Landgericht Essen Urteil, 29. Jan. 2015 - 10 S 325/14
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Essen vom 13.08.2014 (22 C 9/14) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil sowie die angefochtene Entscheidung sind vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt vorbehalten, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
1
Gründe
2I.
3Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem privaten Krankenversicherungsvertrag.
4Wegen des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 189-191 d.A.) verwiesen.
5Das Amtsgericht hat durch Urteil vom 13.08.2014 die Klage vollumfänglich abgewiesen. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass der Klägerin für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum Mai bis Dezember 2012 kein weiterer Anspruch auf Prämienzahlung mehr zustehe, da dieser bereits durch Erfüllung erloschen sei. Dabei seien die unstreitigen Zahlung des Beklagten vom 21.12.2012, 08.03.2012 und 28.05.2013 in einer Gesamthöhe von 2.248,58 € deswegen zur Erfüllung der vollen Prämienzahlungsverpflichtung ausreichend gewesen, weil sich der monatliche Prämienzahlungsanspruch der Klägerin im verfahrens-gegenständlichen Zeitraum entgegen ihrer eigenen Berechnung nicht auf 429,52 €, sondern vielmehr auf 100,92 € belaufen habe. Der Reduzierung der Prämienzahlungsverpflichtung läge dabei eine rückwirkende Einstufung des Beklagten in den Notlagentarif nach § 12h VAG zugrunde.
6Die Klägerin verfolgt mit ihrer Berufung ihr erstinstanzliches Antragsziel weiter. Sie ist der Auffassung, dass das Amtsgericht verkannt habe, dass der verfahrensgegenständliche Abrechnungszeitraum vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung lag. Die Voraussetzungen, von denen nach Art. 7 EGVVG iVm § 193 VVG die rückwirkende Eingruppierung von Versicherungsnehmern in den Notlagentarif abhänge, habe das Amtsgericht nicht geprüft. Insbesondere habe das Amtsgericht verkannt, dass eine entsprechende rückwirkende Eingruppierung nur in Betracht komme, wenn zum Stichtag des Inkrafttretens des Gesetzes am 01.08.2013 noch ein Versicherungsverhältnis fortbestanden hätte und dieses nach § 193 VI VVG in der Phase der Ruhendstellung gewesen wäre. Beides sei indes nicht der Fall gewesen.
7Die Klägerin beantragt nunmehr,
8unter Abänderung des am 13.08.2014 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Essen, Az. 22 C 9/14, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 2.334,76 € nebst 1% Säumniszuschlag pro angefangenem Monat, jeweils aus 243,90 € seit Mai 2012 und je aus 429,52 € seit Juni, Juli, August, September, Oktober, November und Dezember 2012 sowie Auskunftskosten in Höhe von 0,69 € zu zahlen.
9Der Beklagte beantragt,
10die Berufung zurückzuweisen.
11Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und insbesondere die fehlerfreie rechtliche Würdigung des Amtsgerichts.
12II.
13Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
14Der Klägerin steht kein Anspruch mehr auf Prämienzahlung für den Zeitraum Mai 2012 bis Dezember 2012 aus § 1 VVG iVm mit dem Krankenversicherungsvertrag zu.
15Zu Recht ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass dieser Anspruch durch die unstreitigen Zahlungen des Beklagten im verfahrensgegenständlichen Zeitraum in Höhe von insgesamt 2.248,58 € bereits erfüllt wurden. Dabei ist das Amtsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass für die Berechnung der Höhe der Prämien der gesetzliche Notlagentarif nach § 12h VAG zugrundezulegen war.
16Inwiefern der Notlagentarif, welcher durch das Gesetz zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung vom 15.07.2013 eingeführt wurde, auch auf solche Versicherungsverhältnisse Anwendung finden kann, in denen eine Ruhendstellung des Vertrages vor dem Stichtag 01.08.2013 eingetreten ist, ist in der Übergangsvorschrift des Art. 7 EGVVG geregelt. Nach Art. 7 S. 2 EGVVG gelten Versicherungsnehmer rückwirkend ab dem Zeitpunkt, zu dem die Leistungen aus dem Vertrag ruhend gestellt worden sind, als im Notlagentarif versichert, wenn die monatliche Prämie des Notlagentarifes niedriger ist als die in diesem Zeitpunkt geschuldete Prämie. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Unstreitig wurde der Versicherungsvertrag des Beklagten aufgrund des vormals bestehenden Zahlungsverzuges am 03.05.2011 ruhend gestellt. Die monatliche Prämie des Notlagentarifes (hier: 100,92 €) ist auch erheblich niedriger als die zum Zeitpunkt der Ruhendstellung geschuldete Prämie (429,52 €).
