Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Urteil, 12. Apr. 2017 - 3 Sa 202/16

ECLI:ECLI:DE:LARBGSH:2017:0412.3SA202.16.0A
bei uns veröffentlicht am12.04.2017

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 14.06.2016 – 3 Ca 7/16 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Rahmen eines fristgemäß zum 31.12.2015 gekündigten Arbeitsverhältnisses über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung vom 14.12.2015 mit dem Vorwurf von Konkurrenztätigkeit. Ferner macht der Kläger Vergütung für Dezember 2015, Auszahlung von rückgerechneter Tantieme sowie Karenzentschädigung für mittlerweile Januar bis 18.09.2016 geltend.

2

Widerklagend begehrt die Beklagte vom Kläger eine Vertragsstrafe sowie diverse Auskünfte im Zusammenhang mit behauptetem unerlaubtem Wettbewerb. Nach zwischenzeitlicher Erteilung erstinstanzlich titulierter Auskunftsansprüche und entsprechender Erledigungserklärungen geht es im Berufungsverfahren noch um die Kosten.

3

Wider-Widerklagend verlangt der Kläger im Berufungsverfahren die Rückzahlung erstinstanzlich titulierter Beträge, die er zur Abwendung der Zwangsvollstreckung an die Beklagte gezahlt hat.

4

Der Kläger ist am ….1969 geboren, verheiratet und einem Kind zum Unterhalt verpflichtet. Er war bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten vom 16. Mai 2007 bis zum 31. Dezember 2009 Geschäftsführer. Ab dem 1. Januar 2010 war er auf Basis des Arbeitsvertrags vom 16. Dezember 2009 (Anlage K 1, Bl. 5 - 13 d. A.) als leitender Angestellter für den Bereich „Logistik und Operations“ mit Prokura tätig. Das Arbeitsverhältnis wird seit 2013 mit der Beklagten fortgesetzt. Der Kläger erhielt zuletzt durchschnittlich EUR 6.664,64 brutto monatlich sowie einen Tantiemevorschuss iHv. EUR 1.000,-- brutto monatlich. Gem. § 3 Ziff. 1.4 des Arbeitsvertrages entfällt der Anspruch auf Tantieme für das laufende Geschäftsjahr (Verwirkung) im Falle der arbeitgeberseitigen Kündigung aus wichtigem Grund. Auf die Anlage K1 wird verwiesen.

5

Der Arbeitsvertrag der Parteien lautet auszugsweise wie folgt:

6

§ 1 Beginn des Anstellungsverhältnisses/Tätigkeit/Aufgaben/Status

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1.1 Der Angestellte wird mit Wirkung zum 01.01.2010 als leitender Angestellter für den Bereich Logistik und Operations auf unbestimmte Zeit eingestellt. Der Aufgabenbereich umfasst insbesondere die Verantwortung für sämtliche logistischen Prozesse aller Warenflüsse innerhalb der S... sowie die Warenbewegungen außerhalb, die zur Leistungserbringung der S... notwendig sind.
Die einzelnen zum Aufgabenbereich gehörenden Tätigkeiten ergeben sich aus der als Anlage beigefügten und zum Vertrag gehörenden Stellenbeschreibung.

8

9

§ 13 Wettbewerbsverbot/Vertragsstrafe

10

1.1 Während der Dauer dieses Vertrages ist es dem Angestellten ohne ausdrückliche Zustimmung der Gesellschaft nicht gestattet, in selbständiger, unselbständiger oder sonstiger Weise für ein Unternehmen tätig zu werden, welches mit der Firma in direktem oder indirektem Wettbewerb steht. Der Angestellte verpflichtet sich, ein solches Unternehmen weder unmittelbar noch mittelbar, gelegentlich oder gewerbsmäßig zu beraten, in irgendeiner Form zu unterstützen, zu errichten, zu erwerben oder sich daran zu beteiligen, es sei denn, der Anteilsbesitz ermöglicht keinen Einfluss auf die Organe des betreffenden Unternehmens.

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1.2 Der Angestellte verpflichtet sich, nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses für die Dauer von 12 Monaten nicht für eine Konkurrenzfirma tätig zu werden oder sich in der Branche Dienstleistungen für Kabelnetzbetreiber und deren Hersteller von Mediengeräten selbständig zu machen.
Der Angestellte wird der Firma im genannten Zeitraum auf dem Markt für Dienstleistungen für Kabelnetzbetreiber und deren Hersteller keine Konkurrenz machen. Im Übrigen gilt das Wettbewerbsverbot in dem unter Ziffer 1.1 genannten Umfang.
Das Verbot erstreckt sich räumlich auf den Bereich Norddeutschland.

12

13

1.5 Der Angestellte ist im Fall der schuldhaften (vorsätzlichen oder fahrlässigen) Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsverbot ersatzpflichtig. Für jeden Fall des Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot hat der Angestellte der Firma eine Vertragsstrafe in Höhe des Betrages zu zahlen, der der in den letzten sechs Monaten vor Beendigung des Vertrags durchschnittlich bezogenen monatlichen Bruttovergütung entspricht, höchstens jedoch in Höhe der Vergütung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist. Bei dauernder Verletzung des Verbots entsteht die Vertragsstrafe für jeden angefangenen Monat der Verletzung neu. Ein Dauerverstoß liegt insbesondere vor, wenn die Konkurrenztätigkeit über den Zeitraum eines Monats hinweg durch mehrere Verletzungshandlungen fortgesetzt wird.“

14

Die Beklagte erbringt Dienstleistungen im Bereich: „Services von technischen Geräten aus dem Consumer-Bereich, insbesondere aus dem Telekommunikationssektor“. Ausweislich des Gesellschaftervertrages der Beklagten sind Gegenstände des Unternehmens sämtliche logistischen Dienstleistungen entlang ihrer Wertschöpfungskette eines Produktlebens von der Beschaffung über den Versand und den Service bis zur Verwertung von Produkten sowie einem effizienten B2B-B2C-Service- und Retourenmanagement. Der Handel mit Produkten aller Art ist möglich, ausgenommen sind genehmigungspflichtige Güter (Anlage BK 24, Bl. 198 d. A.).

15

H...-M...: Am 16.10.2014 wurde die H...-M... (haftungsbeschränkt) - im Folgenden: H...-M... – gegründet. Der Kläger ist mit 50% an dieser Gesellschaft beteiligt, Prof. Dr. H...-J...P... mit einem weiteren Gesellschaftsanteil von 50 %. Der Kläger informierte die Beklagte nicht von seiner Beteiligung. Gegenstand der H...-M... ist der Handel, Service und Beratungen im Umfeld von Telekommunikations- und Medienunternehmen.

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Unternehmensgegenstand sowohl der Beklagten als auch der H...-M... ist das Refurbishment von technischen Geräten, wie z.B. Modems. Darunter ist die Aufbereitung und Überprüfung von gebrauchten technischen Geräten zu verstehen. Die Beklagte betreibt diesen Geschäftszweig. Die H...-M... hat diese Tätigkeit zumindest als Subunternehmer der Beklagten im Jahr 2015 ausgeführt. Abgewickelt wurden die Geschäfte zwischen dem Kläger, handelnd für die Beklagte, und Herrn Prof. Dr. P....

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Die H...-M... erbrachte parallel zu den Geschäftsbeziehungen mit der Beklagten u.a. für andere Kunden im Jahr 2015 auch Beratungsleistungen und erstellte hierfür Rechnungen (Bl. 159 d. A.).

18

Die H...-M... betreibt seit 2014 eine Internetseite. In einem Screenshot datiert vom 11. Februar 2016 bietet die H...-M... unter Leistungen auch Refurbishment ohne Einschränkung auf den Vertragspartner an (Anlage BK 9, Bl. 100 ff d. A.). Zwischen den Parteien ist strittig, ob die H...-M... dies auch bereits in 2015 angeboten hat.

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Der Kläger hat für die Beklagte mit der H...-M... diverse Geschäfte im Bereich des Refurbishment in 2015 abgeschlossen. Es existieren Rechnungen der H...-M... aus Januar, März, April, Mai (2x), und Juni 2015. Die Rechnungen belaufen sich auf Beträge mit einer Ausnahme oberhalb von EUR 2.000,--. Hintergrund dieser Rechnungen waren Refurbishmentleistungen der H...-M..., die diese nicht selbst durchgeführt hat, sondern durch die Behindertenwerkstatt Stiftung Haus H..., die mit der H...-M... in Geschäftskontakte stand. Die Beklagte hatte zuvor das Refurbishment ebenfalls nicht selbst durchgeführt, sondern durch Subunternehmer. Das Angebot der H...-M... war zwischen 10 und 15 % günstiger als die bisherigen Vertragspartner der Beklagten. Zwischen den Parteien ist strittig, inwieweit der Kläger oder Herr S... der Beklagten bzw. der Geschäftsführer der Beklagten die Rechnungen freigegeben und auch die Zahlungen verfügt haben.

20

Es existiert eine Anweisung des Geschäftsführers vom 16.01.2015 zum Erfordernis der Durchführung einer Wirtschaftlichkeitsberechnung ab 2.000,-- Euro und zur Freigabe durch ihn. Auf den Inhalt der Mail (Anlage BK 5, Bl. 41 d. A.) wird verwiesen. Die Auslegung ist streitig.

21

Der Kläger hat ein weiteres Geschäft zwischen der H...-M... und der Beklagten eingefädelt und umgesetzt. Die Beklagte hat von einem Kunden gebrauchte Cisco-Modems zu einem Preis von EUR 1,- erworben und diese an die H...-M... zu einem Verkaufspreis von EUR 1,60 weiterverkauft. Die Modems wurden direkt an die Firma N... E... GmbH in Ö... geliefert. Mit dieser Firma besteht für die Beklagte schon längere Zeit eine Geschäftsbeziehung. Der Kontakt zwischen der N... E... GmbH ist durch Prof. P... angebahnt worden.

22

S... GmbH: Die H...-M..., an deren Gesellschaftsanteile der Kläger ohne Wissen der Beklagten zu 50% beteiligt ist, hat sich seit dem 19. November 2015 an der S... GmbH – im Folgenden: S... – mit einem Kapitalanteil von rund 28,6 % beteiligt. Ausweislich des Gesellschaftsvertrags der S... befasst sich die Gesellschaft mit der Erbringung von technischen Dienstleistungen, insbesondere in der IT-Branche (Anlage BK 7, Bl. 44 ff d. A.).

23

Es kam zu einem Rechtsstreit zwischen der Beklagten und der S... vor dem Landgericht Hamburg, in dem es u.a. um die Nutzungsbefugnis der Bezeichnung „….Easy-Way-S...-Service“ für Dienstleistungen im Bereich Refurbishments ging. In diesem Zusammenhang erklärte die S... über ihre Prozessbevollmächtigten, dass die S... bereits am 16. Oktober 2015 gegründet und geschäftlich aktiv geworden sei (Anlage BK 17, Bl. 130 d. A.).

24

Die S... hat der H...-M... unstreitig – wann auch immer - einen Auftrag zur Entwicklung eines Testsystems erteilt. Die H...-M... vergab den Auftrag zur Entwicklung eines Testsystems an den Subunternehmer H... W... (Entwicklungsfirma für EDV-Anlagen). Schon am 23.07.2015 – Mail Anlage BK 32 – erhielt der H...-M...-Mitgesellschafter P... von dem Subunternehmer H... W... (Entwicklungsfirma für EDV-Anlagen) erste Entwürfe für ein solches Testsystem.

25

Der Kläger stellte sich im September 2015 mit dem Geschäftsführer und Mitgesellschafter der S..., Herrn G..., bei der Vermieterin des Geschäftsgrundstückes der Beklagten in A... bei K... vor, um einen Mietvertrag zwischen der S... und der Vermieterin, bezogen auf das von der Beklagten zuvor teilweise genutzte Nachbargrundstück zu erreichen (Bl. 96 d. A.).

26

Auf Wunsch des Klägers hat die Beklagte mit Schreiben vom 18. September 2015 das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich zum 31. Dezember 2015 gekündigt und mit Schreiben vom gleichen Tage gemäß § 75 a HGB auf das mit dem Kläger vereinbarte nachvertragliche Wettbewerbsverbot verzichtet (Anlage K 2 und K 3, Bl. 14 f d. A.). Der neue Prokurist stieß danach bei seiner Einarbeitung auf etwaige Unregelmäßigkeiten und setzte bei der Beklagten Recherchen in Gang.

27

Mit Mail vom 23.09.2015 – 11:11 Uhr teilte der – ehemalige - Mitarbeiter W... Herrn P... Details zur Weiterentwicklung des erwähnten Testsystems S... mit. Der Kläger, H... W..., T... M..., N... B..., R... D... sind in CC gesetzt (BK 36, Bl. 362 d. A.).

28

Am 24.09.2015 geht um 15:45 Uhr an die H...-M...-Mail-Adresse des Mitgesellschafters des Klägers, Herrn P..., ein vertraulicher Projektplan „S...“ (BK 33 und BK 34, Bl. 360 – 361 d. A.). Dort heißt es wie folgt:

29

24.09.2015 – Kündigung des Mitarbeiters der Beklagten T... M...

30

28.09.2015 – Kündigung des Mitarbeiters der Beklagten B...

31

29.09.2015 – Kündigung der Mitarbeiterin der Beklagten D...

32

30.09.2015 – Kündigung des Mitarbeiters der Beklagten W...,

33

12.10.2015 – Zusage Vermieter W...

34

14.10.2015 – Notar

35

36

16.10.2015 – Einzahlung Stammkapital

37

30.10.2015 – DL testfähiges Systems „Paetz“

38

01.11.2015 – Anmietung W...

39

….“

40

Am 14.10.2015 korrespondierte der ehemalige Mitarbeiter der Beklagten und heutige Geschäftsführer der S... T. M. u.a. mit dem Kläger und dessen Mitgesellschafter P... zum Thema „Neugründung der S… GmbH“ über die Lauffähigkeit der Testmaschine und die Vertriebsstrategie. Per Mail vom 11.11.2015 bittet Herr W... u.a. Herrn P... und den Kläger um strategische Anweisungen in Bezug auf das weitere Vorgehen in Bezug auf das Testsystem Anlage BK 39 (Bl. 369 d. A.). Hierauf antwortet der Mitgesellschafter des Klägers P... am 11.11.2015 u.a. an den Kläger (Anlage BK 39, Bl. 368 d. A.).

41

Die ehemaligen Mitarbeiter der Beklagten M..., B..., B... und W... arbeiten mittlerweile in verantwortlichen Positionen bei der S....

42

Die Beklagte erhielt am 10. Dezember 2015 von C... eine Information über die H...-M..., die auch die Gesellschafterstellung des Klägers beinhaltet (Anlage BK 2, Bl. 28 d. A.). Ferner erhielt sie unter dem gleichen Datum einen Auszug aus dem Handelsregister bezogen auf die H...-M... (Anlage BK 3 d. A.). Ferner erhielt die Beklagte über das Registergericht K... am 10. Dezember 2015 den Gesellschaftsvertrag der S..., der in § 4 die Gesellschaftsanteile und die Gesellschafter ausweist(Anlage BK 7, Bl. 44 ff d. A.).

43

Mit Schreiben vom 14. Dezember 2015 kündigte die Beklagte dem Kläger fristlos. In dem Schreiben sagte sich die Beklagte gemäß § 75 Abs. 3 Abs. 1 HGB von dem Wettbewerbsverbot mit sofortiger Wirkung los (Anlage BK 8, Bl. 58 ff d. A).

44

Die Beklagte hat im Monat Juni 2015 eine Tantieme über 6.000,- EUR abgerechnet und an den Kläger ausgezahlt. Die Beklagte erteilte weiter dem Kläger für den Monat Dezember eine Abrechnung mit Vergütungsbezügen bis zum 14. Dezember einschließlich Urlaubsabgeltung iHv. EUR 4.555,55 und rechnete gleichzeitig die Tantieme über 6.000,- EUR zurück. Aus der Abrechnung beider Posten ergab sich ein Minusbetrag zu Lasten des Klägers. Insofern zahlte die Beklagte an den Kläger keine Vergütung für den Monat Dezember und auch keine Karenzentschädigung für die Monate Januar bis Mai 2016.

45

Mit einem weiteren Schreiben vom 14. Dezember 2015 an den Kläger machte die Beklagte eine Vertragsstrafe in Höhe von EUR 26.514,56 geltend und verlangte Auskunft zu Wettbewerbstätigkeiten des Klägers. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Anlage BK 8 (Bl. 58 ff. dA.) verwiesen. Der Kläger bezog im Zeitraum 15. Dezember 2015 bis 4. Januar 2016 keine Einkünfte und ab dem 5. Januar 2016 bis zum 18.09. 2016 Arbeitslosengeld iHv. EUR 82,03 täglich/EUR 2.490,- monatlich (Bl. 297 d. A.).

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Mit der am 4. Januar 2016 bei Gericht eingegangenen Kündigungsschutzklage hält der Kläger die fristlose Kündigung für unwirksam. Er hat stets die Ansicht vertreten, er habe während der Laufzeit seines Arbeitsverhältnisses keinen Wettbewerbsverstoß begangen. Er habe keinen bestimmenden Einfluss auf die H...-M... inne gehabt. Alleinvertretungsberechtigt sei allein Prof. P... gewesen. Im Übrigen habe die H...-M... keinen Wettbewerb gegenüber der Beklagten betrieben, sondern sei lediglich als Subunternehmerin für die Beklagte tätig geworden. Der Kläger bestreitet mit Nichtwissen, dass bereits vor Ausspruch der fristlosen Kündigung die H...-M... das Refurbishment als eigene Leistung am Markt erbracht habe. Eine Wettbewerbstätigkeit der S... GmbH habe es vor Ausspruch der Kündigung nicht gegeben. Bei etwaigen Aktivitäten seinerseits habe es sich ausschließlich um zulässige Vorbereitungshandlungen für eine etwaige spätere Tätigkeit gehandelt. Laut Vertreter der S... sei diese zwar geschäftlich aktiv geworden, aber nicht gegenüber der Beklagten in Wettbewerb getreten. Zudem habe der Kläger keinen bestimmenden Einfluss auf die S... gehabt. Die Internetseite sei erst seit dem 1. März 2016 freigeschaltet. Der Kläger habe keine Mitarbeiter der Beklagten bestimmt, zur S... GmbH zu wechseln. Weiter habe der Kläger nicht gegen die Beschränkung der Prokura im Innenverhältnis verstoßen. Sämtliche Geschäfte unterfielen nicht der in der Mail genannten Beschränkung, da es sich um Tagesgeschäfte aus bereits bestehen Geschäftsbeziehungen handele. Sämtliche Rechnungen habe der Geschäftsführer oder Herr S... zur Zahlung freigegeben. Die Beklagte sei weder in der Lage gewesen noch hätte sie beabsichtigt, die Refurbishment-Leistungen selbst durchzuführen statt sie an die H...-M... zu vergeben. Die Beklagte sei auch nicht in der Lage gewesen, mit der Stiftung Haus H..., einer Geschäftspartnerin der H...-M..., direkt unter Ausschluss der H...-M... in Kontakt zu treten. Dies sei auch kein seriöses Geschäftsgebaren. Gleiches gelte für die Weiterveräußerung der gebrauchten Cisco Modems. Auch hier sei die österreichische Firma Geschäftspartnerin des Geschäftsführers der H...-M... gewesen. Der Kontakt zwischen der Beklagten und der österreichischen Firma sei durch Prof. P... angebahnt. Die Beklagte sei auch überhaupt nicht in der Lage gewesen, die Modems adäquat ins Ausland zu verkaufen. Der Kläger habe Herrn R... nicht angewiesen, in dem Gebäude auf dem Nachbargrundstück zur Lagerhalle der Beklagten auf deren Kosten Datenkabel zu verlegen. Durch das Setzen von Prof. P... „in CC“, seien keine vertraulichen Geschäftsverbindungen unbefugt weitergegeben. Prof. P... habe den Kontakt zur Firma U... als deren ehemaliger Geschäftsführer angebahnt. Einen Nachtrag zum Arbeitsverhältnis zur Nutzung des E-Mail-Accounts für private Zwecke kenne der Kläger nicht. Die außerordentliche Kündigung sei auch unverhältnismäßig. Der Beklagten sei die Fortsetzung des zum 31.12.2015 beendeten Arbeitsverhältnisses für die Dauer von weiteren 2 Wochen zumutbar gewesen. Das gelte umso mehr, als noch Resturlaubstage vorhanden waren und die Weihnachtsfeiertage bevorstanden. Die Kündigung sei auch nicht innerhalb der Zwei-Wochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB ausgesprochen worden. Die Beklagte habe, wie sich aus dem Wettbewerbsrechtsstreit hinsichtlich des Namens S... ergebe, bereits im Oktober Kenntnis von den Vorgängen gehabt, sodass die Angaben der Beklagten zur Kenntnis der angeblichen Pflichtverstöße erst am 10. Dezember 2015 falsch seien. Es handele sich bei den Wettbewerbsverstößen nicht um Dauertatbestände. Zumindest sei der Ausspruch einer Kündigung nach längerer Zeit der Kenntnis von der Wettbewerbssituation verwirkt. Weiter macht der Kläger Vergütung für Dezember im Umfang von 7.664,64 EUR geltend zzgl. der Tantieme (2015) iHv. EUR 6.000,--. Schließlich beansprucht der Kläger Karenzentschädigung für die Monate Januar bis 18.09.2016 iHv. jeweils einem halben Gehalt. Die vom Kläger bezogenen Einkünfte überschritten zusammen mit der Karenzentschädigung nicht die 110 %-Grenze.

47

Der Kläger hat beantragt,

48

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die seitens der Beklagten mit Schreiben vom 14. Dezember 2015 erklärte Kündigung nicht aufgelöst ist;

49

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger

50

a) EUR 13.755,55 brutto abzüglich EUR 3.795,05 netto zzgl. 5 Prozentpunkte Zinsen als über dem Basiszinssatz ab dem 1. Januar 2016,

51

b) EUR 3.832,32 brutto zzgl. 5 Prozentpunkte Zinsen als über dem Basiszinssatz ab dem 1. Februar 2016,

52

c) EUR 3.832,32 brutto zzgl. 5 Prozentpunkte Zinsen als über dem Basiszinssatz ab dem 1. März 2016,

53

d) EUR 3.832,32 brutto zzgl. 5 Prozentpunkte Zinsen als über dem Basiszinssatz ab dem 1. April 2016,

54

e) EUR 3.832,32 brutto zzgl. 5 Prozentpunkte Zinsen als über dem Basiszinssatz ab dem 1. Mai 2016,

55

f) EUR 3.832,32 brutto zzgl. 5 Prozentpunkte Zinsen als über dem Basiszinssatz ab dem 1. Juni 2016,

56

zu zahlen.

57

Die Beklagte hat beantragt,

58

die Klage abzuweisen.

59

Die Beklagte hat widerklagend beantragt,

60

1. den Kläger und Widerbeklagten zu verurteilen, an die Beklagte und Widerklägerin EUR 26.514,56 zzgl. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 22. Dezember 2016 zu zahlen,

61

2. den Kläger und Widerbeklagten zu verurteilen, der Beklagten und Widerklägerin darüber Auskunft zu geben,

62

a) welche Geschäfte er im Namen der Beklagten und Widerklägerin in der Zeit ab dem 16. Oktober 2014 mit der Firma H...-M..., eingetragen unter der HRB-Nummer 1… beim Amtsgericht Coesfeld, getätigt hat;

63

b) welche Geschäfte er im Namen der Beklagten und Widerklägerin in der Zeit ab dem 19. November 2015 mit der Firma S... GmbH, eingetragen unter der HRB: 1… beim Registergericht in K..., getätigt hat;

64

c) an welchen Kapitalgesellschaften der Kläger und Widerbeklagte während der Dauer des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten und Widerklägerin mittelbar oder unmittelbar in welcher Höhe beteiligt war, soweit es sich nicht um die H...-M... und die S... GmbH handelt,

65

d) ob und wenn ja, in welchem Umfang der Kläger und Widerbeklagte im Rahmen von Verhandlungen mit Kunden der Beklagten und Widerklägerin Konkurrenztätigkeiten in Form von Abwerbungsversuchen vorgenommen hat und um welche Kunden der Beklagten es sich hierbei handelte.

