihre wirtschaftlichen Folgen -, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (Senat 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 26 mwN, DB 2010, 1709; 10. November 2005 - 2 AZR 623/04 - Rn. 38 mwN, AP BGB § 626 Nr. 196 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 11). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (st. Rspr., Senat 19. April 2007 - 2 AZR 180/06 - Rn. 45, AP BGB § 174 Nr. 20 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 7). Als mildere Reaktionen sind insbesondere Abmahnung und ordentliche Kündigung anzusehen. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen - zu erreichen (KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 251 mwN).

35

c) Die Notwendigkeit der Prüfung, ob eine fristgerechte Kündigung als Reaktion ausgereicht hätte, folgt schon aus dem Wortlaut des § 626 Abs. 1 BGB. Das Erfordernis weitergehend zu prüfen, ob nicht schon eine Abmahnung ausreichend gewesen wäre, folgt aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (die Kündigung als „ultima ratio“) und trägt zugleich dem Prognoseprinzip bei der verhaltensbedingten Kündigung Rechnung (Senat 19. April 2007 - 2 AZR 180/06 - Rn. 47 f., AP BGB § 174 Nr. 20 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 7; 12. Januar 2006 - 2 AZR 179/05 - Rn. 55 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 54 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Das Erfordernis gilt auch bei Störungen im Vertrauensbereich. Es ist nicht stets und von vorneherein ausgeschlossen, verlorenes Vertrauen durch künftige Vertragstreue zurückzugewinnen (Senat 4. Juni 1997 - 2 AZR 526/96 - zu II 1 b der Gründe, BAGE 86, 95).

36

aa) Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann (Schlachter NZA 2005, 433, 436). Die ordentliche wie die außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Sie dient der Objektivierung der negativen Prognose (Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 283/08 - Rn. 14 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Abmahnung Nr. 5 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 75; Staudinger/Preis <2002> § 626 BGB Rn. 109). Ist der Arbeitnehmer ordnungsgemäß abgemahnt worden und verletzt er dennoch seine arbeitsvertraglichen Pflichten erneut, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen (Senat 13. Dezember 2007 - 2 AZR 818/06 - Rn. 38, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 64 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 82).

37

bb) Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist eine Kündigung nicht gerechtfertigt, wenn es mildere Mittel gibt, eine Vertragsstörung zukünftig zu beseitigen. Dieser Aspekt hat durch die Regelung des § 314 Abs. 2 BGB iVm. § 323 Abs. 2 BGB eine gesetzgeberische Bestätigung erfahren(Senat 12. Januar 2006 - 2 AZR 179/05 - Rn. 56 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 54 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Einer Abmahnung bedarf es in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes deshalb nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (vgl. Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 33, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17; 19. April 2007 - 2 AZR 180/06 - Rn. 48 mwN, AP BGB § 174 Nr. 20 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 7).

38

cc) Diese Grundsätze gelten uneingeschränkt selbst bei Störungen des Vertrauensbereichs durch Straftaten gegen Vermögen oder Eigentum des Arbeitgebers (Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 33, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17; 27. April 2006 - 2 AZR 415/05 - Rn. 19, AP BGB § 626 Nr. 203 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 17). Auch in diesem Bereich gibt es keine „absoluten“ Kündigungsgründe. Stets ist konkret zu prüfen, ob nicht objektiv die Prognose berechtigt ist, der Arbeitnehmer werde sich jedenfalls nach einer Abmahnung künftig wieder vertragstreu verhalten (vgl. auch Erman/Belling BGB 12. Aufl. § 626 Rn. 62; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 264; Preis AuR 2010, 242, 244; Reichel AuR 2004, 252; Schlachter NZA 2005, 433, 437).

39

d) Danach war eine Abmahnung hier nicht entbehrlich.

40

aa) Das Landesarbeitsgericht geht zunächst zutreffend davon aus, dass es einer Abmahnung nicht deshalb bedurfte, um bei der Klägerin die mögliche Annahme zu beseitigen, die Beklagte könnte mit der eigennützigen Verwendung der Bons einverstanden sein. Einer mutmaßlichen Einwilligung - die in anderen Fällen, etwa der Verwendung wertloser, als Abfall deklarierter Gegenstände zum Eigenverbrauch oder zur Weitergabe an Hilfsbedürftige oder dem Aufladen eines Mobiltelefons im Stromnetz des Arbeitgebers, naheliegend sein mag - stand im Streitfall die Weisung des Filialleiters entgegen, die keine Zweifel über den von der Beklagten gewünschten Umgang mit den Bons aufkommen ließ. Auf mögliche Unklarheiten in den allgemeinen Anweisungen der Beklagten zur Behandlung von Fundsachen und Fundgeld kommt es deshalb nicht an.

41

bb) Mit Recht hat das Landesarbeitsgericht zudem angenommen, das Verhalten der Klägerin stelle eine objektiv schwerwiegende, das Vertrauensverhältnis der Parteien erheblich belastende Pflichtverletzung dar.

42

(1) Mit der eigennützigen Verwendung der Leergutbons hat sich die Klägerin bewusst gegen die Anordnung des Filialleiters gestellt. Schon dies ist geeignet, das Vertrauen der Beklagten in die zuverlässige Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben als Kassiererin zu erschüttern. Erschwerend kommt hinzu, dass die Bons gerade ihr zur Verwahrung und ggf. Buchung als „Fehlbons“ übergeben worden waren. Das Fehlverhalten der Klägerin berührt damit den Kernbereich ihrer Arbeitsaufgaben. Sie war als Verkäuferin mit Kassentätigkeit beschäftigt. Als solche hat sie den weisungsgemäßen Umgang mit Leergutbons gleichermaßen sicher zu stellen wie den mit ihr anvertrautem Geld. Die Beklagte muss sich auf die Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit einer mit Kassentätigkeiten betrauten Arbeitnehmerin in besonderem Maße verlassen dürfen. Sie muss davon ausgehen können, dass ihre Weisungen zum Umgang mit Sach- und Vermögenswerten unabhängig von deren Wert und den jeweiligen Eigentumsverhältnissen korrekt eingehalten werden. Als Einzelhandelsunternehmen ist die Beklagte besonders anfällig dafür, in der Summe hohe Einbußen durch eine Vielzahl für sich genommen geringfügiger Schädigungen zu erleiden. Verstößt eine Arbeitnehmerin, deren originäre Aufgabe es ist, Einnahmen zu sichern und zu verbuchen, vorsätzlich und zur persönlichen Bereicherung gegen eine Pflicht, die gerade dem Schutz des Eigentums und Vermögens des Arbeitgebers oder eines Kunden dient, liegt darin regelmäßig ein erheblicher, das Vertrauen in ihre Redlichkeit beeinträchtigender Vertragsverstoß.

43

(2) Der Einwand der Klägerin, ein Vertrauen auf Seiten der Beklagten bestehe ohnehin nicht, wie die in den Märkten praktizierte Videoüberwachung zeige, geht fehl. Jeder Arbeitnehmer hat die Pflicht, sich so zu verhalten, dass es um seinetwillen einer Kontrolle nicht bedürfte. Erweist sich ein zunächst unspezifisches, nicht auf konkrete Personen bezogenes, generelles „Misstrauen“ des Arbeitgebers schließlich im Hinblick auf einen bestimmten Mitarbeiter als berechtigt, wird erst und nur dadurch das Vertrauen in dessen Redlichkeit tatsächlich erschüttert.

44

cc) Auch wenn deshalb das Verhalten der Klägerin das Vertrauensverhältnis zur Beklagten erheblich belastet hat, so hat das Landesarbeitsgericht doch den für die Klägerin sprechenden Besonderheiten nicht hinreichend Rechnung getragen.

45

(1) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Klägerin habe nicht damit rechnen können, die Beklagte werde ihr Verhalten auch nur einmalig hinnehmen, ohne eine Kündigung auszusprechen. Die Klägerin habe ihre Pflichten als Kassiererin „auf das Schwerste“ verletzt. Mit dieser Würdigung ist es den Besonderheiten des Streitfalls nicht ausreichend gerecht geworden. Die Klägerin hat an der Kasse in unmittelbarer Anwesenheit ihrer Vorgesetzten bei einer nicht befreundeten Kollegin unabgezeichnete Leergutbons eingelöst. Dass sie mangels Abzeichnung nach den betrieblichen Regelungen keinen Anspruch auf eine Gutschrift hatte, war für die Kassenmitarbeiterin und die Vorgesetzte offenkundig und nicht zu übersehen. Das wusste auch die Klägerin, die deshalb aus ihrer Sicht unweigerlich würde Aufmerksamkeit erregen und Nachfragen auslösen müssen. Das zeigt, dass sie ihr Verhalten - fälschlich - als notfalls tolerabel oder jedenfalls korrigierbar eingeschätzt haben mag und sich eines gravierenden Unrechts offenbar nicht bewusst war. Für den Grad des Verschuldens und die Möglichkeit einer Wiederherstellung des Vertrauens macht es objektiv einen Unterschied, ob es sich bei einer Pflichtverletzung um ein Verhalten handelt, das insgesamt - wie etwa der vermeintlich unbeobachtete Griff in die Kasse - auf Heimlichkeit angelegt ist oder nicht.

46

(2) Das Landesarbeitsgericht hat die Einmaligkeit der Pflichtverletzung und die als beanstandungsfrei unterstellte Betriebszugehörigkeit der Klägerin von gut drei Jahrzehnten zwar erwähnt, ihnen aber kein ausreichendes Gewicht beigemessen.

47

(a) Für die Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung kann es von erheblicher Bedeutung sein, ob der Arbeitnehmer bereits geraume Zeit in einer Vertrauensstellung beschäftigt war, ohne vergleichbare Pflichtverletzungen begangen zu haben. Das gilt auch bei Pflichtverstößen im unmittelbaren Vermögensbereich (Senat 13. Dezember 1984 - 2 AZR 454/83 - zu III 3 a der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 81 = EzA BGB § 626 nF Nr. 94). Eine für lange Jahre ungestörte Vertrauensbeziehung zweier Vertragspartner wird nicht notwendig schon durch eine erstmalige Vertrauensenttäuschung vollständig und unwiederbringlich zerstört. Je länger eine Vertragsbeziehung ungestört bestanden hat, desto eher kann die Prognose berechtigt sein, dass der dadurch erarbeitete Vorrat an Vertrauen durch einen erstmaligen Vorfall nicht vollständig aufgezehrt wird. Dabei kommt es nicht auf die subjektive Befindlichkeit und Einschätzung des Arbeitgebers oder bestimmter für ihn handelnder Personen an. Entscheidend ist ein objektiver Maßstab. Maßgeblich ist nicht, ob der Arbeitgeber hinreichendes Vertrauen in den Arbeitnehmer tatsächlich noch hat. Maßgeblich ist, ob er es aus der Sicht eines objektiven Betrachters haben müsste. Im Arbeitsverhältnis geht es nicht um ein umfassendes wechselseitiges Vertrauen in die moralischen Qualitäten der je anderen Vertragspartei. Es geht allein um die von einem objektiven Standpunkt aus zu beantwortende Frage, ob mit einer korrekten Erfüllung der Vertragspflichten zu rechnen ist.