17Soweit die Klägerin der Auffassung ist, dass eine rückwirkende Eingruppierung in den Notlagentarif nur dann in Betracht komme, wenn zum Stichtag 01.08.2013 noch ein Versicherungsverhältnis bestand und dieses auch weiterhin ruhend gestellt war, ist eine ausreichende gesetzliche Grundlage für dieses Annahme nicht ersichtlich (so für das Merkmal der Ruhendstellung: KG Berlin, Urteil vom 07.11.2014, 6 U 194/11). Insbesondere ergibt sich ein entsprechendes Erfordernis nicht aus Art. 7 S. 1 EGVVG. Denn Art. 7 S. 1 EGVVG enthält keine Bestimmungen zur Rückwirkung des Notlagentarifs. Die Regelung des Art. 7 EGVVG hat zwei unterschiedliche Regelungsgegenstände zum Inhalt hat, nämlich zum einen die Geltung des Notlagentarifs für die Zukunft (S. 1) und zum anderen die Rückwirkung des Notlagentarifes für Sachverhalte, die vor dem 01.08.2013 liegen (S. 2-6). Dass für eine Anwendung des Notlagentarifes ab dem 01.08.2013 Voraussetzung ist, dass auch zu diesem Zeitpunkt noch eine Ruhendstellung nach § 193 VI VVG vorliegt, liegt in der Natur der Sache, da die Ruhendstellung wegen Zahlungsverzuges gerade die Grundlage für den vom Gesetzgeber angenommen Bedarf einer Reduzierung der Prämienzahlungspflicht darstellt. Dass dieses Erfordernis auch für die rückwirkende Einstufung in den Notlagentarif gelten soll, ergibt sich aus dem Gesetzeswortlaut nicht, zumal in den Sätzen 2-6 des Art. 7 EGVVG auf die Regelung in Satz 1 nicht Bezug genommen wird.
18Auch erfordern Sinn und Zweck des Gesetzes eine einschränkende Auslegung des Geltungsbereichs der Rückwirkungsfiktion nicht. Art. 7 EGVVG ist Teil des Gesetzes zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung. Schon der Name des Gesetzes belegt, dass die Entlastung finanziell schwacher Versicherungsnehmer das zentrale Motiv des Gesetzgebers war. Auch nach der Gesetzesbegründung sollen durch die Einführung des Notlagentarifes primär säumige Versicherungsnehmer vor weiterer Überschuldung geschützt werden (vgl. Gesetzesbegründung BT-Drs. 17/13947, S. 31). Mit der vorliegenden Regelung wird deshalb vorgesehen, dass säumige Versicherungsnehmer rückwirkend von dem Zeitpunkt an als im Notlagentarif versichert gelten, zu dem ihr Vertrag ruhend gestellt wurde. Wegen der niedrigeren Prämie des Notlagentarifs verringern sich die aufgebauten Beitragsschulden der Versicherungsnehmer i. d. R. damit deutlich und die Zahlungsfähigkeit des Einzelnen kann schneller wieder hergestellt werden (vgl. die Gesetzesbegründung, a.a.O.). Warum dieser Schutz der Versicherungsnehmer vor Überschuldung dann nicht mehr geboten sein soll, wenn sich der Versicherungsstatus später ändert, ist nicht nachvollziehbar. Dies gilt umso mehr, wenn - wie im vorliegenden Fall - der nachträglichen Änderung des Vertragsstatus eine weitere Verschlechterung der persönlichen Finanzsituation des Versicherungsnehmers infolge einer Inhaftierung zugrundeliegt.
19Soweit zur Begründung der Gegenauffassung (soweit ersichtlich nur LG Dortmund, Urteil vom 19.12.2013, 2 O 315/13) darauf verwiesen wird, dass ein Erfordernis einer Fortdauer der Ruhendstellung bis zum 01.08.2013 daraus ersichtlich werde, dass der Gesetzgeber in § 193 VIII VVG eine Belehrungspflicht hinsichtlich der zukünftigen Prämienhöhe und die Folgen für die Anrechnung der Altersrückstellung geregelt habe, die nur bei einer Fortdauer des Vertrages überhaupt Sinn ergebe, überzeugt dieses Argument nicht. Denn die Belehrungspflicht aus § 193 VIII VVG stellt erkennbar lediglich auf den Normallfall des Eingreifens des Notlagentarifes für die Zukunft ab. Dass der Gesetzgeber insofern den Ausnahmefall der Rückwirkung aus der Übergangsvorschrift des Art. 7 EGVVG bedacht hat und diesbezüglich eine Klarstellung hinsichtlich des Erfordernisses einer weitergehenden Ruhendstellung ab dem Stichtag 01.08.2013 treffen wollte, ist weder ersichtlich, noch naheliegend.
20III.
21Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
22IV.
23Die Kammer hat gem. § 543 II S. 1 Nr. 1 ZPO die Revision zugelassen, weil der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Frage der Anforderungen an einer rückwirkende Einstufung in den Notlagentarif des § 12h VAG stellt sich als eine klärungsbedürftige Rechtsfrage dar, die sich in der Übergangszeit in einer großen Vielzahl von Versicherungsverhältnissen stellen wird. Eine gefestigte obergerichtliche Rechtsprechung zu dieser Rechtsfrage besteht derzeit noch nicht.
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Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
T a t b e s t a n d
2Die Klägerin macht mit der Klage Versicherungsbeiträge aus einer zwischen den Parteien bestehenden privaten Krankenversicherung für den Zeitraum 01.05.2012 bis 01.01.2013 geltend.