66

Die Beklagte hat stets die Ansicht vertreten, die fristlose Kündigung vom 14.12.2015 sei wirksam. Der Kläger habe schwerwiegende Verfehlungen begangen, die eine fristlose Kündigung trotz des bevorstehenden Endes zum 31. Dezember 2015 sowie fehlender Abmahnung rechtfertigten. Der Kläger habe unerlaubt Wettbewerb betrieben. Die H...-M... habe zumindest Refurbishment-Leistungen auf ihrer Internetseite angeboten. Dies sei bei Ansicht der Seite am 10. Dezember 2015 jedenfalls der Fall gewesen. Ferner habe der Kläger über die S... ebenfalls Wettbewerb betrieben. Diese sei ausweislich des Rechtsanwaltsschreibens bereits seit Oktober 2015 am Markt werbend tätig gewesen. Der Kläger habe gegen die Beschränkung der Prokura im Innenverhältnis verstoßen. Sämtliche Geschäfte mit der H...-M... hätten der Geschäftsführung vorgelegt werden müssen. Es handele sich nicht um laufende Geschäfte. Ein Rahmenvertrag existiere nicht. Gleiches gelte für die Beratungsleistungen von Prof. P... für die Beklagte sowie die Weiterveräußerung der Cisco-Modems. Der Beklagten sei ein geschäftlicher Schaden dadurch entstanden, dass der Kläger hinsichtlich des Refurbishment die H...-M... beauftragt habe. Durch das Dazwischenschalten der H...-M... habe diese an dem Aufschlag verdient. Im Übrigen hätte die Beklagte das Refurbishment auch selbst durchführen können. Gleiches gelte für die Weiterveräußerung der Cisco-Modems. Diese hätte die Beklagte mit einem Aufschlag von nicht nur 60 Cent, sondern von 10,- EUR weiter veräußern können. Die außerordentliche fristlose Kündigung sei auch verhältnismäßig. Die Vorgehensweise des Klägers habe insbesondere das Vertrauensverhältnis nachhaltig und unwiederbringlich zerstört. Dem eigenen Prokuristen müsse aber uneingeschränkt Vertrauen entgegengebracht werden können. Gerade hinsichtlich der Wettbewerbsverstöße handele es sich um Dauertatbestände, insofern sei die 2-Wochen-Frist gewahrt. Im Übrigen habe die Beklagte erst durch die Informationen von C... und den Handelsregisterauszügen am 10. Dezember 2015 Kenntnis von der Wettbewerbstätigkeit erlangt und dann eine Tatkündigung ausgesprochen. Bloße Vermutungen ersetzten die Kenntnis nicht. Angesicht der wirksamen fristlosen Kündigung sei auch die Lossagung vom Wettbewerbsverbot wirksam, sodass eine Karrenzentschädigung nicht anfalle.

67

In Bezug auf ihre Widerklage hat die Beklagte stets vorgebracht, durch die fortlaufenden Wettbewerbsverstöße habe der Kläger die Vertragsstrafe verwirkt, und zwar angesichts der Begrenzung in Bezug auf die Kündigungsfrist in Höhe von vier durchschnittlichen Bruttomonatsgehältern. Die Auskunftsansprüche beruhen auf der Möglichkeit, nach dem Arbeitsvertrag über die Vertragsstrafe hinaus Schadensersatzanspruch geltend zu machen.

68

Der Kläger hat beantragt,

69

die Widerklage abzuweisen.

70

Zur Widerklage hat der Kläger ausgeführt, ein Anspruch auf Vertragsstrafe bestehe bereits mangels Wettbewerbsverstoßes seitens des Klägers nicht. Gleiches gelte für die Auskunftsansprüche, wobei diese, angesichts der Kenntnis der Beklagten bereits im November 2015 und der Widerklagerhebung erst vom 29. Februar 2016 (bei Gericht am 3. März 2016 eingegangen), verjährt seien.

71

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 14.06.2016 die Kündigungsschutzklage abgewiesen und das Vorliegen einer wirksamen fristlosen Kündigung schon wegen unerlaubter Konkurrenztätigkeit durch seine gesellschaftsrechtliche Beteiligung an der H...-M... mit einem Anteil von 50 % bejaht. Die H...-M... habe im streitbefangenen Zeitraum Konkurrenz zur Beklagten betrieben. Die Aktivitäten des Klägers in Bezug auf die S... seien weit über Vorbereitungstätigkeiten hinausgegangen. Die Kündigung sei auch verhältnismäßig und innerhalb der Zwei-Wochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB erfolgt. Vergütungsansprüche des Klägers für Dezember bestünden nur in Höhe von 4.555,55 Euro brutto einschließlich Urlaubsabgeltung, die aber nicht durch Aufrechnung erloschen seien. Der im Arbeitsvertrag vereinbarte Wegfall der Tantieme sei AGB-rechtlich unwirksam. Ein Anspruch auf Auszahlung weiterer 6.000,00 Euro Tantieme bestehe allerdings nicht mehr. Die bei Ausspruch der außerordentlichen Kündigung erfolgte Lossagung von der Karenzentschädigung sei wirksam. Der Kläger schulde auch die mit der Widerklage geltend gemachte Vertragsstrafe in Höhe von 26.514,56 Euro. Auskunft schulde der Kläger allerdings nur in Bezug auf das Begehren, sich zu weiteren Beteiligungen an anderen Kapitalgesellschaften zu erklären. Hinsichtlich der Einzelheiten der erstinstanzlichen Entscheidung wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe verwiesen.

72

Gegen dieses dem Kläger am 07.07.2016 zugestellte Urteil legte er am 19.07.2016 Berufung ein, die innerhalb der bis zum 07.10.2016 verlängerten Frist begründet wurde.

73

Der Kläger ergänzt und vertieft im Wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen. Er hebt insbesondere auch in Bezug auf den ergänzenden Vortrag der Beklagten zum Testsystem für S... nebst zur Akte gereichtem Mailverkehr noch einmal ganz besonders hervor, dass er keinerlei Konkurrenztätigkeit, allenfalls zulässige Vorbereitungshandlungen ausgeübt habe.

74

Soweit der Kläger zur Auskunft verurteilt wurde, hat er diese zwischenzeitlich unter Verwahrung gegen die Kosten erteilt. Zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung hat er nach einvernehmlicher vorheriger Verrechnung seiner restlichen Dezembervergütungsansprüche an die Beklagte 24.036,01 Euro gezahlt (Anlage BK 2, Bl. 302 d. A.).

75

Der Kläger beantragt, in Bezug auf die Karenzentschädigung für Juni 2016 bis zum 18.09.2016 auch klagerweiternd,

76

in Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Lübeck vom 14. Juni 2016 zum Aktenzeichen 3 Ca 7/16

77

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die seitens der Beklagten mit Schreiben vom 14. Dezember 2015 erklärte Kündigung nicht aufgelöst ist;

78

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger

79

a) EUR 13.755,55 brutto abzüglich EUR 3.795,05 netto zzgl. 5 Prozentpunkte Zinsen als über dem Basiszinssatz ab dem 1. Januar 2016,

80

b) EUR 3.832,32 brutto zzgl. 5 Prozentpunkte Zinsen als über dem Basiszinssatz ab dem 1. Februar 2016,

81

c) EUR 3.832,32 brutto zzgl. 5 Prozentpunkte Zinsen als über dem Basiszinssatz ab dem 1. März 2016,

82

d) EUR 3.832,32 brutto zzgl. 5 Prozentpunkte Zinsen als über dem Basiszinssatz ab dem 1. April 2016,

83

e) EUR 3.832,32 brutto zzgl. 5 Prozentpunkte Zinsen als über dem Basiszinssatz ab dem 1. Mai 2016,

84

f) EUR 3.832,32 brutto zzgl. 5 Prozentpunkte Zinsen als über dem Basiszinssatz ab dem 1. Juni 2016,

85

g) EUR 3.832,32 brutto zzgl. 5 Prozentpunkte Zinsen als über dem Basiszinssatz ab dem 1. Juli 2016,

86

h) EUR 3.832,32 brutto zzgl. 5 Prozentpunkte Zinsen als über dem Basiszinssatz ab dem 1. August 2016,

87

i) EUR 3.832,32 brutto zzgl. 5 Prozentpunkte Zinsen als über dem Basiszinssatz ab dem 1. September 2016,

88

j) EUR 2.299,39 brutto zzgl. 5 Prozentpunkte Zinsen als über dem Basiszinssatz ab dem 1. Oktober 2016,

89

zu zahlen.

90

3. die Widerklage der Beklagten insgesamt abzuweisen.

91

4. Die Beklagte zu verteilen, an den Kläger EUR 24.036,01 zzgl. 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 19.07.2016 zu zahlen.

92

Die Beklagte beantragt,

93

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

94

Sie hält das angefochtene Urteil sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht für zutreffend.

95

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der Verhandlungen verwiesen.

Entscheidungsgründe

96

Die Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und innerhalb der Berufungsbegründungsfrist auch begründet worden. In der Sache konnte sie jedoch im Ergebnis keinen Erfolg haben.

97

Mit ausführlicher, überzeugender Begründung hat das Arbeitsgericht die Kündigungsschutzklage und die über die anteilige Dezembervergütung einschließlich Urlaubsabgeltung hinausgehenden Zahlungsanträge des Klägers abgewiesen. Die außerordentliche fristlose Kündigung vom 14.12.2015 ist wirksam. Der Kläger hat unter verschiedenen Gesichtspunkten gegen das vertragliche Wettbewerbsverbot verstoßen. Eine Karenzentschädigung ist nicht geschuldet. Der Kläger ist auch zu Recht zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 26.514,56 Euro verurteilt worden und hatte berechtigten Anlass zur Erteilung der begehrten Auskunft gegeben. Das hat das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt. Dem folgt das Berufungsgericht. Zur Vermeidung überflüssiger Wiederholungen wird auf die ausführlichen Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Lediglich ergänzend und auf den neuen Vortrag der Parteien eingehend, wird Folgendes ausgeführt:

98

A. I. Die außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten vom 14. Dezember 2015 ist wirksam. Die Beklagte hat eine Tatkündigung, keine Verdachtskündigung ausgesprochen. Der Kläger hat unter Berücksichtigung der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen unerlaubte Konkurrenztätigkeit geleistet.

99

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der – ggf. fiktiven – Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei ist zunächst zu untersuchen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“ und damit typischer Weise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile, jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht (BAG, 22. Oktober 2005 – 2 AZR 569/14 – Rn. 21, juris).

100

2. Der Kläger hat einen „an sich“ wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB herbeigeführt. Er hat nachhaltig gegen § 13 Ziff. 1.1 des Arbeitsvertrages verstoßen.

101

a) Danach hat er sich verpflichtet, sich nicht ohne ausdrückliche Zustimmung der Beklagten an einem Unternehmen zu beteiligen, das mit der Arbeitgeberin in direktem oder indirektem Wettbewerb steht, es sei denn, der Anteilsbesitz ermöglicht keinen Einfluss auf die Organe des betreffenden Unternehmens.

102

b) Der Kläger war aber während des Bestehens seines Arbeitsverhältnisses, nämlich seit dem 14. November 2014, also seit mehr als einem Jahr, zu 50% an der H...-M... beteiligt, ohne dass die Beklagte hiervon wusste und ohne dass sie ihre Zustimmung dazu erteilt hätte. Bereits insoweit handelte es sich um eine unerlaubte vertragliche Wettbewerbstätigkeit seinerseits.

103

c) Während des rechtlichen Bestehens eines Arbeitsverhältnisses ist dem Arbeitnehmer grundsätzlich jede Konkurrenztätigkeit zum Nachteil seines Arbeitgebers untersagt. Die für Handlungsgehilfen geltende Regelung des § 60 Abs. 1 HGB normiert einen allgemeinen Rechtsgedanken. Der Arbeitgeber soll vor Wettbewerbshandlungen seines Arbeitnehmers geschützt werden. Der Arbeitnehmer darf im Marktbereich seines Arbeitgebers Dienste und Leistungen nicht Dritten anbieten. Dem Arbeitgeber soll dieser Bereich uneingeschränkt und ohne Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung durch den Arbeitnehmer offen stehen. Dem Arbeitnehmer ist aufgrund des Wettbewerbsverbots nicht nur eine Konkurrenztätigkeit im eigenen Namen und Interesse untersagt. Ihm ist ebenso wenig gestattet, einen Wettbewerber des Arbeitgebers zu unterstützen (BAG vom 23.10.2014 – 2 AZR 644/13 – Juris, Rz. 28 m.w.N.). Das Wettbewerbsverbot gilt regelmäßig während der gesamten rechtlichen Dauer des Arbeitsverhältnisses (BAG a.a.O, Rz. 29). Durch das Wettbewerbsverbot soll erreicht werden, dass dem Arbeitgeber der Marktbereich voll und ohne Gefahr der nachteiligen, zweifelhaften oder zwielichtigen Beeinflussung durch den Arbeitnehmer offen steht (BAG vom 21.11.1996 – 2 AZR 852/95 – Rz. 20 m.w.N.). Bloße Vorbereitungshandlungen erfüllen diese Voraussetzungen regelmäßig nicht.

104

Eine Konkurrenztätigkeit liegt aber dann nicht vor, wenn die andere Firma die strittige Tätigkeit auf vertraglicher Basis mit dem Arbeitgeber erbringt. Nach § 60 Abs. 1 HGB ist einem kaufmännischen Angestellten der Betrieb eines Handelsgewerbes im Handelszweig des Arbeitgebers ohne dessen Einwilligung nur verboten, soweit der Angestellte und der Arbeitgeber als Wettbewerber auftreten. Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen als Anbieter oder Nachfrage für denselben Kundenkreis in Frage kommen. Geschäfte, die der Handlungsgehilfe mit dem Prinzipal als Anbieter oder Arbeitnehmer schließt, werden von dem Verbot nicht erfasst. Der Arbeitnehmer konkurriert dann nur mit anderen Anbietern, aber nicht mit seinem Arbeitgeber (BAG vom 03.05.1983 – 3 AZR 62/81 – LS 1 und Rz. 29 f).

105

Die Gesellschafterstellung an einer juristischen Person stellt nicht zwingend eine Konkurrenztätigkeit dar. Das ergibt sich bereits aus der arbeitsvertraglichen Vereinbarung. Maßgeblich ist, dass die Gesellschaft mit der Arbeitgeberin in direktem oder indirektem Wettbewerb steht und durch die eigene Gesellschafterstellung Einfluss auf die Organe dieser Gesellschaft genommen werden kann. Bei reiner Gesellschafterstellung ist dies dann der Fall, wenn die gesellschaftsgerichtliche Beteiligung einen maßgeblichen Einfluss auf den Geschäftsbetrieb der juristischen Person eröffnet (vgl. ErfK/Oetker, 16. Aufl., HGB § 60 Rn. 5).

106

Darlegungs- und beweisbelastet für das Vorliegen eines vertraglichen Wettbewerbsverstoßes ist die Beklagte.

107

d) Vor diesem rechtlichen Hintergrund liegt hier eine unerlaubte Konkurrenztätigkeit des Klägers vor. Sie ergibt sich bereits allein aus der Beteiligung an der H...-M....

108

aa) Der Kläger hat mit seinem Anteil von 50 % bestimmenden Einfluss auf die H...-M.... Er kann jederzeit wegen seiner Beteiligung in Höhe von 50 % eine mehrheitliche Meinungsbildung und damit Beschlüsse der Gesellschaft verhindern. Infolge seiner Gesellschaftsbeteiligung muss mit ihm immer eine Einigung über das Vorgehen in Bezug auf die Verfolgung der unternehmerischen Ziele herbeigeführt werden. Der Kläger hat eine Sperrminorität, an die der andere Gesellschafter nicht vorbeikommt. Damit hat er zweifelsfrei objektiv einen maßgeblichen Einfluss auf den Geschäftsbetrieb der H...-M....

109

bb) Die H...-M... ist auch in demselben Handelszweig wie die Beklagte tätig. Dies ergibt sich ohne weiteres für den Bereich Refurbishment und des Weiteren auch für den Bereich der Veräußerung von gebrauchten technischen Geräten, wie das Geschäft hinsichtlich der gebrauchten Cisco-Modems deutlich macht. Sowohl die Beklagte veräußert derlei Geräte weiter als auch die H...-M....

110

cc) Die H...-M... ist im Bereich Refurbishment auch nicht nur für die Beklagte tätig geworden. Hiervon ist die Kammer nicht zuletzt unter Beachtung des Internetauftritts sowie der Gesamtumstände überzeugt.

111

(1) Die H...-M... hat unstreitig im Jahr 2015 vor Ausspruch der Kündigungen neben der Tätigkeit als Subunternehmer für die Beklagte nach eigenem Vorbringen Beratungsleistungen für andere Kunden erbracht und hierfür Rechnungen erstellt. Hierauf verweist sie im Hinblick auf die Behauptung der Beklagten, die nicht auf Subunternehmerleistungen bezogenen Rechnungsnummern bezögen sich auf Konkurrenztätigkeit mit anderen im Bereich Refurbishment. Auch die vom Kläger behaupteten Beratungsleistungen, die sich im Übrigen auch auf dem Internetauftritt befinden, muss die H… M… für Kunden am Markt erkennbar angeboten haben.

112

(2) Es ist davon auszugehen, dass die H...-M... auch im Bereich Refurbishment schon im Jahr 2015 ihre Leistungen für Kunden erkennbar am Markt angeboten hat. Auch die Berufungskammer stellt, wie das Arbeitsgericht, auf den Internetauftritt der H...-M... ab. Die Homepage der H...-M... existiert unstreitig schon seit dem 28.08.2014. Auf den Briefkopfbögen der H...-M... wird auf den Internetauftritt unter Angabe der Internetadresse hingewiesen. Das zeigt ein Blick auf alle Rechnungen, die die H...-M... der Beklagten für ihre Tätigkeiten im Jahr 2015 erstellt hat. Nachgewiesen ist hingegen nur der Inhalt des Internetauftritts per Stand 11.02.2016 (screenshots Anlage BK 9, Bl. 100 – 104 d.A.).

113

(2.1.) Die reine Registrierung bzw. der reine Erwerb einer Internet-Domäne stellt noch keine unzulässige Konkurrenz, vielmehr lediglich eine Vorbereitungshandlung dar (LAG Köln vom 12.04.2005 – 9 Sa 1518/04 – Juris, Rz. 35; ErfK-Oetker, Rz. 6 zu § 60 HGB).

114

(2.2.) Maßgeblich ist mithin, ob die H...-M..., an der der Kläger zu 50 % beteiligt war, im Internet tatsächlich schon im Jahr 2015 vor Ausspruch der außerordentlichen Kündigung Refurbishment als Leistung uneingeschränkt am Markt angeboten hat. Der Kläger bestreitet die diesbezügliche Behauptung der Beklagten mit Nichtwissen.

115

(2.3.) Gem. § 138 Abs. 4 ZPO ist eine Erklärung mit Nichtwissen nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind. Die Erklärung mit Nichtwissen ist, wie aus Wahrheitspflicht und Erklärungslast folgt, nur dann zulässig, wenn der Erklärende tatsächlich keine Kenntnis hat, z.B. weil der Vorgang sich außerhalb seiner Wahrnehmung abspielt. Hat die Partei keine ausreichende Kenntnis, muss sie sich kundig machen, z.B. durch Einsichtnahme in Unterlagen etc.. Führt dies zu keiner Erkenntnis, muss sie den Grund ihrer Unkenntnis darlegen (Zöller/Greger, 30. Aufl.; Rz. 13 f zu § 138 ZPO). Vorgänge im eigenen Geschäfts- oder Verantwortungsbereich sind den „eigenen“ Handlungen und Wahrnehmungen im Sinn von Abs. 4 gleichgestellt. Die Partei muss hier innerhalb desselben Erkundigungen anstellen und kann sich insoweit nicht ihren prozessualen Erklärungspflichten entziehen (Zöller a.a.O, Rz. 16 m.w.N.).

116

(2.4.) Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist das Arbeitsgericht in nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass das Bestreiten des Klägers mit Nichtwissen nicht ausreichend und damit unbeachtlich ist. Die diesbezügliche Erklärung des Klägers ist daher wie Nichtbestreiten zu behandeln. Die Homepage existiert seit August 2014. Die H...-M... wurde im Oktober 2014 gegründet. Der Kläger ist seit ihrer Gründung zu 50 % Gesellschafter dieser Firma. Es hätte daher näherer Darlegungen durch den Kläger bedurft, z. B. vor welchem konkreten tatsächlichen Hintergrund er keine Kenntnis vom Inhalt der Homepage im Zeitraum August 2014 bis einschließlich Dezember 2015 gehabt haben will und ihn sich auch nicht im Nachhinein verschaffen kann, was er insoweit bei wem unternommen hat und warum dieses erfolglos war. Als Gesellschafter kann er ohne Weiteres Informationen von der Gesellschaft über deren Geschäftsfeld und damit einhergehend deren Internetpräsenz erfahren. Vor diesem Hintergrund wertet die Berufungskammer sein Bestreiten mit Nichtwissen als nicht ausreichend und damit nicht glaubhaft. Die Behauptung der Beklagten, die H...-M... habe schon 2015 im Internet auf ihrer Homepage Refurbishmentleistungen angeboten, gilt mithin als unbestritten.

117

(2.5.) Zur Überzeugung auch der Berufungskammer steht daher fest, dass die H...-M... nicht erst ab 2016 Refurbishmentleistungen auf dem allgemeinen Markt angeboten hat, sondern diese – wie auch die Beratungsleistungen - bereits im Jahr 2015, vor Ausspruch der Kündigung. Damit hat der Kläger mit seiner 50%-Beteiligung an der H...-M... verbotswidrig ohne Einwilligung der Beklagten im selben Kundenkreis wie sein Arbeitgeber agiert und mit seinem Arbeitgeber konkurriert. Er hat mithin gegen § 13 Ziff. 1.1 des Arbeitsvertrages verstoßen und seine vertragliche Rücksichtnahmepflicht verletzt.

118

e) Angesichts dessen kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger sich weitere arbeitsvertragliche Pflichtverletzungen zu Schulden kommen lassen hat. Ebenso kann in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben, ob er weitere Wettbewerbsverstöße in Bezug auf die S... GmbH begangen hat. Es spricht allerdings sehr viel dafür, dass der Kläger bei Würdigung des Konglomerats all seiner ab September 2015 und damit auch während der Kündigungsfrist entfalteten Aktivitäten im Zusammenhang mit der Gründung der S... die Grenzen zulässiger Vorbereitungshandlungen überschritten und auch insoweit verbotswidrigen Wettbewerb begangen hat.

119

3. Auch die vom Arbeitsgericht vorgenommene Interessenabwägung ist nicht zu beanstanden. Der Beklagten war nicht zuzumuten, das bereits zum 31.12.2015 gekündigte Arbeitsverhältnis des Klägers noch für die letzten zwei Wochen fortzusetzen. Das gilt auch angesichts der in diesen Zeitraum fallenden Weihnachtsfeiertage und des Vorhandenseins von Resturlaubsansprüchen.

120

Der Kläger hat als Prokurist agiert. Diese Tätigkeit erfordert uneingeschränktes Vertrauen zu seiner Person. Der Kläger hat aber gut ein Jahr lang der Beklagten seine Beteiligung an der Konkurrenzfirma verschwiegen. Er hat mit dieser als Prokurist der Beklagten diverse Geschäfte eingefädelt und abgewickelt. Häufig waren dabei die Arbeitnehmer involviert, deren Arbeitsverhältnisse zum Zwecke des Wechsels zur in Gründung befindlichen S... GmbH zeitgleich mit dem des Klägers fristgemäß gekündigt wurden. Die Beklagte war anscheinend arglos. Der Kläger war während des Laufes der Kündigungsfrist seit Mitte November nicht nur über die H...-M... an der S... GmbH beteiligt, vielmehr auch ausweislich des zur Akte gereichten E-Mail-Verkehrs in Bezug auf die S... GmbH in die intensiven Vorbereitungsaktivitäten involviert. Nach der Überzeugung der Kammer hat er das Vertrauen der Beklagten in seine Loyalität als Prokurist der Firma über Monate hinweg langanhaltend und zielgerichtet strapaziert und teils missbraucht. Der Beklagten war es daher auch unter Berücksichtigung der langjährigen Betriebszugehörigkeit des Klägers nicht zumutbar, das Arbeitsverhältnis auch nur einen Tag länger bestehen zu lassen. Bei Aufrechterhaltung der vertraglichen Bande bis zum 31.12.2015 hätte sie trotz des Vertrauensbruchs des Klägers und der Verletzung aller Rücksichtnahmepflichten diesem auch noch zusätzlich eine Karenzentschädigung in einem Umfang von annähernd EUR 35.000,-- zahlen müssen. Letztendlich musste sie sich nach der Überzeugung der Kammer weder objektiv noch subjektiv für weitere zwei Wochen der Gefahr weiterer Pflichtverletzungen des Klägers, dem als Prokurist alles zugänglich war, aussetzen.

121

Im Übrigen wird auf die abwägenden Ausführungen des Arbeitsgerichts verwiesen.

122

4. Die Beklagte hat auch die Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Mit der Berufung auf die Konkurrenztätigkeit hat sie einen Dauertatbestand geltend gemacht, der sich fortlaufend neu verwirklicht (BAG, 22. Oktober 2015 – 2 AZR 569/14 – Rn. 59, juris). Diese Konkurrenzsituation erneuerte sich durch den Fortbestand der Gesellschafterstellung des Klägers fortlaufend.