48

(b) Die Klägerin hat durch eine beanstandungsfreie Tätigkeit als Verkäuferin und Kassiererin über dreißig Jahre hinweg Loyalität zur Beklagten gezeigt.

49

(aa) Der Senat hatte davon auszugehen, dass diese Zeit ohne rechtlich relevante Beanstandungen verlaufen ist. Gegenstand einer der Klägerin erteilten Abmahnung war eine vor Kunden abgegebene, abfällige Äußerung gegenüber einem Arbeitskollegen. Dieses Verhalten steht mit dem Kündigungsvorwurf in keinerlei Zusammenhang; im Übrigen wurde die Abmahnung ein Jahr später aus der Personalakte entfernt. Schon aus tatsächlichen Gründen unbeachtlich ist das Geschehen im Zusammenhang mit der Einlösung eines Sondercoupons im November 2007. Die Klägerin hat im Einzelnen und plausibel dargelegt, weshalb ihr dabei im Ergebnis keine Bonuspunkte zugeschrieben worden seien, die ihr nicht zugestanden hätten. Dem ist die Beklagte nicht hinreichend substantiiert entgegengetreten.

50

(bb) Das in dieser Beschäftigungszeit von der Klägerin erworbene Maß an Vertrauen in die Korrektheit ihrer Aufgabenerfüllung und in die Achtung der Vermögensinteressen der Beklagten schlägt hoch zu Buche. Angesichts des Umstands, dass nach zehn Tagen Wartezeit mit einer Nachfrage der in Wahrheit berechtigten Kunden nach dem Verbleib von Leergutbons über Cent-Beträge aller Erfahrung nach nicht mehr zu rechnen war, und der wirtschaftlichen Geringfügigkeit eines der Beklagten entstandenen Nachteils ist es höher zu bewerten als deren Wunsch, nur eine solche Mitarbeiterin weiterzubeschäftigen, die in jeder Hinsicht und ausnahmslos ohne Fehl und Tadel ist. Dieser als solcher berechtigte Wunsch macht der Beklagten die Weiterbeschäftigung der Klägerin trotz ihres Pflichtenverstoßes mit Blick auf die bisherige Zusammenarbeit nicht unzumutbar. Objektiv ist das Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Klägerin nicht derart erschüttert, dass dessen vollständige Wiederherstellung und ein künftig erneut störungsfreies Miteinander der Parteien nicht in Frage käme.

51

(3) Das prozessuale Verteidigungsvorbringen der Klägerin steht dieser Würdigung nicht entgegen.

52

(a) Die Wirksamkeit einer Kündigung ist grundsätzlich nach den objektiven Verhältnissen im Zeitpunkt ihres Zugangs zu beurteilen. Dieser Zeitpunkt ist im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB sowohl für die Prüfung des Kündigungsgrundes als auch für die Interessenabwägung maßgebend. Umstände, die erst danach entstanden sind, können die bereits erklärte Kündigung nicht rechtfertigen. Sie können allenfalls als Grundlage für eine weitere Kündigung oder einen Auflösungsantrag nach §§ 9, 10 KSchG dienen(Senat 28. Oktober 1971 - 2 AZR 15/71 - zu II 2 d der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 62 = EzA BGB § 626 nF Nr. 9; 15. Dezember 1955 - 2 AZR 228/54 - zu III der Gründe, BAGE 2, 245).

53

(b) Nachträglich eingetretene Umstände können nach der Rechtsprechung des Senats für die gerichtliche Beurteilung allerdings insoweit von Bedeutung sein, wie sie die Vorgänge, die zur Kündigung geführt haben, in einem neuen Licht erscheinen lassen (Senat 13. Oktober 1977 - 2 AZR 387/76 - zu III 3 d der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 1 = EzA BetrVG 1972 § 74 Nr. 3; 28. Oktober 1971 - 2 AZR 15/71 - zu II 2 d der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 62 = EzA BGB § 626 nF Nr. 9; 15. Dezember 1955 - 2 AZR 228/54 - zu III der Gründe, BAGE 2, 245). Dazu müssen zwischen den neuen Vorgängen und den alten Gründen so enge innere Beziehungen bestehen, dass jene nicht außer Acht gelassen werden können, ohne dass ein einheitlicher Lebensvorgang zerrissen würde (Senat 15. Dezember 1955 - 2 AZR 228/54 - aaO; ErfK/Müller-Glöge 10. Aufl. § 626 Rn. 54; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 177; SPV/Preis 10. Aufl. Rn. 551; vgl. auch Walker NZA 2009, 921, 922). Es darf aber nicht etwa eine ursprünglich unbegründete Kündigung durch die Berücksichtigung späteren Verhaltens rückwirkend zu einer begründeten werden (Senat 15. Dezember 1955 - 2 AZR 228/54 - aaO). Außerdem ist genau zu prüfen, welche konkreten Rückschlüsse auf den Kündigungsgrund späteres Verhalten wirklich erlaubt. Im Hinblick auf prozessuales Vorbringen (vgl. Senatsentscheidungen vom 24. November 2005 - 2 AZR 39/05 - AP BGB § 626 Nr. 197 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 12 und 3. Juli 2003 - 2 AZR 437/02 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 38 = EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 2)gilt nichts anderes.

54

(c) Danach kommt dem Prozessverhalten der Klägerin keine ihre Pflichtverletzung verstärkende Bedeutung zu. Es ist nicht geeignet, den Kündigungssachverhalt als solchen zu erhellen. Der besteht darin, dass die Klägerin unberechtigterweise ihr nicht gehörende Leergutbons zweier Kunden zum eigenen Vorteil eingelöst hat.

55

(aa) Dieser Vorgang erscheint insbesondere im Hinblick auf eine Wiederholungsgefahr nicht dadurch in einem anderen, für die Klägerin ungünstigeren Licht, dass diese zunächst die Identität der von ihr eingelösten und der im Kassenbüro aufbewahrten Bons bestritten hat. Das Gleiche gilt im Hinblick darauf, dass die Klägerin auch noch im Prozessverlauf die Möglichkeit bestimmter Geschehensabläufe ins Spiel gebracht hat, die erklären könnten, weshalb sie - wie sie stets behauptet hat - selbst bei Identität der Bons nicht wusste, dass sie ihr nicht gehörende Bons einlöste. Die von der Klägerin aufgezeigten Möglichkeiten einschließlich der einer gegen sie geführten Intrige mögen sich wegen der erforderlich gewordenen Befragungen der betroffenen Arbeitnehmer nachteilig auf den Betriebsfrieden ausgewirkt haben. Dies war aber nicht Kündigungsgrund. Unabhängig davon zielte das Verteidigungsvorbringen der Klägerin erkennbar nicht darauf, Dritte einer konkreten Pflichtverletzung zu bezichtigen. Der Kündigungsgrund wird auch nicht dadurch klarer, dass die Klägerin die Rechtsauffassung vertreten hat, erstmalige Vermögensdelikte zulasten des Arbeitgebers könnten bei geringem wirtschaftlichem Schaden eine außerordentliche Kündigung ohne vorausgegangene Abmahnung nicht rechtfertigen. Damit hat sie lediglich in einer rechtlich umstrittenen Frage einen für sie günstigen Standpunkt eingenommen. Daraus kann nicht abgeleitet werden, sie werde sich künftig bei Gelegenheit in gleicher Weise vertragswidrig verhalten.

56

(bb) Das Prozessverhalten der Klägerin mindert ebenso wenig das bei der Interessenabwägung zu berücksichtigende Maß des verbliebenen Vertrauens. Auch für dessen Ermittlung ist auf den Zeitpunkt des Kündigungszugangs abzustellen. Aus dieser Perspektive und im Hinblick auf den bis dahin verwirklichten Kündigungssachverhalt ist zu fragen, ob mit der Wiederherstellung des Vertrauens in eine künftig korrekte Vertragserfüllung gerechnet werden kann. In dieser Hinsicht ist das Verteidigungsvorbringen der Klägerin ohne Aussagekraft. Ihr wechselnder Vortrag und beharrliches Leugnen einer vorsätzlichen Pflichtwidrigkeit lassen keine Rückschlüsse auf ihre künftige Zuverlässigkeit als Kassiererin zu. Das gilt gleichermaßen für mögliche, während des Prozesses aufgestellte Behauptungen der Klägerin über eine ihr angeblich von der Kassenleiterin angetragene Manipulation im Zusammenhang mit der Einlösung von Sondercoupons im November 2007 und mögliche Äußerungen gegenüber Pressevertretern.

57

(cc) Anders als die Beklagte meint, wird dadurch nicht Verstößen gegen die prozessuale Wahrheitspflicht „Tür und Tor geöffnet“. Im Fall eines bewusst wahrheitswidrigen Vorbringens besteht die Möglichkeit, eine weitere Kündigung auszusprechen oder einen Auflösungsantrag nach §§ 9, 10 KSchG anzubringen. Dabei kann nicht jeder unzutreffende Parteivortrag als „Lüge“ bezeichnet werden. Die Wahrnehmung eines Geschehens ist generell nicht unbeeinflusst vom äußeren und inneren Standpunkt des Wahrnehmenden. Gleiches gilt für Erinnerung und Wiedergabe, zumal in einem von starker Polarität geprägten Verhältnis, wie es zwischen Prozessparteien häufig besteht. Wenn sich das Gericht nach den Regeln des Prozessrechts in §§ 138, 286 ZPO die - rechtlich bindende, aber um deswillen nicht der Gefahr des Irrtums enthobene - Überzeugung bildet, ein bestimmter Sachverhalt habe sich so und nicht anders zugetragen, ist damit die frühere, möglicherweise abweichende Darstellung einer Partei nicht zugleich als gezielte Irreführung des Gerichts oder der Gegenpartei ausgewiesen. Es bedarf vielmehr besonderer Anhaltspunkte, um einen solchen - schweren - Vorwurf zu begründen.

58

B. Die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung zum 30. September 2008 ist unwirksam. Auch dies vermag der Senat selbst zu entscheiden. Die Kündigung ist sozial ungerechtfertigt. Sie ist nicht durch Gründe im Verhalten der Klägerin iSv. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt. Sie ist auf denselben Lebenssachverhalt gestützt wie die außerordentliche Kündigung. Der Beklagten war es aus den dargelegten Gründen zuzumuten, auf das mildere Mittel der Abmahnung zurückzugreifen.

