Oberlandesgericht Köln Urteil, 21. Okt. 2014 - 15 U 56/14
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 19.2.2014 (28 O 433/12) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung von Ordnungsgeld bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, zu unterlassen, in Bezug auf den Kläger zu veröffentlichen oder sonst zu verbreiten,
„bis er nach einem ärztlichen Test belehrt wurde, dass er nicht zeugungsfähig sei“
wenn dies geschieht wie auf „X.de“ in dem nachfolgend wiedergegebenen Artikel vom 13.9.2010 unter der Überschrift „Der nette Wettermann und die SM-Spiele mit Peitsche“.
(Bild/Grafik nur in Originalentscheidung ersichtlich)
Die Beklagte wird weiter verurteilt, den Kläger von der Forderung der Höcker Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft für die außergerichtliche Rechtsverfolgung in Höhe von 399,72 Euro freizustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen die Beklagte zu ¼ und der Kläger zu ¾.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, hinsichtlich der Hauptsache gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000 Euro, im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Gründe:
2I.
3Die Parteien streiten um die Zulässigkeit einer Wortberichterstattung.
4Der Kläger ist ein bekannter Wettermoderator und moderierte u.a. die von ihm produzierte Sendung „Das Wetter im Ersten“. Ab Frühjahr 2010 wurde gegen ihn wegen des Verdachts der Vergewaltigung ermittelt. Vom 20.3.2010 bis zum 29.7.2010 befand sich der Kläger in Untersuchungshaft. Die Hauptverhandlung vor dem Landgericht Mannheim begann am 6.9.2010. Am 31.5.2011 wurde der Kläger vom Vorwurf der schweren Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil von Claudia Dinkel freigesprochen. Das Urteil ist seit dem 7.10.2011 rechtskräftig. Im Ermittlungs- und Strafverfahren stellte sich heraus, dass der Kläger gleichzeitig intime Beziehungen zu mehreren Frauen unterhalten hatte, ohne dass diese voneinander wussten. Die gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe fanden in der Öffentlichkeit große Beachtung und waren Gegenstand zahlreicher Veröffentlichungen in verschiedenen Medien.
5Nachdem der Kläger in der Hauptverhandlung von seinem Recht zum Schweigen Gebrauch gemacht hatte, wurde am 13.9.2010 das Protokoll der Vernehmung des Klägers durch den Ermittlungsrichter mit seiner Einlassung zu den Geschehnissen in der Tatnacht verlesen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Am selben Tage veröffentlichte die Beklagte auf der von ihr betriebenen Internetseite www.X.de den streitgegenständlichen Artikel unter der Überschrift „Der nette Wettermann und die SM-Spiele mit Peitsche“ (Anlage K 2). Darin heißt es unter anderem:
6„Der nette Wettermann und die SM-Spiele mit Peitsche“, „Er habe zwei Kinder, hatte er bei seiner Vernehmung dem Amtsrichter erklärt, und er dachte lange, es seien die eigenen – bis er nach einem ärztlichen Test belehrt wurde, dass er nicht zeugungsfähig sei“, „Im Schlafzimmer, nackt oder dürftig bekleidet, lag seine Geliebte schon bereit zum Sex, gern auch mal mit Handschelle oder bereit gelegter Reitpeitsche“, „Das Kuschelbärchen aus den Schweizer Bergen soll dunkle Triebe mit SM-Spielchen und multiplen Liebschaften ausgelebt haben?“.
7Der Kläger mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 19.04.2011 ab und beantragte den Erlass einer einstweiligen Verfügung beim Landgericht Köln, die am 16.5.2011 antragsgemäß erlassen wurde. Soweit durch diese einstweilige Verfügung der Beklagten aufgegeben wurde, es zu unterlassen, über den Kläger zu veröffentlichen oder sonst zu verbreiten
8„Er habe zwei Kinder, hatte er bei seiner Vernehmung dem Amtsrichter erklärt, und er dachte lange, es seien die eigenen“,
9hat der Kläger mit Schreiben vom 9.6.2011 auf die Rechte aus der einstweiligen Verfügung verzichtet.
10Im vorliegenden Hauptsacheverfahren auf Unterlassung und Freistellung von den außergerichtlichen Anwaltskosten hat der Kläger die Ansicht vertreten, er werde durch die Mitteilung von Einzelheiten aus seinem Intim-und Sexualleben durch die Beklagte in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt. Die angegriffenen Äußerungen über sadomasochistische sexuelle Handlungen griffen in seine absolut geschützte Intimsphäre ein. Darüber hinaus bestünde hinsichtlich dieser Einzelheiten auch kein öffentliches Berichterstattungsinteresse im Hinblick auf das Strafverfahren. Soweit er bzw. sein damaliger Verteidiger während des Strafverfahrens Einzelheiten aus der Ermittlungsakte an ausgewählte Pressevertreter mitgeteilt hätten, sei dies unter der Prämisse der Vertraulichkeit geschehen und nicht zur ungenehmigten Weiterverbreitung mitgeteilt worden. Auch die Mitteilung von Details seines Gesundheitszustandes (Zeugungsunfähigkeit) sei unzulässig, weil dadurch neben seinem Persönlichkeitsrecht auch die verfassungsrechtlich geschützte Eltern-Kind-Beziehung zu seinen Söhnen betroffen sei.
11Die Beklagte hat demgegenüber geltend gemacht, der streitgegenständliche Artikel enthalte lediglich Äußerungen, die in der im Hauptverhandlungstermin vom 13.9.2010 verlesenen Einlassung des Klägers enthalten seien. Darüber hinaus hätten der Kläger bzw. sein Strafverteidiger den Medien bewusst Einzelheiten aus der Ermittlungsakte mitgeteilt, um so die öffentliche Meinung in ihrem Sinne zu beeinflussen. Alle im streitgegenständlichen Beitrag wiedergegebenen Details wiesen einen Bezug zur Tat auf, weil sie bei der Frage der Glaubwürdigkeit des Klägers, den Feststellungen zu den Geschehnissen in der Tatnacht sowie bei der Frage einer möglichen Tatneigung des Klägers von Belang seien. Schon bei Verlesung der Einlassung des Klägers am 13.9.2010, spätestens aber bei Erhebung der vorliegenden Klage seien die streitgegenständlichen Äußerungen allgemein bekannt gewesen. Darüber hinaus bestehe ein öffentliches Berichterstattungsinteresse, weil die Angaben einen unmittelbaren Bezug zum Strafverfahren gegen den Kläger aufwiesen. Da die Einlassung in öffentlicher Verhandlung verlesen worden sei und der Kläger keinen Ausschluss der Öffentlichkeit beantragt habe, seien die teilnehmenden Medien berechtigt, über diesen Vorgang in der mündlichen Verhandlung wahrheitsgemäß zu berichten.
12Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes, des erstinstanzlichen Vortrages der Parteien sowie der gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
13Mit Urteil vom 19.2.2014 hat die Kammer die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Eingriff in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers durch die Beklagte sei nicht rechtswidrig. Angesichts des im Zeitpunkt der Berichterstattung eingeleiteten Hauptverfahrens gegen den Kläger wegen des Vorwurfs der schweren Vergewaltigung und gefährlichen Körperverletzung sowie seiner Prominenz sei ein öffentliches Interesse an der individualisierenden Berichterstattung gegeben, so dass – obwohl Details der sexuellen Betätigungen des Klägers sowie das Ergebnis einer medizinischen Untersuchung über seine Zeugungsfähigkeit Gegenstand der Berichterstattung gewesen seien – der absolut geschützte Kernbereich seines Persönlichkeitsrechts nicht betroffen sei. Eine Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Klägers einerseits und dem Recht der Beklagten auf Pressefreiheit bzw. dem Informationsinteresse andererseits führe zu dem Ergebnis, dass das Berichterstattungsinteresse der Beklagten höher zu bewerten sei, denn nach Verlesung des Protokolls über seine haftrichterliche Vernehmung in der öffentlichen Hauptverhandlung sei eine aktuelle Prozessberichterstattung unter Einbeziehung der beanstandeten Äußerungen zulässig. Es handele sich um eine aktuelle Gerichtsberichterstattung, da sich die streitgegenständlichen Äußerungen in einem Artikel befänden, der am Tage der Hauptverhandlung vom 13.9.2010, in welcher die Verlesung der Aussage des Klägers stattfand, erschienen sei. Die Beklagte sei angesichts der gemeinschaftswichtigen Bedeutung der Gerichtsberichterstattung berechtigt, objektiv und sachlich über alle Gerichtsverfahren zu berichten. Da die Medienöffentlichkeit ein aliud gegenüber der Saalöffentlichkeit sei, müsse dem Interesse der unbegrenzten Öffentlichkeit das Persönlichkeitsrecht der Verfahrensbeteiligten und ihr Anspruch auf ein faires Verfahren gegenübergestellt werden. Diesen Anforderungen genügten die streitgegenständlichen Äußerungen.
14Mit der Berufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Anträge in vollem Umfang weiter. Er macht geltend, das Landgericht habe zu Unrecht einen Straftatbezug der streitgegenständlichen Äußerungen bejaht und sei deshalb in eine Abwägung eingetreten, die nicht habe stattfinden dürfen. Ein Ausnahmefall, wonach eine Berichterstattung über Umstände aus der Intimsphäre zulässig sei, sei vorliegend nicht gegeben, weil die beanstandeten Äußerungen nicht in unmittelbarer Beziehung zur Tat stünden, keine Aufschlüsse über Motive oder andere Tatvoraussetzungen gäben und für die Bewertung der Schuld des Klägers auch nicht wesentlich erschienen. Vielmehr dienten die Angaben zur Zeugungsunfähigkeit des Klägers und zu seinen sexuellen Vorlieben lediglich zur Befriedigung der Sensationslust der Nutzer. Die Entscheidung des BGH vom 19.3.2013 (VI ZR 93/12) sei auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, da die Beklagte mit den streitgegenständlichen Äußerungen keine Gerichtsberichterstattung im Sinne einer nüchternen und objektiven Darstellung des Prozesstages vornehme, sondern vielmehr mit „süffisanten Seitenhieben“ und „herablassenden rhetorischen Fragen“ arbeite. Daneben sei das Landgericht rechtsfehlerhaft der vom BGH aufgestellten Prämisse gefolgt, dass alles, was in einer Hauptverhandlung geäußert wurde, im Rahmen einer aktuellen Gerichtsberichterstattung mitgeteilt werden dürfe. Die darin liegende faktische Gleichsetzung von Saal- und Medienöffentlichkeit verletze den Kläger in seinem Persönlichkeitsrecht.
15Der Kläger beantragt,
16unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Köln vom 19.2.2014 (28 O 433/12) die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung von Ordnungsgeld bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren zu unterlassen, in Bezug auf den Kläger zu veröffentlichen oder sonst zu verbreiten,
17a. Der nette Wettermann und die SM-Spiele mit Peitsche
18und/oder
19b. bis er nach einem ärztlichem Test belehrt wurde, dass er nicht zeugungsfähig sei
20und/oder
21c. zu den üblichen sexuellen Handlungen zwischen der Anzeigenerstatterin und dem Kläger habe der Gebrauch von Handschellen und/oder Reitgerte gehört, wie nachstehend wiedergegeben:
22(…) gern auch mal mit Handschelle oder bereit gelegter Reitpeitsche.
23und/oder
24d. Das Kuschelbärchen aus den Schweizer Bergen soll dunkle Triebe mit SM-Spielchen und multiplen Liebschaften ausgelebt haben?
25wenn dies geschieht wie auf „X.de“ im Artikel vom 13.9.2010 unter der Überschrift „Der nette Wettermann und die SM-Spiele mit Peitsche“.