123

Es ist auch nicht zu beanstanden, dass die Beklagte nach Schöpfung des ersten Verdachts im November 2015 noch weiter ermittelt und erst nach Erhalt der Mitteilung von C... und der Registerauszüge die außerordentliche Kündigung ausgesprochen hat. Im November bestand allenfalls ein Anfangsverdacht. Die Beklagte hat jedoch keine Verdachtskündigung ausgesprochen. Hierzu ist sie nicht verpflichtet. Jedes Arbeitsgericht hätte einem Arbeitgeber, der sofort gekündigt hätte, fehlende Sachverhaltsaufklärung vorgehalten. Die Beklagte hat vorgebracht, dass der neue Prokurist auf Ungereimtheiten gestoßen ist und insoweit weitere Recherchen ausgelöst und durchgeführt hat. Weitergehende Anforderungen an ihre Darlegungslast in Bezug darauf, was sie wann wie im Detail ermittelt hat, sind entgegen der Ansicht des Klägers nicht zu stellen. Der Geschäftsführer hat unstreitig erst nach Eingang der Unterlagen vom 10.12.2015 abschließende Kenntnis von den Vorgängen erhalten.

124

Die Voraussetzungen der Verwirkung des Rechts zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung liegen ebenfalls nicht vor. Das hat das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt. Eine Verwirkung kommt vorliegend nicht in Betracht. Auf BAG vom 21.12.2016 – 5 AZR 362/16 – Rz. 17 f wird verwiesen.

125

A. II. Der Zahlungsantrag des Klägers auf restliche Vergütung für Dezember 2015 einschließlich Urlaubsabgeltung und Tantiemeauszahlung ist im Ergebnis ebenfalls unbegründet.

126

1. Da das Arbeitsverhältnis wirksam zum 14.12.2015 gekündigt worden ist, besteht auch nur ein Anspruch auf anteilige Vergütung für den Zeitraum 01.012.2015 bis einschließlich 14.12.2015. Er ergibt sich der rechnerisch richtige Betrag von 3.464,64 Euro brutto. Des Weiteren hat der Kläger einen unstreitigen Anspruch auf Urlaubsabgeltung in Höhe von 1.090,91 Euro brutto. Es ergibt sich der ausgeurteilte, von der Beklagten zu zahlende Betrag in Höhe von 4.555,55 Euro brutto. Den hatte die Beklagte an den Kläger noch zu zahlen.

127

2. Weitere Auszahlungsansprüche hat der Kläger nicht.

128

a) Die Beklagte durfte, wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, den Anspruch auf Tantieme von 6.000,00 Euro nicht mit der dem Kläger zustehenden anteiligen Dezembervergütung verrechnen. Der in § 3 Ziff. 1.4. arbeitsvertraglich vereinbarte rückwirkende Wegfall der Tantieme ist unwirksam. Eine Tantieme in Form einer Gewinnbeteiligung ist Teil des Arbeitsentgelts, steht also im Austauschverhältnis. Sie ist zusätzliche Vergütung. Eine Vereinbarung, wonach der Tantiemeanspruch bei Ausscheiden des Arbeitnehmers insgesamt entfällt, ist daher rechtswidrig (BAG vom 13.11.2013 – 10 AZR 484/12 – Rz. 23 m.w.N; Schaub-Linck, Arbeitsrechtshandbuch, § 77 Rz. 8 m.w.N.).

129

b) Soweit der Kläger aber in der Berufungsbegründung meint, die Tantieme in Höhe von 6.000,00 Euro sei noch zu titulieren, unterliegt er einem Denkfehler. Infolge der auch im erstinstanzlichen Urteil festgestellten Unwirksamkeit der Aufrechnung mit der anteilig geschuldeten Dezembervergütung verbleibt der auf die Tantieme von 6.000,00 Euro an den Kläger gezahlte Nettobetrag von 3.795,05 Euro bei diesem. Die Abzüge und Steuern hierauf sind abgeführt. Die eingeklagte Forderung des Klägers ist daher erfüllt. Die anteilige Dezembervergütung ist aber zusätzlich zu zahlen. Das ist infolge der Aufrechnung zu Unrecht noch nicht geschehen. Gemäß der Tenorierung hat die Beklagte daher nur noch die Dezembervergütung von 4.555,55 Euro brutto an den Kläger auszuzahlen.

130

A. III. Der Zahlungsantrag des Klägers auf Karenzentschädigung bis einschließlich 18.09.2016 ist unbegründet. Die diesbezügliche Klagerweiterung im Berufungsverfahren um die Monate Juni 2016 bis einschließlich 18.09.2016 ist zwar sachdienlich im Sinne des § 264 ZPO, jedoch auch für diese Monate unbegründet. Der Kläger hat, wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, infolge der wirksamen außerordentlichen Kündigung der Beklagten vom 14.12.2015 keinen Anspruch auf Karenzentschädigung. Die Beklagte hat sich gem. § 75 Abs. 3 HGB in Verbindung mit § 75 Abs. 1 HGB wirksam vom Wettbewerbsverbot losgesagt. Der zuvor von ihr mit Ausspruch der vom Kläger erbetenen fristgemäßen Kündigung erklärte Verzicht auf das nachvertragliche Wettbewerbsverbot steht der Lossagung nach wirksamer fristloser Kündigung nicht entgegen. Der Kläger vermischt die Folgen eines Verzichts auf das nachvertragliche Wettbewerbsverbot mit den Handlungsmöglichkeiten des Arbeitgebers bei Verstoß gegen ein vertragliches Wettbewerbsverbot, das zur vorzeitigen Kündigung aus wichtigem Grund und zur Möglichkeit der Loslösung führt. Auf BAG vom 17.02.1987, 3 AZR 59/86 – RZ 14 und BAG vom 19.05.1998, 9 AZR 327/86 – Rz. 16 wird verwiesen.

131

B. I. Auf die Widerklage ist der Kläger zu Recht zur Zahlung einer Vertragsstrafe von 26.5414,56 Euro verurteilt worden.

132

1. Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit der vertraglichen Formularregelung im Sinne der §§ 305 ff BGB sind nicht ersichtlich. Auf das erstinstanzliche Urteil wird verwiesen. Die Berufungsbegründung des Klägers enthält hierzu auch keinen Vortrag, der sich mit der erstinstanzlichen Entscheidung auseinandersetzt.

133

2. Die Vertragsstrafe ist angefallen. Die Voraussetzungen der arbeitsvertraglichen Vertragsstrafenregelung des § 13 Ziff. 1.5 liegen hier auch vor. Die Vertragsstrafe ist danach für jeden Fall des Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot zu zahlen. Das Wettbewerbsverbot ist in § 13 Ziff. 1.1 des Arbeitsvertrages geregelt. Dort ist ausdrücklich aufgeführt, dass neben der aktiven Tätigkeit für ein Wettbewerbsunternehmen auch die Errichtung und Beteiligung an einem solchen als Wettbewerbsverstoß angesehen wird. Soweit der Kläger dieses mit Blick auf den letzten Satz der Ziff. 1.5. nur auf aktive Wettbewerbstätigkeiten zu reduzieren versucht, reißt er diesen Satz aus dem gesamten Kontext des § 13 des Arbeitsvertrages. Das widerspricht allen Auslegungsgrundsätzen im Sinne der §§ 133, 157 BGB. Im Übrigen wird auch hier auf das erstinstanzliche Urteil verwiesen.

134

II. Soweit für das Berufungsverfahren noch von Bedeutung, ist der Kläger auch zu Recht zur Erteilung einer Auskunft darüber verurteilt worden, an welchen Kapitalgesellschaften er während der Dauer des Arbeitsverhältnisses ungeachtet der H...-M... und der S... GmbH mittelbar oder unmittelbar beteiligt war. Auf die diesbezüglichen Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird verwiesen. Dem ist nichts hinzuzufügen. Das gilt auch in Bezug auf die nach Ansicht des Klägers eingetretene Verjährung. Damit ist auch die den Kläger treffende Kostenfolge korrekt.

135

C. Der Kläger hat zur Abwendung der Zwangsvollstreckung an die Beklagte die titulierte Forderung gezahlt. Die Verurteilung zur Zahlung ist zu Recht erfolgt. Damit ist der Wider-Widerklage nach § 717 Abs. 2 Satz 2 ZPO der Erfolg versagt.

136

D. Aus den genannten Gründen war die Berufung des Klägers in vollem Umfang zurückzuweisen.

137

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

138

Die Revision war nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor. Vorliegend handelt es sich ausschließlich um eine Einzelfallentscheidung.


Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Urteil, 12. Apr. 2017 - 3 Sa 202/16

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Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Urteil, 12. Apr. 2017 - 3 Sa 202/16 zitiert 15 §§.

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 133 Auslegung einer Willenserklärung


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(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unte

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Bundesarbeitsgericht Urteil, 21. Dez. 2016 - 5 AZR 362/16

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Tenor 1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 7. Januar 2016 - 9 Sa 335/15 - aufgehoben.

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Tenor 1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 28. Mai 2014 - 10 Sa 770/13 - im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, wie es der Berufung des K

Bundesarbeitsgericht Urteil, 23. Okt. 2014 - 2 AZR 644/13

bei uns veröffentlicht am 23.10.2014

Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 20. März 2013 - 6 Sa 617/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Referenzen

(1) Löst der Gehilfe das Dienstverhältnis gemäß den Vorschriften der§§ 70 und 71wegen vertragswidrigen Verhaltens des Prinzipals auf, so wird das Wettbewerbverbot unwirksam, wenn der Gehilfe vor Ablauf eines Monats nach der Kündigung schriftlich erklärt, daß er sich an die Vereinbarung nicht gebunden erachte.

(2) In gleicher Weise wird das Wettbewerbsverbot unwirksam, wenn der Prinzipal das Dienstverhältnis kündigt, es sei denn, daß für die Kündigung ein erheblicher Anlaß in der Person des Gehilfen vorliegt oder daß sich der Prinzipal bei der Kündigung bereit erklärt, während der Dauer der Beschränkung dem Gehilfen die vollen zuletzt von ihm bezogenen vertragsmäßigen Leistungen zu gewähren. Im letzteren Falle finden die Vorschriften des § 74b entsprechende Anwendung.

(3) Löst der Prinzipal das Dienstverhältnis gemäß den Vorschriften der§§ 70 und 72wegen vertragswidrigen Verhaltens des Gehilfen auf, so hat der Gehilfe keinen Anspruch auf die Entschädigung.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 28. Mai 2014 - 10 Sa 770/13 - im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, wie es der Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 19. Juni 2013 - 19 Ca 13099/12 - stattgegeben hat.

2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts München wird insgesamt zurückgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

2

Der Kläger wurde 1961 geboren, ist verheiratet und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Er war seit 1989 - zunächst als Systemanalytiker und zuletzt als IT-Spezialist - bei der Beklagten beschäftigt. Die vereinbarte Wochenarbeitszeit belief sich auf 35 Stunden. Sein Arbeitsverhältnis war nach § 8 Ziff. 2 Abs. 3 Satz 1 des Manteltarifvertrags für die Arbeitnehmer der bayerischen Metall- und Elektroindustrie (MTV) vom 23. Juni 2008 verhaltensbedingt nur noch aus wichtigem Grund kündbar.

3

Zwischen den Parteien kam es mehrfach zu Unstimmigkeiten über die dem Kläger zugeteilten Aufgaben und sein berufliches Fortkommen. Mit E-Mail vom 30. März 2009 forderte dieser die Beklagte auf, ihn vertragsgemäß zu beschäftigen und sein „Aschenputtel-Dasein“ zu beenden. Die Beklagte übe „Psychoterror“ aus. Sie versuche, ihn zu zermürben und zu demütigen, was bei ihm zu einer seelischen Erkrankung geführt habe. Gleichzeitig kündigte er an, ggf. von einem Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 BGB Gebrauch machen zu wollen. Nach mehreren Gesprächen wurde ihm für die Zeit ab Oktober 2009 einvernehmlich die Tätigkeit eines IT-Chefarchitekten und die Leitung eines Projekts übertragen.

4

Das dem Kläger anvertraute Projekt endete spätestens im September 2011. Im Mai 2011 wurde ihm die Aufgabe eines sog. Blueprint-Vorfilterers und im Februar 2012 diejenige eines „TRM-Koordinators“ jeweils mit seinem Einverständnis übertragen. Nachdem die Einarbeitung abgeschlossen war, lasteten diese Tätigkeiten ihn für drei bis vier Stunden pro Woche aus. Das ihm im Juni 2012 unterbreitete Angebot, zusätzlich im Projekt „SharePoint“ tätig zu werden, lehnte er ab.

5

Mit E-Mail vom 10. September 2012 richtete der Kläger eine Petition an die Personalleitung der Beklagten. In der beigefügten PowerPoint-Präsentation führte er aus, dass seit 1996 eine „massive Entwicklungsblockade“ gegen ihn verhängt worden sei. Trotz seiner „ständig sehr guten Ergebnisse“ und der „mustergültigen Einhaltung aller geltenden Regeln“ sei er nicht befördert worden. Dieses „unternehmensbedingte, großangelegte Mobbing“ habe bei ihm zu „totaler Frustration“ geführt. Seine Arbeitsmoral liege „brach“, die „innere Kündigung (sei) perfekt“. Die Beklagte habe ihn „krank gemacht“, für eine „neue Aufgabe oder Funktion habe (er) keine Kraft mehr“. Er sei „körperlich erschöpft, sowie seelisch und geistig ausgebrannt“. Die Beklagte habe sein „Potenzial definitiv und unwiederbringlich kaputt gemacht“. Man befinde sich in einem Dilemma wie in einer „schlechten Ehe“ und solle sich „lieber heute als morgen voneinander trennen“. Die von ihm „bevorzugte Lösung“ sei deshalb eine „bezahlte Freistellung mit garantiertem Bestandsschutz bis zum Eintritt in die gesetzliche Rente bzw. die Freizeitphase der Altersteilzeit“. In einer weiteren E-Mail vom 20. September 2012 teilte der Kläger der Beklagten mit, ihm sei es nicht mehr möglich und zumutbar, seine Arbeitsleistung zu erbringen. Ab dem 1. Oktober 2012 werde er von einem Leistungsverweigerungsrecht nach § 275 Abs. 2 und Abs. 3 BGB Gebrauch machen.

6

Die Beklagte wies die Vorwürfe mit Schreiben vom 28. September 2012 zurück und ließ den Kläger wissen, dass sie es als schwerwiegende Verletzung seiner Hauptleistungspflicht betrachten und ggf. arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zu einer Kündigung ziehen werde, wenn er der Arbeit fernbleiben sollte. Zugleich lud sie ihn für den 1. Oktober 2012 zu einem Personalgespräch ein. Der Kläger erwiderte mit E-Mail vom gleichen Tag, er sei „sprachlos“ aufgrund der „inhaltslosen Aussagen“ und „billigen Drohungen“. Die Beklagte habe „die Zusammenarbeit unmöglich gemacht“ und „ihre Glaubwürdigkeit und ihre Integrität restlos und unwiederbringlich kompromittiert“.

7

Der Kläger erschien - wie angekündigt - ab dem 1. Oktober 2012 nicht mehr zur Arbeit. In der Folge entspann sich zwischen den Parteien ein nicht geringer Schrift- und E-Mail-Wechsel, in dessen Zuge die Beklagte den Kläger zweimal wegen Arbeitsverweigerung abmahnte und ihn noch weitere drei Mal vergeblich zu einem Personalgespräch einlud. Im fünften Anlauf kam für den 15. Oktober 2012 ein solches Gespräch zustande, in dem die Parteien keine Einigung erzielen konnten. Mit Schreiben vom 17. Oktober 2012 erteilte die Beklagte dem Kläger eine „letztmalige Abmahnung“. Nachdem auch diese fruchtlos geblieben war, kündigte sie dessen Arbeitsverhältnis - nach Anhörung des Betriebsrats - mit Schreiben vom 26. Oktober 2012 außerordentlich fristlos, hilfsweise außerordentlich mit Auslauffrist zum 31. Mai 2013.

8

Hiergegen hat der Kläger sich rechtzeitig mit der vorliegenden Klage gewandt. Er hat gemeint, er habe seine Arbeitspflicht nicht verletzt, weil er wirksam ein Leistungsverweigerungsrecht geltend gemacht habe. Angesichts der gegen ihn verhängten „Entwicklungsblockade“ und des fortwährenden „Mobbing“ sei es ihm unzumutbar, weiterhin seine Arbeitsleistung zu erbringen. Die Kündigung stelle sich als Maßregelung dar.

9

Der Kläger hat - soweit noch von Interesse - beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche fristlose Kündigung vom 26. Oktober 2012 noch durch die außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist vom 26. Oktober 2012 aufgelöst worden ist.

10

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, der Kläger habe seine Arbeitspflicht beharrlich verletzt. Er sei nicht berechtigt gewesen, die Leistung zu verweigern. Die von ihm - ohnehin unsubstantiiert - erhobenen Vorwürfe seien unzutreffend. Der Kläger habe sich auch nicht in einem entschuldbaren Rechtsirrtum befunden. Vielmehr sei er sich des mit seinem Vorgehen verbundenen Risikos bewusst gewesen.

11

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte das Ziel, das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist zulässig und begründet.

13

A. Der Senat kann über die Revision entscheiden. Es kommt nicht darauf an, ob der Rechtsstreit deshalb nach § 244 Abs. 1 ZPO unterbrochen gewesen ist, weil der ursprüngliche Prozessbevollmächtigte des Klägers im Laufe des Revisionsverfahrens die Zulassung zur Anwaltschaft und damit gemäß § 11 Abs. 4 ArbGG die Fähigkeit verloren hat, die Vertretung seiner Partei fortzuführen(gegen eine Unterbrechung bei Bestellung eines Abwicklers BFH 10. Februar 1982 - I R 225/78 - BFHE 135, 445; für eine Unterbrechung trotz Bestellung eines Abwicklers OLG Köln 3. Juni 1993 - 12 W 19/93 - zu I der Gründe; Stein/Jonas/Roth ZPO 22. Aufl. § 244 Rn. 9). Eine mögliche Unterbrechung ist jedenfalls dadurch beendet worden, dass der Abwickler der Kanzlei des früheren Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 30. April 2015 seine Bestellung gegenüber dem Bundesarbeitsgericht angezeigt hat und die Anzeige der Beklagten zugestellt worden ist (§ 244 Abs. 1, § 250 ZPO). Bei einem amtlich bestellten Abwickler handelt es sich um einen „bestellten neuen Anwalt“ iSv. § 244 Abs. 1 ZPO(BAG 13. Mai 1997 - 3 AZR 66/96 - zu A der Gründe).

14

B. Die Revision ist zulässig. Entgegen der Ansicht des Klägers ist sie ordnungsgemäß begründet worden.

15

I. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung die Angabe der Revisionsgründe. Bei einer Sachrüge muss der vermeintliche Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufgezeigt werden, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Dazu muss die Revisionsbegründung eine Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Urteils enthalten. Das erfordert die genaue Darlegung der Gesichtspunkte, aus denen das angefochtene Urteil rechtsfehlerhaft sein soll (vgl. BAG 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 16).

16

II. Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung gerecht. Die Beklagte wendet sich gegen die Annahme des Landesarbeitsgerichts, unter Abwägung der beiderseitigen Interessen sei es ihr zumutbar, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Sie legt dar, welche von ihm festgestellten Umstände es außer Acht gelassen habe und wie daraus ein anderes Ergebnis folge. Diese Sachrüge wäre im Fall ihrer Begründetheit geeignet, das Berufungsurteil - soweit es durch die Beklagte angefochten wird - zu Fall zu bringen. Das reicht als Revisionsangriff aus. Darauf, ob die Beklagte die von ihr zudem erhobenen Verfahrensrügen ausreichend begründet hat, kommt es für die Zulässigkeit der Revision deshalb nicht an.

17

C. Die Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage zu Unrecht stattgegeben. Sie ist unbegründet. Die außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten vom 26. Oktober 2012 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit ihrem Zugang aufgelöst. Sie ist wirksam.

18

I. Es besteht ein wichtiger Grund iSv. § 626 BGB iVm. § 8 Ziff. 2 Abs. 3 Satz 1 MTV.

19

1. Nach § 8 Ziff. 2 Abs. 3 Satz 1 MTV können die Arbeitsverhältnisse von Arbeitnehmern, die - wie der Kläger - das 50. Lebensjahr vollendet und dem Betrieb oder Unternehmen mindestens 15 Jahre angehört haben, verhaltensbedingt nur noch aus wichtigem Grund gekündigt werden. Mit dem Begriff des „wichtigen Grundes“ knüpft der MTV an die gesetzliche Regelung des § 626 Abs. 1 BGB an(für insoweit vergleichbare Tarifverträge BAG 28. Oktober 2010 - 2 AZR 688/09 - Rn. 31; 12. Januar 2006 - 2 AZR 242/05 - Rn. 24).

20

2. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der - ggf. fiktiven - Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei ist zunächst zu untersuchen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“ und damit typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht (BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 19, BAGE 149, 355; 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 19). Bei der Interessenabwägung ist die ordentliche Unkündbarkeit seines Arbeitsverhältnisses - hier: nach § 8 Ziff. 2 Abs. 3 Satz 1 MTV - nicht gesondert zugunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen (vgl. BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 48 mwN, BAGE 137, 54).

21

3. Der Kläger hat einen „an sich“ wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB herbeigeführt, indem er die von ihm geschuldete Arbeitsleistung beharrlich verweigerte.

22

a) Die beharrliche Weigerung eines Arbeitnehmers, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, ist „an sich“ geeignet, eine außerordentliche fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Ein Arbeitnehmer verweigert die ihm angewiesene Arbeit beharrlich, wenn er sie bewusst und nachdrücklich nicht leisten will. Ob er zur Arbeitsleistung verpflichtet war, entscheidet sich nach der objektiven Rechtslage. Verweigert der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung in der Annahme, er handele rechtmäßig, hat grundsätzlich er selbst das Risiko zu tragen, dass sich seine Rechtsauffassung als unzutreffend erweist (BAG 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 29, 32).

23

b) Der kündigende Arbeitgeber ist darlegungs- und beweispflichtig für alle Umstände, die einen wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB begründen sollen. Ihn trifft die Darlegungs- und Beweislast auch für diejenigen Tatsachen, die einen vom Gekündigten behaupteten Rechtfertigungsgrund ausschließen. Allerdings hat hierzu der Arbeitnehmer seinerseits nach § 138 Abs. 2 ZPO substantiiert vorzutragen; er muss darlegen, warum sein Fehlen als „entschuldigt“ anzusehen sei. Nur die im Rahmen der insofern abgestuften Darlegungs- und Beweislast vom Arbeitnehmer behaupteten Tatsachen hat der Arbeitgeber zu widerlegen (vgl. BAG 17. Juni 2003 - 2 AZR 123/02 - zu II 2 b aa der Gründe; 21. Mai 1992 - 2 AZR 10/92 - zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 70, 262).

24

c) Der Kläger verweigerte seit dem 1. Oktober 2012 die von ihm geschuldete Arbeitsleistung. Er war grundsätzlich verpflichtet, die ihm mit seinem Einverständnis übertragenen Tätigkeiten eines „Blueprint-Vorfilterers“ und eines „TRM-Koordinators“ auszuführen.

25

d) Der Kläger war nicht berechtigt, die Arbeitsleistung zu verweigern, weil es ihm gemäß § 275 Abs. 3 BGB unzumutbar gewesen wäre, sie zu erbringen.

26

aa) Nach § 275 Abs. 3 BGB kann der Schuldner die Leistung verweigern, wenn er sie persönlich zu erbringen hat und sie ihm unter Abwägung des ihr entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers nicht zugemutet werden kann. Die Vorschrift betrifft das Spannungsverhältnis von Vertragstreue und Unzumutbarkeit der Arbeitsleistung (BAG 13. August 2010 - 1 AZR 173/09 - Rn. 12, BAGE 135, 203). Sie löst es (nur) dann zugunsten des Schuldners auf, wenn für diesen die Leistungserbringung in hohem Maße belastend ist (MüKoBGB/Ernst 6. Aufl. § 275 Rn. 116), weil ein Fall besonderer Leistungserschwerung vorliegt (Alpmann in jurisPK-BGB 7. Aufl. § 275 Rn. 70). Dem Schuldner kann die Erfüllung der von ihm persönlich zu erbringenden Leistung unzumutbar sein, wenn er dadurch Gefahr läuft, in bedeutsamen Rechtsgütern verletzt zu werden (vgl. Staudinger/Caspers (2014) § 275 Rn. 112: Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit). Im Falle einer zur Arbeitsunfähigkeit führenden Erkrankung des Arbeitnehmers selbst - nicht eines seiner nahen Angehörigen - ist umstritten, ob die Leistungsbefreiung automatisch gemäß § 275 Abs. 1 BGB eintritt oder der Betreffende erst von einem Leistungsverweigerungsrecht nach § 275 Abs. 3 BGB Gebrauch machen muss(zum Streitstand siehe Alpmann in jurisPK-BGB 7. Aufl. § 275 Rn. 71; MüKoBGB/Ernst 6. Aufl. § 275 Rn. 118).

27

bb) Dem Kläger war es nicht unzumutbar, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen.