59

C. Der Antrag auf Beschäftigung, der sich ersichtlich auf die Dauer des Kündigungsrechtsstreits beschränkte, kommt wegen der Beendigung des Verfahrens nicht mehr zum Tragen.

        

    Kreft    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Torsten Falke    

        

    Bartz    

                 

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.

Tenor

1. Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 19. Dezember 2014 - 4 Sa 10/14 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen und einer hilfsweise ordentlichen Kündigung.

2

Der 1954 geborene Kläger war bei dem beklagten Land seit Februar 1992 als Justizangestellter beschäftigt. Zuletzt war er am Oberlandesgericht N als „IT-Verantwortlicher“ tätig. Zu seinen Aufgaben gehörten die System- und Netzwerkbetreuung, die Verwaltung des sog. ADV-Depots, die Wartung, Pflege und Betreuung der Hard- und Software, die technische Unterstützung der Nutzer des Hauses, die Administration der elektronischen Berechtigungen und die Passwortvergabe. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand zuletzt der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) Anwendung.

3

Am 6. und am 19. März 2013 führte der Geschäftsleiter des Oberlandesgerichts mit dem Leiter der Wachtmeisterei - im Beisein der Vorsitzenden des örtlichen Personalrats - ein Personalgespräch. Dem Beamten wurde vorgehalten, unbefugt dienstliche Farbdrucker für die Erstellung sog. CD-Cover genutzt zu haben. In dem ersten Gespräch soll er laut eines „Besprechungsvermerks“ den Kläger als diejenige Person benannt haben, die für die Bestellung des Zubehörs für den EDV-Raum - einschließlich DVDs und CDs - verantwortlich gewesen sei.

4

Am 14. März 2013 unterzog der Geschäftsleiter den Arbeitsbereich des Klägers und den eines Justizhauptsekretärs, der sich mit dem Kläger das Dienstzimmer teilte, einer Geschäftsprüfung. In einem Vermerk des Geschäftsleiters vom 11. April 2013 („Prüfungsbericht“) heißt es, in der Zeit vom 1. Juli 2008 bis zum 31. Dezember 2012 seien für das Oberlandesgericht 2.325 DVDs und 1.500 CDs bestellt worden. Nach den eigenen Angaben des Klägers - so der Vermerk - seien zu dienstlichen Zwecken nur 150 bis 200 DVDs und etwa 50 CDs jährlich benötigt worden. Der Verbleib des restlichen Materials sei nicht aufzuklären. Auf einem mit dem Netzwerk des Oberlandesgerichts nicht verbundenen Computer sei lediglich der Kläger als „lokaler Admin“ und Nutzer festzustellen. Auf einer der Festplatten des Rechners seien nach Wiederherstellung vom Nutzer gelöschter Dateien 2.466 elektronische Bücher, 2.378 Bilddateien, 834 Audiodateien und 230 Videodateien gefunden worden. Ferner seien auf dem Rechner vier Programme installiert gewesen, die zum Umwandeln und Kopieren von DVDs und CDs geeignet seien. In der Zeit vom 6. Oktober 2010 bis zum 14. März 2013 sei eines von ihnen 1.128 Mal zur Bearbeitung von DVDs genutzt worden. Auf zwei weiteren externen Festplatten seien zusätzlich 41.242 Audiodateien, 1.822 Cover und 41 DVD-Kopien gefunden worden. Eine dritte externe Festplatte habe einen Ordner „Private Rechner“ enthalten. In den Schränken des Dienstzimmers hätten sich verschiedene leere und gefüllte „CD-Spindeln“ unterschiedlicher Größe, gebrannte Musik-CDs und leere DVDs befunden.

5

Mit Schreiben vom 16. April 2013 hörte das beklagte Land den örtlichen Personalrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien an.

6

Am 17. April 2013 fand zwischen dem Geschäftsleiter, einer Richterin am Oberlandesgericht und dem Kläger ein Personalgespräch statt. Dabei soll der Kläger - laut Vermerk - „sinngemäß“ erklärt haben, „alles, was auf dem Rechner bezüglich der DVDs“ sei, habe er „gemacht“. Er habe den Rechner mit nach Hause nehmen dürfen. „Natürlich [hätten sie] auch kopiert“. „Was das für DVDs und CDs“ gewesen seien, wisse er nicht mehr. Er habe „den Leuten einen Gefallen getan“. Er habe „manchmal“ festgestellt, dass sein Rechner von anderen Personen benutzt worden sei. Dies habe er nicht mitgeteilt, da es sich „nur“ um den „Test-Rechner“ gehandelt habe. Seit etwa Dezember 2012 habe er ein Passwort vergeben. Dieses sei aber für jeden, der seine Familie kenne, zu „knacken“ gewesen. Er habe „hundertprozentig“ keine „privaten Sachen“ für sich selbst „im Dienst gemacht“, sondern nur „für andere Leute aus dem OLG“.

7

Mit Schreiben vom 18. April 2013 informierte das beklagte Land den örtlichen Personalrat über den Inhalt des Gesprächs vom Vortag und über die Verwendungsmöglichkeiten des zur Bearbeitung von DVDs benutzten Umwandlungs- und Kopierprogramms. Zugleich teilte es mit, der Kläger habe sich nicht weiter geäußert. Mit Schreiben vom selben Tag erklärte der Personalrat, er habe die Angelegenheit „zur Kenntnis genommen“.

8

Mit Schreiben vom 18. April 2013, das dem Kläger am 22. April 2013 durch den Geschäftsleiter übergeben wurde, kündigte das beklagte Land das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos. In einem Vermerk heißt es, der Kläger habe bei Aushändigung der Kündigung erklärt, er nehme seine „zuvor getätigten Aussagen“ zurück. Er habe Kollegen und Vorgesetzte schützen wollen.

9

Am 22. April 2013 führte der Geschäftsleiter mit dem Bediensteten, auf dessen Arbeitsplatz sich die Geschäftsprüfung erstreckt hatte, im Beisein der Personalratsvorsitzenden ein Personalgespräch. Laut Vermerk soll der Mitarbeiter eingeräumt haben, CDs und DVDs für Musik und Filme jeweils „im mittleren dreistelligen Bereich … gebrannt“ zu haben. Die Vorlagen habe er in regelmäßigen Abständen vom Leiter der Wachtmeisterei und dem Kläger erhalten. Er habe das Kopierprogramm „für DVDs privat genutzt“. Die bei der zentralen Beschaffungsstelle des beklagten Landes bestellten DVDs und CDs seien in einem verschlossenen Schrank aufbewahrt worden. Der Schlüssel sei vom Kläger verwahrt und „immer mitgenommen“ worden.

10

Nach erneuter Anhörung des örtlichen Personalrats und mit dessen Zustimmung kündigte das beklagte Land das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 13. Mai 2013, das dem Kläger zwei Tage später zuging, ordentlich zum 31. Dezember 2013.

11

Der Kläger hat sich mit der vorliegenden Klage rechtzeitig gegen beide Kündigungen gewandt. Er hat geltend gemacht, die fristlose Kündigung sei mangels wichtigen Grundes unwirksam, die ordentliche Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Das Kopierprogramm und andere auf dem „Test-Rechner“ installierte Software habe er nicht in dem zutage getretenen Umfang genutzt. Zwar habe er sich ihrer gelegentlich bedient. Dies stelle aber keine schwerwiegende Pflichtverletzung dar, zumal ihm die Nutzung dienstlicher Computer, auch von Zuhause aus, zu privaten Zwecken in geringem Umfang durchaus erlaubt gewesen sei. Im Dienst durchgeführte Kopiervorgänge hätten jeweils nur wenige Sekunden in Anspruch genommen. Sie hätten seine Arbeitszeit insgesamt nicht verkürzt. Jedenfalls habe er keine „illegalen Kopien“ gefertigt. Keiner der beanstandeten Brennvorgänge sei ihm persönlich zuzuordnen. Wer den „Test-Rechner“ wann genutzt habe, stehe nicht fest. Auch andere Bedienstete hätten sich Zugang zu ihm verschaffen können. Das Passwort sei allgemein bekannt gewesen. Eine erhebliche Zahl der beanstandeten Nutzungen falle in eine Zeit, in der er selbst krankheits- oder urlaubsbedingt abwesend gewesen sei. Das beklagte Land gehe selbst davon aus, dass ein Kollege Brennvorgänge in nicht geringem Umfang durchgeführt habe. Ohnehin befänden sich auf dem „Server“ des Gerichts tausende von privaten Dateien, ohne dass dies je zu Beanstandungen geführt habe. Den hohen Verbrauch von Büromaterialien habe er nicht zu vertreten. Im Übrigen sei die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt. Auch sei der Personalrat nicht ordnungsgemäß unterrichtet worden. Jedenfalls zu einem gegen ihn gerichteten Verdacht als Kündigungsgrund sei dieser nicht angehört worden.

12

Der Kläger hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung des beklagten Landes vom 18. April 2013 noch durch dessen ordentliche Kündigung vom 13. Mai 2013 beendet worden ist;

        

2.    

das beklagte Land zu verurteilen, ihn zu unveränderten Bedingungen als Angestellten im Oberlandesgericht N im Rahmen der zuletzt ausgeübten - von ihm näher beschriebenen - Tätigkeit weiterzubeschäftigen.

13

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat die Kündigungen - auch wegen eines gegen den Kläger gerichteten Verdachts - als wirksam verteidigt. Der Kläger habe den ihm dienstlich anvertrauten Rechner während der Arbeitszeit umfangreich und unerlaubt zu privaten Zwecken - dem Kopieren und Brennen von DVDs und CDs mithilfe spezifischer, nicht zu dienstlichen Zwecken bestimmter Programme - genutzt. In 630 Fällen seien entsprechende Vorgänge zu Zeiten erfolgt, in denen er im Dienst gewesen sei. Die fraglichen Programme habe er zumindest während dieser Zeiten selbst genutzt. Dadurch habe er seine Vertragspflichten über einen langen Zeitraum in grober Weise verletzt. Durch das Herstellen illegaler Kopien habe er sich überdies strafbar gemacht. Zudem habe er „Arbeitszeitbetrug“ begangen. Auch habe er über 2.000 DVDs und über 1.000 CDs auf seine - des beklagten Landes - Kosten bestellt und privat verwendet. Mit seinem Verhalten habe er das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses notwendige Vertrauen unwiederbringlich zerstört. Die Frist zur Erklärung der Kündigung sei gewahrt. Der zur Kündigung berechtigte Präsident des Oberlandesgerichts habe vom Kündigungssachverhalt erst durch den Prüfbericht des Geschäftsleiters vom 11. April 2013 Kenntnis erlangt. Die Beteiligung des Personalrats sei in jeder Hinsicht ordnungsgemäß erfolgt.