3Die monatliche Beitragspflicht belief sich in dem bestehenden Tarif auf 429,52 €. Der im Notlagentarif geltende monatliche Beitrag belief sich im streitgegenständlichen Zeitraum auf 100,92 €.
4Nach eingetretenem Zahlungsverzug des Beklagten stellte die Klägerin mit Schreiben vom 03.05.2011 das Ruhen der Leistungen aus der privaten Krankenversicherung fest.
5Der Beklagte leistete am 21.12.2012 einen Betrag in Höhe von 1.389,54 €, am 08.03.2013 einen Betrag in Höhe von 429,52 € und am 28.05.2013 einen weiteren Betrag in Höhe von 429,52 € an die Klägerin, ohne jedoch eine Tilgungsbestimmung zu treffen.
6Mit Schreiben vom 22.03.2013 verweigerte die Klägerin die Erstattung eingereichter Arztrechnungen und bezog sich diesbezüglich auf das bereits festgestellte Ruhen der Leistungen.
7Am 25.03.2013 trat der Beklagte eine Haftstrafe an, aus der er am 14.11.2013 wieder entlassen wurde.
8Unter dem 22.04.2013 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass er sich in Haft befinde und über die Justizbehörde krankenversichert sei. Mit Schreiben vom 08.05.2013 bot die Klägerin dem Beklagten den Abschluss einer Anwartschaftsversicherung für die Haftdauer an. Unter dem 22.05.2013 erklärte der Beklagte die Annahme der Anwartschaftsversicherung.
9Die Klägerin behauptet, die Zahlung des Klägers in Höhe von 1.389,54 € vom 21.12.2012 auf ältere und bereits titulierte Beitragsforderungen verrechnet zu haben. Lediglich in Höhe eines Betrags 185,62 € habe eine Verrechnung auf die Forderungen aus dem streitgegenständlichen Prämienzeitraum erfolgen können. Die beiden weiteren Zahlungen seien ausweislich des geänderten Klageantrages bereits berücksichtigt. Sie ist der Auffassung, dass der Beklagte nicht in den Notlagentarif gem. § 12h VAG eingestuft werden könne, da zum Stichtag des 01.08.2013 das Ruhen der Leistungen nicht gem. § 193 Abs. 6 S. 1 VVG festgestellt gewesen sei, da der Beklagte sich zu diesem Zeitpunkt in Haft befunden habe und gem. § 56 Abs. 1 StVollzG krankenversichert gewesen sei. Zum Stichtag des 01.08.2013 habe kein substitutiver Krankenversicherungsvertrag, bei dem das Ruhen der Leistungen gem. § 193 Abs. 6 VVG festgestellt werden kann, sondern lediglich eine Anwartschaftsversicherung zwischen den Parteien bestanden.
10Die Klägerin kündigte nach Klagerücknahme in Höhe von 67,79 € und teilweiser Erledigungserklärung in Höhe von 859,04 € zunächst den Antrag an, den Beklagten zu verurteilen an die Klägerin 2.391,50 € nebst 1 Prozent Säumniszuschläge pro angefangenen Monat jeweils aus 243,90 € aus Mai 2012 und je aus 429,52 € seit Juni 2012, sowie Auskunftskosten in Höhe von 0,69 € zu zahlen. Sodann erklärte die Klägerin den Rechtsstreits in Höhe von weiteren 56,74 € teilweise in der Hauptsache für erledigt und beantragt nunmehr,
11den Beklagten wird zu verurteilen, an den Klägerin 2.334,76 € nebst 1% Säumniszuschlag pro angefangenen Monat jeweils aus 243,90 € seit Mai 2012 und je aus 429,52 € seit Juni, Juli, August, September, Oktober, November und Dezember 2012 sowie Auskunftskosten in Höhe von 0,69 € zu zahlen.
12Der Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Der Beklagte behauptet, dass Beitragsrückstände für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht bestünden. Der Beklagte ist der Ansicht, dass er in den Notlagentarif einzustufen gewesen sei und demgemäß für den streitgegenständlichen Zeitraum lediglich einen monatlichen Beitrag in Höhe von 100,92 € schulde. Die Voraussetzungen für die Einstufung in den Notlagentarif lägen vor. Das Ruhen der Leistungen sei bereits im Mai 2011 festgestellt worden. Daran habe sich weder während der Haftdauer noch nach seiner Entlassung aus dieser etwas geändert. Während seiner Haft habe der Versicherungsvertrag fortbestanden, lediglich seine Durchführungsform sei von der aktiven Phase in eine Ruhensphase geändert worden. Es könne nach dem Sinn und Zweck des § 12h VAG nicht darauf ankommen, dass das Versicherungsverhältnis ununterbrochen „normal“ fortgeführt werde. Intention des Gesetzgebers sei die Entlastung der Versicherungsnehmer gewesen.
15Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der zwischen Ihnen gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen Bezug genommen.
16E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
17Die Klage ist zulässig aber unbegründet.
18Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung rückständiger Beiträge in Höhe von 2.334,76 € aus § 1 VVG i.V.m. dem bestehenden privaten Krankenversicherungsvertrag.