28

(1) Er beruft sich nicht etwa darauf, dass er bereits arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei. Eine entsprechende ärztliche Bescheinigung gemäß § 5 EFZG hat er nicht vorgelegt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass eine Arbeitsunfähigkeit zumindest zu erwarten gewesen wäre, wenn er seine Tätigkeit fortgesetzt hätte. Zwar hat der Kläger behauptet, an einer psychischen Erkrankung zu leiden. Jedoch hat er diese nur schlagwortartig umschrieben. Es fehlt an Vortrag zu den Symptomen und dazu, wie sich die Krankheit - die ihm offenbar seit Jahren bekannt ist - in der jüngeren Vergangenheit entwickelt hat, welche konkreten Auswirkungen die Situation am Arbeitsplatz hatte und warum es ihm deshalb nicht mehr zugemutet werden konnte, die Arbeitsleistung fortzusetzen.

29

(2) Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass es dem Kläger nicht aufgrund von - drohenden - Persönlichkeitsrechtsverletzungen unzumutbar gewesen sei, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen (zur eingeschränkten Überprüfbarkeit der tatrichterlichen Würdigung vgl. BAG 28. Oktober 2010 - 8 AZR 546/09 - Rn. 20; 24. April 2008 - 8 AZR 347/07 - Rn. 36).

30

(a) Nicht jedes den Arbeitnehmer belastende Verhalten des Arbeitgebers oder eines seiner Repräsentanten (§ 278 BGB) stellt einen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers oder eine Verletzung vertraglicher Pflichten zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) dar. Persönlichkeitsrechte werden nicht allein dadurch verletzt, dass im Arbeitsleben übliche Konflikte auftreten, die sich durchaus über einen längeren Zeitraum erstrecken können. Sozial- und rechtsadäquates Verhalten muss aufgrund der gebotenen objektiven Betrachtungsweise - dh. ohne Rücksicht auf das subjektive Empfinden des betroffenen Arbeitnehmers - von der rechtlichen Bewertung ausgenommen werden. Mangels entsprechender Systematik und Zielrichtung werden keine Rechte des Arbeitnehmers beeinträchtigt, wenn er von verschiedenen Vorgesetzten, die nicht zusammenwirken und die zeitlich aufeinanderfolgen, in seiner Arbeitsleistung kritisiert oder schlecht beurteilt wird. Dies gilt insbesondere dann, wenn seine Arbeitsleistung nicht nur beanstandet oder ignoriert, sondern auch positiv gewürdigt wird. Ebenso müssen Verhaltensweisen von Arbeitgebern oder Vorgesetzten unberücksichtigt bleiben, die lediglich eine Reaktion auf Provokationen durch den vermeintlich „gemobbten“ Arbeitnehmer darstellen. Insoweit fehlt es an der eindeutigen Täter-Opfer-Konstellation (BAG 16. Mai 2007 - 8 AZR 709/06 - Rn. 86, BAGE 122, 304).

31

(b) Zur Begründung des Vorwurfs, er sei systematisch in seiner beruflichen Entwicklung „blockiert“ worden, beruft der Kläger sich darauf, dass ihm Zwischenzeugnisse mit unrichtigem Inhalt erteilt, ein Telearbeitsplatz verweigert, Leistungspunkte gestrichen, keine herausfordernden Aufgaben übertragen und eine Fortbildung und Beförderung verwehrt worden seien. Weitere Verhaltensweisen der Beklagten hat er nicht konkret dargetan; es ersetzt keinen substantiierten Sachvortrag, Vorschriften zu benennen, gegen die sie verstoßen haben soll.

32

(c) Mit dem Landesarbeitsgericht lassen die vom Kläger geschilderten Verhaltensweisen weder einzeln für sich noch in ihrer Gesamtschau den Schluss auf eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts zu. Zwischen den Parteien bestanden lediglich Konflikte wie sie im Arbeitsleben üblich sind. Sie ergaben sich aus unterschiedlichen Auffassungen über die Qualität der Arbeitsleistung und -ergebnisse des Klägers. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte oder einer ihrer Repräsentanten (§ 278 BGB) auch nur in einem Einzelfall die Ebene der Sachlichkeit verlassen hätte. Im Übrigen würde selbst dies nicht ausreichen, um eine Rechtsverletzung anzunehmen (vgl. BAG 16. Mai 2007 - 8 AZR 709/06 - Rn. 76, BAGE 122, 304).

33

(aa) Der Kläger mag es als erniedrigend empfunden haben, dass ehemalige Kollegen zu seinen Vorgesetzten wurden. In diesem Empfinden mag er dadurch bestärkt worden sein, dass seine Arbeitsleistung schlechter beurteilt wurde, als er es für gerechtfertigt hielt. Er hatte jedoch keinen Rechtsanspruch darauf, gleichfalls befördert zu werden (vgl. zur „Fürsorgepflicht“ des Arbeitgebers BAG 23. September 1992 - 5 AZR 526/91 - zu II 6 der Gründe). Die Beklagte hat substantiiert dargetan, dass sie ihn nicht als „Führungskraft“ sehe, weil er aus ihrer Sicht nicht über ausreichende Gestaltungsfähigkeiten bei komplexen, noch unklaren Sachverhalten und nicht über das erforderliche Team- und Kommunikationsverhalten verfüge.

34

(bb) Es ist nicht ersichtlich, dass gegen den Kläger eine „Entwicklungsblockade“ verhängt worden wäre. Ihm sind Angebote zur Fort- und Weiterbildung unterbreitet worden. Diese hat er entweder nicht angenommen oder er hat die begonnenen Schulungen - etwa das sog. Gallup-Stärkentraining - vorzeitig abgebrochen. Wenn Probleme in seinem Arbeitsumfeld aufgetreten sind, hat die Beklagte versucht, Tätigkeiten in anderen Bereichen für ihn zu finden und ihm einen „unbelasteten Neustart“ zu ermöglichen. Nach seinen eigenen Angaben ist er nicht nur kritisiert, sondern verschiedentlich für seine Arbeitsleistung und seine Arbeitsergebnisse auch gelobt worden. Zu keiner Zeit wurde ihm eine Aufgabe entzogen. Die Notwendigkeit, ihm neue Tätigkeiten zuzuweisen, ergab sich vielmehr dadurch, dass die ihm übertragenen Projekte abgeschlossen waren. Dass der Kläger mit den ihm zuletzt übertragenen Tätigkeiten eines „Blueprint-Vorfilterers“ und eines „TRM-Koordinators“ nicht ausgelastet war, lässt nicht den Schluss zu, die Beklagte habe ihn auf das „Abstellgleis“ geschoben. Ihm ist zusätzlich ein Einsatz im Projekt „SharePoint“ angeboten worden. Diesen hat er - mit der Begründung, dass er sich dafür zunächst hätte fortbilden müssen - abgelehnt. Er hat auch im Prozess keine Angaben dazu gemacht, welche möglichen Aufgaben, die den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen entsprochen und nicht eine Beförderung bedeutet hätten, die Beklagte ihm „vorenthalten“ habe.

35

(cc) Es kommt hinzu, dass die Auseinandersetzungen um den Telearbeitsplatz und die Streichung von Leistungspunkten bei Beginn der Arbeitsverweigerung bereits im Sinne des Klägers „ausgestanden“ waren. Ihm war ein Telearbeitsplatz eingerichtet worden. Sein Vorgesetzter hatte ihm lediglich nahegelegt, in seinem - des Klägers - eigenen Interesse gleichwohl ausreichend im Unternehmen „präsent“ zu sein. Die nach den bei der Beklagten üblichen Gepflogenheiten anlässlich eines Aufgabenwechsels „gehaltsneutral“ gestrichenen Leistungspunkte waren ihm auf seinen „Protest“ hin wieder gutgeschrieben worden. Das hatte für ihn eine Gehaltserhöhung zur Folge, obwohl er sich in der neuen Tätigkeit noch nicht in der dazu erforderlichen Weise „bewährt“ haben konnte.

36

e) Die Arbeitsverweigerung durch den Kläger war nicht in Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts gemäß § 273 Abs. 1 BGB gerechtfertigt.

37

aa) Nach dieser Vorschrift darf der Schuldner, der aus dem gleichen Rechtsverhältnis, auf dem seine Verpflichtung beruht, einen fälligen Anspruch gegen den Gläubiger hat - sofern sich aus dem Schuldverhältnis nichts anderes ergibt -, die geschuldete Leistung verweigern, bis die ihm gebührende Leistung bewirkt wird. Dem Arbeitnehmer kann ein Recht zustehen, die Arbeitsleistung zurückzuhalten, wenn der Arbeitgeber seine aus dem Arbeitsverhältnis folgenden Haupt- oder Nebenpflichten schuldhaft nicht erfüllt. So liegt es beispielsweise, wenn der Arbeitgeber oder einer seiner Repräsentanten (§ 278 BGB) die Gesundheit des Arbeitnehmers oder dessen Persönlichkeitsrecht in erheblicher Weise verletzt und mit weiteren Verletzungen zu rechnen ist. Die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts steht unter dem Gebot von Treu und Glauben nach § 242 BGB und unterliegt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dementsprechend muss der Arbeitnehmer unter Angabe des Grundes dem Arbeitgeber klar und eindeutig mitteilen, er werde dieses Recht mit Blick auf eine ganz bestimmte, konkrete Gegenforderung wahrnehmen. Nur so wird dem Arbeitgeber die Möglichkeit eröffnet, den möglichen Anspruch des Arbeitnehmers zu prüfen und ggf. zu erfüllen. Wenn der Arbeitnehmer berechtigterweise von einem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch macht, liegt keine Arbeitsverweigerung vor (vgl. BAG 13. März 2008 - 2 AZR 88/07 - Rn. 39 ff. mwN).

38

bb) Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger kein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB geltend gemacht. Obwohl ihm ausweislich vorheriger Mitteilungen - etwa in der E-Mail vom 30. März 2009 - der Unterschied zwischen beiden Normen bestens bekannt war, hat er die Beklagte mit E-Mail vom 20. September 2012 (lediglich) wissen lassen, dass ihm die weitere Arbeitsleistung unzumutbar sei und er ab dem 1. Oktober 2012 von seinem Leistungsverweigerungsrecht nach § 275 Abs. 2 und Abs. 3 BGB Gebrauch machen werde. Noch in der Klageschrift hat er sich ausschließlich auf § 275 BGB bezogen. Dementsprechend hat er von der Beklagten nicht etwa verlangt, bestimmte Ansprüche zu erfüllen, Maßnahmen zu ergreifen oder Zustände zu beenden. Mithilfe der Weigerung, seine Arbeitsleistung zu erbringen, wollte er weder eine vertragsgemäße Beschäftigung noch die Unterlassung von weiterem „Mobbing“ erreichen. Vielmehr hat er lediglich „vorgeschlagen“, ihn unter Fortzahlung der Vergütung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze von der Arbeitsleistung freizustellen. Darin erblickte er nicht mehr als die Festschreibung dessen, was nach § 275 Abs. 3 iVm. § 326 Abs. 2 BGB ohnehin - unveränderlich - gelte.

39

cc) Gemäß den Ausführungen zu § 275 Abs. 3 BGB bestanden im Übrigen keine Gegenansprüche, auf die der Kläger ein Recht, seine Arbeitsleistung zurückzuhalten, erfolgreich hätte stützen können. Zwar hatte er einen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung im Umfang von 35 Wochenstunden. Auch wurde dieser von der Beklagten bei weitem nicht vollständig erfüllt, weil der Kläger nach den tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts mit den ihm zuletzt übertragenen Tätigkeiten eines „Blueprint-Vorfilterers“ und eines „TRM-Koordinators“ nur im Umfang von drei bis vier Stunden pro Woche ausgelastet war. Die „Unterbeschäftigung“ beruhte jedoch darauf, dass der Kläger die ihm ergänzend angetragene Tätigkeit im Projekt „SharePoint“ nicht hatte übernehmen wollen. Unter diesen Umständen wäre es rechtsmissbräuchlich iSv. § 242 BGB, die Arbeitsleistung mit dem Ziel zurückzuhalten, weitere Aufgaben zugewiesen zu bekommen.

40

f) Der Kläger hat seine geschuldete Arbeitsleistung bewusst und nachhaltig verweigert.

41

aa) Obgleich die Beklagte ihn mit Schreiben vom 28. September 2012 darauf hingewiesen hatte, dass sie dies als schwerwiegenden Verstoß gegen seine Hauptleistungspflicht betrachten und ggf. arbeitsrechtliche Konsequenzen ziehen werde, blieb er ab dem 1. Oktober 2012 der Arbeit fern und nahm sie trotz dreier Abmahnungen und mehrerer Aufforderungen der Beklagten bis zum Kündigungszeitpunkt - über mehr als dreieinhalb Wochen - nicht wieder auf.

42

bb) Der Kläger befand sich nicht in einem entschuldbaren Rechtsirrtum.

43

(1) Der Geltungsanspruch des Rechts bewirkt, dass der Schuldner das Risiko eines Rechtsirrtums grundsätzlich selbst trägt und es nicht dem Gläubiger überbürden kann (BAG 19. August 2015 - 5 AZR 975/13 - Rn. 31). Ein unverschuldeter Rechtsirrtum liegt nur vor, wenn der Schuldner seinen Irrtum auch unter Anwendung der zu beachtenden Sorgfalt nicht erkennen konnte. Dabei sind strenge Maßstäbe anzulegen. Es reicht nicht aus, dass er sich für seine eigene Rechtsauffassung auf eine eigene Prüfung und fachkundige Beratung stützen kann. Ein Unterliegen in einem möglichen Rechtsstreit muss zwar nicht undenkbar sein (vgl. BAG 12. November 1992 - 8 AZR 503/91 - zu I 1 der Gründe, BAGE 71, 350). Gleichwohl liegt ein entschuldbarer Rechtsirrtum nur dann vor, wenn der Schuldner damit nach sorgfältiger Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht zu rechnen brauchte; ein normales Prozessrisiko entlastet ihn nicht (vgl. BAG 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 34; BGH 6. Dezember 2006 - IV ZR 34/05 - zu II 1 a aa der Gründe; 27. September 1989 - IVa ZR 156/88 -).

44

(2) Der Kläger hat sich nicht fachkundig beraten lassen, bevor er die Arbeitsleistung verweigert hat. Nach seinem eigenen Vorbringen war er sich des Risikos, dass ein Leistungsverweigerungsrecht von den Gerichten verneint werden könnte, vollauf bewusst. Unter diesen Umständen kann von einem entschuldbaren, unvermeidbaren Rechtsirrtum keine Rede sein.

45

4. Bei der abschließenden Interessenabwägung überwiegt - entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts - das Interesse der Beklagten an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Dessen Fortsetzung war ihr selbst für den Lauf der - fiktiven - ordentlichen Kündigungsfrist von sieben Monaten zum Schluss eines Kalendermonats (§ 8 Ziff. 2 Abs. 2 Satz 1 MTV) nicht zuzumuten.

46

a) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der - fiktiven - Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ende der Frist für eine ordentliche Kündigung zuzumuten war oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Sie scheidet aus, wenn es ein „schonenderes“ Gestaltungsmittel - etwa Abmahnung, Versetzung, ordentliche Kündigung - gibt, das ebenfalls geeignet ist, den mit einer außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - nicht die Sanktion des pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses - zu erreichen (vgl. BAG 20. November 2014 - 2 AZR 651/13 - Rn. 21; 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 47, BAGE 149, 355).

47

b) Dem Berufungsgericht kommt bei dieser Prüfung und Interessenabwägung - obwohl es sich um Rechtsanwendung handelt - ein gewisser Beurteilungsspielraum zu. Seine Würdigung wird in der Revisionsinstanz aber daraufhin überprüft, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 651/13 - Rn. 24; 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 42). Eine eigene Abwägung durch das Revisionsgericht ist dann möglich, wenn die des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist und sämtliche relevanten Tatsachen feststehen (BAG 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - aaO; 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - Rn. 16).

48

c) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Beklagten sei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zuzumuten gewesen, hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.

49

aa) Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Interessenabwägung ist insoweit nicht zu beanstanden, wie es zugunsten des Klägers die lange Dauer des Arbeitsverhältnisses, dessen von erheblichen Pflichtverletzungen freien Verlauf, seine Unterhaltspflichten und den Umstand berücksichtigt hat, dass die Beklagte nicht nach weiteren Möglichkeiten gesucht hat, ihn vertragsgemäß in Vollzeit zu beschäftigen. Dass der Kläger einen Einsatz im Projekt „SharePoint“ abgelehnt hatte, führte zwar dazu, dass er seine Arbeitsleistung nicht mit dem Ziel zurückhalten durfte, man möge ihm weitere Aufgaben übertragen. Dies entband die Beklagte jedoch nicht davon, „von sich aus“ andere bzw. zusätzliche Tätigkeiten für ihn zu suchen.

50

bb) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht auf der anderen Seite die Schwere der Pflichtverletzung und den Grad des ihn treffenden Verschuldens zulasten des Klägers berücksichtigt.

51

(1) Die Pflichtverletzung des Klägers war schwerwiegend. Er hat gegen seine Hauptleistungspflicht verstoßen und es der Beklagten unmöglich gemacht, mit der von ihm geschuldeten Arbeitsleistung zu planen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob und ggf. welche Arbeiten aufgrund seiner Abwesenheit nicht erledigt wurden (vgl. dazu BAG 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 43). Ebenso wenig ist es von Belang, dass er mit den Tätigkeiten als „Blueprint-Vorfilterer“ und „TRM-Koordinator“ lediglich für drei bis vier Wochenstunden ausgelastet war. Wollte man dies anders sehen, müssten geringfügig Beschäftigte selbst dann nicht mit einer Kündigung rechnen, wenn sie die Arbeitsleistung noch so beharrlich verweigern sollten.

52

(2) Den Kläger traf ein erhebliches Verschulden. Er war sich des mit seinem Vorgehen verbundenen Risikos nach eigenem Bekunden hinlänglich bewusst. Die Möglichkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung hatte er ausdrücklich ins Kalkül gezogen.

53

cc) Das Landesarbeitsgericht durfte angesichts aller Umstände nicht annehmen, die Interessen des Klägers überwögen, weil der Beklagten eine mildere Reaktionsmöglichkeit zur Verfügung gestanden habe.

54

(1) Es hat gemeint, die Beklagte habe dem Kläger spätestens in dem Personalgespräch am 15. Oktober 2012 eine Verbesserung der von ihm als unerträglich empfundenen Arbeitssituation in Aussicht stellen und ihm so „den Weg zurück (…) ebnen“ müssen. Es könne „nicht von vornherein ausgeschlossen“ werden, „dass (er) ein solches Angebot wahrgenommen hätte“. Es sei ihm „gerade um eine angemessene Beschäftigung“ gegangen. Der Beklagten sei es deshalb zumutbar gewesen, dem Kläger zunächst „ein Entgegenkommen bei der Übernahme weiterer Aufgaben zu zeigen“.

55

(2) Die Annahme, darin habe ein milderes Mittel bestanden, das geeignet gewesen wäre, die Arbeitsverweigerung zu beenden, ist rechtsfehlerhaft. Sie steht im Widerspruch zu der Intention des Klägers, wie sie aus dessen vorangegangenen Bekundungen und - diese bestätigend - seinem Prozessvortrag deutlich geworden ist.

56

(a) Ausweislich seiner E-Mails vom 10., 20. und 28. September 2012 hielt der Kläger es für unzumutbar iSv. § 275 Abs. 3 BGB, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. In Festschreibung dessen, was gemäß § 326 Abs. 2 BGB ohnehin gelte, „bevorzuge“ er eine bezahlte Freistellung bis zum Eintritt in die Regelaltersrente. Er war danach unter keinen Umständen (mehr) bereit, den bestehenden Arbeitsvertrag zu erfüllen. Die Beklagte musste mit Blick auf diese Äußerungen annehmen, dass sie ihn nicht dazu hätte bewegen können, seine ablehnende Haltung aufzugeben, indem sie ihm die Übernahme weiterer, den Vereinbarungen der Parteien entsprechender Aufgaben anböte. Eine „angemessene Beschäftigung“ wäre vielmehr in den Augen des Klägers - so musste es sich ihr darstellen - allenfalls eine solche gewesen, die eine Beförderung in den Bereich der „AT-Angestellten“ bzw. der „Führungskräfte“ bedeutet hätte. Und selbst das musste zweifelhaft erscheinen, nachdem er mit der E-Mail vom 28. September 2012 mitgeteilt hatte, die „innere Kündigung“ sei „perfekt“, für eine „neue Aufgabe oder Funktion habe (er) keine Kraft mehr“, die Beklagte habe „die Zusammenarbeit unmöglich gemacht“ und „ihre Glaubwürdigkeit und ihre Integrität restlos und unwiederbringlich kompromittiert“.

57

(b) Dass er schlechterdings nicht (mehr) bereit war, den bestehenden Arbeitsvertrag zu erfüllen, hat der Kläger durch seinen prozessualen Vortrag untermauert. So hat er im Schriftsatz vom 28. Mai 2013 ausgeführt, es sei „offensichtlich“, dass die „Vertrauensbasis nicht wiederhergestellt“ werden könne und die Prognose für eine erfolgreiche Zusammenarbeit „negativ“ sei. In seinem Schriftsatz vom 10. Juni 2013 hat er die einzigen Wege beschrieben, die er als gangbar ansehe, um den Konflikt der Parteien zu lösen: entweder eine bezahlte Freistellung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze oder die Zahlung einer Abfindung iHv. 1.502.550,00 Euro zzgl. einer Betriebsrente iHv. 600,00 Euro pro Monate. Als „worst case“ komme auch eine Fortführung des Arbeitsverhältnisses in Betracht, allerdings nur bei Gewährung einer Gehaltserhöhung, Zusage von Altersteilzeit und Androhung eines Ordnungsgelds für die Beklagte.

58

d) Gab es demnach kein milderes Mittel, um den Kläger dazu zu bewegen, künftig seinen Arbeitsvertrag zu erfüllen, überwog das Interesse der Beklagten daran, das Arbeitsverhältnis sofort zu beenden. Da der Kläger bei vollem Risikobewusstsein seine Hauptleistungspflicht nachhaltig verletzt und deren weitere Erfüllung abgelehnt hatte, ohne dass die Aussicht bestanden hätte, ihn „zur Umkehr“ bewegen zu können, hat er der Beklagten selbst die befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar gemacht. Nicht anders läge es, wenn er sie - im Sinne des von ihm beschriebenen „worst-case“-Szenarios - dazu hätte „nötigen“ wollen, ihn zu befördern, ihm Altersteilzeit zu bewilligen und ihm eine Betriebsrente in der geforderten Höhe zu zahlen.

59

5. Die Beklagte hat die Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Sie hat die Kündigung damit begründet, der Kläger weigere sich beharrlich, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Damit hat sie einen Dauertatbestand geltend gemacht, der sich fortlaufend neu verwirklichte (vgl. BAG 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 45; 13. Mai 2004 - 2 AZR 36/04 - zu II 1 der Gründe).

60

II. Die Kündigung ist nicht deshalb nach § 134 BGB nichtig, weil sie gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB verstieße. So läge es nur, wenn tragender Beweggrund, dh. wesentliches Motiv für sie eine zulässige Rechtsausübung gewesen wäre (vgl. BAG 20. Dezember 2012 - 2 AZR 867/11 - Rn. 45; 19. April 2012 - 2 AZR 233/11 - Rn. 47). Das wiederum setzte voraus, dass das geltend gemachte Recht tatsächlich existierte (ErfK/Preis 15. Aufl. § 612a BGB Rn. 5; KR/Treber 10. Aufl. § 612a BGB Rn. 6). Dem Kläger stand aber weder ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 275 Abs. 3 BGB noch ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB zu. Er hat kein Recht in zulässiger Weise ausgeübt, sondern beharrlich die von ihm geschuldete Arbeitsleistung verweigert.

61

III. Die Kündigung ist nicht nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam. Der Betriebsrat ist ordnungsgemäß angehört worden. Hierüber besteht zwischen den Parteien kein Streit.

62

D. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Kreft    

        

    Rachor    

        

    Niemann    

        

        

        

    Krichel    

        

    Jan Eulen    

                 

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Der Handlungsgehilfe darf ohne Einwilligung des Prinzipals weder ein Handelsgewerbe betreiben noch in dem Handelszweige des Prinzipals für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte machen.

(2) Die Einwilligung zum Betrieb eines Handelsgewerbes gilt als erteilt, wenn dem Prinzipal bei der Anstellung des Gehilfen bekannt ist, daß er das Gewerbe betreibt, und der Prinzipal die Aufgabe des Betriebs nicht ausdrücklich vereinbart.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 20. März 2013 - 6 Sa 617/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit mehrerer außerordentlicher, hilfsweise ordentlicher Kündigungen.

2

Die Beklagte ist tätig auf dem Gebiet der Bahnelektrifizierung und Bahnstromversorgung. Sie ist Marktführerin in Deutschland und beschäftigt regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer.

3

Der Kläger war bei ihr und ihrer Rechtsvorgängerin seit Oktober 1975, zuletzt als Bereichsleiter Technologie, beschäftigt. Sein Arbeitsort war seit Anfang 2010 O. Der Kläger ist vom Eisenbahn-Bundesamt als Plan- und Abnahmeprüfer auf dem Gebiet der Oberleitungsanlagen mit Rückstromführung und Bahnerdung einschließlich der Statik anerkannt. Er erstellte für die Beklagte Gutachten über elektrische Anlagen. Diese rechnete die Beklagte gegenüber ihren Auftraggebern ab.