14

Das Arbeitsgericht hat der Klage - hinsichtlich des Weiterbeschäftigungsantrags mit Einschränkungen - stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt das beklagte Land sein Begehren weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

15

Die zulässige Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil war aufzuheben. Die Sache war zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 ZPO).

16

A. Die Revision ist zulässig. Sie ist ordnungsgemäß innerhalb der Frist des § 74 Abs. 1 ArbGG begründet worden.

17

I. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung die Angabe der Revisionsgründe. Bei einer Sachrüge muss die Revisionsbegründung den Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Dazu muss die Revisionsbegründung eine Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Urteils enthalten. Dies erfordert die genaue Darlegung der Gründe, aus denen das angefochtene Urteil rechtsfehlerhaft sein soll (BAG 2. Mai 2014 - 2 AZR 490/13 - Rn. 15; 13. November 2013 - 10 AZR 639/13 - Rn. 11).

18

II. Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung gerecht. Das beklagte Land setzt sich im Schriftsatz vom 7. April 2015 mit allen die angefochtene Entscheidung selbständig tragenden Begründungen des Landesarbeitsgerichts auseinander. Es zeigt auf, warum die Erwägungen sachlich unzutreffend sein sollen. Die Ausführungen zum wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB greift es mit der Begründung an, das Landesarbeitsgericht habe, soweit es die Kündigung unter dem Gesichtspunkt einer Tatkündigung für unwirksam erachtet habe, die den Kläger treffende, abgestufte Darlegungslast verkannt. Die Annahme des Gerichts, die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei nicht gewahrt, beruhe auf unzutreffenden Erwägungen zum Fristbeginn. Insbesondere habe das Landesarbeitsgericht nicht - wie geboten - auf die Person des Kündigungsberechtigten und dessen Kenntnis abgestellt. Soweit es auf die Möglichkeit verwiesen habe, strafrechtliche Ermittlungen zu veranlassen und deren Ergebnis abzuwarten, sei dies sachfremd. Soweit es gemeint habe, die Anhörung des Personalrats sei aufgrund von Äußerungen eines anderen Bediensteten vom 22. April 2013 nicht ordnungsgemäß, habe es den Grundsatz der subjektiven Determinierung verkannt. Diese Sachrügen wären im Falle ihrer Begründetheit geeignet, die angefochtene Entscheidung insgesamt, auch mit Blick auf die vorsorglich erklärte ordentliche Kündigung, zu Fall zubringen. Das reicht als Revisionsangriff aus, ohne dass es auf die Verfahrensrügen des beklagten Landes ankäme.

19

B. Die Revision ist begründet. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen durfte das Landesarbeitsgericht der Klage nicht stattgeben. Der Senat kann mangels zureichender Tatsachenfeststellungen nicht beurteilen, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche fristlose Kündigung vom 18. April 2013 aufgelöst worden ist.

20

I. Die bisherigen Feststellungen tragen nicht das Ergebnis, ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB liege nicht vor.

21

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“ und damit typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 16; 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 19 mwN).

22

2. Die Prüfung der Voraussetzungen des wichtigen Grundes ist in erster Linie Sache der Tatsacheninstanzen. Dennoch geht es um Rechtsanwendung, nicht um bloße Tatsachenfeststellung. Die Würdigung des Berufungsgerichts wird in der Revisionsinstanz darauf hin überprüft, ob es anzuwendende Rechtsbegriffe in ihrer allgemeinen Bedeutung verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (BAG 26. September 2013 - 2 AZR 682/12 - Rn. 45, BAGE 146, 161; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 17, BAGE 134, 349).

23

3. Dieser Überprüfung hält die angefochtene Entscheidung nicht stand.

24

a) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die fristlose Kündigung sei nicht als sog. Verdachtskündigung gerechtfertigt (zu dieser und ihren Voraussetzungen vgl. BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 20; 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 16 mwN). Dagegen wendet sich das beklagte Land nicht. Ein Rechtsfehler ist auch objektiv - im Ergebnis - nicht zu erkennen.

25

aa) Will der Arbeitgeber seine Kündigung auf den dringenden Verdacht einer erheblichen arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung stützen, muss er dies dem Betriebs- oder Personalrat mitteilen und die Umstände angeben, aus denen sich dieser Verdacht ergeben soll. Informiert er das Gremium lediglich über eine - aus seiner Sicht tatsächlich erfolgte - Vertragspflichtverletzung des Arbeitnehmers, kann er sich im späteren Kündigungsschutzprozess zur Begründung der Kündigung nicht mehr auf den bloßen Verdacht einer entsprechenden Handlung stützen, wenn ihm die Verdachtsmomente bei Ausspruch der Kündigung bereits bekannt waren (für die Anhörung des Betriebsrats vgl. BAG 18. Juni 2015 - 2 AZR 256/14 - Rn. 47; 23. April 2008 - 2 ABR 71/07 - Rn. 24 mwN; für die Beteiligung des Personalrats nach § 79 Abs. 1 Satz 1 BPersVG vgl. BAG 10. April 2014 - 2 AZR 684/13 - Rn. 21). Nur wenn dem Arbeitgeber nachträglich neue Verdachtstatsachen bekannt geworden sind, ist ein Nachschieben des Verdachts als Kündigungsgrund - zumindest dann, wenn die maßgebenden Verdachtsmomente objektiv schon vor Zugang der Kündigung vorlagen - möglich. Weitere Voraussetzung ist, dass der Arbeitgeber den Betriebs- bzw. Personalrat zuvor in analoger Anwendung der maßgebenden Bestimmungen zu seiner entsprechenden Absicht angehört hat (vgl. BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 32; 11. April 1985 - 2 AZR 239/84 - zu B I 2 b ee der Gründe, BAGE 49, 39).

26

bb) Das Vorbringen des beklagten Landes lässt nicht den Schluss zu, es habe den Personalrat vor Zugang der Kündigung über seine Absicht unterrichtet, das Arbeitsverhältnis (auch) wegen des Verdachts einer pflichtwidrigen Handlung zu kündigen. Die Anschreiben an den Personalrat vom 16. und 18. April 2013 enthalten keine entsprechende Mitteilung. Das beklagte Land hat nicht geltend gemacht, dass ihm einzelne der in den Rechtsstreit eingeführten Verdachtstatsachen erst nach Zugang der Kündigung bekannt geworden seien. Dafür spricht auch objektiv nichts.

27

b) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Kündigung sei auch unter dem Gesichtspunkt einer verwirklichten Pflichtverletzung - dh. einer „Tat“ - nicht berechtigt, ist rechtsfehlerhaft. Ihr ist schon nicht zu entnehmen, welchen tatsächlichen Sachverhalt das Landesarbeitsgericht seiner Beurteilung zugrunde gelegt hat.

28

aa) Im Tatbestand der angefochtenen Entscheidung hat sich das Landesarbeitsgericht in weiten Teilen auf die Wiedergabe von Vermerken des beklagten Landes beschränkt. Ob es die darin festgehaltenen Umstände einschließlich der Äußerungen des Klägers für wahr erachtet hat, ist nicht zweifelsfrei erkennbar.

29

bb) In den Entscheidungsgründen hat das Landesarbeitsgericht unter Wiederholung der Erwägungen des Arbeitsgerichts ausgeführt, trotz Vorliegens „gewisser Verdachtsmomente“ sei es letztlich eine unbewiesene Behauptung des beklagten Landes, es seien (alle) vorgefundenen Privatdateien dem Kläger zuzurechnen, dieser (allein) habe die Privatnutzungen und damit auch mögliche (nach § 106 UrhG strafbare) Vervielfältigungen und Brennvorgänge vorgenommen bzw. durchgeführt. Keiner der dokumentierten Vorgänge lasse sich einzelnen Personen - etwa dem Kläger - zuordnen. Es sei auch „nicht bewiesen“, dass es gerade dieser gewesen sei, der die Kopierprogramme installiert habe. „Allein die Tatsache“, dass zahlreiche dokumentierte „Vorgänge“ Zeiten beträfen, während derer sich der Kläger nicht am Arbeitsplatz aufgehalten habe, beweise, dass andere Personen sowohl Zugriff auf den Rechner gehabt hätten als auch in der Lage gewesen seien, die Kopierprogramme zu nutzen. Auch diesen Ausführungen ist nicht zu entnehmen, von welchem konkreten, seiner Meinung nach feststehenden Sachverhalt das Landesarbeitsgericht ausgegangen ist. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, worin es die - für nicht ausreichend erachteten - „Verdachtsmomente“ erblickt hat.

30

c) Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts kann selbst dann keinen Bestand haben, wenn unterstellt wird, es habe den Inhalt der Vermerke und das sonstige Vorbringen des beklagten Landes als wahr unterstellt. Unter dieser Prämisse verletzt seine Würdigung die Vorschrift des § 626 Abs. 1 BGB. Es fehlt an einer nachprüfbaren Unterordnung des behaupteten Kündigungssachverhalts unter die Norm.

31

aa) Die Beurteilung des Landesarbeitsgerichts, die Kündigung sei auch als sog. Tatkündigung nicht berechtigt, ist schon im Ansatz nicht nachzuvollziehen. Sie lässt nicht erkennen, wie es den von der Beklagten unterbreiteten Kündigungssachverhalt materiell-rechtlich eingeordnet, dh. welche konkreten, möglicherweise als wichtiger Grund geeigneten Pflichtverletzungen es in Betracht gezogen hat. Zudem ist nicht erkennbar, dass es seine Würdigung in tatsächlicher Hinsicht auf alle in Frage kommenden Kündigungsgründe ausgerichtet hätte.

