Oberlandesgericht Köln Urteil, 19. Mai 2015 - 15 U 38/13

ECLI:ECLI:DE:OLGK:2015:0519.15U38.13.00
bei uns veröffentlicht am19.05.2015

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 13.02.2013 (28 O 773/11) unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abgeändert und - wie folgt - neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen,

1.               zu behaupten bzw. behaupten zu lassen, zu veröffentlichen bzw. veröffentlichen zu lassen oder sonst zu verbreiten bzw. verbreiten zu lassen:

a)               (in Bezug auf N K T)

G K T habe seinen Kindern eine Erbschaft im Wert von mindestens DM 300 Mio. hinterlassen,

wie auf den Seiten 161 f. des Buches des Beklagten mit dem Titel „Macht und Missbrauch – Von T bis T2“ geschehen,

und/oder

b)               „Im Juni 1999 hat die Staatsanwaltschaft Augsburg eine Überprüfung durch das Finanzamt erbeten, ob ein bei N T festgestelltes Wertpapiervermögen in Höhe von 108 Mio. DM ordnungsgemäß versteuert worden sei.“,

wie auf Seiten 162 des Buches des Beklagten mit dem Titel „Macht und Missbrauch – Von T bis T2“ geschehen,

und/oder

c)               „Er (sc. N2 N3) beklagte (sc. in der Fernsehsendung „Live aus der alten Oper“ am 02. November 1989), immer wenn es im nahen Osten um Waffen und Geld gegangen sei, sei man auf die Familie T gestoßen, immer wieder auf T.“,

wie auf Seite 168 des Buches des Beklagten mit dem Titel „Macht und Missbrauch – Von T bis T2“ geschehen,

und/oder

2.              durch die Passagen

              „Und schließlich ist der Anschein finanzieller Korrektheit dadurch erschüttert worden, dass N T - dem aufsichtsführenden CSU-Kreisvorsitzenden F S zufolge – als Schatzmeister seines kleinen Ortsverbandes keinen Nachweis liefern konnte, wofür eine Viertelmillion Mark ausgegeben worden war. War N T dann ausgerechnet gegenüber dem Finanzamt korrekt, wenn er schon gegenüber der CSU so handelte?“

und/oder

„Inzwischen hat sich herausgestellt, dass der Kassenfehlbetrag in diesem zu den kleinsten Ortsverbänden der CSU gehörenden Ortsverband 17b 236.000 Mark betrug. Verantwortlich dafür waren L O und N T, dem als Schatzmeister sowohl die fristgemäße Erstellung der Rechenschaftsberichte als auch die Begründung dieses horrenden Minusbetrages oblag. Bis heute ist der Grund für den Fehlbetrag in den Gremien der Münchner CSU nicht geklärt. L G2 als Schatzmeister des CSU-Bezirks schrieb: „Es fehlt der Widerschein dieses enormen Fehlbetrages.“ Vornehm formuliert! (Für ein einfaches Parteimitglied stellt sich die Frage: Wurde Strafanzeige gestellt?)“.

den Eindruck zu erwecken, N K T habe als zuständiger Schatzmeister eines CSU-Ortsverbandes einen Fehlbetrag von 236.000,00 DM bzw. einer Viertelmillion Mark nicht erklären und belegen können,

wie auf den Seiten 179 und 311 des Buches des Beklagten mit dem Titel „Macht und Missbrauch – Von T bis T2“ geschehen,

und/oder

3.              durch die Passage

„Wie intensiv die Aktivitäten des T-Clans waren, wurde durch die Erklärung von G.K. T selbst deutlich. Als publik wurde, dass T-Sohn N in Gegenwart des deutschen Botschafters in Saudi-Arabien an einem Verhandlungsgespräch mit den Saudis über den Verkauf von Leopard-Panzern teilgenommen hatte (und sich dabei skandalös verhalten hatte), begründete der T-Vater dies damit, dass sein Sohn N aufgrund seiner guten Geschäftsbeziehungen tätig geworden sei. Er sei schon circa 20 Mal in Saudi-Arabien gewesen, in der Tat eine erstaunliche Häufigkeit für einen jungen Mann, der gerade erst Rechtsreferendar war. Deshalb nochmals die Frage: Wie viel erhielt T dafür? Wie viel sein Sohn N? Und auf welche Konten wurde überwiesen? Und eine weitere Frage stellt sich: Was meldeten sie dem deutschen Finanzamt?“

die Eindrücke zu erwecken,

a)               N K T habe Provisionszahlungen aus Waffengeschäften erhalten,

und/oder

b)               N K T habe gegenüber dem deutschen Finanzamt Provisionszahlungen aus Waffengeschäften verschwiegen,

wie auf Seite 170 des Buches des Beklagten mit dem Titel „Macht und Missbrauch – Von T bis T2“ geschehen,

und/oder

4.              durch die Passagen

              „Die T Kinder dementierten F2 A, jedoch zweideutig: „Es existierten keine Konten mit dreistelligen Millionensummen.“ Erstens aber hatte A nicht behauptet, dass auf einem Konto „dreistellige“ Millionen lagen, und zweitens konnten die Millionen auf verschiedenen Konten verteilt sein (wie ohnehin bei Provisionszahlungen aus verschiedenen Geschäften üblich). So hat T-Freund X T3 angegeben, dass T auch Kunde des Züricher Bankhauses C war. N T gab gegenüber dem Spiegel zu, dass es T Konten bei Q, W sowie bei der Filiale der Deutschen Bank in der Schweiz gegeben habe. Davon, dass sein Vater laut T3 auch Kunde beim Bankhaus C gewesen sei, habe er nichts gewusst. Das bedeutet dann aber auch, dass er dieses Konto bei der Erbschaftssteuererklärung nicht angegeben hatte und dass es auch nicht aus den Steuerklärungen von G.K. T ersichtlich war.“

              und/oder

              „Dem Spiegel gegenüber weigerten sich die T-Kinder, „über Einzelheiten der Vermögensanlage“ ihrer Eltern Zeugnis abzulegen. Alle Schweizer Konten wie auch deren Erträge und Zuflüsse seien „ordnungsgemäß versteuert“ worden. Das widerspricht jedoch dem, was etwa anderthalb Jahre später geschah (...). Wenn alle in die Schweiz führenden Spuren getilgt werden sollten, war es unglaubwürdig, dass das Geld auf den Schweizer Konten angeblich „ordnungsgemäß versteuert“ worden war. (...) Außerdem hatte N T, wie erwähnt, gegenüber dem Spiegel selbst angegeben, von dem T-Konto beim Bankhaus C nichts gewusst zu haben, also konnte insoweit auch nichts versteuert worden sein. (...). War N T dann ausgerechnet gegenüber dem Finanzamt korrekt, wenn er schon gegenüber der CSU so handelte?“

den Verdacht zu erwecken bzw. den Verdacht erwecken zu lassen, N K T habe ein Guthaben beim Bankhaus C geerbt und nicht ordnungsgemäß versteuert,

wie auf den Seiten 163 f. und 178 f. des Buches des Beklagten mit dem Titel „Macht und Missbrauch – Von T bis T2“ geschehen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz werden dem Kläger zu 1/10 und dem Beklagten zu 9/10 auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Verurteilungen zu Ziffern 1.a)-c) sowie  2.-4. jeweils gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3.000,00 €, im Übrigen gegen Sicherheitsleistung 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat
Oberlandesgericht Köln Urteil, 19. Mai 2015 - 15 U 38/13 zitiert 18 §§.

