Oberlandesgericht Düsseldorf Grund- und Teilurteil, 30. Aug. 2016 - I-21 U 174/15
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung ihres weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 31.07.2015 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage gegen den Beklagten zu 1) ist dem Grunde nach gerechtfertigt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) und 3) werden der Klägerin auferlegt.
Zur Entscheidung über die Höhe des Anspruchs und über die Kosten der Berufung sowie der übrigen Kosten - mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2 ) und 3) - wird die Sache an das Landgericht Wuppertal zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen die Zwangsvollstreckung (wegen der Kosten) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht zuvor die Beklagten zu 2) und 3) Sicherheit in selber Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages geleistet haben.
Die Revision wird in dem in den Entscheidungsgründen näher dargelegten Umfang zugelassen.
1
Gründe:
2A.
3Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch.
4Die Klägerin erwarb am 21. April 2004 als Bauträgergesellschaft das bis dahin mit einem eingeschossigen Haus bebaute Grundstück A-Straße … in Stadt 1a, katastermäßig erfasst als Gemarkung ….. Flur ….. Flurstück …... Sie beabsichtigte, eine umfangreiche Baumaßnahme durchzuführen. Es sollten drei Mehrfamilienwohnhäuser sowie zwei dahinter liegende Stadthäuser errichtet werden, in denen jeweils Eigentumswohnungen geschaffen und veräußert werden sollten. Zudem sollte eine Tiefgaragenanlage mit Anbindungen an alle fünf Häuser entstehen.
5Zur Realisierung des Objektes hatte die Klägerin bereits Anfang des Jahres 2008 den Beklagten zu 1) mit Architektenleistungen der Leistungsphasen 1-9 beauftragt. Wegen des Inhalts des später schriftlich niedergelegten Vertrages wird Bezug genommen auf die als Anlage K 1 zu den Akten gereichte Vertragsurkunde vom 25. März 2009.
6Unter dem 17. März 2008 stellte der Beklagte zu 1) Antrag auf Erteilung eines Bauvorbescheides, der am 15.07.2008 erteilt wurde und gegen den eine benachbarte Wohnungseigentümergemeinschaft vor dem Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf klagte. Die Klage wurde mit Urteil vom 02.04.2009 (11 K 5800/08) abgewiesen. Rechtsmittel wurde nicht eingelegt. Mit der Wahrnehmung ihrer Rechte in diesem Verfahren beauftragte die Klägerin die Streithelferin zu 1.
7Die Klägerin beauftragte zudem unstreitig zumindest den Beklagten zu 3), der öffentlich bestellter Vermessungsingenieur ist, mit den Leistungen gemäß dem von diesem unterzeichneten Schreiben vom 29. Juli 2008, auf das wegen der Einzelheiten ebenfalls Bezug genommen wird (Anlage K 2). Der Beklagte zu 3) bildete mit dem damals ebenfalls öffentlich zum Vermessungsingenieur bestellten Beklagten zu 2) eine Arbeitsgemeinschaft. Auf der Grundlage vom Beklagten zu 1) übermittelter Planunterlagen erstellte der Beklagte zu 3) unter dem 10. Dezember 2008 eine Abstandsflächenberechnung (Anlage K 5) für die Häuser A bis C, welche als Anlage zu dem von ihm ebenfalls erstellten amtlichen Lageplan zur Bauvorlage vom selben Tag (Anlage K 36) genommen wurde.
8Die Klägerin reichte die Bauunterlagen inklusive dieses sowie eines auf die Häuser D und E erweiterten Lageplanes vom 6. Juli 2009 (Anlage A 10 Beklagter zu 3) bei der Stadt Stadt 1 ein. Die Stadt erteilte unter dem 23. Juli 2009 die beantragte Baugenehmigung für die Häuser A bis C, nach deren Erhalt die Klägerin im September 2009 mit den Bauarbeiten begann. Unter dem 11. Dezember 2009 genehmigte die Stadt die Häuser D und E. Unmittelbar neben dem Baugrundstück wohnende Nachbarn erhoben gegenüber der Stadt fristgerecht Nachbarklage gegen die Baugenehmigungen beim VG Düsseldorf und stellten zugleich einen Eilantrag, die aufschiebende Wirkung dieser Anfechtungsklage anzuordnen. Mit Kammerbeschluss vom 25. Januar 2010 lehnte das VG Letzteres ab (vgl. Bl. 145-148 der Beiakte 11 L 1344/09, VG Düsseldorf), wogegen die Nachbarn Beschwerde einlegten. Am 17. März 2010 ordnete sodann das Oberverwaltungsgericht (OVG) für das Land Nordrhein-Westfalen durch Beschluss die aufschiebende Wirkung an. Nach Auffassung des OVG wurden die erforderlichen Abstandsflächen durch das genehmigte Bauvorhaben der Klägerin unzulässig unterschritten. Wegen der Einzelheiten, auch wegen der zwischenzeitlichen Grundstücksverhältnisse inklusive einer Vereinigungsbaulast, wird Bezug genommen auf die Entscheidungsgründe des Beschlusses (vgl. Bl. 250-254R der o.g. Beiakte). Die diesbezüglichen Argumente waren weder von den Nachbarn im Rahmen der anwaltlichen Schriftsätze noch vom VG Düsseldorf erörtert worden.
9Die Klägerin legte nach Erhalt der Entscheidung die Bauarbeiten zunächst still und strebte dann eine schnellstmögliche Umplanung an, um vollziehbare neue Baugenehmigungen zu erhalten. Im Anschluss an den Beschluss des OVG fand ein Abstimmungsgespräch unter Beteiligung der Klägerin, der Beklagten zu 1) und 3) und der von der Klägerin beauftragten Streithelferin zu 1) statt. Der entwickelten Lösung gemäß erfolgte eine Modifikation der Planung durch den Beklagten zu 1) und in seinem Aufgabenbereich zumindest auch durch den Beklagten zu 3). Auf Basis der modifizierten Planung erhielt die Klägerin Nachtragsbaugenehmigungen der Stadt Stadt 1 vom 14. April 2010. Mit Beschluss vom 20. Juli 2010 (Anlage K 7) ordnete das VG Düsseldorf die aufschiebende Wirkung der auch hiergegen von den Nachbarn erhobenen Anfechtungsklage an. Im Anschluss an eine erneute Umplanung erteilte die Stadt Stadt 1 unter dem 6. August 2010 eine weitere (Nachtrags-) Baugenehmigung, welche bestandskräftig wurde.
10Die Baumaßnahme ist inzwischen umgesetzt.
11Die Klägerin hat behauptet:
12Sie habe das Vermessungsbüro und nicht allein den Beklagten zu 3) beauftragt.
13Es wäre unproblematisch möglich gewesen, die den Ursprungsplanungen entsprechende verkaufbare Geschossfläche insgesamt zu realisieren, hätten die Beklagten, insbesondere der Beklagte zu 1), die Abstandsflächenproblematik erkannt und umgesetzt. Sie, die Klägerin, sei zu keinem Zeitpunkt durch einen der Beklagten darauf hingewiesen worden, dass die der Genehmigung zugrunde liegende Planung rechtsfehlerhaft oder rechtlich riskant gewesen sei. Ansonsten hätte sie die angegriffene Baugenehmigung niemals beantragt, sondern wäre einen rechtssicheren Weg gegangen. Ihr seien im Zuge des Baustillstands und der Umplanungen enorme zusätzliche Kosten entstanden, u. a. Nachträge und Stillstandskosten der Streithelferin zu 2) über 70.170,33 EUR und Avalkosten von 126.963,93 EUR. Zudem seien ihr wirtschaftliche Einbußen wegen Mindererlösen in Höhe von 125.420,00 EUR entstanden. Diese hätten auch dann vermieden werden können, wenn der Beklagte zu 1) den Gebäudekörper von Haus A bei der Umplanung anders gestaltet hätte. Zu dem geltend gemachten Gesamtschaden in Höhe von 431.296,02 EUR hat die Klägerin umfangreich vorgetragen.
14Sie war in erster Instanz der Ansicht,
15der Beklagte zu 1) habe eine dauerhaft genehmigungsfähige Planung geschuldet und hierfür verschuldensunabhängig einzustehen. Die Berechnung von Abstandsflächen stelle Grundwissen dar, über das der Architekt verfügen müsse. Bereits unter dem 22. Januar 2007 sei ein veröffentlichter Beschluss des OVG ergangen, welcher der Rechtsprechung entspreche, die auch in dem Beschluss vom 17. März 2010 zur Aufhebung der Baugenehmigung geführt habe. Auch die weiteren Beklagten, der Beklagte zu 2) zumindest als Gesellschafter, hätten für die fehlerhaft berechneten Abstandsflächen einzustehen.
16Die Klägerin und ihre Streithelferin zu 1) haben erstinstanzlich beantragt,
171. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 431.296,02 EUR nebst fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz liegender Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
182. die Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 12.345,77 EUR vorprozessualer Rechtsanwaltskosten nebst fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz liegender Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
19Die Beklagten hatten beantragt,
20die Klage abzuweisen.
21Der Beklagte zu 1) war der Auffassung, die Abstandsflächenberechnung habe den von der Klägerin beauftragten Vermessungsingenieuren oblegen.
22Der Beklagte zu 2) hat behauptet, er sei mit dem gesamten Vorgang nicht befasst gewesen.
23Die Beklagten zu 2) und 3) waren der Auffassung, dass die von dem Beklagten zu 3) entfaltete Tätigkeit hoheitlicher Natur gewesen sei.
24Das Landgericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 18. November 2013 (Bl. 342 ff. d.A.) durch Einholung eines Sachverständigengutachtens sowie durch Vernehmung der Zeugin B. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen ÖbVI C vom 3. Juli 2014 sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 13. Mai 2015 (Bl. 475 ff. d.A.).
25Die Akten 11 L 1344/09, 11 K 5630/09, 11 L 787/10 und 11 K 3200/10 des VG Düsseldorf waren und sind beigezogen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung erster und zweiter Instanz.
26Das Landgericht hat die Klage in vollem Umfang abgewiesen und dies im Wesentlichen wie folgt begründet:
27Der Klägerin stünden gegen den Beklagten zu 1) keine Schadensersatzansprüche aus §§ 633, 634 Nr. 4, 280 BGB zu.
28Der ursprünglichen Planung des Beklagten zu 1) hafte zwar ein Werkmangel an, da ein Architekt, der sich zur Erstellung einer Genehmigungsplanung verpflichtet, als Erfolg eine dauerhaft genehmigungsfähige Planung schulde und dieser Erfolg infolge der Entscheidung des OVG Münster vom 17. März 2010 vereitelt worden sei, auch wenn diese in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ergangen sei, da der Klägerin ein Rechtsmittel nicht zur Verfügung gestanden habe (unter Verweis auf § 152 Abs. 1 VwGO). Es sei zudem nicht zu erwarten gewesen, dass das OVG in der Hauptsache von seiner Rechtsauffassung abrücken werde.
29Den Beklagten zu 1) treffe aber kein Verschuldensvorwurf. Ein Architekt müsse zwar grundsätzlich die zur Lösung der ihm übertragenen Planungsaufgaben notwendigen Kenntnisse auf dem Gebiet des Bauplanungs- und Bauordnungsrechts besitzen. So sei in der Rechtsprechung auch anerkannt, dass die Einhaltung der Grenzabstände nach Bauordnungsrecht zu den grundlegenden Anforderungen zählten, die ein Architekt bei der Planung zu beachten habe. Jeder Architekt müsse wissen, dass bei einem Bauvorhaben Rücksicht auf die Nachbarbebauung zu nehmen sei, und er müsse auch in der Lage sein, die Grenzabstände nach den bauordnungsrechtlichen Vorgaben zu berechnen. Auch dieser Pflichtenkreis unterliege jedoch immer der Einschränkung, dass die Klärung schwieriger Rechtsfragen von dem Architekten nicht erwartet werden könne, denn der Architekt sei kein Rechtsberater seines Auftraggebers und könne einem solchen auch nicht von seinem Pflichtenkreis her gleichgestellt werden.
30Der vorliegende Fall gründe in einer solch schwierigen Rechtsfrage. Der Beklagte zu 1) bzw. die Zeugin B hätten keineswegs – wie die Klägerin anfänglich behauptet habe – die Neuregelung des § 6 Abs. 6 BauO NRW gänzlich verkannt. Schon die Zeugin B habe glaubhaft ausgesagt, dass ihr die Neuregelung bekannt gewesen sei. Dies finde sich bestätigt in den Ausführungen des Sachverständigen ÖbVI C. Die Analyse des amtlichen Lageplans vom 10. Dezember 2008 (Anlage K 36) durch den Sachverständigen habe in aller Deutlichkeit ergeben, dass die Abstandsflächenberechnung unter Heranziehung der Vorschrift in ihrer damals gültigen Fassung erfolgt sei. Dies folge schon daraus, dass für mehr als zwei Außenwände der Gebäude als Tiefe der Abstandsfläche die Hälfte der nach § 6 Abs. 5 BauO NRW erforderlichen Tiefen angesetzt worden sei. Dies wäre in Anwendung des sog. Schmalseitenprivilegs nach der BauO NRW 2000 nicht möglich gewesen.
31Der eingangs aufgezeigte Werkmangel beruhe darauf, dass das OVG mit dem Beschluss vom 17. März 2010 gegen die Interessen der Klägerin eine Einzelfrage zu der Neuregelung in § 6 Abs. 6 BauO NRW entschieden habe. Der Sachverhalt sei dadurch atypisch gelagert. Die Entscheidung beruhe im Kern auf der Ansicht, dass bei getrennt stehenden Gebäuden auf einem Baugrundstück die gegenüber einer Grundstücksgrenze liegenden Außenwände der Gebäude, soweit sie die reguläre Tiefe von 0,8 H nicht einhielten, insgesamt nicht länger als 16 Meter sein dürfen, also eine Addition vorzunehmen sei. Eine solche Rechtsprechung – die insoweit die Rechtslage im Vergleich zum gebäudebezogenen Schmalseitenprivileg zum Nachteil des Bauherrn verschärft hat – habe sich zuvor nicht angedeutet und habe daher von dem Beklagten zu 1) auch nicht berücksichtigt werden können. Zwar träfen die klägerischen Ausführungen zu, dass bereits eine Entscheidung des OVG (Beschluss v. 22.01.2007, 10 B 2456/06) zu der betreffenden Neuregelung ergangen gewesen sei. Diese Entscheidung befasse sich aber mit der Ersetzung des Schmalseitenprivilegs und der damit verbundenen Privilegierung des Bauherrn durch die mehrfache Anwendung der Halbierung. Die hier in Rede stehende Problematik einer Addition der Außenwände bei getrennt stehenden Gebäuden spiele dort keine Rolle und sei dementsprechend auch nicht abgehandelt.
32Auch die Einsichtnahme in einen juristischen Kommentar, die dem Architekten zur Prüfung einer Rechtsfrage im Einzelfall zuzumuten sein könne, hätte den Beklagten zu 1) nicht zu einer anderen Planung veranlassen müssen. So heiße es in der im Dezember 2007 erschienenen 11. Auflage des von Gädtke/Temme/Heintz herausgegebenen Kommentars zur BauO NRW in Randnummer 251 zu § 6 u. a. (Hervorhebungen im Original):
33„… Eine Anwendung der Halbierungsregel bei getrennt liegenden Gebäuden auf demselben Grundstück entspräche dem Vorgängerrecht, das die mehrfache Anwendung des Schmalseitenprivilegs zuließ, selbst wenn jedes Gebäude die Wandlänge von 16 m ausschöpfte, was den Nachbarn ungleich stärker belastete, als eine Aufteilung der auf 16 m beschränkten Halbierung auf zwei getrennte Gebäude. Es ist auch davon auszugehen, dass der Gesetzgeber eine derartige Verschärfung der Vorschrift nicht gewollt hat. Es ist eher anzunehmen, dass diese Folgen der Rechtsänderung im Gesetzgebungsverfahren nicht erkannt worden sind, was nicht verwundert, da das Schmalseitenprivileg schon immer besondere Schwierigkeiten bereitete. Eine für die Praxis brauchbare Formulierung des Schmalseitenprivilegs ist noch niemand gelungen, was schließlich auch unter Berücksichtigung der nicht enden wollenden Abhandlungen in der Fachliteratur und der Länge der einschlägigen Kommentierungen für die Abschaffung mit der MBO 2002 ausschlaggebend war (s. Rn. 234). Insgesamt spricht aus Gründen des Maßes der nachbarlichen Beeinträchtigung mehr dafür, eine Aufteilung der Länge von 16 m auch im Fall getrennt stehender Gebäude zuzulassen, da der Nachbar durch die Aufteilung der Baumasse auf zwei Baukörper mit dazwischen liegendem Abstand weniger stark beeinträchtigt wird als bei einem größeren kompakten Gebäude, zumal Dächer bis 45° Neigung an der Traufseite – entgegen der MBO 2002 – nicht auf die Wandhöhe – H – angerechnet werden und sich hierdurch der Vergleich des größeren mit den beiden kleineren Baukörpern in Wirklichkeit noch viel extremer darstellt. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass nach Satz 1 die halbierte Tiefe der Abstandfläche auch für sich gegenüberliegende Außenwände getrennt stehender Gebäude auf demselben Grundstück zulässig ist, so dass es keinen rechten Sinn macht, dort die Halbierung zuzulassen, nicht aber bei der Aufteilung auf zwei getrennt stehende Gebäude. Da sich die Frage aufgrund der unklaren Formulierung nicht zufriedenstellend klären lässt, bleibt letztlich nichts anderes übrig, als das Ergebnis der Rechtsprechung abzuwarten. Bis dahin kann eine mit dem Problem befasste Bauaufsichtsbehörde im Interesse des Rechtsfriedens versuchen, eine Einigung der Angrenzer herbeizuführen, um sodann – sollten sie denn von der Unzulässigkeit der Aufteilung weiterhin ausgehen – unter Anwendung des § 73 BauO NRW eine Abweichung zu gewähren.“
34Der von der Klägerin zu Recht als das Standardwerk zur BauO NRW bezeichnete Kommentar habe demnach für die hiesige Konstellation damals mit guten Gründen eine Rechtsauffassung vertreten, in deren Folge die Planung des Beklagten zu 1) genehmigungsfähig gewesen wäre. Es verwundere daher, dass sich das OVG zur Rechtfertigung seiner gegenteiligen Auffassung auf jene Kommentarstelle berufe. Die weiter zitierten Hinweise des Ministeriums für Bauen und Verkehr NRW beträfen ebenfalls eine andere Konstellation; die Situation zweier freistehender Gebäude sei dort nicht dargestellt. Die Entscheidung des OVG vermöge die Kammer auch in der Sache nicht zu überzeugen, die sich den oben zitierten Gegenargumenten anschließe. Eine dem OVG konträre Rechtsauffassung vertrete denn auch der weitere Großkommentar zur BauO NRW von Boeddinghaus/Hahn/Schulte. Danach könne der Ansicht des OVG nicht gefolgt werden, denn die Bezugseinheit für die Abstandsvorschriften sei immer und grundsätzlich das einzelne Gebäude, auch wenn dies nicht besonders erwähnt werde. In der Gesetzesbegründung fielen zudem die Worte „wie bisher“, was den Willen des Gesetzgebers im Sinne der Planung des Beklagten zu 1) belege.
35Schließlich habe auch der Sachverständige ÖbVI C bei seiner mündlichen Anhörung die OVG-Entscheidung als dem Willen des Gesetzgebers zuwiderlaufend kritisiert. Der Sachverständige habe keineswegs ausgeschlossen, dass er die Abstandsflächen damals ebenso berechnet hätte wie die Beklagten zu 1) bzw. 3).
36Weiter sei zu bedenken, dass auch das VG Düsseldorf die Planung gerade auch der Abstandsflächen in seinem Beschluss vom 25. Januar 2010 (11 L 1344/09) gebilligt habe. Klüger als drei Verwaltungsrichter, die bei ihrer Entscheidung von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen seien und diesen sorgfältig geprüft hätten, müsse der Beklagte zu 1) nicht sein. Auch wenn die im Amtshaftungsrecht entwickelte „Kollegialgerichtsrichtlinie“ nicht unbesehen und generell für die Architektenhaftung Geltung beanspruchen könne, rechtfertigten doch die Besonderheiten des vorliegenden Falls einen Schluss von der gerichtlichen Verfahrensweise darauf, dass dem Beklagten zu 1) ein Verschuldensvorwurf nicht zu machen sei. Das VG habe die Berechnung der Abstandsflächen eingehend geprüft und ausgeführt aus, dass vor den Außenwänden der genehmigten Wohngebäude zu den Grundstücksgrenzen der Antragsteller die notwendigen Abstandsflächen eingehalten würden. Eine Erörterung der vom OVG gesehenen Problematik sei hingegen unterblieben, obwohl sich das Verwaltungsgericht mit dem Inhalt der Lagepläne befasst habe. Diesen sei unschwer zu entnehmen, dass die beabsichtigte Grundstücksteilung mit einer Vereinigungsbaulast für die einheitliche Tiefgarage einhergehe. Gleichwohl sei es dem Verwaltungsgericht nicht in den Sinn gekommen, deswegen eine Addition der Außenwände auch nur näher zu erwägen und zu erörtern. Dies sei trotz der Vereinigungsbaulast wegen der zitierten Passagen aus dem Standardkommentar zur BauO auch nicht verwunderlich. Nach der Argumentation des OVG verhelfe zudem letztlich eine unterirdische Tiefgarage, die gemäß § 6 Abs. 1 BauO NRW gerade keine Abstandsflächen auslöse, der Nachbarklage wegen mangelnder Abstandsflächen zum Erfolg. Angesichts dieser nicht eben naheliegenden Konsequenz hätte das OVG nach Ansicht des Landgerichts Anlass gehabt, die nachbarschützenden Wirkungen einer Vereinigungsbaulast zu überdenken, wenn und soweit das grenzüberschreitende Gebäude keine nachbarlichen Belange tangiere. Schon der Wortlaut des § 4 Abs. 2 Satz 1 BauO NRW sei gebäudebezogen, was eine teleologische Reduktion nahelege.
37Angesichts der deutlich überwiegenden Argumente für eine unterbleibende Addition der eine Tiefe von 0,8 H unterschreitenden Außenwände getrennt stehender Gebäude sei der Beklagte zu 1) auch nicht verpflichtet gewesen, die Klägerin auf eine unklare Rechtslage hinzuweisen. Dies gelte unbeschadet der letzten Ausführungen bei der zitierten Randnummer aus dem Gädtke/Temme/Heintz. Denn dass der Klägerin an Rechtsfrieden besonders gelegen war, habe der Beklagte zu 1) mit Blick auf das Verfahren gegen den Bauvorbescheid nicht annehmen müssen. Hier gleichwohl eine Hinweispflicht zu bejahen, würde den Architekten unzulässigerweise dem Rechtsberater der Auftraggeberin gleichstellen. Immerhin habe selbst das VG Düsseldorf es nicht für nötig gehalten, die Problematik auch nur zu thematisieren. Den Architekten träfen keine Hinweispflichten die über die Begründungsanforderungen verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen hinausgehen.
38Selbst wenn eine Hinweispflicht des Beklagten zu 1) zu bejahen wäre, müsse dessen Haftung gegenüber der Klägerin im Ergebnis ausscheiden. Denn ein jeder von der Klägerin eingeschalteter Rechtsberater hätte die damals aktuelle Kommentierung des Gädtke/Temme/Heintz herangezogen, weshalb eine Beratung in dem dort niedergelegten Sinne richtig bzw. nicht zu beanstanden gewesen wäre. Es bestünden mindestens Zweifel, dass die Klägerin unter Würdigung der verfügbaren Argumente eine andere „rechtssichere“ Planung gewünscht hätte. Eine Vermutung in diesem Sinne komme ihr jedenfalls nicht zugute. Denn eine von dem Beklagten zu 1) erteilte Information und weitere rechtliche Erkundigungen hätten nur der selbständigen Entscheidung der Klägerin dienen können. Diese entziehe sich jeder typisierenden Betrachtung. Die Entscheidung hänge von einer Vielzahl von Faktoren ab, so dass kein Erfahrungsurteil als notwendige Grundlage einer Vermutung möglich sei.
39Es habe sich um ein komplexes Gesamtprojekt gehandelt, für dessen Rechtmäßigkeit das allermeiste gesprochen habe. Die Klägerin habe den erzielbaren Maximalprofit angestrebt. Dieser hänge nicht allein von der reinen Wohnfläche, sondern auch von deren Wertigkeit in gestalterischer Hinsicht ab. Zudem habe der Geschäftsführer der Klägerin eine Aufteilung des Grundstücks und damit kleinere Eigentümergemeinschaften schon zwecks besserer Vermarktung gewünscht, was unstreitig ist. Die Kammer hege keinerlei Zweifel an der plausiblen Aussage der Zeugin B, die insgesamt sachlich und ohne Beschönigung ihres eigenen Handelns z.B. bezüglich fehlender Bedenken und Hinweise ausgesagt habe. Die von der Klägerin angesprochene Verschiebung der geplanten Gebäudekörper zwecks Einhaltung der Abstandsflächen auch bei Addition der Außenwände unter 0,8 H Tiefe hätte das architektonische Gesamtkonzept völlig geändert. Dies belegten die bei der Akte befindlichen Lagepläne mitsamt der zeichnerischen Darstellung der Abstandsflächen. Eine Verschiebung von Haus B nach Norden und von Haus C nach Südosten hätte – wenn überhaupt möglich – nicht nur verschiedene Abstände zwischen den Gebäudekörpern massiv verkleinert und die Symmetrie durchbrochen, sondern auch die Tiefgarage tangiert. Deren Errichtung unterhalb der Gebäudekörper hätte die Klägerin aus wirtschaftlichen Gründen wohl kaum ernsthaft in Betracht gezogen. Letztlich habe sich die Notwendigkeit einer abweichenden Planung beim damaligen Meinungsstand zu § 6 Abs. 6 BauO NRW 2006 nicht am Horizont abgezeichnet. Gegen ein derartiges, überaus vorsichtiges Agieren der Klägerin spreche zudem, dass sie trotz der im August erhobenen Anfechtungsklage der Nachbarn im folgenden Monat mit den Bauarbeiten begonnen habe.
40Auf die Regelung in Ziffern 9.2, 13.1 des Architektenvertrages, welche der Beklagte zu 1) weiter zu seiner Entlastung heranziehe, komme es nach alledem nicht an.
41Soweit die Klägerin den geltend gemachten Schadensersatz für einen Mindererlös der verkauften Wohnungen hilfsweise auf eine vermeintlich fehlerhafte Umplanung des Beklagten zu 1) stütze, sei der Klage ebenfalls kein Erfolg beschieden. Der im Bauträgergeschäft erfahrenen Klägerin könne nicht verborgen geblieben sein, dass mit der abgestimmten und anwaltlich begleiteten Umplanung u. a. Wohnquadratmeter wegfielen. Dem Vortrag ihrer Streithelferin zu 1) über die erfolgte Abstimmung im Anschluss an die OVG-Entscheidung vom 17. März 2010 sei die Klägerin nicht entgegengetreten. Wenn denn tatsächlich eine Verlängerung des Gebäudekörpers von Haus A etc. möglich gewesen wäre, hätte sie solche gestaltändernden Maßnahmen von dem Beklagten zu 1) vor abermaliger Stellung des Baugesuchs konkret verlangen müssen. Es könne somit dahinstehen, ob dem nicht auch der erfolgte Abverkauf der Wohneinheiten Nrn. 1, 7 und 11-13 des Hauses A entgegen gestanden hätte.
42Die Klägerin habe daher auch keine Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten zu 2) und 3). Weitergehende Pflichten als einen Architekten im Verhältnis zu seiner Auftraggeberin träfen einen Vermessungsingenieur nicht. Auch dieser sei kein Rechtsberater und dürfe einem solchen nicht gleichgestellt werden. Solle ein Vermessungsingenieur außer der rechnerischen Ermittlung der Abstandsflächen auch die (verschuldensunabhängige) Verantwortlichkeit für die rechtlichen Anforderungen von Abstandsflächenprivilegien tragen, müsse dies im Auftrag deutlich zum Ausdruck kommen (unter Verweis auf OLG Hamm, NJW-RR 2000, 22). Hieran fehle es. Dem Schreiben des Beklagten zu 3) vom 29. Juli 2008, welches der Beauftragung durch die Klägerin zugrunde liege, lasse sich für eine derart weitreichende Einstandspflicht nichts entnehmen. Für einen entsprechenden Rechtsbindungswillen genüge die vorzufindende Angabe, einen amtlichen Lageplan zur Bauvorlage gemäß §§ 2, 3 BauPrüfVO NRW anzufertigen, und ein korrespondierender Kostenvoranschlag nicht. All dies gelte unabhängig davon, ob der Beklagte zu 3) privatrechtlich oder hoheitlich tätig geworden sei.
43Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung.
44Sie rügt, dass sich das Urteil über obergerichtliche Rechtsprechung hinwegsetze.
45Da eine Abnahme der Genehmigungsplanung nicht vorgelegen habe, komme nur § 280 BGB und nicht §§ 633, 634 BGB als Anspruchsgrundlage in Betracht. Die Pflichtverletzung werde vom Landgericht selbst angenommen. Das Landgericht nehme auch zu Recht an, dass der Architekt grundsätzlich eine dauerhaft genehmigungsfähige Planung schulde. Diesen Anforderungen hätte weder die Ausgangsplanung, die zum Erlass der Baugenehmigung vom 23.07.2009 führte, noch die Nachtragsplanung genügt, die zur Nachtragsgenehmigung vom 14.04.2010 geführt hat.
46Es habe vorliegend auch keine schwierige Rechtslage bestanden, die nicht hätte erkannt werden müssen. Die Beklagten hätten um die Tiefgarage gewusst, die sich über die Grundstücksgrenzen hinaus erstrecken musste, um weitere bauordnungsrechtliche Vorgaben zu erfüllen, beispielsweise die wegemäßige Erschließung nach § 4 Abs. 1 BauO NW und den Nachweis der Erfüllung der Stellplatzverpflichtung. Daher liege trotz der beabsichtigten Realteilung lediglich ein Baugrundstück vor mit der logischen Konsequenz, dass auf diesem einheitlichen Grundstück die Halbierungsregelung bis zum Höchstwert von 16 m nur einmalig Anwendung finden könne. Die mehrfache Anwendung der Halbierungsregelung scheitere mithin an der weiteren planerischen Lösung des Beklagten zu 1. Selbst wenn man die Auslegung der Halbierungsregelung oder das Zusammenwirken der Halbierungsregelung mit der Bestimmung in § 4 Abs. 2 BauO NW als schwierige Rechtsfrage werte, hätte der Beklagte zumindest insoweit seine Pflichten verletzt, als er die Klägerin nicht auf die Risiken seiner Planungen hingewiesen habe.
47Auch aus der Aussage der Zeugin B ergebe sich, dass der Beklagte zu 1), ebenso wie die Zeugin, die Wirkungen der durch die Tiefgarage ausgelösten Vereinigungsbaulast auf die Anwendbarkeit der Halbierungsregelung überhaupt nicht gesehen hätten. Sie hätten mithin fahrlässig verkannt, dass mit dieser Vereinigungsbaulast bauordnungsrechtlich ein Baugrundstück hergestellt werde, mit der weiteren Folge, dass die Höchstlänge des § 6 Abs. 6 BauO NW überschritten worden sei.
48Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei auch nicht davon auszugehen, dass ein Unterlassen dieses geschuldeten Hinweises für den Schadenseintritt nicht ursächlich geworden sei, was die Klägerin unter Hinweis auf Fragen der Finanzierung und den tatsächlichen Ablauf näher darlegt (Bl. 812, 813 GA).
49Sie behauptet,
50dass sie bei einem entsprechenden Hinweis weder die vorläufige Teilungserklärung in Auftrag gegeben noch Erwerberverträge geschlossen hätte. Auch die Stadtsparkasse Stadt 1 hätte die Baufinanzierung nicht erteilt, da ohne eindeutige Klärung der Abstandsflächen keine tragfähige und belastbare Kalkulation vorgelegen hätte.
51Sie ist der Ansicht,
52dass zudem die Einschätzung des Landgerichts, dass ein Architekt, dessen Planung der Beurteilung des VG standhalte, nicht schuldhaft agiert haben könne, rechtsfehlerhaft sei. So habe sich das OVG vorrangig mit den Einwendungen der Nachbarn auseinandergesetzt. Dass daneben bauordnungsrechtliche Probleme bestanden, sei von den Nachbarn nicht reklamiert worden. Sie wiederholt auch ihren Vortrag dazu, dass sie sich auch nicht zu dem fraglichen Problem bereits frühzeitig von einem Rechtsanwalt habe beraten lassen. Darauf hätte die Streithelferin zu 1) auch bereits umfangreich und detailliert hingewiesen. Das entsprechende Mandat habe lediglich den erteilten Bauvorbescheid betroffen, der ausschließlich planungsrechtliche Fragestellungen zum Gegenstand habe. Die bauordnungsrechtliche Beurteilung habe nicht im Raum gestanden. Rechtsanwalt D sei daneben nur hinsichtlich zivilrechtlicher Fragen beratend tätig geworden.
53Auch die Hinweise des Beklagten zu 1) zu dem Inhalt der architektenvertraglichen Regelungen lägen neben der Sache. Eine vertragliche Risikoübernahme durch den Bauherrn könne daraus nicht gefolgert werden.
54Sie ist zudem weiterhin der Auffassung, dass auch der Beklagte zu 3) und der Beklagte zu 2) haften. Eine Haftung des Beklagten zu 3) ergebe sich unmittelbar aus § 280 BGB. So hätte der Beklagte zu 3) es vertraglich übernommen, die Abstandsflächen im Zusammenwirken mit dem Beklagten zu 1) im Detail zu berechnen. Auch der Beklagte zu 3) habe gegen die ihn treffenden Sorgfaltspflichten verstoßen, als er entgegen dem Wortlaut des § 6 Abs. 6 BauO NW gerechnet und geplant habe. Ihm sei die beabsichtigte Realteilung ebenso bekannt gewesen, wie die Notwendigkeit der grundstücksübergreifenden Tiefgarage mit erforderlicher Vereinigungsbaulast. Auch er könne als öffentlich bestellter Vermessungsingenieur das vermutete Verschulden nicht widerlegen. Der Beklagte zu 2) hafte für die Fehler des Beklagten zu 3) in analoger Anwendung von § 128 HGB, als von einer Tätigkeit der zwischen den Beklagten zu 2) und 3) ihrer Ansicht nach bestehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts auszugehen sei.
55Die Parteien stellen in der Berufung die erstinstanzlichen Anträge.
56Die Klägerin hat zudem beantragt,
57die Sache für den Fall der Haftung eines Beklagten dem Grunde nach bezüglich der Höhe an das Landgericht zurückzuverweisen.
58Der Beklagte zu 1) verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
59Das Landgericht stelle im Rahmen der rechtlichen Prüfung der Vorwerfbarkeit des behaupteten Fehlers der Genehmigungsplanung zutreffend dar, dass er selbst unter Zugrundelegung angemessener Sorgfalt zum Zeitpunkt der Stellung der Genehmigungsplanung zu keinen anderen Erkenntnissen zur Problematik der Abstandsflächen hätte gelangen können oder Hinweise hätte erteilen müssen, da zu diesem Zeitpunkt sämtliche Erkenntnismöglichkeiten aufgrund juristischer Literatur und Rechtsprechung mit keinem Wort auf das Verständnis der Neuregelung in § 6 Abs. 6 BauO NW hindeuteten, wie sie das OVG letztlich zugrundelegte.
60So berücksichtige das Landgericht auch die vorangegangene Entscheidung des OVG vom 22. Januar 2007. Das Landgericht berücksichtige ferner die dem Beklagten zu 1) damals zur Verfügung stehende juristische Literatur. Zudem habe auch der gerichtlich bestellte Sachverständige bestätigt bzw. nicht ausgeschlossen, dass er die Abstandsflächen damals ebenso berechnet hätte, wie es die Beklagten getan haben. So gehe auch der Sachverständige davon aus, dass die Auslegung des OVG Münster dem Willen des Gesetzgebers widerspreche.
61Der Beklagte zu 1) wiederholt zudem sein Vorbringen zu der vertraglichen Vereinbarung und der daraus seines Erachtens resultierenden Enthaftung seiner Person.
62Er ist der Auffassung, dass er auch keinen Hinweis geschuldet habe, dass seine Planung Risiken berge, da weder ihm noch seiner Mitarbeiterin irgendwelche Bedenken gekommen seien. Ihm hätten mit den Ausführungen des Landgerichts auch keine entsprechenden Bedenken kommen müssen. Dies habe das Landgericht ausführlich begründet. Es würde zudem die Aussage der Zeugin B falsch wiedergegeben, wenn behauptet wird, dass diese die Wirkungen der Vereinigungsbaulast nicht gesehen habe. Dies ergebe das Sitzungsprotokoll vom 13. Mai 2015 nicht.
63Zudem werde der als neu zu bewertende Vortrag bestritten, wonach die Klägerin bei Kenntnis von Planungsrisiken eine Umplanung angeordnet und kalkuliert hätte. Dieser Umstand sei bereits erstinstanzlich streitig gewesen, so dass die Klägerin dazu nun nicht ohne weiteres weiter vortragen könne. Gleiches gelte für den nun vertiefenden Vortrag hinsichtlich ihres Geschäftsverhältnisses zur Stadtsparkasse Stadt 1.
64Der Beklagte zu 2) verteidigt das erstinstanzliche Urteil ebenfalls und wiederholt sein Vorbringen, dass er mit dem Beklagten zu 3) eine Bürogemeinschaft unterhalten habe, nicht aber eine auf gemeinsame Zwecke abzielende Leistungsgemeinschaft. Zudem wiederholt er sein Vorbringen dazu, dass der Beklagte zu 3) als öffentlich bestellter Vermessungsingenieur tätig geworden sei, so dass schon keine privatrechtliche, geschweige denn eine Tätigkeit als GbR vorliege.
65Auch er lässt vortragen, dass die Auslegung durch das OVG völlig fernliegend gewesen sei. Es sei insbesondere für einen Nichtjuristen kaum nachvollziehbar, dass die Frage, ob es sich um ein oder mehrere Gebäude handele, nicht von den sichtbaren aufstehenden Gebäuden abhängig sei, sondern von dem rein theoretischen rechtlichen Umstand des Vorhandenseins einer Vereinigungsbaulast, respektive der unterirdisch, einen Nachbarn bei der Beurteilung der Grenzabstände nicht beeinträchtigenden gemeinsamen Tiefgarage.
66Der Beklagte zu 3) wiederholt sein Vorbringen, dass seine Tätigkeit als Vermessungsingenieur eine hoheitliche gewesen sei. Zudem sei es eben nicht zum Abschluss eines Werkvertrages über die detaillierte Berechnung von Abstandsflächen gekommen. Es habe keinen isolierten Auftrag diesbezüglich gegeben, sondern nur einen Auftrag zur “Anfertigung der amtlichen Lagepläne zur Bauvorlage“, die eine Abstandsflächenberechnung erforderlich machte.
67Daher verkenne die Klägerin nach wie vor die Verantwortungsbereiche der Beklagten zu 1-3. In diesem Fall hafte der Architekt für eine fehlerhafte Berechnung der Abstandsflächen und nicht der Vermessungsingenieur.
68Er ist zudem der Auffassung, dass durch Entgegennahme der Pläne auch eine Abnahme angenommen werden müsse.
69Er wiederholt ferner sein erstinstanzliches Vorbringen, dass die Auslegung durch das OVG nicht vorhersehbar gewesen sei und von ihm nach wie vor für unzutreffend und als dem Willen des Gesetzgebers zuwiderlaufend angesehen werde, ebenso wie dies auch von dem gerichtlichen Sachverständigen und dem Landgericht gesehen werde.
70Es sei auch dem Vortrag der Klägerin entgegenzutreten, dass sie auf entsprechende Hinweise reagiert und eine andere Planung in Angriff genommen hätte. Dagegen sprächen schon die unstreitigen Abläufe, wonach die Klägerin trotz der im August 2009 erhobenen Anfechtungsklage der Nachbarn im September 2009 mit den Bauarbeiten begonnen habe.
B.
71Die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit zulässig. In der Sache ist die Berufung teilweise begründet (§ 513 Satz 1 ZPO), weil die Kläger einen Rechtsfehler im Sinne des § 546 ZPO dargelegt haben, der sich zu ihren Ungunsten ausgewirkt hat. Die Berufung hat teilweise Erfolg, soweit sie sich gegen die Klageabweisung bezüglich des Beklagten zu 1) richtet.
72Insoweit ist die Klage dem Grunde nach gerechtfertigt und die Sache daher antragsgemäß zur Entscheidung über die Höhe an das Landgericht zurückzuverweisen.
73Im Übrigen bleibt die Berufung ohne Erfolg. Insoweit hat die Klägerin Rechtsfehler des angegriffenen Urteils zu ihren Ungunsten gemäß §§ 513, 546 ZPO nicht aufgezeigt und die vom Senat seiner Entscheidung zugrunde zu legenden Tatsachen gebieten eine abweichende Entscheidung nicht (§§ 513, 529 ZPO).
74Im Einzelnen:
75I. Anspruch gegen den Beklagten zu 1):
76Die Klägerin hat dem Grunde nach einen Anspruch gegen den Beklagten zu 1) auf Ersatz der ihr durch die fehlerhafte Abstandsflächenberechnung entstandenen Schäden gem. § 280 BGB.
771.
78Wie die Berufung zutreffend geltend macht, ist allgemeines Schuldrecht anzuwenden, da die Leistungen des Beklagten zu 1) noch nicht abgenommen und zudem auch noch nicht vollständig erbracht worden waren. Eine Teilabnahme war nicht vereinbart worden. Zudem wäre die Leistung des Beklagten zu 1 mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 25. Februar 1999 (vgl. Urteil vom 25.02.1999 Az.: VII ZR 190/97) jedenfalls in Folge des OVG Beschlusses nicht abnahmefähig gewesen, so dass auf die werkvertraglichen Regelungen nicht zurückgegriffen werden kann.
792.
80Eine Haftung des Beklagten zu 1) ist auch nicht vertraglich ausgeschlossen. Mit den zutreffenden Ausführungen der Berufungsklägerin gibt der zwischen den Parteien geschlossene Vollarchitektenvertrag (Anlage K 1) nichts dafür her, dass entsprechende Fehler/juristische Unklarheiten allein von der Klägerin zu verantworten sein sollten. Da dies vom gesetzlichen Leitbild des Architektenvertrages gravierend abweicht, hätte es diesbezüglich einer eindeutigen und zweifelsfreien Regelung in dem nachträglich schriftlich niedergelegten Vertrag bedurft. Eine solche findet sich in den von dem Beklagten zu 1) herangezogenen Regelungen der Ziffern. 9.2 und 13.1 und auch sonst nicht.
81Ziffer 9.2 überträgt die entsprechende Verantwortung für juristische Fragen für “Zweifelsfälle“ auf den Auftraggeber. Da der Beklagte zu 1) seine Abstandsflächenberechnungen nach seinem eigenen Vorbringen nicht für zweifelhaft hielt und diesbezüglich auch keinen Hinweis erteilt hat, ist mit dieser Formulierung die Haftung nicht dem gesetzlichen Leitgedanken entgegen auf die Klägerin übergegangen sein. Es lag kein Zweifelsfall i.S.d. Regelung vor.
82Auch die Regelung in Ziffer 13.1 des Vertrages ist nicht geeignet, den Beklagten zu 1) von einer Haftung dem Grunde nach freizustellen, da die Erstellung der Abstandsflächenberechnung (auch) Teil der von ihm geschuldeten Leistungen war, wie im folgenden noch ausgeführt werden wird.
833.
84Der Beklagte zu 1) hat die ihm aus dem Architektenvollvertrag erwachsenden Pflichten schuldhaft verletzt.
85a.
86Wie das Landgericht in seinem sorgfältig und umfassend begründeten Urteil zutreffend ausführt, schuldet der mit einer entsprechenden Genehmigungsplanung beauftragte Architekt einen Entwurf, der zu einer dauerhaften und nicht mehr rücknehmbaren Baugenehmigung führen kann (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 25.02.1999 – VII ZR 190/97; OLG Düsseldorf 22 U 176/95), mithin genehmigungsfähig ist. Der Architekt hat nach ständiger Rechtsprechung des BGH die vertraglich zugesagte Leistung diesbezüglich daher nicht erbracht, wenn die angestrebte Baugenehmigung zunächst zwar erteilt wird, jedoch später von einem Dritten erfolgreich angefochten wird (vgl. Leitsatz der vorgenannten Entscheidung des BGH).
87Der Beklagte zu 1) hat die geschuldete Leistung mithin nicht erbracht, denn das OVG hat in seinem Beschluss vom 17. März 2010 festgestellt, dass die erteilten Baugenehmigungen rechtswidrig waren, weil bei dem geplanten Bauvorhaben unzulässiger Weise mehrfach von der Halbierungsregel des § 6 Abs. 6 BauO NW Gebrauch gemacht wurde. An diese Entscheidung ist der Senat trotz des vorläufigen Charakters einer Eilentscheidung gebunden, da das OVG eine ausführliche Prüfung der Sach- und Rechtslage vorgenommen hat (vgl. OLG Rostock, Urteil vom 10.1.2002, 1 U 207/00 dort Rn. 51), und mit den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts daher davon auszugehen ist, dass es im Hauptsacheverfahren nicht anders entschieden hätte.
88Es ist zwar zutreffend, dass das zuvor mit der Sache befasste VG Düsseldorf dies nicht beanstandet und die Abstandsflächen vielmehr sogar gebilligt hatte. Ferner stellt das Landgericht ohne Rechtsfehler fest, dass der Architekt zwar die jeweils geltenden bauordnungs– und bauplanungsrechtlichen Vorschriften kennen und bei seiner Planung berücksichtigen muss, von ihm die Lösung schwieriger Rechtsfragen aber nicht verlangt werden kann, da er als Architekt nicht zugleich Rechtsberater ist. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss der Architekt die Voraussetzungen eines Bauvorhabens aber insbesondere im Hinblick auf die Einhaltung und Anforderungen des Nachbarrechts - also der Abstandsflächen bzw. Erforderlichkeit von Nachbarzustimmungen - prüfen. Der Architekt muss dies selbständig auf der Grundlage des von ihm zu fordernden Sachwissens überprüfen. Müssen ihm bei dieser Prüfung z.B. Bedenken kommen, ob eine bestehende Nachbarzustimmung für die beabsichtigte Bebauung ausreicht, hat er den Auftraggeber darauf und auf die mit der fehlenden Zustimmung verbundenen Risiken hinzuweisen. Er ist zwar nicht verpflichtet, eine solche Zustimmung einzuholen, sofern ihm dazu kein Auftrag erteilt worden ist. Er muss jedoch die Entscheidung des Auftraggebers darüber herbeiführen, ob diese eingeholt wird. Erst wenn sich herausstellt, dass die Nachbarzustimmung notwendig ist, jedoch vom Bauherrn trotz der entsprechenden Aufklärung nicht eingeholt wird, verdichtet sich die Frage, ob der Bauherr bereit ist, die Planung seiner Bauabsicht trotz des Risikos, dass die Baugenehmigung versagt wird oder durch einen Nachbarwiderspruch zu Fall gebracht wird, weiter zu betreiben. Wird die Planung hingegen ohne die entsprechende Aufklärung erstellt und eine notwendige Nachbarzustimmung nicht herbeigeführt, so ist sie nicht genehmigungsfähig, und der Architekt ist zum Schadensersatz verpflichtet (vgl. BGH, Urteil vom 10.02.2011 – VII ZR 8/10 – dort Rz. 27, und auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 31.05.1996 – 22 U 176/95 –).
89Auch wenn die eigentliche Planung des Beklagten zu 1) mit den fehlerfreien Ausführungen des Landgerichts auf Grundlage der damaligen Erkenntnismöglichkeiten des Beklagten zu 1) nicht fehlerhaft oder jedenfalls nicht schuldhaft fehlerhaft war, hat er jedenfalls seine Aufklärungspflichten verletzt und hat diese insbesondere nicht durch die lediglich allgemeine Empfehlung an die Klägerin in der E-Mail vom 15. Mai 2008, einen Rechtsbeistand zu suchen, erfüllt. Ein mögliches Problem hinsichtlich der Abstandsflächenberechnung wird in der E-Mail mit keinem Wort angesprochen.
90Der Beklagte zu 1) kann sich auch nicht darauf berufen, von einer Aufklärung habe er absehen können, weil er seine Planung für rechtmäßig habe halten dürfen. Denn die dem hiesigen Bauvorhaben zugrunde zu legende Norm des § 6 Abs. 6 BauO NW war erst seit dem 28.12.2006 in Kraft und ihrem Wortlaut nach nicht eindeutig so zu verstehen, wie sie der Beklagte zu 1) angewendet hat. Bei der Änderung von Bauvorschriften von solch überragender Bedeutung wie denen der Nachbar- bzw. Abstandsregelungen ist es auch einem Architekten zuzumuten, einen gängigen Kommentar zu Rate zu ziehen. Dies stellen auch der Beklagte zu 1) selbst und das Landgericht nicht in Frage. Hätte der Beklagte zu 1) den im vorliegenden Verfahren mehrfach zu Recht als Standardkommentar bezeichneten Kommentar von Gädtke u.a. zur BauO NW in der 11. Auflage zu Rate gezogen und die vom Landgericht zutreffend zitierte Fundstelle bei Rz. 251 zu § 6 (siehe oben) eingesehen, hätte er auch als Nichtjurist ohne weiteres erkennen können, dass dort die gewählte Gesetzesformulierung als „unklar“ bzw. „nicht zufriedenstellend“ bezeichnet wird und darauf hingewiesen wird, dass nichts anderes übrig bleibt, als das Ergebnis der Rechtsprechung abzuwarten, weswegen eine Einigung mit den Angrenzern angeraten wird. Das hätte ihn veranlassen müssen, die Klägerin als Bauherrin über das Risiko einer eventuell abweichenden Beurteilung durch die Genehmigungsbehörde oder Rechtsprechung aufzuklären, einschließlich der sich daraus u.U. ergebenden Konsequenzen. Die Formulierung in der Kommentierung deutet darauf hin, dass auch „atypische“ Entscheidungen der Gerichte aufgrund der Formulierung möglich und nicht auszuschließen sind. Sodann hätte er eine Entscheidung der Klägerin darüber herbeiführen müssen, ob das Bauvorhaben in Kenntnis dieses jedenfalls nicht gänzlich fernliegenden Risikos weiter entsprechend geplant werden soll.
91Für die Annahme einer solchen Hinweispflicht sprechen zudem der erhebliche wirtschaftliche Umfang der geplanten Maßnahme sowie der Umstand, dass eine maximale räumliche Ausnutzung des Grundstücks geplant war und nicht nur deswegen, sondern auch wegen der Erfahrungen bei der Bauvoranfrage, mit Widerstand der Nachbarn zu rechnen war.
92Dieser Hinweispflicht kam der Beklagte zu 1) nicht nach.
93Davon war er auch nicht deshalb entbunden, weil die Klägerin im Rahmen der Bauvoranfragen bereits von den Rechtsanwälten E und F vertreten wurde. Gegenstand dieser Rechtsberatung war jedenfalls nicht die Frage der Abstandsflächen.
94Er kann sich desweiteren auch nicht darauf berufen, dass nur der Beklagte zu 3) als Fachplaner für die Planung der Abstandsflächen verantwortlich war, denn die Erbringung einer Abstandsflächenberechnung gehört zum Leistungsumfang eines mit sämtlichen Leistungsphasen beauftragten Architekten, ohne die er vor allem die hier gem. Ziffer 2.4.1 des Vertrages geschuldete Genehmigungsplanung nicht leisten kann (vgl. u.a. Locher/Koeble Frick, HOAI (2002), 8. Auflage, § 15 Rz. 115 = Rz. 138 in der 10. Auflage zu § 33 HOAI 2009).
95Ein Hinweis dahingehend, dass die Halbierungsregel u.U. nur einmal pro Grundstück zulässig sein könnte und nicht gebäudebezogen anzuwenden ist, wäre daher bereits nach der angezeigten Lektüre der Kommentierung und zudem aufgrund der allen Beteiligten bekannten Vereinigungsbaulast nicht nur angebracht, sondern erforderlich gewesen. Es war nämlich nicht auszuschließen, dass der Baugenehmigung im Laufe des Verwaltungsverfahrens und des sich naheliegender Weise anschließenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens eine andere als die im Kommentar vertretene Auslegung zugrunde gelegt wird.
96b.
97Dem Beklagten zu 1) ist es nicht gelungen zu beweisen, dass die Klägerin auch bei einer entsprechenden Aufklärung an dem Bauvorhaben in der von dem Beklagten zu 1) geplanten Form festgehalten hätte.
98Derjenige, der vertragliche Aufklärungspflichten verletzt hat, ist beweispflichtig dafür, dass der Schaden auch eingetreten wäre, wenn er sich pflichtgemäß verhalten hätte, der Auftraggeber die Beratung also unbeachtet gelassen hätte. Die Erfüllung der Aufklärungspflicht soll die Beweisnot beseitigen, die darin besteht, dass sich nachträglich nur schwer mit der erforderlichen Zuverlässigkeit beurteilen lässt, wie der Betroffene bei rechtzeitiger Kenntnis von schadendrohenden Umständen und des Umfangs von Schadensrisiken gehandelt hätte. Es handelt sich dabei nicht lediglich um eine Beweiserleichterung im Sinne des Anscheinsbeweises, sondern um eine zur Beweislastumkehr führende, wenngleich auch widerlegliche Vermutung (vgl. BGH, Urteil vom 20.06.2013 – VII ZR 4/12 –, dort Rz. 21/22 mit weiteren Nachweisen). Diese Vermutung vermochte der Beklagte nicht zu widerlegen; auch nicht mit dem nachgelassenen Schriftsatz vom 12. Juli 2016.
99Dies aus folgenden Gründen:
100Die Aufklärungspflicht des Beklagten zu 1) hätte lediglich den Hinweis auf das Risiko einer abweichenden Auslegung der Regelung in § 6 Abs. 6 BauO NW umfasst. Dabei geht es um eine Rechtsfrage, zu deren Klärung die Klägerin sodann hätte veranlassen müssen, einen Rechtsberater hinzuzuziehen. Da sie bereits bei dem Verfahren zum Bauvorbescheid die Streithelferin zu 1) eingeschaltet hatte, wären diese -als entsprechend spezialisierte Kanzlei- bei einem gewöhnlichen Geschehensablauf voraussichtlich auch mit der Beantwortung dieser Rechtsfrage beauftragt worden. Selbst wenn diese durch ihren Partner Dr. F die maßgeblichen Stellen in dem bereits genannten Kommentar kommentiert und auch in der von ihm mitherausgegebenen 12. Auflage an den bereits zitierten Ausführungen festgehalten hat, kann hieraus nicht der sichere Schluss gezogen werden, dass die Rechtsberatung das Risiko einer abweichenden Beurteilung als völlig zu vernachlässigen angesehen hätte und die Klägerin mit der Ausführung des Bauvorhabens begonnen hätte. Dagegen spricht bereits, dass in der Kommentierung eben ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass „das Ergebnis der Rechtsprechung abzuwarten“ bleibt und eine Einigung mit den Nachbarn daher sinnvoll ist. Bei der zu erwartenden sorgfältigen anwaltlichen Beratung wäre mithin auf ein grundsätzliches Risiko hinzuweisen gewesen und eine Regelung im Konsens mit den betroffenen Nachbarn anzuraten gewesen, wenn das verwaltungsrechtliche Risiko möglichst gering gehalten werden sollte. Der Beklagte zu 1) vermochte eine entsprechende Vermutung jedenfalls nicht zu widerlegen.
101Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass die Klägerin mit der Ausführung des Bauvorhabens trotz Kenntnis der Nachbarklagen begonnen hat, denn diese bezogen sich vornehmlich auf die Tiefgarage bzw. deren Zufahrt und eben nicht auf unzulässig unterschritten Abstandsflächen. Zudem durfte die Klägerin angesichts des für sie günstigen Ausgangs des Verfahrens zum Bauvorbescheid mit Urteil vom 22. April 2009 -von dem sie mithin seit Ende April/Anfang Mai 2009 Kenntnis gehabt haben dürfte- davon ausgehen, dass sich auch das anschließende Verfahren gegen die Baugenehmigung für sie positiv gestalten würde. Ohne den geschuldeten Hinweis des Beklagten zu 1) bestanden jedenfalls keine greifbaren Anhaltspunkte, am Bestand der Baugenehmigung zu zweifeln.
102c.
103Der Beklagte zu 1) handelte auch schuldhaft, als er die an ihn zu stellenden, zuvor näher dargestellten, Anforderungen jedenfalls fahrlässig nicht erfüllt hat.