4

In einem Rechtsstreit über Vergütungsansprüche des Klägers erklärte dieser vor dem Arbeitsgericht am 3. August 2011 zu Protokoll:

        

„Im Zusammenhang mit dem Reiseantrag für den Zeitraum vom 17. Februar bis 18. Februar 2011 habe ich meinem Vorgesetzten Herrn Dr. Z mitgeteilt, dass ich am 18. Februar 2011 den Dienstwagen zu einem TÜV-Termin nach Ol bringen werde. Er erwiderte daraufhin,
dass er seinen Wagen auch zum TÜV bringen müsse und dies normal sei.“

5

Nach Auffassung der Beklagten war diese Aussage falsch. Die Beklagte sah in dem Verhalten des Klägers den Versuch eines Prozessbetrugs und kündigte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 24. August 2011 außerordentlich und fristlos sowie mit Schreiben vom 5. September 2011 hilfsweise ordentlich zum 31. Dezember 2012. Sie hatte zuvor sowohl ihren sog. Montagebetriebsrat als auch den Betriebsrat in O zu den beabsichtigten Kündigungen angehört.

6

Die außerordentliche Kündigung vom 24. August 2011 ging dem Kläger am 25. August 2011 zu. Mit einem weiteren Schreiben vom 24. August 2011 widerrief die Beklagte die dem Kläger erteilte Prokura und forderte ihn auf, Firmeneigentum herauszugeben. Nach Zugang beider Schreiben bearbeitete der Kläger eine Prüfanfrage der D GmbH (künftig: D) und leitete dieser den Prüfbericht am 29. August 2011 von seiner Privatadresse aus zu. Er hatte den Bericht mit einem Stempel als Gutachter der Beklagten gekennzeichnet. Die damalige Prozessbevollmächtigte des Klägers teilte der Beklagten mit Schreiben vom 19. September 2011 zu diesem Vorgang ua. mit:

        

„Der vorgenannten Schadensminderungspflicht ist unser Mandant nachgekommen, als er der … von Seiten der D GmbH an ihn persönlich gerichtete[n] Anfrage auf Erstellung eines Prüfberichts nachgekommen ist.

        

…       

        

Mit der Bearbeitung dieses Statik-Prüfberichts für die D GmbH ist unser Mandant daher eindeutig nicht für Ihr Unternehmen tätig geworden.

        

…       

        

Selbstverständlich also ist festzuhalten, dass unser Mandant diese Prüftätigkeit selbständig und auf eigene Rechnung vorgenommen hat.“

7

Nach Anhörung des Montagebetriebsrats und des Betriebsrats O kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 27. September 2011 erneut außerordentlich und fristlos sowie mit Schreiben vom 4. Oktober 2011 hilfsweise ordentlich zum 31. Dezember 2012.

8

Ab dem 1. November 2011 war der Kläger auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrags vom 20. September 2011 für die S GmbH (künftig: S) als „Technischer Support/Gutachter im Fernverkehr“ tätig. Er nahm für diese Planprüfungen und damit verbundene Aufgaben wahr und beriet und unterstützte sie bei der Planerstellung. Nach erneuter Anhörung beider Betriebsräte kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 22. November 2011 ein weiteres Mal außerordentlich und fristlos sowie mit Schreiben vom 24. November 2011 ordentlich zum 31. Dezember 2012.

9

Da der Kläger außerdem einen Prüfauftrag der I GmbH (künftig: I) durchgeführt hatte, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien - abermals nach Anhörung beider Betriebsräte - mit Schreiben vom 6. Dezember 2011 außerordentlich und fristlos sowie mit Schreiben vom 12. Dezember 2011 ordentlich zum 31. Dezember 2012. Bei der I handelt es sich um eine Schwestergesellschaft der Beklagten.

10

Gegen sämtliche Kündigungen hat der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben. Er hat gemeint, es fehle an einem Grund sowohl für die außerordentlichen als auch für die hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigungen. Der Versuch eines Prozessbetrugs habe nicht vorgelegen. Bei der Tätigkeit für die D habe er nicht auf eigene Rechnung gearbeitet. Es habe sich daher nicht um eine Konkurrenztätigkeit gehandelt. Die anders lautende Erklärung im Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 19. September 2011 hat der Kläger mit Schriftsatz vom 1. Februar 2012 korrigiert. Er hat vorgetragen, er habe den Auftrag nach Zugang der ersten außerordentlichen Kündigung nur deshalb durchgeführt, weil er sich hierzu gegenüber der D verpflichtet gefühlt habe, insbesondere weil den Auftrag kein anderer Prüfer der Beklagten habe ausführen können. Der Kläger hat weiter vorgebracht, auch mit seiner Tätigkeit für die S sei er nicht in Wettbewerb zu der Beklagten getreten. Zwischen den beiden Unternehmen bestehe keine Konkurrenz im klassischen Sinne. Das Verhältnis zwischen ihnen sei vielmehr in erheblichem Umfang von unternehmerischer Zusammenarbeit geprägt. Die Beklagte selbst habe ihn in Kenntnis seiner Tätigkeit für die S mit Prüfungen beauftragt. Jedenfalls habe er die Interessen der Beklagten durch seine Tätigkeit nicht beeinträchtigt. Außerdem habe es sich, nachdem die Beklagte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis zuvor gekündigt habe, um eine Übergangslösung gehandelt und nicht um eine auf Dauer angelegte Konkurrenztätigkeit. Auch für die I sei er nicht in Konkurrenz zur Beklagten tätig geworden. Die I sei bei dem betreffenden Projekt als Nachunternehmerin der Beklagten beauftragt gewesen. Er habe zudem bei einem Mitarbeiter der Beklagten nachgefragt, ob seine Beauftragung durch die I von der Beklagten freigegeben sei, was dieser bejaht habe. Der Kläger hat hinsichtlich aller außerordentlichen Kündigungen gerügt, die Beklagte habe die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten. Zu der Kündigung vom 22. November 2011 sei überdies der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden.

11

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 24. August 2011, noch durch die außerordentlichen Kündigungen der Beklagten vom 27. September 2011, 22. November 2011 und 6. Dezember 2011, noch durch die ordentlichen Kündigungen der Beklagten vom 5. September 2011, 4. Oktober 2011, 24. November 2011 und 12. Dezember 2011 beendet worden ist.

12

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, die Kündigungen seien jeweils schon als außerordentliche gerechtfertigt. Der Kläger habe für den 18. Februar 2011 Dienstgeschäfte in E vorgetäuscht. Die von ihm in dem Vergütungsrechtsstreit zu Protokoll gegebene Erklärung, er habe seinen Vorgesetzten vorab über seinen Aufenthalt in Ol am 18. Februar 2011 unterrichtet, sei unwahr. Selbst wenn sie wahr wäre, hätte der Kläger sie, die Beklagte, im Zusammenwirken mit seinem Vorgesetzten doch darüber getäuscht, nicht in E, sondern in Ol gewesen zu sein. Mit Blick auf die Erledigung des Auftrags für die D habe sich aufgrund der Angaben im Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 19. September 2011 zumindest im Kündigungszeitpunkt der dringende Verdacht einer Konkurrenztätigkeit ergeben. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei gewahrt. Sie habe erst mit Eingang der Stellungnahme des Klägers zu laufen begonnen. Auch mit der Tätigkeit für die S habe sich der Kläger in unerlaubten Wettbewerb zu ihr begeben. Der Umstand, dass sie und die S Aufträge gelegentlich in Arbeitsgemeinschaften oder im Haupt- und Subunternehmerverhältnis erledigten, beseitige nicht ihrer beider Konkurrenzverhältnis. Die Prüftätigkeit für die I habe ebenso einer ihrer Arbeitnehmer erbringen können. Ihre Geschäftsführung sei erst am 28. November 2011 über den Sachverhalt informiert worden.

13

Das Arbeitsgericht hat die außerordentlichen Kündigungen vom 24. August 2011 und 27. September 2011 als unwirksam angesehen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr auf die Berufung des Klägers insgesamt stattgegeben und die Anschlussberufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt diese ihr Begehren weiter, die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Für die außerordentlichen Kündigungen fehlt es an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB, die hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigungen sind sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 KSchG.

15

I. Die außerordentliche Kündigung vom 24. August 2011 ist nicht gerechtfertigt. In der Protokollerklärung des Klägers in dem vorausgegangenen Rechtsstreit liegt kein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB.

16

1. Bewusst wahrheitswidrige Erklärungen, die ein Arbeitnehmer in einem Rechtsstreit mit seinem Arbeitgeber abgibt, weil er befürchtet, mit wahrheitsgemäßen Angaben den Prozess nicht gewinnen zu können, können geeignet sein, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen (BAG 8. November 2007 - 2 AZR 528/06 - Rn. 17). Dabei kommt es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Einordnung an; ein Arbeitnehmer, der bewusst falsch vorträgt, um sich einen Vorteil im Rechtsstreit mit seinem Arbeitgeber zu verschaffen, verletzt in erheblicher Weise seine nach § 241 Abs. 2 BGB bestehende Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers(vgl. BAG 8. November 2007 - 2 AZR 528/06 - aaO).

17

2. Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht angenommen, es gebe keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, der Kläger habe die fragliche Protokollerklärung in dem Bewusstsein abgegeben, sich durch wahrheitswidrige Angaben einen Vorteil gegenüber der Beklagten im Rechtsstreit über seine Vergütungsansprüche zu verschaffen.

18

a) Es hat dies daraus abgeleitet, dass die Frage, wo der Kläger den Dienstwagen zum TÜV gebracht und seine Arbeitsleistung für die Beklagte erbracht habe, für seinen Vergütungsanspruch ohne Bedeutung gewesen sei. Aus dem weiteren Vorbringen des Klägers in dem Vorprozess ergebe sich, dass auch er selbst diese Frage in keiner Weise für entscheidungserheblich gehalten habe.

19

b) Die Beklagte hat demgegenüber geltend macht, in diesem Fall hätte der Kläger nichts befürchten müssen, wenn er wahrheitsgemäße Angaben gemacht hätte. Ein anderer Grund für seine unzutreffende Erklärung als die Absicht, sich dadurch einen Vorteil zu verschaffen, sei daher nicht ersichtlich. Damit zeigt die Beklagte keinen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts auf. Ein solcher ist auch objektiv nicht ersichtlich. Die Schlussfolgerungen der Beklagten aus dem Prozessverhalten des Klägers sind nicht zwingend. Sie setzen voraus, dass der Kläger bewusst wahrheitswidrige Angaben gemacht hat. Dies ist weder festgestellt noch gibt es dafür objektiv hinreichende Anhaltspunkte. Selbst wenn zugunsten der Beklagten unterstellt wird, die Erklärung des Klägers habe nicht der Wahrheit entsprochen, muss das diesem nicht bewusst gewesen sein. Ebenso gut kann er sich in seiner Erinnerung darüber, ob er seinen Vorgesetzten vorab über den Aufenthalt in Ol am 18. Februar 2011 unterrichtet hatte, getäuscht haben. Die Beklagte trägt die Darlegungslast für den Kündigungsgrund und damit für eine Schädigungsabsicht des Klägers. Dieser ist sie nicht hinreichend nachgekommen. Das Landesarbeitsgericht musste deshalb keinen Beweis darüber erheben, ob die Erklärung des Klägers wahrheitswidrig war.

20

II. Ebenso fehlt es an einem wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung vom 27. September 2011. Die Voraussetzungen für eine Kündigung wegen des Verdachts einer schwerwiegenden Pflichtverletzung liegen nicht vor.

21

1. In einem Rechtsstreit über die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung sind nicht nur die dem Arbeitgeber bei Kündigungsausspruch bekannten Tatsachen von Bedeutung. Es sind auch solche später bekannt gewordenen Umstände zu berücksichtigen, die den ursprünglichen Verdacht abschwächen oder verstärken (BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 25; 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 41). Dies gilt zumindest dann, wenn sie bei Kündigungszugang objektiv bereits vorlagen. Der Arbeitgeber kann verdachtserhärtende Tatsachen in den Prozess einführen, die ihm erst nachträglich bekannt geworden sind, der Arbeitnehmer solche, die den Verdacht entkräften. Bei einer Verdachtskündigung muss der Besonderheit Rechnung getragen werden, dass für sie nicht der volle Nachweis einer Pflichtverletzung verlangt wird. Blieben den Arbeitnehmer entlastende Tatsachen, die erst im Prozess zutage getreten sind, außer Betracht, hätte der Arbeitgeber nur nachzuweisen, dass jedenfalls zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ein dringender Tatverdacht bestand. Das würde der bei der Verdachtskündigung bestehenden Gefahr, einen „Unschuldigen“ zu treffen, nicht gerecht (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 42; 12. Mai 2010 - 2 AZR 587/08 - Rn. 28). Die Berücksichtigung später bekannt gewordener Umstände steht entgegen der Auffassung der Beklagten nicht im Widerspruch zu dem Grundsatz, dass sich die Wirksamkeit einer Kündigung nach den bei ihrem Zugang gegebenen - objektiven - Tatsachen richtet (vgl. dazu BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 52, BAGE 134, 349; 27. Februar 1997 - 2 AZR 160/96 - zu II 2 c der Gründe, BAGE 85, 194). Diese erschöpfen sich auch im Fall der Verdachtskündigung nicht etwa notwendig in den dem Arbeitgeber zu diesem Zeitpunkt bekannten Verdachtsmomenten.

22

2. Selbst Umstände, die auch objektiv erst nachträglich eingetreten sind, können für die gerichtliche Beurteilung der Wirksamkeit einer Kündigung ausnahmsweise von Bedeutung sein, falls sie die Vorgänge, die zur Kündigung geführt haben, in einem neuen Licht erscheinen lassen (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 53, BAGE 134, 349; 15. Dezember 1955 - 2 AZR 228/54 - zu III der Gründe, BAGE 2, 245). Dazu müssen zwischen den neuen Vorgängen und den alten Gründen so enge innere Beziehungen bestehen, dass jene nicht außer Acht gelassen werden können, ohne dass ein einheitlicher Lebensvorgang zerrissen würde (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - aaO mwN). Von Bedeutung kann dies gerade für die Würdigung von verdachtsbegründenden Indiztatsachen sein.

23

3. Danach hat das Landesarbeitsgericht in dem Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 19. September 2011 zu Recht keine hinreichenden Verdachtsmomente dafür gesehen, dass der Kläger einen der Beklagten erteilten Auftrag der D für eigene Rechnung bearbeitet habe.

24

a) Es durfte zum einen berücksichtigen, dass der Kläger die Angaben seiner Prozessbevollmächtigten im Schreiben vom 19. September 2011 nachträglich korrigiert hat. Damit hat er sich von ihnen distanziert. Sie können nicht mehr uneingeschränkt als sein eigenes Eingeständnis gewertet werden und erscheinen dadurch in einem anderen Licht.

25

b) Es durfte zum anderen annehmen, dass weitere Verdachtsmomente gegen den Kläger nicht bestünden. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Beklagte habe bei der D nicht nachgefragt, auf wen die Rechnung für den Auftrag gestellt worden sei. Der Inhalt der Prüfunterlagen spreche dafür, dass der Kläger durch die Verwendung des Stempels der Beklagten deutlich gemacht habe, für diese tätig geworden zu sein. Gegen diese Würdigung bringt die Beklagte keine beachtlichen Einwände vor. Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts sind auch objektiv nicht ersichtlich. Zwar hat es nicht festgestellt, aus welchem Grund es zu den zunächst falschen Angaben der Prozessbevollmächtigten des Klägers gekommen ist. Es hat aber, zumal die Prüfungsunterlagen die Version des Klägers stützten, ersichtlich einen bloßen Abstimmungsfehler für möglich gehalten. Soweit die Beklagte in der Revisionsinstanz geltend gemacht hat, der Kläger habe sehr wohl privat abrechnen wollen und dies nur deshalb nicht getan, weil er über keinen anderen als ihren Stempel verfügt habe, hat sie keine zulässige Verfahrensrüge erhoben. Sie hat nicht dargelegt, dass und an welcher Stelle sie die für diese Annahme sprechenden Umstände in den Vorinstanzen vorgetragen habe. Die Rüge ist zudem unbegründet. Es bliebe auch unter Berücksichtigung dieses Vorbringens dabei, dass es keine hinreichenden Verdachtsmomente dafür gibt, der Kläger sei auf eigene Rechnung tätig geworden.

26

III. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Tätigkeit des Klägers für die S ab dem 1. November 2011 stelle keinen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB für die außerordentliche Kündigung vom 22. November 2011 dar. Dies hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

27

1. Ein Arbeitnehmer, der während des bestehenden Arbeitsverhältnisses Konkurrenztätigkeiten entfaltet, verstößt gegen seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers aus § 241 Abs. 2 BGB. Es handelt sich in der Regel um eine erhebliche Pflichtverletzung. Sie ist „an sich“ geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen (BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 20; 26. Juni 2008 - 2 AZR 190/07 - Rn. 15 mwN).

28

a) Während des rechtlichen Bestehens eines Arbeitsverhältnisses ist einem Arbeitnehmer grundsätzlich jede Konkurrenztätigkeit zum Nachteil seines Arbeitgebers untersagt (BAG 16. Januar 2013 - 10 AZR 560/11 - Rn. 14; 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 22). Die für Handlungsgehilfen geltende Regelung des § 60 Abs. 1 HGB normiert einen allgemeinen Rechtsgedanken. Der Arbeitgeber soll vor Wettbewerbshandlungen seines Arbeitnehmers geschützt werden. Der Arbeitnehmer darf im Marktbereich seines Arbeitgebers Dienste und Leistungen nicht Dritten anbieten. Dem Arbeitgeber soll dieser Bereich uneingeschränkt und ohne die Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung durch den Arbeitnehmer offenstehen (BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - aaO; 21. November 1996 - 2 AZR 852/95 - zu II 1 a der Gründe). Dem Arbeitnehmer ist aufgrund des Wettbewerbsverbots nicht nur eine Konkurrenztätigkeit im eigenen Namen und Interesse untersagt. Ihm ist ebenso wenig gestattet, einen Wettbewerber des Arbeitgebers zu unterstützen (BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - aaO; 21. November 1996 - 2 AZR 852/95 - aaO). Allerdings darf er, wenn ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nach § 74 HGB nicht vereinbart ist, schon vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses für die Zeit nach seinem Ausscheiden die Gründung eines eigenen Unternehmens oder den Wechsel zu einem Konkurrenzunternehmen vorbereiten(vgl. BAG 26. Juni 2008 - 2 AZR 190/07 - Rn. 15). Verboten ist lediglich die Aufnahme einer werbenden Tätigkeit, etwa durch Vermittlung von Konkurrenzgeschäften oder aktives Abwerben von Kunden. Bloße Vorbereitungshandlungen erfüllen diese Voraussetzungen regelmäßig nicht (BAG 26. Juni 2008 - 2 AZR 190/07 - aaO).

29

b) Das vertragliche Wettbewerbsverbot gilt während der gesamten rechtlichen Dauer des Arbeitsverhältnisses. Ein Arbeitnehmer darf deshalb grundsätzlich auch nach Zugang einer von ihm gerichtlich angegriffenen fristlosen Kündigung des Arbeitgebers keine Konkurrenztätigkeit ausgeübt haben, falls sich die Kündigung später als unwirksam herausstellt. Er ist in der Regel auch während des - für ihn erfolgreichen - Kündigungsschutzprozesses an das vertragliche Wettbewerbsverbot gebunden (BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 23; 25. April 1991 - 2 AZR 624/90 - zu B III 3 a der Gründe). Dies gilt unabhängig davon, ob eine Karenzentschädigung angeboten oder er vorläufig weiterbeschäftigt wird (BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - aaO). Seine Obliegenheit aus § 615 Satz 2 BGB, nicht böswillig anderweitigen Erwerb zu unterlassen, rechtfertigt es nicht, eine Konkurrenztätigkeit im Geschäftsbereich des Arbeitgebers aufzunehmen(BAG 25. April 1991 - 2 AZR 624/90 - zu B III 3 a bb der Gründe).

30

2. Bei der Prüfung, ob ein Verstoß gegen das vertragliche Wettbewerbsverbot nach Zugang einer - gerichtlich angegriffenen - außerordentlichen Kündigung die weitere Kündigung des Arbeitsverhältnisses - falls es auf sie noch ankommt - rechtfertigen kann, ist im Rahmen der erforderlichen Interessenabwägung (vgl. auch dazu BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 26; 25. April 1991 - 2 AZR 624/90 - zu B III 3 b der Gründe) zu berücksichtigen, dass sich in einer solchen Konstellation beide Parteien objektiv vertragswidrig verhalten.

31

a) Eine Fallgestaltung wie die vorliegende ist durch ein in sich widersprüchliches Verhalten beider Vertragsparteien gekennzeichnet. Der Arbeitgeber beruft sich vorrangig auf die Wirksamkeit einer schon zuvor erklärten Kündigung, erwartet aber vom Arbeitnehmer ein Verhalten, das dieser nur bei Unwirksamkeit der Kündigung schuldet. Hätte im Übrigen der Arbeitgeber - entsprechend der objektiven Rechtslage - keine Kündigung erklärt, hätte aller Voraussicht nach der Arbeitnehmer keinen Anlass für die Aufnahme einer Konkurrenztätigkeit gehabt. Der Arbeitnehmer wiederum erstrebt die Feststellung einer Unwirksamkeit der früheren Kündigung, verstößt aber mit der Aufnahme von Konkurrenztätigkeiten gegen gerade dann bestehende Unterlassungspflichten.

32

b) Auf diese Besonderheiten ist bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses trotz der Konkurrenztätigkeit des Arbeitnehmers zumutbar ist, Bedacht zu nehmen. Es spricht dabei zugunsten des Arbeitnehmers, wenn die Wettbewerbstätigkeit erst durch die frühere - unwirksame - Kündigung ausgelöst worden ist (vgl. für einen Handelsvertreter BGH 28. April 1960 - VII ZR 218/59 - zu 6 der Gründe). Dann rechtfertigt die objektiv gegebene Pflichtverletzung des Arbeitnehmers für die Zeit nach Prozessende in der Regel keine negative Verhaltensprognose. Auch ist zu berücksichtigen, ob der Wettbewerb auf eine dauerhafte Konkurrenz zum bisherigen Arbeitgeber angelegt ist oder zunächst nur eine Übergangslösung für den Schwebezustand bis zur Klärung der Rechtslage darstellt (BAG 25. April 1991 - 2 AZR 624/90 - zu B III 3 b bb der Gründe). Von Bedeutung ist ferner, ob dem Arbeitgeber aufgrund der Art und der Auswirkungen der Konkurrenztätigkeit unmittelbar ein Schaden zugefügt wird oder nur eine abstrakte Gefährdung von dessen geschäftlichen Interessen vorliegt (vgl. BAG 25. April 1991 - 2 AZR 624/90 - aaO).

33

3. Zu Recht hat danach das Landesarbeitsgericht den Interessen des Klägers an einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses den Vorrang gegenüber den Interessen der Beklagten an dessen Beendigung eingeräumt.

34

a) Der Kläger hat den Arbeitsvertrag mit der S erst geschlossen und die Tätigkeit für sie erst aufgenommen, nachdem die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien zuvor fristlos gekündigt hatte. Da keine Anhaltspunkte für das Gegenteil vorliegen, lässt dies nur den Schluss zu, dass seine Wettbewerbstätigkeit durch die Kündigung ausgelöst worden ist. Das spricht zudem dafür, dass der Kläger sie lediglich als Ersatz für seine bisherige Tätigkeit aufgenommen hat. Es sind keine Umstände festgestellt oder objektiv erkennbar, die die Annahme rechtfertigten, er hätte es auf eine dauerhafte Konkurrenz zur Beklagten angelegt. Der Kläger hat nicht etwa ein eigenes Unternehmen in Konkurrenz zur Beklagten aufgebaut. Aus dem neu eingegangenen Arbeitsverhältnis konnte er sich für den Fall, dass er mit der Kündigungsschutzklage gegen die Beklagte obsiegen würde, jederzeit - etwa durch Kündigung - wieder lösen.

35

b) Das Landesarbeitsgericht durfte zugunsten des Klägers berücksichtigen, dass er durch seine Tätigkeit für die S der Beklagten keinen unmittelbaren Schaden zugefügt hat. Soweit die S für die Beklagte tätig geworden ist, hat er dieser sogar die zeitgerechte Auftragserfüllung gesichert. Die Beklagte weist zwar zutreffend darauf hin, dass ein Wettbewerbsverstoß auch ohne eine konkrete Schädigung vorliegen kann. Darum geht es jedoch nicht. Es geht darum, ob dieser Verstoß eine außerordentliche Kündigung rechtfertigt.