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(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last. (2) Das Ger

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 1


(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen G

Zivilprozessordnung - ZPO | § 529 Prüfungsumfang des Berufungsgerichts


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Strafgesetzbuch - StGB | § 186 Üble Nachrede


Wer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, wird, wenn nicht diese Tatsache erweislich wahr ist, mit Freiheitsstrafe

Strafgesetzbuch - StGB | § 193 Wahrnehmung berechtigter Interessen


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Zivilprozessordnung - ZPO | § 387 Zwischenstreit über Zeugnisverweigerung


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Wer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, wird, wenn nicht diese Tatsache erweislich wahr ist, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 204/04 Verkündet am:
22. November 2005
Böhringer-Mangold,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Liegt es nahe, aus mehreren unstreitigen Tatsachen eine bestimmte ehrverletzende
Schlussfolgerung zu ziehen, so ist eine bewusst unvollständige Berichterstattung
rechtlich wie eine unwahre Tatsachenbehauptung zu behandeln, wenn die Schlussfolgerung
bei Mitteilung der verschwiegenen Tatsache weniger nahe liegend erscheint
und deshalb durch das Verschweigen dieser Tatsache beim unbefangenen
Durchschnittsleser ein falscher Eindruck entstehen kann.
BGH, Urteil vom 22. November 2005 - VI ZR 204/04 - OLG Köln
LG Köln
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 22. November 2005 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter
Wellner, die Richterin Diederichsen und die Richter Stöhr und Zoll

für Recht erkannt:
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 1. Juli 2004 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Kläger, ein katholisches Erzbistum, dessen Kardinal und ein Prälat, nehmen den Beklagten, einen Journalisten, auf Unterlassung wörtlicher oder sinngemäßer Tatsachenbehauptungen dahingehend in Anspruch, den Klägern sei es aufgrund eines an sie gerichteten Briefes einer Frau D. vom 18. September 1996 möglich gewesen, den Schwangerschaftsabbruch einer angeblich von einem Pfarrer geschwängerten Minderjährigen zu verhindern, außerdem hätten sie den Pfarrer, der die angebliche Sexualbeziehung zu der Minderjährigen erpresst habe, aus seinem Amt entfernen können. Sie behaupten, der Beklagte habe diese Tatsachenbehauptungen versteckt in zwei Zeitungsartikeln und einem Rundfunkbeitrag, die alle Ende 1996 erschienen sind, aufgestellt.
2
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das in NJW-RR 1998, 1175 veröffentlichte Berufungsurteil, mit dem die Berufung des Beklagten nur hinsichtlich des Klägers zu 3 wegen fehlender Aktivlegitimation erfolgreich gewesen , im übrigen jedoch zurückgewiesen worden war, ist vom Bundesverfassungsgericht (NJW 2004, 1942) wegen Verstoßes gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen worden. Die Kläger haben den Beklagten nunmehr auf Unterlassung verschiedener Äußerungen in Anspruch genommen, aus denen sie die versteckten Aussagen im Sinne des ursprünglichen Antrages herleiten. Die Berufung ist weitgehend ohne Erfolg geblieben; das Berufungsgericht hat der Unterlassungsklage stattgegeben mit der Einschränkung, dass dem Beklagten die Verbreitung der beanstandeten verdeckten Tatsachenbehauptungen, wie in den zwei 1996 erschienenen Artikeln und dem am 24. November 1996 gesendeten Rundfunkbeitrag geschehen, verboten werde ohne den klarstellenden Zusatz, dass den Klägern weder der Name des betroffenen Mädchens noch der des Pfarrers bekannt gewesen, weil von Frau D. nicht mitgeteilt worden sei. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Klageabweisung auch gegenüber den Klägern zu 1, 2 und 4.

Entscheidungsgründe:

I.

3
Das Berufungsgericht bejaht einen Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, Abs. 2, 1004 BGB, § 186 StGB, da der Beklagte in den zwei 1996 veröffentlichten Artikeln und dem am 24. November 1996 ausgestrahlten Rundfunkbeitrag in verdeckter Form unrichtige Tatsachenbehauptungen aufgestellt habe, welche geeignet seien, das Ansehen der Kläger in der Öffentlichkeit herabzuwürdigen.
4
So habe der Kläger im Radiobeitrag die verdeckten und unrichtigen Tatsachenbehauptungen aufgestellt, die Kläger hätten aufgrund eines Schreibens von Frau D. vom 18. September 1996, in dem diese das Bistum darüber informierte , dass eine Jugendliche aufgrund einer erpressten Sexualbeziehung zu einem katholischen Pfarrer schwanger geworden sei und nach Beratung diese Schwangerschaft in den nächsten Tagen abbrechen werde, die Möglichkeit gehabt , unmittelbar Kontakt mit der Betroffenen aufzunehmen und den Schwangerschaftsabbruch zu verhindern, sowie, den Klägern sei der Name des beschuldigten Pfarrers bekannt gewesen, so dass sie ihn aus dem Amt hätten entfernen können.
5
In dem Artikel für die Zeitschrift "Die Woche" seien die beiden verdeckten Behauptungen ebenfalls aufgestellt worden, während im Artikel in der Zeitschrift "Kirche intern" nur die erste (bezüglich der Kontaktaufnahmemöglichkeit) aufgestellt worden sei.
6
Der Beklagte habe dabei verschwiegen, dass der Kläger zu 4 unstreitig in einem dem Schreiben vorangegangenen Telefonat mit Frau D. nach dem Namen des Pfarrers und der betroffenen Minderjährigen gefragt und keine Antwort erhalten hatte und dass der Brief diese Informationen unstreitig ebenfalls nicht enthielt. Das Verschweigen wesentlicher Umstände und damit die unvollständige Darstellung des Sachverhalts begründe eine verdeckte Tatsachenbehauptung , die dadurch unrichtig sei.

II.