32

(1) Nach dem Vorbringen des beklagten Landes kommt eine Berechtigung der fristlosen Kündigung unter mehreren Gesichtspunkten in Betracht. Vorrangig erhebt das Land den Vorwurf, der Kläger habe - sei es als Allein-, sei es als Mittäter - wiederholt unter Nutzung dienstlicher Ressourcen urheberrechtswidrig Musik- und Audiodateien vervielfältigt. Ein solches Verhalten ist als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB „an sich“ geeignet. Ein Arbeitgeber hat, zumal wenn es sich bei ihm um eine Justizbehörde handelt, ein offenkundiges Interesse daran, dass nicht dienstliche Rechner dazu benutzt werden, unter Umgehung eines Kopierschutzes Vervielfältigungen privat beschaffter Musik- oder Film-CDs/DVDs herzustellen. Das gilt losgelöst von einer möglichen Strafbarkeit der Vorgänge (zur Problematik vgl. Treppehl/Schmidl NZA 2009, 985 ff.) und unabhängig davon, ob die Handlungen während der Arbeitszeit vorgenommen wurden. Eine Strafbarkeit der Kopier- und Brennvorgänge oder ein damit einhergehender „Arbeitszeitbetrug“ wäre allerdings geeignet, das Gewicht des Kündigungsgrundes noch zu verstärken. Dies wiederum kann für das Erfordernis einer Abmahnung und die weitere Interessenabwägung Bedeutung gewinnen. Darüber hinaus kann die dem Kläger angelastete zweckwidrige Verwendung von CD- und/oder DVD-Rohlingen, die auf Kosten des beklagten Landes bestellt wurden, als eigenständiger Kündigungsgrund Bedeutung erlangen.

33

(2) Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts lassen nicht erkennen, dass es die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung unter jedem dieser Gesichtspunkte überprüft und seine Würdigung - soweit es „Verdachtsmomente“ gewichtet hat - hierauf ausgerichtet hätte.

34

bb) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, das beklagte Land habe weder eine strafbare Urheberrechtsverletzung noch eine ähnlich schwerwiegende Vertragspflichtverletzung nachgewiesen, ist auch aus anderen Gründen rechtsfehlerhaft.

35

(1) Gemäß § 286 Abs. 1 ZPO haben die Tatsacheninstanzen unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer ggf. durchgeführten Beweisaufnahme nach ihrer freien Überzeugung darüber zu befinden, ob sie eine tatsächliche Behauptung für wahr erachten oder nicht. Die Beweiswürdigung muss vollständig, widerspruchsfrei und umfassend sein. Mögliche Zweifel müssen überwunden, brauchen aber nicht völlig ausgeschlossen zu werden (vgl. BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 44; 31. Mai 2007 - 2 AZR 276/06 - Rn. 42, BAGE 123, 1). Soll ein Vortrag mittels Indizien bewiesen werden, hat das Gericht zu prüfen, ob es die vorgetragenen Hilfstatsachen - deren Richtigkeit unterstellt - von der Wahrheit der Haupttatsache überzeugen. Das Gericht hat die insoweit maßgebenden Umstände vollständig und verfahrensrechtlich einwandfrei zu ermitteln und alle Beweisanzeichen erschöpfend zu würdigen (BGH 16. Januar 1990 - VI ZR 109/89 - zu II 2 der Gründe; 4. Juli 1989 - VI ZR 309/88 - zu II 2 der Gründe). Dabei sind die Tatsacheninstanzen grundsätzlich frei darin, welche Beweiskraft sie den behaupteten Indiztatsachen im Einzelnen und in einer Gesamtschau beimessen (BAG 18. Juni 2015 - 2 AZR 480/14 - Rn. 35; allgemein zum Indizienbeweis BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 43). Revisionsrechtlich ist ihre Würdigung allein darauf hin zu überprüfen, ob alle Umstände vollständig berücksichtigt und nicht Denk- und Erfahrungsgrundsätze verletzt wurden. Um diese Überprüfung zu ermöglichen, haben die Tatsachengerichte nach § 286 Abs. 1 Satz 2 ZPO die wesentlichen Grundlagen ihrer Überzeugungsbildung nachvollziehbar darzulegen(BAG 19. April 2005 - 9 AZR 184/04 - zu II 3 der Gründe; BGH 31. Juli 2013 - VII ZR 11/12 - Rn. 10; 22. November 2006 - IV ZR 21/05 - Rn. 11; 22. Januar 1991 - VI ZR 97/90 - zu II 1 der Gründe).

36

(2) Danach rügt das beklagte Land zu Recht eine Verletzung von § 286 ZPO. Der Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist nicht zu entnehmen, welche möglichen Indiztatsachen („Verdachtsmomente“) es in seine Beurteilung einbezogen und welchen Beweiswert es ihnen beigemessen hat. Damit ist nicht erkennbar, ob es den Vortrag des beklagten Landes vollständig zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat.

37

(3) Der Annahme eines wichtigen Grundes steht nicht entgegen, dass das beklagte Land den Sachverhalt - jedenfalls bis zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung - selbst ermittelt hat. Das mindert weder den Beweiswert der in Rede stehenden Indizien, noch ist die Kündigung deshalb unwirksam, weil polizeiliche oder staatsanwaltschaftliche Ermittlungen möglicherweise zu weitergehenden Ergebnissen geführt hätten. Soweit das Landesarbeitsgericht gemeint hat, das beklagte Land habe zu bestimmten, potentiell entlastenden Umständen nicht ausreichend vorgetragen, wird seine Rechtsanwendung überdies der den Kläger insoweit treffenden abgestuften Darlegungslast (§ 138 Abs. 2 ZPO) nicht gerecht.

38

(a) Die Rechtfertigung einer „Tatkündigung“ hängt allein davon ab, ob im Kündigungszeitpunkt objektiv Tatsachen vorlagen, die zu der Annahme berechtigen, dem Kündigenden sei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses - im Fall der außerordentlichen Kündigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - unzumutbar gewesen. Vor diesem Hintergrund mag eine umfassende, der Kündigung vorausgehende Sachverhaltsaufklärung im eigenen Interesse des Arbeitgebers liegen. Unterlässt er sie, geht er aber „nur“ das Risiko ein, die behauptete Pflichtverletzung im Prozess nicht beweisen zu können. Anders als bei der Verdachtskündigung ist der Arbeitgeber vor Ausspruch einer „Tatkündigung“ nicht verpflichtet, alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts - auch mit Blick auf den Arbeitnehmer möglicherweise entlastende Umstände - zu unternehmen. Ob der behauptete Kündigungsgrund vorliegt, beurteilt sich allein danach, ob die ihn tragenden und im Prozess mitgeteilten Tatsachen bewiesen sind oder nicht (vgl. BAG 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 57, BAGE 131, 155; 18. September 1997 - 2 AZR 36/97 - zu II 2 a der Gründe; zur Verdachtskündigung siehe demgegenüber BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 700/11 - Rn. 13 mwN, BAGE 143, 244). Im Übrigen braucht der Arbeitgeber selbst bei der Verdachtskündigung nicht jeder noch so entfernten Möglichkeit einer Entlastung des Arbeitnehmers nachzugehen, insbesondere dann nicht, wenn sich der Arbeitnehmer im Rahmen seiner Anhörung auf entsprechende Umstände nicht berufen hat.

39

(b) Auf der Grundlage des bisherigen Parteivorbringens durfte das Landesarbeitsgericht nicht davon ausgehen, das beklagte Land sei seiner prozessualen Darlegungslast mit Blick auf mögliche Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe nicht hinreichend nachgekommen.

40

(aa) Im Kündigungsschutzprozess obliegt dem Arbeitgeber die volle Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Kündigungsgrundes (BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 75/13 - Rn. 30, BAGE 148, 129). Für Umstände, die das Verhalten des Arbeitnehmers rechtfertigen oder entschuldigen könnten, ist seine Darlegungslast allerdings abgestuft. Der Arbeitgeber darf sich zunächst darauf beschränken, den objektiven Tatbestand einer Arbeitspflichtverletzung vorzutragen. Er muss nicht jeden erdenklichen Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund vorbeugend ausschließen (BAG 3. November 2011 - 2 AZR 748/10 - Rn. 23; 21. Mai 1992 - 2 AZR 10/92 - zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 70, 262). Es ist vielmehr Sache des Arbeitnehmers, für das Eingreifen solcher Gründe - soweit sie sich nicht unmittelbar aufdrängen - zumindest greifbare Anhaltspunkte zu benennen.

41

(bb) Schon auf der Tatbestandsebene des wichtigen Grundes kann den Arbeitnehmer darüber hinaus eine sekundäre Darlegungslast treffen. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber als primär darlegungsbelastete Partei außerhalb des fraglichen Geschehensablaufs steht, während der Arbeitnehmer aufgrund seiner Sachnähe die wesentlichen Tatsachen kennt. In einer solchen Situation kann der Arbeitnehmer gehalten sein, dem Arbeitgeber durch nähere Angaben weiteren Sachvortrag zu ermöglichen (BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 694/11 - Rn. 52, BAGE 142, 188; 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - Rn. 31). Kommt er in einer solchen Prozesslage seiner sekundären Darlegungslast nicht nach, gilt das tatsächliche Vorbringen des Arbeitgebers - soweit es nicht völlig „aus der Luft gegriffen“ ist - iSv. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden(vgl. BAG 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - aaO). Dabei dürfen an die sekundäre Behauptungslast des Arbeitnehmers keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Sie dient lediglich dazu, es dem kündigenden Arbeitgeber als primär darlegungs- und beweispflichtiger Partei zu ermöglichen, weitere Nachforschungen anzustellen und sodann substantiiert zum Kündigungsgrund vorzutragen und ggf. Beweis anzutreten (zu den Einzelheiten vgl. BAG 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - Rn. 33).

42

(cc) Danach musste das beklagte Land nicht von sich aus denkbare Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe auf Seiten des Klägers ausschließen. Die gegenteilige Sichtweise des Landesarbeitsgerichts überspannt die Anforderungen an die Darlegungslast des Arbeitgebers und geht von einer Ermittlungspflicht aus, die zumindest bei einer „Tatkündigung“ nicht besteht.

43

(dd) Das Landesarbeitsgericht hat zwar einzelne Gesichtspunkte angesprochen, die einer weiteren Aufklärung zugänglich gewesen sein sollen. Es hat aber nicht aufgezeigt, warum sie einer möglichen Entlastung des Klägers hätten dienen können. Das ist auch nicht unmittelbar ersichtlich.

44

(aaa) Das Landesarbeitsgericht hat auf Äußerungen anderer Bediensteter verwiesen, die ausweislich vorliegender Besprechungsvermerke eingeräumt hätten, „an den hier streitgegenständlichen Geschehnissen im OLG“ beteiligt gewesen zu sein. Der im gleichen Dienstzimmer wie der Kläger tätige Justizhauptsekretär habe „sozusagen“ in Teilen ein „Geständnis“ abgelegt. Weshalb diese Erklärungen den Vorwurf sollten entkräften können, der Kläger habe während seiner Anwesenheitszeiten im Gericht in erheblichem Umfang Kopier- und Brennvorgänge eigenhändig vorgenommen, erschließt sich nicht. Das gilt erst recht unter Berücksichtigung des Vorhalts des beklagten Landes, der Kläger habe mit anderen Bediensteten arbeitsteilig zusammengewirkt oder sie bei ihrem pflichtwidrigen Verhalten maßgeblich unterstützt. Ebenso wenig erschließt sich die Relevanz der Äußerungen mit Blick auf den Vorwurf, der Kläger habe in erheblichem Umfang Verbrauchsmaterialien auf Kosten des beklagten Landes bestellt, ohne dass dafür ein dienstlicher Anlass bestanden hätte und ihr Verbleib geklärt wäre.