19In dem streitgegenständlichen Zeitraum von Mai 2012 bis einschließlich Dezember 2012 bestand für den Beklagten lediglich eine eingeschränkte Beitragspflicht in Höhe von monatlich 100,92 €, da für den Beklagten rückwirkend der gesetzliche Notlagentarif gem. § 193 Abs. 7 VVG i.V.m. § 12h VAG gilt. In dem streitgegenständlichen Zeitraum schuldete der Beklagte insgesamt Beiträge in Höhe von 807,36 € (8 Monate x 100,92 €). Durch die unstreitig geleisteten Zahlungen des Beklagten am 08.03.2013 und 28.05.2013 in Höhe von jeweils 429,52 €, die die Klägerin auf die Klageforderung verrechnet hat, ist bereits vollständige Erfüllung gem. § 362 BGB für den allein in Streit stehenden Zeitraum eingetreten.
20Die Voraussetzungen für die Einstufung in den gesetzlichen Notlagentarif gem. § 193 Abs. 7 VVG, § 12h VAG liegen vor.
21Das Ruhen der Leistungen gem. § 193 Abs. 6 Satz 1 VVG war bereits im Mai 2011 festgestellt worden. Das Ruhen der Leistungen bestand auch noch zum Stichtag am 01.08.2013 fort.
22Zwar befand sich der Beklagte vom 25.03.2013 bis zum 14.11.2013 in Haft und war demgemäß während des Stichtags am 01.08.2013 über § 56 Abs. 1 StVollzG krankenversichert. Allerdings schloss der Beklagte für den Zeitraum der Haft eine Anwartschaftsversicherung ab, die weder dazu führte, dass der Versicherungsvertrag beendet, noch dass das Ruhen der Leistungen aufgehoben wurde. Vielmehr wurde der bestehende Versicherungsvertrag - und zwar in seiner ohnehin bereits ruhenden Phase - von seiner aktiven in eine ruhende Phase überführt, die wieder auflebte, als der Versicherungsvertrag fortgeführt wurde.
23Denn eine Anwartschaftsversicherung verfolgt den Zweck, latente Rechte aufzubauen und bereits erworbene Rechte zu erhalten. Der Versicherte erwirbt bzw. behält eine Anwartschaft auf alle Rechte aus der Versicherung mit Ausnahme der Leistungsansprüche aus Versicherungsfällen, die während der Dauer der Anwartschaftsversicherung eintreten (vgl. Münchener Kommentar-Boetius, VVG 1. Aufl. 2009, Vor § 192 Rn. 608). Die Anwartschaftsversicherung begründet den vollen Versicherungsschutz des jeweiligen Tarifs mit Ausnahme der laufenden Leistungsansprüche (vgl. Münchener Kommentar-Boetius, VVG 1. Aufl. 2009, Vor § 192 Rn. 608).
24Nach Auffassung des erkennenden Gerichts bedeutet dies, dass nach Wiederaufleben des bestehenden privaten Krankenversicherungsvertrages dieser so fortbesteht und zu behandeln ist, als habe die ruhende Phase aufgrund des abgeschlossenen Anwartschaftsversicherungsvertrags nie bestanden.
25Andernfalls führte der Umstand, dass die Klägerin im vorliegenden Fall während der Haft des Beklagten nicht einmal mehr den eingeschränkten Versicherungsschutz schuldete, sogar noch zu dem Ergebnis, dass sie trotzdessen Anspruch auf die vollen Beiträge hätte. Wohingegen eine Einstufung in den Notlagentarif ohne Weiteres erfolgt wäre, wenn der Beklagte nicht inhaftiert gewesen wäre und aufgrund dessen noch eingeschränkten Versicherungsschutz der Klägerin genossen hätte.
26Dies entspricht nicht dem Sinn und Zweck des Gesetzes, welcher darin liegt, die Versicherungsnehmer zu entlasten, die nach alter Rechtslage nach Feststellung des Ruhens der Leistungen nach § 193 Abs. 6 Satz 1 VVG nur noch stark eingeschränkten Versicherungsschutz genossen, jedoch weiterhin zur vollen Beitragspflicht verpflichtet waren. Genau in dieser Situation befand sich auch der Beklagte und zwar vor Antritt der Haftstrafe als auch nach seiner Entlassung aus dieser.
27Der Beklagte ist somit rückwirkend zum Zeitpunkt der früheren Ruhendstellung im Mai 2011 im Notlagentarif gem. §12 h VAG mit reduzierter Beitragspflicht versichert, da die monatliche Prämie des Notlagentarifs (100,92 €) günstiger ist, als diejenige, die in diesem Zeitpunkt geschuldet war (429,52 €).
28Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
29Der Streitwert des Rechtsstreits wird zunächst auf 3.318,33 €, ab dem 10.06.2013 auf 2.391,50 € und ab dem 19.08.2013 auf 2.334,76 € auf festgesetzt.
30Rechtsbehelfsbelehrung:
31A) Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
32a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
33b) wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
34Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Essen, Zweigertstr. 52, 45130 Essen, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
35Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Essen zu begründen.
36Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Essen durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
37Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
38B) Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Amtsgericht Essen statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Amtsgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Amtsgericht Essen, Zweigertstr. 52, 45130 Essen, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.
39Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
(1) Die Krankenversicherung kann auf die Person des Versicherungsnehmers oder eines anderen genommen werden. Versicherte Person ist die Person, auf welche die Versicherung genommen wird.
(2) Soweit nach diesem Gesetz die Kenntnis und das Verhalten des Versicherungsnehmers von rechtlicher Bedeutung sind, ist bei der Versicherung auf die Person eines anderen auch deren Kenntnis und Verhalten zu berücksichtigen.
(3) Jede Person mit Wohnsitz im Inland ist verpflichtet, bei einem in Deutschland zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Versicherungsunternehmen für sich selbst und für die von ihr gesetzlich vertretenen Personen, soweit diese nicht selbst Verträge abschließen können, eine Krankheitskostenversicherung, die mindestens eine Kostenerstattung für ambulante und stationäre Heilbehandlung umfasst und bei der die für tariflich vorgesehene Leistungen vereinbarten absoluten und prozentualen Selbstbehalte für ambulante und stationäre Heilbehandlung für jede zu versichernde Person auf eine betragsmäßige Auswirkung von kalenderjährlich 5.000 Euro begrenzt ist, abzuschließen und aufrechtzuerhalten; für Beihilfeberechtigte ergeben sich die möglichen Selbstbehalte durch eine sinngemäße Anwendung des durch den Beihilfesatz nicht gedeckten Vom-Hundert-Anteils auf den Höchstbetrag von 5.000 Euro. Die Pflicht nach Satz 1 besteht nicht für Personen, die
- 1.
in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert oder versicherungspflichtig sind oder - 2.
Anspruch auf freie Heilfürsorge haben, beihilfeberechtigt sind oder vergleichbare Ansprüche haben im Umfang der jeweiligen Berechtigung oder - 3.
Anspruch auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz haben oder - 4.
Empfänger laufender Leistungen nach dem Dritten, Vierten und Siebten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und Empfänger von Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch sind für die Dauer dieses Leistungsbezugs und während Zeiten einer Unterbrechung des Leistungsbezugs von weniger als einem Monat, wenn der Leistungsbezug vor dem 1. Januar 2009 begonnen hat.
(4) Wird der Vertragsabschluss später als einen Monat nach Entstehen der Pflicht nach Absatz 3 Satz 1 beantragt, ist ein Prämienzuschlag zu entrichten. Dieser beträgt einen Monatsbeitrag für jeden weiteren angefangenen Monat der Nichtversicherung, ab dem sechsten Monat der Nichtversicherung für jeden weiteren angefangenen Monat der Nichtversicherung ein Sechstel eines Monatsbeitrags. Kann die Dauer der Nichtversicherung nicht ermittelt werden, ist davon auszugehen, dass der Versicherte mindestens fünf Jahre nicht versichert war. Der Prämienzuschlag ist einmalig zusätzlich zur laufenden Prämie zu entrichten. Der Versicherungsnehmer kann vom Versicherer die Stundung des Prämienzuschlages verlangen, wenn den Interessen des Versicherers durch die Vereinbarung einer angemessenen Ratenzahlung Rechnung getragen werden kann. Der gestundete Betrag ist zu verzinsen. Wird der Vertragsabschluss bis zum 31. Dezember 2013 beantragt, ist kein Prämienzuschlag zu entrichten. Dies gilt für bis zum 31. Juli 2013 abgeschlossene Verträge für noch ausstehende Prämienzuschläge nach Satz 1 entsprechend.
(5) Der Versicherer ist verpflichtet,
- 1.
allen freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten - a)
innerhalb von sechs Monaten nach Einführung des Basistarifes, - b)
innerhalb von sechs Monaten nach Beginn der im Fünften Buch Sozialgesetzbuch vorgesehenen Wechselmöglichkeit im Rahmen ihres freiwilligen Versicherungsverhältnisses,
- 2.
allen Personen mit Wohnsitz in Deutschland, die nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig sind, nicht zum Personenkreis nach Nummer 1 oder Absatz 3 Satz 2 Nr. 3 und 4 gehören und die nicht bereits eine private Krankheitskostenversicherung mit einem in Deutschland zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Versicherungsunternehmen vereinbart haben, die der Pflicht nach Absatz 3 genügt, - 3.
Personen, die beihilfeberechtigt sind oder vergleichbare Ansprüche haben, soweit sie zur Erfüllung der Pflicht nach Absatz 3 Satz 1 ergänzenden Versicherungsschutz benötigen, - 4.
allen Personen mit Wohnsitz in Deutschland, die eine private Krankheitskostenversicherung im Sinn des Absatzes 3 mit einem in Deutschland zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Versicherungsunternehmen vereinbart haben und deren Vertrag nach dem 31. Dezember 2008 abgeschlossen wird,
- 1.
den Versicherungsvertrag wegen Drohung oder arglistiger Täuschung angefochten hat oder - 2.
vom Versicherungsvertrag wegen einer vorsätzlichen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht zurückgetreten ist.