36

c) Entgegen der Auffassung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht nicht angenommen, möglicher Gewinn sei im gegebenen Zusammenhang schlechthin kein schützenswertes Interesse. Es hat lediglich gewürdigt, dass der Beklagten ein Gewinn aus den Prüfarbeiten des Klägers nicht deshalb entgangen ist, weil dieser für die S tätig war. Dies sei vielmehr die Folge davon gewesen, dass sie das Arbeitsverhältnis der Parteien zuvor fristlos gekündigt habe, ohne einen Ersatz für den Kläger einzustellen. Das Landesarbeitsgericht hat damit zu Recht eine Kausalität zwischen der Konkurrenztätigkeit des Klägers und einem Gewinnausfall der Beklagten verneint. Auch wenn der Kläger nicht für die S gearbeitet hätte, hätte die Beklagte die von ihm erbrachte Tätigkeit nicht selbst und mit eigenen Arbeitnehmern durchführen können.

37

d) Die von der Beklagten vermissten weiteren Gesichtspunkte hat das Landesarbeitsgericht bei der Interessenabwägung nicht unberücksichtigt gelassen. Es hat ihnen nur kein zugunsten der Beklagten ausschlaggebendes Gewicht beigemessen.

38

aa) Die mit der Tätigkeit des Klägers verbundene Möglichkeit einer Gewinnerhöhung bei der S hat das Landesarbeitsgericht - wie seine Ausführungen zum Fehlen einer unmittelbaren Schädigung der Beklagten erkennen lassen - zutreffend nicht als einen erschwerenden Umstand erachtet. Ein möglicher wirtschaftlicher Vorteil für das konkurrierende Unternehmen ist einer Konkurrenztätigkeit immanent.

39

bb) Das Landesarbeitsgericht hat auch den Grad des Schuldvorwurfs nicht unberücksichtigt gelassen. Es hat vielmehr auf die Besonderheiten einer Konkurrenztätigkeit nach fristloser Kündigung abgestellt. Danach ist dem Arbeitnehmer zwar kein Wettbewerb zu seinem bisherigen Arbeitgeber gestattet, wenn das Arbeitsverhältnis - objektiv - fortbesteht. Die Situation lässt eine gleichwohl aufgenommene Konkurrenztätigkeit aber in der Regel in einem milderen Licht erscheinen. Durch die fristlose Kündigung hatte der Arbeitgeber zu verstehen gegeben, sich seinerseits an vertragliche Pflichten nicht mehr gebunden zu fühlen.

40

cc) Auf der Basis der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger in vollem Bewusstsein der Tatsache gehandelt hätte, die Beklagte werde seine Konkurrenztätigkeit nicht akzeptieren. Die Beklagte macht zwar geltend, der Kläger habe dies daran erkennen müssen, dass sie schon auf seine Konkurrenztätigkeit für die D mit einer außerordentlichen Kündigung reagiert habe. Aus dem vom Landesarbeitsgericht in Bezug genommenen Kündigungsschreiben vom 27. September 2011 ergibt sich ein solcher Kündigungsgrund aber nicht. Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass und ggf. welche sonstigen Umstände die Annahme rechtfertigen sollten, der Kläger habe im Bewusstsein dessen gehandelt, sie werde seine Tätigkeit für die S keinesfalls akzeptieren. Es kann daher dahinstehen, ob dies anderenfalls zu ihren Gunsten zu werten wäre. Dagegen spricht, dass es nicht auf die subjektive Bereitschaft zur Akzeptanz auf Seiten des Arbeitgebers, sondern darauf ankommt, was diesem objektiv zuzumuten ist (vgl. BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 47, BAGE 134, 349).

41

dd) Das Landesarbeitsgericht hat auch berücksichtigt, dass der Kläger nicht nur punktuell, sondern im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses, dh. kontinuierlich für die S tätig geworden ist. Es hat diesen Umstand erkennbar deshalb nicht als erschwerend angesehen, weil damit keine unmittelbare Schädigung der Beklagten einhergegangen sei. Diese habe nicht vorgetragen, dass ihre eigenen Arbeitnehmer, die solche Prüftätigkeiten hätten ausführen können, nicht ausgelastet gewesen seien. Sie habe vielmehr nicht über ausreichende eigene Kapazitäten verfügt, um eine zeitnahe Prüfung sicherzustellen. Diese Würdigung lässt Rechtsfehler nicht erkennen.

42

IV. Die außerordentliche Kündigung vom 6. Dezember 2011 ist mangels wichtigen Grundes ebenfalls unwirksam. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

43

1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, auch die auf wettbewerbswidriges Verhalten des Klägers gestützte Kündigung vom 6. Dezember 2011 sei nach § 626 Abs. 1 BGB nicht gerechtfertigt. Bei der I handele es sich um ein Schwesterunternehmen der Beklagten, das für diese bei dem fraglichen Auftrag als Nachunternehmerin tätig geworden sei. Eine Verletzung der Interessen der Beklagten sei nicht ersichtlich.

44

2. Die Sachrügen, die die Beklagte gegen diese Würdigung vorbringt, entsprechen denen, die sie gegen die Auffassung des Landesarbeitsgerichts von der Unwirksamkeit der Kündigung vom 22. November 2011 erhoben hat. Sie greifen aus den dargelegten Gründen nicht durch. Hinzu kommt, dass sich die Tätigkeit des Klägers für die I in der Ausführung eines einzelnen Prüfauftrags erschöpfte, für den die I Nachunternehmerin der Beklagten war. Eine fortdauernde Tätigkeit lag nicht vor. Die Verfahrensrüge der Beklagten, das Landesarbeitsgericht habe nicht in Erwägung gezogen, dass sie vorgetragen habe, einer ihrer Arbeitnehmer habe den Auftrag erledigen können, ist unzulässig. Aus dem Tatbestand der angefochtenen Entscheidung ergibt sich lediglich, dass die Beklagte dies erstinstanzlich behauptet hat, nicht aber, was sie dazu im Einzelnen vorgebracht, ob sie für ihr Vorbringen Beweis angetreten und ob sie Vortrag und ggf. Beweisantritt im Berufungsverfahren aufrechterhalten hat. Es ist deshalb nicht ausgeschlossen, dass im Berufungsverfahren unstreitig wurde, die Beklagte sei an der Durchführung des Auftrags schon aus rechtlichen Gründen gehindert gewesen.

45

V. Gegen die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigungen seien „aus den gleichen Gründen“ nicht sozial gerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 KSchG, erhebt die Beklagte keine gesonderten Rügen. Ein Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts ist auch objektiv nicht ersichtlich.

46

1. Das Landesarbeitsgericht hat offenbar angenommen, die ordentlichen Kündigungen seien aus eben den Gründen sozial ungerechtfertigt, aus denen die außerordentlichen Kündigungen unwirksam seien. Bei deren Prüfung hat es die Folgen der (teilweise unterstellten) Pflichtverletzungen und den Grad des Verschuldens des Klägers als nicht so schwerwiegend angesehen, dass der Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar gewesen sei.

47

2. Wenn das Landesarbeitsgericht auf diese Gründe mit Blick auf die ordentlichen Kündigungen Bezug nimmt, bedeutet das, dass es zu dem Ergebnis gelangt ist, der Beklagten sei eine Fortführung des Arbeitsverhältnisses auch über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus zuzumuten. Dies lässt Rechtsfehler nicht erkennen.

48

VI. Die Kosten ihrer erfolglosen Revision hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Beklagte zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Niemann    

        

    Rachor    

        

        

        

    Frey     

        

    Torsten Falke    

                 

(1) Der Handlungsgehilfe darf ohne Einwilligung des Prinzipals weder ein Handelsgewerbe betreiben noch in dem Handelszweige des Prinzipals für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte machen.

(2) Die Einwilligung zum Betrieb eines Handelsgewerbes gilt als erteilt, wenn dem Prinzipal bei der Anstellung des Gehilfen bekannt ist, daß er das Gewerbe betreibt, und der Prinzipal die Aufgabe des Betriebs nicht ausdrücklich vereinbart.

(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.

(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.

(3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.

(4) Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 28. Mai 2014 - 10 Sa 770/13 - im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, wie es der Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 19. Juni 2013 - 19 Ca 13099/12 - stattgegeben hat.

2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts München wird insgesamt zurückgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

2

Der Kläger wurde 1961 geboren, ist verheiratet und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Er war seit 1989 - zunächst als Systemanalytiker und zuletzt als IT-Spezialist - bei der Beklagten beschäftigt. Die vereinbarte Wochenarbeitszeit belief sich auf 35 Stunden. Sein Arbeitsverhältnis war nach § 8 Ziff. 2 Abs. 3 Satz 1 des Manteltarifvertrags für die Arbeitnehmer der bayerischen Metall- und Elektroindustrie (MTV) vom 23. Juni 2008 verhaltensbedingt nur noch aus wichtigem Grund kündbar.

3

Zwischen den Parteien kam es mehrfach zu Unstimmigkeiten über die dem Kläger zugeteilten Aufgaben und sein berufliches Fortkommen. Mit E-Mail vom 30. März 2009 forderte dieser die Beklagte auf, ihn vertragsgemäß zu beschäftigen und sein „Aschenputtel-Dasein“ zu beenden. Die Beklagte übe „Psychoterror“ aus. Sie versuche, ihn zu zermürben und zu demütigen, was bei ihm zu einer seelischen Erkrankung geführt habe. Gleichzeitig kündigte er an, ggf. von einem Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 BGB Gebrauch machen zu wollen. Nach mehreren Gesprächen wurde ihm für die Zeit ab Oktober 2009 einvernehmlich die Tätigkeit eines IT-Chefarchitekten und die Leitung eines Projekts übertragen.

4

Das dem Kläger anvertraute Projekt endete spätestens im September 2011. Im Mai 2011 wurde ihm die Aufgabe eines sog. Blueprint-Vorfilterers und im Februar 2012 diejenige eines „TRM-Koordinators“ jeweils mit seinem Einverständnis übertragen. Nachdem die Einarbeitung abgeschlossen war, lasteten diese Tätigkeiten ihn für drei bis vier Stunden pro Woche aus. Das ihm im Juni 2012 unterbreitete Angebot, zusätzlich im Projekt „SharePoint“ tätig zu werden, lehnte er ab.

5

Mit E-Mail vom 10. September 2012 richtete der Kläger eine Petition an die Personalleitung der Beklagten. In der beigefügten PowerPoint-Präsentation führte er aus, dass seit 1996 eine „massive Entwicklungsblockade“ gegen ihn verhängt worden sei. Trotz seiner „ständig sehr guten Ergebnisse“ und der „mustergültigen Einhaltung aller geltenden Regeln“ sei er nicht befördert worden. Dieses „unternehmensbedingte, großangelegte Mobbing“ habe bei ihm zu „totaler Frustration“ geführt. Seine Arbeitsmoral liege „brach“, die „innere Kündigung (sei) perfekt“. Die Beklagte habe ihn „krank gemacht“, für eine „neue Aufgabe oder Funktion habe (er) keine Kraft mehr“. Er sei „körperlich erschöpft, sowie seelisch und geistig ausgebrannt“. Die Beklagte habe sein „Potenzial definitiv und unwiederbringlich kaputt gemacht“. Man befinde sich in einem Dilemma wie in einer „schlechten Ehe“ und solle sich „lieber heute als morgen voneinander trennen“. Die von ihm „bevorzugte Lösung“ sei deshalb eine „bezahlte Freistellung mit garantiertem Bestandsschutz bis zum Eintritt in die gesetzliche Rente bzw. die Freizeitphase der Altersteilzeit“. In einer weiteren E-Mail vom 20. September 2012 teilte der Kläger der Beklagten mit, ihm sei es nicht mehr möglich und zumutbar, seine Arbeitsleistung zu erbringen. Ab dem 1. Oktober 2012 werde er von einem Leistungsverweigerungsrecht nach § 275 Abs. 2 und Abs. 3 BGB Gebrauch machen.

6

Die Beklagte wies die Vorwürfe mit Schreiben vom 28. September 2012 zurück und ließ den Kläger wissen, dass sie es als schwerwiegende Verletzung seiner Hauptleistungspflicht betrachten und ggf. arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zu einer Kündigung ziehen werde, wenn er der Arbeit fernbleiben sollte. Zugleich lud sie ihn für den 1. Oktober 2012 zu einem Personalgespräch ein. Der Kläger erwiderte mit E-Mail vom gleichen Tag, er sei „sprachlos“ aufgrund der „inhaltslosen Aussagen“ und „billigen Drohungen“. Die Beklagte habe „die Zusammenarbeit unmöglich gemacht“ und „ihre Glaubwürdigkeit und ihre Integrität restlos und unwiederbringlich kompromittiert“.

7

Der Kläger erschien - wie angekündigt - ab dem 1. Oktober 2012 nicht mehr zur Arbeit. In der Folge entspann sich zwischen den Parteien ein nicht geringer Schrift- und E-Mail-Wechsel, in dessen Zuge die Beklagte den Kläger zweimal wegen Arbeitsverweigerung abmahnte und ihn noch weitere drei Mal vergeblich zu einem Personalgespräch einlud. Im fünften Anlauf kam für den 15. Oktober 2012 ein solches Gespräch zustande, in dem die Parteien keine Einigung erzielen konnten. Mit Schreiben vom 17. Oktober 2012 erteilte die Beklagte dem Kläger eine „letztmalige Abmahnung“. Nachdem auch diese fruchtlos geblieben war, kündigte sie dessen Arbeitsverhältnis - nach Anhörung des Betriebsrats - mit Schreiben vom 26. Oktober 2012 außerordentlich fristlos, hilfsweise außerordentlich mit Auslauffrist zum 31. Mai 2013.

8

Hiergegen hat der Kläger sich rechtzeitig mit der vorliegenden Klage gewandt. Er hat gemeint, er habe seine Arbeitspflicht nicht verletzt, weil er wirksam ein Leistungsverweigerungsrecht geltend gemacht habe. Angesichts der gegen ihn verhängten „Entwicklungsblockade“ und des fortwährenden „Mobbing“ sei es ihm unzumutbar, weiterhin seine Arbeitsleistung zu erbringen. Die Kündigung stelle sich als Maßregelung dar.

9

Der Kläger hat - soweit noch von Interesse - beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche fristlose Kündigung vom 26. Oktober 2012 noch durch die außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist vom 26. Oktober 2012 aufgelöst worden ist.

10

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, der Kläger habe seine Arbeitspflicht beharrlich verletzt. Er sei nicht berechtigt gewesen, die Leistung zu verweigern. Die von ihm - ohnehin unsubstantiiert - erhobenen Vorwürfe seien unzutreffend. Der Kläger habe sich auch nicht in einem entschuldbaren Rechtsirrtum befunden. Vielmehr sei er sich des mit seinem Vorgehen verbundenen Risikos bewusst gewesen.

11

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte das Ziel, das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist zulässig und begründet.

13

A. Der Senat kann über die Revision entscheiden. Es kommt nicht darauf an, ob der Rechtsstreit deshalb nach § 244 Abs. 1 ZPO unterbrochen gewesen ist, weil der ursprüngliche Prozessbevollmächtigte des Klägers im Laufe des Revisionsverfahrens die Zulassung zur Anwaltschaft und damit gemäß § 11 Abs. 4 ArbGG die Fähigkeit verloren hat, die Vertretung seiner Partei fortzuführen(gegen eine Unterbrechung bei Bestellung eines Abwicklers BFH 10. Februar 1982 - I R 225/78 - BFHE 135, 445; für eine Unterbrechung trotz Bestellung eines Abwicklers OLG Köln 3. Juni 1993 - 12 W 19/93 - zu I der Gründe; Stein/Jonas/Roth ZPO 22. Aufl. § 244 Rn. 9). Eine mögliche Unterbrechung ist jedenfalls dadurch beendet worden, dass der Abwickler der Kanzlei des früheren Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 30. April 2015 seine Bestellung gegenüber dem Bundesarbeitsgericht angezeigt hat und die Anzeige der Beklagten zugestellt worden ist (§ 244 Abs. 1, § 250 ZPO). Bei einem amtlich bestellten Abwickler handelt es sich um einen „bestellten neuen Anwalt“ iSv. § 244 Abs. 1 ZPO(BAG 13. Mai 1997 - 3 AZR 66/96 - zu A der Gründe).

14

B. Die Revision ist zulässig. Entgegen der Ansicht des Klägers ist sie ordnungsgemäß begründet worden.

15

I. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung die Angabe der Revisionsgründe. Bei einer Sachrüge muss der vermeintliche Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufgezeigt werden, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Dazu muss die Revisionsbegründung eine Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Urteils enthalten. Das erfordert die genaue Darlegung der Gesichtspunkte, aus denen das angefochtene Urteil rechtsfehlerhaft sein soll (vgl. BAG 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 16).

16

II. Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung gerecht. Die Beklagte wendet sich gegen die Annahme des Landesarbeitsgerichts, unter Abwägung der beiderseitigen Interessen sei es ihr zumutbar, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Sie legt dar, welche von ihm festgestellten Umstände es außer Acht gelassen habe und wie daraus ein anderes Ergebnis folge. Diese Sachrüge wäre im Fall ihrer Begründetheit geeignet, das Berufungsurteil - soweit es durch die Beklagte angefochten wird - zu Fall zu bringen. Das reicht als Revisionsangriff aus. Darauf, ob die Beklagte die von ihr zudem erhobenen Verfahrensrügen ausreichend begründet hat, kommt es für die Zulässigkeit der Revision deshalb nicht an.

17

C. Die Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage zu Unrecht stattgegeben. Sie ist unbegründet. Die außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten vom 26. Oktober 2012 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit ihrem Zugang aufgelöst. Sie ist wirksam.

18

I. Es besteht ein wichtiger Grund iSv. § 626 BGB iVm. § 8 Ziff. 2 Abs. 3 Satz 1 MTV.

19

1. Nach § 8 Ziff. 2 Abs. 3 Satz 1 MTV können die Arbeitsverhältnisse von Arbeitnehmern, die - wie der Kläger - das 50. Lebensjahr vollendet und dem Betrieb oder Unternehmen mindestens 15 Jahre angehört haben, verhaltensbedingt nur noch aus wichtigem Grund gekündigt werden. Mit dem Begriff des „wichtigen Grundes“ knüpft der MTV an die gesetzliche Regelung des § 626 Abs. 1 BGB an(für insoweit vergleichbare Tarifverträge BAG 28. Oktober 2010 - 2 AZR 688/09 - Rn. 31; 12. Januar 2006 - 2 AZR 242/05 - Rn. 24).

20

2. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der - ggf. fiktiven - Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei ist zunächst zu untersuchen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“ und damit typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht (BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 19, BAGE 149, 355; 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 19). Bei der Interessenabwägung ist die ordentliche Unkündbarkeit seines Arbeitsverhältnisses - hier: nach § 8 Ziff. 2 Abs. 3 Satz 1 MTV - nicht gesondert zugunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen (vgl. BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 48 mwN, BAGE 137, 54).

21

3. Der Kläger hat einen „an sich“ wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB herbeigeführt, indem er die von ihm geschuldete Arbeitsleistung beharrlich verweigerte.

22

a) Die beharrliche Weigerung eines Arbeitnehmers, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, ist „an sich“ geeignet, eine außerordentliche fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Ein Arbeitnehmer verweigert die ihm angewiesene Arbeit beharrlich, wenn er sie bewusst und nachdrücklich nicht leisten will. Ob er zur Arbeitsleistung verpflichtet war, entscheidet sich nach der objektiven Rechtslage. Verweigert der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung in der Annahme, er handele rechtmäßig, hat grundsätzlich er selbst das Risiko zu tragen, dass sich seine Rechtsauffassung als unzutreffend erweist (BAG 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 29, 32).

23

b) Der kündigende Arbeitgeber ist darlegungs- und beweispflichtig für alle Umstände, die einen wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB begründen sollen. Ihn trifft die Darlegungs- und Beweislast auch für diejenigen Tatsachen, die einen vom Gekündigten behaupteten Rechtfertigungsgrund ausschließen. Allerdings hat hierzu der Arbeitnehmer seinerseits nach § 138 Abs. 2 ZPO substantiiert vorzutragen; er muss darlegen, warum sein Fehlen als „entschuldigt“ anzusehen sei. Nur die im Rahmen der insofern abgestuften Darlegungs- und Beweislast vom Arbeitnehmer behaupteten Tatsachen hat der Arbeitgeber zu widerlegen (vgl. BAG 17. Juni 2003 - 2 AZR 123/02 - zu II 2 b aa der Gründe; 21. Mai 1992 - 2 AZR 10/92 - zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 70, 262).

24

c) Der Kläger verweigerte seit dem 1. Oktober 2012 die von ihm geschuldete Arbeitsleistung. Er war grundsätzlich verpflichtet, die ihm mit seinem Einverständnis übertragenen Tätigkeiten eines „Blueprint-Vorfilterers“ und eines „TRM-Koordinators“ auszuführen.

25

d) Der Kläger war nicht berechtigt, die Arbeitsleistung zu verweigern, weil es ihm gemäß § 275 Abs. 3 BGB unzumutbar gewesen wäre, sie zu erbringen.

26

aa) Nach § 275 Abs. 3 BGB kann der Schuldner die Leistung verweigern, wenn er sie persönlich zu erbringen hat und sie ihm unter Abwägung des ihr entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers nicht zugemutet werden kann. Die Vorschrift betrifft das Spannungsverhältnis von Vertragstreue und Unzumutbarkeit der Arbeitsleistung (BAG 13. August 2010 - 1 AZR 173/09 - Rn. 12, BAGE 135, 203). Sie löst es (nur) dann zugunsten des Schuldners auf, wenn für diesen die Leistungserbringung in hohem Maße belastend ist (MüKoBGB/Ernst 6. Aufl. § 275 Rn. 116), weil ein Fall besonderer Leistungserschwerung vorliegt (Alpmann in jurisPK-BGB 7. Aufl. § 275 Rn. 70). Dem Schuldner kann die Erfüllung der von ihm persönlich zu erbringenden Leistung unzumutbar sein, wenn er dadurch Gefahr läuft, in bedeutsamen Rechtsgütern verletzt zu werden (vgl. Staudinger/Caspers (2014) § 275 Rn. 112: Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit). Im Falle einer zur Arbeitsunfähigkeit führenden Erkrankung des Arbeitnehmers selbst - nicht eines seiner nahen Angehörigen - ist umstritten, ob die Leistungsbefreiung automatisch gemäß § 275 Abs. 1 BGB eintritt oder der Betreffende erst von einem Leistungsverweigerungsrecht nach § 275 Abs. 3 BGB Gebrauch machen muss(zum Streitstand siehe Alpmann in jurisPK-BGB 7. Aufl. § 275 Rn. 71; MüKoBGB/Ernst 6. Aufl. § 275 Rn. 118).

27

bb) Dem Kläger war es nicht unzumutbar, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen.

28

(1) Er beruft sich nicht etwa darauf, dass er bereits arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei. Eine entsprechende ärztliche Bescheinigung gemäß § 5 EFZG hat er nicht vorgelegt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass eine Arbeitsunfähigkeit zumindest zu erwarten gewesen wäre, wenn er seine Tätigkeit fortgesetzt hätte. Zwar hat der Kläger behauptet, an einer psychischen Erkrankung zu leiden. Jedoch hat er diese nur schlagwortartig umschrieben. Es fehlt an Vortrag zu den Symptomen und dazu, wie sich die Krankheit - die ihm offenbar seit Jahren bekannt ist - in der jüngeren Vergangenheit entwickelt hat, welche konkreten Auswirkungen die Situation am Arbeitsplatz hatte und warum es ihm deshalb nicht mehr zugemutet werden konnte, die Arbeitsleistung fortzusetzen.

29

(2) Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass es dem Kläger nicht aufgrund von - drohenden - Persönlichkeitsrechtsverletzungen unzumutbar gewesen sei, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen (zur eingeschränkten Überprüfbarkeit der tatrichterlichen Würdigung vgl. BAG 28. Oktober 2010 - 8 AZR 546/09 - Rn. 20; 24. April 2008 - 8 AZR 347/07 - Rn. 36).

30

(a) Nicht jedes den Arbeitnehmer belastende Verhalten des Arbeitgebers oder eines seiner Repräsentanten (§ 278 BGB) stellt einen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers oder eine Verletzung vertraglicher Pflichten zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) dar. Persönlichkeitsrechte werden nicht allein dadurch verletzt, dass im Arbeitsleben übliche Konflikte auftreten, die sich durchaus über einen längeren Zeitraum erstrecken können. Sozial- und rechtsadäquates Verhalten muss aufgrund der gebotenen objektiven Betrachtungsweise - dh. ohne Rücksicht auf das subjektive Empfinden des betroffenen Arbeitnehmers - von der rechtlichen Bewertung ausgenommen werden. Mangels entsprechender Systematik und Zielrichtung werden keine Rechte des Arbeitnehmers beeinträchtigt, wenn er von verschiedenen Vorgesetzten, die nicht zusammenwirken und die zeitlich aufeinanderfolgen, in seiner Arbeitsleistung kritisiert oder schlecht beurteilt wird. Dies gilt insbesondere dann, wenn seine Arbeitsleistung nicht nur beanstandet oder ignoriert, sondern auch positiv gewürdigt wird. Ebenso müssen Verhaltensweisen von Arbeitgebern oder Vorgesetzten unberücksichtigt bleiben, die lediglich eine Reaktion auf Provokationen durch den vermeintlich „gemobbten“ Arbeitnehmer darstellen. Insoweit fehlt es an der eindeutigen Täter-Opfer-Konstellation (BAG 16. Mai 2007 - 8 AZR 709/06 - Rn. 86, BAGE 122, 304).