104Anhaltspunkte für ein grundsätzliches Mitverschulden der Klägerin bestehen nicht. Das Risiko einer entsprechenden Auslegung der noch recht neuen Regelung des § 6 Abs. 6 BauO NW war jedenfalls für einen Auftraggeber nicht offenkundig, wenn es schon von den beauftragten Fachleuten übersehen wurde. Auch nach Erhebung der Nachbarklage bestanden keine entsprechenden Anhaltspunkte für die Klägerin, die sie zu einem Baustopp oder einer Umplanung hätten veranlassen müssen.
1054.
106Der Klägerin ist durch die unstreitig erforderlichen Umplanungen auch ein Schaden entstanden, der der Höhe nach streitig und infolge der abweichenden Rechtsauffassung des Landgerichts zu einer Haftung des Beklagten zu 1) dem Grunde nach noch nicht aufgeklärt ist. Diesbezüglich ist noch keine Entscheidungsreife gegeben, vielmehr ist eine umfangreiche Beweisaufnahme zur Klärung der im Einzelnen streitigen Umstände erforderlich. Daher war der Rechtsstreit dem Antrag der Klägerin entsprechend gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO an das Landgericht zur Aufklärung der Anspruchshöhe zurückzuverweisen.
107II. Ansprüche gegen die Beklagten zu 2) und 3)
108Die Klage gegen die Beklagten zu 2) und 3) ist jedenfalls deswegen unbegründet, da deren Tätigkeit als öffentlich bestellte und vereidigte Vermessungsingenieure hoheitlichen Charakter hat und sich diese deshalb erfolgreich auf die Subsidiarität ihrer Haftung gemäß Art. 34 GG, § 839 BGB berufen können.
1091.
110Die Haftung des Beklagten zu 3), der die Abstandsflächenberechnung erstellt hat, die dem von ihm ebenfalls erstellten amtlichen Lageplan zur Bauvorlage beigefügt war, ist nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil er die von dem Beklagten zu 1) übermittelten Werte bei der Erstellung der Abstandsflächenberechnung übernommen hat.
111Der Beklagte zu 3) durfte sich nicht darauf beschränken, diese lediglich zu übernehmen und zeichnerisch im Lageplan darzustellen. Unstreitig war der Beklagte zu 3) mit der Erstellung eines amtlichen Lageplans beauftragt. In dem von ihm selbst mit Schreiben vom 29. Juli 2008 (Anlage K 2) dargestellten Leistungsumfang heißt es unter anderem:
1121. „… Anfertigung eines Lageplans mit Maßen, Höhen, Topographie und Planungsrecht für Planzwecke,“
113…
1143. “Anfertigung des amtlichen Lageplans zu Bauvorlage gemäß §§ 2 + 3 BauPrüfVO NRW – 3 Mehrfamilienhäuser mit Tiefgaragen als ein Bauantrag –…“
115In Ausführung des Auftrags hat der Beklagte zu 3) eine Abstandsflächenberechnung durchgeführt, die als Anlage zum amtlichen Lageplan zur Bauvorlage genommen worden ist. Diese Leistung erweist sich damit als Teilleistung bei der Erstellung des amtlichen Lageplans, denn nach Ansicht des Senats gehört sie zu dieser. Die Erstellung des Lageplans umfasst eben auch die korrekte Ermittlung von Tiefe und Breite der Abstandsflächen.
116Wie sich aus der Abstandsflächenberechnung ergibt, fußt sie auf der Anwendung der Regelung des § 6 Abs. 6 BauO NW, wobei der Beklagte zu 3) als Folge einer wertenden Beurteilung von der Halbierungsregelung mehrfach Gebrauch gemacht hat, wie auch der erstinstanzlich beauftragte Sachverständige bestätigt hat.
117Der Beklagte zu 3) hat damit nicht lediglich aufgrund etwa erteilter Vorgaben gerechnet, sondern seinen Berechnungen Eigenüberlegung zur Art und Weise ihrer Ermittlung vorangestellt. Damit hatte er nach Ansicht des Senats zugleich die Verantwortung für die Berechnungsweise jedenfalls mitübernommen. Dem steht auch nicht die Entscheidung des OLG Hamm vom 09. Juni 1999 (12 U 152/98) entgegen, wonach der Vermessungsingenieur „im Zweifel“ nicht die rechtlichen Voraussetzungen des sogenannten Schmalseitenprivilegs prüft. Diese Entscheidung überzeugt den Senat nicht, da sie eine nachvollziehbare Begründung vermissen lässt.
1182.
119Die Berufung gegen den Beklagten zu 3) hat aber deshalb keinen Erfolg, weil er sich auf den Einwand der subsidiären Haftung gemäß Art. 34 GG, § 839 BGB berufen kann.
120Der Bundesgerichtshof hat zwar durch Beschluss vom 29.11.2012 entschieden, dass – bezogen auf Berliner Landesrecht – die Erstellung eines Lageplans zur Bauvorlage durch den öffentlich bestellten Vermessungsingenieur keine öffentliche Aufgabe ist. Der Senat ist jedoch der Auffassung, dass dies nicht auf den vorliegenden Fall und insbesondere nicht auf das Nordrhein-Westfälische Landesrecht übertragbar ist.
121Ob sich das Handeln einer Person als Ausübung eines ihr anvertrauten öffentlichen Amtes darstellt, bestimmt sich danach, ob die eigentliche Zielsetzung, in deren Sinn der Betreffende tätig wird, hoheitlicher Tätigkeit zuzurechnen ist und ob zwischen dieser Zielsetzung und der schädigenden Handlung ein so enger äußerer und innerer Zusammenhang besteht, dass die Handlung ebenfalls als noch dem Bereich hoheitlicher Betätigung angehörend angesehen werden muss. Dabei ist nicht auf die Person des Handelnden, sondern auf seine Funktion, das heißt auf die Aufgabe, deren Wahrnehmung die im konkreten Fall ausgeübte Tätigkeit dient, abzustellen (vgl. BGH, Urteil vom 31.03.2016 – III ZR 70/15 – dort Rz. 12 mit weiteren Nachweisen). Dabei kann es genügen, dass die Arbeit einer Person mit der Verwaltungstätigkeit einer Behörde auf das Engste zusammenhängt und sie in diese so maßgeblich eingeschaltet ist, dass ihre Prüfung geradezu einen Bestandteil der von der Behörde ausgeübten und sich in ihrem Handeln niederschlagenden hoheitlichen Tätigkeit bildet (vgl. BGH, a.a.O., Rz. 13).
122Dies ist zur Überzeugung des Senats bei der streitgegenständlichen Tätigkeit des Beklagten zu 3) der Fall.
123Dieser war mit der Erstellung eines amtlichen Lageplans beauftragt, dessen Voraussetzungen in § 3 Absatz 3 PrüfVO NW geregelt sind, wonach der Lageplan und die Berechnungen nach Abs. 2 in speziellen Fallkonstellationenvon einem Katasteramt angefertigt oder von einem öffentlich bestellten Vermessungsingenieur angefertigt und mit öffentlichem Glauben beurkundet werden müssen. Hier lag unstreitig ein Fall von § 3 Absatz 3 Nr. 1 und 4 BauPrüfVO NW vor. Der amtliche Lageplan dient zudem der Fortführung des Liegenschaftskatasters.
124Für ein hoheitliches Tätigwerden des öffentlich zum Vermessungsingenieur bestellten Beklagten zu 3) sprechen zudem die Regelung im „Gesetz über die Öffentlich bestellten Vermessungsingenieurinnen und –ingenieure in Nordrhein Westfalen (ÖbVIG NRW)“. So ist der öffentlich bestellte Vermessungsingenieur zwar frei in der Berufsausübung, seine Tätigkeit ist indes kein Gewerbe und er ist als unabhängiger Träger der amtlichen Vermessungsverwaltung neben den Behörden als Beliehener zur Ausführung verschiedener Amtshandlungen berechtigt, § 2 Abs. 2 S. 1 und 2 ÖbVIG NRW. § 2 Abs. 2 Nr. 6 stellt zudem klar, dass er berechtigt ist, weitere ihm nach Gesetz und Rechtsverordnung des Landes zugewiesenenAmtshandlungen auszuführen, worunter nach Ansicht des Senats auch die Aufgaben aus der BauPrüfVO NW zu verstehen sind.
125Ferner spricht auch der Umstand, dass sich die Entlohnung der Tätigkeiten der Vermessungsingenieure nach der „Kostenordnung für die Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure / Vermessungsingenieurinnen in Nordrhein-Westfalen (ÖbVermIngKO NRW)“ richtet, gegen die Annahme einer privatrechtlichen Tätigkeit eines Freiberuflers und für die Annahme einer hoheitlichen Tätigkeit, zumal der Beklagte zu 3) bei der Veranschlagung der Kosten in dem Schreiben vom 29. Juli 2008 bei sechs von neun Positionen die gesetzliche Kostenordnung, insbesondere für die Positionen 2 und 3, zugrunde legt.
1263.
127Daher kann sich auch der Beklagte zu 2) jedenfalls mit Erfolg auf den Einwand der Subsidiarität seiner Haftung berufen, so dass dahinstehen kann, ob nicht auch er Vertragspartner der Klägerin geworden ist, wobei der Senat nach der Aussage der Zeugin B und dem Inhalt der schriftlichen Unterlagen (Schreiben vom 29.07.2008, Vollmacht vom 05.08.2008 = Anlage K 4, Abstandsflächenberechnung und Lageplan) stark dazu tendiert, dies anzunehmen.
128C.
129Aufgrund der Entscheidungsreife dem Grunde nach war Grund- und Teilurteil zu erlassen und der Rechtsstreit antragsgemäß gem. § 538 Absatz 2 Nr. 4 ZPO zur Aufklärung und Entscheidung über die Höhe sowie zur Entscheidung über die Kosten an das Landgericht zurückzuverweisen. Aufgrund des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung umfasst dies auch die Kosten der Streithelfer.
130Über die Kosten der Beklagten zu 2) und 3) war abweichend von diesem Grundsatz bereits jetzt zu entscheiden, da diese im Hinblick auf ihr Ausscheiden aus dem Prozess und die voraussichtliche weitere Verfahrensdauer ein schützenswertes Interesse daran haben, dass über ihre Kosten vorab entschieden wird.
131Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, 711, 709 Satz 2 ZPO.
132Bezüglich der Frage, ob sich bei der streitgegenständlichen Tätigkeit der Beklagten zu 2) und 3) um eine hoheitliche Tätigkeit gehandelt hat und sich diese somit auf die Subsidiarität ihrer Haftung gem. Art. 34 GG, § 839 BGB berufen können, war gem. § 543 Absatz 2 Nr. 2 ZPO die Revision zuzulassen, da der Bundesgerichtshof diese Rechtsfrage (BGH, Beschluss vom 29.11.2012 – III ZR 21/12) jedenfalls für das Land Berlin anders entschieden und im Leitsatz festgestellt hat, dass „die Lageplanerstellung und die Gebäudeeinmessung durch öffentlich bestellte Vermessungsingenieure … im Land Berlin nicht als öffentliche Aufgabe durchgeführt“ werden.
133Eine weitergehende Zulassung der Revision war nicht geboten, insbesondere nicht zu der Frage der Haftung des Beklagten zu 1).
134Entgegen der Ausführungen der Klägerin im Schriftsatz vom 12. Juli 2016 (dort Seite 6 = Bl. 927 GA) weicht der Senat nicht von den dort zitierten Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte ab, da auch der Senat nicht annimmt, dass der Beklagte zu 1) einem Rechtsberater gleichzustellen ist und von diesem insbesondere nicht erwartet, schwierige Rechtsfragen selbst zu beantworten. Der Senat nimmt nur eine Hinweispflicht des Beklagten zu 1) in dem aus den Urteilsgründen ersichtlichen Umfang an, wie dies auch der Bundesgerichtshof in anderen Fällen tut (vgl. BGH, Urteil vom 10.02.2011 – VII ZR 8/10).
135Eine grundsätzliche Bedeutung der Sache insoweit hat der Beklagte zu 1 nicht dargetan. Eine solche ist auch sonst nicht ersichtlich.
136Streitwert für das Berufungsverfahren: 431.296,02 EUR.
Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Düsseldorf Grund- und Teilurteil, 30. Aug. 2016 - I-21 U 174/15
Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht Düsseldorf Grund- und Teilurteil, 30. Aug. 2016 - I-21 U 174/15
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Oberlandesgericht Düsseldorf Grund- und Teilurteil, 30. Aug. 2016 - I-21 U 174/15 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).
(1) Der Unternehmer hat dem Besteller das Werk frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen.
(2) Das Werk ist frei von Sachmängeln, wenn es die vereinbarte Beschaffenheit hat. Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist das Werk frei von Sachmängeln,
- 1.
wenn es sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte, sonst - 2.
für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Werken der gleichen Art üblich ist und die der Besteller nach der Art des Werkes erwarten kann.
(3) Das Werk ist frei von Rechtsmängeln, wenn Dritte in Bezug auf das Werk keine oder nur die im Vertrag übernommenen Rechte gegen den Besteller geltend machen können.
Ist das Werk mangelhaft, kann der Besteller, wenn die Voraussetzungen der folgenden Vorschriften vorliegen und soweit nicht ein anderes bestimmt ist,
- 1.
nach § 635 Nacherfüllung verlangen, - 2.
nach § 637 den Mangel selbst beseitigen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen, - 3.
nach den §§ 636, 323 und 326 Abs. 5 von dem Vertrag zurücktreten oder nach § 638 die Vergütung mindern und - 4.
nach den §§ 636, 280, 281, 283 und 311a Schadensersatz oder nach § 284 Ersatz vergeblicher Aufwendungen verlangen.
(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.
(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
(1) Der Unternehmer hat dem Besteller das Werk frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen.
(2) Das Werk ist frei von Sachmängeln, wenn es die vereinbarte Beschaffenheit hat. Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist das Werk frei von Sachmängeln,
- 1.
wenn es sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte, sonst - 2.
für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Werken der gleichen Art üblich ist und die der Besteller nach der Art des Werkes erwarten kann.
(3) Das Werk ist frei von Rechtsmängeln, wenn Dritte in Bezug auf das Werk keine oder nur die im Vertrag übernommenen Rechte gegen den Besteller geltend machen können.
Ist das Werk mangelhaft, kann der Besteller, wenn die Voraussetzungen der folgenden Vorschriften vorliegen und soweit nicht ein anderes bestimmt ist,
- 1.
nach § 635 Nacherfüllung verlangen, - 2.
nach § 637 den Mangel selbst beseitigen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen, - 3.
nach den §§ 636, 323 und 326 Abs. 5 von dem Vertrag zurücktreten oder nach § 638 die Vergütung mindern und - 4.
nach den §§ 636, 280, 281, 283 und 311a Schadensersatz oder nach § 284 Ersatz vergeblicher Aufwendungen verlangen.
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
Die Gesellschafter haften für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern als Gesamtschuldner persönlich. Eine entgegenstehende Vereinbarung ist Dritten gegenüber unwirksam.
(1) Die Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546) beruht oder nach § 529 zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.
(2) Die Berufung kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat.
Das Recht ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.
(1) Die Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546) beruht oder nach § 529 zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.
(2) Die Berufung kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat.
Das Recht ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.
(1) Die Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546) beruht oder nach § 529 zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.
(2) Die Berufung kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat.
(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:
- 1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.
(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Kläger begehren die Feststellung, dass der beklagte Architekt für Schäden hafte, die durch die Rücknahme der Baugenehmigung für einen gartenseitigen Anbau an ihrem Einfamilienhaus in D. sowie durch eine Abrissverfügung und weitere Maßnahmen der Stadt D. verursacht werden.
- 2
- Die Kläger beauftragten den Beklagten 1990 mit der Erstellung einer Bauplanung für einen An- und Umbau ihres Einfamilienhauses in D. Diese Planung sah auf der zum Nachbargrundstück K. gelegenen Seite einen eingeschossigen Anbau mit einer Dachterrasse vor. Bestandteil des auf Grundlage der Planung des Beklagten eingereichten Bauantrags war ein von ihm erstellter Lageplan, der von den damaligen Eigentümern des benachbarten Grundstücks, den Eheleuten K., unterzeichnet war und deren Zustimmung zur Unterschreitung des Grenzabstands belegen sollte. Dieses Bauvorhaben wurde nicht verwirklicht.
- 3
- Nachdem am 3. Dezember 1997 ein Gespräch mit Mitarbeitern des Bauaufsichtsamtes stattgefunden hatte, beauftragten die Kläger den Beklagten 1998 mit der Bau- und Ausführungsplanung eines zweigeschossigen Anbaus auf der zum Nachbargrundstück K. gelegenen Seite. Am 10. November 1998 fand eine weitere Besprechung im Bauaufsichtsamt betreffend die Genehmigungsfähigkeit des geänderten Bauvorhabens statt, bei der die Klägerin und der Beklagte anwesend waren. Der Beklagte fasste das Ergebnis dieser Besprechung in einer Aktennotiz vom 12. November 1998 zusammen, in der unter anderem festgehalten war, dass eine erneute Nachbarzustimmung notwendig sei. Die Klägerin war hiermit nicht einverstanden und verfasste mit Datum vom 14. November 1998 einen geänderten Gesprächsvermerk, in dem sie auch das Gespräch aus dem Jahr 1997 zusammenfasste und in den sie aufnahm, dass nach den Ergebnissen der beim Bauaufsichtsamt geführten Gespräche eine erneute Zustimmung der Nachbarn nicht erforderlich sei. Diesen Vermerk übersandte sie dem Beklagten, der ihn mit einigen kleineren Korrekturen von technischen Daten, jedoch keinen weiteren Anmerkungen zum Erfordernis der Nachbarzustimmung der Klägerin zurücksandte, die ihn sodann dem Bauaufsichtsamt zuleitete. Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Beklagte die Kläger mündlich darüber aufgeklärt hat, dass die von den Nachbarn K. erteilte Ge- nehmigung nicht für das geänderte Vorhaben gelte. Das Bauvorhaben wurde mit Bescheiden vom 21. Januar 1999 und 26. November 1999 auf der Grundlage der vom Beklagten gefertigten Planung ohne neuerliche Nachbarzustimmung genehmigt, obwohl eine solche aufgrund der zweigeschossigen Bauweise im Bauwich erforderlich gewesen wäre.
- 4
- Im Frühjahr 1999 begannen die Kläger mit der Baumaßnahme. Kurz vor Abschluss der Bauarbeiten legte der neue Eigentümer des Nachbargrundstücks , der Sohn der Eheleute K., am 12. November 1999 Nachbarwiderspruch ein. Daraufhin erließ das Bauaufsichtsamt der Stadt D. am 9. Dezember 1999 eine Stilllegungsverfügung, welche darauf gestützt wurde, dass näher an die Nachbargrenze gebaut worden sei als genehmigt. Mit Bescheid vom 15. Oktober 2002 nahm das Bauaufsichtsamt die Baugenehmigung vom 3. Mai 1993 in der Form der veränderten Ausführungen vom 21. Januar 1999 und 26. November 1999 zurück. Ein Antrag der Kläger auf Abweichung von den notwendigen nachbarlichen Abstandsflächen wurde abgelehnt. Widersprüche der Kläger gegen die Stilllegungsverfügung, die Rücknahmeverfügung und den Ablehnungsbescheid hatten ebenso wie eine nachfolgende Klage vor dem Verwaltungsgericht keinen Erfolg.
- 5
- Mit Ordnungsverfügung vom 6. Juli 2007 forderte das Bauaufsichtsamt der Stadt D. die Kläger zur Beseitigung des Anbaus auf. Gegen diese Verfügung haben sich die Kläger ebenfalls erfolglos verwaltungsrechtlich gewandt.
- 6
- Eine Klage der Kläger gegen den Beklagten auf Feststellung, dass dieser verpflichtet sei, den Klägern als Gesamtgläubigern jeglichen Schaden zu ersetzen , der durch die Stilllegungsverfügung der Stadt D. vom 9. Dezember 1999 verursacht wird, hatte Erfolg. In den Gründen des Feststellungsurteils des Oberlandesgerichts D. vom 26. Oktober 2006 war ausgeführt, dass ein Vermögens- schaden, den die Kläger durch die Rücknahmeverfügung vom 15. Oktober 2002 erleiden, nicht von dem Feststellungsantrag umfasst sei.
- 7
- Das Landgericht hat antragsgemäß festgestellt, dass der Beklagte über den Tenor des Feststellungsurteils des Oberlandesgerichts D. vom 26. Oktober 2006 hinaus verpflichtet sei, den Klägern als Gesamtgläubigern jeglichen Schaden zu ersetzen, der durch die Rücknahme der Baugenehmigung vom 3. Mai 1993 in Gestalt der Bescheide vom 21. Januar 1999 und vom 26. November 1999 zur Errichtung des gartenseitigen Anbaus an ihrem Haus in D. sowie durch die Abrissverfügung der Stadt D. vom 6. Juli 2007 und weitere Maßnahmen der Stadt D. verursacht wird. Die Berufung des Beklagten hatte Erfolg, soweit es um einen Schaden aufgrund der Baugenehmigung vom 26. November 1999 geht. Im Übrigen war sie erfolglos.
- 8
- Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter. Mit der Anschlussrevision möchten die Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen.
Entscheidungsgründe:
- 9
- Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, soweit zum Nachteil des Beklagten entschieden worden ist. Die Anschlussrevision hat keinen Erfolg.
- 10
- Auf das Schuldverhältnis finden die bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Gesetze Anwendung (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).
I.
- 11
- Das Berufungsgericht, dessen Urteil in BauR 2010, 1255 veröffentlicht ist, bejaht die Zulässigkeit des Feststellungsantrags (§ 256 ZPO). Dabei sei unerheblich , dass es sich bei dem tatsächlich durchgeführten Anbau gegenüber dem genehmigten wegen eines noch geringeren Grenzabstandes zum Nachbargrundstück um ein "aliud" handele. Denn die für die Abrissverfügung (§§ 61, 6 BauO NRW) notwendige materielle Baurechtswidrigkeit folge ausschließlich aus der Tatsache, dass der bauordnungsrechtlich erforderliche Grenzabstand unzulässig unterschritten werde.
- 12
- Die Klage sei auch weitgehend begründet. Die von dem Beklagten erstellte Genehmigungsplanung in Gestalt der den Baugenehmigungen vom 3. Mai 1993 und 21. Januar 1999 zugrunde liegenden Bauanträge sei mangelhaft im Sinne von § 633 BGB. Denn sie unterschreite den bauordnungsrechtlich vorgeschriebenen Grenzabstand von mindestens drei Metern zum Nachbargrundstück ohne Vorliegen einer wirksamen Nachbargenehmigung. Ein Architekt , der sich - wie der Beklagte - zur Erstellung einer Genehmigungsplanung verpflichte, schulde als Werkerfolg eine dauerhaft genehmigungsfähige Planung.
- 13
- Der Beklagte sei von seiner Haftung für die mangelhafte Genehmigungsplanung nicht ausnahmsweise befreit. Dies ergebe sich weder aus dem Gesichtspunkt einer (ausdrücklichen oder konkludenten) vertraglichen Übernahme des Risikos der Genehmigungsfähigkeit durch die Kläger noch einer Offenkundigkeit der Notwendigkeit einer (erneuten) Nachbarzustimmung noch einer Erteilung pflichtgemäßer Risikohinweise durch den Beklagten.
- 14
- Der Mangel der Genehmigungsplanung sei kausal für den Schaden, den die Kläger mit ihrem Feststellungsbegehren verfolgen. Der Beklagte sei für den Mangel seiner Genehmigungsplanung bzw. die Nichterfüllung seiner Hinweispflicht alleine verantwortlich. Ein Mitverschulden sei den Klägern nicht anzulasten.
- 15
- Die vom Beklagten erhobene Einrede der Verjährung greife nicht durch. Der Gewährleistungsanspruch unterliege der fünfjährigen Verjährungsfrist des § 638 BGB (a.F.) bzw. § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB (n.F.), da die Pflicht, deren Verletzung die Kläger dem Beklagten vorwürfen, eine vertragliche, leistungsbezogene Hauptpflicht sei. Diese mit der Abnahmeverweigerung durch die Kläger am 2. Oktober 2001 beginnende Verjährungsfrist sei durch die Geltendmachung im vorliegenden Verfahren mit Wirkung ab dem 30. September 2006 und damit rechtzeitig gehemmt worden.
- 16
- Unbegründet sei die Klage, soweit es um den Schaden gehe, der durch die Rücknahme der Baugenehmigung vom 26. November 1999 verursacht werde. Den dieser weiteren Baugenehmigung (Nachtrag für einen zusätzlichen Hobbyraum im Keller) zugrunde liegenden Bauantrag habe nicht der Beklagte, sondern der Architekt L. erstellt. Der Beklagte rüge deshalb mit der Berufung zu Recht, dass der Klägervortrag für seine Verantwortlichkeit hinsichtlich dieser Genehmigung nicht ausreiche.
II.
A. Revision des Beklagten- 17
- Das Berufungsurteil hält nicht in jeder Hinsicht der rechtlichen Nachprüfung stand.
- 18
- 1. Ohne Erfolg macht die Revision zunächst geltend, die materielle Baurechtswidrigkeit des errichteten Objekts beruhe auch auf der im Vergleich zur erteilten Genehmigung abweichenden Ausführung mit noch geringeren Abstandsflächen. Das errichtete Objekt stelle ein "aliud" zu dem genehmigten Bauvorhaben dar, so dass die erteilte Baugenehmigung wegen Nichtausübung erloschen sei. Damit sei der Zurechnungszusammenhang zur beanstandeten Planungsleistung unterbrochen. Deshalb fehle es an einem rechtlichen Interesse für die Feststellungsklage, § 256 Abs. 1 ZPO.
- 19
- Dies ist nicht der Fall. Die Revision zieht selbst nicht die Feststellungen des Berufungsgerichts in Zweifel, dass die Baugenehmigung vom 21. Januar 1999 ursächlich für die Errichtung des Anbaus und dass die materielle Baurechtswidrigkeit der dort genehmigten Abstände ursächlich für die Abrissverfügung und seine Bestätigung durch das Verwaltungsgericht war. Zwischen diesem Schaden und der beanstandeten Planungsleistung besteht auch ein Zurechnungszusammenhang, weil das Erfordernis einer genehmigungsfähigen Planung gerade vor derartigen Folgen schützen soll.
- 20
- Es kann dahinstehen, ob die Auffassung der Revision zutrifft, die von der Genehmigung abweichende Bauausführung allein begründe auch dann eine materielle Baurechtswidrigkeit mit denselben Folgen, wenn die Planung des Beklagten genehmigungsfähig und die Baugenehmigung vom 21. Januar 1999 deshalb nicht zu beanstanden gewesen wäre. Dies würde nur dazu führen, dass ein Fall so genannter "Doppelkausalität" für den Schaden vorläge. Ist ein bestimmter Schaden durch mehrere gleichzeitig wirkende Umstände verursacht worden und hätte jede dieser Ursachen für sich allein ausgereicht, um den gesamten Schaden herbeizuführen, dann sind sämtliche Umstände als rechtlich ursächlich zu behandeln, obwohl keiner von ihnen als "conditio sine qua non" qualifiziert werden kann. In diesen Fällen bedarf es einer entsprechenden Modi- fikation der Äquivalenztheorie, weil der eingetretene Schadenserfolg ansonsten auf keine der tatsächlich wirksam gewordenen Ursachen zurückgeführt werden könnte (BGH, Urteil vom 7. Mai 2004 - V ZR 77/03, BauR 2004, 1772 m.w.N.). Ein rechtliches Interesse an der Feststellung, dass jedenfalls auch eine mangelhafte Planungsleistung den Beklagten zum Ersatz des insbesondere in der auf der Rücknahme der Baugenehmigung beruhenden Abrissverfügung liegenden Schadens verpflichtet, ergibt sich hier schon daraus, dass das Feststellungsurteil des Oberlandesgerichts D. vom 26. Oktober 2006 diesen Schaden ausweislich seiner Gründe gerade nicht umfasst.
- 21
- 2. Zutreffend ist das Berufungsgericht weiter davon ausgegangen, dass die vom Beklagten erstellte Genehmigungsplanung wegen Verstoßes gegen den bauordnungsrechtlichen Grenzabstand zum Nachbargrundstück nicht genehmigungsfähig und damit mangelhaft nach § 633 BGB war.