(6) Ist der Versicherungsnehmer in einer der Pflicht nach Absatz 3 genügenden Versicherung mit einem Betrag in Höhe von Prämienanteilen für zwei Monate im Rückstand, hat ihn der Versicherer zu mahnen. Der Versicherungsnehmer hat für jeden angefangenen Monat eines Prämienrückstandes an Stelle von Verzugszinsen einen Säumniszuschlag in Höhe von 1 Prozent des Prämienrückstandes zu entrichten. Ist der Prämienrückstand einschließlich der Säumniszuschläge zwei Monate nach Zugang der Mahnung höher als der Prämienanteil für einen Monat, mahnt der Versicherer ein zweites Mal und weist auf die Folgen nach Satz 4 hin. Ist der Prämienrückstand einschließlich der Säumniszuschläge einen Monat nach Zugang der zweiten Mahnung höher als der Prämienanteil für einen Monat, ruht der Vertrag ab dem ersten Tag des nachfolgenden Monats. Das Ruhen des Vertrages tritt nicht ein oder endet, wenn der Versicherungsnehmer oder die versicherte Person hilfebedürftig im Sinne des Zweiten oder Zwölften Buches Sozialgesetzbuch ist oder wird; die Hilfebedürftigkeit ist auf Antrag des Versicherungsnehmers vom zuständigen Träger nach dem Zweiten oder dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch zu bescheinigen.
(7) Solange der Vertrag ruht, gilt der Versicherungsnehmer als im Notlagentarif nach § 153 des Versicherungsaufsichtsgesetzes versichert. Risikozuschläge, Leistungsausschlüsse und Selbstbehalte entfallen während dieser Zeit. Der Versicherer kann verlangen, dass Zusatzversicherungen ruhen, solange die Versicherung nach § 153 des Versicherungsaufsichtsgesetzes besteht. Ein Wechsel in den oder aus dem Notlagentarif nach § 153 des Versicherungsaufsichtsgesetzes ist ausgeschlossen. Ein Versicherungsnehmer, dessen Vertrag nur die Erstattung eines Prozentsatzes der entstandenen Aufwendungen vorsieht, gilt als in einer Variante des Notlagentarifs nach § 153 des Versicherungsaufsichtsgesetzes versichert, die Leistungen in Höhe von 20, 30 oder 50 Prozent der versicherten Behandlungskosten vorsieht, abhängig davon, welcher Prozentsatz dem Grad der vereinbarten Erstattung am nächsten ist.
(8) Der Versicherer übersendet dem Versicherungsnehmer in Textform eine Mitteilung über die Fortsetzung des Vertrages im Notlagentarif nach § 153 des Versicherungsaufsichtsgesetzes und über die zu zahlende Prämie. Dabei ist der Versicherungsnehmer in herausgehobener Form auf die Folgen der Anrechnung der Alterungsrückstellung nach § 153 Absatz 2 Satz 6 des Versicherungsaufsichtsgesetzes für die Höhe der künftig zu zahlenden Prämie hinzuweisen. Angaben zur Versicherung im Notlagentarif nach § 153 des Versicherungsaufsichtsgesetzes kann der Versicherer auf einer elektronischen Gesundheitskarte nach § 291a Absatz 1a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch vermerken.
(9) Sind alle rückständigen Prämienanteile einschließlich der Säumniszuschläge und der Beitreibungskosten gezahlt, wird der Vertrag ab dem ersten Tag des übernächsten Monats in dem Tarif fortgesetzt, in dem der Versicherungsnehmer vor Eintritt des Ruhens versichert war. Dabei ist der Versicherungsnehmer so zu stellen, wie er vor der Versicherung im Notlagentarif nach § 153 des Versicherungsaufsichtsgesetzes stand, abgesehen von den während der Ruhenszeit verbrauchten Anteilen der Alterungsrückstellung. Während der Ruhenszeit vorgenommene Prämienanpassungen und Änderungen der Allgemeinen Versicherungsbedingungen gelten ab dem Tag der Fortsetzung.
(10) Hat der Versicherungsnehmer die Krankenversicherung auf die Person eines anderen genommen, gelten die Absätze 6 bis 9 für die versicherte Person entsprechend.
(11) Bei einer Versicherung im Basistarif nach § 152 des Versicherungsaufsichtsgesetzes kann das Versicherungsunternehmen verlangen, dass Zusatzversicherungen ruhen, wenn und solange ein Versicherter auf die Halbierung des Beitrags nach § 152 Absatz 4 des Versicherungsaufsichtsgesetzes angewiesen ist.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
T a t b e s t a n d
2Die Klägerin macht mit der Klage Versicherungsbeiträge aus einer zwischen den Parteien bestehenden privaten Krankenversicherung für den Zeitraum 01.05.2012 bis 01.01.2013 geltend.
3Die monatliche Beitragspflicht belief sich in dem bestehenden Tarif auf 429,52 €. Der im Notlagentarif geltende monatliche Beitrag belief sich im streitgegenständlichen Zeitraum auf 100,92 €.
4Nach eingetretenem Zahlungsverzug des Beklagten stellte die Klägerin mit Schreiben vom 03.05.2011 das Ruhen der Leistungen aus der privaten Krankenversicherung fest.