26Die Beklagte weiter zu verurteilen, den Kläger von der Forderung der I Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft für die außergerichtliche Rechtsverfolgung in Höhe von 606,30 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.
27Die Beklagte beantragt,
28die Berufung zurückzuweisen.
29Sie vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und verteidigt die angefochtene Entscheidung.
30II.
31Die Berufung des Klägers ist teilweise begründet und führt in diesem Umfang zur Abänderung des erstinstanzlichen Urteils, da ihm hinsichtlich der Wiedergabe von Details über seine Zeugungsfähigkeit ein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG sowie ein entsprechender Anspruch auf Freistellung von den außergerichtlichen Anwaltskosten zusteht. Die weitergehende Berufung des Klägers ist dagegen unbegründet.
32Im Einzelnen:
331. Die vom Kläger beanstandeten Äußerungen im streitgegenständlichen Beitrag der Beklagten betreffen die Intimsphäre des Klägers, da es um seinen Gesundheitszustand (Angabe über Zeugungsfähigkeit) sowie sein Sexualleben (Aussagen über Verwendung von Handschellen bzw. Reitgerte und Vorliegen von „SM-Spielchen“ sowie multiplen Liebschaften) geht. Ist damit zunächst der Kernbereich privater Lebensgestaltung berührt, in dem eine öffentliche Erörterung unzulässig ist, gilt dies im vorliegenden Fall allerdings nicht ausnahmslos: Der Bereich der Sexualität kann von dem gegenüber einer Berichterstattung in den Medien unter dem Gesichtspunkt der Menschenwürde absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung ausgenommen sein, wenn eine Sexualstraftat als Ausdrucksform der Sexualität eines Menschen im Raume steht. Die aktuelle Berichterstattung über eine solche Straftat rechtfertigt unter dem Gesichtspunkt des Informationsinteresses nicht allein die identifizierende Veröffentlichung des Tatvorwurfs, sondern unter Umständen auch Berichte über das persönliche Leben des Täters, wenn der Inhalt der Berichte in einer unmittelbaren Beziehung zur Tat steht, Aufschlüsse über Motive oder andere Tatvoraussetzungen gibt und für die Bewertung der Schuld wesentlich erscheint (BVerfG, Beschl. v. 10.6.2009 – 1 BvR 1107/09, NJW 2009, 3357). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind die im Beitrag der Beklagten enthaltenen Informationen nicht sämtlich der Intimsphäre des Klägers zuzuordnen:
34a. Dass zu den Ausdrucksformen der Sexualität des Klägers (auch) die Benutzung von Handschellen und Reitpeitsche und damit – wie von der Beklagten in pointierter Form ausgedrückt – die Durchführung von „SM-Spielen/Spielchen“ gehörte, ist für die Würdigung der Einlassung des Klägers zum Tatgeschehen bzw. die Beurteilung seiner Glaubwürdigkeit von Bedeutung, so dass ein hinreichender Tatbezug zu bejahen ist (vgl. BGH, Urt. v. 19.3.2013 – VI ZR 93/12) und die betreffende Äußerung der Beklagten daher nicht mehr die Intimsphäre des Klägers betrifft.
35b. Gleiches gilt für die Wiedergabe des Umstandes, dass der Kläger mit einer Vielzahl von Frauen sexuell verkehrte („multiple Liebschaften“). Zwar betrifft auch diese Angabe zunächst die Intimsphäre des Klägers, da es sich um eine Ausdrucksform seiner Sexualität handelt. Sie weist jedoch – unabhängig von dem Umstand, dass es keine Tatbestandsvoraussetzung der angeklagten Vergewaltigung ist, ob der Kläger vor, nach oder zeitgleich mit seinem Verhältnis zur Nebenklägerin noch Verhältnisse mit weiteren Frauen gehabt hat – einen hinreichenden Bezug zu dem Strafverfahren auf, über deren Verlauf die Beklagte in dem streitgegenständlichen Beitrag berichtete. Denn der damalige Verteidiger des Klägers selbst hat – was auch der Kläger nicht in Abrede stellt – im Verlauf des Strafverfahrens die zuständige Strafkammer des Landgerichts Mannheim aufgrund der Reihenfolge der Zeugenvernehmung scharf kritisiert und bemängelt, dass es unüblich sei, zunächst eine Vielzahl von (ehemaligen) Freundinnen des Klägers und erst im Anschluss mit der Nebenklägerin die eigentliche Belastungszeugin zu vernehmen. Insoweit haben der Kläger bzw. sein damaliger Verteidiger das Ausmaß der vom Kläger nacheinander bzw. zeitgleich unterhaltenen sexuellen Beziehungen zu verschiedenen Frauen selbst zum Gegenstand des Verfahrens gemacht, über das die Beklagte berichten wollte. Eine sachgerechte Berichterstattung über das vom Verteidiger kritisierte Vorgehen der Strafkammer konnte nicht darauf verzichten, das Vorbringen des Verteidigers des Klägers und dessen Kritik an der Prozessführung durch die Strafkammer erwähnen.
36c. Abweichend davon ist jedoch die Frage einer Zeugungsfähigkeit des Klägers seiner Intimsphäre zuzurechnen, hinsichtlich derer eine Berichterstattung schlechthin unzulässig ist. Denn dieses medizinische Detail steht weder in unmittelbarer Beziehung zur Tat, noch gibt es Aufschlüsse über Motive oder andere Tatvoraussetzungen oder erscheint es für die Bewertung der Schuld wesentlich.
37Die Beantwortung der Frage, ob der Kläger zeugungsunfähig ist oder nicht, lässt keine Aufschlüsse über mögliche Motive oder andere Tatvoraussetzungen der angeklagten schweren Vergewaltigung zu. Weder die angeklagte Vergewaltigung noch die Beziehung des Klägers zur Nebenklägerin bzw. das von ihm nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen gegenüber Frauen im Allgemeinen gezeigte Dominanzverhalten weisen einen Bezug zu der medizinischen Angabe auf, dass der Kläger zeugungsunfähig sein soll. Der Kläger hat zwar im Rahmen seiner richterlichen Vernehmung vor dem Ermittlungsrichter angegeben, dass die Mitteilung, seine Kinder seien nicht seine leiblichen Kinder, und die nachfolgende Feststellung seiner Zeugungsunfähigkeit mittels Spermatogramm bei ihm ein tiefes Misstrauen gegen feste Beziehungen ausgelöst und dazu geführt hätten, dass er (bei einer Vielzahl von Frauen) auf die Suche nach Bestätigung gegangen sei. Die Zeugungsunfähigkeit war jedoch – nach der insoweit zu unterstellenden Einlassung des Klägers – nicht der Grund für diese Bindungsangst und das Misstrauen gegenüber langfristigen Bindungen, ungeachtet der Tatsache, dass auch diese Gefühle des Klägers keinen Bezug zu der angeklagten schweren Vergewaltigung aufweisen. Grund für die angegebene Bindungsangst war vielmehr der Umstand, dass der Kläger erfahren hat, dass seine beiden Kinder nicht seine leiblichen Kinder sind. Dies ist jedoch weder ein Motiv noch ein Tatbestandsmerkmal der angeklagten Tat und auch für die Schuldfrage nicht von Bedeutung. Des Weiteren spielt die Zeugungsfähigkeit des Klägers weder beim möglichen Geschehensablaufs in der Tatnacht noch bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Beteiligten eine Rolle, sondern dient allein der Sensationslust der Leser, die weitere intime Details aus dem Privatleben des Klägers erfahren wollen. Es entspricht insoweit den übereinstimmenden Angaben des Klägers und der Nebenklägerin im Strafverfahren, dass es im Vorfeld der angeblichen Vergewaltigung zwischen den beiden zu einvernehmlichem Geschlechtsverkehr ohne Kondom gekommen ist, was das Auffinden von DNS am Tatort erklärt. Der konkrete Grund für die Nichtbenutzung eines Kondoms ist für das mögliche Tatgeschehen dagegen unerheblich. Die Berichterstattung über den Prozesstag und die Angaben des Klägers zum Ablauf der Tatnacht hätten auch ohne Nennung dieses Details zum Gesundheitszustand des Klägers vollständig erfolgen können.
38Der Kläger hat dieses Detail seines Gesundheitszustandes auch nicht selbst öffentlich gemacht, so dass mangels Geheimhaltung durch ihn eine Zuordnung zum Intimbereich ausscheiden würde. Denn in den öffentlichen Äußerungen des Klägers – namentlich im Interview für die Zeitschrift „Die Zeit“ vom 9.6.2011 (Anl. B 20) – ist lediglich davon die Rede, dass seine beiden Söhne keine leiblichen Kinder sind. Dagegen wird die Zeugungsunfähigkeit des Klägers weder von ihm selbst angesprochen, noch ergibt sie sich zwingend aus diesem Umstand.
39Der einzige objektive Bezugspunkt zwischen der Zeugungsunfähigkeit des Klägers und der vor dem Landgericht Mannheim seinerzeit angeklagten Straftat ist die fehlende Verwendung eines Kondoms durch den Kläger (nach seinen Angaben im Einvernehmen mit der Nebenklägerin, die von seiner Zeugungsunfähigkeit wusste), die zwar bei den gerichtlichen Feststellungen erwähnt wurde, aber weder für den von der Nebenklägerin geschilderten Tatverlauf noch für Tatbestand, Motiv oder Schuldfrage eine Rolle spielt.
402. Soweit die beanstandeten Äußerungen der Beklagten nicht wegen Eingriffs in die Intimsphäre des Klägers schlechthin unzulässig sind, sondern lediglich dessen Privatsphäre betreffen (Anträge zu 2a, 2c, 2d), hängt die Zulässigkeit der Berichterstattung durch die Beklagte von der Abwägung des Informationsinteresses der Öffentlichkeit einerseits und den schutzwürdigen Belangen des Klägers andererseits ab. Diese Abwägung führt vorliegend zu dem Ergebnis, dass die Berichterstattung der Beklagten im Hinblick auf die mit den Anträgen zu 2a, 2c und 2d gerügten Äußerungen nicht zu beanstanden ist.
41Im Einzelnen:
42a. Die Beklagte kann sich zunächst nicht darauf berufen, dass aufgrund der Verlesung des Vernehmungsprotokolls im Hauptverhandlungstermin vor dem Landgericht Mannheim vom 13.9.2010 sämtliche dort genannten Umstände aus der Einlassung des Klägers vor dem Ermittlungsrichter einer Gerichtsberichterstattung zugänglich seien. Eine solche grundsätzliche Zulässigkeit der Berichterstattung scheidet nach Ansicht des Senates aus und lässt sich – entgegen der Ansicht der Beklagten – auch der Entscheidung des BGH vom 19.3.2013 (VI ZR 93/12) nicht entnehmen.