- 22
- a) Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass ein Architekt , der sich zur Erstellung einer Genehmigungsplanung verpflichtet, als Werkerfolg grundsätzlich eine dauerhaft genehmigungsfähige Planung schuldet (vgl. BGH, Urteil vom 26. September 2002 - VII ZR 290/01, BauR 2002, 1872 = NZBau 2003, 38 = ZfBR 2003, 31; Urteil vom 21. Dezember 2000 - VII ZR 17/99, BauR 2001, 785, 787 = NZBau 2001, 261, 262 = ZfBR 2001, 310, 311; Urteil vom 25. März 1999 - VII ZR 397/97, BauR 1999, 1195 = ZfBR 1999, 315 m.w.N.). Die vertraglich geschuldete Leistung des Architekten ist deswegen in der Regel nicht erbracht, wenn die angestrebte Baugenehmigung durch die Behörde zunächst erteilt, jedoch später wegen erfolgreichen Drittwiderspruchs aufgehoben wird (vgl. BGH, Urteil vom 25. Februar 1999 - VII ZR 190/97, BauR 1999, 934, 935 = ZfBR 1999, 202). Etwas anderes gilt dann, wenn der Auftraggeber das Risiko der Genehmigungsfähigkeit der Planung aufgrund vertraglicher Vereinbarung übernimmt. Die Parteien eines Archi- tektenvertrages können im Rahmen der Privatautonomie vereinbaren, dass und in welchem Umfang der Auftraggeber rechtsgeschäftlich das Risiko übernimmt, dass die vom Architekten zu erstellende Planung nicht genehmigungsfähig ist (BGH, Urteil vom 26. September 2002 - VII ZR 290/01, aaO; Urteil vom 25. März 1999 - VII ZR 397/97, aaO). Da ein Architektenvertrag einem dynamischen Anpassungsprozess unterliegt, kann eine derartige vertragliche Risikoübernahme durch den Auftraggeber auch nach Vertragsschluss im Rahmen der Abstimmung über das geplante Bauvorhaben erfolgen. Voraussetzung für die vertragliche Risikoübernahme durch den Auftraggeber ist, dass dieser Bedeutung und Tragweite des Risikos erkannt hat, dass die Genehmigung nicht erteilt oder widerrufen wird. Das kann - sofern es nicht bereits offenkundig ist - in der Regel nur angenommen werden, wenn der Architekt den Auftraggeber umfassend über das bestehende rechtliche und wirtschaftliche Risiko aufgeklärt und belehrt hat und der Auftraggeber sich sodann auf einen derartigen Risikoausschluss rechtsgeschäftlich einlässt (vgl. BGH, Urteil vom 9. Mai 1996 - VII ZR 181/93, BauR 1996, 732, 734 = ZfBR 1996, 264, 265).
- 23
- b) Von diesen Grundsätzen geht das Berufungsgericht zutreffend aus.
- 24
- Ohne Erfolg macht die Revision geltend, das Berufungsgericht habe verkannt , dass nach den Behauptungen des Beklagten von vornherein eine Planung vereinbart worden sei, die mit dem Risiko behaftet gewesen sei, dass die vorliegende Nachbarzustimmung nicht ausreiche. Danach habe der Beklagte keine genehmigungsfähige Planung geschuldet. Die Darlegungs- und Beweislast für die Vereinbarung einer genehmigungsfähigen Planung trügen die Kläger.
- 25
- Der Senat muss nicht entscheiden, ob die Auffassung der Revision zutrifft , die Darlegungs- und Beweislast für den Auftrag, eine genehmigungsfähige Planung zu erstellen, trage der Auftraggeber des Architekten, wenn bei Vertragsschluss erhebliche Indizien bestünden, dass das Risiko der Genehmigungsfähigkeit erkannt und vom Auftraggeber übernommen worden sei. Selbst wenn ein Auftragnehmer behaupte, dass eine Unterschreitung des gewöhnlichen Standards vereinbart worden sei, gehe damit nicht die Beweislast auf den Auftragnehmer über.
- 26
- Die von dem Beklagten angeführten Umstände rechtfertigen nicht die Annahme, die Kläger hätten bei der Beauftragung im Jahr 1998 das Risiko der Genehmigungsfähigkeit wegen der fehlenden Nachbarzustimmung übernommen. Insoweit weist der Beklagte lediglich darauf hin, dass die Kläger die Genehmigungsfähigkeit des von ihnen beabsichtigten Bauvorhabens bereits vor seiner Beauftragung mit dem Bauaufsichtsamt erörtert hätten und danach die Entscheidung, den Anbau zweistöckig zu errichten, bei der Beauftragung bereits gefallen gewesen sei.
- 27
- Der Umstand, dass die Kläger nach einem am 3. Dezember 1997 geführten Gespräch mit dem Bauaufsichtsamt vor der Beauftragung des Beklagten möglicherweise davon ausgegangen sind, dass der zweistöckige Anbau ohne erneute Nachbarzustimmung im Bauwich errichtet werden könne, belegt nicht die Auffassung des Beklagten, die Kläger hätten mit ihrem Auftrag die nach dem Vertrag vorausgesetzte Funktion der Genehmigungsplanung dahin beschränken wollen, dass diese nicht dazu führen müsse, eine dauerhafte Genehmigung zu gewährleisten. Beauftragt ein Bauwilliger eine Genehmigungsplanung für ein Bauwerk, das nach seiner Vorstellung im Bauwich errichtet werden soll und ist ihm bekannt, dass eine Genehmigung von der Zustimmung des Nachbarn abhängen könnte, so hat er entgegen der Auffassung der Revision nicht von vornherein das Risiko übernommen, dass sich eine ohne Rücksicht auf die Nachbarzustimmung erfolgte Planung nicht verwirklichen lässt. Vielmehr hat der Planungsauftrag auch die Prüfung zum Gegenstand, ob und inwieweit die Nachbarzustimmung notwendig ist und sich die beabsichtigte Bebauung möglicherweise mit zumutbaren Modifikationen im Bauwich verwirklichen lässt. Das gilt auch dann, wenn der Auftraggeber den Auftrag in der Vorstellung erteilt , eine bereits Jahre zuvor für ein anderes Bauvorhaben erteilte Nachbarzustimmung reiche aus, die beabsichtigte abweichende Bebauung ohne erneute Zustimmung durchführen zu können. Der Architekt muss dies selbständig auf der Grundlage des von ihm zu fordernden Sachwissens überprüfen. Müssen ihm bei dieser Prüfung Bedenken kommen, ob die vorgelegte Nachbarzustimmung für die beabsichtigte Bebauung ausreicht, hat er den Auftraggeber darauf und auf die mit der fehlenden Zustimmung verbundenen Risiken hinzuweisen. Er ist zwar nicht verpflichtet, eine solche Zustimmung einzuholen, sofern ihm dazu kein Auftrag erteilt worden ist. Er muss jedoch die Entscheidung des Auftraggebers darüber herbeiführen, ob diese eingeholt wird. Erst wenn sich herausstellt , dass die Nachbarzustimmung notwendig ist, jedoch vom Bauherrn trotz der entsprechenden Aufklärung nicht eingeholt wird, verdichtet sich die Frage, ob der Bauherr bereit ist, die Planung seiner Bauabsicht trotz des Risikos , dass die Baugenehmigung versagt wird oder durch einen Nachbarwiderspruch zu Fall gebracht wird, weiter zu betreiben. Wird die Planung hingegen ohne die entsprechende Aufklärung erstellt und eine notwendige Nachbarzustimmung nicht herbeigeführt, so ist sie nicht genehmigungsfähig, und der Architekt ist nach § 635 BGB a.F. zum Schadensersatz verpflichtet. Das gilt nach der Rechtsprechung des Senats selbst dann, wenn von vornherein festgestanden hätte, dass die Nachbarzustimmung nicht erteilt wird und die vorgesehene Planung deshalb nicht mangelfrei zu verwirklichen gewesen wäre (BGH, Urteil vom 21. Dezember 2000 - VII ZR 17/99, BauR 2001, 785, 788).
- 28
- Der Beklagte hatte danach im Jahr 1998 zunächst ohne jede Einschränkung den Auftrag übernommen, eine dauerhaft genehmigungsfähige Planung zu erstellen. Es stellt sich deshalb allenfalls die Frage, ob die Kläger später, namentlich im Zusammenhang mit dem zweiten Gespräch beim Bauaufsichtsamt am 10. November 1998, das Risiko der fehlenden Genehmigungsfähigkeit übernommen haben. Da es sich dann um eine Abänderung des bereits geschlossenen Vertrages handeln würde, trägt der Beklagte die Darlegungsund Beweislast für seine Behauptungen, die eine derartige spätere Risikoübernahme rechtfertigen sollen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Oktober 1994 - X ZR 30/93, BauR 1995, 92 = ZfBR 1995, 27). Die Revision stützt sich dementsprechend auch in erster Linie auf das Verhalten der Parteien im Zusammenhang mit diesem Gespräch, um eine Risikoübernahme durch die Kläger zu belegen.
- 29
- c) Eine im Zusammenhang mit dem zweiten Gespräch beim Bauaufsichtsamt am 10. November 1998 vereinbarte Übernahme des Risikos, dass die Baugenehmigung durch einen Nachbarwiderspruch aufgehoben wird, hat das Berufungsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise verneint.
- 30
- Weder der handschriftlichen Änderung des Aktenvermerks des Beklagten vom 12. November 1998 durch die Klägerin noch dem Gesprächsvermerk der Klägerin vom 14. November 1998 kann eine vertragliche Risikoübernahme der Genehmigungsfähigkeit der Planung durch die Kläger entnommen werden. Diese Anmerkungen der Klägerin belegen lediglich, dass sie die Auffassung vertrat, eine erneute Nachbarzustimmung sei für das geänderte Bauvorhaben nicht erforderlich, nicht jedoch, dass sie das aus einer fehlenden Nachbarzustimmung resultierende rechtliche und wirtschaftliche Risiko erkannt hat und übernehmen wollte.
- 31
- Der Beklagte hat nicht den Beweis für den von ihm behaupteten Inhalt des Gesprächs im Bauaufsichtsamt am 10. November 1998 sowie des Telefo- nats mit der Klägerin anlässlich der Fertigung ihres Gesprächsvermerks vom 14. November 1998 erbracht. Die Revision setzt ihre entgegenstehende Würdigung lediglich an die Stelle derjenigen des Tatrichters, ohne jedoch Rechtsfehler bei der abweichenden Würdigung durch das Berufungsgericht aufzuzeigen.
- 32
- 3. Aus dem Vorstehenden folgt, dass der Beklagte sich auch nicht darauf berufen kann, er hafte nicht nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen über die Haftungsbefreiung eines Unternehmers durch Erfüllung seiner Bedenkenhinweispflicht.
- 33
- a) Auf der Grundlage, dass die Kläger dem Beklagten verbindlich vorgegeben hätten, das Bauwerk im Bauwich auf der Grundlage zu planen, dass eine weitere Zustimmung des Nachbarn nicht notwendig ist, käme allerdings nach diesen Grundsätzen eine Haftungsbefreiung in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 8. November 2007 - VII ZR 183/05, BGHZ 174, 110, 119 ff.; Locher/Koeble/Frik, HOAI, 10. Aufl., § 33 Rn. 109). Trotz Mangelhaftigkeit der Architektenleistung tritt eine Haftungsbefreiung des Architekten ein, wenn ihm eine bindende Vorgabe des Auftraggebers für die Planung gemacht worden ist, er seiner Bedenkenhinweispflicht ordnungsgemäß nachgekommen ist und aus dem Verhalten des Auftraggebers der Schluss gezogen werden durfte, dieser wolle die Fortführung der aus Sicht des Architekten bedenklichen Leistung. Eine Haftungsbefreiung des Architekten kann im Falle einer bindenden Planungsvorgabe auch dann eintreten, wenn er seine Bedenkenhinweispflichten zwar verletzt hat, jedoch gleichzeitig feststeht, dass der Auftraggeber trotz der an sich notwendigen Hinweise auf Durchführung der bedenklichen Leistung bestanden hätte (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 1975 - VII ZR 243/73, BauR 1975, 420, 421). Ein solcher Fall kann etwa dann angenommen werden, wenn der Auftraggeber nicht aufklärungsbedürftig war, weil er sich der Problematik bewusst war und auch die Tragweite derselben voll erkannt hat bzw. erkennen musste (dazu Kniffka in: Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 3. Aufl., 6. Teil, Rn. 48). Beweisbelastet für die ordnungsgemäße Erfüllung der Bedenkenhinweispflicht bzw. für die Entbehrlichkeit einer Aufklärung des Auftraggebers ist - schon nach allgemeinen Grundsätzen - der Architekt (vgl. BGH, Urteil vom 8. November 2007 - VII ZR 183/05, BGHZ 174, 110 Rn. 26; Urteil vom 4. Juni 1973 - VII ZR 112/71, BauR 1973, 313, 315).
- 34
- b) Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht nicht verkannt und rechtsfehlerfrei sowohl die Erteilung eines ordnungsgemäßen Bedenkenhinweis durch den Beklagten (aa) als auch die Entbehrlichkeit eines solchen Hinweises (bb) verneint.
- 35
- aa) Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Beklagte den Klägern keinen ordnungsgemäßen Bedenkenhinweis erteilt hat. Sämtliche von der Revision angeführten Umstände hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei geprüft und gewürdigt. Zutreffend hat es angenommen, dass eine Belehrung der Klägerin über die Notwendigkeit einer erneuten Nachbarzustimmung für das geänderte Bauvorhaben in der Besprechung im Bauaufsichtsamt am 10. November 1998 nicht feststellbar sei. Die Annahme des Berufungsgerichts, in der Aktennotiz des Beklagten vom 12. November 1998 sei kein derartiger Hinweis in laienhaft verständlicher Form enthalten, erweist sich schon deshalb als zutreffend, weil der Beklagte darin lediglich den Gesprächsinhalt vom 10. November 1998 ohne eigene Bewertung wiedergegeben hat. Zudem ist in diesem Vermerk kein Hinweis auf die mit einer fehlenden Nachbarzustimmung verbundenen rechtlichen und wirtschaftlichen Risiken (Nachbarwiderspruch mit anschließender Stilllegungs- und Abrissverfügung) enthalten.
- 36
- Wie bereits ausgeführt hat das Berufungsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass der Beklagte den von ihm behaupteten Bedenkenhinweis im Telefonat mit der Klägerin anlässlich der Fertigung des Vermerks vom 14. November 1998 nicht bewiesen hat.
- 37
- bb) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht weiterhin die Entbehrlichkeit eines Bedenkenhinweises wegen Offenkundigkeit der Notwendigkeit einer erneuten Nachbarzustimmung abgelehnt. Weder der handschriftlichen Änderung des Aktenvermerks des Beklagten vom 12. November 1998 durch die Klägerin noch dem Gesprächsvermerk der Klägerin vom 14. November 1998 lässt sich entnehmen, dass den Klägern die Notwendigkeit einer erneuten Nachbarzustimmung bewusst war und sie die Tragweite dieser Problematik voll erkannt haben. Wie bereits ausgeführt lässt sich diesem Verhalten nur entnehmen, dass die Kläger davon ausgingen, die ursprünglich erteilte Nachbarzustimmung gelte auch für das geänderte Bauvorhaben. Eine andere Beurteilung ist vorliegend auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil allen Beteiligten bekannt war, dass der gewünschte Anbau den bauordnungsrechtlich vorgeschriebenen Grenzabstand von mindestens drei Metern (§ 6 Abs. 5 BauO NRW) unterschritt und eine Nachbarzustimmung erforderlich sein könnte. Dass die bereits erteilte Nachbarzustimmung nicht ausreichen könnte, lag zwar nahe, wurde jedoch von den Klägern offenbar anders gesehen. Auch wenn die von den Klägern vertretene Rechtsauffassung zur Tragweite der bereits erteilten Nachbarzustimmung eher fern lag, war sie nicht so offenkundig falsch, dass der Beklagte von einem Bedenkenhinweis befreit war. Dieser hätte den Klägern nicht nur die Bedenken gegen ihre Auffassung verdeutlichen, sondern sie auch darauf hinweisen müssen , welche rechtlichen und wirtschaftlichen Risiken bestanden, wenn sie das Bauwerk ohne eine Nachbarzustimmung errichteten. Dazu hätte auch die Aufklärung darüber gehört, dass selbst die Erteilung einer Baugenehmigung wegen der Möglichkeit eines Nachbarwiderspruchs keine Rechtssicherheit schaffen konnte.
- 38
- Soweit die Revision aus den Umständen ableiten möchte, die Kläger seien sich über die Notwendigkeit der Einholung einer erneuten Nachbarzustimmung vollständig im Klaren gewesen und hätten keiner (weiteren) Beratung bedurft und diese auch nicht gewünscht, setzt sie ihre Würdigung lediglich an die Stelle derjenigen des Tatrichters, ohne jedoch Rechtsfehler bei der abweichenden Würdigung durch das Berufungsgericht aufzuzeigen.
- 39
- 4. Rechtsfehlerhaft verneint das Berufungsgericht jedoch ein Mitverschulden der Kläger.
- 40
- a) Die Haftungsverteilung im Rahmen des § 254 BGB kann im Revisionsverfahren darauf überprüft werden, ob alle in Betracht kommenden Umstände vollständig und richtig berücksichtigt und der Abwägung rechtlich zulässige Erwägungen zugrunde gelegt worden sind (BGH, Urteil vom 3. Juni 2008 - VI ZR 223/07, NJW 2008, 3775 m.w.N.).
- 41
- b) Die Mitverschuldensprüfung durch das Berufungsgericht ist unvollständig , da es nicht alle für ein Mitverschulden der Kläger sprechenden Umstände berücksichtigt hat.
- 42
- aa) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist es, dass das Berufungsgericht eine von ihm unterstellte fahrlässige Mitverursachung der Kläger daran, dass der Beklagte eine baurechtswidrige Genehmigungsplanung erstellt hat, nicht hat ausreichen lassen, um einen Mitverschuldensanteil an der mangelhaften Architektenleistung anzunehmen. Es ist nicht rechtsfehlerhaft, wenn das Berufungsgericht im Zusammenhang mit der Frage, wie die Aussagen der Mitarbeiter der Baugenehmigungsbehörde zu verstehen waren und wie die hierüber gefertigten Aktenvermerke zu lauten hatten, darauf abstellt, dass es die primäre Pflicht des Architekten ist, den Bauherrn im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens aufzuklären und zu belehren, und diese Pflicht durch die Be- rücksichtigung eines nur fahrlässigen Mitverschuldens des Bauherrn ausgehöhlt und entwertet werde (vgl. BGH, Urteil vom 13. Januar 2004 - XI ZR 355/02, BauR 2004, 1154, 1157). Ebenso wenig ist es zu beanstanden, dass das Berufungsgericht betont hat, dass der Beklagte als geistiger Urheber des Baugenehmigungsantrags nebst Plänen für ein Bauvorhaben in der Abstandsfläche mit unzureichender Nachbarzustimmung den wesentlichen Verursachungsanteil an der rechtswidrig erteilten Baugenehmigung gesetzt hat.
- 43
- bb) Das Berufungsgericht hat jedoch nicht berücksichtigt, dass der hier geltend gemachte Schaden auch darauf beruht, dass die Kläger von der rechtswidrig erteilten Baugenehmigung Gebrauch gemacht haben, ohne auf die sich aufdrängende Frage Rücksicht zu nehmen, ob die beeinträchtigten Nachbarn sich hiergegen wehren würden und welche Konsequenzen dies haben könnte. Indem die Kläger, bevor sie mit den erheblichen Investitionen in das Bauvorhaben begannen, die jetzt Grundlage des begehrten Ersatzes für Folgeschäden der mangelhaften Architektenleistung sind, diese Frage nicht abklärten , verstießen sie gegen die ihrem eigenen Interesse dienende Obliegenheit, sich selbst vor Schäden zu bewahren, § 254 Abs. 1 BGB.
- 44
- Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wussten die Kläger, dass der Anbau den bauordnungsrechtlich vorgeschriebenen Grenzabstand von mindestens drei Metern (§ 6 Abs. 5 BauO NRW) unterschritt. Auch wussten sie, dass zur Realisierung des Bauvorhabens deswegen eine Zustimmung des Nachbarn erforderlich war. Weiterhin wussten sie, dass die Bauausführung erheblich von der ursprünglich geplanten abwich (zusätzliches Obergeschoss statt eingeschossiger Anbau mit Terrasse). Dass dies zwangsläufig nachbarrelevante Folgen haben musste, die bereits erteilte Nachbarzustimmung nicht ausreichen könnte und der Nachbar Rechte haben könnte, das Bauvorhaben zu verhindern, drängte sich, worauf die Verwaltungsgerichte bereits hingewiesen haben, ohne weiteres auf. Die Kläger durften vor diesen Umständen nicht die Augen verschließen und allein im Vertrauen darauf, dass der Beklagte ihrer Rechtsauffassung, die erteilte Nachbarzustimmung reiche aus, nicht deutlich genug entgegengetreten ist, das Bauvorhaben in Angriff nehmen. Die Kläger wären vielmehr vor dem Beginn der Bauarbeiten im eigenen Interesse gehalten gewesen, mit den Nachbarn eine Klärung darüber herbeizuführen, ob die erteilte Zustimmung auch die Erweiterung des Bauvorhabens erfasste, oder Rechtsrat einzuholen, ob und wie lange und mit welchen Folgen die Nachbarn sich noch gegen das Bauvorhaben wehren konnten. Hätten sie dies getan, wäre es nach normalem Verlauf der Dinge nicht zu dem Schaden gekommen, der jetzt durch die Rücknahme der Baugenehmigung und die Abrissverfügung entsteht.
- 45
- Die Berücksichtigung dieses Verursachungsbeitrags der Kläger an dem hier in Rede stehenden Schaden ist nicht im Hinblick auf die wesentliche Pflicht des Architekten zur Erstellung einer dauerhaft genehmigungsfähigen Planung ausgeschlossen oder im Ergebnis vollkommen zu vernachlässigen. Zwar wird ein Bauherr regelmäßig darauf vertrauen dürfen, dass sein Architekt eine mangelfreie Genehmigungsplanung erstellt hat. Insbesondere wird ihm normalerweise nicht vorgeworfen werden können, nicht erkannt zu haben, dass die Voraussetzungen für eine genehmigungsfähige Planung fehlen. Das gilt nicht nur für die Beurteilung der technischen Voraussetzungen (vgl. BGH, Urteil vom 29. Oktober 1970 - VII ZR 14/69, VersR 1971, 157), sondern auch für die Beurteilung der rechtlichen Voraussetzungen, ob eine Planung wegen des Unterschreitens der Abstandsflächen der Zustimmung des Nachbarn bedarf.
- 46
- Darum geht es hier jedoch nicht. Zur Beurteilung stand vielmehr allein die Frage, ob die vor mehreren Jahren für einen eingeschossigen Anbau mit Terrasse möglicherweise erteilte Nachbarzustimmung auch für einen zweigeschossigen Anbau gilt. Dass diese offen zutage liegende Rechtsfrage zu beja- hen ist, lag fern. Sind dem Bauherrn solche Umstände bekannt, aufgrund derer sich bereits bei einer laienhaften Bewertung das Risiko der Fehlerhaftigkeit der Planung und damit der Baugenehmigung ableiten lässt, muss er sich sein hieraus abzuleitendes Verschulden gegen sich selbst anrechnen lassen. Denn insoweit geht es nicht nur um spezifische Kenntnisse des Architekten, deretwegen der Bauherr diesen gerade eingeschaltet hat. Vielmehr geht es um die Einschätzung , ob wegen der ein anderes Bauvorhaben betreffenden Nachbarzustimmung ein Risiko dahin besteht, dass und inwieweit der offensichtlich durch das Bauvorhaben betroffene Nachbar Veranlassung und Möglichkeiten hat, später noch dessen Abriss durchzusetzen. Dabei handelt es sich um eine rechtliche Frage, die die Kläger, sofern sie sie nicht selbst überblicken konnten, notfalls durch Einholung von Rechtsrat hätten weiter klären können, wenn sie nicht jedes Risiko durch Bekanntgabe der genehmigten Planung an die Nachbarn und Abwarten ihrer Reaktion ausschließen wollten.
- 47
- Im Ergebnis gilt deshalb im vorliegenden Fall dasselbe wie in Fällen der Amtshaftung für rechtswidrige Baugenehmigungen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können auch dort bauordnungsrechtliche Bedenken von solchem Gewicht gegen die Zulässigkeit des Bauvorhabens bestehen, dass der Bauherr ihretwegen nicht ohne weiteres auf die Rechtmäßigkeit der erteilten Baugenehmigung vertrauen darf (BGH, Urteil vom 12. Juni 1975 - III ZR 34/73, NJW 1975, 1968). Ein Bauherr trägt deshalb auch dann zur Entstehung des Schadens schuldhaft bei, wenn er mit den Bauarbeiten beginnt, obwohl er weiß - oder mindestens damit rechnen muss -, dass die von ihm geplante Erweiterung seines Bauvorhabens geeignet ist, die Rechte der Nachbarn erheblich zu stören (BGH, Urteil vom 12. Juni 1975 - III ZR 34/73, aaO).
- 48
- 5. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Auffassung des Berufungsgerichts , ein Schadensersatzanspruch sei nicht verjährt, weil die fünfjähri- ge Verjährungsfrist gemäß § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB und nicht die dreijährige Verjährungsfrist gemäß §§ 195, 199 BGB Anwendung finde. Der Senat hat nach Erlass des angefochtenen Urteils entschieden, dass werkvertragliche Gewährleistungsansprüche des Bestellers auch dann der Verjährungsregelung des § 638 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. und nicht der Regelverjährung unterliegen, wenn sie vor der Abnahme entstanden sind. Die Verjährungsfrist beginnt erst zu laufen, wenn die Abnahme erfolgt oder endgültig verweigert wird (BGH, Urteil vom 8. Juli 2010 - VII ZR 171/08, BauR 2010, 1778 = NZBau 2010, 768 = ZfBR 2010, 773). Er hat damit seine frühere gegenteilige Auffassung (BGH, Urteil vom 30. September 1999, VII ZR 162/97, BauR 2000, 128 = NZBau 2000, 22 = ZfBR 2000, 97) aufgegeben. Damit kommt es auch nicht mehr auf die weiteren Angriffe der Revision gegen die Feststellungen des Berufungsgerichts an, die Kläger hätten am 2. Oktober 2001 die Abnahme endgültig verweigert. Wäre dies nicht der Fall, wäre erst recht keine Verjährung eingetreten.
- 49
- 1. Die Kläger rügen ohne Erfolg die Verletzung ihres Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs, Art. 103 Abs. 1 GG. Dieser Anspruch verpflichtet das entscheidende Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Die Anschlussrevision meint, es sei davon auszugehen, dass das Berufungsgericht den Vortrag der Kläger im Schriftsatz vom 11. November 2009 mit dem Bezug auf ein Schreiben vom 22. Mai 1999 nicht zur Kenntnis genommen habe. Dort seien sie dem Berufungsangriff des Beklagten, dass er nichts mit der Erwirkung der Baugenehmigung vom 26. November 1999 zu tun gehabt habe, entgegengetreten.
- 50
- Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Die Gerichte brauchen nicht jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden. Eine Verletzung der Pflicht, den Vortrag der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und zu erwägen, kann nur angenommen werden, wenn sich dies aus den besonderen Umständen des Falles ergibt (vgl. BVerfGE 96, 205, 216 f. m.w.N.). Nach diesen Maßstäben kann hier keine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs angenommen werden. Das Berufungsgericht hat die Einwände der Kläger gegen die Berufungsbegründung zwar nicht im Einzelnen in den Entscheidungsgründen beschieden. Jedoch hat es darauf hingewiesen, dass die Kläger dem Berufungsvorbringen zu diesem Punkt nicht hinreichend entgegengetreten seien. Daraus ergibt sich gerade, dass es eine Wertung des Vortrags vorgenommen und diesen damit zur Kenntnis genommen und gewürdigt hat. Es ist aus Rechtsgründen auch nicht zu beanstanden, dass es ihn nicht für hinreichend gehalten hat, eine Verantwortung des Beklagten für den von ihm nicht unterzeichneten und eingereichten Bauantrag für einen Zusatzkeller zu begründen. Das in Bezug genommene Schreiben weist nur darauf hin, dass die Änderung im Kellerbereich "in Abstimmung mit" dem Beklagten in die Planung aufgenommen werde.
- 51
- 2. Das Berufungsgericht war auch nicht gehalten, die Kläger darauf hinzuweisen , dass es weiteren Vortrag für notwendig hielt. Die Kläger hatten auf den Berufungsangriff des Beklagten bereits erwidert. Das Berufungsgericht war nicht verpflichtet darauf hinzuweisen, dass dieser Vortrag rechtlich unerheblich war. Es hatte keinen Anlass anzunehmen, dass er unvollständig sein könnte. Es gab keine Anhaltspunkte dafür, dass den Klägern weiterer Vortrag, der ihren Anspruch hätte stützen können, möglich gewesen wäre.
III.
- 52
- Nach alledem ist das Berufungsurteil aufzuheben, soweit zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist. Auf die Revision ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, welches auf Grundlage der aufgezeigten Gesichtspunkte - erforderlichenfalls nach weiteren Tatsachenfeststellungen - eine erneute Abwägung im Rahmen der Mitverschuldensprüfung vorzunehmen haben wird.