5Der Beklagte leistete am 21.12.2012 einen Betrag in Höhe von 1.389,54 €, am 08.03.2013 einen Betrag in Höhe von 429,52 € und am 28.05.2013 einen weiteren Betrag in Höhe von 429,52 € an die Klägerin, ohne jedoch eine Tilgungsbestimmung zu treffen.
6Mit Schreiben vom 22.03.2013 verweigerte die Klägerin die Erstattung eingereichter Arztrechnungen und bezog sich diesbezüglich auf das bereits festgestellte Ruhen der Leistungen.
7Am 25.03.2013 trat der Beklagte eine Haftstrafe an, aus der er am 14.11.2013 wieder entlassen wurde.
8Unter dem 22.04.2013 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass er sich in Haft befinde und über die Justizbehörde krankenversichert sei. Mit Schreiben vom 08.05.2013 bot die Klägerin dem Beklagten den Abschluss einer Anwartschaftsversicherung für die Haftdauer an. Unter dem 22.05.2013 erklärte der Beklagte die Annahme der Anwartschaftsversicherung.
9Die Klägerin behauptet, die Zahlung des Klägers in Höhe von 1.389,54 € vom 21.12.2012 auf ältere und bereits titulierte Beitragsforderungen verrechnet zu haben. Lediglich in Höhe eines Betrags 185,62 € habe eine Verrechnung auf die Forderungen aus dem streitgegenständlichen Prämienzeitraum erfolgen können. Die beiden weiteren Zahlungen seien ausweislich des geänderten Klageantrages bereits berücksichtigt. Sie ist der Auffassung, dass der Beklagte nicht in den Notlagentarif gem. § 12h VAG eingestuft werden könne, da zum Stichtag des 01.08.2013 das Ruhen der Leistungen nicht gem. § 193 Abs. 6 S. 1 VVG festgestellt gewesen sei, da der Beklagte sich zu diesem Zeitpunkt in Haft befunden habe und gem. § 56 Abs. 1 StVollzG krankenversichert gewesen sei. Zum Stichtag des 01.08.2013 habe kein substitutiver Krankenversicherungsvertrag, bei dem das Ruhen der Leistungen gem. § 193 Abs. 6 VVG festgestellt werden kann, sondern lediglich eine Anwartschaftsversicherung zwischen den Parteien bestanden.
10Die Klägerin kündigte nach Klagerücknahme in Höhe von 67,79 € und teilweiser Erledigungserklärung in Höhe von 859,04 € zunächst den Antrag an, den Beklagten zu verurteilen an die Klägerin 2.391,50 € nebst 1 Prozent Säumniszuschläge pro angefangenen Monat jeweils aus 243,90 € aus Mai 2012 und je aus 429,52 € seit Juni 2012, sowie Auskunftskosten in Höhe von 0,69 € zu zahlen. Sodann erklärte die Klägerin den Rechtsstreits in Höhe von weiteren 56,74 € teilweise in der Hauptsache für erledigt und beantragt nunmehr,
11den Beklagten wird zu verurteilen, an den Klägerin 2.334,76 € nebst 1% Säumniszuschlag pro angefangenen Monat jeweils aus 243,90 € seit Mai 2012 und je aus 429,52 € seit Juni, Juli, August, September, Oktober, November und Dezember 2012 sowie Auskunftskosten in Höhe von 0,69 € zu zahlen.
12Der Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Der Beklagte behauptet, dass Beitragsrückstände für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht bestünden. Der Beklagte ist der Ansicht, dass er in den Notlagentarif einzustufen gewesen sei und demgemäß für den streitgegenständlichen Zeitraum lediglich einen monatlichen Beitrag in Höhe von 100,92 € schulde. Die Voraussetzungen für die Einstufung in den Notlagentarif lägen vor. Das Ruhen der Leistungen sei bereits im Mai 2011 festgestellt worden. Daran habe sich weder während der Haftdauer noch nach seiner Entlassung aus dieser etwas geändert. Während seiner Haft habe der Versicherungsvertrag fortbestanden, lediglich seine Durchführungsform sei von der aktiven Phase in eine Ruhensphase geändert worden. Es könne nach dem Sinn und Zweck des § 12h VAG nicht darauf ankommen, dass das Versicherungsverhältnis ununterbrochen „normal“ fortgeführt werde. Intention des Gesetzgebers sei die Entlastung der Versicherungsnehmer gewesen.
15Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der zwischen Ihnen gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen Bezug genommen.
16E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
17Die Klage ist zulässig aber unbegründet.
18Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung rückständiger Beiträge in Höhe von 2.334,76 € aus § 1 VVG i.V.m. dem bestehenden privaten Krankenversicherungsvertrag.
19In dem streitgegenständlichen Zeitraum von Mai 2012 bis einschließlich Dezember 2012 bestand für den Beklagten lediglich eine eingeschränkte Beitragspflicht in Höhe von monatlich 100,92 €, da für den Beklagten rückwirkend der gesetzliche Notlagentarif gem. § 193 Abs. 7 VVG i.V.m. § 12h VAG gilt. In dem streitgegenständlichen Zeitraum schuldete der Beklagte insgesamt Beiträge in Höhe von 807,36 € (8 Monate x 100,92 €). Durch die unstreitig geleisteten Zahlungen des Beklagten am 08.03.2013 und 28.05.2013 in Höhe von jeweils 429,52 €, die die Klägerin auf die Klageforderung verrechnet hat, ist bereits vollständige Erfüllung gem. § 362 BGB für den allein in Streit stehenden Zeitraum eingetreten.