31

(b) Zur Begründung des Vorwurfs, er sei systematisch in seiner beruflichen Entwicklung „blockiert“ worden, beruft der Kläger sich darauf, dass ihm Zwischenzeugnisse mit unrichtigem Inhalt erteilt, ein Telearbeitsplatz verweigert, Leistungspunkte gestrichen, keine herausfordernden Aufgaben übertragen und eine Fortbildung und Beförderung verwehrt worden seien. Weitere Verhaltensweisen der Beklagten hat er nicht konkret dargetan; es ersetzt keinen substantiierten Sachvortrag, Vorschriften zu benennen, gegen die sie verstoßen haben soll.

32

(c) Mit dem Landesarbeitsgericht lassen die vom Kläger geschilderten Verhaltensweisen weder einzeln für sich noch in ihrer Gesamtschau den Schluss auf eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts zu. Zwischen den Parteien bestanden lediglich Konflikte wie sie im Arbeitsleben üblich sind. Sie ergaben sich aus unterschiedlichen Auffassungen über die Qualität der Arbeitsleistung und -ergebnisse des Klägers. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte oder einer ihrer Repräsentanten (§ 278 BGB) auch nur in einem Einzelfall die Ebene der Sachlichkeit verlassen hätte. Im Übrigen würde selbst dies nicht ausreichen, um eine Rechtsverletzung anzunehmen (vgl. BAG 16. Mai 2007 - 8 AZR 709/06 - Rn. 76, BAGE 122, 304).

33

(aa) Der Kläger mag es als erniedrigend empfunden haben, dass ehemalige Kollegen zu seinen Vorgesetzten wurden. In diesem Empfinden mag er dadurch bestärkt worden sein, dass seine Arbeitsleistung schlechter beurteilt wurde, als er es für gerechtfertigt hielt. Er hatte jedoch keinen Rechtsanspruch darauf, gleichfalls befördert zu werden (vgl. zur „Fürsorgepflicht“ des Arbeitgebers BAG 23. September 1992 - 5 AZR 526/91 - zu II 6 der Gründe). Die Beklagte hat substantiiert dargetan, dass sie ihn nicht als „Führungskraft“ sehe, weil er aus ihrer Sicht nicht über ausreichende Gestaltungsfähigkeiten bei komplexen, noch unklaren Sachverhalten und nicht über das erforderliche Team- und Kommunikationsverhalten verfüge.

34

(bb) Es ist nicht ersichtlich, dass gegen den Kläger eine „Entwicklungsblockade“ verhängt worden wäre. Ihm sind Angebote zur Fort- und Weiterbildung unterbreitet worden. Diese hat er entweder nicht angenommen oder er hat die begonnenen Schulungen - etwa das sog. Gallup-Stärkentraining - vorzeitig abgebrochen. Wenn Probleme in seinem Arbeitsumfeld aufgetreten sind, hat die Beklagte versucht, Tätigkeiten in anderen Bereichen für ihn zu finden und ihm einen „unbelasteten Neustart“ zu ermöglichen. Nach seinen eigenen Angaben ist er nicht nur kritisiert, sondern verschiedentlich für seine Arbeitsleistung und seine Arbeitsergebnisse auch gelobt worden. Zu keiner Zeit wurde ihm eine Aufgabe entzogen. Die Notwendigkeit, ihm neue Tätigkeiten zuzuweisen, ergab sich vielmehr dadurch, dass die ihm übertragenen Projekte abgeschlossen waren. Dass der Kläger mit den ihm zuletzt übertragenen Tätigkeiten eines „Blueprint-Vorfilterers“ und eines „TRM-Koordinators“ nicht ausgelastet war, lässt nicht den Schluss zu, die Beklagte habe ihn auf das „Abstellgleis“ geschoben. Ihm ist zusätzlich ein Einsatz im Projekt „SharePoint“ angeboten worden. Diesen hat er - mit der Begründung, dass er sich dafür zunächst hätte fortbilden müssen - abgelehnt. Er hat auch im Prozess keine Angaben dazu gemacht, welche möglichen Aufgaben, die den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen entsprochen und nicht eine Beförderung bedeutet hätten, die Beklagte ihm „vorenthalten“ habe.

35

(cc) Es kommt hinzu, dass die Auseinandersetzungen um den Telearbeitsplatz und die Streichung von Leistungspunkten bei Beginn der Arbeitsverweigerung bereits im Sinne des Klägers „ausgestanden“ waren. Ihm war ein Telearbeitsplatz eingerichtet worden. Sein Vorgesetzter hatte ihm lediglich nahegelegt, in seinem - des Klägers - eigenen Interesse gleichwohl ausreichend im Unternehmen „präsent“ zu sein. Die nach den bei der Beklagten üblichen Gepflogenheiten anlässlich eines Aufgabenwechsels „gehaltsneutral“ gestrichenen Leistungspunkte waren ihm auf seinen „Protest“ hin wieder gutgeschrieben worden. Das hatte für ihn eine Gehaltserhöhung zur Folge, obwohl er sich in der neuen Tätigkeit noch nicht in der dazu erforderlichen Weise „bewährt“ haben konnte.

36

e) Die Arbeitsverweigerung durch den Kläger war nicht in Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts gemäß § 273 Abs. 1 BGB gerechtfertigt.

37

aa) Nach dieser Vorschrift darf der Schuldner, der aus dem gleichen Rechtsverhältnis, auf dem seine Verpflichtung beruht, einen fälligen Anspruch gegen den Gläubiger hat - sofern sich aus dem Schuldverhältnis nichts anderes ergibt -, die geschuldete Leistung verweigern, bis die ihm gebührende Leistung bewirkt wird. Dem Arbeitnehmer kann ein Recht zustehen, die Arbeitsleistung zurückzuhalten, wenn der Arbeitgeber seine aus dem Arbeitsverhältnis folgenden Haupt- oder Nebenpflichten schuldhaft nicht erfüllt. So liegt es beispielsweise, wenn der Arbeitgeber oder einer seiner Repräsentanten (§ 278 BGB) die Gesundheit des Arbeitnehmers oder dessen Persönlichkeitsrecht in erheblicher Weise verletzt und mit weiteren Verletzungen zu rechnen ist. Die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts steht unter dem Gebot von Treu und Glauben nach § 242 BGB und unterliegt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dementsprechend muss der Arbeitnehmer unter Angabe des Grundes dem Arbeitgeber klar und eindeutig mitteilen, er werde dieses Recht mit Blick auf eine ganz bestimmte, konkrete Gegenforderung wahrnehmen. Nur so wird dem Arbeitgeber die Möglichkeit eröffnet, den möglichen Anspruch des Arbeitnehmers zu prüfen und ggf. zu erfüllen. Wenn der Arbeitnehmer berechtigterweise von einem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch macht, liegt keine Arbeitsverweigerung vor (vgl. BAG 13. März 2008 - 2 AZR 88/07 - Rn. 39 ff. mwN).

38

bb) Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger kein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB geltend gemacht. Obwohl ihm ausweislich vorheriger Mitteilungen - etwa in der E-Mail vom 30. März 2009 - der Unterschied zwischen beiden Normen bestens bekannt war, hat er die Beklagte mit E-Mail vom 20. September 2012 (lediglich) wissen lassen, dass ihm die weitere Arbeitsleistung unzumutbar sei und er ab dem 1. Oktober 2012 von seinem Leistungsverweigerungsrecht nach § 275 Abs. 2 und Abs. 3 BGB Gebrauch machen werde. Noch in der Klageschrift hat er sich ausschließlich auf § 275 BGB bezogen. Dementsprechend hat er von der Beklagten nicht etwa verlangt, bestimmte Ansprüche zu erfüllen, Maßnahmen zu ergreifen oder Zustände zu beenden. Mithilfe der Weigerung, seine Arbeitsleistung zu erbringen, wollte er weder eine vertragsgemäße Beschäftigung noch die Unterlassung von weiterem „Mobbing“ erreichen. Vielmehr hat er lediglich „vorgeschlagen“, ihn unter Fortzahlung der Vergütung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze von der Arbeitsleistung freizustellen. Darin erblickte er nicht mehr als die Festschreibung dessen, was nach § 275 Abs. 3 iVm. § 326 Abs. 2 BGB ohnehin - unveränderlich - gelte.

39

cc) Gemäß den Ausführungen zu § 275 Abs. 3 BGB bestanden im Übrigen keine Gegenansprüche, auf die der Kläger ein Recht, seine Arbeitsleistung zurückzuhalten, erfolgreich hätte stützen können. Zwar hatte er einen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung im Umfang von 35 Wochenstunden. Auch wurde dieser von der Beklagten bei weitem nicht vollständig erfüllt, weil der Kläger nach den tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts mit den ihm zuletzt übertragenen Tätigkeiten eines „Blueprint-Vorfilterers“ und eines „TRM-Koordinators“ nur im Umfang von drei bis vier Stunden pro Woche ausgelastet war. Die „Unterbeschäftigung“ beruhte jedoch darauf, dass der Kläger die ihm ergänzend angetragene Tätigkeit im Projekt „SharePoint“ nicht hatte übernehmen wollen. Unter diesen Umständen wäre es rechtsmissbräuchlich iSv. § 242 BGB, die Arbeitsleistung mit dem Ziel zurückzuhalten, weitere Aufgaben zugewiesen zu bekommen.

40

f) Der Kläger hat seine geschuldete Arbeitsleistung bewusst und nachhaltig verweigert.

41

aa) Obgleich die Beklagte ihn mit Schreiben vom 28. September 2012 darauf hingewiesen hatte, dass sie dies als schwerwiegenden Verstoß gegen seine Hauptleistungspflicht betrachten und ggf. arbeitsrechtliche Konsequenzen ziehen werde, blieb er ab dem 1. Oktober 2012 der Arbeit fern und nahm sie trotz dreier Abmahnungen und mehrerer Aufforderungen der Beklagten bis zum Kündigungszeitpunkt - über mehr als dreieinhalb Wochen - nicht wieder auf.

42

bb) Der Kläger befand sich nicht in einem entschuldbaren Rechtsirrtum.

43

(1) Der Geltungsanspruch des Rechts bewirkt, dass der Schuldner das Risiko eines Rechtsirrtums grundsätzlich selbst trägt und es nicht dem Gläubiger überbürden kann (BAG 19. August 2015 - 5 AZR 975/13 - Rn. 31). Ein unverschuldeter Rechtsirrtum liegt nur vor, wenn der Schuldner seinen Irrtum auch unter Anwendung der zu beachtenden Sorgfalt nicht erkennen konnte. Dabei sind strenge Maßstäbe anzulegen. Es reicht nicht aus, dass er sich für seine eigene Rechtsauffassung auf eine eigene Prüfung und fachkundige Beratung stützen kann. Ein Unterliegen in einem möglichen Rechtsstreit muss zwar nicht undenkbar sein (vgl. BAG 12. November 1992 - 8 AZR 503/91 - zu I 1 der Gründe, BAGE 71, 350). Gleichwohl liegt ein entschuldbarer Rechtsirrtum nur dann vor, wenn der Schuldner damit nach sorgfältiger Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht zu rechnen brauchte; ein normales Prozessrisiko entlastet ihn nicht (vgl. BAG 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 34; BGH 6. Dezember 2006 - IV ZR 34/05 - zu II 1 a aa der Gründe; 27. September 1989 - IVa ZR 156/88 -).

44

(2) Der Kläger hat sich nicht fachkundig beraten lassen, bevor er die Arbeitsleistung verweigert hat. Nach seinem eigenen Vorbringen war er sich des Risikos, dass ein Leistungsverweigerungsrecht von den Gerichten verneint werden könnte, vollauf bewusst. Unter diesen Umständen kann von einem entschuldbaren, unvermeidbaren Rechtsirrtum keine Rede sein.

45

4. Bei der abschließenden Interessenabwägung überwiegt - entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts - das Interesse der Beklagten an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Dessen Fortsetzung war ihr selbst für den Lauf der - fiktiven - ordentlichen Kündigungsfrist von sieben Monaten zum Schluss eines Kalendermonats (§ 8 Ziff. 2 Abs. 2 Satz 1 MTV) nicht zuzumuten.

46

a) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der - fiktiven - Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ende der Frist für eine ordentliche Kündigung zuzumuten war oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Sie scheidet aus, wenn es ein „schonenderes“ Gestaltungsmittel - etwa Abmahnung, Versetzung, ordentliche Kündigung - gibt, das ebenfalls geeignet ist, den mit einer außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - nicht die Sanktion des pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses - zu erreichen (vgl. BAG 20. November 2014 - 2 AZR 651/13 - Rn. 21; 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 47, BAGE 149, 355).

47

b) Dem Berufungsgericht kommt bei dieser Prüfung und Interessenabwägung - obwohl es sich um Rechtsanwendung handelt - ein gewisser Beurteilungsspielraum zu. Seine Würdigung wird in der Revisionsinstanz aber daraufhin überprüft, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 651/13 - Rn. 24; 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 42). Eine eigene Abwägung durch das Revisionsgericht ist dann möglich, wenn die des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist und sämtliche relevanten Tatsachen feststehen (BAG 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - aaO; 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - Rn. 16).

48

c) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Beklagten sei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zuzumuten gewesen, hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.

49

aa) Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Interessenabwägung ist insoweit nicht zu beanstanden, wie es zugunsten des Klägers die lange Dauer des Arbeitsverhältnisses, dessen von erheblichen Pflichtverletzungen freien Verlauf, seine Unterhaltspflichten und den Umstand berücksichtigt hat, dass die Beklagte nicht nach weiteren Möglichkeiten gesucht hat, ihn vertragsgemäß in Vollzeit zu beschäftigen. Dass der Kläger einen Einsatz im Projekt „SharePoint“ abgelehnt hatte, führte zwar dazu, dass er seine Arbeitsleistung nicht mit dem Ziel zurückhalten durfte, man möge ihm weitere Aufgaben übertragen. Dies entband die Beklagte jedoch nicht davon, „von sich aus“ andere bzw. zusätzliche Tätigkeiten für ihn zu suchen.

50

bb) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht auf der anderen Seite die Schwere der Pflichtverletzung und den Grad des ihn treffenden Verschuldens zulasten des Klägers berücksichtigt.

51

(1) Die Pflichtverletzung des Klägers war schwerwiegend. Er hat gegen seine Hauptleistungspflicht verstoßen und es der Beklagten unmöglich gemacht, mit der von ihm geschuldeten Arbeitsleistung zu planen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob und ggf. welche Arbeiten aufgrund seiner Abwesenheit nicht erledigt wurden (vgl. dazu BAG 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 43). Ebenso wenig ist es von Belang, dass er mit den Tätigkeiten als „Blueprint-Vorfilterer“ und „TRM-Koordinator“ lediglich für drei bis vier Wochenstunden ausgelastet war. Wollte man dies anders sehen, müssten geringfügig Beschäftigte selbst dann nicht mit einer Kündigung rechnen, wenn sie die Arbeitsleistung noch so beharrlich verweigern sollten.

52

(2) Den Kläger traf ein erhebliches Verschulden. Er war sich des mit seinem Vorgehen verbundenen Risikos nach eigenem Bekunden hinlänglich bewusst. Die Möglichkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung hatte er ausdrücklich ins Kalkül gezogen.

53

cc) Das Landesarbeitsgericht durfte angesichts aller Umstände nicht annehmen, die Interessen des Klägers überwögen, weil der Beklagten eine mildere Reaktionsmöglichkeit zur Verfügung gestanden habe.

54

(1) Es hat gemeint, die Beklagte habe dem Kläger spätestens in dem Personalgespräch am 15. Oktober 2012 eine Verbesserung der von ihm als unerträglich empfundenen Arbeitssituation in Aussicht stellen und ihm so „den Weg zurück (…) ebnen“ müssen. Es könne „nicht von vornherein ausgeschlossen“ werden, „dass (er) ein solches Angebot wahrgenommen hätte“. Es sei ihm „gerade um eine angemessene Beschäftigung“ gegangen. Der Beklagten sei es deshalb zumutbar gewesen, dem Kläger zunächst „ein Entgegenkommen bei der Übernahme weiterer Aufgaben zu zeigen“.

55

(2) Die Annahme, darin habe ein milderes Mittel bestanden, das geeignet gewesen wäre, die Arbeitsverweigerung zu beenden, ist rechtsfehlerhaft. Sie steht im Widerspruch zu der Intention des Klägers, wie sie aus dessen vorangegangenen Bekundungen und - diese bestätigend - seinem Prozessvortrag deutlich geworden ist.

56

(a) Ausweislich seiner E-Mails vom 10., 20. und 28. September 2012 hielt der Kläger es für unzumutbar iSv. § 275 Abs. 3 BGB, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. In Festschreibung dessen, was gemäß § 326 Abs. 2 BGB ohnehin gelte, „bevorzuge“ er eine bezahlte Freistellung bis zum Eintritt in die Regelaltersrente. Er war danach unter keinen Umständen (mehr) bereit, den bestehenden Arbeitsvertrag zu erfüllen. Die Beklagte musste mit Blick auf diese Äußerungen annehmen, dass sie ihn nicht dazu hätte bewegen können, seine ablehnende Haltung aufzugeben, indem sie ihm die Übernahme weiterer, den Vereinbarungen der Parteien entsprechender Aufgaben anböte. Eine „angemessene Beschäftigung“ wäre vielmehr in den Augen des Klägers - so musste es sich ihr darstellen - allenfalls eine solche gewesen, die eine Beförderung in den Bereich der „AT-Angestellten“ bzw. der „Führungskräfte“ bedeutet hätte. Und selbst das musste zweifelhaft erscheinen, nachdem er mit der E-Mail vom 28. September 2012 mitgeteilt hatte, die „innere Kündigung“ sei „perfekt“, für eine „neue Aufgabe oder Funktion habe (er) keine Kraft mehr“, die Beklagte habe „die Zusammenarbeit unmöglich gemacht“ und „ihre Glaubwürdigkeit und ihre Integrität restlos und unwiederbringlich kompromittiert“.

57

(b) Dass er schlechterdings nicht (mehr) bereit war, den bestehenden Arbeitsvertrag zu erfüllen, hat der Kläger durch seinen prozessualen Vortrag untermauert. So hat er im Schriftsatz vom 28. Mai 2013 ausgeführt, es sei „offensichtlich“, dass die „Vertrauensbasis nicht wiederhergestellt“ werden könne und die Prognose für eine erfolgreiche Zusammenarbeit „negativ“ sei. In seinem Schriftsatz vom 10. Juni 2013 hat er die einzigen Wege beschrieben, die er als gangbar ansehe, um den Konflikt der Parteien zu lösen: entweder eine bezahlte Freistellung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze oder die Zahlung einer Abfindung iHv. 1.502.550,00 Euro zzgl. einer Betriebsrente iHv. 600,00 Euro pro Monate. Als „worst case“ komme auch eine Fortführung des Arbeitsverhältnisses in Betracht, allerdings nur bei Gewährung einer Gehaltserhöhung, Zusage von Altersteilzeit und Androhung eines Ordnungsgelds für die Beklagte.

58

d) Gab es demnach kein milderes Mittel, um den Kläger dazu zu bewegen, künftig seinen Arbeitsvertrag zu erfüllen, überwog das Interesse der Beklagten daran, das Arbeitsverhältnis sofort zu beenden. Da der Kläger bei vollem Risikobewusstsein seine Hauptleistungspflicht nachhaltig verletzt und deren weitere Erfüllung abgelehnt hatte, ohne dass die Aussicht bestanden hätte, ihn „zur Umkehr“ bewegen zu können, hat er der Beklagten selbst die befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar gemacht. Nicht anders läge es, wenn er sie - im Sinne des von ihm beschriebenen „worst-case“-Szenarios - dazu hätte „nötigen“ wollen, ihn zu befördern, ihm Altersteilzeit zu bewilligen und ihm eine Betriebsrente in der geforderten Höhe zu zahlen.

59

5. Die Beklagte hat die Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Sie hat die Kündigung damit begründet, der Kläger weigere sich beharrlich, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Damit hat sie einen Dauertatbestand geltend gemacht, der sich fortlaufend neu verwirklichte (vgl. BAG 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 45; 13. Mai 2004 - 2 AZR 36/04 - zu II 1 der Gründe).

60

II. Die Kündigung ist nicht deshalb nach § 134 BGB nichtig, weil sie gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB verstieße. So läge es nur, wenn tragender Beweggrund, dh. wesentliches Motiv für sie eine zulässige Rechtsausübung gewesen wäre (vgl. BAG 20. Dezember 2012 - 2 AZR 867/11 - Rn. 45; 19. April 2012 - 2 AZR 233/11 - Rn. 47). Das wiederum setzte voraus, dass das geltend gemachte Recht tatsächlich existierte (ErfK/Preis 15. Aufl. § 612a BGB Rn. 5; KR/Treber 10. Aufl. § 612a BGB Rn. 6). Dem Kläger stand aber weder ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 275 Abs. 3 BGB noch ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB zu. Er hat kein Recht in zulässiger Weise ausgeübt, sondern beharrlich die von ihm geschuldete Arbeitsleistung verweigert.

61

III. Die Kündigung ist nicht nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam. Der Betriebsrat ist ordnungsgemäß angehört worden. Hierüber besteht zwischen den Parteien kein Streit.

62

D. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Kreft    

        

    Rachor    

        

    Niemann    

        

        

        

    Krichel    

        

    Jan Eulen    

                 

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 7. Januar 2016 - 9 Sa 335/15 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Vergütung von Überstunden.

2

Der Kläger war vom 11. Oktober 2010 bis zum 31. Juli 2014 bei der Beklagten als Kraftfahrer beschäftigt. Bei einer vereinbarten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 48 Stunden erhielt er ein Bruttomonatsgehalt von zuletzt 1.600,00 Euro. Er war arbeitsvertraglich verpflichtet, „im gesetzlichen Rahmen Mehrarbeit zu leisten“.

3

Aufgabe des Klägers war im Wesentlichen der Transport von Baustahl im In- und Ausland. Die dabei benutzten Lastzüge der Beklagten sind mit einem digitalen Kontrollgerät ausgestattet, bei dem der Fahrer Zeiten, die nicht Lenkzeit sind, manuell als „sonstige Arbeitszeit“ oder „Pause“ kennzeichnen muss.

4

Mit der am 21. Juli 2014 eingereichten und der Beklagten am 26. Juli 2014 zugestellten Klage hat der Kläger Überstundenvergütung verlangt und geltend gemacht, im Zeitraum August 2011 bis Juni 2014 369,85 Überstunden geleistet zu haben. Diese hat er anhand seiner Fahrerkarte errechnet, deren Auswertung er als Anlage zu einem erstinstanzlichen Schriftsatz zu den Akten gereicht hat. Außerdem hat er in der Berufungsinstanz schriftsätzlich auf über 30 Seiten für den Streitzeitraum dargelegt, an welchen Tagen er von wann bis wann welche Tour gefahren sei. Bei der Höhe der Überstundenvergütung hat der Kläger in jedem Monat unterschiedliche Bruttostundenlöhne zugrunde gelegt und einen Überstundenzuschlag von 25 % angesetzt.

5

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.101,92 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. Juli 2014 zu zahlen.

6

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und Leistung sowie Anordnung von Überstunden bestritten. Sie könne nicht mehr nachvollziehen, welche sonstigen Arbeitszeiten außerhalb der Lenkzeiten angefallen seien, zumal nach § 21a Abs. 3 ArbZG nicht jede Wartezeit beim Be- und Entladen Arbeitszeit sei. Bei einer Arbeitszeit von 48 Wochenstunden habe der Kläger für das vereinbarte Bruttomonatsgehalt 208,8 Stunden monatlich arbeiten müssen, so dass eine Überstunde nur mit einem Bruttostundenlohn von 7,66 Euro zu vergüten wäre. Für einen Überstundenzuschlag fehle es an der Rechtsgrundlage. Jedenfalls sei ein eventueller Anspruch auf Überstundenvergütung verwirkt.

7

Das Arbeitsgericht hat die Klage - soweit sie in die Revisionsinstanz gelangt ist - abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.

9

I. Mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts kann die Berufung des Klägers gegen das die Klage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts nicht zurückgewiesen werden. Die Annahme, der Kläger habe seiner Darlegungslast zur Leistung von Überstunden nicht genügt, ist auf der Basis der bisherigen Feststellungen nicht frei von Rechtsfehlern.