43aa. Der BGH hatte sich in der vorgenannten Entscheidung mit einer Berichterstattung zu befassen, die schon vor Verlesung des haftrichterlichen Vernehmungsprotokolls am 13.9.2010 über Details aus dieser Einlassung des Klägers berichtet hat. Der VI. Zivilsenat hat einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers bejaht, der rechtswidrig sei, weil das Informations- und Berichterstattungsinteresse die für den Kläger sprechenden Umstände nicht überwiege. Er hat jedoch trotzdem einen Unterlassungsanspruch des Klägers verneint, weil nach der etwa drei Monate später erfolgten Verlesung des Vernehmungsprotokolls die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr entfallen sei. Die künftige Veröffentlichung der beanstandeten Aussage würde nur in anderer Form in die Öffentlichkeit tragen, was die Presse aus Anlass der Verlesung des fraglichen Vernehmungsprotokolls in der öffentlichen Hauptverhandlung zulässigerweise berichtet habe. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte allerdings über Details aus der klägerischen Einlassung nicht vor deren Verlesung am 13.9.2010, sondern erst danach berichtet, indem sie diese zum Gegenstand der Prozessberichterstattung des betreffenden Tages gemacht hat. Insofern weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass es vorliegend nicht um die Frage einer Wiederholungsgefahr, sondern darum geht, ob der Berichterstattung überhaupt eine Eingriffseignung zukommt bzw. ob das Schutzinteresse des Klägers nicht schon deshalb zurücktreten muss, weil die Medien berechtigt sind, über die in öffentlicher Verhandlung wiedergegebene Einlassung des Klägers in vollem Umfang zu berichten.
44bb. Soweit der VI. Zivilsenat in der vorgenannten Entscheidung eine Wiederholungsgefahr verneint, wenn „die künftige Veröffentlichung der beanstandeten Aussage nur in anderer Form in die Öffentlichkeit tragen würde, was die Presse aus Anlass der Verlesung des fraglichen Vernehmungsprotokolls in der öffentlichen Hauptverhandlung zulässigerweise berichtete“, bedeutet dies jedoch nicht, dass sämtliche Details aus der Einlassung des Angeklagten von der Presse veröffentlicht oder in sonstiger Weise verbreitet werden dürfen. Denn auch wenn ein Angeklagter sich in öffentlicher Hauptverhandlung zur Tat äußert, stellt dies keine Einwilligung seinerseits dar, sämtliche Details dieser Einlassung unabhängig davon zu veröffentlichen, ob im konkreten Fall das Persönlichkeitsrecht des Angeklagten eine Wiedergabe der fraglichen Details verbietet oder ob dagegen das öffentliche Berichterstattungsinteresse überwiegt. Eine solche Abwägung muss vielmehr für jedes wiedergegebene Detail der Einlassung gesondert durchgeführt werden. Zwar ist die Einlassung von zentraler Bedeutung für die Berichterstattung und für die öffentliche Meinungsbildung hinsichtlich eines möglichen Geschehensablaufs in der Tatnacht und die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Beteiligten. Allerdings kann sich diese zentrale Bedeutung für Berichterstattung und öffentliche Meinungsbildung auch nur auf solche Angaben des Betroffenen beziehen, die gerade den möglichen Geschehensablauf in der Tatnacht sowie die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Beteiligten zum Inhalt haben. Nicht in diesem Sinne von zentraler Bedeutung sind dagegen andere persönliche Umstände, die der Angeklagte im Rahmen seiner Vernehmung bzw. der Verlesung eines Vernehmungsprotokolls preisgibt und die eine derartige Verbindung zum Tatgeschehen bzw. zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit nicht aufweisen.
45cc. Soweit sich die Beklagte in diesem Zusammenhang darauf beruft, der Kläger habe wie jeder Angeklagte selbst entscheiden können, welche Details seiner privaten Lebensumstände er in öffentlicher Hauptverhandlung preisgibt bzw. durch Verlesung des richterlichen Vernehmungsprotokolls preisgeben lässt, geht diese Argumentation fehl: Der Kläger hat sich zunächst in nichtöffentlicher Vernehmung vor dem Haftrichter geäußert und dabei – unabhängig davon, ob er überhaupt das Bewusstsein hatte, dass eine Veröffentlichung seiner Angaben in Zukunft bevorstand – als Betroffener eines Strafverfahrens agiert, was auf die Art und den Umfang der Einlassung Einfluss gehabt hat. Er hatte sodann in der öffentlichen Hauptverhandlung vor dem Landgericht Mannheim die Wahl, sich nach § 243 Abs. 5 StPO selbst zur Sache zu äußern oder aber die Verlesung des Vernehmungsprotokolls nach § 254 Abs. 1 StPO zu dulden. Bei keiner dieser beiden Alternativen kann jedoch ein (ggf. konkludent geäußerter) Willen festgestellt werden, eine Öffentlichkeit, die über die Saalöffentlichkeit hinausgeht, an Details seines Sexuallebens teilhaben zu lassen. Auch wenn dem Kläger bereits im Rahmen der richterlichen Vernehmung vor dem Haftrichter am 24.3.2010 (Anl. B 21) aufgrund der vorangegangenen Belehrung klar gewesen sein dürfte, dass es ihm freistand, sich zur Sache zu äußern, sind seine dann folgenden Äußerungen nicht darauf angelegt gewesen, die Öffentlichkeit zu informieren, sondern dienten der ihm als Beschuldigten zustehenden Darstellung der Tatnacht. Würde in solchen Fällen eine generelle Berechtigung der Presse bejaht werden, die Einlassung vollumfänglich zum Gegenstand einer öffentlichen Berichterstattung zu machen, wäre es unzulässigerweise der Kläger selbst, der – den Fragen der Prozessbeteiligten bzw. zuvor der nichtöffentlichen Vernehmung durch den Ermittlungsrichter ausgesetzt – im Rahmen der einzelnen Antwort abzuwägen hätte, welche Details aus seinem Privatleben er noch preiszugeben bereit ist, gleichzeitig aber auch im Auge behalten müsste, dass es ihm in erster Linie darum geht, seine Sicht der Dinge im Hinblick auf den Tatvorwurf darzulegen.
46dd. Soweit die Entscheidung des BGH vom 19.3.2013 (VI ZR 93/12) schließlich unter Hinweis auf die Entscheidung vom 19.10.2004 (VI ZR 292/03) sowie deren verfassungsrechtliche Billigung (BVerfG, Beschl. v. 21.8.2006 – 1 BvR 2606/04) darauf verweist, dass die Veränderung tatsächlicher Umstände eine ursprünglich rechtswidrige Berichterstattung für die Zukunft rechtmäßig erscheinen lassen könne, treffen diese Erwägungen auf den vorliegenden Fall schon nicht zu. Denn dem Urteil vom 19.10.2004 (VI ZR 292/03) lag ein Sachverhalt zugrunde, in welchem die Klägerin mit ihrem prominenten Partner eine öffentliche Veranstaltung (Verleihung eines Film- und Videopreises) aufgesucht und dort die persönliche Beziehung – von der zuvor und anschließend in der Presse berichtet worden war – sowie Details aus ihrem Privatleben offen gelegt hatte. Mit einer solchen Entscheidung, sich gemeinsam bei einer Preisverleihung mit bekanntermaßen hohem Presseaufkommen der medialen Öffentlichkeit zu zeigen und damit willentlich bestimmte private Angelegenheiten öffentlich zu machen, ist die nicht-öffentliche Vernehmung als Beschuldigter durch den Ermittlungsrichter nicht vergleichbar.
47b. Eine danach trotz öffentlicher Verlesung der Einlassung erforderliche Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Klägers sowie dem Berichterstattungsinteresse der Öffentlichkeit führt jedoch im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass die von der Beklagten im streitgegenständlichen Beitrag wiedergegebenen Details, wie sie in den Anträgen zu 2a, 2c und 2d angeführt werden, als zulässige Gerichtsberichterstattung einzustufen sind.
48aa. Soweit der Kläger geltend macht, dass die Unzulässigkeit der Berichterstattung sich schon daraus ergebe, dass die Beklagte überhaupt keine Gerichtsberichterstattung im Sinne einer sachlichen und objektiven Wiedergabe des Prozesstages vorgenommen habe, sondern es sich lediglich um herablassende Äußerungen und süffisante Seitenhiebe handele (Bl. 434 GA), greift dieser Einwand im Ergebnis nicht durch. Der Kläger weist zwar zutreffend darauf hin, dass der Beitrag der Beklagten sich nicht auf eine reine Wiedergabe des Prozessgeschehens vor dem Landgericht Mannheim am 13.9.2010 beschränkt. Dadurch ist er aber nicht schon per se aus dem Geltungsbereich „gerichtliche Berichterstattung“ auszuscheiden. Die Beklagte hat wertende, teilweise sehr pointierte Formulierungen verwendet, um die ihr im Rahmen des Hauptverhandlungstermins bekannt gewordenen (wahren) Tatsachen für den Leser aufzubereiten. Mit diesen Werturteilen („Kuschelbärchen“, „SM-Spielchen“, „dunkle Triebe“) überschreitet sie zum einen jedoch nicht die Grenzen der Schmähkritik. Zum anderen darf es auch einer Gerichtsberichterstattung nicht verwehrt sein, die Geschehnisse im Rahmen der geltenden Grenzen einem Werturteil zu unterziehen bzw. sprachlich zugespitzt auszudrücken. Letztlich ist auch nicht in Abrede zu stellen, dass die Beklagte in dem fraglichen Artikel keine Vorverurteilung des Klägers vornimmt, sondern gerade diese Vorverurteilung durch die Öffentlichkeit kritisch kommentiert und nach Gründen dafür sucht („Es scheint, als habe die Causa Kachelmann ganz tief im deutschen (und Schweizer) Befinden etwas durcheinandergewirbelt, das die Öffentlichkeit auf irgendeine Weise wieder gerade gerückt haben will. Nur so lässt sich das überbordende Interesse erklären, das der Prozess auf sich zieht“).
49bb. Im Rahmen der damit vorliegenden Gerichtsberichterstattung ist die mit dem Antrag zu 2a gerügte Äußerung der Beklagten „Der nette Wettermann und die SM-Spiele mit Peitsche“ nicht zu beanstanden. Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass diese Äußerung insofern als sachliche Wiedergabe anzusehen ist, als der Kläger in seiner richterlichen Vernehmung ausgeführt hatte „In ihrem Besitz und zu ihrem Haushalt gehörten auch Handschellen, die sie in diesem Fall schon in der Hand hatte und auch eine Reitgerte, die auch zu ihrem Haushalt gehörte, die immer bei ihr war und die sie dann jeweils, wenn sie Lust darauf hatte, bereitlegte“. Aufgrund dieser Angaben des Klägers handelt es sich bei der Überschrift um eine zusammengefasste und wertend pointierte Kommentierung, die zu dem vor dem Strafverfahren in der Öffentlichkeit bestehenden Bild des Klägers in Bezug gesetzt worden ist.
50Gleiches gilt für die mit dem Antrag zu 2c beanstandete Äußerung „gern auch mal mit Handschelle oder bereit gelegter Reitpeitsche“. Auch hier besteht der Tatsachenkern in der Wiedergabe der klägerischen Einlassung, dass im Rahmen seiner Sexualbeziehung zur Nebenklägerin Handschellen und Reitpeitsche eine Rolle gespielt haben. Die Formulierung „gern auch mal“ greift, wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, die Einlassung des Klägers auf, die betreffenden Utensilien würden nicht immer, sondern lediglich dann verwandt, „wenn sie Lust darauf hatte“.