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 31.10.2008 - 14e O 170/05 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 18.12.2009 - I-23 U 187/08 -
(1) Für Grundleistungen bei Gebäuden und Innenräumen sind die Kosten der Baukonstruktion anrechenbar.
(2) Für Grundleistungen bei Gebäuden und Innenräumen sind auch die Kosten für Technische Anlagen, die der Auftragnehmer nicht fachlich plant oder deren Ausführung er nicht fachlich überwacht,
- 1.
vollständig anrechenbar bis zu einem Betrag von 25 Prozent der sonstigen anrechenbaren Kosten und - 2.
zur Hälfte anrechenbar mit dem Betrag, der 25 Prozent der sonstigen anrechenbaren Kosten übersteigt.
(3) Nicht anrechenbar sind insbesondere die Kosten für das Herrichten, für die nichtöffentliche Erschließung sowie für Leistungen zur Ausstattung und zu Kunstwerken, soweit der Auftragnehmer die Leistungen weder plant noch bei der Beschaffung mitwirkt oder ihre Ausführung oder ihren Einbau fachlich überwacht.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an einen anderen Senat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch. Die Beklagte zu 1 ist eine Architektengesellschaft, der Beklagte zu 2 ist Tragwerksplaner.
- 2
- Die Klägerin ist Eigentümerin von Grundstücken an der Steilküste von R. im Gemeindegebiet der Streithelferin zu 2. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin (nachfolgend nur: Klägerin) plante, einen Altbau zu sanieren und zwei Neubauten zu errichten. In einem Baugrundgutachten des Streithelfers zu 1 vom 28. Dezember 1997, welches die Streithelferin zu 2 in Auftrag gegeben hatte, heißt es: "… Somit ist zu festzustellen, dass nach den Ergebnissen der durchgeführten Berechnungen der Steilhang … im Bereich der Profile 1 bis 12 als nicht standsicher zu betrachten ist. … Der empfohlene bebauungsfreie Sicherheitskorridor ist in Anlage 1 dargestellt."
- 3
- Die Klägerin beauftragte den Streithelfer zu 1 ihrerseits mit einem Baugrundgutachten. Er empfahl in seinem Gutachten vom 31. März 1998 einen bebauungsfreien Sicherheitskorridor in einem bestimmten Bereich (Querprofile 12 und 13). Der Altbau lag innerhalb des Sicherheitskorridors.
- 4
- Die Beklagte zu 1 verfasste für die Klägerin einen Antrag auf Erlass eines Bauvorbescheides. In dem Ablehnungsbescheid vom 11. November 1999 heißt es unter anderem: "Das Staatliche Amt für Umwelt und Natur S. stimmt dem Vorhaben nicht zu, da die Standsicherheit des Steilhanges in diesem Bereich nicht gewährleistet ist."
- 5
- Am 3. Februar 2000 beauftragte die Klägerin die Beklagte zu 1 mit Architektenleistungen der Leistungsphasen 1 bis 9 des § 15 Abs. 2 HOAI (a.F.) sowie mit Vertrag vom 13. Juli/22. Dezember 2000 den Beklagten zu 2 mit der Tragwerksplanung (Leistungsphasen 1 bis 6 des § 64 HOAI a.F.). Die Leistungen betrafen die Sanierung des Altbaus und die Errichtung der Neubauten.
- 6
- Am 19. Oktober 2001 wurde die Baugenehmigung erteilt. Sie enthielt eine Auflage, die sich aus der beigefügten Stellungnahme eines Prüfingenieurs für Baustatik ergab. Dort ist ausgeführt: "Zu diesem Standort liegt eine Untersuchung der Standsicherheit des Steilhanges vor. Im Ergebnis dieser Untersuchung wird die Empfehlung ausgesprochen, für diesen Bereich einen bebauungsfreien Sicherheitskorridor vorzusehen.
- 7
- Die Klägerin leitete die Baugenehmigung an die Beklagten weiter. Baugrundaufschlüsse am Standort des Altbaus unterblieben.
- 8
- Ende 2003 waren der Altbau saniert und die Neubauten fertiggestellt. Im März 2005 brach ein großer Abschnitt der Steilküste weg. Der Altbau, der sich unmittelbar an der Abbruchstelle befand, blieb unbeschädigt. Die Nutzung des Altbaus wurde der Klägerin später behördlich untersagt. Das Gebäude wurde aus Sicherheitsgründen abgetragen.
- 9
- Die Klägerin hat von den Beklagten als Gesamtschuldner in erster Linie Schadensersatz in Höhe von 2.951.647,80 € verlangt und einen weitergehenden Schadensfeststellungsantrag gestellt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht den Zahlungsantrag dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und dem Feststellungsantrag stattgegeben. Mit den vom Senat zugelassenen Revisionen begehren die Beklagten und der Streithelfer zu 1 Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Klägerin beantragt, die Revisionen zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
- 10
- Die Revisionen der Beklagten führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
- 11
- Auf die Schuldverhältnisse sind das Bürgerliche Gesetzbuch in der Fassung , die für die bis zum 31. Dezember 2001 geschlossenen Verträge gilt (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB), und die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure in der Fassung der 5. Änderungsverordnung (BGBl. I 1995, 1174, berichtigt BGBl. I 1996, 51) anwendbar.
I.
- 12
- Das Berufungsgericht stellt fest, alle Beteiligten hätten die fachlichen Äußerungen zur Standfestigkeit des Abhangs gekannt. Insoweit habe es kein überlegenes Wissen eines Beteiligten gegeben. Es hat gegen beide Beklagte einen Schadensersatzanspruch gemäß § 635 BGB a.F. dem Grunde nach bejaht. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagten hätten vertragliche Beratungs - und Aufklärungspflichten verletzt. Beiden sei vorzuwerfen, das Bauvorhaben geplant und durchgeführt zu haben, ohne die Klägerin darüber aufzuklären , dass jedenfalls hinsichtlich des Altbaus die Standsicherheit des Hanges nicht gewährleistet sei. Zwar könnten Schadensersatzansprüche gegen den Architekten und Statiker zu verneinen sein, wenn sich der Bauherr mit der Planung und Ausführung einverstanden zeige. Keiner der Beklagten habe die Klägerin jedoch darauf hingewiesen, dass die Sanierung des Altbaus mit dem Risiko ungenügender Standsicherheit behaftet gewesen sei und deshalb ein Totalverlust nicht ganz unwahrscheinlich sei. Dies sei auch geboten, wenn der Bauherr aus Sicht der Planer in der Lage sei, die Baurisiken selbst zu erkennen. Die Klägerin sei nicht mit spezieller Sachkunde ausgestattet, die ausgereicht hätte, um eine Aufklärung als entbehrlich anzusehen.
- 13
- Die Vermutung beratungskonformen Verhaltens sei nicht widerlegt; es gebe keinen Anhalt dafür, dass die Klägerin das Bauvorhaben auch im Bewusstsein seiner Unsinnigkeit durchgeführt hätte. Es entlaste die Beklagten auch nicht, sofern der von der Streithelferin zu 2 veranlasste Hafenausbau Auslöser des Hangrutsches gewesen sei. Dies führe allenfalls zu einer zusätzlichen Haftung der Streithelferin zu 2.
- 14
- Dem Anspruch der Klägerin stehe kein Mitverschulden entgegen. Als Baulaie müsse sie nicht schlauer als die von ihr bezahlten Fachleute sein. Die Beklagten hätten das Vorhaben vorangetrieben, obwohl sie gewusst hätten, dass der Steilhang abrutschgefährdet gewesen und die in der Baugenehmigung geforderten Bodenaufschlüsse nicht vorgenommen worden seien. Sie hätten der Klägerin von dem Bauvorhaben an dem problematischen Standortabraten müssen.
II.
A. Revision der Beklagten zu 1- 15
- Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in jeder Hinsicht stand.
- 16
- 1. a) Zu einem Schadensersatzanspruch gemäß §§ 635, 633 Abs. 1 BGB kann auch eine fehlerhafte Grundlagenermittlung führen (Korbion in: Korbion/ Mantscheff/Vygen, HOAI, 8. Aufl., § 33 Rn. 75). Nach den getroffenen Feststellungen war die Beklagte zu 1 unter anderem mit der Grundlagenermittlung (Leistungsphase 1) beauftragt. Die Grundlagenermittlung schließt eine Beratung zum gesamten Leistungsbedarf ein (vgl. § 15 Abs. 2 Nr. 1 HOAI). Dabei sollen die Probleme, die sich aus der Bauaufgabe, den Planungsanforderungen und den Zielvorstellungen ergeben, untersucht, analysiert und geklärt werden. Dazu gehört das Abfragen und Besprechen der Wünsche, Vorstellungen und Forderungen des Auftraggebers (Koeble in: Locher/Koeble/Frik, HOAI, 9. Aufl., § 15 Rn. 15; Koeble in: Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 3. Aufl., Teil 12 Rn. 404; Neuenfeld, NZBau 2000, 405, 406; zu § 33 HOAI 2009 i.V.m. Anlage 11 siehe Koeble in: Locher/Koeble/Frik, HOAI, 11. Aufl., § 33 Rn. 28 f.). Die sachgerechte Beratung des Auftraggebers schließt die Erörterung standortbezogener Gefahren ein. Es kommt für den Architekten unter anderem darauf an, die Vorstellungen des Bauherrn in einen technisch vertretbaren und darüber hinaus überhaupt ausführbaren Rahmen zu bringen (Korbion in: Korbion/ Mantscheff/Vygen, HOAI, 6. Aufl., § 15 Rn. 32; ebenso zu § 33 HOAI 2009: Korbion in: Korbion/Mantscheff/Vygen, HOAI, 8. Aufl., § 33 Rn. 62).
- 17
- b) Danach musste die Beklagte zu 1 der Klägerin entgegen der Annahme des Berufungsgerichts zwar nicht ohne weiteres von dem Bauvorhaben abraten. Der Altbau war bereits vor mehreren Jahrzehnten errichtet worden. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass dort - aus der maßgeblichen Sicht ex ante - ein Steilhangabbruch mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu besorgen war. Es oblag daher der Entscheidung der Klägerin, ob sie - je nach dem Ergebnis weiterer Baugrundaufschlüsse am Standort des Altbaus - das Risiko in Kauf nehmen wollte, dieses Gebäude zu sanieren und die Neubauten zu errichten , obgleich der Altbau im Sicherheitskorridor lag.
- 18
- Allerdings musste die Beklagte zu 1 das Ausmaß der Gefährdungslage, die sich durch das Risiko eines Steilhangabbruchs ergab, mit der Klägerin erörtern und Entscheidungsmöglichkeiten mit ihr beraten. Von dieser Verpflichtung war die Beklagte zu 1 nicht deshalb entbunden, weil die Klägerin Risikohinweise bereits aus den eingeholten Gutachten und auch aus der abgelehnten Bauvoranfrage entnehmen konnte. Zwar hat das Berufungsgericht festgestellt, dass der Wissensstand der Beteiligten gleich war. Das Wissen um die tatsächlichen Umstände, aus denen sich die Gefährdung ergab, gestattet aber nicht ohne weiteres den Schluss, dass die Klägerin deren Tragweite auch zutreffend bewertete. Das Wissen um das Vorhandensein eines Risikos bedeutet nicht ohne weiteres, dass der Auftraggeber dessen Ausmaß zutreffend einschätzt. Die Beklagte zu 1 musste dies mit der Klägerin erörtern und sodann eine eigenverantwortliche Entscheidung der Klägerin über das weitere Vorgehen herbeiführen. Selbst eine gewisse Sachkunde des Bauherrn ist nicht ausreichend, um eine Erörterung von standortbezogenen Umweltrisiken als entbehrlich zu erachten (siehe bereits BGH, Urteil vom 9. Mai 1996 - VII ZR 181/93, BauR 1996, 732 unter I 2 b bb (2)). Die Erörterung eines standortbezogenen Risikos für den Bestand des Objekts sowie die Beratung über Handlungsmöglichkeiten sind nur dann entbehrlich, wenn der Auftraggeber erkennbar mit den möglichen Auswirkungen der Gefahrenlage in zuverlässiger Weise hinreichend vertraut ist und das Risiko auch bei einer Belehrung auf sich nehmen würde (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 2011 - VII ZR 8/10, BauR 2011, 869 Rn. 33 = NZBau 2011, 360). Dahingehende Feststellungen hat das Berufungsgericht nicht getroffen.
- 19
- 2. Die Beklagte zu 1 hat ihre Pflichtverletzung zu vertreten. Vergeblich macht die Revision geltend, die Beklagte zu 1 sei schon deshalb entlastet, weil sie habe annehmen dürfen, dass die Klägerin die unzureichende Standsicherheit gekannt habe. Das genügt nicht. Es war sorgfaltswidrig, mit der Klägerin nicht zu erörtern, ob sie trotz der sich aus den vorhandenen fachlichen Äußerungen ergebenden erheblichen Risiken das Bauvorhaben in der vorgesehenen Form durchführen wollte.
- 20
- 3. Von Rechtsfehlern beeinflusst ist die Annahme des Berufungsgerichts, dass die unterlassene Erörterung und Beratung ursächlich für die Entscheidung der Klägerin gewesen sei, an dem Sanierungsvorhaben festzuhalten.
- 21
- a) Noch zutreffend ist das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang davon ausgegangen, dass derjenige, der vertragliche Aufklärungspflichten verletzt hat, beweispflichtig dafür ist, dass der Schaden auch eingetreten wäre, wenn er sich pflichtgemäß verhalten hätte, der Auftraggeber die Beratung also unbeachtet gelassen hätte. Die Erfüllung der Aufklärungspflicht soll die Beweisnot beseitigen, die darin besteht, dass sich nachträglich nur schwer mit der erforderlichen Zuverlässigkeit beurteilen lässt, wie der Betroffene bei rechtzeitiger Kenntnis von schadendrohenden Umständen und des Umfangs von Schadensrisiken gehandelt hätte (grundlegend: BGH, Urteil vom 5. Juli 1973 - VII ZR 12/73, BGHZ 61, 118, 121 ff.).
- 22
- Es handelt sich nicht lediglich um eine Beweiserleichterung im Sinne des Anscheinsbeweises, sondern um eine zur Beweislastumkehr führende widerlegliche Vermutung (BGH, Urteile vom 5. Juli 1973 - VII ZR 12/73, aaO; vom 19. Februar 1975 - VIII ZR 144/73, BGHZ 64, 46, 51; vom 10. Juli 1975 - VII ZR 243/73, BauR 1975, 420 unter B I 2 c; vom 22. Mai 1985 - IVa ZR 190/83, BGHZ 94, 356, 363; vom 16. Dezember 2009 - VIII ZR 38/09, NJW 2010, 858 Rn. 18; vom 22. März 2010 - II ZR 66/08, NJW-RR 2010,952 Rn. 23; vom 22. März 2011 - XI ZR 33/10, BGHZ 189, 13 Rn. 40; vom 5. Mai 2011 - IX ZR 144/10, BGHZ 189, 299 Rn. 44; vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 29; vom 1. Februar 2013 - V ZR 72/11, juris, Rn. 19; vom 26. Februar 2013 - XI ZR 183/11, juris, Rn. 17; vgl. auch BVerfG, NJW 2012, 443 Rn. 20).
- 23
- Nicht anders liegt es, wenn der Planer im Rahmen der Grundlagenermittlung eine gebotene Erörterung und Beratung über Risiken unterlässt, die im Grundsatz bekannt sein mögen, er aber nicht sicher sein kann, dass der Auftraggeber diese Risiken bei seiner Bauentscheidung ausreichend bedacht hat. Der Zweck der den Planer treffenden Erörterungs- und Beratungspflicht besteht gerade darin, Klarheit darüber zu schaffen, ob der Auftraggeber, wenn ihm das jeweilige Risiko in seiner ganzen Tragweite bewusst gemacht wird, trotzdem an der in den Blick genommenen Maßnahme festhalten oder ob er von ihr Abstand nehmen will.
- 24
- b) Das Berufungsgericht hat allerdings ausgeführt, es biete sich kein Anhalt , dass die Klägerin das Bauvorhaben "im Bewusstsein seiner Unsinnigkeit" durchgeführt hätte. Diese Beurteilung lässt besorgen, dass das Berufungsgericht auf eine unzulässige rückschauende Betrachtung abgestellt hat. Als unsinnig erwies sich die Baumaßnahme erst nach dem Steilhangabbruch. Aus der gebotenen Sicht ex ante, als die Klägerin von der Baugenehmigung Gebrauch machte, stand hingegen nicht fest, dass das Projekt widersinnig war. Die Entscheidung für das Bauvorhaben war zwar bedenklich, aber nicht von vornherein unvertretbar. Bezogen auf den maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt stellte sich die Frage, ob sich die Klägerin auch nach Erörterung des Gefährdungsumfangs über das Risiko eines Steilhangabbruchs hinwegsetzen würde. In der neuen Berufungsverhandlung wird das Berufungsgericht entsprechende Feststellungen zu treffen haben, wobei die Parteien Gelegenheit haben, ihr tatsächliches Vorbringen zu ergänzen.
- 25
- c) Die Beklagte zu 1 hat, wie das Berufungsgericht weiter zu beachten haben wird, in den Tatsacheninstanzen unter Beweisantritt behauptet, dass die in der Baugenehmigung geforderten weiteren Baugrunduntersuchungen ergebnislos geblieben wären. Dieser Behauptung ist das Berufungsgericht, wie die Revision zu Recht rügt, nicht nachgegangen. Nicht auszuschließen ist, dass die Klägerin sich jedenfalls im Fall eines solchen Untersuchungsergebnisses für die Durchführung der Maßnahme entschieden hätte. Auch dazu wird das Berufungsgericht ergänzende tatsächliche Feststellungen zu treffen haben.
- 26
- 4. Ohne Erfolg macht die Revision geltend, dass die von der Streithelferin zu 2 veranlassten Arbeiten zum Ausbau des Hafens alleinige Ursache des Küstenabbruchs gewesen seien. Der Küstenabschnitt, auf dem der Altbau errichtet worden war, war nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts bereits vor der Baumaßnahme nicht frei von Risiken für eine dauerhafte Standsicherheit. Wenn das Bauvorhaben aufgrund des Abbruchrisikos unterblieben wäre, ist es ohne Belang, ob und aufgrund welcher Umstände sich das Abbruchrisiko später verwirklicht. An dieser Rüge hat die Revision in der mündlichen Verhandlung auch nicht mehr festgehalten.
- 27
- 5. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht jegliches Mitverschulden der Klägerin (§ 254 Abs. 1 BGB) verneint, so dass das Berufungsurteil auch aus diesem Grund keinen Bestand haben kann.
- 28
- a) Die Haftungsverteilung im Rahmen des § 254 BGB kann im Revisionsverfahren darauf überprüft werden, ob alle in Betracht kommenden Umstände vollständig und richtig berücksichtigt und der Abwägung rechtlich zulässige Erwägungen zugrunde gelegt worden sind (BGH, Urteil vom 10. Februar 2011 - VII ZR 8/10, aaO, Rn. 40 m.w.N.).
- 29
- b) Dem Berufungsurteil liegen rechtlich unzulässige Erwägungen zugrunde. Der Auftraggeber darf die Baumaßnahme nicht ohne Weiteres auf der Grundlage offenkundiger Risiken vornehmen lassen (vgl. BGH, Urteile vom 20. Dezember 2012 - VII ZR 209/11, BauR 2013, 624 = NZBau 2013, 244 Rn. 27 f.; vom 19. Mai 2011 - VII ZR 24/08, BauR 2011, 1494 = NZBau 2011, 483 Rn. 30; vom 10. Februar 2011 - VII ZR 8/10 aaO, Rn. 43). Das Berufungsgericht hat nicht beachtet, dass der hier geltend gemachte Schaden auch darauf beruht, dass auch die Klägerin auf das ihr in gewissem Umfang bekannte Risiko für die Standsicherheit des Altbaus keine Rücksicht genommen hat. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wusste die Klägerin insbesondere aufgrund des von ihr selbst eingeholten Gutachtens des Streithelfers zu 1 vom 31. März 1998, dass der Altbau in einem von Bebauung freizuhaltenden Sicherheitskorridor lag. Das Gutachten war nach den Feststellungen des Landgerichts , auf welche das Berufungsgericht Bezug genommen hat, für die Klägerin verständlich. Der Befund des Gutachters wurde in der Folgezeit bekräftigt. Der auf die Bauvoranfrage erteilte Ablehnungsbescheid vom 11. November 1999 stellte unter anderem darauf ab, dass die Standsicherheit des Steilhanges nicht gewährleistet sei. Die Baugenehmigung wurde am 19. Oktober 2001 zwar erteilt und ging davon aus, dass die Standsicherheit des Gebäudes an sich nicht gefährdet sei; die Baugenehmigung enthielt sich jedoch ausdrücklich einer verbindlichen Aussage. Vor diesen Umständen durfte die Klägerin nicht die Augen verschließen, ohne dadurch gegen die ihrem eigenen Interesse dienende Obliegenheit, sich selbst vor Schäden zu bewahren, zu verstoßen , § 254 Abs. 1 BGB.
- 30
- 6. Zu Unrecht meint die Revision, dass das Berufungsgericht den Umfang des Schadensersatzanspruchs im Hinblick auf zwei der von der Klägerin geltend gemachten Schadenspositionen bereits in seinem Grundurteil hätte einschränken müssen. So hat die Klägerin unter anderem Schadensersatz für Kosten verlangt, die durch das Vorhalten von Personal entstanden seien. Außerdem hat sie behauptet, dass sie die Neubauten nicht errichtet hätte, wenn die Sanierung des Altbaus unterblieben wäre. Dazu hat das Berufungsgericht zwar keine Feststellungen getroffen. Dies war jedoch im Rahmen des Grundurteils entbehrlich. Das Berufungsgericht musste zu einzelnen Schadenspositionen keine Feststellungen treffen. Es reicht die konkludent getroffene Feststellung aus, dass es nach dem Sach- und Streitstand zumindest wahrscheinlich ist, dass der Anspruch in irgendeiner Höhe besteht (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 - VII ZR 12/09, NJW-RR 2012, 880 Rn. 13).
- 31
- Das Berufungsurteil ist auch im Hinblick auf die Verurteilung des Beklagten zu 2 nicht frei von Rechtsfehlern.
- 32
- 1. a) Die Leistung des Beklagten zu 2 war ebenfalls mangelhaft (§ 633 Abs. 1 BGB). Im Hinblick auf die von ihm vertraglich übernommene Grundlagenermittlung (Leistungsphase 1) musste er standortbezogene Einflüsse unter Berücksichtigung der Bodenverhältnisse klären (Koeble in: Locher/Koeble/Frik, 9. Aufl., § 64 Rn. 9; zu § 49 HOAI 2009 siehe Koeble, aaO, 11. Aufl., § 49 Rn. 19). Insbesondere bei - wie hier - unüblichen und außergewöhnlichen Aufgaben , bei denen die Objektplanung nicht unwesentlich von statischen Gegebenheiten abhängt, muss er die Aufgabenstellung klären (Mantscheff in: Korbion/Mantscheff/Vygen, aaO, 6. Aufl., § 64 Rn. 10; zu § 49 HOAI 2009 siehe Mantscheff in: Korbion/Mantscheff/Vygen, aaO, 8. Aufl., Anlage zu § 49 Rn. 17; Jochem/Kaufhold, HOAI-Kommentar, 5. Aufl., § 49 Rn. 4). Danach war auch der Beklagte zu 2 verpflichtet, die Gefährdungslage mit der Klägerin zu erörtern und sie bei einer eigenverantwortlichen Entscheidung zu beraten. Sofern der Tragwerksplaner dem nicht selbst nachkommt, musste er jedenfalls für eine sachgerechte Beratung des Auftraggebers durch andere Beteiligte, insbesondere den Architekten, sorgen (vgl. BGH, Urteil vom 4. März 1971 - VII ZR 204/69, BauR 1971, 265 unter III 1 b; OLG Karlsruhe, BauR 2002, 1884). Dem hat der Beklagte zu 2 nicht Rechnung getragen.
- 33
- b) Entgegen der Ansicht der Revision ändert es nichts, dass die Baukonstruktion des Beklagten zu 2, wie sich nachtäglich herausgestellt hat, den Hangabbruch überstanden hat. Zwischen der Standsicherheit der Steilküste, an der der Altbau belegen war, und der Tragfähigkeit des Baugrundes ist entgegen der Ansicht der Revision nicht zu unterscheiden. Die Revision hält den Altbau, bezogen auf den Baugrund, für standsicher und meint, der Beklagte zu 2 habe seinen Pflichten damit Genüge getan. Darin erschöpfen sich die Pflichten des Statikers jedoch nicht. Der Altbau hat zwar durch den Abbruch der Steilküste keine sichtbaren Schäden erlitten. Der Statiker ist aber nur dann in der Lage, eine statische Berechnung anzufertigen, die den örtlichen Gegebenheiten Rechnung trägt, wenn er sich Klarheit über die Bodenverhältnisse verschafft (BGH, Urteil vom 4. März 1971 - VII ZR 204/69, aaO, unter III 1 a). Die Verpflichtung , die örtlichen Gegebenheiten einzubinden, beschränkt sich nicht nur auf das Baugrundstück, sondern schließt schadensträchtige Umwelteinflüsse ein, denn die Standsicherheit des Bauwerks kann auch dadurch beeinträchtigt werden.
- 34
- 2. Der Beklagte zu 2 hat seine Pflichtverletzung zu vertreten (§ 276 BGB). Er musste erkennen, dass die Abbruchsicherheit des Steilhanges nicht gewährleistet war. Es war sorgfaltswidrig, dies nicht mit der Klägerin zu erörtern. Er konnte sich nicht darauf verlassen, dass die Klägerin das Ausmaß der Gefahrenlage richtig eingeschätzt hat und das Bauvorhaben trotz des ihr bekannten erheblichen Risikos durchführen wollte.
- 35
- 3. Das Berufungsurteil unterliegt auch im Hinblick auf den Beklagten zu 2 der Aufhebung, weil das Berufungsgericht erforderliche Feststellungen zur (Mit-) Ursächlichkeit der Pflichtverletzung des Beklagten zu 2 für den Schaden nicht getroffen hat. Das Berufungsgericht hat auch im Hinblick auf den Beklagten zu 2 ergänzend festzustellen, ob die Klägerin auch bei pflichtgemäßer Erörterung der Gefahrenlage und Beratung über Handlungsmöglichkeiten an dem Sanierungsvorhaben festgehalten hätte, insbesondere dann, wenn weitere Baugrundaufschlüsse zu keinen weiteren Erkenntnissen über die Standsicherheit des Steilhanges geführt hätten. Auch der Beklagte zu 2 muss darlegen und beweisen, dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem Verhalten eingetreten wäre.
- 36
- 4. a) Zu Unrecht hat das Berufungsgericht auch zugunsten des Beklagten zu 2 eine Anspruchsminderung gemäß § 254 Abs. 1 BGB entsprechend dem Gewicht der jeweiligen Verursachungsanteile abgelehnt. Aus den oben ausgeführten Gründen hat auch im Hinblick auf den Beklagten zu 2 ein eigenes Mitverschulden der Klägerin bei der Entstehung des Schadens mitgewirkt. Die gebotene Abwägung wird das Berufungsgericht in der neuen Berufungsverhandlung nachzuholen haben.
- 37
- b) Fremdes Verschulden ist der Klägerin hingegen im Streitfall nicht gemäß §§ 278, 254 BGB zurechenbar (zur begrenzten Mitverantwortung des Auftraggebers gegenüber Planern siehe BGH, Urteile vom 4. Juli 2002 - VII ZR 66/01, BauR 2002, 1719 = NZBau 2002, 616; vom 10. Juli 2003 - VII ZR 329/02, BauR 2003, 1918 = NZBau 2003, 567; Kniffka in: Kniffka/ Koeble, aaO, Teil 6 Rn. 59). Insbesondere war die Beklagte zu 1 gegenüber dem Beklagten zu 2 nicht Erfüllungsgehilfin der Klägerin. Eine Fallgestaltung, in der der Bauherr dem Tragwerksplaner durch den Architekten fehlerhafte bzw. unvollständige Unterlagen aushändigen lässt (siehe BGH, Urteil vom 15. Mai 2013 - VII ZR 257/11, für BGHZ bestimmt), ist hier nicht gegeben.
III.
- 38
- Nach alledem ist das Berufungsurteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden. Sie ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dabei hat der Senat von der durch § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Sache an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts zurückzuverweisen.