10

1. Das Landesarbeitsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, die Darlegung der Leistung von Überstunden durch den Arbeitnehmer müsse entsprechend § 130 Nr. 3 ZPO schriftsätzlich erfolgen. Beigefügte Anlagen können den schriftsätzlichen Vortrag nicht ersetzen, sondern lediglich erläutern oder belegen, verpflichten das Gericht aber nicht, sich die unstreitigen oder streitigen Arbeitszeiten aus den Anlagen selbst zusammenzusuchen (BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 347/11 - Rn. 29, BAGE 141, 330). Diese Begründung vermag aber die Zurückweisung der Berufung nicht zu tragen. Denn der Kläger hat sich in der Berufungsinstanz nicht nur auf Anlagen berufen, sondern - wie die Revision zu Recht geltend macht (§ 551 Abs. 3 Satz 2 ZPO) - im Schriftsatz vom 10. Dezember 2015 im Einzelnen dargelegt, an welchen datumsmäßig bezeichneten Tagen er im Streitzeitraum von wann bis wann im Rahmen welcher Tour gearbeitet haben will. Diesen Sachvortrag hat das Landesarbeitsgericht offenbar nicht zur Kenntnis genommen und erwogen, anderenfalls hätte es sich damit in den Entscheidungsgründen auseinandersetzen müssen (vgl. BVerfG 14. März 2013 - 1 BvR 1457/12 - Rn. 10).

11

2. Auch die weitere Begründung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Zu Unrecht verlangt das Landesarbeitsgericht bereits auf der ersten Stufe der Darlegung der Leistung von Überstunden die Angabe, welche geschuldete Tätigkeit der Kläger erbracht habe, weil ansonsten „weder für die Beklagte noch für das Gericht (…) nachzuvollziehen (sei), ob die Betätigung der entsprechenden Tasten durch den Kläger richtig erfolgte“. Das Landesarbeitsgericht vermengt dabei strikt zu trennende Fragen der Darlegung mit solchen der Schlüssigkeit und Glaubwürdigkeit des Tatsachenvortrags (vgl. BAG 10. April 2013 - 5 AZR 122/12 - Rn. 11). Es verkennt, dass die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 16. Mai 2012 (- 5 AZR 347/11 - BAGE 141, 330) keine Beschränkung auf Kraftfahrer enthält, deren Fahrten täglich im Betrieb des Arbeitgebers beginnen und enden. Schließlich lässt die Bemerkung des Landesarbeitsgerichts zu Wartezeiten bei der Be- und Entladung erkennen, dass es § 21a Abs. 3 ArbZG eine vergütungsrechtliche Relevanz beimisst, die der Norm nicht zukommt(vgl. BAG 20. April 2011 - 5 AZR 200/10 - Rn. 24 ff. mwN, BAGE 137, 366; zur Nichtanwendung der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung auf die Vergütung der Arbeitnehmer EuGH 10. September 2015 - C-266/14 - Rn. 48 mwN).

12

II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig.

13

1. Die Vergütung von Überstunden setzt - bei Fehlen einer anwendbaren tarifvertraglichen Regelung - entweder eine entsprechende arbeitsvertragliche Vereinbarung oder eine Vergütungspflicht des Arbeitgebers nach § 612 Abs. 1 BGB voraus.

14

a) Arbeitsvertraglich haben die Parteien die Vergütung von Überstunden weder vereinbart noch ausgeschlossen. Soweit der Arbeitsvertrag den Kläger verpflichtet, „im gesetzlichen Rahmen Mehrarbeit zu leisten“, folgt allein daraus nicht der Ausschluss einer gesonderten Vergütung für Überstunden.

15

b) Nach § 612 Abs. 1 BGB gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Arbeitsleistung nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. § 612 Abs. 1 BGB bildet nicht nur in den Fällen, in denen überhaupt keine Vergütungsvereinbarung getroffen wurde, sondern auch dann die Rechtsgrundlage für den Anspruch auf die Vergütung, wenn der Arbeitnehmer auf Veranlassung des Arbeitgebers quantitativ mehr arbeitet als von der Vergütungsabrede erfasst(st. Rspr., vgl. zB BAG 25. März 2015 - 5 AZR 602/13 - Rn. 17, BAGE 151, 180). Die nach § 612 Abs. 1 BGB erforderliche objektive Vergütungserwartung(vgl. BAG 17. August 2011 - 5 AZR 406/10 - Rn. 20, BAGE 139, 44; 27. Juni 2012 - 5 AZR 530/11 - Rn. 19 mwN) ergibt sich jedenfalls daraus, dass der Kläger als Kraftfahrer keine Dienste höherer Art schuldete und keine deutlich herausgehobene, über der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung liegende Vergütung gezahlt wurde.

16

2. Der Anspruch des Klägers auf Überstundenvergütung ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht verwirkt.

17

Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung. Sie setzt voraus, dass der Gläubiger sein Recht längere Zeit nicht geltend gemacht hat und dabei unter Umständen untätig geblieben ist, die den Eindruck erwecken konnten, er wollte auch künftig seine Rechte nicht mehr geltend machen. Zudem muss der Verpflichtete sich darauf einstellen dürfen, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 347/11 - Rn. 20, BAGE 141, 330).

18

Danach kommt eine Verwirkung vorliegend nicht in Betracht. Unbeschadet der Frage, ob - und ggf. für welchen Zeitraum - im Streitfall überhaupt das Zeitmoment erfüllt ist, ergeben sich aus dem Vorbringen der Beklagten und dem unstreitigen Sachverhalt keine Tatsachen, die geeignet wären, die Annahme zu rechtfertigen, der Beklagten sei es aufgrund eigener Disposition „unzumutbar“ geworden, die Ansprüche des Klägers zu erfüllen, oder es sei ihr aufgrund sonstiger Umstände unzumutbar, sich auf die Klage einzulassen (vgl. BAG 24. August 2016 - 5 AZR 129/16 - Rn. 60 f. mwN).

19

III. Ob und ggf. in welchem Umfang die Klage begründet ist, kann der Senat aufgrund der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht entscheiden. Das führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung,§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

20

Im erneuten Berufungsverfahren wird Folgendes zu beachten sein:

21

1. Der Arbeitgeber ist nach § 611 Abs. 1 BGB zur Gewährung der vereinbarten Vergütung für die vereinbarte Arbeitsleistung verpflichtet. Legen die Parteien - wie im Streitfall - einen bestimmten Umfang der zu erbringenden Arbeitsleistung (Regel- oder Normalarbeitszeit) fest, betrifft die Vergütungspflicht zunächst (nur) die Vergütung der vereinbarten Normalarbeitszeit. Verlangt der Arbeitnehmer gestützt auf § 612 Abs. 1 BGB weitere Vergütung, treffen ihn die Darlegungs- und Beweislast dafür, über die vereinbarte Normalarbeitszeit hinaus gearbeitet zu haben und dass die Leistung von Überstunden vom Arbeitgeber veranlasst worden oder sie ihm zumindest zuzurechnen ist(BAG 10. April 2013 - 5 AZR 122/12 - Rn. 9, 13 ff.).

22

2. Der Darlegungslast für die Leistung von Überstunden hat der Kläger auf der ersten Stufe der Darlegung genügt.

23

a) Dafür ist es ausreichend, dass der Arbeitnehmer schriftsätzlich vorträgt, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten hat. Auf diesen Vortrag muss der Arbeitgeber im Rahmen einer gestuften Darlegungslast substantiiert erwidern und im Einzelnen vortragen, welche Arbeiten er dem Arbeitnehmer zugewiesen hat und an welchen Tagen der Arbeitnehmer von wann bis wann diesen Weisungen - nicht - nachgekommen ist (st. Rspr., vgl. zB BAG 10. April 2013 - 5 AZR 122/12 - Rn. 9 mwN). Lässt er sich nicht substantiiert ein, gilt der Sachvortrag des Arbeitnehmers als zugestanden (§ 138 Abs. 3 ZPO). Diese Grundsätze dürfen nicht gleichsam schematisch angewandt werden, sondern bedürfen stets der Berücksichtigung der im jeweiligen Streitfall zu verrichtenden Tätigkeit und der konkreten betrieblichen Abläufe. So kann ein Kraftfahrer wie der Kläger, dem vom Arbeitgeber bestimmte Touren zugewiesen werden, unabhängig davon, ob die zugewiesenen Fahrten jeden Tag im Betrieb des Arbeitgebers beginnen und enden, seiner Darlegungslast bereits dadurch genügen, dass er vorträgt, an welchen Tagen er welche Tour wann begonnen und wann beendet hat. Im Rahmen der gestuften Darlegungslast ist es dann Sache des Arbeitgebers, unter Auswertung der Aufzeichnungen nach § 21a Abs. 7 Satz 1 ArbZG substantiiert darzulegen, an welchen Tagen der Arbeitnehmer aus welchen Gründen im geringeren zeitlichen Umfang als von ihm behauptet gearbeitet haben muss(BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 347/11 - Rn. 28, BAGE 141, 330).

24

b) Diesen Anforderungen genügt der Sachvortrag des Klägers in der Berufungsinstanz. Er hat im Schriftsatz vom 10. Dezember 2015 für den Streitzeitraum dargelegt, welche Touren ihm an welchen Tagen zugewiesen waren und an welchen Tagen er im Rahmen dieser Touren von wann bis wann gearbeitet haben will. Dabei ist es zivilprozessual nicht zu beanstanden, wenn ein Arbeitnehmer, der bei Ausübung seiner Tätigkeit in verschiedenen orts- und jahreszeitabhängig bestimmten Zeitzonen Arbeit verrichten muss, Uhrzeitangaben in der Weltzeit (UTC) vorträgt. Anderenfalls könnte zB fliegendes Personal geleistete Arbeitsstunden gar nicht verständlich darlegen. Mit dem Vortrag, zu bestimmten Zeiten gearbeitet zu haben, behauptet der Arbeitnehmer zugleich, während der genannten Zeiten die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbracht zu haben (vgl. BAG 10. April 2013 - 5 AZR 122/12 - Rn. 10). Zudem hat der Kläger bereits erstinstanzlich erläutert, dass er zur Arbeitszeit nicht nur die Lenkzeiten zählt, sondern auch Standzeiten, die der Arbeitsvorbereitung dienen oder beim Be- und Entladen anfallen. Weitere Angaben sind von ihm auf der ersten Stufe der Darlegung nicht zu verlangen (so bereits BAG 11. März 1981 - 5 AZR 878/78 - zu II 2 der Gründe).

25

c) Im Rahmen der gestuften Darlegungslast ist es nunmehr Sache der Beklagten, zu den behaupteten Arbeitszeiten substantiiert Stellung zu nehmen. Dafür reicht es nicht, wenn sie - wie bislang - auf eine aus ihrer Sicht fehlende Kontrollmöglichkeit hinweist und die Richtigkeit der Bedienung des digitalen Kontrollgeräts in Frage stellt.

26

aa) Als Arbeitgeberin weiß die Beklagte, welche Tätigkeit(en) sie dem Kläger in Ausübung ihres Weisungsrechts generell (zB Überprüfen des Fahrzeugs auf Verkehrssicherheit, Sicherung der Ladung, Reinigung des Fahrzeugs) und speziell (Lieferung von was an wen an welchem Tag) zugewiesen hat. Die Beklagte hat damit Kenntnis davon, mit welchen Touren sie den Kläger an welchen Tagen beauftragt hat und welche Arbeiten dabei angefallen sind und kann sich nicht auf Nichtwissen (§ 138 Abs. 4 ZPO) zurückziehen.

27

Weiterhin ist es Sache der Beklagten, allgemein oder im konkreten Einzelfall den Zeitaufwand für die Erledigung der zugewiesenen Arbeiten zu ermitteln. Dabei stehen ihr als Hilfsmittel die von ihr als Arbeitgeberin nach § 21a Abs. 7 Satz 1 ArbZG korrekt(vgl. § 22 Abs. 1 Nr. 9 ArbZG) zu erstellenden Aufzeichnungen zur Verfügung, die - weiter gehend als § 16 Abs. 2 ArbZG - alle Arbeitszeiten eines Kraftfahrers enthalten müssen(vgl. zum Inhalt der Aufzeichnungspflicht im Einzelnen: Buschmann/Ulber ArbZG 8. Aufl. § 21a Rn. 44 ff.; Schliemann ArbZG 3. Aufl. § 21a Rn. 39). Die mindestens zwei Jahre aufzubewahrenden (§ 21a Abs. 7 Satz 2 ArbZG) Aufzeichnungen, von denen dem Arbeitnehmer auf Verlangen eine Kopie auszuhändigen ist (§ 21a Abs. 7 Satz 3 ArbZG), dienen zwar primär der Kontrolle der Einhaltung der arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen durch die Aufsichtsbehörden (vgl. § 17 Abs. 4 ArbZG). Zugleich sind sie aber - wie die Kontrollgeräte nach der VO (EWG) Nr. 3821/85 - für Arbeitnehmer und Arbeitgeber ein geeignetes Hilfsinstrument bei der Rekonstruktion und Darlegung der Arbeitszeit, ohne ihnen den Nachweis der Unrichtigkeit der Aufzeichnungen abzuschneiden.

28

Reichen die Aufzeichnungen nach § 21a Abs. 7 ArbZG zur substantiierten Erwiderung nicht aus oder misstraut der beklagte Arbeitgeber - wie im Streitfall - der Redlichkeit seines Beschäftigten, obliegt es dem Arbeitgeber, durch geeignete organisatorische Maßnahmen oder Erkundigungen(vgl. BAG 17. August 2011 - 5 AZR 490/10 - Rn. 24, BAGE 139, 36) sicherzustellen, dass er zB weiß, bei welchem Auftrag wie lange Wartezeiten beim Be- und Entladen angefallen sind. Ferner ist es grundsätzlich seine Sache, im Voraus die Ruhepausen festzulegen und damit Kenntnis davon zu haben, an welchen Tagen der Arbeitnehmer zu welchen Zeiten weder Arbeit leisten noch sich dafür bereithalten musste und frei über die Nutzung des Zeitraums bestimmen konnte (vgl. zum Begriff der Pause BAG 25. Februar 2015 - 5 AZR 886/12 - Rn. 21 mwN, BAGE 151, 45).

29

bb) Soweit die Beklagte meint, Wartezeiten beim Be- und Entladen seien unter den Voraussetzungen des § 21a Abs. 3 ArbZG generell keine vergütungspflichtige Arbeitszeit, ist das nicht zutreffend.

30

(1) Zwar ist nach § 21a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 ArbZG die Zeit, während derer sich ein als Fahrer oder Beifahrer bei Straßenverkehrstätigkeiten beschäftigter Arbeitnehmer am Arbeitsplatz bereithalten muss, um seine Tätigkeit aufzunehmen, abweichend von § 2 Abs. 1 ArbZG keine Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitrechts, wenn der Zeitraum und dessen voraussichtliche Dauer im Voraus, spätestens unmittelbar vor Beginn des betreffenden Zeitraums bekannt ist. Ob die Norm in ihrer Pauschalität mit der Definition der Arbeitszeit in Art. 3 Buchst. a Nr. 1 2. Spiegelstrich Richtlinie 2002/15/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2002 zur Regelung der Arbeitszeit von Personen, die Fahrtätigkeiten im Bereich des Straßentransports ausüben (ABl. EG L 80 vom 23. März 2002 S. 35, im Folgenden RL 2002/15/EG) vereinbar ist (verneinend: Schliemann ArbZG 3. Aufl. § 21a Rn. 29; Buschmann/Ulber ArbZG 8. Aufl. § 21a Rn. 13; vgl. auch Baeck/Deutsch ArbZG 3. Aufl. § 21a Rn. 15; ErfK/Wank 17. Aufl. § 21a ArbZG Rn. 5; HWK/Gäntgen 7. Aufl. § 21a ArbZG Rn. 5 Fn. 6), kann dahingestellt bleiben. § 21a ArbZG hat nur arbeitszeitschutzrechtliche Bedeutung und ist für die Vergütungspflicht des Arbeitgebers ohne Belang(vgl. im Einzelnen: BAG 20. April 2011 - 5 AZR 200/10 - Rn. 19 ff., BAGE 137, 366; 16. Mai 2012 - 5 AZR 347/11 - Rn. 9, BAGE 141, 330; Baeck/Deutsch ArbZG 3. Aufl. § 21a Rn. 21; Buschmann/Ulber ArbZG 8. Aufl. § 21a Rn. 12; ErfK/Wank 17. Aufl. § 21a Rn. 5; HWK/Gäntgen 7. Aufl. § 21a Rn. 6).

31

(2) Kann der Kläger während des Be- und Entladens durch Dritte nicht frei über seine Zeit verfügen, sondern muss sich etwa in einer Warteschlange zum Aufrücken bereithalten, leistet er vergütungspflichtige Arbeit iSv. § 611 Abs. 1 BGB. Dazu zählt nicht nur jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient, sondern auch eine vom Arbeitgeber veranlasste oder ihm zuzurechnende Untätigkeit, während derer der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz (zum Begriff des Arbeitsplatzes bei der Beschäftigung als Fahrer oder Beifahrer im Straßentransport sh. Art. 3 Buchst. c RL 2002/15/EG) oder einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle anwesend sein muss und nicht frei über die Nutzung seiner Zeit bestimmen kann, er also weder eine Pause (§ 4 ArbZG) noch Freizeit hat. Diese Voraussetzung ist bei Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst erfüllt (st. Rspr., vgl. nur BAG 19. November 2014 - 5 AZR 1101/12 - Rn. 16 mwN, BAGE 150, 82; 29. Juni 2016 - 5 AZR 716/15 - Rn. 28), und zwar auch dann, wenn sich die Notwendigkeit von Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst aus Verzögerungen im Betriebsablauf des zu beliefernden Kunden ergibt. Denn nicht der Arbeitnehmer, sondern der Arbeitgeber trägt das Wirtschaftsrisiko.

32

3. Soweit die Beklagte bislang pauschal die Anordnung von Überstunden bestritten hat, ist das unbehelflich. Wenn ein Kraftfahrer für eine angewiesene Tour eine bestimmte Zeit benötigt und sie nur unter Leistung von Überstunden ausführen kann, waren die Überstunden - unabhängig von einer ausdrücklichen Anordnung - jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig. Etwas anderes gilt nur, wenn der Arbeitgeber darlegen kann, dass die von ihm dem Arbeitnehmer zugewiesene Tour unter Beachtung der Rechtsordnung, insbesondere der für die Beschäftigung von Arbeitnehmern als Fahrer bei Straßenverkehrstätigkeiten geltenden (Sozial-)Vorschriften und des Straßenverkehrsrechts, innerhalb der Normalarbeitszeit gefahren werden kann. Erst dann obliegt es dem Arbeitnehmer, besondere Umstände darzutun, die zur Überschreitung der Normalarbeitszeit führten (BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 347/11 - Rn. 31 mwN, BAGE 141, 330).

33

4. Die Berechnung der Klageforderung ist bislang nicht in jeder Hinsicht schlüssig. Der Kläger wird deshalb im erneuten Berufungsverfahren sein Rechenwerk überprüfen, näher erläutern und ggf. korrigieren müssen.

34

a) Unzutreffend legt der Kläger bei der Ermittlung der Anzahl von Überstunden eine monatliche Betrachtungsweise zugrunde. Vereinbaren die Parteien ein Monatsentgelt, muss der Arbeitnehmer dafür grundsätzlich gemäß § 611 Abs. 1 BGB Arbeit im Umfang der in einem Monat geschuldeten Arbeitszeit erbringen. Doch haben die Parteien in § 2 Arbeitsvertrag eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 48 Stunden vereinbart mit der Verpflichtung des Klägers, im gesetzlichen Rahmen Mehrarbeit zu leisten. Die verwendeten Termini „regelmäßige Arbeitszeit“ und „Mehrarbeit“ knüpfen an die - im Arbeitszeitgesetz nicht mehr enthaltene - Begrifflichkeit der Arbeitszeitordnung an, die in § 3 eine regelmäßige Arbeitszeit von acht Stunden werktäglich und in den §§ 6 ff. darüber hinausgehende Mehrarbeit in bestimmten Fällen vorsah. Mit einer solchen Regelung verdeutlichen die Parteien, dass die vergütungsrelevante Arbeitszeit nicht starr 48 Wochenstunden betragen, sondern in dem arbeitszeitrechtlich erlaubten Umfang geschuldet sein soll. Vereinbart ist damit auch die in § 21a Abs. 4 ArbZG eröffnete Flexibilisierungsmöglichkeit, die konstitutiver Bestandteil der öffentlich-rechtlichen Arbeitszeitregelung ist. Zudem berücksichtigt ein solches Verständnis das Berufsbild eines Fernfahrers, dessen Arbeitszeit sich an den durchzuführenden Touren orientiert und der seine Arbeitsleistung nicht gleichbleibend an allen Tagen jeder Kalenderwoche erbringt (vgl. BAG 18. April 2012 - 5 AZR 195/11 - Rn. 18 ff.).

35

Überstunden fallen deshalb dann und in dem Umfang an, in dem im Ausgleichszeitraum des § 21a Abs. 4 ArbZG im Durchschnitt 48 Stunden wöchentlich überschritten werden. Hat der Arbeitgeber den Ausgleichszeitraum nicht von vornherein festgelegt, bestimmt im Überstundenprozess der Arbeitnehmer mit dem Streitzeitraum den Beginn der Ausgleichszeiträume von vier Kalendermonaten oder 16 Wochen, wobei der Arbeitgeber einwenden kann, bei einem anderen Beginn würden sich rechnerisch keine oder weniger Überstunden ergeben (vgl. - zum Gesamtvergleich bei equal pay - BAG 23. Oktober 2013 - 5 AZR 556/12 - Rn. 33).

36

b) Weil die Parteien arbeitsvertraglich als Normalvergütung eine Monatsvergütung vereinbart haben, ist diese auch für die Bezahlung von Überstunden maßgeblich. Für den Geldfaktor ist die vereinbarte Bruttomonatsvergütung durch die dafür durchschnittlich geschuldeten 208 Arbeitsstunden zu dividieren. Gewährt der Arbeitgeber über die die Normalarbeitsleistung honorierende Grundvergütung hinaus arbeitszeitunabhängige Sonderleistungen, sind diese nicht zu berücksichtigen.

37

c) Der Kläger hat bei der Berechnung der Klageforderung einen Überstundenzuschlag von 25 % angesetzt. Eine Anspruchsgrundlage hierfür ist nicht ersichtlich, insbesondere ergibt sich diese - entgegen der Auffassung des Klägers - nicht „aus den Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes“.

        

    Müller-Glöge    

        

    Biebl    

        

    Weber    

        

        

        

    Mandrossa     

        

    Bormann    

                 

Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes

1.
die tatsächlichen oder rechtlichen Anführungen ergänzt oder berichtigt werden;
2.
der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird;
3.
statt des ursprünglich geforderten Gegenstandes wegen einer später eingetretenen Veränderung ein anderer Gegenstand oder das Interesse gefordert wird.

(1) Löst der Gehilfe das Dienstverhältnis gemäß den Vorschriften der§§ 70 und 71wegen vertragswidrigen Verhaltens des Prinzipals auf, so wird das Wettbewerbverbot unwirksam, wenn der Gehilfe vor Ablauf eines Monats nach der Kündigung schriftlich erklärt, daß er sich an die Vereinbarung nicht gebunden erachte.

(2) In gleicher Weise wird das Wettbewerbsverbot unwirksam, wenn der Prinzipal das Dienstverhältnis kündigt, es sei denn, daß für die Kündigung ein erheblicher Anlaß in der Person des Gehilfen vorliegt oder daß sich der Prinzipal bei der Kündigung bereit erklärt, während der Dauer der Beschränkung dem Gehilfen die vollen zuletzt von ihm bezogenen vertragsmäßigen Leistungen zu gewähren. Im letzteren Falle finden die Vorschriften des § 74b entsprechende Anwendung.

(3) Löst der Prinzipal das Dienstverhältnis gemäß den Vorschriften der§§ 70 und 72wegen vertragswidrigen Verhaltens des Gehilfen auf, so hat der Gehilfe keinen Anspruch auf die Entschädigung.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Die vorläufige Vollstreckbarkeit tritt mit der Verkündung eines Urteils, das die Entscheidung in der Hauptsache oder die Vollstreckbarkeitserklärung aufhebt oder abändert, insoweit außer Kraft, als die Aufhebung oder Abänderung ergeht.

(2) Wird ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil aufgehoben oder abgeändert, so ist der Kläger zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der dem Beklagten durch die Vollstreckung des Urteils oder durch eine zur Abwendung der Vollstreckung gemachte Leistung entstanden ist. Der Beklagte kann den Anspruch auf Schadensersatz in dem anhängigen Rechtsstreit geltend machen; wird der Anspruch geltend gemacht, so ist er als zur Zeit der Zahlung oder Leistung rechtshängig geworden anzusehen.

(3) Die Vorschriften des Absatzes 2 sind auf die im § 708 Nr. 10 bezeichneten Berufungsurteile, mit Ausnahme der Versäumnisurteile, nicht anzuwenden. Soweit ein solches Urteil aufgehoben oder abgeändert wird, ist der Kläger auf Antrag des Beklagten zur Erstattung des von diesem auf Grund des Urteils Gezahlten oder Geleisteten zu verurteilen. Die Erstattungspflicht des Klägers bestimmt sich nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung. Wird der Antrag gestellt, so ist der Anspruch auf Erstattung als zur Zeit der Zahlung oder Leistung rechtshängig geworden anzusehen; die mit der Rechtshängigkeit nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts verbundenen Wirkungen treten mit der Zahlung oder Leistung auch dann ein, wenn der Antrag nicht gestellt wird.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.