51cc. Gleiches gilt schließlich auch für die mit dem Antrag zu 2d gerügte Formulierung „Das Kuschelbärchen aus den Schweizer Bergen soll dunkle Triebe mit SM-Spielchen und multiplen Liebschaften ausgelebt haben?“. Auch hier hat das Landgericht zutreffend ausgeführt, dass es sich bei der fraglichen Äußerung um eine echte und nicht lediglich um eine rhetorische Frage handele, die unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit einem Werturteil gleichsteht und als solches zulässig ist. Mit den Formulierungen „Kuschelbärchen aus den Schweizer Bergen“, „dunkle Triebe“ und „SM-Spielchen“ wird in pointierter Form das bis zum Beginn des Strafverfahrens vorherrschende Bild des Klägers in der Öffentlichkeit mit denjenigen Erkenntnissen in Beziehung gesetzt, die die Beklagte zulässigerweise aus der verlesenen Einlassung des Klägers im Strafverfahren gewonnen hat, nämlich die vom Kläger bestätigte gelegentliche Verwendung von Handschellen und Reitgerte als Ausformung seines Sexuallebens mit der Nebenklägerin. Die weiter in der Äußerung enthaltene Angabe der wahren Tatsache, dass der Kläger mit einer Vielzahl von Frauen nacheinander bzw. zeitlich parallel verkehrt hat („multiple Liebschaften“) ist zwar für das unmittelbare Tatgeschehen, nämlich die angeklagte schwere Vergewaltigung als solche unbeachtlich. Allerdings überwiegt auch insoweit das Berichterstattungsinteresse der Beklagten das Persönlichkeitsrecht des Klägers, weil dieser selbst bzw. sein damaliger Verteidiger diese Tatsache zum Gegenstand des Verfahrens gemacht haben, indem das prozessuale Vorgehen des Gerichtes, zunächst die als Zeuginnen auftretenden (ehemaligen) Freundinnen des Klägers und erst dann die Nebenklägerin als Zeugin zu vernehmen, von der Verteidigung kritisiert wurde. Im Rahmen einer Berichterstattung über den Verlauf des dies betreffenden Teils des Prozesstages konnte dieser Umstand nicht ausgespart werden.
523. Soweit der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung der betreffenden Äußerung über seine Zeugungsfähigkeit hat, ist diese gemäß § 257 S. 1 BGB auch zur Freistellung des Klägers von den Anwaltskosten für die außergerichtliche Tätigkeit seines Prozessbevollmächtigten verpflichtet. Die erstattungsfähigen Anwaltskosten berechnen sich im Hinblick auf die zu unterlassende Äußerung nach einem Streitwert von 10.000 Euro, so dass sich bei dem vom Kläger geltend gemachten Ansatz der nicht anzurechnenden 0,65-Geschäftsgebühr (Nr. 2300 VV RVG) nebst Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV RVG) und Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV RVG) ein Gesamtbetrag in Höhe von 399,72 Euro ergibt. Die beantragten Zinsen auf den Freistellungsanspruch können dagegen nicht nach §§ 288 Abs. 1 S. 1, 291 S. 1 BGB zuerkannt werden, da ein Freistellungsanspruch keine zu verzinsende Geldschuld darstellt. Es ist auch weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Kläger bereits einen konkreten Schaden durch die bisherige Nichtzahlung der Anwaltsgebühren erlitten hätte.
53III.
54Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen hinsichtlich der Kosten auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO und hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
55Die Revision ist nicht entsprechend der Anregung der Beklagten zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs, da die Beurteilung des Rechtsstreits auf der Anwendung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und im Übrigen auf den Einzelfallumständen beruht. Höchstrichterlich noch nicht geklärte Rechtsfragen grundsätzlicher Natur, die über den konkreten Einzelfall hinaus von Interesse sein könnten, haben sich nicht gestellt und waren nicht zu entscheiden.
56Streitwert: 40.000 Euro
Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Köln Urteil, 21. Okt. 2014 - 15 U 56/14
Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht Köln Urteil, 21. Okt. 2014 - 15 U 56/14
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Oberlandesgericht Köln Urteil, 21. Okt. 2014 - 15 U 56/14 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger wendet sich mit seinem Unterlassungsbegehren gegen eine ihn betreffende Online-Berichterstattung auf dem von der Beklagten betriebenen Internetportal "www.bild.de" während eines gegen ihn geführten Strafverfahrens.
- 2
- Der Kläger war bis zu seiner Verhaftung im März 2010 als Fernsehmoderator und Journalist tätig. Er betrieb außerdem ein Unternehmen, das meteorologische Daten erfasst und vertreibt. Die Staatsanwaltschaft ermittelte gegen ihn wegen des Verdachts der Vergewaltigung in einem besonders schweren Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Ihm wurde vorgeworfen, am 9. Februar 2010 seine damalige Freundin zum Geschlechtsverkehr gezwungen zu haben. Vom 20. März 2010 bis zum 29. Juli 2010 befand er sich in dieser Sache in Untersuchungshaft. In der vom 6. September 2010 bis zum 31. Mai 2011 dauernden Hauptverhandlung wurde er freigesprochen.
- 3
- Nach Anklageerhebung, aber vor Eröffnung des Hauptverfahrens berichtete die Beklagte am 13. Juni 2010 auf ihrem Internetportal unter der Überschrift "Der K….-Krimi: Neue Indizien aus der Tatnacht?" unter anderem wie folgt: "Der Fall K…. (51) wird immer pikanter: Laut dem Nachrichtenmagazin ‚Focus‘ soll jetzt auch ein sichergestellter Tampon die angebliche Verge- waltigung beweisen! Das Magazin veröffentlichte jetzt neue intime Details über die angebliche Tatnacht. So heißt es in Bezug auf das Treffen zwischen Jörg K… und Sabine W. (37) unter anderem: Die Ex-Freundin des Wettermoderators habe ‚auf ihn gewartet mit hochgezogenem Strickkleid‘. Und weiter: ‚wie üblich habe sie Handschellen und eine Reitgerte bereitgelegt ‘."
- 4
- Diese Informationen stammen aus der Einlassung des Klägers in seiner ersten richterlichen Vernehmung im Ermittlungsverfahren. Das Protokoll über diese Vernehmung, das unter anderem folgende Passage enthält, wurde in der öffentlich geführten Hauptverhandlung am 13. September 2010 zu Beweiszwecken verlesen: "Es war dann so, das war das übliche Verfahren bei den Treffen, dass ich geklingelt habe, langsam die Treppe hoch ging, ich die Türe aufmachte , die angelehnt war, und sie wartete dann schon ausgezogen oder in diesem Fall mit schon hochgezogenem Strickkleidchen. In ihrem Besitz und zu ihrem Haushalt gehörten auch Handschellen, die sie in diesem Fall schon in der einen Hand hatte auch eine Reitgerte, die auch zu ihrem Haushalt gehörte, die immer bei ihr war und die sie dann jeweils , wenn sie Lust darauf hatte, bereitlegte."
- 5
- Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, es zu unterlassen , zu veröffentlichen oder sonst zu verbreiten: Die Ex-Freundin des Wet- termoderators habe ‚auf ihn gewartet mit hochgezogenem Strickkleid‘, ‚wieüblich habe sie Handschellen und eine Reitgerte bereitgelegt‘, wenn dies ge- schieht wie auf bild.de im Artikel vom 13.06.2010 mit der Überschrift "Der K….Krimi : Neue Indizien aus der Tatnacht?". Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
- 6
- Das Berufungsgericht, dessen Urteil u.a. in ZUM 2012, 330 veröffentlicht ist, hat die Klage als zulässig angesehen. Grundsätzlich müsse die klagende Partei gemäß § 253 Abs. 2, 4, § 130 Nr. 1 ZPO ihre ladungsfähige Anschrift in der Klageschrift angeben. Es bestünden keine Anhaltspunkte, dass der Kläger unter der von ihm angegebenen Anschrift im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht hätte geladen werden können. Dass in einer anderen Rechtssache eine Zustel- lung unter dieser Anschrift fehlgeschlagen sei, lasse nicht darauf schließen, ob zur Zeit der Klageerhebung eine Zustellung hätte bewirkt werden können. Ebenso unerheblich sei, dass der Kläger bereits längere Zeit nicht mehr unter der angegebenen Anschrift amtlich gemeldet gewesen sei.
- 7
- Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 BGB analog in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG zu. Die beanstandeten Äußerungen beträfen zwar nicht den absolut geschützten Kernbereich seines Persönlichkeitsrechts, weil sie Gegenstand einer gegen ihn erhobenen Anklage seien und einen Bezug zu der vorgeworfenen Tat aufwiesen. Bei der vorzunehmenden Abwägung sei aber das Persönlichkeitsrecht des Klägers höher zu bewerten als das Berichterstattungsinteresse der Beklagten. Zu Gunsten des Klägers falle besonders ins Gewicht, dass es sich um ein laufendes Ermittlungsverfahren handele und ihm die Unschuldsvermutung zu Gute komme, die eine zurückhaltende, jedenfalls aber ausgewogene Berichterstattung verlange. Den beanstandeten Äußerungen komme für das Strafverfahren nur eine geringe Bedeutung zu. Zu dem eigentlichen Tatgeschehen wiesen sie keinen konkreten Bezug auf. Ein Hinweis auf die Bedeutung der beanstandeten Äußerung für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit gehe aus dem Artikel nicht hervor. Dagegen greife die Berichterstattung über praktizierte sexuelle Vorlieben des Klägers erheblich in dessen Persönlichkeitsrecht ein, weil diese einem Großteil der Leser in Erinnerung blieben. Der Kläger werde als eine Person mit sadomasochistischen Neigungen beschrieben. Die dadurch begründete "Prangerwirkung" werde durch den Freispruch nicht beseitigt. Während des laufenden Ermittlungsverfahrens bestehe kein derart weitgehendes Berichterstattungs- und Informationsinteresse.
- 8
- Eine abweichende Beurteilung sei nicht deshalb geboten, weil die Sexualpraktiken des Klägers in anderen Medien ebenfalls thematisiert und dadurch einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht worden seien. Die streitgegenständliche Veröffentlichung habe den Kreis der "Rezipienten" wesentlich erweitert und sei Anlass für verschiedene Medien gewesen, die dort mitgeteilten Tatsachen zum Sexualleben des Klägers nachfolgend aufzugreifen.
- 9
- Auch nach Verlesung des Protokolls der klägerischen Einlassung vor dem Haftrichter in der öffentlichen Hauptverhandlung sei die Berichterstattung über die einvernehmlich praktizierten sexuellen Vorlieben nicht zulässig geworden. Die Verlesung selbst habe Details aus dem Sexualverhalten des Klägers nur den im Gerichtssaal anwesenden Personen offenbart. Eine Breitenwirkung habe erst die auf die Verlesung erfolgte Medienberichterstattung erzielt. Diese habe jedoch nicht dazu geführt, dass die frühere streitgegenständliche Berichterstattung über das Sexualleben des Klägers nicht mehr in rechtswidriger Weise in das Persönlichkeitsrecht eingreife und eine Wiederholungsgefahr entfallen sei. Die Medien hätten auch über die öffentliche Hauptverhandlung nach den Grundsätzen der Verdachtsberichterstattung nur zurückhaltend und maßvoll berichten dürfen. Aus dem in § 169 GVG normierten Grundsatz der Öffentlichkeit von Gerichtsverhandlungen folge kein Recht der Presse, über sämtliche in der öffentlichen Verhandlung erörterten Inhalte zu berichten. Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass der Kläger keinen Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit nach § 171b GVG gestellt habe.
II.
- 10
- Die Erwägungen des Berufungsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG nicht zu.
- 11
- 1. Zu Recht hat allerdings das Berufungsgericht entgegen der Auffassung der Revision die Zulässigkeit der Klage bejaht.
- 12
- a) Der Kläger muss in der Klageschrift grundsätzlich eine ladungsfähige Anschrift angeben, weil hierdurch seine Bereitschaft dokumentiert wird, auf Anordnung des Gerichts persönlich zu erscheinen, und gewährleistet ist, dass er den Prozess nicht aus dem Verborgenen führt, um sich eventueller nachteiliger Folgen, insbesondere der Kostenpflicht im Fall des Unterliegens, zu entziehen (BGH, Urteile vom 9. Dezember 1987 - IVb ZR 4/87, BGHZ 102, 332, 335 f.; vom 17. März 2004 - VIII ZR 107/02, NJW-RR 2004, 1503; Beschluss vom 1. April 2009 - XII ZB 46/08, NJW-RR 2009, 1009 Rn. 11).