20Die Voraussetzungen für die Einstufung in den gesetzlichen Notlagentarif gem. § 193 Abs. 7 VVG, § 12h VAG liegen vor.
21Das Ruhen der Leistungen gem. § 193 Abs. 6 Satz 1 VVG war bereits im Mai 2011 festgestellt worden. Das Ruhen der Leistungen bestand auch noch zum Stichtag am 01.08.2013 fort.
22Zwar befand sich der Beklagte vom 25.03.2013 bis zum 14.11.2013 in Haft und war demgemäß während des Stichtags am 01.08.2013 über § 56 Abs. 1 StVollzG krankenversichert. Allerdings schloss der Beklagte für den Zeitraum der Haft eine Anwartschaftsversicherung ab, die weder dazu führte, dass der Versicherungsvertrag beendet, noch dass das Ruhen der Leistungen aufgehoben wurde. Vielmehr wurde der bestehende Versicherungsvertrag - und zwar in seiner ohnehin bereits ruhenden Phase - von seiner aktiven in eine ruhende Phase überführt, die wieder auflebte, als der Versicherungsvertrag fortgeführt wurde.
23Denn eine Anwartschaftsversicherung verfolgt den Zweck, latente Rechte aufzubauen und bereits erworbene Rechte zu erhalten. Der Versicherte erwirbt bzw. behält eine Anwartschaft auf alle Rechte aus der Versicherung mit Ausnahme der Leistungsansprüche aus Versicherungsfällen, die während der Dauer der Anwartschaftsversicherung eintreten (vgl. Münchener Kommentar-Boetius, VVG 1. Aufl. 2009, Vor § 192 Rn. 608). Die Anwartschaftsversicherung begründet den vollen Versicherungsschutz des jeweiligen Tarifs mit Ausnahme der laufenden Leistungsansprüche (vgl. Münchener Kommentar-Boetius, VVG 1. Aufl. 2009, Vor § 192 Rn. 608).
24Nach Auffassung des erkennenden Gerichts bedeutet dies, dass nach Wiederaufleben des bestehenden privaten Krankenversicherungsvertrages dieser so fortbesteht und zu behandeln ist, als habe die ruhende Phase aufgrund des abgeschlossenen Anwartschaftsversicherungsvertrags nie bestanden.
25Andernfalls führte der Umstand, dass die Klägerin im vorliegenden Fall während der Haft des Beklagten nicht einmal mehr den eingeschränkten Versicherungsschutz schuldete, sogar noch zu dem Ergebnis, dass sie trotzdessen Anspruch auf die vollen Beiträge hätte. Wohingegen eine Einstufung in den Notlagentarif ohne Weiteres erfolgt wäre, wenn der Beklagte nicht inhaftiert gewesen wäre und aufgrund dessen noch eingeschränkten Versicherungsschutz der Klägerin genossen hätte.
26Dies entspricht nicht dem Sinn und Zweck des Gesetzes, welcher darin liegt, die Versicherungsnehmer zu entlasten, die nach alter Rechtslage nach Feststellung des Ruhens der Leistungen nach § 193 Abs. 6 Satz 1 VVG nur noch stark eingeschränkten Versicherungsschutz genossen, jedoch weiterhin zur vollen Beitragspflicht verpflichtet waren. Genau in dieser Situation befand sich auch der Beklagte und zwar vor Antritt der Haftstrafe als auch nach seiner Entlassung aus dieser.
27Der Beklagte ist somit rückwirkend zum Zeitpunkt der früheren Ruhendstellung im Mai 2011 im Notlagentarif gem. §12 h VAG mit reduzierter Beitragspflicht versichert, da die monatliche Prämie des Notlagentarifs (100,92 €) günstiger ist, als diejenige, die in diesem Zeitpunkt geschuldet war (429,52 €).
28Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
29Der Streitwert des Rechtsstreits wird zunächst auf 3.318,33 €, ab dem 10.06.2013 auf 2.391,50 € und ab dem 19.08.2013 auf 2.334,76 € auf festgesetzt.
30Rechtsbehelfsbelehrung:
31A) Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
32a) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
33b) wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
34Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Essen, Zweigertstr. 52, 45130 Essen, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
35Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Essen zu begründen.
36Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Essen durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
37Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
38B) Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Amtsgericht Essen statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Amtsgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Amtsgericht Essen, Zweigertstr. 52, 45130 Essen, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.
39Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Versicherer verpflichtet sich mit dem Versicherungsvertrag, ein bestimmtes Risiko des Versicherungsnehmers oder eines Dritten durch eine Leistung abzusichern, die er bei Eintritt des vereinbarten Versicherungsfalles zu erbringen hat. Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, an den Versicherer die vereinbarte Zahlung (Prämie) zu leisten.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.