7
Das angefochtene Urteil hält den Angriffen der Revision im Ergebnis stand. Den Klägern steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, Abs. 2, 1004 BGB, § 186 StGB mit der im Tenor des Berufungsgerichts erfolgten Einschränkung zu.
8
1. Die Revision rügt erfolglos die Aktivlegitimation des Klägers zu 2 (Erzbistum K.).
9
a) Das Berufungsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass auch juristische Personen des öffentlichen Rechts wie das klagende Bistum zivilrechtlichen Ehrenschutz gegenüber Angriffen in Anspruch nehmen können, durch die ihr Ruf in der Öffentlichkeit in unzulässiger Weise herabgesetzt wird. Zwar haben sie weder eine "persönliche" Ehre noch können sie wie eine natürliche Person Träger des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sein; sie genießen jedoch, wie § 194 Abs. 3 StGB zeigt, im Zusammenhang mit der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben - hier im Bereich der Seelsorge und der Verbreitung und Vertretung von Glaubensinhalten - strafrechtlichen Ehrenschutz , der über §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 185 ff. StGB zivilrechtliche Unterlassungsansprüche begründen kann (vgl. Senatsurteile vom 22. Juni 1982 - VI ZR 251/80 - NJW 1982, 2246 und vom 16. November 1982 - VI ZR 122/80 - NJW 1983, 1183, jeweils m.w.N.; BVerfGE 93, 266, 291).
10
b) Aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist weiterhin die Auffassung des Berufungsgerichts, dass der Kläger zu 2 durch die Berichterstattung selbst betroffen ist.
11
Wenn die Revision meint, dass nur Mitarbeiter einer juristischen Person von einer Äußerung betroffen sein könnten, trifft dies für den vorliegenden Sachverhalt nicht zu. Auch wenn die juristische Person durch ihre Mitarbeiter bzw. gesetzlichen Vertreter handelt, kann sie doch - wie soeben ausgeführt - selbst Rechtsträger sein und deshalb Unterlassungsansprüche geltend machen , wenn sie in ihrer Rechtsstellung beeinträchtigt wird. Dies gilt im vorliegenden Fall bereits deshalb, weil das Erzbistum als Institution mehrfach direkt benannt bzw. angesprochen ist.
12
Soweit die Revision mit der Unterscheidung zwischen Erzbistum und Erzdiözese in Zweifel zieht, ob das Erzbistum eine juristische Person sei, kann zur Beseitigung dieser Zweifel auf BGHZ 124, 173, 174 f. verwiesen werden, wonach im Bereich der katholischen Kirche dem Bistum als der maßgeblichen Territorialgliederung die grundgesetzlich geschützte Rechtsstellung (Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 5 WRV) als Körperschaft öffentlichen Rechts zukommt (vgl. auch Schmidt-Bleibtreu/Klein, Kommentar zum Grundgesetz , 10. Auflage, Art. 140, Rn. 12).
13
2. Ohne Erfolg rügt die Revision, dass das Berufungsgericht bei Ermittlung des Aussagegehalts der drei Presseberichte deren Gesamtzusammenhang außer Acht gelassen und deshalb ihren Sinn nicht zutreffend erfasst habe.
14
a) Die zutreffende Sinndeutung einer Äußerung ist unabdingbare Voraussetzung für die richtige rechtliche Würdigung ihres Aussagegehalts. Sie unterliegt in vollem Umfang der Nachprüfung durch das Revisionsgericht (vgl. Senatsurteile BGHZ 78, 9, 16; 132, 13, 21; vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99 - VersR 2000, 327, 330; vom 30. Mai 2000 - VI ZR 276/99 - VersR 2000, 1162, 1163; vom 25. November 2003 - VI ZR 226/02 - VersR 2004, 343, 344). Ziel der Deutung ist stets, den objektiven Sinngehalt zu ermitteln. Dabei ist weder die subjektive Absicht des sich Äußernden maßgeblich noch das subjektive Verständnis des Betroffenen, sondern das Verständnis eines unvoreingenomme- nen und verständigen Publikums. Ausgehend vom Wortlaut, der allerdings den Sinn nicht abschließend festlegen kann, sind bei der Deutung der sprachliche Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, und die Begleitumstände, unter denen sie fällt, zu berücksichtigen, soweit diese für die Leser, Hörer oder Zuschauer erkennbar sind. Hingegen wird die isolierte Betrachtung eines umstrittenen Äußerungsteils den Anforderungen an eine zuverlässige Sinnermittlung regelmäßig nicht gerecht (vgl. BVerfGE 93, 266, 295; Senatsurteile vom 25. März 1997 - VI ZR 102/96 - VersR 1997, 842, 843 m.w.N.; vom 25. November 2003 - VI ZR 226/02 - VersR 2004, 343, 344).
15
b) Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung ist diese revisionsrechtliche Überprüfung auch im Streitfall vorzunehmen und nicht etwa durch das Bundesverfassungsgericht (NJW 2004, 1942) abschließend erfolgt. Vielmehr erstreckt sich die Bindungswirkung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts nur auf den Umfang der Feststellung nach § 95 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 31 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG. Feststellung im Sinne dieser Vorschriften ist jedenfalls die Entscheidungsformel, nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergänzt um die tragenden Gründe der Entscheidung (BVerfGE 1, 14, 37; 19, 377, 392; 20, 56, 87; 40, 88, 93; 96, 375, 404; 104, 151, 197; Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. A., § 31 Rn. 58). Jedoch erfasst die Bindungswirkung nur die Auslegung der Verfassung, nicht die einfachrechtlicher Normen (Umbach/Clemens/Dollinger aaO, Rn. 60). Hierzu ist dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts lediglich zu entnehmen, dass die Rechtsprechung der Fachgerichte, wonach bei der Annahme von verdeckten Aussagen eine besondere Zurückhaltung geboten sei und deshalb die dem Leser nahe gelegte Schlussfolgerung unabweislich sein müsse, von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden sei.
16
c) Mit Recht hat sich das Berufungsgericht bei der Ermittlung des Aussagegehalts nicht auf "offene" Behauptungen beschränkt, sondern die Prüfung auf ehrenkränkende Beschuldigungen erstreckt, die im Gesamtzusammenhang der offenen Einzelaussagen "versteckt" bzw. "zwischen den Zeilen" stehen könnten (vgl. Senatsurteile BGHZ 78, 9, 14; vom 28. Juni 1994 - VI ZR 273/93 - VersR 1994, 1123, 1124; vom 25. November 2003 - VI ZR 226/02 - VersR 2004, 343, 344). Das Berufungsgericht gibt auch die Grundsätze zur Nachprüfung solcher verdeckter Aussagen zutreffend wieder.
17
Danach ist bei der Ermittlung so genannter verdeckter Aussagen zu unterscheiden zwischen der Mitteilung einzelner Fakten, aus denen der Leser eigene Schlüsse ziehen kann und soll, und der erst eigentlich "verdeckten" Aussage , mit der der Autor durch das Zusammenspiel offener Äußerungen eine zusätzliche Sachaussage macht bzw. sie dem Leser als unabweisliche Schlussfolgerung nahe legt. Unter dem Blickpunkt des Art. 5 Abs. 1 GG kann nur im zweiten Fall die "verdeckte" Aussage einer "offenen" Behauptung des Äußernden gleichgestellt werden. Denn der Betroffene kann sich in aller Regel nicht dagegen wehren, dass der Leser aus den ihm "offen" mitgeteilten Fakten eigene Schlüsse auf einen Sachverhalt zieht, für den die offenen Aussagen Anhaltspunkte bieten, der von dem sich Äußernden so aber weder offen noch verdeckt behauptet worden ist (vgl. Senatsurteile vom 28. Juni 1994 - VI ZR 273/93 - aaO und vom 25. November 2003 - VI ZR 226/02 aaO).
18
d) Ob das Berufungsgericht im Streitfall mit Recht die dem Leser nahegelegten Schlussfolgerungen für so unabweislich gehalten hat, dass sie eine verdeckte Äußerung beinhalten, kann letztlich dahinstehen. Denn jedenfalls liegt eine bewusst unvollständige Berichterstattung vor, die ebenfalls unzulässig ist. Wenn nämlich - wie die Revision geltend macht - dem Leser Tatsachen mitgeteilt worden sind, aus denen er erkennbar eigene Schlussfolgerungen ziehen soll, so durften hierbei keine wesentlichen Tatsachen verschwiegen werden, die dem Vorgang ein anderes Gewicht geben könnten (vgl. BVerfGE 12, 113, 130; Senatsurteile BGHZ 31, 308, 318; vom 26. Oktober 1999 - VI ZR 322/98 - VersR 2000, 193) und deren Kenntnis für den Leser unerlässlich ist, der sich im Kernpunkt ein zutreffendes Urteil bilden will (vgl. Senatsurteile vom 20. Juni 1961 - VI ZR 222/60 - VersR 1961, 980, 982; vom 9. November 1965 - VI ZR 276/64 - VersR 1966, 85, 87; vom 30. Januar 1979 - VI ZR 163/77 - VersR 1979, 520, 521; vom 26. Oktober 1999 - VI ZR 322/98 - VersR 2000, 193; ebenso Soehring, Presserecht, 3. A., Rn. 16.44b; Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. A., Kap. 5 Rn. 81). Liegt es - wie im Streitfall auch von der Revision nicht in Abrede gestellt - nahe, aus mehreren unstreitigen Tatsachen eine bestimmte (ehrverletzende) Schlussfolgerung zu ziehen, so ist jedenfalls eine bewusst unvollständige Berichterstattung rechtlich wie eine unwahre Tatsachenbehauptung zu behandeln, wenn die Schlussfolgerung bei Mitteilung der verschwiegenen Tatsache weniger nahe liegend erscheint und deshalb durch das Verschweigen dieser Tatsache beim unbefangenen Durchschnittsleser ein falscher Eindruck entstehen kann (vgl. Senatsurteil vom 26. Oktober 1999 - VI ZR 322/98 - VersR 2000, 193). Eine Tatsachenbehauptung , die nur Teilwahrheiten vermittelt und dadurch beim Adressaten der Äußerung zu einer Fehleinschätzung des Angegriffenen führt, ist schon aus diesem Grund rechtswidrig (vgl. Senatsurteile BGHZ 31, 308, 316; vom 18. Juni 1974 - VI ZR 16/73 - NJW 1974, 1762, 1763 und vom 26. Oktober 1999 - VI ZR 322/98 - VersR 2000, 193, 195 m.w.N.). Es dürfen also nicht solche Fakten verschwiegen werden, deren Mitteilung beim Adressaten zu einer dem Betroffenen günstigeren Beurteilung des Gesamtvorgangs hätte führen können (vgl. Senatsurteil vom 25. November 2003 - VI ZR 226/02 - aaO).
19
Insoweit gelten für die Vollständigkeit einer solchen Berichterstattung die gleichen Grundsätze wie für die Verdachtsberichterstattung. Auch hier ist näm- lich eine vollständige Berichterstattung erforderlich, so dass dem Leser auch die entlastenden Umstände mitgeteilt werden müssen (vgl. Senatsurteil vom 26. November 1996 - VI ZR 323/95 - VersR 1997, 325, 327). So darf bei einem Bericht, der sich mit einer namentlich genannten Person besonders beschäftigt, die Kürzung des mitgeteilten Sachverhalts nicht so weit gehen, dass der Zuschauer oder Leser ein nach der negativen Seite entstelltes Bild dieser Person erhält, weil ihm nur einseitige Ausschnitte mitgeteilt werden (vgl. Senatsurteile BGHZ 31, 308, 316 und vom 26. Oktober 1999 - VI ZR 322/98 - VersR 2000, 193, 195).
20
e) Um solche Umstände handelt es sich hier. Es liegt auf der Hand, dass die Tatsache, dass den Klägern weder der Name des Mädchens noch der Name des Pfarrers mitgeteilt worden waren, geeignet ist, die mitgeteilten Vorgänge und insbesondere den Vorwurf verspäteten Handelns bzw. der Untätigkeit in den Augen des unbefangenen Durchschnittslesers in einem anderen, den Klägern günstigeren Licht erscheinen zu lassen. Denn während es bei Bekanntheit der Personalien aller an dem Vorfall beteiligten Personen beim Durchschnittsleser auf Unverständnis stoßen dürfte, dass weder der Minderjährigen umgehend Hilfe angeboten noch gegen den Pfarrer vorgegangen wurde, erscheint eine entsprechende Schlussfolgerung bei Wissen darum, dass die Namen und Personalien der Beteiligten den Klägern nicht bekannt waren, wesentlich ferner liegend. Deshalb durften hier diese Umstände, die eine Entlastung bewirken konnten , im Rahmen der konkreten Berichterstattung nicht verschwiegen werden.
21
Unstreitig sind den Klägern weder durch den Brief noch durch das vorausgegangene Telefonat die Namen des betroffenen Mädchens und des Pfarrers mitgeteilt worden. Das reicht unter den gegebenen Umständen für die Annahme einer bewusst unvollständigen Berichterstattung aus, weil der Beklagte nach den tatrichterlichen Feststellungen keinen Anhaltspunkt für eine Kenntnis der Kläger hatte, die unstreitig auch nicht vorhanden war.
22
f) Ist mithin diese bewusst unvollständige Berichterstattung der Verbreitung einer unwahren Tatsachenbehauptung gleichzustellen, greift der Grundsatz ein, dass an solchen Äußerungen kein berechtigtes Interesse besteht (vgl. BVerfGE 61, 1, 8 f.; 85, 1, 15); der Rechtfertigungsgrund des § 193 StGB steht dem Beklagten nicht zur Seite. Unter diesen Umständen kann dahinstehen, ob der Beklagte bei seinen Recherchen hinsichtlich der Frage der nachfolgenden Informationsmöglichkeiten der Kläger über Frau D. die publizistische Sorgfalt gewahrt hat oder nicht. Dem durch Art. 5 GG geschützten Anliegen des Beklagten , durch seine Berichterstattung aufzuzeigen, dass die Kläger von sich aus keinen Versuch unternommen hätten, mit dem betroffenen Mädchen in Kontakt zu treten oder die Identität des Pfarrers in Erfahrung zu bringen, wird durch die jetzige Tenorierung des Berufungsurteils ausreichend Rechnung getragen , die auch im übrigen nicht zu beanstanden ist.
Müller Wellner Diederichsen
Stöhr Zoll
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 11.06.1997 - 28 O 44/97 -
OLG Köln, Entscheidung vom 01.07.2004 - 15 U 126/97 -