- 13
- b) Auf dieser Grundlage hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei keinen Mangel der Klageschrift angenommen, der zur Unzulässigkeit der Klage führt. Es hat ausgeführt, es seien keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass gerichtliche Schriftstücke, insbesondere Ladungen, den Kläger unter der angegebenen Anschrift nicht erreicht hätten. Aus dem Schreiben des Kantonsgerichts A. A. vom 2. Dezember 2011 ergebe sich zwar, dass der Kläger unter der angegebenen Anschrift nicht mehr gemeldet sei, und ein Zustellungsersuchen in einer anderen Sache deshalb nicht habe erledigt werden können. Es sei aber nicht erwiesen, dass Zustellungen im Zeitpunkt der Klageerhebung dort nicht möglich gewesen seien. Dagegen ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern. Für die Möglichkeit einer Ersatzzustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO kommt es nicht auf die Anmeldung eines Wohnsitzes an, sondern auf die tatsächliche Benutzung der Wohnung zum Aufenthalt. Nicht jede vorübergehende Abwesenheit , selbst wenn sie länger dauert, hebt die Eigenschaft jener Räume als einer Wohnung im Sinne der Zustellungsvorschriften auf. Diese Eigenschaft geht vielmehr erst verloren, wenn sich während der Abwesenheit des Zustellungsempfängers auch der räumliche Mittelpunkt seines Lebens an den neuen Aufenthaltsort verlagert (vgl. BGH, Urteil vom 13. Oktober 1993 - XII ZR 120/92, NJW-RR 1994, 564 f.). Dass eine Zustellung am 2. Dezember 2011 nicht ausführbar war, besagt nicht, dass dies auch schon zum Zeitpunkt der früher erfolgten Zustellung der Klage der Fall gewesen wäre. Die ordnungsgemäße Klageerhebung ist eine Prozessvoraussetzung, die ihrer Natur nach nur bei der Einleitung des Verfahrens vorliegen muss. Deshalb bleibt die Klage zulässig, wenn erst im Lauf des Prozesses die ladungsfähige Anschrift entfällt (BGH, Urteil vom 17. März 2004 - VIII ZR 107/02, aaO; Beschluss vom 1. April 2009 - XII ZB 46/08, aaO Rn. 12). Es sind auch keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass der Kläger seine Anschrift verbergen wollte, um sich negativen prozessualen Folgen zu entziehen.
- 14
- 2. Die Klage ist aber nicht begründet, weil dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zusteht.
- 15
- a) Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die angegriffenen Äußerungen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers beeinträchtigen. Die Berichterstattung über Sexualpraktiken, die der Kläger in seiner Beziehung zur Anzeigeerstatterin angewandt haben soll, berührt das Persönlichkeitsrecht.
- 16
- b) Im Ausgangspunkt zutreffend sind auch die rechtlichen Grundsätze, welche das Berufungsgericht seiner Beurteilung zugrunde gelegt hat.
- 17
- aa) Das Berufungsgericht hat es zu Recht für geboten erachtet, über den Unterlassungsantrag aufgrund einer Abwägung des Rechts des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit und Achtung seines Privatlebens aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK verankerten Recht der Beklagten auf Meinungs- und Medienfreiheit zu entscheiden. Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalles sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (Senatsurteile vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08, VersR 2012, 994 Rn. 35; vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, VersR 2013, 63 Rn. 10; vom 11. Dezember 2012 - VI ZR 314/10, VersR 2013, 321 Rn. 11).
- 18
- Geht es um eine Berichterstattung über den Verdacht einer Straftat, so ist zu berücksichtigen, dass Straftaten zum Zeitgeschehen gehören, dessen Vermittlung Aufgabe der Medien ist. Die Verletzung der Rechtsordnung und die Beeinträchtigung individueller Rechtsgüter, die Sympathie mit den Opfern, die Furcht vor Wiederholungen solcher Straftaten und das Bestreben, dem vorzubeugen , begründen grundsätzlich ein anzuerkennendes Interesse der Öffentlichkeit an näherer Information über Tat und Täter. Dieses wird umso stärker sein, je mehr sich die Tat in Begehungsweise und Schwere von der gewöhnlichen Kriminalität abhebt. Bei schweren Gewaltverbrechen ist in der Regel ein über bloße Neugier und Sensationslust hinausgehendes Interesse an näherer Information über die Tat und ihren Hergang, über die Person des Täters und seine Motive sowie über die Strafverfolgung anzuerkennen (vgl. Senatsurteile vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, BGHZ 143, 199, 204; vom 15. Dezember 2009 - VI ZR 227/08, BGHZ 183, 353 Rn. 14; vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08, aaO Rn. 38; BVerfGE 35, 202, 230 f.; BVerfG NJW 2009, 3357 Rn. 18).
- 19
- Handelt es sich um die Berichterstattung über ein noch nicht abgeschlossenes Strafverfahren, so ist im Rahmen der Abwägung allerdings auch die zugunsten des Betroffenen sprechende, aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) folgende und in Art. 6 Abs. 2 EMRK anerkannte Unschuldsvermutung zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteil vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, VersR 2013, 63 Rn. 14; BVerfGE 35, 202, 232; BVerfG, NJW 2009, 350 Rn. 14; NJW 2009, 3357 Rn. 20). Diese gebietet eine entsprechende Zurückhaltung , mindestens aber eine ausgewogene Berichterstattung (vgl. BVerfGE 35, 202, 232; BVerfG, NJW 2009, 350 Rn. 14). Außerdem ist eine mögliche Prangerwirkung zu berücksichtigen, die durch die Medienberichterstattung bewirkt werden kann (vgl. BVerfGE 119, 309, 323; BVerfG, aaO). Im Hinblick darauf kann bis zu einem erstinstanzlichen Freispruch oftmals das Recht auf Schutz der Persönlichkeit und Achtung des Privatlebens gegenüber der Freiheit der Berichterstattung überwiegen (BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 20; Senatsurteil vom 7. Juni 2011 - VI ZR 108/10, BGHZ 190, 52 Rn. 25).
- 20
- bb) Zutreffend hat das Berufungsgericht die Berichterstattung im Zeitpunkt der Veröffentlichung als rechtswidrig beurteilt.
- 21
- (1) Mit Recht hat das Berufungsgericht entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung die in Rede stehenden Äußerungen der Privatsphäre des Klägers zugeordnet.
- 22
- Auch wenn die Voraussetzungen der Verdachtsberichterstattung (vgl. Senatsurteile vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, aaO 203 f.; vom 11. Dezember 2012 - VI ZR 314/10, aaO Rn. 26) erfüllt sind, dürfen die Medien über die Person des Verdächtigen nicht schrankenlos berichten. Vielmehr ist für jeden einzelnen Umstand aus dem persönlichen Lebensbereich, der Gegenstand der angegriffenen Medienberichterstattung ist, aufgrund einer Abwägung zu entscheiden, ob das Schutzinteresse des Betroffenen das Interesse an einer Berichterstattung überwiegt. Bei der Beurteilung des dem Persönlichkeitsrecht dabei zukommenden Gewichts ist - wie auch sonst bei der Medienberichterstattung über personenbezogene Umstände (vgl. Senatsurteil vom 20. Dezember 2011 - VI ZR 261/10, VersR 2012, 368 Rn. 13) - von entscheidender Bedeutung , ob das Thema der Berichterstattung der Intimsphäre, der Privatsphäre oder der Sozialsphäre zuzuordnen ist.
- 23
- Ob ein Sachverhalt dem Kernbereich höchstpersönlicher, privater Lebensgestaltung angehört, hängt davon ab, ob der Betroffene ihn geheim halten will, ob er nach seinem Inhalt höchstpersönlichen Charakters ist und in welcher Art und Intensität er aus sich heraus die Sphäre anderer oder die Belange der Gemeinschaft berührt (Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 332/09, VersR 2012, 66 Rn. 11; BVerfGE 80, 367, 374; BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 25). Ob ein Vorgang die Intim- oder die Privatsphäre betrifft, hängt auch davon ab, in welchem Umfang Einzelheiten berichtet werden (vgl. Senatsurteil vom 29. Juni 1999 - VI ZR 264/98, VersR 1999, 1250, 1251; Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 5 Rn. 49). Dem unantastbaren Kernbereich gehören grundsätzlich Ausdrucksformen der Sexualität an (vgl. Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 332/09, aaO; BVerfGE 119, 1, 29 f.; BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 25 f.).
- 24
- Sexualstraftaten gehören aber, weil sie einen gewalttätigen Übergriff in das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und zumeist auch in das Recht auf körperliche Unversehrtheit des Opfers beinhalten, nicht der absolut geschützten Intimsphäre des Tatverdächtigen an (BVerfG, aaO Rn. 26).
- 25
- Danach fallen die berichteten Umstände nicht in den absolut geschützten Kernbereich des Persönlichkeitsrechts.
- 26
- (2) Das Informationsinteresse der Öffentlichkeit wird, was das Berufungsgericht nicht verkannt hat, durch die prominente Stellung des Klägers erhöht. Schon die prominente Stellung des Klägers kann ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit an seinem Alltagsleben begründen, selbst wenn sich sein Verhalten weder in skandalösen noch in rechtlich oder sittlich zu beanstandenden Verhaltensweisen äußert (BVerfG, BVerfGE 120, 180, 203 f.). Wegen seiner Prominienz berührt das Verhalten des Klägers die Belange der Gemeinschaft noch stärker, wenn der Vorwurf der Begehung einer Straftat im Raum steht, als dies bei nicht prominenten Personen der Fall wäre (vgl. BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 28).
- 27
- (3) Zu Gunsten des Klägers fällt aber ins Gewicht, dass die streitgegenständliche Äußerung aus seiner Einlassung bei der nicht öffentlichen Vernehmung anlässlich der Eröffnung des Haftbefehls stammt. Richterliche Vernehmungen außerhalb der Hauptverhandlung sind nicht nur nichtöffentlich; es ist grundsätzlich auch unzulässig, Medienvertretern die Anwesenheit bei solchen Vernehmungen zu gestatten (Erb in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 168c Rn. 25).
- 28
- (4) Da die Berichterstattung während eines laufenden Strafverfahrens erfolgte , ist zu Gunsten des Klägers im Rahmen der Abwägung die aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Unschuldsvermutung zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteil vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, aaO Rn. 14; BVerfGE 35, 202, 232; BVerfG, aaO Rn. 20). Dies gebietet Zurückhaltung bei der Mitteilung von Einzelheiten aus dem privaten Lebensbereich, deren Kenntnis zur Befriedigung des berechtigten Informationsinteresses nicht zwingend erforderlich ist. Der Unschuldsvermutung kommt hier besonderes Gewicht zu, weil die streitgegenständliche Veröffentlichung noch vor Beginn der Hauptverhandlung, mithin in einem frühen Stadium des Strafverfahrens erfolgte.