45

(bbb) Der Kläger hat - soweit ersichtlich - nicht behauptet, der Inhalt eines bei der Geschäftsprüfung im Schrank eines anderen Bediensteten vorgefundenen, verschlossenen Kartons habe zu seiner Entlastung beitragen können. Es ist deshalb nicht ersichtlich, inwieweit das Unterbleiben einer Aufklärung dem beklagten Land zum Nachteil gereichen könnte. Die Erwägungen des Landesarbeitsgerichts bewegen sich im Bereich der Spekulation.

46

(ccc) Soweit das Landesarbeitsgericht „Erläuterungen“ zu den Aufgaben des Klägers, insbesondere hinsichtlich einer „technischen Unterstützung der Nutzer des Hauses“ und zur Verteilung der Aufgaben und Verantwortlichkeiten auf insgesamt vier Administratoren vermisst hat, bleiben seine Ausführungen im Vagen haften. Es hat nicht festgestellt, dass beim Kläger aufgrund der ihm eingeräumten Befugnisse der Eindruck habe entstehen können, er dürfe im Dienst auf dienstlichen Rechnern unter Umgehung von Kopierschutz Vervielfältigungen privat beschaffter CDs und DVDs vornehmen und Verbrauchsmaterialien in erheblichem Umfang zu ausschließlich privaten Zwecken bestellen und verwenden oder sie Dritten zur privaten Nutzung überlassen. Eine solche Annahme liegt auch fern. Das Gleiche gilt für die Behauptung des Klägers, ein zwischenzeitlich außer Dienst getretener Referatsleiter habe ihm erlaubt, sich während der Arbeitszeit um die „Privatrechner“ der Bediensteten und ihrer Angehörigen „zu kümmern“. Daraus durfte der Kläger jedenfalls nicht schließen, er habe urheberrechtsverletzende Kopier- und Brennvorgänge auf dienstlichen Computern vornehmen und dienstliche Materialien privat verwenden dürfen. Auf die Verfahrensrüge, mit der sich das beklagte Land gegen die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zum Inhalt der fraglichen Erlaubnis wendet, kommt es hierfür nicht an.

47

(ddd) Unklar bleibt, welche den Kläger entlastenden Schlussfolgerungen daraus zu ziehen sein sollen, dass die in Rede stehende Nutzung des „Test-Rechners“ lange Zeit unbemerkt blieb. Die entsprechende Erwägung des Landesarbeitsgerichts berücksichtigt zudem nicht, dass das beanstandete Verhalten des Klägers auf Heimlichkeit angelegt und der fragliche Computer an das Netzwerk des Oberlandesgerichts nicht angeschlossen war.

48

(eee) Das beklagte Land hat unter Beweisantritt vorgebracht, der Kläger sei für die Verwaltung des „ADV-Depots“ zuständig und für die Bestellung der „EDV-Verbrauchsmittel“ verantwortlich gewesen. Es hat die Anzahl der von ihm ermittelten Bestellungen für die Zeit von Juli 2008 bis Dezember 2012 genannt und dem die Behauptung des Klägers gegenüber gestellt, bei ihm seien „seit Einführung von Juris“ - wohl im Jahr 2006 - „kaum“ DVDs und CDs „von Bediensteten“ abgefordert worden. Außerdem hat es auf den Geschäftsprüfungsbericht und dessen Anlage 3 verwiesen und behauptet, daraus gehe hervor, dass im fraglichen Zeitraum für das Oberlandesgericht mehr als die doppelte Zahl von CD- und DVD-Rohlingen bestellt worden sei als für die in M ansässige „ADV-Stelle Justiz“. Zudem hat es behauptet, der Kläger habe die Verbrauchsmaterialien unter Verschluss gehalten, soweit er sie nicht an Dritte herausgegeben habe, und habe erklärt, zum Verbleib der Materialien keine Angaben machen zu können. Das Landesarbeitsgericht hat sich mit diesem Vorbringen nicht auseinandergesetzt. Es hat sich darauf beschränkt, pauschal auf die Möglichkeit weiterer Ermittlungen zu „Bestellvorgänge[n], Zeichnung und Gegenzeichnung unter Beteiligung welcher Bediensteter des OLG, ggf. nebst Kostenvergleichen anderer vergleichbarer Behörden“ zu verweisen. Dem Hinweis ist nicht zu entnehmen, dass - und ggf. warum - es den Vortrag des beklagten Landes selbst unter der Prämisse für erläuterungsbedürftig erachtet hat, er sei wahr.

49

(fff) Es kommt hinzu, dass der Kläger laut Gesprächsvermerk vom 17. April 2013 eingeräumt haben soll, er habe - wie andere Bedienstete auch - „natürlich auch kopiert“. Im Prozess hat er vorgetragen, „die Programme … gelegentlich“ privat genutzt zu haben, nur nicht in dem vom beklagten Land behaupteten Umfang und nicht in „illegaler“ Weise. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts berücksichtigt nicht, dass der Kläger damit der ihn treffenden sekundären Behauptungslast nicht nachgekommen ist. Die Kopiervorgänge bewegten sich nach der Behauptung des beklagten Landes außerhalb des Wahrnehmungsbereichs seiner Repräsentanten. Das Gegenteil hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt; der Sachvortrag des Klägers gibt insoweit nichts her. Er hätte deshalb konkretisieren müssen, was er unter „gelegentlichen“ Kopiervorgängen versteht. Außerdem hätte er - unter Ausschöpfung seines Erinnerungsvermögens - beschreiben müssen, um Kopien welcher Musik-/Film-CDs/DVDs es sich gehandelt habe, welche Programme er dafür eingesetzt und welche „Rohlinge“ er genutzt habe. Ebenso wenig durfte das Landesarbeitsgericht annehmen, dem Kläger seien die auf dem „Test-Rechner“ erfolgten Brenn- und Kopiervorgänge nicht zweifelsfrei zuzurechnen, ohne sich mit der Frage befasst zu haben, welche Rückschlüsse aus der Erklärung des Klägers vom 17. April 2013, „alles, was auf dem Rechner bezüglich der DVDs [sei], habe [er] gemacht“, und dem Umstand zu ziehen sind, dass er von dieser Äußerung später wieder Abstand genommen hat. Soweit das Landesarbeitsgericht gemeint hat, die behauptete Aussage eines anderen Bediensteten vom 22. April 2013, „CDs und DVDs im mittleren dreistelligen Bereich gebrannt [zu haben]“, sei „möglicherweise“ geeignet, den Kläger zu entlasten, fehlt es an einer eindeutigen richterlichen Würdigung. Auch dürfte eine wie auch immer geartete „Entlastung“ angesichts des in Rede stehenden Umfangs der Kopier- und Brennvorgänge und der behaupteten ausschließlichen Verwaltung der Rohlinge durch den Kläger schwerlich begründbar sein. Näher liegt es - wie das Landesarbeitsgericht an anderer Stelle selbst ausgeführt hat - in den fraglichen Umständen Anhaltspunkte für ein mittäterschaftliches Zusammenwirken zu erblicken. Dann wiederum könnte sich der Kläger nach dem Rechtsgedanken des § 830 BGB ohnehin nicht darauf beschränken vorzutragen, er wisse nicht mehr, welche Taten von wem begangen worden seien(ähnlich BAG 5. März 1981 - 3 AZR 559/78 - zu II 3 a der Gründe).

50

II. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Beidem unterliegt auch die Entscheidung über die vorsorglich erklärte ordentliche Kündigung und den (Hilfs-)Antrag des Klägers auf vorläufige Weiterbeschäftigung.

51

1. Der Senat kann nicht abschließend beurteilen, ob ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB vorliegt. Das Landesarbeitsgericht hat den Kündigungssachverhalt nicht festgestellt und an der Norm des § 626 Abs. 1 BGB gemessen. Die erforderliche Beurteilung kann der Senat nicht selbst vornehmen. Sie verlangt weitere Sachaufklärung. In Anbetracht der Vielzahl der gegen den Kläger sprechenden Indizien ist nicht auszuschließen, dass sich die gegen ihn erhobenen Vorwürfe als berechtigt erweisen.

52

2. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar. Seine Auffassung, das beklagte Land habe die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt und den Personalrat nicht ordnungsgemäß beteiligt, ist rechtsfehlerhaft.

53

a) Die außerordentliche Kündigung ist auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht außerhalb der Frist des § 626 Abs. 2 BGB erklärt worden.

54

aa) Die Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB beginnt nach Satz 2 der Vorschrift mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist der Fall, sobald er eine zuverlässige und hinreichend vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht. Selbst eine grob fahrlässige Unkenntnis setzt die Frist nicht in Gang (BAG 12. Februar 2015 - 6 AZR 845/13 - Rn. 94 mwN; 22. November 2012 - 2 AZR 732/11 - Rn. 30 mwN). Zu den maßgebenden Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen die Kündigung sprechenden Umstände. Der Kündigungsberechtigte, der gewisse Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Ermittlungen anstellen und dazu auch den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen begänne. Dies gilt allerdings nur solange, wie er aus verständigen Gründen und mit der gebotenen Eile Ermittlungen durchführt, die ihm eine umfassende und zuverlässige Kenntnis des Kündigungssachverhalts verschaffen sollen. Soll der Kündigungsgegner angehört werden, muss dies innerhalb einer kurzen Frist erfolgen. Sie darf im Allgemeinen nicht mehr als eine Woche betragen und nur bei Vorliegen besonderer Umstände überschritten werden (BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 407/13 - Rn. 40; 20. März 2014 - 2 AZR 1037/12 - Rn. 14). Für die übrigen Ermittlungen gilt keine Regelfrist. Bei ihnen ist fallbezogen zu beurteilen, ob sie hinreichend zügig betrieben wurden (BAG 31. März 1993 - 2 AZR 492/92 - zu II 1 der Gründe, BAGE 73, 42; 10. Juni 1988 - 2 AZR 25/88 - zu III 3 c der Gründe).