- 39
- 1. a) Das Berufungsgericht wird im Hinblick auf die von den Beklagten verletzte Erörterungs- und Beratungspflicht in erster Linie festzustellen haben, ob die Klägerin auch bei pflichtgemäßer Erörterung der Gefährdungslage an dem Bauvorhaben festgehalten hätte. Im Rahmen der Beweislastumkehr zu Lasten der Beklagten ist dabei zu beachten, dass die Klägerin tatsächliche Umstände , aus denen sich das Vorhandensein des Risikos ergab, kannte. Die 1997 und 1998 eingeholten Baugrundgutachten und die 1999 abgelehnte Bauvoranfrage stellen gleichzeitig gewichtige objektive Indizien dafür dar, dass die Klägerin auch die Tragweite der Gefahrenlage subjektiv ermessen konnte (zur Möglichkeit, die Kausalitätsvermutung durch relevante Indizien zu widerlegen: BGH, Urteil vom 26. Februar 2013 - XI ZR 183/11, juris, Rn. 21 ff.).
- 40
- Soweit es bei der Frage, ob der Klägerin das Risiko in seiner ganzen Tragweite bewusst war, auf innere Einschätzungen ankommt, wird zu beachten sein, dass dem Prozessgegner eine so genannte sekundäre Darlegungslast obliegt, wenn die primär darlegungsbelastete Partei außerhalb des darzulegenden Geschehensablaufs steht und keine Kenntnisse von den maßgeblichen Tatsachen besitzt, während der Prozessgegner zumutbar nähere Angaben machen kann (zur sekundären Darlegungslast bei inneren Tatsachen siehe BGH, Urteil vom 18. Mai 2005 - VIII ZR 368/03, NJW 2005, 2395 unter II 3 b cc; BeckOK ZPO/Bacher, Stand: 1. April 2013, § 284 Rn. 76, 87; Hk-ZPO/Saenger, 5. Aufl., § 286 Rn. 92 f.). Die Beklagten müssen insoweit lediglich spezifizierten Vortrag der Klägerin ausräumen (vgl. BGH, Urteile vom 12. November 2010 - V ZR 181/09, BGHZ 188, 43 Rn. 12; vom 5. Dezember 2012 - VIII ZR 74/12, NJW 2013, 1299 Rn. 36).
- 41
- b) Sollte das Berufungsgericht wegen der Verletzung der Erörterungsund Beratungspflicht eine Haftung der Beklagten dem Grunde nach erneut bejahen , wird es im Rahmen der Mitverschuldensprüfung die jeweiligen Verursachungsanteile der Klägerin und der Beklagten abzuwägen haben (§ 254 Abs. 1 BGB).
- 42
- 2. In der neuen Verhandlung wird das Berufungsgericht zu berücksichtigen haben, dass die Werkleistung der Beklagten auch unter einem anderen Blickwinkel mangelhaft war.
- 43
- a) Die Baugenehmigung enthielt die Auflage, genauere Baugrundaufschlüsse am Standort des Altbaus vorzunehmen. Dies hat die Beklagte zu 1 nicht beachtet, obwohl es Aufgabe des Architekten ist, gründliche Bodenuntersuchungen herbeizuführen (BGH, Urteil vom 4. März 1971 - VII ZR 204/69, BauR 1971, 265 unter II 5).
- 44
- b) Für den Beklagten zu 2 gilt im Streitfall nichts anderes. Die Untersuchung der Baugrundverhältnisse ist zwar in aller Regel vom Architekten zu veranlassen (BGH, Urteile vom 15. Dezember 1966 - VII ZR 151/64, VersR 1967, 260; vom 15. Mai 2013 - VII ZR 257/11, aaO unter II 1 c). Unter den hier gegebenen Umständen musste der Beklagte zu 2 aber durch eigene Initiative dafür sorgen, dass die Beklagte zu 1 weitere Untersuchungen vornimmt. Auch der Beklagte zu 2 musste deren Notwendigkeit erkennen und realisieren, dassdie Beklagte zu 1 insoweit nichts unternahm (vgl. BGH, Urteile vom 16. Juni 1969 - VII ZR 64/67, JurionRS 1969, 12032 unter III 1 a; vom 4. März 1971 - VII ZR 204/69, BeckRS 2009, 87566, unter III 1 a; Locher in: Locher/ Koeble/Frik, aaO, 11. Aufl., Einleitung Rn. 351). Nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts durfte sich der Beklagte zu 2 nicht darauf verlassen , dass die Beklagte zu 1 gedachte, rechtzeitig weitere Baugrundaufschlüsse vorzunehmen. Dafür bot sich kein tatsächlicher Anhaltspunkt.
- 45
- c) Mit Rücksicht auf diese Pflichtverletzung der Beklagten wird das Berufungsgericht tatsächliche Feststellungen zu treffen haben, ob das Unterlassen weiterer Baugrundaufschlüsse (mit-)ursächlich für entstandene Schäden geworden ist. Dazu wird das Berufungsgericht festzustellen haben, was das (hypothetische ) Ergebnis weiterer Baugrundaufschlüsse am Standort des Altbaus gewesen wäre und wie die Klägerin darauf reagiert hätte. Auch insoweit kehrt sich die Beweislast zu Lasten der Beklagten um, weil auch der Zweck dieser Aufklärungsmaßnahme darin besteht, dem Auftraggeber Klarheit zu verschaffen , ob er an der Maßnahme festhalten will, wenn ihm der Risikoumfang bewusst gemacht wird.
- 46
- d) Die neue Verhandlung gibt den Parteien zudem Gelegenheit, Vortrag dazu zu halten, ob ein Mitverschulden der Klägerin in Betracht kommt (§ 254 Abs. 1 BGB), weil es nach der Baugenehmigung vom 19. Oktober 2001 erforderlich war, genauere Baugrundaufschlüsse am Standort des Altbaus vorzunehmen.
Vorinstanzen:
LG Stralsund, Entscheidung vom 15.12.2009 - 4 O 173/07 -
OLG Rostock, Entscheidung vom 19.12.2011 - 7 U 3/10 -
(1) Das Berufungsgericht hat die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden.
(2) Das Berufungsgericht darf die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges nur zurückverweisen,
- 1.
soweit das Verfahren im ersten Rechtszuge an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist, - 2.
wenn durch das angefochtene Urteil ein Einspruch als unzulässig verworfen ist, - 3.
wenn durch das angefochtene Urteil nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden ist, - 4.
wenn im Falle eines nach Grund und Betrag streitigen Anspruchs durch das angefochtene Urteil über den Grund des Anspruchs vorab entschieden oder die Klage abgewiesen ist, es sei denn, dass der Streit über den Betrag des Anspruchs zur Entscheidung reif ist, - 5.
wenn das angefochtene Urteil im Urkunden- oder Wechselprozess unter Vorbehalt der Rechte erlassen ist, - 6.
wenn das angefochtene Urteil ein Versäumnisurteil ist oder - 7.
wenn das angefochtene Urteil ein entgegen den Voraussetzungen des § 301 erlassenes Teilurteil ist
Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.
(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.
(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.
(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.
Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.
(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.
(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.
(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.
BUNDESGERICHTSHOF
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 31. März 2016 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Herrmann und die Richter Wöstmann, Tombrink, Dr. Remmert und Reiter
für Recht erkannt:
In diesem Umfang wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
- 1
- Die Kläger nehmen nach dem Bau eines Einfamilienhauses die mit der Erstellung des Kellergeschosses beauftragte Werkunternehmerin - eine inzwischen aufgelöste Gesellschaft bürgerlichen Rechts (Beklagte zu 2) -, einen Gesellschafter dieser Unternehmerin (Beklagter zu 1) sowie den von ihnen, den Klägern, beauftragten Prüfingenieur (Beklagter zu 3) als Gesamtschuldner auf Schadensersatz in Anspruch.
- 2
- Den Klägern wurde im vereinfachten Verfahren nach § 57 der Hessischen Bauordnung vom 18. Juni 2002 (GVBl. I S. 274; im Folgenden: HBO 2002) eine Genehmigung für den Bau eines Einfamilienhauses (Fertighaus) mit Keller und Garage auf einem Hanggrundstück erteilt, unter anderem mit der Auflage, die bautechnischen Nachweise vor Baubeginn bei der Bauaufsichtsbehörde vorzulegen. Den Auftrag für die Durchführung der Prüfung der bautechnischen Nachweise und die Bauüberwachung in statisch-konstruktiver Hinsicht erteilten die Kläger gemäß Vertrag vom 8./9. Dezember 2005 an den Beklagten zu 3. Dieser erstellte sodann einen Prüf- und einen Überwachungsbericht und erteilte am 3. Februar 2006 eine Überwachungsbescheinigung.
- 3
- Die Kläger haben geltend gemacht, die Beklagten hätten die ihnen obliegenden vertraglichen Pflichten verletzt. Die hangseitige Kellerwand sei nicht standsicher und nicht stabil genug geplant und ausgeführt worden. Deswegen sei es infolge des vom Hang ausgehenden Erdmassendrucks zu Rissen, Verdrückungen und Auswölbungen an den gemauerten Kellerwänden gekommen und das Gebäude sei insgesamt vom Hang weg zur Straße hin verschoben worden. Den bereits angefallenen Schaden haben die Kläger zuletzt mit 134.513,32 € angegeben.
- 4
- Die Beklagten zu 1 und 3 haben Pflichtverletzungen verneint und die Höhe des geltend gemachten Schadens bestritten. Der Beklagte zu 3 hat sich zudem darauf berufen, er sei nicht passivlegitimiert, weil er als Prüfingenieur in Ausübung eines öffentlichen Amtes gehandelt habe und allein zum Schutz der Allgemeinheit, nicht aber der Belange der Kläger tätig geworden sei. Jedenfalls habe sich sein Pflichtenkreis gegenüber den Klägern darauf beschränkt, für die Erbringung der Nachweise für die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vor- schriften zwecks Erlangung der Baugenehmigung zu sorgen; die Planungsleistungen anderer am Bau Beteiligter habe er nicht zu kontrollieren gehabt.
- 5
- Das Landgericht hat die Klage gegen die Beklagte zu 2 als unzulässig abgewiesen. Die Beklagten zu 1 und 3 hat es als Gesamtschuldner verurteilt, an die Kläger 114.192,32 € nebst Zinsen zu zahlen, und die Feststellung getrof- fen, dass die Beklagten zu 1 und 3 als Gesamtschuldner verpflichtet seien, den Klägern sämtliche weitergehenden Aufwendungen und Schäden zu ersetzen; die darüber hinaus reichende Klage gegen die Beklagten zu 1 und 3 hat es abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die hiergegen eingelegte Berufung des Beklagten zu 1 sowie die gegen die Beklagten zu 1 und 3 gerichtete Anschlussberufung der Kläger zurückgewiesen. Auf die Berufung des Beklagten zu 3 hat es das Urteil des Landgerichts teilweise abgeändert und die gegen ihn erhobene Klage abgewiesen. Mit ihrer vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihre Klage gegen den Beklagten zu 3 in vollem Umfang weiter.
Entscheidungsgründe
- 6
- Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, soweit es die Klage gegen den Beklagten zu 3 abgewiesen und die gegen ihn gerichtete Anschlussberufung der Kläger zurückgewiesen hat.
I.
- 7
- Das Berufungsgericht (BauR 2014, 1503) hat die Klage gegen den Beklagten zu 3 als unbegründet angesehen und hierzu ausgeführt:
- 8
- Für etwaige Schadensersatzansprüche der Kläger sei der Beklagte zu 3 nicht passivlegitimiert. Mit seiner Tätigkeit als Sachverständiger gemäß § 59 Abs. 1, § 73 Abs. 2 HBO 2002 habe er ein öffentliches Amt im Sinne von § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit Art. 34 Satz 1 GG für die nach § 53 Abs. 1 und 2 HBO 2002 zuständige Bauaufsichtsbehörde ausgeübt. Die haftungsrechtliche Verantwortlichkeit treffe somit nicht den Beklagten zu 3 persönlich, sondern den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er bei seiner Tätigkeit gestanden habe. Die von ihm durchgeführten statischen Prüfungen seien auf das Engste mit der Genehmigungs- und Überwachungsaufgabe der Bauaufsichtsbehörde nach § 53 Abs. 2 Satz 1 und 2, § 73 Abs. 1 HBO 2002 verknüpft und umfassend durch die Regelungen der Hessischen Bauordnung bestimmt. Diesen engen Funktionszusammenhang habe die Reform und Neufassung der Hessischen Bauordnung von 2002 nicht aufgehoben. Dass die Bauaufsichtsbehörde selbst nicht mehr zur präventiven Kontrolle der Standsicherheit verpflichtet sei, ändere nichts daran, dass ihre grundsätzliche Prüfungszuständigkeit gemäß § 53 Abs. 2 Satz 1, § 73 Abs. 1 HBO 2002 fortbestehe. Indem der als Sachverständiger beauftragte Prüfingenieur die Standsicherheit eines Bauvorhabens im Sinne von § 11 HBO 2002 bescheinige, werde er in dem der Bauaufsichtsbehörde obliegenden Pflichtenkreis tätig. Eine behördliche Aufgabe büße ihren öffentlich-rechtlichen Charakter nicht dadurch ein, dass sie zur Entlastung der Behörde auf Private verlagert werde. Für eine hoheitliche Tätigkeit des Prüfingenieurs spreche zudem, dass dieser nach dem Bestimmungen der Verordnung über die bautechnische Prüfung baulicher Anlagen amtlich zu be- stellen sei. Zwar sehe § 2 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 der Hessischen Verordnung über Prüfberechtigte und Prüfsachverständige nach der Hessischen Bauordnung vom 18. Dezember 2006 vor, dass Prüfsachverständige keine hoheitlichen bauaufsichtlichen Prüfaufgaben wahrnähmen; jedoch habe diese Vorschrift zur Zeit der Beauftragung des Beklagten zu 3 durch die Kläger noch nicht gegolten und könne daher zur rechtlichen Einordnung seiner Tätigkeit nicht herangezogen werden.
- 9
- Auch wenn man die Tätigkeit des Beklagten zu 3 als privatrechtlich einordne , sei dieser nicht zum Schadensersatz verpflichtet, weil er keine der ihm den Klägern gegenüber obliegenden Prüfungspflichten verletzt habe. Durch den Vertrag vom 8./9. Dezember 2005 habe sich der Beklagte zu 3 lediglich dazu verpflichtet, die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften der Hessischen Bauordnung zu überprüfen, die ihrerseits allein dem Schutz der Allgemeinheit dienten, nicht aber auch dem Schutz einzelner Bauherren vor Baumängeln. Ein objektiver Erklärungsempfänger in der Lage der Kläger (§ 157 BGB) hätte den vertraglichen Erklärungen des Beklagten zu 3 nicht entnommen , dass dieser sich ihnen gegenüber in einem über die Ziele der Hessischen Bauordnung hinausgehenden Umfang verpflichten wolle. Die Schutzrichtung der vertraglichen Verpflichtungen des Beklagten zu 3 habe ein Einstehen für Baumängel nicht umfasst.
II.
- 10
- Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
- 11
- 1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der Beklagte zu 3 bei der Erfüllung des Auftrags der Kläger, die Standsicherheit zu prüfen, nicht in Ausübung eines öffentlichen Amtes, sondern privatrechtlich tätig geworden, so dass seine Passivlegitimation nicht gemäß § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit Art. 34 Satz 1 GG verneint werden kann.
- 12
- a) Ob sich das Handeln einer Person als Ausübung eines ihr anvertrauten öffentlichen Amtes darstellt, bestimmt sich danach, ob die eigentliche Zielsetzung , in deren Sinn der Betreffende tätig wird, hoheitlicher Tätigkeit zuzurechnen ist und ob zwischen dieser Zielsetzung und der schädigenden Handlung ein so enger äußerer und innerer Zusammenhang besteht, dass die Handlung ebenfalls als noch dem Bereich hoheitlicher Betätigung angehörend angesehen werden muss. Dabei ist nicht auf die Person des Handelnden, sondern auf seine Funktion, das heißt auf die Aufgabe, deren Wahrnehmung die im konkreten Fall ausgeübte Tätigkeit dient, abzustellen (st. Rspr.; s. z.B. Senat, Urteile vom 22. März 2001 - III ZR 394/99, BGHZ 147, 169, 171 und vom 14. Mai 2009 - III ZR 86/08, BGHZ 181, 65, 67 Rn. 10; Beschluss vom 31. März2011 - III ZR 339/09, NVwZ-RR 2011, 556 Rn. 7; Urteile vom 15. September 2011 - III ZR 240/10, BGHZ 191, 71, 75 f Rn. 13; vom 6. März 2014 - III ZR 320/12, BGHZ 200, 253, 260 Rn. 31 und vom 9. Oktober 2014 - III ZR 68/14, NJW 2014, 3580, 3581 Rn. 17).
- 13
- b) Nach diesen Grundsätzen können auch Prüfer und andere Sachverständige in Ausübung eines öffentlichen Amtes tätig werden (vgl. Senatsurteil vom 27. Mai 1963 - III ZR 48/62, BGHZ 39, 358, 360 ff [Prüfingenieur für Baustatik im Baugenehmigungsverfahren]; BGH, Urteil vom 30. November 1967 - VII ZR 34/65, BGHZ 49, 108, 110 ff sowie Senatsurteile vom 11. Januar 1973 - III ZR 32/71, NJW 1973, 458 und vom 25. März 1993 - III ZR 34/92, BGHZ 122, 85, 87 ff [TÜV-Sachverständiger]; vom 22. März 2001 aaO S. 170 ff [luftfahrttechnische Prüfung], vom 22. Juni 2006 - III ZR 270/05, VersR 2006, 1684 Rn. 8 ff [sozialmedizinische Stellungnahme des MDK] und vom 15. September 2011 aaO S. 75 ff Rn. 11 ff [Verifizierer nach dem Treibhaus-Emissionshandelsgesetz ]). Dafür ist es nicht erforderlich, dass ein Prüfer selbst zwangsweise durchsetzbare Maßnahmen gegen die von seiner Prüftätigkeit betroffenen Personen ergreifen kann (Senatsurteil vom 22. März 2001 aaO S. 176; Senatsbeschluss vom 31. März 2011 aaO S. 557 Rn. 9). Es genügt, dass seine Arbeit mit der Verwaltungstätigkeit einer Behörde auf das Engste zusammenhängt und er in diese so maßgeblich eingeschaltet ist, dass seine Prüfung geradezu einen Bestandteil der von der Behörde ausgeübten und sich in ihrem Handeln niederschlagenden hoheitlichen Tätigkeit bildet (Senatsurteil vom 14. Mai 2009 aaO S. 72 Rn. 18 mwN; Senatsbeschluss vom 31. März 2011 aaO).
- 14
- c) Diese Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor. Der vom Bauherrn (hier den Klägern) mit der Prüfung der Standsicherheit nach § 59 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 HBO 2002 und der Bauüberwachung gemäß § 73 Abs. 2 Satz 1 HBO 2002 beauftragte Sachverständige (hier der Beklagte zu 3) nimmt kein öffentliches Amt im Sinne von § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit Art. 34 Satz 1 GG wahr. Nach der vorliegend maßgeblichen Hessischen Bauordnung 2002 hängt seine Arbeit mit der Verwaltungstätigkeit der Bauaufsichtsbehörde nicht derart eng zusammen, dass sie als Bestandteil der hoheitlichen Tätigkeit der Behörde anzusehen wäre.
- 15
- aa) Nachdem sich bereits die (am 1. Juli 1994 in Kraft getretene) Hessische Bauordnung vom 20. Dezember 1993 (GVBl. I S. 655) die Vereinfachung und Beschleunigung des Baugenehmigungsverfahrens zum Ziel gesetzt hatte (LT-Drucks. 13/4813 S. 76 f, 80 f; Herbert/Keckemeti/Dittrich, ZfBR 1995, 67), verfolgte der hessische Landesgesetzgeber mit der umfassenden Änderung der Landesbauordnung vom 18. Juni 2002 eine weitgehende Deregulierung und Privatisierung des Bauordnungsrechts (s. Begründung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für eine Hessische Bauordnung, LT-Drucks. 15/3635 S. 1 f, 67 ff). Hierzu gehörte insbesondere der Verzicht auf präventive bauaufsichtsrechtliche Prüfung und Überwachung (vgl. z.B. § 59 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 HBO 2002), verbunden mit der Übertragung staatlicher Prüfungs- und Überwachungsaufgaben auf private Sachkundige und Sachverständige bei grundsätzlicher Entkoppelung baurechtlicher und bautechnischer Prüfung (§ 59 Abs. 1, § 73 Abs. 2 HBO 2002; s. LT-Drucks. 15/3635, S. 68).
- 16
- bb) Dementsprechend ist es anstelle einer hoheitlichen bautechnischen Prüfung durch die Bauaufsichtsbehörde nunmehr Aufgabe des Bauherrn, sachkundige Personen (Nachweisberechtigte und Sachverständige im Sinne des § 59 Abs. 1 Satz 1 HBO 2002) zu beauftragen und auf diese Weise die Einhaltung der die technische Sicherheit betreffenden bauordnungsrechtlichen Vorgaben zu gewährleisten. Der Bauherr trägt - gemeinsam mit den von ihm eingeschalteten Sachkundigen - die Verantwortung für die technische Sicherheit der baulichen Anlage (s. §§ 47, 48 Abs. 4 Satz 1 HBO 2002; vgl. LT-Drucks. 15/3635 S. 69, 154: "System privater Verantwortlicher"). Die von ihm zu beachtenden Anforderungen an die Aufstellung und Prüfung bautechnischer Nachweise sind in § 59 HBO 2002 umfassend und verfahrensübergreifend normiert. Die Vorschrift gibt dem Bauherrn vor, welche Nachweise einzuholen und dass diese von hierfür sachkundigen Personen auszustellen sind (s. zu alldem Allgeier /Rickenberg, Die Bauordnung für Hessen, 9. Aufl. [2013], § 59 Rn. 1, 4 f; Hornmann, Hessische Bauordnung [2004], § 59 Rn. 1 f). Die gemäß § 59 HBO 2002 einzuschaltenden Nachweisberechtigten und Sachverständigen hat der Bauherr auszuwählen und zu beauftragen (§ 48 Abs. 4 Satz 1 HBO 2002). Die von den sachkundigen Personen gefertigten Nachweise und Prüfbescheinigungen sind an den Bauherrn auszustellen (Allgeier/Rickenberg aaO § 59 Rn. 4) und von diesem sodann nach Maßgabe von § 60 Abs. 3, § 65 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, § 74 Abs. 2 Satz 3 und 4 HBO 2002 der Bauaufsichtsbehörde vorzulegen.
- 17
- cc) Die Tätigkeit des Sachverständigen ist hiernach nicht (mehr) Teil der präventiven hoheitlichen Bauaufsicht, sondern vollzieht sich privatrechtlich im Rahmen der Beauftragung durch den Bauherrn (Allgeier/Rickenberg aaO § 59 Rn. 4, 11; Hornmann aaO § 59 Rn. 7; vgl. auch LT-Drucks. 15/3635 S. 74 f; Schmidt, NJW-Spezial 2012, 44, 45).
- 18
- (1) Soweit bautechnische Nachweise zu erbringen beziehungsweise die Bescheinigungen von Prüfsachverständigen nach Maßgabe von § 59 HBO 2002 einzuholen sind, entfällt gemäß § 59 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 HBO 2002 eine bauaufsichtliche Prüfung. Auch wenn ein Baugenehmigungsverfahren durchgeführt und über die Erteilung einer Baugenehmigung entschieden wird, findet eine behördliche Entscheidung über die Einhaltung der bautechnischen Anforderungen nicht (mehr) statt. Nach der Vorstellung des Landesgesetzgebers ist eine nochmalige staatliche Kontrolle überflüssig, wenn die bautechnische Prüfung durch über besondere Qualifikationen verfügende sachkundige Personen wahrgenommen wird (LT-Drucks. 15/3635, S. 154). Im Hinblick auf die damit einhergehende Beschränkung der Aufgaben der Bauaufsichtsbehörde vollzieht sich die Prüftätigkeit des Sachverständigen nicht in engem Zusammenhang mit der präventiven ordnungsbehördlichen Tätigkeit, so dass eine Zuweisung in die hoheitliche Sphäre ausscheidet. Insbesondere bereitet der Prüfsachverständige nicht eine von der Baubehörde zu treffende Entscheidung vor (anders als beispielsweise der Verifizierer nach dem Treibhausgas-Emis- sionshandelsgesetz; s. hierzu Senatsurteil vom 15. September 2011 aaO S. 79 f Rn. 21 f); seine sachverständige Beurteilung erfolgt vielmehr eigenständig und gegenüber dem Bauherrn als seinem Auftraggeber.
- 19
- (2) Die Tätigkeit der Prüfsachverständigen erstreckt sich außerdem auf den Bereich der Bauüberwachung. Diese ist gemäß § 73 Abs. 1 HBO 2002 zwar grundsätzlich von der Bauaufsichtsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen auszuüben. Gemäß § 73 Abs. 2 Satz 1 HBO 2002 haben jedoch die Sachverständigen die mit den von ihnen bescheinigten Unterlagen übereinstimmende Bauausführung zu bescheinigen und somit im Umfang ihrer bautechnischen Prüfungstätigkeit auch die Bauüberwachung vorzunehmen. Sie sind insoweit an Stelle der Bauaufsichtsbehörde für die ordnungsgemäße Bauausführung verantwortlich (Wittkowski, NVwZ 2003, 671, 674). Hierbei nehmen sie keine hoheitlichen Aufgaben der Behörde wahr; sie sind auch nicht in das behördliche Verfahren einbezogen. Vielmehr bleiben sie auch in diesem Zusammenhang im Pflichten- und Verantwortungsbereich des Bauherrn tätig. An dieser Stelle hat die Reform der Hessischen Bauordnung 2002 ebenfalls eine Verlagerung der Verantwortlichkeiten - von der Behörde auf den Bauherrn und die von ihm beauftragten Sachkundigen - mit sich gebracht (vgl. LT-Drucks. 15/3635 S. 175; Allgeier/Rickenberg aaO § 73 Rn. 9; Eiding/Ruf/Herrlein, Öffentliches Baurecht in Hessen, 3. Aufl. [2014], Rn. 327).
- 20
- (3) Freilich kommt der Bauaufsichtsbehörde aufgrund der Generalklausel in § 53 Abs. 2 HBO 2002 weiterhin die Aufgabe zu, für die Einhaltung der öffentlich -rechtlichen Vorschriften - auch derjenigen, die die bautechnische Sicherheit baulicher Anlagen betreffen - zu sorgen. Dies gilt gemäß § 53 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 HBO ausdrücklich auch, soweit eine präventive bauaufsichtliche Prüfung entfällt. Im Rahmen der repressiven Aufsicht kontrolliert die Behör- de jedoch grundsätzlich nur, ob die erforderlichen Bescheinigungen vorliegen, ohne eine eigene inhaltliche Prüfung vorzunehmen. Regelmäßig wird erst das Fehlen einer Bescheinigung oder eine die Prüfbescheinigung einschränkende Anmerkung des Sachverständigen für die Behörde Anlass sein, die Ergreifung bauaufsichtlicher Maßnahmen zu erwägen (vgl. Allgeier/Rickenberg aaO § 65 Rn. 17, § 73 Rn. 7 und 9). Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Sachverständige , der im Auftrag des Bauherrn bautechnische Nachweise einer Prüfung unterzieht , letztlich doch im Aufgaben- und Pflichtenkreis der Bauaufsichtsbehörde tätig wird (vgl. zur insoweit ähnlichen Rechtslage bei der Zuerkennung des GS-Zeichens Senatsbeschluss vom 31. März 2011 - III ZR 339/09, NVwZ-RR 2011, 556, 557 Rn. 10 f). Vielmehr zählt der Sachverständige gemäß § 59 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 in Verbindung mit § 47 HBO 2002 selbst zum Kreis der Verantwortlichen mit der Folge, dass er von der Behörde gegebenenfalls - etwa wegen der Unrichtigkeit einer von ihm erteilten Prüfbescheinigung - baupolizeilich in Anspruch genommen werden kann.
- 21
- dd) Der privatrechtlichen Einordnung der Prüftätigkeit des nach der Hessischen Bauordnung 2002 vom Bauherrn beauftragten Sachverständigen steht nicht entgegen, dass diese Tätigkeit durch die Vorschriften des Bauordnungsrechts vorgegeben ist, der Sachverständige hierfür der staatlichen Anerkennung bedarf (§§ 1 ff der Hessischen Verordnung über Prüfberechtigte und Prüfsachverständige und Zuständigkeiten nach der Hessischen Bauordnung vom 18. Dezember 2006 [HPPVO], GVBl. I S. 745 bzw. - vor deren Inkrafttreten - § 1 Abs. 3 und 7 der Verordnung über die bautechnische Prüfung baulicher Anlagen vom 28. Oktober 1994 [BauprüfVO], GVBl. I S. 655) und der Verordnungsgeber Detailregelungen über seine Arbeitsweise getroffen hat (so etwa in §§ 5 und 13 HPPVO).
- 22
- Eine Amtsträgereigenschaft im Sinne von Art. 34 Satz 1 GG wird noch nicht dadurch begründet, dass die betreffende Tätigkeit nur aufgrund einer öffentlich -rechtlichen Anerkennung ausgeübt werden darf (s. etwa Staudinger/ Wöstmann, BGB [2013], § 839 Rn. 41). Die Regelungen über die Anforderungen an die Qualifikation des Sachverständigen und über seine Arbeitsweise sind Folge und zugleich Kompensation des teilweisen staatlichen Rückzugs aus der präventiven Kontrolle von Bauvorhaben (vgl. LT-Drucks. 15/3635 S. 69; Scholz, Privatisierung im Baurecht, 1997, S. 50 f).
- 23
- § 2 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 HPPVO regelt ausdrücklich, dass Prüfsachverständige keine hoheitlichen bauaufsichtlichen Prüfaufgaben wahrnehmen. Die Verordnung ist zwar erst am 1. Januar 2007 - und somit nach der Beauftragung des Beklagten zu 3 durch die Kläger - in Kraft getreten. Der Erlass der Regelung geht aber auf § 80 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 HBO 2002 zurück und zeichnet insoweit lediglich die mit der Reform der Hessischen Bauordnung 2002 bereits vollzogene Deregulierung und Ausgestaltung des Systems privater Verantwortlicher nach (vgl. LT-Drucks. 15/3635 S. 154). Die privatrechtliche Einordnung der Prüftätigkeit des Sachverständigen beruht mithin nicht erst auf der Verordnung, sondern schon auf der am 1. Oktober 2002 in Kraft getretenen Hessischen Bauordnung 2002.
- 24
- ee) Dass die am Bau Beteiligten die bautechnischen Anforderungen nach der Konzeption der Reform der Hessischen Bauordnung 2002 nunmehr in eigener Verantwortung zu erfüllen haben und die Bauaufsichtsbehörde insoweit aus ihrer hoheitlichen Aufgabe entlassen ist, unterscheidet den vorliegenden Fall von demjenigen, welcher der Senatsentscheidung vom 27. Mai 1963 (III ZR 48/62, BGHZ 39, 358, 360 ff) zugrunde lag. Nach den (damaligen) Vorschriften der dort anzuwendenden Schleswig-Holsteinischen Landesbauordnung oblag der Bauaufsichtsbehörde die Aufgabe der statischen Prüfung, zu deren Ausführung sie sich des Prüfingenieurs durch Erteilung eines Prüfauftrags bediente. Der Senat hat die Tätigkeit eines Prüfingenieurs für Baustatik bei dieser Rechtslage als Ausübung eines öffentlichen Amts eingeordnet. So liegt es hier aus den vorstehenden Gründen indessen nicht.
- 25
- 2. Auch der Annahme der Vorinstanz, der Beklagte zu 3 habe sich durch den Vertrag vom 8./9. Dezember 2005 lediglich dazu verpflichtet, die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften der Hessischen Bauordnung zu überprüfen , die ihrerseits allein dem Schutz der Allgemeinheit dienten, nicht aber auch dem Schutz einzelner Bauherren vor Baumängeln, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Die Auslegung des Berufungsgerichts hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand, weil sie den Regelungszweck des Vertrags verkennt und dem Grundsatz der beiderseits interessengerechten Vertragsauslegung (s. hierzu etwa Senatsurteil vom 21. Dezember 2005 - III ZR 451/04, NJW-RR 2006, 496, 497 Rn. 12; BGH, Urteil vom 22. Januar 2015 - VII ZR 87/14, NJW 2015, 1107, 1108 Rn. 14) nicht hinreichend Rechnung trägt.
- 26
- a) Nach §§ 133, 157 BGB ist bei der Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen der wirkliche Wille der Erklärenden zu erforschen. Dabei ist vom Wortlaut der Erklärung auszugehen und demgemäß in erster Linie dieser und der ihm zu entnehmende objektiv erklärte Parteiwille zu berücksichtigen. Bei der Willenserforschung sind auch der mit der Absprache verfolgte Zweck, die Interessenlage der Parteien und die sonstigen Begleitumstände zu berücksichtigen , die den Sinngehalt der gewechselten Erklärungen erhellen können (s. etwa Senatsurteil vom 8. Dezember 2011 - III ZR 72/11, NVwZ 2012, 581, 583 Rn. 18).
- 27
- b) Diesen Anforderungen genügt die tatrichterliche Auslegung der Vorinstanz nicht in jeder Hinsicht.
- 28
- Bei der Tätigkeit des Prüfingenieurs handelt es sich um eine werkvertragliche Leistung. Im Hinblick auf § 59 Abs. 3, § 73 Abs. 2 HBO 2002 hatte der Beklagte zu 3 nach dem Inhalt des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrags die Aufgabe, die Prüfung der bautechnischen Nachweise bezüglich der statischen Berechnung sowie die stichprobenartige Überprüfung der standsicherheitsrelevanten Konstruktionsteile vorzunehmen. Die Statik ist von erheblicher Bedeutung vor allem für die Sicherheit der Hausbewohner und die Nutzbarkeit der zu errichtenden Baulichkeit. Der Auftrag des Prüfingenieurs ist darauf gerichtet, etwaige statische Mängel zu erkennen und eine statisch fehlerhafte Bauausführung zu verhindern. Dementsprechend liegt die Schutzrichtung des Vertrags des Bauherrn mit dem Prüfingenieur darin, den Eintritt von Schäden aufgrund einer mangelhaften Statik abzuwenden. Dieser Zweck umfasst insbesondere die Interessen des Auftraggebers (Bauherrn). Er ist selbst Bewohner des Bauobjekts oder jedenfalls für die Sicherheit der Bewohner verantwortlich und hat ein schutzwürdiges vermögensmäßiges Interesse an der uneingeschränkten Nutzbarkeit der baulichen Anlage. Die Schutzrichtung des vertraglichen Prüfauftrags kann aufgrund dieser Nähe der Werkleistung zu den Belangen des Bauherrn nicht als dahin eingeschränkt angesehen werden, dass die Einhaltung öffentlich-rechtlicher Vorschriften, nur im Interesse der Allgemeinheit , überprüft werden müsste. Zwar mögen Prüfungsmaßstab des Ingenieurs öffentlich-rechtliche Normen sein, die in erster Linie zur Wahrung der Belange der Allgemeinheit erlassen wurden. Dies lässt jedoch im vertraglichen Verhältnis zwischen dem Bauherrn und dem Prüfingenieur angesichts der vorgeschilderten objektiven Interessenlage nicht den Schluss zu, der Auftraggeber wolle durch die Erteilung des Prüfauftrags nicht auch seine Belange, sondern nur diejenigen der Allgemeinheit gewahrt wissen.
- 29
- Hiernach kann auch nicht angenommen werden, der Auftrag an den Prüfingenieur sei lediglich darauf gerichtet, eine Bescheinigung zu erstellen, die gegenüber der Bauaufsichtsbehörde vorgelegt werden könne (so auch Schmidt, NJW-Spezial 2012, 44, 45; anders hingegen Jäde, Gewerbearchiv Beilage WiVerw Nr. 1/2005, S. 1, 47). Der Grund für die besondere Prüfung durch einen qualifizierten Sachverständigen liegt darin, dass statische Planungsfehler schwerwiegende Gefahren in sich tragen und Schäden an Leib, Leben und Vermögen insbesondere des Bauherrn nach sich ziehen können. Vor diesem Hintergrund ist es nach der objektiven Interessenlage bei Vertragsschluss zwischen dem Bauherrn und dem Prüfingenieur nicht gerechtfertigt, die Prüfung und Erstellung einer Bescheinigung zur Vorlage an die Bauaufsichtsbehörde auf einen rein formalen Vorgang zu reduzieren. Vielmehr dient der Prüfauftrag mindestens auch, wenn nicht gar in erster Linie, dem Schutz des Bauherrn vor Schäden aufgrund einer mangelhaften Baustatik.
- 30
- 3. Nach alledem kommt eine vertragliche Haftung des Beklagten zu 3 in Betracht und kann das Berufungsurteil hinsichtlich der Abweisung der gegen ihn gerichteten Klage keinen Bestand haben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist in diesem Umfang zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil die Sache insoweit noch nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 ZPO). Das Berufungsgericht hat ausdrücklich offen gelassen, ob dem Beklagten zu 3 eine Pflichtverletzung zur Last fällt und in welcher Höhe ein sich hieraus etwa ergebender Scha- densersatzanspruch der Kläger gerechtfertigt ist. Eigene Feststellungen hierzu kann das Revisionsgericht nicht treffen.
Remmert Reiter
Vorinstanzen:
LG Kassel, Entscheidung vom 14.09.2012 - 4 O 1614/09 -
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 25.03.2014 - 14 U 202/12 -
(1) Das Berufungsgericht hat die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden.
(2) Das Berufungsgericht darf die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges nur zurückverweisen,
- 1.
soweit das Verfahren im ersten Rechtszuge an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist, - 2.
wenn durch das angefochtene Urteil ein Einspruch als unzulässig verworfen ist, - 3.
wenn durch das angefochtene Urteil nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden ist, - 4.
wenn im Falle eines nach Grund und Betrag streitigen Anspruchs durch das angefochtene Urteil über den Grund des Anspruchs vorab entschieden oder die Klage abgewiesen ist, es sei denn, dass der Streit über den Betrag des Anspruchs zur Entscheidung reif ist, - 5.
wenn das angefochtene Urteil im Urkunden- oder Wechselprozess unter Vorbehalt der Rechte erlassen ist, - 6.
wenn das angefochtene Urteil ein Versäumnisurteil ist oder - 7.
wenn das angefochtene Urteil ein entgegen den Voraussetzungen des § 301 erlassenes Teilurteil ist
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.
(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.
(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.
(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die Beklagten tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Streitwert: 31.228,11 €
Gründe:
I.
- 1
- Die Kläger nehmen die Beklagten als Vermessungsingenieure auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Einmessung des Grundstücks K. weg 12/14 in B. -F. in Anspruch.
- 2
- Die Kläger planten den Bau einer Kindertagesstätte auf ihrem Grundstück und beauftragten die Beklagten, die beide als Öffentlich bestellte Vermessungsingenieure bestellt sind, mit der Anfertigung des Lageplans und der Durchführung der dafür notwendigen Vermessungsarbeiten. Nach Beginn der Bauarbeiten stellte sich heraus, dass der Abstand des zu errichtenden Gebäu- des von der Grundstücksgrenze zu gering war. Das Bauamt verfügte daraufhin die Einstellung der Bauarbeiten. Die Kläger trafen mit dem Nachbarn eine Vereinbarung , in der dieser sich gegen eine sofort zu zahlende Entschädigung in Höhe von 30.000 € mit der Unterschreitung der Abstandsfläche einverstanden erklärte. Der Baustopp wurde daraufhin aufgehoben.
- 3
- Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Kammergericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten.
II.
- 4
- Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
- 5
- 1. Die Rüge der Beklagten, das Berufungsgericht habe rechtsfehlerhaft das Verweisungsprivileg des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht angewandt und deshalb zu Unrecht die Verantwortlichkeit (auch) des bauausführenden Unternehmens und des bauaufsichtsführenden Architekten dahinstehen lassen, greift nicht durch, weil die Beklagten ausschließlich nach (werk-)vertraglichen Grundsätzen haften und nicht (auch) deliktisch nach Maßgabe des § 839 BGB.
- 6
- Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 14. Januar 1993 - I ZB 24/91, BGHZ 121, 126, 129) beschränkt sich der öffentlich-rechtlich geprägte Charakter der Tätigkeit eines Öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs auf die staatlichen Aufgaben und Kompetenzen, die der Staat als ihrer Natur nach zu seinem öffentlich-rechtlichen Aufgabenbereich gehörend auf den Öffentlich bestellten Vermessungsingenieur delegiert hat. Im Land Berlin werden nach § 1 des Gesetzes über das Vermessungswesen in Berlin (VermGBln) in der Fassung vom 9. Januar 1996 (GVBl. S. 56) die Landesvermessung , die Führung des Liegenschaftskatasters sowie die raumplanerischen und städtebaulichen Vermessungsaufgaben für Zwecke der Raumplanung und der städtebaulichen Entwicklung sowie für die räumliche Abgrenzung von Rechten an Grundstücken nach den Erfordernissen von Verwaltung, Wirtschaft , Recht und Wissenschaft als öffentliche Aufgaben wahrgenommen, an deren Erfüllung nach § 2 VermGBln Öffentlich bestellte Vermessungsingenieure mitwirken.
- 7
- Vorliegend waren die Beklagten im Zusammenhang mit der Stellung eines Baugenehmigungsantrags mit der Vermessung beauftragt worden. Der Sache nach ging es hier um die Einmessung des Gebäudes auf dem Grundstück, was sich aus dem eigenen Schreiben der Beklagten vom 7. Mai 2010 ergibt. Die Beklagten haben dabei ausgeführt, dass die Absteckung des Gebäudes auf der Grundlage des Lageplans unrichtig erfolgt sei. Die Lageplanerstellung und die Gebäudeeinmessung sind jedoch privatrechtlicher Natur und stellen sich nicht als hoheitliche Tätigkeit im Sinne der §§ 1, 2 VermGBln dar (vgl. BGH, Urteil vom 9. März 1972 - VII ZR 202/70, BGHZ 58, 225, 226; zustimmend OLG Düsseldorf, BauR 1992, 665; vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 2. Dezember 2003 - I-21 W 45/03, juris Rn. 4 f; OLG Hamm, NZBau 2006, 788, 789 zu den nordrhein-westfälischen Öffentlich bestellten Vermessungsingenieuren; vgl. für das Land Berlin KG, KGReport Berlin 1998, 360, 361). Die entsprechende Beauftragung durch die Kläger ist danach als Werkvertrag einzustufen (BGH aaO), so dass die Beklagten allein nach werkvertraglichen Regeln haften.
- 8
- 2. Die - im Übrigen nach Auffassung des Senats auch in der Sache unbegründete - weitere Rüge der Beklagten, der Haftungsausschluss des Landes Berlin nach § 3 Abs. 7 Satz 2 VermGBln für Fehler der Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure bei der Wahrnehmung ihrer öffentlichen Aufgaben sei wegen Verstoßes gegen Art. 34 GG nichtig, geht nach den obigen Ausführungen wegen der privatrechtlichen Natur der zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen ebenfalls ins Leere.
Hucke Seiters
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 29.06.2011 - 22 O 327/10 -
KG Berlin, Entscheidung vom 22.12.2011 - 27 U 112/11 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Kläger begehren die Feststellung, dass der beklagte Architekt für Schäden hafte, die durch die Rücknahme der Baugenehmigung für einen gartenseitigen Anbau an ihrem Einfamilienhaus in D. sowie durch eine Abrissverfügung und weitere Maßnahmen der Stadt D. verursacht werden.
- 2
- Die Kläger beauftragten den Beklagten 1990 mit der Erstellung einer Bauplanung für einen An- und Umbau ihres Einfamilienhauses in D. Diese Planung sah auf der zum Nachbargrundstück K. gelegenen Seite einen eingeschossigen Anbau mit einer Dachterrasse vor. Bestandteil des auf Grundlage der Planung des Beklagten eingereichten Bauantrags war ein von ihm erstellter Lageplan, der von den damaligen Eigentümern des benachbarten Grundstücks, den Eheleuten K., unterzeichnet war und deren Zustimmung zur Unterschreitung des Grenzabstands belegen sollte. Dieses Bauvorhaben wurde nicht verwirklicht.
- 3
- Nachdem am 3. Dezember 1997 ein Gespräch mit Mitarbeitern des Bauaufsichtsamtes stattgefunden hatte, beauftragten die Kläger den Beklagten 1998 mit der Bau- und Ausführungsplanung eines zweigeschossigen Anbaus auf der zum Nachbargrundstück K. gelegenen Seite. Am 10. November 1998 fand eine weitere Besprechung im Bauaufsichtsamt betreffend die Genehmigungsfähigkeit des geänderten Bauvorhabens statt, bei der die Klägerin und der Beklagte anwesend waren. Der Beklagte fasste das Ergebnis dieser Besprechung in einer Aktennotiz vom 12. November 1998 zusammen, in der unter anderem festgehalten war, dass eine erneute Nachbarzustimmung notwendig sei. Die Klägerin war hiermit nicht einverstanden und verfasste mit Datum vom 14. November 1998 einen geänderten Gesprächsvermerk, in dem sie auch das Gespräch aus dem Jahr 1997 zusammenfasste und in den sie aufnahm, dass nach den Ergebnissen der beim Bauaufsichtsamt geführten Gespräche eine erneute Zustimmung der Nachbarn nicht erforderlich sei. Diesen Vermerk übersandte sie dem Beklagten, der ihn mit einigen kleineren Korrekturen von technischen Daten, jedoch keinen weiteren Anmerkungen zum Erfordernis der Nachbarzustimmung der Klägerin zurücksandte, die ihn sodann dem Bauaufsichtsamt zuleitete. Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Beklagte die Kläger mündlich darüber aufgeklärt hat, dass die von den Nachbarn K. erteilte Ge- nehmigung nicht für das geänderte Vorhaben gelte. Das Bauvorhaben wurde mit Bescheiden vom 21. Januar 1999 und 26. November 1999 auf der Grundlage der vom Beklagten gefertigten Planung ohne neuerliche Nachbarzustimmung genehmigt, obwohl eine solche aufgrund der zweigeschossigen Bauweise im Bauwich erforderlich gewesen wäre.
- 4
- Im Frühjahr 1999 begannen die Kläger mit der Baumaßnahme. Kurz vor Abschluss der Bauarbeiten legte der neue Eigentümer des Nachbargrundstücks , der Sohn der Eheleute K., am 12. November 1999 Nachbarwiderspruch ein. Daraufhin erließ das Bauaufsichtsamt der Stadt D. am 9. Dezember 1999 eine Stilllegungsverfügung, welche darauf gestützt wurde, dass näher an die Nachbargrenze gebaut worden sei als genehmigt. Mit Bescheid vom 15. Oktober 2002 nahm das Bauaufsichtsamt die Baugenehmigung vom 3. Mai 1993 in der Form der veränderten Ausführungen vom 21. Januar 1999 und 26. November 1999 zurück. Ein Antrag der Kläger auf Abweichung von den notwendigen nachbarlichen Abstandsflächen wurde abgelehnt. Widersprüche der Kläger gegen die Stilllegungsverfügung, die Rücknahmeverfügung und den Ablehnungsbescheid hatten ebenso wie eine nachfolgende Klage vor dem Verwaltungsgericht keinen Erfolg.
- 5
- Mit Ordnungsverfügung vom 6. Juli 2007 forderte das Bauaufsichtsamt der Stadt D. die Kläger zur Beseitigung des Anbaus auf. Gegen diese Verfügung haben sich die Kläger ebenfalls erfolglos verwaltungsrechtlich gewandt.
- 6
- Eine Klage der Kläger gegen den Beklagten auf Feststellung, dass dieser verpflichtet sei, den Klägern als Gesamtgläubigern jeglichen Schaden zu ersetzen , der durch die Stilllegungsverfügung der Stadt D. vom 9. Dezember 1999 verursacht wird, hatte Erfolg. In den Gründen des Feststellungsurteils des Oberlandesgerichts D. vom 26. Oktober 2006 war ausgeführt, dass ein Vermögens- schaden, den die Kläger durch die Rücknahmeverfügung vom 15. Oktober 2002 erleiden, nicht von dem Feststellungsantrag umfasst sei.
- 7
- Das Landgericht hat antragsgemäß festgestellt, dass der Beklagte über den Tenor des Feststellungsurteils des Oberlandesgerichts D. vom 26. Oktober 2006 hinaus verpflichtet sei, den Klägern als Gesamtgläubigern jeglichen Schaden zu ersetzen, der durch die Rücknahme der Baugenehmigung vom 3. Mai 1993 in Gestalt der Bescheide vom 21. Januar 1999 und vom 26. November 1999 zur Errichtung des gartenseitigen Anbaus an ihrem Haus in D. sowie durch die Abrissverfügung der Stadt D. vom 6. Juli 2007 und weitere Maßnahmen der Stadt D. verursacht wird. Die Berufung des Beklagten hatte Erfolg, soweit es um einen Schaden aufgrund der Baugenehmigung vom 26. November 1999 geht. Im Übrigen war sie erfolglos.
- 8
- Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter. Mit der Anschlussrevision möchten die Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen.
Entscheidungsgründe:
- 9
- Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, soweit zum Nachteil des Beklagten entschieden worden ist. Die Anschlussrevision hat keinen Erfolg.
- 10
- Auf das Schuldverhältnis finden die bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Gesetze Anwendung (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).
I.
- 11
- Das Berufungsgericht, dessen Urteil in BauR 2010, 1255 veröffentlicht ist, bejaht die Zulässigkeit des Feststellungsantrags (§ 256 ZPO). Dabei sei unerheblich , dass es sich bei dem tatsächlich durchgeführten Anbau gegenüber dem genehmigten wegen eines noch geringeren Grenzabstandes zum Nachbargrundstück um ein "aliud" handele. Denn die für die Abrissverfügung (§§ 61, 6 BauO NRW) notwendige materielle Baurechtswidrigkeit folge ausschließlich aus der Tatsache, dass der bauordnungsrechtlich erforderliche Grenzabstand unzulässig unterschritten werde.
- 12
- Die Klage sei auch weitgehend begründet. Die von dem Beklagten erstellte Genehmigungsplanung in Gestalt der den Baugenehmigungen vom 3. Mai 1993 und 21. Januar 1999 zugrunde liegenden Bauanträge sei mangelhaft im Sinne von § 633 BGB. Denn sie unterschreite den bauordnungsrechtlich vorgeschriebenen Grenzabstand von mindestens drei Metern zum Nachbargrundstück ohne Vorliegen einer wirksamen Nachbargenehmigung. Ein Architekt , der sich - wie der Beklagte - zur Erstellung einer Genehmigungsplanung verpflichte, schulde als Werkerfolg eine dauerhaft genehmigungsfähige Planung.
- 13
- Der Beklagte sei von seiner Haftung für die mangelhafte Genehmigungsplanung nicht ausnahmsweise befreit. Dies ergebe sich weder aus dem Gesichtspunkt einer (ausdrücklichen oder konkludenten) vertraglichen Übernahme des Risikos der Genehmigungsfähigkeit durch die Kläger noch einer Offenkundigkeit der Notwendigkeit einer (erneuten) Nachbarzustimmung noch einer Erteilung pflichtgemäßer Risikohinweise durch den Beklagten.
- 14
- Der Mangel der Genehmigungsplanung sei kausal für den Schaden, den die Kläger mit ihrem Feststellungsbegehren verfolgen. Der Beklagte sei für den Mangel seiner Genehmigungsplanung bzw. die Nichterfüllung seiner Hinweispflicht alleine verantwortlich. Ein Mitverschulden sei den Klägern nicht anzulasten.
- 15
- Die vom Beklagten erhobene Einrede der Verjährung greife nicht durch. Der Gewährleistungsanspruch unterliege der fünfjährigen Verjährungsfrist des § 638 BGB (a.F.) bzw. § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB (n.F.), da die Pflicht, deren Verletzung die Kläger dem Beklagten vorwürfen, eine vertragliche, leistungsbezogene Hauptpflicht sei. Diese mit der Abnahmeverweigerung durch die Kläger am 2. Oktober 2001 beginnende Verjährungsfrist sei durch die Geltendmachung im vorliegenden Verfahren mit Wirkung ab dem 30. September 2006 und damit rechtzeitig gehemmt worden.
- 16
- Unbegründet sei die Klage, soweit es um den Schaden gehe, der durch die Rücknahme der Baugenehmigung vom 26. November 1999 verursacht werde. Den dieser weiteren Baugenehmigung (Nachtrag für einen zusätzlichen Hobbyraum im Keller) zugrunde liegenden Bauantrag habe nicht der Beklagte, sondern der Architekt L. erstellt. Der Beklagte rüge deshalb mit der Berufung zu Recht, dass der Klägervortrag für seine Verantwortlichkeit hinsichtlich dieser Genehmigung nicht ausreiche.
II.
A. Revision des Beklagten- 17
- Das Berufungsurteil hält nicht in jeder Hinsicht der rechtlichen Nachprüfung stand.
- 18
- 1. Ohne Erfolg macht die Revision zunächst geltend, die materielle Baurechtswidrigkeit des errichteten Objekts beruhe auch auf der im Vergleich zur erteilten Genehmigung abweichenden Ausführung mit noch geringeren Abstandsflächen. Das errichtete Objekt stelle ein "aliud" zu dem genehmigten Bauvorhaben dar, so dass die erteilte Baugenehmigung wegen Nichtausübung erloschen sei. Damit sei der Zurechnungszusammenhang zur beanstandeten Planungsleistung unterbrochen. Deshalb fehle es an einem rechtlichen Interesse für die Feststellungsklage, § 256 Abs. 1 ZPO.
- 19
- Dies ist nicht der Fall. Die Revision zieht selbst nicht die Feststellungen des Berufungsgerichts in Zweifel, dass die Baugenehmigung vom 21. Januar 1999 ursächlich für die Errichtung des Anbaus und dass die materielle Baurechtswidrigkeit der dort genehmigten Abstände ursächlich für die Abrissverfügung und seine Bestätigung durch das Verwaltungsgericht war. Zwischen diesem Schaden und der beanstandeten Planungsleistung besteht auch ein Zurechnungszusammenhang, weil das Erfordernis einer genehmigungsfähigen Planung gerade vor derartigen Folgen schützen soll.
- 20
- Es kann dahinstehen, ob die Auffassung der Revision zutrifft, die von der Genehmigung abweichende Bauausführung allein begründe auch dann eine materielle Baurechtswidrigkeit mit denselben Folgen, wenn die Planung des Beklagten genehmigungsfähig und die Baugenehmigung vom 21. Januar 1999 deshalb nicht zu beanstanden gewesen wäre. Dies würde nur dazu führen, dass ein Fall so genannter "Doppelkausalität" für den Schaden vorläge. Ist ein bestimmter Schaden durch mehrere gleichzeitig wirkende Umstände verursacht worden und hätte jede dieser Ursachen für sich allein ausgereicht, um den gesamten Schaden herbeizuführen, dann sind sämtliche Umstände als rechtlich ursächlich zu behandeln, obwohl keiner von ihnen als "conditio sine qua non" qualifiziert werden kann. In diesen Fällen bedarf es einer entsprechenden Modi- fikation der Äquivalenztheorie, weil der eingetretene Schadenserfolg ansonsten auf keine der tatsächlich wirksam gewordenen Ursachen zurückgeführt werden könnte (BGH, Urteil vom 7. Mai 2004 - V ZR 77/03, BauR 2004, 1772 m.w.N.). Ein rechtliches Interesse an der Feststellung, dass jedenfalls auch eine mangelhafte Planungsleistung den Beklagten zum Ersatz des insbesondere in der auf der Rücknahme der Baugenehmigung beruhenden Abrissverfügung liegenden Schadens verpflichtet, ergibt sich hier schon daraus, dass das Feststellungsurteil des Oberlandesgerichts D. vom 26. Oktober 2006 diesen Schaden ausweislich seiner Gründe gerade nicht umfasst.
- 21
- 2. Zutreffend ist das Berufungsgericht weiter davon ausgegangen, dass die vom Beklagten erstellte Genehmigungsplanung wegen Verstoßes gegen den bauordnungsrechtlichen Grenzabstand zum Nachbargrundstück nicht genehmigungsfähig und damit mangelhaft nach § 633 BGB war.
- 22
- a) Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass ein Architekt , der sich zur Erstellung einer Genehmigungsplanung verpflichtet, als Werkerfolg grundsätzlich eine dauerhaft genehmigungsfähige Planung schuldet (vgl. BGH, Urteil vom 26. September 2002 - VII ZR 290/01, BauR 2002, 1872 = NZBau 2003, 38 = ZfBR 2003, 31; Urteil vom 21. Dezember 2000 - VII ZR 17/99, BauR 2001, 785, 787 = NZBau 2001, 261, 262 = ZfBR 2001, 310, 311; Urteil vom 25. März 1999 - VII ZR 397/97, BauR 1999, 1195 = ZfBR 1999, 315 m.w.N.). Die vertraglich geschuldete Leistung des Architekten ist deswegen in der Regel nicht erbracht, wenn die angestrebte Baugenehmigung durch die Behörde zunächst erteilt, jedoch später wegen erfolgreichen Drittwiderspruchs aufgehoben wird (vgl. BGH, Urteil vom 25. Februar 1999 - VII ZR 190/97, BauR 1999, 934, 935 = ZfBR 1999, 202). Etwas anderes gilt dann, wenn der Auftraggeber das Risiko der Genehmigungsfähigkeit der Planung aufgrund vertraglicher Vereinbarung übernimmt. Die Parteien eines Archi- tektenvertrages können im Rahmen der Privatautonomie vereinbaren, dass und in welchem Umfang der Auftraggeber rechtsgeschäftlich das Risiko übernimmt, dass die vom Architekten zu erstellende Planung nicht genehmigungsfähig ist (BGH, Urteil vom 26. September 2002 - VII ZR 290/01, aaO; Urteil vom 25. März 1999 - VII ZR 397/97, aaO). Da ein Architektenvertrag einem dynamischen Anpassungsprozess unterliegt, kann eine derartige vertragliche Risikoübernahme durch den Auftraggeber auch nach Vertragsschluss im Rahmen der Abstimmung über das geplante Bauvorhaben erfolgen. Voraussetzung für die vertragliche Risikoübernahme durch den Auftraggeber ist, dass dieser Bedeutung und Tragweite des Risikos erkannt hat, dass die Genehmigung nicht erteilt oder widerrufen wird. Das kann - sofern es nicht bereits offenkundig ist - in der Regel nur angenommen werden, wenn der Architekt den Auftraggeber umfassend über das bestehende rechtliche und wirtschaftliche Risiko aufgeklärt und belehrt hat und der Auftraggeber sich sodann auf einen derartigen Risikoausschluss rechtsgeschäftlich einlässt (vgl. BGH, Urteil vom 9. Mai 1996 - VII ZR 181/93, BauR 1996, 732, 734 = ZfBR 1996, 264, 265).
- 23
- b) Von diesen Grundsätzen geht das Berufungsgericht zutreffend aus.
- 24
- Ohne Erfolg macht die Revision geltend, das Berufungsgericht habe verkannt , dass nach den Behauptungen des Beklagten von vornherein eine Planung vereinbart worden sei, die mit dem Risiko behaftet gewesen sei, dass die vorliegende Nachbarzustimmung nicht ausreiche. Danach habe der Beklagte keine genehmigungsfähige Planung geschuldet. Die Darlegungs- und Beweislast für die Vereinbarung einer genehmigungsfähigen Planung trügen die Kläger.
- 25
- Der Senat muss nicht entscheiden, ob die Auffassung der Revision zutrifft , die Darlegungs- und Beweislast für den Auftrag, eine genehmigungsfähige Planung zu erstellen, trage der Auftraggeber des Architekten, wenn bei Vertragsschluss erhebliche Indizien bestünden, dass das Risiko der Genehmigungsfähigkeit erkannt und vom Auftraggeber übernommen worden sei. Selbst wenn ein Auftragnehmer behaupte, dass eine Unterschreitung des gewöhnlichen Standards vereinbart worden sei, gehe damit nicht die Beweislast auf den Auftragnehmer über.
- 26
- Die von dem Beklagten angeführten Umstände rechtfertigen nicht die Annahme, die Kläger hätten bei der Beauftragung im Jahr 1998 das Risiko der Genehmigungsfähigkeit wegen der fehlenden Nachbarzustimmung übernommen. Insoweit weist der Beklagte lediglich darauf hin, dass die Kläger die Genehmigungsfähigkeit des von ihnen beabsichtigten Bauvorhabens bereits vor seiner Beauftragung mit dem Bauaufsichtsamt erörtert hätten und danach die Entscheidung, den Anbau zweistöckig zu errichten, bei der Beauftragung bereits gefallen gewesen sei.
- 27
- Der Umstand, dass die Kläger nach einem am 3. Dezember 1997 geführten Gespräch mit dem Bauaufsichtsamt vor der Beauftragung des Beklagten möglicherweise davon ausgegangen sind, dass der zweistöckige Anbau ohne erneute Nachbarzustimmung im Bauwich errichtet werden könne, belegt nicht die Auffassung des Beklagten, die Kläger hätten mit ihrem Auftrag die nach dem Vertrag vorausgesetzte Funktion der Genehmigungsplanung dahin beschränken wollen, dass diese nicht dazu führen müsse, eine dauerhafte Genehmigung zu gewährleisten. Beauftragt ein Bauwilliger eine Genehmigungsplanung für ein Bauwerk, das nach seiner Vorstellung im Bauwich errichtet werden soll und ist ihm bekannt, dass eine Genehmigung von der Zustimmung des Nachbarn abhängen könnte, so hat er entgegen der Auffassung der Revision nicht von vornherein das Risiko übernommen, dass sich eine ohne Rücksicht auf die Nachbarzustimmung erfolgte Planung nicht verwirklichen lässt. Vielmehr hat der Planungsauftrag auch die Prüfung zum Gegenstand, ob und inwieweit die Nachbarzustimmung notwendig ist und sich die beabsichtigte Bebauung möglicherweise mit zumutbaren Modifikationen im Bauwich verwirklichen lässt. Das gilt auch dann, wenn der Auftraggeber den Auftrag in der Vorstellung erteilt , eine bereits Jahre zuvor für ein anderes Bauvorhaben erteilte Nachbarzustimmung reiche aus, die beabsichtigte abweichende Bebauung ohne erneute Zustimmung durchführen zu können. Der Architekt muss dies selbständig auf der Grundlage des von ihm zu fordernden Sachwissens überprüfen. Müssen ihm bei dieser Prüfung Bedenken kommen, ob die vorgelegte Nachbarzustimmung für die beabsichtigte Bebauung ausreicht, hat er den Auftraggeber darauf und auf die mit der fehlenden Zustimmung verbundenen Risiken hinzuweisen. Er ist zwar nicht verpflichtet, eine solche Zustimmung einzuholen, sofern ihm dazu kein Auftrag erteilt worden ist. Er muss jedoch die Entscheidung des Auftraggebers darüber herbeiführen, ob diese eingeholt wird. Erst wenn sich herausstellt , dass die Nachbarzustimmung notwendig ist, jedoch vom Bauherrn trotz der entsprechenden Aufklärung nicht eingeholt wird, verdichtet sich die Frage, ob der Bauherr bereit ist, die Planung seiner Bauabsicht trotz des Risikos , dass die Baugenehmigung versagt wird oder durch einen Nachbarwiderspruch zu Fall gebracht wird, weiter zu betreiben. Wird die Planung hingegen ohne die entsprechende Aufklärung erstellt und eine notwendige Nachbarzustimmung nicht herbeigeführt, so ist sie nicht genehmigungsfähig, und der Architekt ist nach § 635 BGB a.F. zum Schadensersatz verpflichtet. Das gilt nach der Rechtsprechung des Senats selbst dann, wenn von vornherein festgestanden hätte, dass die Nachbarzustimmung nicht erteilt wird und die vorgesehene Planung deshalb nicht mangelfrei zu verwirklichen gewesen wäre (BGH, Urteil vom 21. Dezember 2000 - VII ZR 17/99, BauR 2001, 785, 788).
- 28
- Der Beklagte hatte danach im Jahr 1998 zunächst ohne jede Einschränkung den Auftrag übernommen, eine dauerhaft genehmigungsfähige Planung zu erstellen. Es stellt sich deshalb allenfalls die Frage, ob die Kläger später, namentlich im Zusammenhang mit dem zweiten Gespräch beim Bauaufsichtsamt am 10. November 1998, das Risiko der fehlenden Genehmigungsfähigkeit übernommen haben. Da es sich dann um eine Abänderung des bereits geschlossenen Vertrages handeln würde, trägt der Beklagte die Darlegungsund Beweislast für seine Behauptungen, die eine derartige spätere Risikoübernahme rechtfertigen sollen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Oktober 1994 - X ZR 30/93, BauR 1995, 92 = ZfBR 1995, 27). Die Revision stützt sich dementsprechend auch in erster Linie auf das Verhalten der Parteien im Zusammenhang mit diesem Gespräch, um eine Risikoübernahme durch die Kläger zu belegen.
- 29
- c) Eine im Zusammenhang mit dem zweiten Gespräch beim Bauaufsichtsamt am 10. November 1998 vereinbarte Übernahme des Risikos, dass die Baugenehmigung durch einen Nachbarwiderspruch aufgehoben wird, hat das Berufungsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise verneint.
- 30
- Weder der handschriftlichen Änderung des Aktenvermerks des Beklagten vom 12. November 1998 durch die Klägerin noch dem Gesprächsvermerk der Klägerin vom 14. November 1998 kann eine vertragliche Risikoübernahme der Genehmigungsfähigkeit der Planung durch die Kläger entnommen werden. Diese Anmerkungen der Klägerin belegen lediglich, dass sie die Auffassung vertrat, eine erneute Nachbarzustimmung sei für das geänderte Bauvorhaben nicht erforderlich, nicht jedoch, dass sie das aus einer fehlenden Nachbarzustimmung resultierende rechtliche und wirtschaftliche Risiko erkannt hat und übernehmen wollte.
- 31
- Der Beklagte hat nicht den Beweis für den von ihm behaupteten Inhalt des Gesprächs im Bauaufsichtsamt am 10. November 1998 sowie des Telefo- nats mit der Klägerin anlässlich der Fertigung ihres Gesprächsvermerks vom 14. November 1998 erbracht. Die Revision setzt ihre entgegenstehende Würdigung lediglich an die Stelle derjenigen des Tatrichters, ohne jedoch Rechtsfehler bei der abweichenden Würdigung durch das Berufungsgericht aufzuzeigen.
- 32
- 3. Aus dem Vorstehenden folgt, dass der Beklagte sich auch nicht darauf berufen kann, er hafte nicht nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen über die Haftungsbefreiung eines Unternehmers durch Erfüllung seiner Bedenkenhinweispflicht.
- 33
- a) Auf der Grundlage, dass die Kläger dem Beklagten verbindlich vorgegeben hätten, das Bauwerk im Bauwich auf der Grundlage zu planen, dass eine weitere Zustimmung des Nachbarn nicht notwendig ist, käme allerdings nach diesen Grundsätzen eine Haftungsbefreiung in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 8. November 2007 - VII ZR 183/05, BGHZ 174, 110, 119 ff.; Locher/Koeble/Frik, HOAI, 10. Aufl., § 33 Rn. 109). Trotz Mangelhaftigkeit der Architektenleistung tritt eine Haftungsbefreiung des Architekten ein, wenn ihm eine bindende Vorgabe des Auftraggebers für die Planung gemacht worden ist, er seiner Bedenkenhinweispflicht ordnungsgemäß nachgekommen ist und aus dem Verhalten des Auftraggebers der Schluss gezogen werden durfte, dieser wolle die Fortführung der aus Sicht des Architekten bedenklichen Leistung. Eine Haftungsbefreiung des Architekten kann im Falle einer bindenden Planungsvorgabe auch dann eintreten, wenn er seine Bedenkenhinweispflichten zwar verletzt hat, jedoch gleichzeitig feststeht, dass der Auftraggeber trotz der an sich notwendigen Hinweise auf Durchführung der bedenklichen Leistung bestanden hätte (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 1975 - VII ZR 243/73, BauR 1975, 420, 421). Ein solcher Fall kann etwa dann angenommen werden, wenn der Auftraggeber nicht aufklärungsbedürftig war, weil er sich der Problematik bewusst war und auch die Tragweite derselben voll erkannt hat bzw. erkennen musste (dazu Kniffka in: Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 3. Aufl., 6. Teil, Rn. 48). Beweisbelastet für die ordnungsgemäße Erfüllung der Bedenkenhinweispflicht bzw. für die Entbehrlichkeit einer Aufklärung des Auftraggebers ist - schon nach allgemeinen Grundsätzen - der Architekt (vgl. BGH, Urteil vom 8. November 2007 - VII ZR 183/05, BGHZ 174, 110 Rn. 26; Urteil vom 4. Juni 1973 - VII ZR 112/71, BauR 1973, 313, 315).
- 34
- b) Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht nicht verkannt und rechtsfehlerfrei sowohl die Erteilung eines ordnungsgemäßen Bedenkenhinweis durch den Beklagten (aa) als auch die Entbehrlichkeit eines solchen Hinweises (bb) verneint.
- 35
- aa) Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Beklagte den Klägern keinen ordnungsgemäßen Bedenkenhinweis erteilt hat. Sämtliche von der Revision angeführten Umstände hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei geprüft und gewürdigt. Zutreffend hat es angenommen, dass eine Belehrung der Klägerin über die Notwendigkeit einer erneuten Nachbarzustimmung für das geänderte Bauvorhaben in der Besprechung im Bauaufsichtsamt am 10. November 1998 nicht feststellbar sei. Die Annahme des Berufungsgerichts, in der Aktennotiz des Beklagten vom 12. November 1998 sei kein derartiger Hinweis in laienhaft verständlicher Form enthalten, erweist sich schon deshalb als zutreffend, weil der Beklagte darin lediglich den Gesprächsinhalt vom 10. November 1998 ohne eigene Bewertung wiedergegeben hat. Zudem ist in diesem Vermerk kein Hinweis auf die mit einer fehlenden Nachbarzustimmung verbundenen rechtlichen und wirtschaftlichen Risiken (Nachbarwiderspruch mit anschließender Stilllegungs- und Abrissverfügung) enthalten.
- 36
- Wie bereits ausgeführt hat das Berufungsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass der Beklagte den von ihm behaupteten Bedenkenhinweis im Telefonat mit der Klägerin anlässlich der Fertigung des Vermerks vom 14. November 1998 nicht bewiesen hat.
- 37
- bb) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht weiterhin die Entbehrlichkeit eines Bedenkenhinweises wegen Offenkundigkeit der Notwendigkeit einer erneuten Nachbarzustimmung abgelehnt. Weder der handschriftlichen Änderung des Aktenvermerks des Beklagten vom 12. November 1998 durch die Klägerin noch dem Gesprächsvermerk der Klägerin vom 14. November 1998 lässt sich entnehmen, dass den Klägern die Notwendigkeit einer erneuten Nachbarzustimmung bewusst war und sie die Tragweite dieser Problematik voll erkannt haben. Wie bereits ausgeführt lässt sich diesem Verhalten nur entnehmen, dass die Kläger davon ausgingen, die ursprünglich erteilte Nachbarzustimmung gelte auch für das geänderte Bauvorhaben. Eine andere Beurteilung ist vorliegend auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil allen Beteiligten bekannt war, dass der gewünschte Anbau den bauordnungsrechtlich vorgeschriebenen Grenzabstand von mindestens drei Metern (§ 6 Abs. 5 BauO NRW) unterschritt und eine Nachbarzustimmung erforderlich sein könnte. Dass die bereits erteilte Nachbarzustimmung nicht ausreichen könnte, lag zwar nahe, wurde jedoch von den Klägern offenbar anders gesehen. Auch wenn die von den Klägern vertretene Rechtsauffassung zur Tragweite der bereits erteilten Nachbarzustimmung eher fern lag, war sie nicht so offenkundig falsch, dass der Beklagte von einem Bedenkenhinweis befreit war. Dieser hätte den Klägern nicht nur die Bedenken gegen ihre Auffassung verdeutlichen, sondern sie auch darauf hinweisen müssen , welche rechtlichen und wirtschaftlichen Risiken bestanden, wenn sie das Bauwerk ohne eine Nachbarzustimmung errichteten. Dazu hätte auch die Aufklärung darüber gehört, dass selbst die Erteilung einer Baugenehmigung wegen der Möglichkeit eines Nachbarwiderspruchs keine Rechtssicherheit schaffen konnte.
- 38
- Soweit die Revision aus den Umständen ableiten möchte, die Kläger seien sich über die Notwendigkeit der Einholung einer erneuten Nachbarzustimmung vollständig im Klaren gewesen und hätten keiner (weiteren) Beratung bedurft und diese auch nicht gewünscht, setzt sie ihre Würdigung lediglich an die Stelle derjenigen des Tatrichters, ohne jedoch Rechtsfehler bei der abweichenden Würdigung durch das Berufungsgericht aufzuzeigen.
- 39
- 4. Rechtsfehlerhaft verneint das Berufungsgericht jedoch ein Mitverschulden der Kläger.
- 40
- a) Die Haftungsverteilung im Rahmen des § 254 BGB kann im Revisionsverfahren darauf überprüft werden, ob alle in Betracht kommenden Umstände vollständig und richtig berücksichtigt und der Abwägung rechtlich zulässige Erwägungen zugrunde gelegt worden sind (BGH, Urteil vom 3. Juni 2008 - VI ZR 223/07, NJW 2008, 3775 m.w.N.).
- 41
- b) Die Mitverschuldensprüfung durch das Berufungsgericht ist unvollständig , da es nicht alle für ein Mitverschulden der Kläger sprechenden Umstände berücksichtigt hat.
- 42
- aa) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist es, dass das Berufungsgericht eine von ihm unterstellte fahrlässige Mitverursachung der Kläger daran, dass der Beklagte eine baurechtswidrige Genehmigungsplanung erstellt hat, nicht hat ausreichen lassen, um einen Mitverschuldensanteil an der mangelhaften Architektenleistung anzunehmen. Es ist nicht rechtsfehlerhaft, wenn das Berufungsgericht im Zusammenhang mit der Frage, wie die Aussagen der Mitarbeiter der Baugenehmigungsbehörde zu verstehen waren und wie die hierüber gefertigten Aktenvermerke zu lauten hatten, darauf abstellt, dass es die primäre Pflicht des Architekten ist, den Bauherrn im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens aufzuklären und zu belehren, und diese Pflicht durch die Be- rücksichtigung eines nur fahrlässigen Mitverschuldens des Bauherrn ausgehöhlt und entwertet werde (vgl. BGH, Urteil vom 13. Januar 2004 - XI ZR 355/02, BauR 2004, 1154, 1157). Ebenso wenig ist es zu beanstanden, dass das Berufungsgericht betont hat, dass der Beklagte als geistiger Urheber des Baugenehmigungsantrags nebst Plänen für ein Bauvorhaben in der Abstandsfläche mit unzureichender Nachbarzustimmung den wesentlichen Verursachungsanteil an der rechtswidrig erteilten Baugenehmigung gesetzt hat.
- 43
- bb) Das Berufungsgericht hat jedoch nicht berücksichtigt, dass der hier geltend gemachte Schaden auch darauf beruht, dass die Kläger von der rechtswidrig erteilten Baugenehmigung Gebrauch gemacht haben, ohne auf die sich aufdrängende Frage Rücksicht zu nehmen, ob die beeinträchtigten Nachbarn sich hiergegen wehren würden und welche Konsequenzen dies haben könnte. Indem die Kläger, bevor sie mit den erheblichen Investitionen in das Bauvorhaben begannen, die jetzt Grundlage des begehrten Ersatzes für Folgeschäden der mangelhaften Architektenleistung sind, diese Frage nicht abklärten , verstießen sie gegen die ihrem eigenen Interesse dienende Obliegenheit, sich selbst vor Schäden zu bewahren, § 254 Abs. 1 BGB.
- 44
- Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wussten die Kläger, dass der Anbau den bauordnungsrechtlich vorgeschriebenen Grenzabstand von mindestens drei Metern (§ 6 Abs. 5 BauO NRW) unterschritt. Auch wussten sie, dass zur Realisierung des Bauvorhabens deswegen eine Zustimmung des Nachbarn erforderlich war. Weiterhin wussten sie, dass die Bauausführung erheblich von der ursprünglich geplanten abwich (zusätzliches Obergeschoss statt eingeschossiger Anbau mit Terrasse). Dass dies zwangsläufig nachbarrelevante Folgen haben musste, die bereits erteilte Nachbarzustimmung nicht ausreichen könnte und der Nachbar Rechte haben könnte, das Bauvorhaben zu verhindern, drängte sich, worauf die Verwaltungsgerichte bereits hingewiesen haben, ohne weiteres auf. Die Kläger durften vor diesen Umständen nicht die Augen verschließen und allein im Vertrauen darauf, dass der Beklagte ihrer Rechtsauffassung, die erteilte Nachbarzustimmung reiche aus, nicht deutlich genug entgegengetreten ist, das Bauvorhaben in Angriff nehmen. Die Kläger wären vielmehr vor dem Beginn der Bauarbeiten im eigenen Interesse gehalten gewesen, mit den Nachbarn eine Klärung darüber herbeizuführen, ob die erteilte Zustimmung auch die Erweiterung des Bauvorhabens erfasste, oder Rechtsrat einzuholen, ob und wie lange und mit welchen Folgen die Nachbarn sich noch gegen das Bauvorhaben wehren konnten. Hätten sie dies getan, wäre es nach normalem Verlauf der Dinge nicht zu dem Schaden gekommen, der jetzt durch die Rücknahme der Baugenehmigung und die Abrissverfügung entsteht.
- 45
- Die Berücksichtigung dieses Verursachungsbeitrags der Kläger an dem hier in Rede stehenden Schaden ist nicht im Hinblick auf die wesentliche Pflicht des Architekten zur Erstellung einer dauerhaft genehmigungsfähigen Planung ausgeschlossen oder im Ergebnis vollkommen zu vernachlässigen. Zwar wird ein Bauherr regelmäßig darauf vertrauen dürfen, dass sein Architekt eine mangelfreie Genehmigungsplanung erstellt hat. Insbesondere wird ihm normalerweise nicht vorgeworfen werden können, nicht erkannt zu haben, dass die Voraussetzungen für eine genehmigungsfähige Planung fehlen. Das gilt nicht nur für die Beurteilung der technischen Voraussetzungen (vgl. BGH, Urteil vom 29. Oktober 1970 - VII ZR 14/69, VersR 1971, 157), sondern auch für die Beurteilung der rechtlichen Voraussetzungen, ob eine Planung wegen des Unterschreitens der Abstandsflächen der Zustimmung des Nachbarn bedarf.
- 46
- Darum geht es hier jedoch nicht. Zur Beurteilung stand vielmehr allein die Frage, ob die vor mehreren Jahren für einen eingeschossigen Anbau mit Terrasse möglicherweise erteilte Nachbarzustimmung auch für einen zweigeschossigen Anbau gilt. Dass diese offen zutage liegende Rechtsfrage zu beja- hen ist, lag fern. Sind dem Bauherrn solche Umstände bekannt, aufgrund derer sich bereits bei einer laienhaften Bewertung das Risiko der Fehlerhaftigkeit der Planung und damit der Baugenehmigung ableiten lässt, muss er sich sein hieraus abzuleitendes Verschulden gegen sich selbst anrechnen lassen. Denn insoweit geht es nicht nur um spezifische Kenntnisse des Architekten, deretwegen der Bauherr diesen gerade eingeschaltet hat. Vielmehr geht es um die Einschätzung , ob wegen der ein anderes Bauvorhaben betreffenden Nachbarzustimmung ein Risiko dahin besteht, dass und inwieweit der offensichtlich durch das Bauvorhaben betroffene Nachbar Veranlassung und Möglichkeiten hat, später noch dessen Abriss durchzusetzen. Dabei handelt es sich um eine rechtliche Frage, die die Kläger, sofern sie sie nicht selbst überblicken konnten, notfalls durch Einholung von Rechtsrat hätten weiter klären können, wenn sie nicht jedes Risiko durch Bekanntgabe der genehmigten Planung an die Nachbarn und Abwarten ihrer Reaktion ausschließen wollten.
- 47
- Im Ergebnis gilt deshalb im vorliegenden Fall dasselbe wie in Fällen der Amtshaftung für rechtswidrige Baugenehmigungen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können auch dort bauordnungsrechtliche Bedenken von solchem Gewicht gegen die Zulässigkeit des Bauvorhabens bestehen, dass der Bauherr ihretwegen nicht ohne weiteres auf die Rechtmäßigkeit der erteilten Baugenehmigung vertrauen darf (BGH, Urteil vom 12. Juni 1975 - III ZR 34/73, NJW 1975, 1968). Ein Bauherr trägt deshalb auch dann zur Entstehung des Schadens schuldhaft bei, wenn er mit den Bauarbeiten beginnt, obwohl er weiß - oder mindestens damit rechnen muss -, dass die von ihm geplante Erweiterung seines Bauvorhabens geeignet ist, die Rechte der Nachbarn erheblich zu stören (BGH, Urteil vom 12. Juni 1975 - III ZR 34/73, aaO).
- 48
- 5. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Auffassung des Berufungsgerichts , ein Schadensersatzanspruch sei nicht verjährt, weil die fünfjähri- ge Verjährungsfrist gemäß § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB und nicht die dreijährige Verjährungsfrist gemäß §§ 195, 199 BGB Anwendung finde. Der Senat hat nach Erlass des angefochtenen Urteils entschieden, dass werkvertragliche Gewährleistungsansprüche des Bestellers auch dann der Verjährungsregelung des § 638 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. und nicht der Regelverjährung unterliegen, wenn sie vor der Abnahme entstanden sind. Die Verjährungsfrist beginnt erst zu laufen, wenn die Abnahme erfolgt oder endgültig verweigert wird (BGH, Urteil vom 8. Juli 2010 - VII ZR 171/08, BauR 2010, 1778 = NZBau 2010, 768 = ZfBR 2010, 773). Er hat damit seine frühere gegenteilige Auffassung (BGH, Urteil vom 30. September 1999, VII ZR 162/97, BauR 2000, 128 = NZBau 2000, 22 = ZfBR 2000, 97) aufgegeben. Damit kommt es auch nicht mehr auf die weiteren Angriffe der Revision gegen die Feststellungen des Berufungsgerichts an, die Kläger hätten am 2. Oktober 2001 die Abnahme endgültig verweigert. Wäre dies nicht der Fall, wäre erst recht keine Verjährung eingetreten.
- 49
- 1. Die Kläger rügen ohne Erfolg die Verletzung ihres Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs, Art. 103 Abs. 1 GG. Dieser Anspruch verpflichtet das entscheidende Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Die Anschlussrevision meint, es sei davon auszugehen, dass das Berufungsgericht den Vortrag der Kläger im Schriftsatz vom 11. November 2009 mit dem Bezug auf ein Schreiben vom 22. Mai 1999 nicht zur Kenntnis genommen habe. Dort seien sie dem Berufungsangriff des Beklagten, dass er nichts mit der Erwirkung der Baugenehmigung vom 26. November 1999 zu tun gehabt habe, entgegengetreten.
- 50
- Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Die Gerichte brauchen nicht jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden. Eine Verletzung der Pflicht, den Vortrag der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und zu erwägen, kann nur angenommen werden, wenn sich dies aus den besonderen Umständen des Falles ergibt (vgl. BVerfGE 96, 205, 216 f. m.w.N.). Nach diesen Maßstäben kann hier keine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs angenommen werden. Das Berufungsgericht hat die Einwände der Kläger gegen die Berufungsbegründung zwar nicht im Einzelnen in den Entscheidungsgründen beschieden. Jedoch hat es darauf hingewiesen, dass die Kläger dem Berufungsvorbringen zu diesem Punkt nicht hinreichend entgegengetreten seien. Daraus ergibt sich gerade, dass es eine Wertung des Vortrags vorgenommen und diesen damit zur Kenntnis genommen und gewürdigt hat. Es ist aus Rechtsgründen auch nicht zu beanstanden, dass es ihn nicht für hinreichend gehalten hat, eine Verantwortung des Beklagten für den von ihm nicht unterzeichneten und eingereichten Bauantrag für einen Zusatzkeller zu begründen. Das in Bezug genommene Schreiben weist nur darauf hin, dass die Änderung im Kellerbereich "in Abstimmung mit" dem Beklagten in die Planung aufgenommen werde.
- 51
- 2. Das Berufungsgericht war auch nicht gehalten, die Kläger darauf hinzuweisen , dass es weiteren Vortrag für notwendig hielt. Die Kläger hatten auf den Berufungsangriff des Beklagten bereits erwidert. Das Berufungsgericht war nicht verpflichtet darauf hinzuweisen, dass dieser Vortrag rechtlich unerheblich war. Es hatte keinen Anlass anzunehmen, dass er unvollständig sein könnte. Es gab keine Anhaltspunkte dafür, dass den Klägern weiterer Vortrag, der ihren Anspruch hätte stützen können, möglich gewesen wäre.
III.
- 52
- Nach alledem ist das Berufungsurteil aufzuheben, soweit zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist. Auf die Revision ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, welches auf Grundlage der aufgezeigten Gesichtspunkte - erforderlichenfalls nach weiteren Tatsachenfeststellungen - eine erneute Abwägung im Rahmen der Mitverschuldensprüfung vorzunehmen haben wird.
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 31.10.2008 - 14e O 170/05 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 18.12.2009 - I-23 U 187/08 -