- 29
- Dass es sich bei den in Rede stehenden Äußerungen nicht um die dem Kläger vorgeworfene Straftat selbst handelt, sondern um wahre Tatsachenbehauptungen aus seiner Einlassung zum Tatvorwurf, steht der Berücksichtigung der Unschuldsvermutung im Rahmen der Abwägung nicht entgegen. Denn auch eine wahre Tatsachenbehauptung kann das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzen, wenn sie einen Persönlichkeitsschaden anzurichten droht, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Aussage geeignet ist, eine erhebliche Breitenwirkung zu entfalten und eine besondere Stigmatisierung des Betroffenen nach sich zu ziehen, so dass sie zum Anknüpfungspunkt für eine soziale Ausgrenzung und Isolierung zu werden droht (Senatsurteile vom 20. Dezember 2011 - VI ZR 261/10, VersR 2012, 368 Rn. 20; vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08, NJW 2012, 2197 Rn. 37 mwN). Deshalb hat das Berufungsgericht bei der Abwägung zu Gunsten des Klägers zu Recht berücksichtigt, dass er als Person mit sadomasochistischen Neigungen dargestellt wird und dies seinem Ansehen in der Öffentlichkeit abträglich sein kann. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht garantiert grundsätzlich, die eigenen Ausdrucksformen der Sexualität für sich zu behalten und sie in einem dem Zugriff anderer entzogenen Freiraum zu erleben (vgl. Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 332/09, VersR 2012, 66 Rn. 12; BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 26).
- 30
- c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist allerdings das Unterlassungsbegehren des Klägers gleichwohl nicht begründet. Ein Unterlassungsanspruch besteht nicht, weil nach Verlesung des Protokolls über die haftrichterliche Vernehmung des Klägers in der öffentlichen Hauptverhandlung vom 13. September 2010 die gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr entfallen ist.
- 31
- aa) Die Wiederholungsgefahr ist eine materielle Voraussetzung des Unterlassungsanspruchs. Wenn sie entfällt, erlischt auch der zukunftsgerichtete Unterlassungsanspruch (vgl. Senatsurteile vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03, VersR 2005, 84, 85 mwN; vom 21. Juni 2005 - VI ZR 122/04, VersR 2005, 1403; vom 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08, VersR 2009, 1417 Rn. 28; siehe auch BVerfG VersR 2007, 849 Rn. 34). Eine rechtswidrige Beeinträchtigung in der Vergangenheit begründet in der Regel die tatsächliche Vermutung der Wiederholungsgefahr (Senatsurteile vom 27. Mai 1986 - VI ZR 169/85, VersR 1986, 1075, 1077; vom 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08, aaO Rn. 29 mwN). Die Wiederholungsgefahr kann allerdings dann nicht ohne weiteres aufgrund einer bereits geschehenen Rechtsverletzung vermutet werden, wenn durch die Veränderung tatsächlicher Umstände nunmehr die Berichterstattung als rechtlich zulässig zu beurteilen ist (vgl. Senatsurteil vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03, aaO Rn. 18). Wer in der Vergangenheit in seinen Rechten verletzt wurde, hat keinen Anspruch darauf, dass ein Verhalten unterlassen wird, das sich inzwischen als nicht mehr rechtswidrig darstellt (vgl. Senatsurteil vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03, aaO Rn. 17). Das kommt hier in Betracht, weil die künftige Veröffentlichung der beanstandeten Aussage nur in anderer Form in die Öffentlichkeit tragen würde, was die Presse aus Anlass der Verlesung des fraglichen Vernehmungsprotokolls in der öffentlichen Hauptverhandlung zulässigerweise berichtete (vgl. BVerfG, aaO Rn. 32).
- 32
- bb) Da die nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nach der Verlesung des Vernehmungsprotokolls erfolgte Berichterstattung in den Medien noch während der laufenden Hauptverhandlung erfolgte, ist zu Gunsten des Klägers im Rahmen der Abwägung auch hier insbesondere die aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Unschuldsvermutung zu berücksichtigen, welche eine entsprechende Zurückhaltung bei der Berichterstattung gebot. Zu beachten ist wiederum, dass auch eine wahre Tatsachenbehauptung das Persönlich- keitsrecht des Betroffenen verletzen kann, wenn sie einen Persönlichkeitsschaden anzurichten droht, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht, so etwa dann, wenn eine Stigmatisierung, soziale Ausgrenzung oder Prangerwirkung zu besorgen sind (vgl. Senatsurteile vom 20. Dezember 2011 - VI ZR 261/10, VersR 2012, 368 Rn. 20; vom 8. Mai 2012 - VI ZR 217/08, NJW 2012, 2197 Rn. 37, jeweils mwN). Hier wurde mit wenigen Sätzen berichtet, dass nach der Schilderung des Klägers sein Treffen mit der Anzeigeerstatterin auf einvernehmlichen geschlechtlichen Verkehr - auch in sadomasochistischer Form - angelegt war. Es kann unterstellt werden, dass den Beschwerdeführer durch die Berichterstattung eine erhebliche soziale Missbilligung treffen kann. Allein von der tagesaktuellen Berichterstattung, die mit dem Abschluss des Verfahrens ein Ende findet, geht indes keine derart schwerwiegende Stigmatisierung in einer solchen Breitenwirkung aus, dass eine dauerhafte oder lang anhaltende soziale Ausgrenzung zu befürchten wäre, die hier in der Abwägung das Berichterstattungsinteresse überwiegen müsste (vgl. BVerfG, NJW 2009, 3357 Rn. 29).
- 33
- Auf Seiten der Beklagten ist das große Interesse der Öffentlichkeit an dem Strafverfahren und vor allem an der Hauptverhandlung gegen den prominenten und als Fernsehmoderator sehr bekannten Kläger zu berücksichtigen, welches die intensive Berichterstattung in den Medien widerspiegelt. Bei einem Strafverfahren ist regelmäßig die Kenntnis der Einlassung des Angeklagten für die Beurteilung des weiteren Verfahrensverlaufs und das Verständnis der Beweiserhebungen sowie die Würdigung der Beweisergebnisse in der Hauptverhandlung von erheblicher Bedeutung (vgl. BGH, Beschluss vom 27. September 1983 - 4 StR 550/83, juris Rn. 5; Urteil vom 30. September 2010 - 4 StR 150/10, juris Rn. 23 mwN, insoweit in NStZ-RR 2011, 82 nicht abgedruckt). Eine ausgewogene Prozessberichterstattung kann deshalb kaum auf die Wiedergabe der Einlassung verzichten. Insbesondere bei dem hier erhobenen Vorwurf der schweren Vergewaltigung war die Einlassung von zentraler Bedeutung für die Berichterstattung und für die öffentliche Meinungsbildung hinsichtlich eines möglichen Geschehensablaufs in der Tatnacht und die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Beteiligten, so dass ein enger Bezug zu dem eigentlichen Tatvorwurf besteht. Unter diesen Umständen ist die Wiederholungsgefahr nicht mehr gegeben, weil ein überwiegendes Schutzinteresse des Klägers einer aktuellen Berichterstattung hinsichtlich der angegriffenen, seiner Einlassung entstammenden Aussagen nach deren Verlesung in der Hauptverhandlung nicht mehr entgegenstände, nachdem sie durch die Verlesung des Vernehmungsprotokolls in öffentlicher Hauptverhandlung einer größeren Öffentlichkeit bekannt geworden sind. Damit bestand ab diesem Zeitpunkt der Unterlassungsanspruch nicht mehr.
- 34
- cc) Soweit der Kläger begehrt, der Beklagten eine zukünftige Veröffentlichung wie in dem Artikel vom 13. Juni 2013 zu untersagen, scheitert ein Unterlassungsanspruch am Fehlen einer Wiederholungs- bzw. Erstbegehungsgefahr, die eine - vom Kläger darzulegende - Anspruchsvoraussetzung ist (vgl. Senatsurteile vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03, aaO Rn. 17 und vom 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08, aaO Rn. 28 ff.). Insoweit kann die Gefahr einer drohenden Rechtsverletzung neu entstehen, nachdem zuvor der Anspruch erloschen ist. Dafür reicht jedoch die bloße Möglichkeit eines erneuten Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht des Klägers durch die Beklagte ohne konkrete Hinweise darauf nicht aus. Die drohende Verletzungshandlung müsste sich vielmehr in tatsächlicher Hinsicht so konkret abzeichnen, dass eine zuverlässige Beurteilung unter rechtlichen Gesichtspunkten möglich wäre (vgl. Senatsurteil vom 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08, aaO Rn. 30 mwN). Eine dafür erforderliche drohende Rechtsverletzung seitens der Beklagten hat der Kläger nicht dargelegt. Sie ist auch nicht ersichtlich. Allein der Umstand, dass der Kläger in dem Strafverfahren freigesprochen worden ist, vermag die für den Unterlassungsanspruch er- forderliche konkrete Gefahr einer Rechtsverletzung durch die Beklagte jedenfalls noch nicht zu begründen. Galke Wellner Diederichsen Pauge Stöhr
LG Köln, Entscheidung vom 22.06.2011 - 28 O 956/10 -
OLG Köln, Entscheidung vom 14.02.2012 - 15 U 123/11 -
(1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und der Verteidiger anwesend und die Beweismittel herbeigeschafft, insbesondere die geladenen Zeugen und Sachverständigen erschienen sind.
(2) Die Zeugen verlassen den Sitzungssaal. Der Vorsitzende vernimmt den Angeklagten über seine persönlichen Verhältnisse.
(3) Darauf verliest der Staatsanwalt den Anklagesatz. Dabei legt er in den Fällen des § 207 Abs. 3 die neue Anklageschrift zugrunde. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 3 trägt der Staatsanwalt den Anklagesatz mit der dem Eröffnungsbeschluß zugrunde liegenden rechtlichen Würdigung vor; außerdem kann er seine abweichende Rechtsauffassung äußern. In den Fällen des § 207 Abs. 2 Nr. 4 berücksichtigt er die Änderungen, die das Gericht bei der Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung beschlossen hat.
(4) Der Vorsitzende teilt mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Diese Pflicht gilt auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich Änderungen gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung ergeben haben.
(5) Sodann wird der Angeklagte darauf hingewiesen, daß es ihm freistehe, sich zu der Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Ist der Angeklagte zur Äußerung bereit, so wird er nach Maßgabe des § 136 Abs. 2 zur Sache vernommen. Auf Antrag erhält der Verteidiger in besonders umfangreichen erstinstanzlichen Verfahren vor dem Land- oder Oberlandesgericht, in denen die Hauptverhandlung voraussichtlich länger als zehn Tage dauern wird, Gelegenheit, vor der Vernehmung des Angeklagten für diesen eine Erklärung zur Anklage abzugeben, die den Schlussvortrag nicht vorwegnehmen darf. Der Vorsitzende kann dem Verteidiger aufgeben, die weitere Erklärung schriftlich einzureichen, wenn ansonsten der Verfahrensablauf erheblich verzögert würde; § 249 Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend. Vorstrafen des Angeklagten sollen nur insoweit festgestellt werden, als sie für die Entscheidung von Bedeutung sind. Wann sie festgestellt werden, bestimmt der Vorsitzende.
(1) Erklärungen des Angeklagten, die in einem richterlichen Protokoll oder in einer Bild-Ton-Aufzeichnung einer Vernehmung enthalten sind, können zum Zweck der Beweisaufnahme über ein Geständnis verlesen beziehungsweise vorgeführt werden.