55

bb) Neben den Mitgliedern der Organe von juristischen Personen und Körperschaften gehören zu den Kündigungsberechtigten auch die Mitarbeiter, denen der Arbeitgeber das Recht zur außerordentlichen Kündigung übertragen hat. Dagegen ist die Kenntnis anderer Personen für den Lauf der Ausschlussfrist grundsätzlich unbeachtlich. Dies gilt auch dann, wenn ihnen Aufsichtsfunktionen übertragen worden sind. Nur ausnahmsweise muss sich der Arbeitgeber auch ihre Kenntnis nach Treu und Glauben zurechnen lassen. Dazu müssen diese Personen eine herausgehobene Position und Funktion im Betrieb oder in der Verwaltung innehaben sowie tatsächlich und rechtlich in der Lage sein, den Sachverhalt so umfassend zu klären, dass mit ihrem Bericht an den Kündigungsberechtigten dieser ohne weitere Nachforschungen seine (Kündigungs-)Entscheidung abgewogen treffen kann. Voraussetzung dafür, dem Arbeitgeber solche Kenntnisse zuzurechnen, ist ferner, dass die Verspätung, mit der er in eigener Person Kenntnis erlangt hat, auf einer unsachgemäßen Organisation des Betriebs oder der Verwaltung beruht (BAG 21. Februar 2013 - 2 AZR 433/12 - Rn. 28; 23. Oktober 2008 - 2 AZR 388/07 - Rn. 22).

56

cc) Diese Vorgaben hat das Landesarbeitsgericht nicht beachtet.

57

(1) Die Kündigungsbefugnis lag nach Teil 3 Ziff. 12.3 Satz 1 PersBef-AV iVm. Teil 1 Ziff. 2 Satz 1 Buchst. a PersBef-AV beim Präsidenten des Oberlandesgerichts. Gemäß dem - streitigen - Vorbringen des beklagten Landes ist dieser am 11. April 2013 über die Vorgänge und das Ergebnis der Ermittlungen in Kenntnis gesetzt worden. Dann wäre die Erklärungsfrist bei Zugang der Kündigung am 22. April 2013 allemal gewahrt gewesen. Den bisherigen Feststellungen ist nicht zu entnehmen, dass eine nicht kündigungsberechtigte Person schon vor dem 11. April 2013 von den Kündigungsgründen Kenntnis erlangt und eine Funktion innegehabt hätte, die es rechtlich erlaubte, ihre Kenntnisse dem Präsidenten des Oberlandesgerichts zuzurechnen.

58

(2) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, das beklagte Land habe Ermittlungen nicht mit der gebotenen Eile durchgeführt, verletzt § 626 Abs. 2 BGB iVm. § 138 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO. Die Würdigung verkennt die Voraussetzungen, unter denen Ermittlungen als „zügig“ anzusehen sind. Überdies hat es zu hohe Anforderungen an den betreffenden Sachvortrag des beklagten Landes gestellt.

59

(a) Soweit das Landesarbeitsgericht darauf abhebt, das beklagte Land habe umgehend die Strafverfolgungsbehörden einschalten und - ohne Nachteile mit Blick auf die Frist des § 626 Abs. 2 BGB befürchten zu müssen - den Aus- und Fortgang des Ermittlungs- und Strafverfahrens abwarten können, ist dies zwar zutreffend(vgl. BAG 22. November 2012 - 2 AZR 732/11 - Rn. 31; 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 16, BAGE 137, 54). Daraus folgt für das Land aber keine Beschränkung in der Wahl seiner Mittel zur Aufklärung. Dem Arbeitgeber steht es frei, eigene Ermittlungen anzustellen und die Strafverfolgungsbehörden nicht unmittelbar einzuschalten. Auch „private“ Ermittlungen hemmen - zügig vorangetrieben - den Lauf der Frist.

60

(b) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, das beklagte Land habe den Kläger nicht binnen Wochenfrist angehört, ist nicht nachvollziehbar. Es fehlt an Feststellungen, wann diese Frist zu laufen begonnen habe. Falls der Präsident des Oberlandesgerichts - wie vom beklagten Land behauptet - erst am 11. April 2013 Kenntnis erlangt hat, wäre die Wochenfrist mit der Anhörung vom 17. April 2013 eingehalten.

61

(c) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, das insoweit darlegungsbelastete Land (vgl. dazu BAG 1. Februar 2007 - 2 AZR 333/06 - Rn. 21) habe nicht aufgezeigt, dass es die Ermittlungen nach Durchführung der Geschäftsprüfung zügig vorangetrieben habe, ist nicht tragfähig. Das beklagte Land hat geltend gemacht, es sei erst aufgrund einer außerhalb des Oberlandesgerichts durchgeführten Überprüfung der vom Kläger genutzten Rechner und Festplatten in der Lage gewesen, das Ausmaß der Privatnutzung zu bestimmen. Dies habe bis zum 8. April 2013 Zeit beansprucht, weil Hardware nach M habe verbracht und umfangreiches Datenmaterial, teils unter Wiederherstellung gelöschter Dateien, habe gesichtet werden müssen. Außerdem seien die Osterfeiertage in die Zeit gefallen. Die Ausführungen sind geeignet, die Dauer der Untersuchung plausibel zu machen. Unter Berücksichtigung der wenigen zusätzlichen Tage, welche die Erstellung des Prüfberichts in Anspruch genommen hat, ergeben sich auf der Basis der bisherigen Feststellungen keine Anhaltspunkte für ein nur zögerliches Vorantreiben der Ermittlungen.

62

b) Die außerordentliche Kündigung vom 18. April 2013 ist nicht mangels ordnungsgemäßer Anhörung des Personalrats nach § 108 Abs. 2 BPersVG, § 67 Abs. 2 Satz 4 PersVG LSA unwirksam.

63

aa) Gemäß § 67 Abs. 2 Satz 1 PersVG LSA ist der Personalrat vor der außerordentlichen Kündigung eines Arbeitnehmers anzuhören. Die Leitung der Dienststelle hat die beabsichtigte Maßnahme nach § 67 Abs. 2 Satz 2 PersVG LSA zu begründen. Insoweit gelten die gleichen Anforderungen wie an eine Anhörung des Betriebsrats gemäß § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG(vgl. BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 57 mwN). Nach dem Grundsatz der subjektiven Determinierung muss der Arbeitgeber dem Personalrat die Umstände mitteilen, die seinen Kündigungsentschluss tatsächlich bestimmt haben. Dem kommt er dann nicht nach, wenn er ihm einen schon aus seiner eigenen Sicht unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt darstellt. Zu einer vollständigen und wahrheitsgemäßen Information gehört darüber hinaus die Unterrichtung über Tatsachen, die ihm - dem Arbeitgeber - bekannt und für eine Stellungnahme des Betriebsrats möglicherweise bedeutsam sind, weil sie den Arbeitnehmer entlasten und deshalb gegen eine Kündigung sprechen können (BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 736/13 - Rn. 14; 19. Juli 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn. 41 mwN, BAGE 142, 339).

64

bb) Nach diesen Grundsätzen war die Anhörung zur fristlosen Kündigung mit Schreiben vom 16. April 2013 ordnungsgemäß.

65

(1) Dem Personalrat war das Ergebnis der Geschäftsprüfung vom 14. März 2013 unter Vorlage des betreffenden Vermerks zur Kenntnis gebracht worden. Im Anhörungsschreiben selbst heißt es, hieraus ergebe sich eine „ausschweifende“ Privatnutzung des dienstlichen Rechners unter Verwendung eines den Kopierschutz umgehenden Programms während der Dienstzeit und ein nicht erklärlicher Umgang mit dienstlich bestelltem Material (DVDs und CDs). Ungeachtet der Frage, ob es einer solchen Information bedarf (vgl. KR-Etzel 10. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 64; APS-Koch 4. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 129), konnte der Personalrat nach den ihm erteilten Informationen nachvollziehen, dass das beklagte Land der eigenen Ansicht zufolge den Kündigungssachverhalt jedenfalls nicht vor dem 8. April 2013 erfassen konnte. Der Personalrat vermochte sich anhand dessen ein eigenes Bild von der Einhaltung der Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB zu verschaffen. Das reicht aus. Eine nähere Begründung der den Kündigungsentschluss tragenden Abwägung ist wegen des Grundsatzes der subjektiven Determinierung regelmäßig nicht erforderlich. Die Anhörung zu der Absicht, das Arbeitsverhältnis (fristlos) zu kündigen, impliziert eine Abwägung zu Lasten des Arbeitnehmers (BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 736/13 - Rn. 15; 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 27, BAGE 146, 303).

66

(2) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die Anhörung nicht deshalb unvollständig, weil das beklagte Land es unterlassen hat, den Personalrat über den Inhalt eines am 22. April 2013 mit einem anderen Bediensteten geführten Personalgesprächs zu unterrichten. Dabei kann zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass diese Unterredung vor Übergabe des Kündigungsschreibens stattfand und sich aus der Einlassung des Bediensteten Anhaltspunkte dafür ergaben, dass dieser Kopier- und Brennvorgänge im Zusammenwirken mit ihm - dem Kläger - durchgeführt hat. Das beklagte Land ging bei Einleitung des Anhörungsverfahrens - für den Personalrat erkennbar - davon aus, der Kläger selbst habe das fragliche Programm wiederholt zu privaten Zwecken während der Dienstzeit genutzt. Sowohl aus der subjektiven Sicht des beklagten Landes als auch aus objektiver Sicht handelt es sich bei der aus dem Personalgespräch deutlich gewordenen Möglichkeit, der Kläger und der andere Bedienstete hätten zusammengewirkt, keineswegs um einen entlastenden Umstand, wie das Landesarbeitsgericht gemeint hat. Allein- und Mittäterschaft sind in ihrem Unrechtsgehalt gleichwertig und im Rahmen einer kündigungsrechtlichen Beurteilung regelmäßig gleich zu gewichten.

67

(3) Die Äußerungsfrist von drei Arbeitstagen (§ 67 Abs. 2 Satz 3 PersVG LSA) hat das beklagte Land - auch unter Berücksichtigung der dem Personalrat am 18. April 2013 unterbreiteten ergänzenden Informationen - gewahrt.

68

(a) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist dem Personalrat das Schreiben vom 16. April 2013 am selben Tag zugegangen. Gemäß § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 1 BGB lief die Frist von drei Arbeitstagen am 19. April 2013 (einem Freitag), 24:00 Uhr ab. Zwar wurde das Kündigungsschreiben bereits am 18. April 2013 ausgefertigt und dem Geschäftsleiter des Oberlandesgerichts als Erklärungsboten des beklagten Landes zwecks persönlicher Übergabe an den Kläger ausgehändigt. Ein Treffen zwischen dem Geschäftsleiter und dem Kläger war aber - schon zuvor - erst für den 22. April 2013 vereinbart worden. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte das Kündigungsschreiben den Machtbereich des Präsidenten des Oberlandesgerichts nicht verlassen und war es diesem möglich, die Kündigung anzuhalten, falls der Personalrat gewichtige und aus Sicht des beklagten Landes überzeugende Argumente gegen sie vorbrächte. Der Fall liegt insoweit nicht anders, als wenn der Präsident des Oberlandesgerichts das Kündigungsschreiben zwar am 18. April 2013 unterschrieben, jedoch bis zum 22. April 2013 weiter selbst verwahrt hätte.