Tenor

Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 03.07.2013  abgeändert:

Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Düsseldorf vom 23.04.2013 wird aufgehoben, und der Antrag auf ihren Erlass wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Verfügungskläger zu tragen. 


12345678910111213141516171819202122232425262728293031323334353637383940414243444546474849505152535455565758

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

Wer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, wird, wenn nicht diese Tatsache erweislich wahr ist, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Tadelnde Urteile über wissenschaftliche, künstlerische oder gewerbliche Leistungen, desgleichen Äußerungen oder Tathandlungen nach § 192a, welche zur Ausführung oder Verteidigung von Rechten oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen vorgenommen werden, sowie Vorhaltungen und Rügen der Vorgesetzten gegen ihre Untergebenen, dienstliche Anzeigen oder Urteile von seiten eines Beamten und ähnliche Fälle sind nur insofern strafbar, als das Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form der Äußerung oder aus den Umständen, unter welchen sie geschah, hervorgeht.

Wer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, wird, wenn nicht diese Tatsache erweislich wahr ist, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Tadelnde Urteile über wissenschaftliche, künstlerische oder gewerbliche Leistungen, desgleichen Äußerungen oder Tathandlungen nach § 192a, welche zur Ausführung oder Verteidigung von Rechten oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen vorgenommen werden, sowie Vorhaltungen und Rügen der Vorgesetzten gegen ihre Untergebenen, dienstliche Anzeigen oder Urteile von seiten eines Beamten und ähnliche Fälle sind nur insofern strafbar, als das Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form der Äußerung oder aus den Umständen, unter welchen sie geschah, hervorgeht.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie

1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist,
2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder
3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
Das Berufungsgericht kann die Glaubhaftmachung der Tatsachen verlangen, aus denen sich die Zulässigkeit der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel ergibt.

(1) Das Gericht kann die Wiedereröffnung einer Verhandlung, die geschlossen war, anordnen.

(2) Das Gericht hat die Wiedereröffnung insbesondere anzuordnen, wenn

1.
das Gericht einen entscheidungserheblichen und rügbaren Verfahrensfehler (§ 295), insbesondere eine Verletzung der Hinweis- und Aufklärungspflicht (§ 139) oder eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, feststellt,
2.
nachträglich Tatsachen vorgetragen und glaubhaft gemacht werden, die einen Wiederaufnahmegrund (§§ 579, 580) bilden, oder
3.
zwischen dem Schluss der mündlichen Verhandlung und dem Schluss der Beratung und Abstimmung (§§ 192 bis 197 des Gerichtsverfassungsgesetzes) ein Richter ausgeschieden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 274/04 Verkündet am:
15. November 2005
Böhringer-Mangold,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur Frage, wann eine objektiv unwahre Wortberichterstattung einen Unterlassungsanspruch
begründet.
BGH, Urteil vom 15. November 2005 - VI ZR 274/04 - OLG München
LG München I
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. November 2005 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter
Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen und die Richter Pauge und Zoll

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 13. Juli 2004 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger ist Rechtsanwalt und vertritt hauptsächlich Anleger, insbesondere Aktionäre, die sich durch Fehlinformationen vor wie nach dem Börsengang der jeweiligen Aktiengesellschaft geschädigt fühlen. Zur Zeit von Bemühungen des Gesetzgebers um einen verstärkten Anlegerschutz gab er "dpa" ein Interview, das in einen Artikel der Illustrierten "stern" eingeflossen ist.
2
Nach der Veröffentlichung des genannten Artikels im "stern" erschien im "Effecten-Spiegel" (künftig: ES) Nr. 20/03 vom 8. Mai 2003 ein Artikel mit der Überschrift "R.: Bislang hat in Deutschland kein Anleger Schadenersatz bekommen". Der Artikel lautete weiter: "ES warnte bereits x-fach vor sinnlosen Klagen. Bekanntlich hatte der ES schon x-fach Anleger davor gewarnt, sich von geldgierigen Anwälten in sinnlose Schadenersatzklagen hineinhetzen zu lassen. Man sollte nicht zusätzlich zu den erlittenen Kursverlusten gutes Geld schlechtem hinterherwerfen , wurde betont. Diese Einschätzung hat sich als treffend erwiesen. Nach einer Reihe von Skandalen am neuen Markt waren etliche Aktionäre vor Gericht gezogen. Doch sei es im Falle von EM.TV, sei es im Falle von ComROAD oder sei es Infomatec: Erfolg hatte kein einziger Kläger. Einer der Haupt-Initiatoren derartiger Schadenersatzklagen, Rechtsanwalt R., der rd. 500 EM.TV-Aktionäre vertritt, bestätigte jüngst sogar selbst gegenüber dem 'stern': Bislang hat in Deutschland kein Anleger Schadenersatz bekommen. Warum dann die ständigen Aufrufe an die geprellten Aktionäre , sich irgendwelchen Schadenersatzklagen anzuschließen? Anwaltliche Abzockerei? Oder was sonst?"
3
Die Beklagte ist Verlegerin des "ES".
4
Der Kläger hat von der Beklagten Unterlassung der beanstandeten Berichterstattung begehrt. Die Klage hatte vor dem Landgericht Erfolg, weil der Kläger sich dem "stern" gegenüber unstreitig nicht geäußert habe. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision will der Kläger eine Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen.

Entscheidungsgründe:

I.

5
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stehe ein Unterlassungsanspruch nicht schon aufgrund der unrichtigen Quellenangabe zu. Die Abweichung der mitgeteilten Tatsache, dass der Kläger sich gegenüber dem "stern" geäußert habe, von der Wahrheit, wonach die Äußerung gegenüber "dpa" erfolgt sei, sei unwesentlich. Auch unter Berücksichtigung des vom Kläger selbst zu definierenden sozialen Geltungsanspruchs liege eine wertneutrale Falschdarstellung durch die Beklagte vor. Der Kläger habe durch das Interview gegenüber der Presseagentur "dpa" bewusst in Kauf genommen, dass dieses nicht nur in von ihm geschätzten Presseerzeugnissen zitiert werde. Mit einer Übernahme durch den "stern" habe er rechnen müssen. Der Kläger habe durch die Wahl eines anderen Interview-Partners das Erscheinen in bestimmten Presseerzeugnissen sicherstellen können. Dass seitens der Beklagten vor Veröffentlichung keine Nachfrage beim "stern" hinsichtlich des Interview-Partners erfolgt sei, sei nicht als Nachlässigkeit zu werten. Der "stern" sei nicht für unzuverlässige Quellenrecherchen bekannt. Der Bericht im "stern" habe weitestgehend der "dpa"Vorlage entsprochen. Der Kläger habe das abgedruckte Zitat auch tatsächlich gegenüber "dpa" geäußert. Unter Berücksichtigung aller Umstände sei die Angabe der unrichtigen Zitatquelle im Bericht des "ES" nur eine völlig unbedeutende und wertneutrale Unrichtigkeit, die der Beklagten nicht zuzurechnen sei.
6
Der von der Beklagten veröffentlichte Text sei inhaltlich zwar nicht identisch , enthalte aber keine den Sinn verändernde Abweichung gegenüber dem von "dpa" bzw. "stern" übernommenen Text. Im Übrigen enthalte der Text Meinungsäußerungen , die als solche durch die Meinungsfreiheit bzw. die Pressefreiheit inhaltlich gedeckt seien.

II.

7
Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision im Ergebnis stand.
8
1. Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt der Revision, dass die beanstandete Äußerung insoweit unrichtig ist, als der Kläger sich nicht gegenüber dem "stern" geäußert hat. Das hat das Berufungsgericht jedoch nicht verkannt. Es bejaht diese Abweichung ausdrücklich.
9
a) Das Berufungsgericht hält die Abweichung zwischen der mitgeteilten Tatsache, dass der Kläger sich gegenüber dem "stern" geäußert habe, und der Wahrheit, wonach die Äußerung gegenüber "dpa" erfolgt ist, für unwesentlich. Demgegenüber meint die Revision, hierauf komme es nicht an, weil eine unwahre Tatsache jedenfalls nicht behauptet werden dürfe, wenn der Betroffene sich an der Falschmeldung störe, weil sie dem von ihm selbst zu definierenden sozialen Geltungsanspruch widerspreche. Dabei räumt die Revision ein, dass die Beklagte seinerzeit nicht etwa wider besseres Wissen verbreitet hat, der Kläger habe die Äußerung gegenüber dem "stern" abgegeben, sondern dass sie insoweit gutgläubig war. Deshalb ist zweifelhaft, ob dem geltend gemachten Unterlassungsanspruch nicht bereits der Gesichtspunkt fehlender Wiederholungsgefahr entgegensteht.
10
Abschließender Beurteilung bedarf dies jedoch nicht, weil es an anderen Voraussetzungen für einen solchen Anspruch fehlt. Insoweit berührt sich die Frage, ob die Abweichung ("stern") von der Wahrheit ("dpa") wesentlich ist, eng mit der Frage, ob der Kläger hierdurch in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt ist. Das hat das Berufungsgericht unter den Umständen des Streitfalls mit Recht verneint. Maßgeblich ist nämlich in einem solchen Fall, ob gerade die Abweichung von der Wahrheit den Betroffenen in seinem sozialen Geltungsanspruch beeinträchtigt. Vorliegend hätte es in dem beanstandeten Artikel korrekt heißen müssen, dass der Kläger das Zitat laut einer Mitteilung des "stern" selbst gegenüber "dpa" bestätigt habe. Wenn es demgegenüber heißt, dass er das Zitat selbst gegenüber dem "stern" bestätigt habe, berührt dies nicht den Inhalt der Äußerung des Klägers, sondern lediglich die Frage, wem gegenüber er sie abgegeben hat.
11
Die Auffassung des Berufungsgerichts, die nicht korrekte Berichterstattung in diesem Punkt sei nicht geeignet, den Kläger verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen (vgl. BVerfGE 54, 148, 157 - Eppler), ist aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Der Kläger hat nicht nachvollziehbar dargetan, weshalb die wahrheitswidrige Behauptung, er habe gegenüber "stern" eine Äußerung abgegeben, eine rechtswidrige Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstelle. Das aber wäre Voraussetzung für die Annahme eines Eingriffs in sein Persönlichkeitsrecht, ohne die ein Anspruch auf Unterlassung der Äußerung nicht besteht. Auch wenn grundsätzlich keine unwahren Tatsachen verbreitet werden dürfen, kommt es für die Frage eines Unterlassungsanspruchs darauf an, ob in einer solchen Berichterstattung inhaltlich eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Betroffenen liegt.
12
Zwar ist hierbei zu beachten, dass der von einer Äußerung Betroffene seinen sozialen Geltungsanspruch und damit auch dessen Verletzung selbst definiert (vgl. BVerfGE aaO - Eppler; 99, 185, 194 - Helnwein; Wenzel/Burkhardt , Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 5 Rdn. 77). Die Behauptung, der Kläger habe eine Äußerung gegenüber dem "stern" abgegeben , betrifft jedoch weder die Privat-, Geheim- oder Intimsphäre des Klägers noch enthält sie ohne nähere Darlegung des Betroffenen erkennbar eine Ehrkränkung oder sonst eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.
Auch das Verfügungsrecht des Klägers über die Darstellung der eigenen Person (vgl. BVerfGE 35, 202, 220 - Lebach) ist nicht betroffen. Die Revision kann auch keinen nachvollziehbaren Vortrag des Klägers vor dem Tatrichter dazu dartun, dass sein Bild in der Öffentlichkeit durch die Behauptung, er habe sich dem "stern" gegenüber geäußert, negativ beeinflusst worden wäre. Ohnehin reicht der Schutz des Betroffenen nicht soweit, dass er Anspruch darauf hätte, in der Öffentlichkeit nur so dargestellt zu werden, wie er sich selbst sieht oder von anderen gesehen werden möchte (vgl. BVerfGE 99, 194 - Helnwein), hier also als Anwalt, der gegenüber dem "stern" keine Äußerungen macht.
13
Dem beanstandeten Artikel ist - entgegen der Ansicht der Revision - nicht zu entnehmen, dass der Kläger dem "stern" ein Interview gegeben habe. Die behauptete Bestätigung gegenüber dem "stern" kann auch in anderer Weise - etwa auf telefonische Anfrage - erfolgt sein. Die Befürchtung der Revision, der eine oder andere Leser des "ES" werde aus der unwahren Tatsache einer Äußerung des Klägers gegenüber dem "stern" Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des Klägers ziehen und hierdurch werde dessen sozialer Geltungsanspruch beeinträchtigt, ist unter diesen Umständen eher fern liegend. Auch fehlt es an Vortrag des Klägers dazu, inwiefern sein Bild in der Öffentlichkeit durch die objektiv unwahre Behauptung überhaupt beeinträchtigt werde. Allein der Hinweis der Revision darauf, dass der Kläger den "stern" für ein "Boulevardblatt" halte, reicht hierfür nicht aus. Weiteren Vortrag des Klägers, wonach etwa seine Klientel gegen den "stern" eingestellt sei oder der Kläger in der Öffentlichkeit entschieden gegen den "stern" aufgetreten und damit eine Äußerung gegenüber diesem Blatt nicht in Einklang zu bringen wäre, zeigt die Revision nicht auf.
14
2. Die Revision hat auch keinen Erfolg, soweit sie einen Unterlassungsanspruch damit begründet, dass der streitgegenständliche Artikel das angebli- che Zitat in einen anderen Zusammenhang stelle als den, in dem es gefallen sei, und hierdurch dessen Sinn verzerre.
15
a) Der Zitierte hat allerdings einen Anspruch darauf, dass seine Aussage an seinem Selbstverständnis, also daran gemessen wird, wie und in welchem Kontext er die Äußerung gemacht hat, und nicht daran, wie ein Teil der Leser die Äußerung (miss-)verstehen könnte, solange das Zitat als eindeutige, einer Interpretation nicht bedürftige Erklärung des Zitierten ausgegeben wird (BVerfGE 54, 155 - Eppler; 54, 208, 217 - Böll; BVerfG, NJW 1993, 2925, 2926 - BKA-Präsident; Löffler/Steffen, Presserecht, 4. Aufl., § 6 LPG Rdn. 200). Dagegen verstößt das Falschzitat jedoch nicht.
16
b) Die Revision macht hierzu geltend, dass der Kläger den zitierten Satz "bislang hat in Deutschland kein Anleger Schadenersatz bekommen" anlässlich geplanter Gesetzesänderungen geäußert und einen vorläufigen Zwischenstand hinsichtlich bereits laufender Verfahren wiedergegeben habe. Er habe zum Ausdruck gebracht, dass einerseits klagende Anleger noch keinen endgültigen Erfolg gehabt hätten, andererseits die Verfahren noch nicht beendet seien. Demgegenüber werde die Äußerung in dem Artikel als Beleg dafür angeführt, dass "geldgierige Anwälte" Anleger "in sinnlose Schadenersatzklagen hineinhetzen" und "anwaltliche Abzockerei" betrieben. Damit erwecke sie den Eindruck , der Kläger habe gewissermaßen zugegeben, dass die Warnungen der Beklagten vor geldgierigen Anwälten und sinnlosen Schadensersatzprozessen berechtigt seien. Auch damit hat die Revision keinen Erfolg.
17
Das Verständnis des Berufungsgerichts von dem beanstandeten Artikel unterliegt zwar der Überprüfung durch das Revisionsgericht (vgl. Senatsurteile vom 28. Juni 1994 - VI ZR 252/93 - VersR 1994, 1120, 1121; vom 30. Mai 2000 - VI ZR 276/99 - VersR 2000, 1162, 1163 f. und vom 16. November 2004 - VI ZR 298/03 - VersR 2005, 277, 278), lässt aber keinen durchgreifenden Fehler erkennen. Die Feststellung des Berufungsgerichts, das Zitat sei zutreffend und unverändert wiedergegeben, entspricht dem Ergebnis der Beweisaufnahme und wird von der Revision nicht in Zweifel gezogen. Das Berufungsgericht hat auch den Zusammenhang, in dem die Äußerung des Klägers zitiert wird, nicht sinnwidrig entstellt. Es hat die Textpassagen, die sich mit dem Kläger befassen, als zulässige, wenn auch zugespitzte Meinungsäußerung in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage bewertet. Dem kann gefolgt werden, weil diese Meinungsäußerungen ("Abzockerei", "sinnlose Klagen", "geldgierige Anwälte" ) auch im Hinblick auf den Kläger keine bloße Diffamierung darstellen. Sie entbehren nicht des erforderlichen Sachbezugs im Rahmen der Berichterstattung der Beklagten über die bislang erfolglosen Massenklagen. Sie beinhalten - anders als in dem entsprechenden Artikel im "ES" Nr. 22/03 (vgl. dazu im Rechtsstreit zwischen den selben Parteien den Beschluss des erkennenden Senats vom 15. November 2005 - VI ZR 197/04 - zu OLG München, Urteil vom 18. Mai 2004 - 18 U 5717/03 -) - eine noch hinzunehmende Kritik und sind nicht als bloße Schmähkritik (vgl. Senatsurteil vom 16. November 2004 - VI ZR 298/03 - VersR 2005, 277, 279; BVerfG, NJW 2004, 590, 591) zu unterlassen.
18
3. Nach allem ist die Revision mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Müller Greiner Diederichsen
Pauge Zoll
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 17.12.2003 - 9 O 14936/03 -
OLG München, Entscheidung vom 13.07.2004 - 18 U 2505/04 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 19/08 Verkündet am:
22. September 2009
Holmes,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zum Schutz der Meinungsfreiheit bei kritischen Äußerungen über ein Unternehmen
und dessen Vorstandsvorsitzenden.
BGH, Urteil vom 22. September 2009 - VI ZR 19/08 - OLG Hamburg
LG Hamburg
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 22. September 2009 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter
Wellner, Pauge, Stöhr und die Richterin von Pentz

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 18. Dezember 2007 aufgehoben. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Hamburg vom 19. Januar 2007 abgeändert und die Klage abgewiesen. Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin zu 1 ist ein Großunternehmen. Der Kläger zu 2 war bis Ende 2005 Vorsitzender ihres Vorstands. Der Beklagte ist Aktionär der Klägerin zu 1 und Sprecher eines Aktionärsverbandes. Er hat sich wiederholt als Buchautor kritisch zu den Klägern geäußert.
2
Am 28. Juli 2005 meldete die Klägerin zu 1, ihr Aufsichtsrat habe beschlossen , dass der Kläger zu 2 zum 31. Dezember 2005 aus dem Unternehmen ausscheide. Am gleichen Tag wurde in der - auch in Hamburg zu empfan- genden - Fernsehsendung "SWR-Landesschau" ein mit dem Beklagten geführtes Interview ausgestrahlt, in dem dieser unter anderem folgende Äußerungen machte: "Frage: Was für viele ja den Rücktritt hier fast schon sympathisch macht, ist die Tatsache, dass er überhaupt keine Abfindungen annimmt, da er kein Geld möchte, obwohl er ja eigentlich vertraglich den Anspruch hätte. Gibt es da eine Erklärung? Antwort des Beklagten: Jetzt muss man mutmaßen, aber wenn Sie Herrn S. [den Kläger zu 2] kennen, da gibt es nun Fälle, wo ich denke, jemand will Millionen, man schätzt er hat zwischen 5 und 7 Millionen Euro pro Jahr verdient, er nun durchaus darauf Wert gelegt hat, dass man ja auch die Kleinigkeiten im Leben gezahlt hat, dann kann man nicht sagen, dass der S. unbedingt so orientiert ist, dass er gerne auf das Geld verzichtet. Es gibt meines Erachtens andere Dinge, die im Raume stehen und die jetzt geklärt werden müssen in den nächsten Monaten. Ich glaube nicht, dass der Rücktritt freiwillig war. Ich glaube, dass er dazu gedrängt und genötigt wurde. Aufsichtsratsbörse, Aktionäre, alle wichtigen Partner hat er nun verloren, die Rückendeckung verloren, und das muss damit zusammenhängen , dass die Geschäfte nicht immer so sauber waren, die Herr S. geregelt hat."
3
Das Landgericht hat dem Antrag der Kläger stattgegeben, folgende Äußerungen zu untersagen: "a) Ich glaube nicht, dass der Rücktritt (des Klägers zu 2 als Vorsitzender des Vorstands der Klägerin zu 1) freiwillig war. Ich glaube, dass er dazu gedrängt und genötigt wurde.
b) … und das muss damit zusammenhängen, dass die Geschäfte nicht immer so sauber waren, die Herr S. geregelt hat."
4
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts ist zurückgewiesen worden. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision begehrt der Beklagte weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe:

I.

5
Nach Auffassung des Berufungsgerichts stehen den Klägern die geltend gemachten Unterlassungsansprüche gemäß §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog zu, weil die Verbreitung der angegriffenen Äußerungen den Kläger zu 2 in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und die Klägerin zu 1 in ihrem Unternehmenspersönlichkeitsrecht verletze.
6
Entgegen der Auffassung des Landgerichts seien die Äußerungsteile "Ich glaube nicht, dass der Rücktritt … freiwillig war. Ich glaube, dass er dazu gedrängt und genötigt wurde." als Tatsachenbehauptungen einzuordnen. Die einleitenden Worte "Ich glaube nicht, …" und "Ich glaube, …" verliehen der Äußerung nicht den Charakter einer Bewertung. In Betracht käme deshalb allenfalls eine Einordnung der Äußerungen als - zulässige - Verdachtsäußerungen. Jedoch seien die insoweit zu stellenden Anforderungen nicht erfüllt. Es sei davon auszugehen, dass die beanstandeten Behauptungen unwahr seien, weil der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte weder dargetan noch Beweis dafür angetreten habe, dass der Kläger zu 2 nicht freiwillig den Rücktritt erklärt habe und dass er dazu gedrängt oder genötigt worden sei.
7
Die Äußerung "… und das muss damit zusammenhängen, dass die Geschäfte nicht immer so sauber waren, die Herr S. geregelt hat." habe das Landgericht zu Recht als Meinungsäußerung eingestuft, aber als unzulässige Schmähkritik untersagt. Der Beklagte habe für seine Kritik keine Anknüpfungspunkte dargelegt. In einem solchen Fall müsse, da die Aussage - weil jeder tatsächlichen Grundlage entbehrend - nur der Kränkung und Demütigung der Kläger zu dienen bestimmt gewesen sei, die Meinungsfreiheit hinter dem Schutz der Persönlichkeit der Kläger zurücktreten.
8
Der Beklagte könne sich zur Rechtfertigung seiner Äußerungen auch nicht darauf berufen, dass er Presseberichte guten Glaubens aufgegriffen habe. Hinsichtlich seiner Behauptung, er glaube, dass der Kläger zu 2 nicht freiwillig zurückgetreten sei, fehle es an Presseberichten zum Zeitpunkt seiner Äußerungen , weil solche erst an den Tagen nach dem Interview veröffentlicht worden seien. Zudem habe der Beklagte eine Biografie über den Kläger zu 2 verfasst und sei deshalb keine unkundige Person gewesen. Hinsichtlich seiner Kritik, die Geschäfte des Klägers zu 2 seien "nicht immer so sauber" gewesen, enthielten die vorgelegten Presseberichte keine Fakten.

II.

9
Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht stand.
10
Diese rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht die Ausführungen des Beklagten zu Unrecht teilweise als Tatsachenbehauptungen eingestuft sowie die Anforderungen an das Vorliegen einer Schmähkritik verkannt hat. Deshalb hat es die gebotene Abwägung zwischen dem Recht des Beklagten auf freie Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG und dem Recht der persönlichen Ehre und auf öffentliches Ansehen der Kläger, zu dessen Wahrung auch juristische Personen Ehrenschutz in Anspruch nehmen können (vgl. Senatsurteile vom 16. November 2004 - VI ZR 298/03 - VersR 2005, 277, 279 m.w.N.; vom 3. Februar 2009 - VI ZR 36/07 - VersR 2009, 555 Rn. 10), nicht vorgenommen.
11
1. a) Für die Beurteilung der Frage, ob eine Äußerung als Tatsachenbehauptung oder Meinungsäußerung bzw. Werturteil einzustufen ist, bedarf es nach ständiger Rechtsprechung der Ermittlung des vollständigen Aussagegehalts. Insbesondere ist jede beanstandete Äußerung in dem Gesamtzusammenhang zu beurteilen, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (Senatsurteile BGHZ 132, 13, 21; vom 28. Juni 1994 - VI ZR 252/93 - VersR 1994, 1120, 1121; vom 16. November 2004 - VI ZR 298/03 - aaO; vom 3. Februar 2009 - VI ZR 36/07 - aaO, Rn. 11). So dürfen aus einer komplexen Äußerung nicht Sätze oder Satzteile mit tatsächlichem Gehalt herausgegriffen und als unrichtige Tatsachenbehauptung untersagt werden, wenn die Äußerung nach ihrem - zu würdigenden - Gesamtzusammenhang in den Schutzbereich des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung gemäß Art. 5 Abs. 1 GG fallen kann und in diesem Fall eine Abwägung zwischen den verletzten Grundrechtspositionen erforderlich wird (vgl. Senatsurteile vom 25. März 1997 - VI ZR 102/96 - VersR 1997, 842, 843; vom 16. November 2004 - VI ZR 298/03 - aaO; vom 2. Dezember 2008 - VI ZR 219/06 - VersR 2009, 365 Rn. 12; vom 3. Februar 2009 - VI ZR 36/07 - aaO). Dabei ist zu beachten, dass sich der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG auch auf die Äußerung von Tatsachen erstreckt , soweit sie Dritten zur Meinungsbildung dienen können, sowie auf Äußerungen , in denen sich Tatsachen und Meinungen vermengen und die insgesamt durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt werden (vgl. Senatsurteile vom 5. Dezember 2006 - VI ZR 45/05 - VersR 2007, 249, 250; vom 11. März 2008 - VI ZR 189/06 - VersR 2008, 695 Rn. 12; vom 22. April 2008 - VI ZR 83/07 - VersR 2008, 971 Rn. 16; vom 3. Februar 2009 - VI ZR 36/07 - aaO).
12
b) Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht bei der Ermittlung des Aussagegehalts nicht beachtet, was revisionsrechtlich in vollem Umfang zur Überprüfung steht (vgl. Senatsurteile vom 22. November 2005 - VI ZR 204/04 - VersR 2006, 382 m.w.N.; vom 11. März 2008 - VI ZR 189/06 - aaO, Rn. 11; vom 3. Februar 2009 - VI ZR 36/07 - aaO, Rn. 12). Entgegen seiner Auffassung sind auch die von ihm als Tatsachenbehauptungen eingestuften Äußerungsteile dem Schutz des Art. 5 GG zu unterstellen, weil es sich bei Berücksichtigung des Gesamtkontextes um Äußerungen handelt, die insgesamt durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt werden.
13
aa) Es ist zwar richtig, dass sich alleine aus den einleitenden Worten "Ich glaube nicht, …" bzw. "Ich glaube, …" nicht der Charakter einer Bewertung ergibt , die dem Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG unterliegt. Solche Formulierungen stehen ebenso wie die Formulierungen "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" , "sollen angeblich", "ich meine, dass" oder "offenbar" der Qualifizierung als Tatsachenbehauptungen nicht prinzipiell entgegen. Der Ansehensschutz würde leerlaufen, wenn es der Äußernde in der Hand hätte, allein durch solche Einschübe aus seinen Tatsachenbehauptungen zivilrechtlich weniger angreifbare Meinungsäußerungen zu machen (vgl. Senatsurteil vom 22. April 2008 - VI ZR 83/07 - VersR 2008, 971 Rn. 18 m.w.N.).
14
bb) Aus dem Gesamtzusammenhang des Interviews, in dem die streitigen Äußerungen gefallen sind, ergibt sich aber, dass es sich insgesamt um Äußerungen handelt, die dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG zu unterstellen sind. In dem Interview hat der Beklagte nicht nur durch die Worte "ich glaube" deutlich gemacht, dass er auf die Frage des Reporters nur seine Meinung zu dem Vorfall kundgeben wolle. Vielmehr hat er bereits am Anfang seiner Antwort klargestellt, dass er "mutmaßen" müsse. Zudem hat er darauf hingewiesen, dass Dinge im Raum stünden, die "in den nächsten Monaten" geklärt werden müssten. Er hat die Entwicklung des Unternehmens während der Vorstandstätigkeit des Klägers zu 2 als Grundlage genommen, diesen zu charakterisieren.
Hierzu zieht er auch dessen Visionen und die Art und Weise heran, wie dieser sich an die Spitze des Konzerns gekämpft und dort gehalten habe. Auf die Frage des Journalisten, ob er eine Erklärung dafür habe, dass der Kläger zu 2 ohne Abfindung aus dem Unternehmen ausgeschieden sei, folgt dann die Antwort, von der die Instanzgerichte Äußerungsteile untersagt haben und die das Berufungsgericht teilweise als Tatsachenbehauptung eingestuft hat. Aufgrund dieses Gesamtzusammenhangs wird seine Äußerung jedoch insgesamt durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt und ist mithin insgesamt grundsätzlich dem Schutz des Grundrechts aus Art. 5 GG zu unterstellen.
15
2. Dies gilt - wie von den Instanzgerichten zutreffend angenommen - auch hinsichtlich des im Tenor unter b) untersagten Äußerungsteils, "… dass die Geschäfte nicht immer so sauber waren". Die Beurteilung eines Vorgangs anhand rechtlicher oder sittlicher Maßstäbe wird nicht anders als die Äußerung von Rechtsmeinungen grundsätzlich als eine ganz überwiegend auf Wertung beruhende subjektive Beurteilung des Äußernden angesehen. Dies gilt in der Regel selbst für Fallgestaltungen, in denen ein Vorgang als strafrechtlich relevanter Tatbestand eingestuft wird (vgl. Senatsurteile vom 22. Juni 1982 - VI ZR 251/80 - VersR 1982, 904, 905 und - VI ZR 255/80 - VersR 1982, 906, 907; vom 3. Februar 2009 - VI ZR 36/07 - aaO, Rn. 15). Der hier verwendete wertende Begriff "sauber" ist derart substanzarm, dass sich ihm eine konkret greifbare Tatsache nicht entnehmen lässt (vgl. Senatsurteil vom 11. März 2008 - VI ZR 7/07 - VersR 2008 Rn. 14).
16
3. Um die Zulässigkeit der angegriffenen Äußerungen zu beurteilen, sind mithin hinsichtlich der beiden untersagten Äußerungsteile grundsätzlich die betroffenen Interessen gegeneinander abzuwägen, wobei alle wesentlichen Umstände und die betroffenen Grundrechte interpretationsleitend zu berücksichti- gen sind (vgl. Senatsurteile vom 11. März 2008 - VI ZR 189/06 - VersR 2008, 695 Rn. 13; vom 3. Februar 2009 - VI ZR 36/07 - aaO, Rn. 17, jeweils m.w.N.). Diese Abwägung hat das Berufungsgericht nicht vorgenommen, weil es den unter a) untersagten Äußerungsteil als Tatsachenbehauptung eingestuft und deshalb dem Beklagten die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Wahrheit seiner Aussage auferlegt und in dem unter b) untersagten Äußerungsteil eine unzulässige Schmähkritik gesehen hat. Entgegen dieser Auffassung ist jedoch eine Abwägung erforderlich, weil beide Äußerungsteile vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG erfasst werden und keine unzulässige Schmähkritik vorliegt.
17
a) An die Bewertung einer Äußerung als Schmähkritik sind strenge Maßstäbe anzulegen, weil andernfalls eine umstrittene Äußerung ohne Abwägung dem Schutz der Meinungsfreiheit entzogen und diese damit in unzulässiger Weise verkürzt würde (vgl. Senatsurteile BGHZ 143, 199, 209; vom 11. März 2008 - VI ZR 189/06 - aaO, Rn. 15; vom 3. Februar 2009 - VI ZR 36/07 - aaO, Rn. 18 m.w.N.). Erst wenn bei einer Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Herabsetzung der Person im Vordergrund steht, die jenseits polemischer und überspitzter Kritik herabgesetzt und gleichsam an den Pranger gestellt werden soll, nimmt die Äußerung den Charakter einer unzulässigen Schmähung an (vgl. Senatsurteile BGHZ 143, 199, 209; vom 5. Dezember 2006 - VI ZR 45/05 - VersR 2007, 249, 251; vom 11. Dezember 2007 - VI ZR 14/07 - VersR 2008, 357 Rn. 22; vom 11. März 2008 - VI ZR 189/96 - aaO; vom 3. Februar 2009 - VI ZR 36/07 - aaO).
18
b) Im Streitfall ist hinsichtlich beider Äußerungsteile ein sachlicher Bezug anzunehmen.
19
Der Rücktritt des Klägers zu 2 und die Frage, ob dieser freiwillig zurückgetreten ist, waren von großem öffentlichem Interesse. Dies zeigt nicht nur der Umstand, dass sich die SWR-Landesschau am Tag des Rücktritts mit dieser Frage beschäftigte, sondern ergibt sich auch aus den vom Beklagten vorgelegten Presseberichten, die an den Tagen nach dem Interview veröffentlicht wurden. Der Beklagte hat sich mithin zu einem Sachthema von erheblichem öffentlichem Interesse geäußert, wobei nicht die Herabsetzung der Person des Klägers zu 2 im Vordergrund stand.
20
Eine Herabsetzung des Klägers zu 2, in einer Weise, dass dieser gleichsam an den Pranger gestellt werden soll, ergibt sich auch nicht aus dem zweiten angegriffenen Äußerungsteil. Die Formulierung "das muss damit zusammenhängen , dass die Geschäfte nicht immer so sauber waren, die Herr S. geregelt hat" stellt keine Formalbeleidigung dar. Die Formulierung ist nicht mit dem Vorwurf illegaler Geschäfte gleichzusetzen, sondern als weiter gefasster Vorwurf missbilligenswerter Geschäftspraktiken zu verstehen, wie das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend angenommen hat. Diese Bewertung hat der Beklagte nicht isoliert vorgenommen, sondern im Zusammenhang mit dem Umstand , dass der Kläger zu 2 vorzeitig ohne eine Abfindung zurückgetreten ist. Da dies aus Sicht des Beklagten mit der Persönlichkeitsstruktur des Klägers zu 2 nicht in Einklang zu bringen ist, zog er die angegriffenen Schlussfolgerungen. Vor diesem Hintergrund kann der Äußerung des Beklagten ein Sachbezug nicht abgesprochen werden.
21
4. Bei der hiernach gebotenen Abwägung fällt zugunsten der Kläger ins Gewicht, dass die beanstandeten Äußerungen geeignet sind, sie in ihrem öffentlichen Ansehen zu beeinträchtigen und möglicherweise auch ihre geschäftliche Tätigkeit zu erschweren. Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass der verwendete Begriff "sauber" ein bloß pauschales Urteil enthält, bei dem der tat- sächliche Gehalt gegenüber der Wertung zurücktritt und die Abwägung nicht beeinflusst (vgl. Senatsurteil vom 11. März 2008 - VI ZR 7/07 - aaO; BVerfGE 61, 1, 9 f.; BVerfG NJW-RR 2004, 1710, 1711). Zudem ist zugunsten der Meinungsfreiheit des Beklagten zu beachten, dass an der Bewertung der Geschäftstätigkeit des Vorstandsvorsitzenden eines deutschen Großunternehmens und dessen vorzeitigem Rücktritt ein großes öffentliches Interesse besteht und es sich um eine Berichterstattung über die berufliche Sphäre bzw. einen Vorgang im Wirtschaftsleben handelt. Dabei muss ein solches Unternehmen eine genaue Beobachtung seiner Handlungsweise in der Öffentlichkeit hinnehmen. Deshalb sind die Grenzen zulässiger Kritik ihm gegenüber ebenso wie gegenüber ihren Führungskräften weiter gezogen (vgl. Senatsurteile vom 29. Januar 2002 - VI ZR 20/01 - VersR 2002, 445, 446; vom 16. November 2004 - VI ZR 298/03 - aaO; vom 21. November 2006 - VI ZR 259/05 - VersR 2007, 511, 512; EGMR NJW 2006, 1255, 1259 Rn. 94 - Steel und Morris/ Vereinigtes Königreich sowie 1994, Serie A, Bd. 294-B, Nr. 75 - Fayed/ Vereinigtes Königreich).
22
Es ist allgemein bekannt und lässt sich den vorgelegten Presseberichten entnehmen, dass der Kläger zu 2 aufgrund seiner Geschäftstätigkeit in der Öffentlichkeit sehr kritisiert worden ist. In diesem Zusammenhang hat der Beklagte darauf hingewiesen, dass während der Leitung des Unternehmens durch den Kläger zu 2 ein Börsenwertverlust in Höhe von 35 Mrd. € sowie eine Drittelung des Aktienkurses eingetreten und zahlreiche Mitarbeiter entlassen worden seien. Da die Kläger keine Begründung für das Ausscheiden gegeben haben und der Kläger zu 2 auch keine Abfindung erhalten hat, war der Weg für Spekulationen über die Gründe des Rücktritts eröffnet. Bei der gebotenen Gesamtabwägung aller Umstände stellen sich die Äußerungen des Beklagten in einem Interview am Tage des Rücktritts - auch unter Berücksichtigung seiner Vorkenntnisse über das Unternehmen und einen möglicherweise bevorstehenden Rücktritt des Klägers zu 2 - mithin als noch zulässig und damit nicht als rechtswidrig dar. Wollte man in einem solchen Fall eine Äußerung der vorliegenden Art unterbinden , wäre eine spontane öffentliche Diskussion aktueller Ereignisse von besonderem Öffentlichkeitsinteresse - auch unter Würdigung des Persönlichkeitsrechts der Betroffenen - in einer mit Art. 5 Abs. 1 GG nicht zu vereinbarenden Weise erschwert.
23
5. Da die zu beurteilenden Tatsachen feststehen und somit eine weitere Sachaufklärung nicht erforderlich ist, kann der Senat aufgrund seiner eigenen Abwägung abschließend entscheiden. Die Klage ist daher mit der Kostenfolge der §§ 91, 100 Abs. 1 ZPO abzuweisen. Galke Wellner Pauge Stöhr von Pentz
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 19.01.2007 - 324 O 283/06 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 18.12.2007 - 7 U 18/07 -

(1) Der Zeuge, der das Zeugnis verweigert, hat vor dem zu seiner Vernehmung bestimmten Termin schriftlich oder zum Protokoll der Geschäftsstelle oder in diesem Termin die Tatsachen, auf die er die Weigerung gründet, anzugeben und glaubhaft zu machen.

(2) Zur Glaubhaftmachung genügt in den Fällen des § 383 Nr. 4, 6 die mit Berufung auf einen geleisteten Diensteid abgegebene Versicherung.

(3) Hat der Zeuge seine Weigerung schriftlich oder zum Protokoll der Geschäftsstelle erklärt, so ist er nicht verpflichtet, in dem zu seiner Vernehmung bestimmten Termin zu erscheinen.

(4) Von dem Eingang einer Erklärung des Zeugen oder von der Aufnahme einer solchen zum Protokoll hat die Geschäftsstelle die Parteien zu benachrichtigen.

(1) Über die Rechtmäßigkeit der Weigerung wird von dem Prozessgericht nach Anhörung der Parteien entschieden.

(2) Der Zeuge ist nicht verpflichtet, sich durch einen Anwalt vertreten zu lassen.

(3) Gegen das Zwischenurteil findet sofortige Beschwerde statt.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.