(2) Dasselbe kann geschehen, wenn ein in der Vernehmung hervortretender Widerspruch mit der früheren Aussage nicht auf andere Weise ohne Unterbrechung der Hauptverhandlung festgestellt oder behoben werden kann.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich mit der Klage gegen eine Berichterstattung in der von der Beklagten verlegten Zeitschrift SUPER ILLU. Die Klägerin unterhält seit 2001 eine Beziehung zu dem damaligen Ehemann der Schauspielerin Uschi Glas, B. T.. In Nr. 11/02 der genannten Zeitschrift erschien ein Artikel ihres Chefredakteurs unter der Überschrift "Ein Kompliment für Sachsens schöne Mädchen", in dem sich unter einem Portraitfoto der Klägerin (im Folgenden: Foto 1) die Bildunterschrift befindet "Die UschiGlas -Rivalin Anke S... stammt aus P...". Im Heftinneren wurde dieses Foto in einem Artikel unter der Überschrift "Die Sächsin. Eine ganz besondere Frau" nochmals vergrößert veröffentlicht. Es trägt die Bildnebenschrift "Erinnerung an Urlaub. Die Uschi-Glas-Rivalin wird von Freunden als sportlich, fleißig, fröhlich und geschäftstüchtig beschrieben". Auf dieser Seite befindet sich mit der Bildunterschrift "Münchener Szene" ein Bild der Klägerin, das auf einer Weihnachtsparty in München 1996 aufgenommen wurde (Foto 2). Im Rahmen des Artikels ist ein weiteres Foto der Klägerin veröffentlicht, das sie mit B. T. beimSpaziergang am Deininger Weiher zeigt (Foto 3); darunter findet sich die Bildunterschrift : "Als dieses Foto Anfang Februar erschien, wurde die Affäre von Anke und B. T. bekannt". Unter der Überschrift des Artikels findet sich eine Unterüberschrift , in der es u.a. heißt: "Die junge Rivalin, die in die Ehe von Uschi Glas einbrach, stammt aus P...". In dem Artikel wird kurz der Lebenslauf der Klägerin geschildert. Die Klägerin begehrt die Unterlassung der erneuten Veröffentlichung der genannten Fotos und einiger Textbeiträge. Die Beklagte hält die Veröffentlichung unter dem Gesichtspunkt eines überwiegenden Informationsinteresses sowie deswegen für zulässig, weil die Klägerin und B. T. im Januar 2003 ihre Beziehung selbst öffentlich gemacht hätten. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten durch das angefochtene Urteil im wesentlichen abgewiesen. Lediglich den Unterlassungsausspruch hinsichtlich des mit der Bildunterschrift "Münchener Szene" versehenen Fotos (Foto 2) hat es aufrecht erhalten. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage, unter welchen Voraussetzungen ein Unterlassungsanspruch bezüglich der erneuten Veröffentlichung ursprünglich rechtswidrig verbreiteter Fotografien nachträglich entfallen kann.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht verneint eine ausdrückliche und eine konkludente Einwilligung in die Veröffentlichung der Fotos. Es ist weiter der Ansicht, die Klägerin sei durch ihre Beziehung mit B. T. nicht zu einer Person der Zeitgeschich-te geworden. Aus der "Begleiterrechtsprechung" lasse sich für den Fall nichts herleiten. Das öffentliche Interesse an der Klägerin sei erst durch die identifizierende Berichterstattung begründet worden, die das Ziel verfolgt habe, die Klägerin als "Rivalin" von Uschi Glas aufzubauen und das Zerbrechen der Ehe Glas/T. als öffentliches zeitgeschichtliches Ereignis erst zu konstituieren. Ein überwiegendes Informationsinteresse an der lediglich der Befriedigung von Neugier und Sensationslust dienenden Berichterstattung habe nicht bestanden. Es gehe jedoch nicht um die Feststellung der Rechtswidrigkeit der seinerzeitigen Veröffentlichung, sondern um die Unterlassung erneuter Veröffentlichung. Insoweit fehle die Wiederholungsgefahr hinsichtlich der Fotos 1 und 3. Eine erneute Veröffentlichung der Fotos stelle keine Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin dar. Durch den gemeinsamen Auftritt der Klägerin mit B. T. bei der Veranstaltung zur Verleihung des deutschen Videopreises im Januar 2003 und die dabei abgegebenen Erklärungen habe die Klägerin ihre Privat - und Sozialsphäre insoweit selbst öffentlich gemacht. Mit dem bisherigen Rechtsschutzanspruch, der damit begründet worden sei, die Klägerin habe ein Recht auf Anonymität und trage in keiner Weise dazu bei, daß ihr Privatleben an die Öffentlichkeit gelange, könne sie nicht mehr durchdringen. Die Annahme eines überwiegenden Interesses der Beklagten an der Publikation von Bildern der Klägerin gelte allerdings nicht schrankenlos. Der Beklagten seien insoweit zeitliche und inhaltliche Grenzen gesetzt. Zeitlich seien derartige Veröffentlichungen nur so lange als rechtmäßig zu bewerten, wie das Scheitern der Ehe Glas/T. noch als zeitgeschichtlicher Vorgang angesehen werden müsse, an dem die Öffentlichkeit ein Interesse habe. Nach der inzwischen rechtskräftigen Scheidung dieser Ehe werde die Bedeutung des Vorgangs auch für das öffentliche Informationsinteresse stetig abnehmen, so daß die Klägerin jedenfalls nicht zeitlich unbegrenzt Veröffentlichungen von Fotogra-
fien, die sie abbilden, hinnehmen müsse. Gegenwärtig müsse allerdings das Interesse der Klägerin an der Unterlassung nicht genehmigter Bildveröffentlichungen wegen fortbestehender Aktualität des Vorgangs noch für einen begrenzten Zeitraum hinter dem Informationsinteresse zurücktreten. Darüber hinaus müsse die Klägerin auch keineswegs eine Veröffentlichung sämtlicher der Presse zugänglich gemachter Fotografien hinnehmen. Es bestehe kein überwiegendes Veröffentlichungsinteresse an Bildern, die die Klägerin in Bereichen der geschützten Intim- und Privatsphäre zeigten bzw. die aus früherer Zeit stammten und in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit ihrem heutigen Leben als Partnerin von B. T. stünden. Davon ausgehend könne hinsichtlich des Fotos 1, eines neutralen Portraitfotos, ebensowenig von einem berechtigten Interesse an der Unterlassung ausgegangen werden, wie hinsichtlich des aus der Privatsphäre stammenden Fotos 3 (Deininger Weiher), nachdem die Klägerin sich zu ihrer Beziehung bekannt habe. Anderes gelte für Foto 2, das nichts mit dem zeitgeschichtlichen Ereignis der Ehekrise Glas/T. zu tun habe und zu einem Bereich der Persönlichkeit der Klägerin gehöre, der bislang in keiner Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sei. Die beanstandete Textberichterstattung könne im Hinblick darauf, daß die Klägerin zwischenzeitlich hinsichtlich ihrer Beziehung zu B. T. selbst an die Öffentlichkeit getreten sei, ebenfalls nicht mehr untersagt werden.
II.
Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision nur teilweise stand.1. Das Berufungsgericht verneint mit dem Landgericht eine Einwilligung der Klägerin in die Veröffentlichung der Fotos. Dies nimmt die Revision als ihr günstig hin. Diese Wertung ist auch nicht zu beanstanden. 2. Nach den Ausführungen des Berufungsgerichts war die von der Beklagten vorgenommene Veröffentlichung rechtswidrig.
a) Davon geht im Ergebnis auch die Revision aus. Soweit sie dem Berufungsgericht vorwirft, die Systematik der §§ 22, 23 KUG verkannt und trotz Verneinung der Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG eine Abwägung nach § 23 Abs. 2 KUG vorgenommen zu haben, sind dessen Ausführungen so zu verstehen, daß eine Abwägung zwischen den widerstreitenden Grundrechten aus den Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 5 Abs. 1 GG vorgenommen wird, um festzustellen , ob die hier in Frage stehenden Bildnisse dem "Bereiche der Zeitgeschichte" überhaupt zugeordnet werden können. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden. § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG erlaubt die Veröffentlichung von Bildnissen aus dem Bereich der Zeitgeschichte unabhängig von dem Einwilligungserfordernis des § 22 KUG. Die Vorschrift nimmt nach der gesetzgeberischen Intention und nach Sinn und Zweck der Regelung auf das Informationsinteresse der Allgemeinheit und auf die Pressefreiheit Rücksicht. Die Belange der Öffentlichkeit sind daher gerade bei der Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals zu beachten. Das weitere dem Grundrechtseinfluß offen stehende Tatbestandsmerkmal des "berechtigten Interesses" in § 23 Abs. 2 KUG bezieht sich von vornherein nur auf Personen von zeitgeschichtlicher Bedeutung und kann folglich die Belange der Pressefreiheit nicht mehr ausreichend aufnehmen, wenn diese zuvor bei der Abgrenzung des Personenkreises außer acht gelassen worden sind (BVerfGE 101, 361, 391 f.; BVerfG, NJW 2001, 1921, 1922 f.). Eine Abwägung der widerstreitenden Grundrechte
aus Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 5 Abs. 1 GG ist mithin schon bei der Zuordnung zum Bereich der Zeitgeschichte erforderlich, wobei der Beurteilung ein normativer Maßstab zugrunde zu legen ist, der der Pressefreiheit und zugleich dem Persönlichkeitsschutz ausreichend Rechnung trägt (BVerfG, NJW 2001, 1921, 1922). Demgemäß verlangt auch der erkennende Senat, daß bereits in diesem Zusammenhang eine Interessenabwägung hinsichtlich der betroffenen Grundrechte vorzunehmen ist (Senatsurteile vom 12. Dezember 1995 - VI ZR 223/94 - NJW 1996, 985, 986 = VersR 1996, 341 f.; vom 9. März 2004 - VI ZR 217/03 - VersR 2004, 863 und vom 28. September 2004 - VI ZR 305/03 - zur Veröffentlichung bestimmt, sub II 2 a; vgl. ferner Wenzel/von Strobl-Albeg, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 8 Rn. 4 ff.).
b) Nicht zu beanstanden ist auch unter Berücksichtigung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 24. Juni 2004 (NJW 2004, 2647 ff.), daß das Berufungsgericht bei seiner Abwägung die Ehekrise Glas/T. wegen des daran bestehenden öffentlichen Interesses als zeitgeschichtlichen Vorgang ansieht, gleichwohl aber (ausgehend von der hergebrachten Definition der absoluten und relativen Person der Zeitgeschichte) für die Zeit vor dem öffentlichen Auftreten der Klägerin (hierzu unten 3 c) ein überwiegendes Informationsinteresse am Privatleben der Klägerin verneint. 3. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Unterlassungsklage sei weitgehend unbegründet, weil die Klägerin jedenfalls für einen gewissen Zeitraum die Bildberichterstattung über sich im Zusammenhang mit der Ehekrise und nachfolgenden Scheidung von Uschi Glas und B. T. dulden müsse, hält revisionsrechtlicher Überprüfung nur zum Teil stand.
a) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, eine Verurteilung zur Unterlassung einer Handlung könne nicht ohne weiteres darauf gestützt werden , daß in der Vergangenheit eine Rechtsverletzung stattgefunden hat. Eine solche Verurteilung kann vielmehr nur dann erfolgen, wenn eine erneute Rechtsverletzung künftig zu erwarten ist. Ob dies der Fall ist, wird unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr geprüft. Das Bestehen einer Wiederholungsgefahr , also die Besorgnis weiterer Beeinträchtigungen (vgl. § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB), ist Tatbestandsmerkmal jedes Unterlassungsanspruchs und damit materielle Anspruchsvoraussetzung (BGH, Urteile vom 13. Mai 1987 - I ZR 79/85 - NJW 1987, 3251, 3253; vom 16. Januar 1992 - I ZR 84/90 - GRUR 1992, 318, 319; vom 10. Februar 1994 - I ZR 16/92 - NJW 1994, 2096; Bamberger/Roth/Fritzsche, BGB, § 1004 Rn. 78; MünchKomm-BGB/Medicus, 4. Aufl., § 1004 Rn. 97; Staudinger/Gursky, BGB, Neubearbeitung 1999, § 1004 Rn. 208; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl., Kap. 6 Rn. 7; Wenzel/Burkhardt, aaO, Kap. 12 Rn. 7). Dies ergibt sich aus der Rechtsnatur des Unterlassungsanspruchs. Auch wer in der Vergangenheit in seinen Rechten verletzt worden ist, hat keinen Anspruch darauf, daß ein Verhalten unterlassen wird, das sich inzwischen als nicht mehr rechtswidrig darstellt (so Teplitzky, aaO, Kap. 6 Rn. 4). Davon gehen letztlich auch diejenigen Stimmen aus, die der Wiederholungsgefahr lediglich prozessuale Bedeutung beimessen (Nachweise bei MünchKomm-BGB/Medicus, aaO und Teplitzky, aaO, Rn. 6).
b) Die Ausführungen der Revision dazu, daß ein Wegfall der Wiederholungsgefahr hier nicht bejaht werden könne, berücksichtigen nicht ausreichend, daß sich das Fehlen der Wiederholungsgefahr aufgrund unterschiedlicher Umstände ergeben kann. Die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung mag der häufigste Grund für die Beseitigung dieser Gefahr sein. Er ist aber keineswegs der einzige. Die Überlegung, daß die Wiederholungsgefahr bei bereits
geschehener Rechtsverletzung vermutet wird und daß an die Widerlegung der Vermutung strenge Anforderungen zu stellen sind, hilft jedenfalls dann nicht weiter, wenn es nicht um eine Abschätzung des mutmaßlichen künftigen Verhaltens des Rechtsverletzers geht, sondern darum, ob die Wiederholungsgefahr aufgrund veränderter Umstände aus rechtlichen Gründen zu verneinen ist.
c) Hier hat das Berufungsgericht geprüft, inwieweit die Voraussetzungen des § 23 KUG hinsichtlich künftiger Veröffentlichungen auch noch nach dem Auftreten der Klägerin bei der Veranstaltung zur Verleihung des deutschen Videopreises vorliegen. Diese Frage ist für die in Rede stehenden Fotos 1 und 3, deren Veröffentlichung das Berufungsgericht derzeit gleichermaßen für zulässig hält, richtigerweise unterschiedlich zu beantworten. aa) Das Berufungsgericht stützt seine Bewertung darauf, daß sich die Klägerin durch ihr Auftreten in einen zeitgeschichtlichen Vorgang eingeordnet habe, so daß sie einer dies darstellenden Berichterstattung nicht ihr Recht auf Privatheit und Anonymität entgegenhalten könne. Diese Überlegung ist im Grundsatz nicht zu beanstanden. In der Rechtsprechung sowohl des Bundesverfassungsgerichts als auch des erkennenden Senats ist bereits mehrfach betont worden, daß sich niemand auf ein Recht zur Privatheit hinsichtlich solcher Tatsachen berufen kann, die er selbst der Öffentlichkeit preisgibt (BVerfGE 101, 361, 385; BVerfG, NJW 2000, 1021, 1022 f.; Senat, Urteile vom 9. Dezember 2003 - VI ZR 373/02 - VersR 2004, 522, 524 = NJW 2004, 762 und - VI ZR 404/02 - VersR 2004, 525, 526 = NJW 2004, 766). Der Schutz der Privatsphäre vor öffentlicher Kenntnisnahme entfällt, soweit sich jemand selbst damit einverstanden zeigt, daß bestimmte, gewöhnlich als privat geltende Angelegenheiten öffentlich gemacht werden; die Erwartung, daß die Umwelt die Angelegenheiten oder Verhaltensweisen in einem Bereich mit
Rückzugsfunktion nur begrenzt oder nicht zur Kenntnis nimmt, muß situationsübergreifend und konsistent zum Ausdruck gebracht werden (BVerfGE 101, 361, 385; BVerfG, NJW 2000, 1021, 1023; zur Problematik vgl. Wenzel/von Strobl-Albeg, aaO, Kap. 8 Rn. 75; Neben, Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem, S. 230 f.; Seitz, NJW 2000, 2167). Dies gilt auch und insbesondere für den Bildnisschutz bei Anwendung der §§ 22, 23 KUG, die mit ihrem abgestuften Schutzkonzept einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Schutz der Persönlichkeit und den Informationsinteressen der Allgemeinheit anstreben, gilt also auch, soweit bereits bei der Anwendung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG eine Interessenabwägung vorzunehmen ist. bb) Unter den Umständen des Streitfalls durfte das Berufungsgericht eine künftige in zeitlicher Nähe zu den Vorgängen stehende erneute Veröffentlichung des Portraitfotos (Foto 1) als nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG erlaubt ansehen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, die von der Revision nicht konkret beanstandet worden sind, liegt hier ein Fall vor, in dem die Betroffene gerade nicht situationsübergreifend und konsistent zum Ausdruck gebracht hat, ihre Privatsphäre solle nicht Gegenstand der Berichterstattung in der Presse sein. Die Klägerin hat sich danach selbst mit ihrem öffentlichen Auftritt an die Öffentlichkeit gewandt, ihre Identität und ihre Rolle als neue Lebensgefährtin von B. T. auch gegenüber der Boulevardpresse offengelegt und dies sowohl mit dem von ihr gebilligten Interview ihres Partners als auch mit der Einwilligung in die von ihr und B. T. dabei angefertigten Fotografien dokumentiert. Ohne Rechtsfehler nimmt das Berufungsgericht an, unter diesen Umständen dürfe das hier in Frage stehende neutrale Portraitfoto in dem vom Berufungsgericht gekennzeichneten Zeitraum trotz seines fehlenden Bezuges zu
dem zeitgeschichtlichen Vorgang veröffentlicht werden, weil es die Privatsphäre der Klägerin nur insoweit berühre, als sie als Person optisch in gleicher Weise identifizierbar werde, wie es durch die von ihr gebilligten Aufnahmen anläßlich der Veranstaltung zur Verleihung des deutschen Videopreises auch geschehen sei. Die Verwendung kontextneutraler Fotoaufnahmen bei der Presseberichterstattung ist nicht zu beanstanden, wenn weder die Veröffentlichung des jeweiligen Fotos als solche noch der Zusammenhang, in dem es gebracht wird, das Persönlichkeitsrecht des Abgebildeten beeinträchtigen (vgl. BVerfG, NJW 2001, 1921, 1924 ff.; Senatsurteil vom 9. März 2004 - VI ZR 217/03 - VersR 2004, 863, 864; Wenzel/von Strobl-Albeg, aaO, Kap. 8 Rn. 26 ff.). Dies ist nach den nicht zu beanstandenden Ausführungen des Berufungsgerichts hinsichtlich des Fotos 1 der Fall. cc) Anders verhält es sich hingegen mit dem Foto 3, das die Klägerin mit B. T. am Deininger Weiher zeigt. Eine ausdrückliche oder stillschweigende Einwilligung der Klägerin in die Veröffentlichung dieses Fotos hat das Berufungsgericht - wie ausgeführt - ohne Rechtsfehler verneint. Seine Auffassung, dieses Foto dürfe gleichwohl nunmehr veröffentlicht werden, weil es nach dem ausdrücklichen Bekenntnis der Klägerin zu dieser Beziehung und den in ihrem Einverständnis gefertigten, die Beziehungspartner abbildenden Fotografien keinen weitergehenden Gehalt aufweise, ist nicht zutreffend. Das Foto zeigt die Klägerin nicht nur in einer erkennbar privaten Situation (vgl. hierzu Senatsurteil BGHZ 131, 332, 337 ff.). Es stammt auch aus einer Zeit, zu der sie ihre Privatsphäre noch nicht preisgegeben hatte und zu der seine Veröffentlichung mangels eines berechtigten Informationsinteresses als rechtswidrig anzusehen war. Eine Veränderung der Umstände kann die Veröffentlichung derartiger Fotos nur unter besonderen Voraussetzungen rechtfertigen, für die hier nichts vorgetragen ist. Daß ein Foto geeignet sein kann, einen inzwischen von der ab-
gebildeten Person der Öffentlichkeit preisgegebenen Teil ihres Privatlebens zu illustrieren, reicht dazu nicht aus. Wer - möglicherweise unter dem tatsächlichen Druck einer nicht mehr rückgängig zu machenden Berichterstattung - an die Öffentlichkeit tritt, muß nicht hinnehmen, daß die nunmehr im Grundsatz zulässige Berichterstattung über ihn mit Fotos bebildert wird, die der Öffentlichkeit zunächst nur unter Verletzung des Persönlichkeitsrechts zugänglich gemacht werden konnten. Insoweit kann ein überwiegendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit nicht bejaht werden. Diesem Interesse kann ausreichend dadurch Rechnung getragen werden, daß zulässig zu veröffentlichendes Bildmaterial aus neuerer Zeit verwendet wird. 4. Soweit sich die Revision gegen das Berufungsurteil wegen der Ausführungen zur Wortberichterstattung der Beklagten wendet, ist sie unzulässig, weil das Berufungsgericht sie nicht zugelassen hat. Das Berufungsgericht hat eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß es die Revision nur zur Klärung der Rechtsfrage zulassen will, unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch auf Unterlassung der erneuten Veröffentlichung ursprünglich rechtswidrig verbreiteter Fotografien nachträglich entfallen kann. Zwar enthält der Tenor des Berufungsurteils eine solche Einschränkung nicht. Es genügt jedoch, daß sich die Einschränkung mit ausreichender Deutlichkeit aus den Entscheidungsgründen ergibt (BGHZ 48, 134, 136; 153, 358, 360 f.). Hat das Berufungsgericht über mehrere selbständige prozessuale Ansprüche entschieden und ist die Rechtsfrage, deretwegen es die Revision zugelassen hat, nur für einen von ihnen erheblich, so ist in der Angabe des Zulassungsgrundes regelmäßig die - wie geboten - eindeutige Beschränkung der Zulassung der Revision auf diesen Anspruch zu sehen (BGHZ 48, 134, 136; 153, 358, 361 f.).
Nach ständiger Rechtsprechung kann das Berufungsgericht die Zulassung der Revision auf einen rechtlich selbständigen und abtrennbaren Teil des Streitstoffes beschränken, auf den auch die Partei selbst ihre Revision begrenzen könnte (Senatsurteile BGHZ 76, 397, 399 und vom 9. Dezember 2003 - VI ZR 404/02 - VersR 2004, 525). Unzulässig ist es, die Zulassung auf einzelne von mehreren Anspruchsgrundlagen oder auf bestimmte Rechtsfragen zu beschränken (BGHZ 101, 276, 278; 111, 158, 166 jeweils m.w.Nachw.). Der Teil des Prozeßstoffs, für den die Zulassung ausgesprochen wird, muß vom restlichen Prozeßstoff abtrennbar sein; im Falle einer Zurückverweisung darf die Änderung dieses Teils nicht in die Gefahr eines Wide rspruchs zu dem nicht anfechtbaren Teil geraten (BGH, Urteile vom 4. Juni 2003 - VIII ZR 91/02 - ZIP 2003, 1399, 1401; vom 23. September 2003 - XI ZR 135/02 - NJW 2003, 3703 f.). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
III.
Soweit die Revision begründet ist, kann der Senat selbst entscheiden, weil die Sache entscheidungsreif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.Müller Greiner Diederichsen Pauge Zoll
Wer berechtigt ist, Ersatz für Aufwendungen zu verlangen, die er für einen bestimmten Zweck macht, kann, wenn er für diesen Zweck eine Verbindlichkeit eingeht, Befreiung von der Verbindlichkeit verlangen. Ist die Verbindlichkeit noch nicht fällig, so kann ihm der Ersatzpflichtige, statt ihn zu befreien, Sicherheit leisten.
(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.
(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.
(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.
(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.