69

(b) Das Anhörungsverfahren war bei Übergabe des Kündigungsschreibens an den Kläger - anders als dieser meint - nicht deshalb noch nicht abgeschlossen, weil das beklagte Land dem Personalrat mit Schreiben vom 18. April 2013 ergänzende Informationen hat zukommen lassen. Auf der Grundlage der Darlegungen des beklagten Landes ist davon auszugehen, dass das Anhörungsverfahren durch das vorbezeichnete Schreiben nicht neu in Gang gesetzt worden ist.

70

(aa) Vor Ausspruch der Kündigung kann der Arbeitgeber seine Informationen gegenüber dem Betriebs- oder Personalrat jederzeit ergänzen. Die Beurteilung, ob aufgrund der nachträglichen Unterrichtung die Äußerungsfrist neu anläuft, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Dabei ist auch auf den Gegenstand der nachgereichten Informationen Bedacht zu nehmen (vgl. BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 736/13 - Rn. 27).

71

(bb) Im Streitfall ist das Schreiben vom 18. April 2013 ausdrücklich als „Ergänzung“ und nicht, wie das Schreiben vom 16. April 2013, als „Anhörung“ bezeichnet worden. Bereits dies spricht gegen die Annahme, das beklagte Land habe das Verfahren neu in Gang setzen wollen. Eine andere Interpretation ist auch nicht wegen des Inhalts der zusätzlichen Informationen geboten. Mittels der Vorlage der protokollierten Kopiervorgänge und des Journals der Arbeitszeit wurden lediglich die im Schreiben vom 16. April 2013 bereits geschilderten Vorgänge vertiefend dargestellt und erläutert, nicht aber ein Sachverhalt unterbreitet, der den bisher bekannten Sachverhalt in einem gänzlich neuen Licht erscheinen ließe. Im Ergebnis nichts anderes gilt für die Unterrichtung über den Inhalt des mit dem Kläger am 17. April 2013 geführten Gesprächs und die ihm bis zum 18. April 2013, 9:00 Uhr eingeräumte Möglichkeit zur weitergehenden Stellungnahme. Auch diese Mitteilung diente der Vervollständigung der Information des Personalrats, nicht aber der Einführung eines neuen Sachverhalts. Das gilt jedenfalls mit Blick auf die hier interessierende „Tatkündigung“, bei der die Anhörung des Arbeitnehmers nicht Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung ist, und unter Berücksichtigung des Umstands, dass das Gespräch vom 17. April 2013 keine Erkenntnisse zutage förderte, die den Kläger entscheidend hätten entlasten können.

72

III. Bei der neuen Verhandlung wird das Landesarbeitsgericht zunächst zu prüfen und zu bewerten haben, ob ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB gegeben und ob die Frist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt ist. Dazu wird es die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben. Sollte es zu dem Ergebnis gelangen, die Kündigung sei iSv. § 626 BGB wirksam, wird es auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen davon ausgehen können, dass der Personalrat zur außerordentlichen Kündigung ordnungsgemäß beteiligt worden ist. Die Klage dürfte in diesem Fall abzuweisen sein, ohne dass der auf die ordentliche Kündigung bezogene Feststellungsantrag und der Antrag auf Weiterbeschäftigung noch zur Entscheidung anfielen. Sollte das Landesarbeitsgericht die Kündigung für unwirksam erachten, wird es über die ordentliche Kündigung zu befinden haben, je nach Ausgang dieses Streits auch über den (Hilfs-)Antrag des Klägers auf vorläufige Weiterbeschäftigung. Für die weitere Sachbehandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

73

1. Bei der Prüfung von § 626 Abs. 1 BGB wird das Landesarbeitsgericht - unter Berücksichtigung der zu B. I. und II. dargestellten Rechtsauffassung des Senats - zu würdigen haben, ob die vorgetragenen Indizien ausreichen, ihm die erforderliche Überzeugung zu vermitteln, der Kläger habe seine vertraglichen Pflichten verletzt. Über streitige Tatsachen wird ggf. Beweis zu erheben sein. Dabei hat sich das Gericht mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit zu begnügen, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig ausschließen zu müssen (BAG 29. Januar 2015 - 2 AZR 280/14 - Rn. 30 mwN; BGH 11. November 2014 - VI ZR 76/13 - Rn. 23 mwN).

74

2. Im Hinblick auf eine ggf. vorzunehmende Würdigung der Umstände des Einzelfalls und Interessenabwägung wird zu berücksichtigen sein, dass die vom Landesarbeitsgericht bisher - im Rahmen der Überprüfung der ordentlichen Kündigung - zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit angestellten Erwägungen nicht tragen.

75

a) Die Wertung, es habe deshalb einer Abmahnung bedurft, weil „fast alle Bediensteten einschließlich der Richterschaft […] offenbar von der Tätigkeit des Klägers profitiert und dieser auch nicht widersprochen [hätten]“ und daraus auf ein mangelndes Unrechtsbewusstsein - auch des Klägers - zu schließen sei, entbehrt der Tatsachenbasis. Es ist unklar, auf welche Handlungen des Klägers sich das Landesarbeitsgericht bezogen und welche Personen es vor Augen gehabt hat, die aus den nicht näher konkretisierten Aktivitäten des Klägers einen bisher nicht definierten Nutzen gezogen haben sollen.

76

b) Für die vom Landesarbeitsgericht mit Blick auf den Umgang mit beschäftigten Beamten ins Spiel gebrachte Heranziehung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes fehlt es an einer rechtlichen Grundlage. Zwar mögen bei der Interessenabwägung nach § 626 Abs. 1 BGB ähnliche Erwägungen anzustellen sein wie im Rahmen einer disziplinarrechtlichen Würdigung. Daraus kann aber nicht - wie das Landesarbeitsgericht offenbar gemeint hat - abgeleitet werden, der Arbeitgeber dürfe gegenüber einem Arbeitnehmer, der seine Pflichten in gemeinschaftlichem Zusammenwirken mit Beamten verletzt hat, nicht zum Mittel der Kündigung greifen, solange er nicht auch die Entlassung der Beamten initiiere oder doch andere disziplinarische Maßnahmen ihnen gegenüber ergreife. Die Erwägung lässt außer Acht, dass sich Wertungen, wie sie aus dem in der Regel auf Lebenszeit angelegten, durch besondere Treue- und Fürsorgepflichten geprägten Dienstverhältnis der Beamten folgen, nicht auf eine privatrechtliche Leistungsbeziehung übertragen lassen (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 29, BAGE 134, 349; 17. Juni 1993 - 6 AZR 620/92 - zu B II 2 d bb der Gründe, BAGE 73, 262). Selbst im Verhältnis von Arbeitnehmern untereinander scheidet mit Blick auf verhaltensbedingte Kündigungen eine Anwendung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes weitgehend aus (BAG 8. Dezember 1994 - 2 AZR 470/93 - zu B II 5 g der Gründe; zu eng begrenzten Ausnahmekonstellationen vgl. BAG 22. Februar 1979 - 2 AZR 115/78 - zu 2 a der Gründe). Die fraglichen Erwägungen des Landesarbeitsgerichts lassen überdies die herausgehobene Position des Klägers als „IT-Verantwortlicher“ außer Acht. Unbeschadet der unterschiedlichen Rechtsstellung von Beamten und Angestellten widerspricht auch dies - neben weiteren in Betracht zu ziehenden Unterschieden - einer Vergleichbarkeit der Sachverhalte.

77

c) Das Landesarbeitsgericht wird, sollte es auf die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung ankommen, weiterhin davon ausgehen können, dass deren soziale Rechtfertigung (§ 1 Abs. 1 und Abs. 2 KSchG) unter dem Gesichtspunkt des Verdachts nicht in Betracht kommt - auch deshalb, weil der Personalrat dazu laut Schreiben vom 23. April 2013 nicht beteiligt worden ist. Die Prüfung, ob die Kündigung als Tatkündigung durch Gründe iSv. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist, wird das Landesarbeitsgericht neu vorzunehmen und die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben. Was die Frage betrifft, ob die Beteiligung des Personalrats zu einer ordentlichen Kündigung nach § 67 Abs. 1 Nr. 8 PersVG LSA ordnungsgemäß erfolgt ist, wird zu beachten sein, dass die in der angefochtenen Entscheidung vertretene Auffassung, die Anhörung sei unwirksam, weil das beklagte Land dem Personalrat mögliche Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe nicht mitgeteilt habe, auf der Basis der bisherigen Feststellungen nicht haltbar ist. Um welche, nach dem Grundsatz der subjektiven Determiniertheit beachtlichen Tatsachen es sich insoweit handeln soll, ist nicht nachzuvollziehen.

78

IV. Der Senat hat bei der Zurückverweisung von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.

        

    Kreft    

        

    Rachor    

        

    Berger    

        

        

        

    Perreng    

        

    Der ehrenamtliche Richter Dr. Bartz ist wegen des Endes seiner Amtszeit verhindert, seine Unterschrift beizufügen.
Kreft    

                 

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden.

(2) Die Beschwerde ist bei dem Bundesarbeitsgericht innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefaßten Urteils schriftlich einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils beigefügt werden, gegen das die Revision eingelegt werden soll.

(3) Die Beschwerde ist innerhalb einer Notfrist von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefaßten Urteils zu begründen. Die Begründung muss enthalten:

1.
die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage und deren Entscheidungserheblichkeit,
2.
die Bezeichnung der Entscheidung, von der das Urteil des Landesarbeitsgerichts abweicht, oder
3.
die Darlegung eines absoluten Revisionsgrundes nach § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und der Entscheidungserheblichkeit der Verletzung.

(4) Die Einlegung der Beschwerde hat aufschiebende Wirkung. Die Vorschriften des § 719 Abs. 2 und 3 der Zivilprozeßordnung sind entsprechend anzuwenden.

(5) Das Landesarbeitsgericht ist zu einer Änderung seiner Entscheidung nicht befugt. Das Bundesarbeitsgericht entscheidet unter Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluß, der ohne mündliche Verhandlung ergehen kann. Die ehrenamtlichen Richter wirken nicht mit, wenn die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen wird, weil sie nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Dem Beschluss soll eine kurze Begründung beigefügt werden. Von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundesarbeitsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(6) Wird der Beschwerde stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(7) Hat das Landesarbeitsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Bundesarbeitsgericht abweichend von Absatz 6 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverweisen.