Oberlandesgericht Köln Urteil, 28. Aug. 2015 - 20 U 88/15
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 4. Mai 2015 verkündete Urteil der 26. Zivilkammer des Landgerichts Köln ‑ 26 O 275/14 - wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Gründe
2I.
Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
3II.
4Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.
5Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der von ihr auf den Versicherungsvertrag geleisteten Prämien abzüglich des ausgekehrten Betrags gemäß § 812 Abs. 1 BGB. Der Versicherungsvertrag ist auf der Grundlage des Antragsmodells wirksam mit Versicherungsbeginn zum 1. August 1998 zustande gekommen. Die Klägerin ist nicht innerhalb von 14 Tagen nach Abschluss des Vertrages vom Vertrag zurückgetreten (§ 8 Abs. 5 Satz 1 VVG a.F). Der erst mit Anwaltsschreiben vom 6. Juli 2010 erklärte Rücktritt war verfristet.
6In Betracht zu ziehen ist alleine ein Vertragsschluss nach dem Antragsmodell. Die Klägerin hatte zwar noch in der Anspruchsbegründung behauptet, die vollständigen Unterlagen erst mit dem Versicherungsschein erhalten zu haben. Sie ist aber in der Folge der Darstellung der Beklagten, wonach ihr die Unterlagen schon mit der Antragstellung überlassen worden sind, nicht weiter entgegengetreten und hat sich nur noch auf ein Rücktrittsrecht gestützt. Unabhängig davon ist der Erhalt der Unterlagen durch die im Antragsformular enthaltene, drucktechnisch durch Fettschrift hervorgehobene und von der Klägerin gesondert unterschriebene Empfangsbestätigung belegt. Diese Erklärung ist wirksam; sie verstößt nicht gegen § 309 Nr. 12 Buchst. b) BGB. Danach sind zwar grundsätzlich formularmäßige Bestimmungen, mit denen der andere Vertragsteil bestimmte Tatsachen bestätigt, unwirksam; dies gilt aber nicht für Empfangsbekenntnisse, die gesondert unterschrieben sind. Ein gesondert unterzeichnetes Empfangsbekenntnis reicht zur Wirksamkeit der Bestimmung nur dann nicht aus, wenn sich der Verwender zugleich auch Rechtstatsachen oder die rechtliche Bewertung von Tatsachen bestätigen lässt (vgl. BGH, VersR 1990, 91), was hier nicht der Fall ist.
7Die Rücktrittsbelehrung, die sich im Versicherungsantrag vom 19. Juni 1998 (GA 54) findet, lautet:
8„Rücktrittsrecht
9Sofern mir alle gesetzlichen Verbraucherinformationen und alle für diesen Antrag geltenden Versicherungsbedingungen bei Antragstellung ausgehändigt wurden, steht mir folgendes Rücktrittsrecht vom Vertrag zu: Ich kann innerhalb einer Frist von 14 Tagen nach Abschluß des Vertrages vom Vertrag zurücktreten. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung der Rücktrittserklärung an den Versicherer.
10Die Frist beginnt erst zu laufen, wenn der Versicherer den Versicherungsnehmer über sein Rücktrittsrecht belehrt und der Versicherungsnehmer die Belehrung durch Unterschrift bestätigt hat. Unterbleibt die Belehrung, so erlischt das Rücktrittsrecht einen Monat nach Zahlung des ersten Beitrags.
11Sofern ich nicht die oben genannten Verbraucherinformationen bei Antragstellung alle erhalten habe, gilt nicht das Rücktrittsrecht, sondern das Widerspruchsrecht, über das ich mit Erhalt des Versicherungsscheins belehrt werde.“
12Diese Belehrung genügt formal und inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen. § 8 Abs. 5 Satz 2 VVG a.F. verlangt lediglich eine Belehrung über das Rücktrittsrecht, ohne näher zu beschreiben, welche Form und welchen Inhalt die Belehrung haben muss. Gleichwohl ist zu verlangen, dass die Belehrung inhaltlich möglichst umfassend, unmissverständlich und aus der Sicht der Verbraucher eindeutig sein muss; sie muss ferner so gestaltet sein, dass sie dem Aufklärungsziel Rechnung trägt und darauf angelegt ist, den Angesprochenen aufmerksam zu machen und das maßgebliche Wissen zu vermitteln (BGH, VersR 2015, 224 und VersR 2013, 1513).
13An einer ausreichenden drucktechnischen Hervorhebung kann es fehlen, wenn die Belehrung inmitten eines Textblocks abgedruckt ist, der weitere Informationen, etwa über die Ermächtigung zur Entbindung von der Schweigepflicht, zur Datenverarbeitung und zum Widerspruch in der Unfallversicherung, enthält, und der Hinweis auf das Rücktrittsrecht innerhalb des Textblocks in keiner Weise drucktechnisch hervorgehoben wird (so im Fall BGH, VersR 2015, 224).
14Die vorliegende Belehrung im Antragsformular genügt in formaler Hinsicht den Anforderungen. Der gesamte Belehrungstext ist in Fettdruck gehalten und zudem durch die drucktechnisch größer gestaltete Überschrift „Rücktrittsrecht“ besonders hervorgehoben. Die Beklagte arbeitet zwar auch in einer anderen Passage des Antrags mit diesen Hervorhebungsmitteln („Gesetzliche Verbraucherinformationen“). Gleichwohl ist die Belehrung über das Rücktrittsrecht auch deshalb nicht zu übersehen, weil der Versicherungsnehmer die Belehrung unmittelbar neben dem Text mit seiner Unterschriftsleistung zu bestätigen hat, was vorliegend auch geschehen ist.
15Auch inhaltlich ist die Belehrung nicht zu beanstanden. Insbesondere muss sich die Belehrung nicht über die mögliche Form der Rücktrittserklärung verhalten, weil nicht einmal das Gesetz eindeutig Schriftlichkeit verlangt (OLG Köln ‑ 20. Zivilsenat -, Urt. v. 1. August 2014 - 20 U 21/14 -, juris; im Ergebnis ebenso OLG München, Urt. v. 23. Oktober 2014 - 14 U 875/14 -). Aus der gesetzlichen Formulierung in § 8 Abs. 5 Satz 1 VVG a.F. ergibt sich nicht, dass der Rücktritt schriftlich zu erfolgen hat, denn anders als in § 8 Abs. 4 Satz 1 VVG a.F., der den Widerruf eines Versicherungsvertrags regelt, fehlt in § 8 Abs. 5 Satz 1 VVG a.F. das Wort „schriftlich“. Ob aus der Formulierung in § 8 Abs. 5 Satz 2 VVG a.F., wonach die rechtzeitige Absendung der Rücktrittserklärung ausreicht, auf ein Schriftformerfordernis geschlossen werden kann, ist in der versicherungsrechtlichen Literatur streitig. Es wird die Auffassung vertreten, der Rücktritt müsse nicht schriftlich erklärt werden (vgl. BK-Gruber, § 8 VVG, Rn. 99). Zwar wird in der Literatur überwiegend aus der Verwendung des Wortes „Absendung“ gefolgert, dass für den Rücktritt die Schriftform erforderlich ist (vgl. etwa Prölss in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 8 VVG, Rn. 54; Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., § 8, Rn. 70). Es kann indes nicht Sache des Versicherers sein, die insoweit unklare gesetzliche Bestimmung im Rahmen der Belehrung in bestimmter Weise auszulegen; vielmehr reicht es aus, wenn die Belehrung sich am Gesetzestext orientiert, was hier geschehen ist.
16Die Rücktrittsfrist von 14 Tagen ab Vertragsschluss ist somit wirksam in Gang gesetzt worden, so dass der erst 2010 erklärte Rücktritt verfristet ist. Auf die Monatsfrist des § 8 Abs. 5 Satz 4 VVG a.F. kommt es vorliegend nicht an.
172.
18Auch mit den Hilfsanträgen ist die Klage unbegründet. Die Gesamtabweisung einer Stufenklage ist dann zulässig, wenn die Prüfung ergibt, dass dem Hauptanspruch eine materiell-rechtliche Grundlage fehlt (vgl. BGH, NJW 2002, 1042, Rz. 20). Das ist vorliegend der Fall, weil etwaige Ansprüche der Klägerin auf den Mindestrückkaufswert oder auf einen Rückkaufswert ohne Stornoabzug verjährt sind.
19Der Anspruch auf einen weitergehenden Rückkaufswert verjährt unter der Geltung der §§ 195, 199 Abs. 1 BGB drei Jahre nach Ende des Jahres, in dem der Versicherer den Vertrag abgerechnet hat (vgl. BGH, VersR 2010, 1067 zu § 12 Abs. 1 VVG a.F.). Das war hier 2010 der Fall, so dass die Verjährungsfrist zum 31. Dezember 2013 ablief. Die Verjährung ist nicht durch den am 24. Dezember 2013 beim Mahngericht eingegangenen und der Beklagten am 6. Januar 2014 zugestellten Mahnbescheid gehemmt worden.
20Die Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB setzt voraus, dass die im Mahnbescheid genannte Forderung durch ihre Kennzeichnung von anderen Forderungen unterschieden und abgegrenzt werden kann (vgl. BGH, NJW 2013, 3509). Sollen mehrere selbständige Forderungen geltend gemacht werden, muss jede dieser Forderungen im Mahnbescheid individualisiert werden. Ohne die nötige Individualisierung des geltend gemachten prozessualen Anspruchs tritt eine Hemmung der Verjährung nicht ein; sie kann nach Ablauf der Verjährungsfrist auch nicht mehr verjährungshemmend nachgeholt werden. Für die hinreichende Individualisierung des geltend gemachten Anspruchs im Mahnantrag ist maßgeblich, dass der Anspruch durch seine Kennzeichnung von anderen Ansprüchen so unterschieden und abgegrenzt werden kann, dass er Grundlage eines der materiellen Rechtskraft fähigen Vollstreckungsbescheids sein kann und dem Schuldner die Beurteilung ermöglicht, ob er sich gegen den Anspruch zur Wehr setzen will (vgl. BGH, ZIP 2015, 1395).
21An einer solchen Individualisierung fehlt es vorliegend in Bezug auf die hilfsweise erhobenen Ansprüche. Im Mahnantrag ist der verfolgte Anspruch gekennzeichnet als Forderung aus „ungerechtfertigter Bereicherung“. Mit den Ansprüchen auf einen Mindestrückkaufswert bzw. auf einen Rückkaufswert ohne Abzug von Stornokosten werden indes keine Ansprüche nach §§ 812 ff. BGB, sondern Ansprüche auf Vertragserfüllung nach Vertragsbeendigung infolge Kündigung verfolgt. Es handelt sich damit nicht um unselbständige Posten eines einheitlichen Anspruchs, sondern im Gegenteil um sich gegenseitig ausschließende Ansprüche, was die Klägerin selbst dadurch zum Ausdruck gebracht hat, dass sie etwaige Ansprüche auf einen Mindestrückkaufswert bzw. auf einen Rückkaufswert ohne Stornoabzug nur hilfsweise (also gerade für den Fall, dass kein Rückabwicklungsanspruch nach wirksam erklärtem Rücktritt gegeben sein sollte) geltend machen will. Dass auch diese hilfsweise verfolgten Ansprüche Gegenstand des Mahnantrags sein sollten, war für die Beklagte als Antragsgegnerin, auf deren Erkenntnismöglichkeiten es insoweit ankommt, auch nicht ansatzweise erkennbar. Hierzu kann die Klägerin auch nicht auf das außergerichtliche Schreiben vom 6. Oktober 2010 (Anlage K 2; GA 30 f.) verweisen. Darin wird nur der „aktuelle Rückkaufswert“ verlangt, den die Beklagte unter dem 20. November 2010 abgerechnet hat (Anlage BLD 7). Dass die Klägerin über diese Abrechnung hinaus weitergehende vertragliche Ansprüche geltend machen will, hat sie weder vorgerichtlich verdeutlicht noch im Mahnantrag, in dem nur von einem Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung die Rede ist, klargestellt.
22Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Klägerin vom 20. August 2015 gibt zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung keinen Anlass.
23Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
24Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.
25Berufungsstreitwert: 5.261,39 €
26Der Hilfsantrag ist nicht werterhöhend zu berücksichtigen, weil er gebührenrechtlich denselben Gegenstand betrifft (§ 45 Abs. 1 Satz 3 GKG). Das Anspruchsziel ist bei wirtschaftlicher Betrachtung identisch. Zudem schließen sich beide Ansprüche – wie oben dargelegt – aus. Auch deswegen ist § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG anzuwenden (vgl. BGH, NJW-RR 2003, 713; OLG Rostock, OLGR 2008, 170; Zöller/Herget, ZPO, 30. Aufl., § 3 Rn. 16 „Eventual- und Hauptantrag“).
Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Köln Urteil, 28. Aug. 2015 - 20 U 88/15
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Oberlandesgericht Köln Urteil, 28. Aug. 2015 - 20 U 88/15 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).
(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil
- 1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen, - 2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
(1) Des Tatbestandes bedarf es nicht, wenn ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist. In diesem Fall bedarf es auch keiner Entscheidungsgründe, wenn die Parteien auf sie verzichten oder wenn ihr wesentlicher Inhalt in das Protokoll aufgenommen worden ist.
(2) Wird das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet, so bedarf es des Tatbestands und der Entscheidungsgründe nicht, wenn beide Parteien auf Rechtsmittel gegen das Urteil verzichten. Ist das Urteil nur für eine Partei anfechtbar, so genügt es, wenn diese verzichtet.
(3) Der Verzicht nach Absatz 1 oder 2 kann bereits vor der Verkündung des Urteils erfolgen; er muss spätestens binnen einer Woche nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Gericht erklärt sein.
(4) Die Absätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden im Fall der Verurteilung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen oder wenn zu erwarten ist, dass das Urteil im Ausland geltend gemacht werden wird.
(5) Soll ein ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe hergestelltes Urteil im Ausland geltend gemacht werden, so gelten die Vorschriften über die Vervollständigung von Versäumnis- und Anerkenntnisurteilen entsprechend.
(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.
(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 24. Januar 2014 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Aachen ‑ 9 O 307/13 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen
1
Gründe
2I.
3Der Kläger schloss mit der Beklagten eine fondgebundene Lebensversicherung mit Versicherungsbeginn zum 1. Februar 1996 ab. Der Kläger kündigte den Vertrag mit Wirkung zum 1. Juni 2010; die Beklagte zahlte einen Gesamtbetrag von 112.644,60 € aus. Mit Anwaltsschreiben vom 31. Mai 2013 erklärte der Kläger den Rücktritt nach § 8 Abs. 5 VVG a.F.
4Mit der Klage verlangt der Kläger von der Beklagten die verzinsliche Rückerstattung der geleisteten Prämien abzüglich des ausgekehrten Betrags.
5Der Kläger hat vorgetragen, er sei berechtigt gewesen, noch im Jahr 2013 vom Vertrag, der nach dem Antragsmodell geschlossen worden sei, zurückzutreten. Die Belehrung über das Rücktrittsrecht im Antrag reiche nicht aus; vielmehr sei die Beklagte gehalten gewesen, ihn (auch) bei Übersendung des Versicherungsscheins über das Rücktrittsrecht zu belehren. Auch fehle es an einer Bestätigung der Belehrung durch eine gesonderte Unterschrift. Das Rücktrittsrecht bestehe deshalb weiterhin. Die Regelung in § 8 Abs. 5 Satz 4 VVG a.F., wonach das Rücktrittsrecht einen Monat nach Zahlung der ersten Prämie erlösche, sei nicht europarechtskonform und deshalb nicht anzuwenden.
6Hilfsweise hat der Kläger die Klage auf einen Schadensersatzanspruch wegen unterlassener Aufklärung über Rückvergütungen, die von den Fondsgesellschaften an die Beklagte geflossen seien, gestützt. Die Kick-back-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei auch auf den Abschluss einer fondsgebundenen Lebensversicherung zu übertragen.
7Der Kläger hat beantragt,
81. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 82.802,90 € zu zahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4. Juni 2010;
92. die Beklagte zu verurteilen, ihn von der Verpflichtung zur Zahlung vorprozessualer Anwaltsgebühren gegenüber seinen Prozessbevollmächtigten in Höhe von 2.607,17 € freizustellen.
10Die Beklagte hat beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Sie hat sich auf den Standpunkt gestellt, die Rücktrittsbelehrung im Antrag genüge den gesetzlichen Anforderungen. Etwaige Ansprüche seien zudem verwirkt. Die Kick-back-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei auf die vorliegende Konstellation nicht anzuwenden.
13Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 24. Januar 2014, auf das wegen der tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Ausübung des Rücktrittsrechts sei treuwidrig. Die Beklagte sei auch nicht verpflichtet gewesen, über Rückvergütungen der Fondsgesellschaften aufzuklären.
14Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlich gestellten Anträge in vollem Umfang weiterverfolgt, Der Kläger führt an, dass entgegen der Auffassung des Landgerichts etwaige Ansprüche auf Rückerstattung der Prämien nicht verwirkt seien, weil das Umstandsmoment nicht erfüllt sei. Es liege auch keine unzulässige Rechtsausübung vor. Den Rücktritt nach § 8 Abs. 5 VVG a.F. hält der Kläger für wirksam.
15Der Kläger verfolgt auch einen Schadensersatzanspruch wegen unterlassener Aufklärung über Rückvergütungen, die die Beklagte von den Fondsgesellschaften erhalten habe, weiter. Die Kick-back-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei übertragbar auf den Abschluss einer fondsgebundenen Lebensversicherung, weil die Interessenlage dieselbe sei.
16Die Beklagte, die die Zurückweisung der Berufung beantragt, verteidigt das angefochtene Urteil.
17Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
18II.
19Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.
20Der Kläger hat keinen Anspruch auf verzinsliche Erstattung der von ihm auf den Versicherungsvertrag geleisteten Prämien abzüglich der ausgekehrten Beträge gemäß § 812 Abs. 1 BGB. Der Versicherungsvertrag ist auf der Grundlage des Antragsmodells wirksam mit Versicherungsbeginn zum 1. Februar 1996 zustande gekommen. Der Kläger ist nicht innerhalb von 14 Tagen nach Abschluss des Vertrages vom Vertrag zurückgetreten (§ 8 Abs. 5 Satz 1 VVG a.F). Der erst mit Anwaltsschreiben vom 31. Mai 2013 erklärte Rücktritt war verfristet.
21Die Rücktrittsbelehrung, die sich im Versicherungsantrag vom 1. Dezember 1995 (GA 30) findet, lautet:
22„Sie können innerhalb einer Frist von 14 Tagen nach Erhalt des Versicherungsscheins vom Versicherungsvertrag zurücktreten. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung der Rücktrittserklärung (§ 4 AVB).“
23Diese Belehrung genügt formal und inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen. § 8 Abs. 5 Satz 2 VVG.aF. verlangt lediglich eine Belehrung über das Rücktrittsrecht, ohne näher zu beschreiben, welche Form und welchen Inhalt die Belehrung haben muss. Gleichwohl ist – wie der Bundesgerichtshof zu der früheren Regelung in § 8 Abs. 4 Satz 4 VVG a.F. entschieden hat (VersR 2013, 1513) – zu verlangen, dass die Belehrung inhaltlich möglichst umfassend, unmissverständlich und aus der Sicht der Verbraucher eindeutig sein muss; sie muss ferner so gestaltet sein, dass sie dem Aufklärungsziel Rechnung trägt. Sie darf deshalb nicht im sonstigen Klauselwerk untergehen; es muss gewährleistet sein, dass die Belehrung vom Durchschnittskunden auch tatsächlich zur Kenntnis genommen wird (OLG Stuttgart, VersR 1995, 202). Sie darf nicht in den sonstigen Erklärungen „versteckt“ werden (BGH, VersR 1996, 221; s. auch OLG Köln – 20 Zivilsenat – Urt. v. 3. Februar 2012 – 20 U 140/11).
24Die vorliegende Belehrung im Antragsformular genügt diesen Anforderungen. Sie ist drucktechnisch hinreichend dadurch hervorgehoben, dass sie unter der Überschrift „Wichtige Hinweise“ vollständig in Fettdruck gehalten ist und zudem durch eine Umrahmung des Texts auffällig gestaltet wurde. Sie befindet sich zudem unmittelbar über den Unterschriftszeilen und fällt deshalb besonders in den Blick.
25Auch inhaltlich ist sie nicht zu beanstanden. Insbesondere muss sich die Belehrung – was der Kläger vorliegend allerdings auch nicht rügt – nicht über die mögliche Form der Rücktrittserklärung verhalten, weil nicht einmal das Gesetz eindeutig Schriftlichkeit verlangt (OLG Köln - 20. Zivilsenat -, Urt. v. 21. Oktober 2011 - 20 U 138/11-).
26Der Kläger hat die Rücktrittsbelehrung auch, wie es § 8 Abs. 5 Satz 3 VVG a.F. verlangt, durch seine Unterschrift bestätigt. Dem Gesetzeswortlaut des § 8 Abs. 5 Satz 3 VVG a.F. ist nicht zu entnehmen, dass die Rücktrittsbelehrung durch eine gesonderte Unterschrift zu bestätigen ist. Sie muss vielmehr nur „durch Unterschrift“ bestätigt werden. Hierzu reicht die Unterschrift unter den Antrag, in dem die Belehrung enthalten ist, aus (OLG Köln - 20. Zivilsenat -, Urt. v. 21. Oktober 2011 - 20 U 138/11 -; Prölss in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 8, Rn. 54 mit Rn. 46; Römer in: Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., § 8, Rn. 64).
27Schließlich ist entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht zu verlangen, dass die Belehrung über das Rücktrittsrecht (ggf. nochmals) mit der Übersendung des Versicherungsscheins erteilt werden muss. § 8 Abs. 5 Satz 3 VVG a.F. verlangt nur allgemein eine Belehrung und legt damit den Zeitpunkt der Belehrung (anders als etwa gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG, wonach die Widerspruchsbelehrung bei Aushändigung des Versicherungsscheins zu erfolgen hat) nicht fest. Deswegen reicht eine Belehrung im Versicherungsantrag aus (Prölss in: Prölss/Martin, aaO). Dies entspricht auch den europarechtlichen Vorgaben, denn gemäß Art. 31 Abs. 1 in Verbindung mit Anhang II Buchst. A, Unterpunkt a.13 der Dritten Lebensversicherungsrichtlinie (Richtlinie 92/96/EWG) sind die Modalitäten des Rücktrittsrechts vor Abschluss des Vertrags mitzuteilen; in der Übersendung des Versicherungsscheins liegt – bei Vertragsschluss nach dem Antragsmodell – aber schon die Vertragsannahme durch den Versicherer, so dass eine Belehrung zu diesem Zeitpunkt verspätet wäre.
28Dem Kläger steht auch kein Schadensersatz wegen unterlassener Aufklärung über etwaige Rückvergütungsleistungen der Fondsgesellschaften an die Beklagte zu. Zu einer solchen Aufklärung war die Beklagte nicht verpflichtet. Der Bundesgerichtshof hat inzwischen klargestellt, dass die von ihm entwickelte Kick-back-Rechtsprechung nur für den Bereich der Kapitalanlageberatung gilt (BGH, ZIP 2012, 67 ff., Rz. 39). Die bloße Vermittlung einer Lebensversicherung ist im Regelfall kein Kapitalanlagegeschäft. Der Abschluss einer fondsgebundenen Lebensversicherung mag auch der Kapitalanlage dienen; zumindest in etwa gleichwertig wird aber in aller Regel die Absicherung des Todesfallrisikos bezweckt (BGH, VersR 2012, 1149, Rz. 23). Allenfalls dann, wenn ausnahmsweise und bei Vorliegen besonderer Umstände die Absicherung des Todesfallrisikos gegenüber der Renditeerwartung erkennbar von untergeordneter Bedeutung ist, können sich erweiterte Pflichten nach den Grundsätzen zur Aufklärung über Anlagegeschäfte ergeben (vgl. BGH, WM 2012, 1577). Dafür ist vorliegend nichts ersichtlich.
29Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
30Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.
31Berufungsstreitwert: 82.802,90 €
Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.
(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem
- 1.
der Anspruch entstanden ist und - 2.
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
(2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
(3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren
- 1.
ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und - 2.
ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
(3a) Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.
(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.
(5) Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so tritt an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung.
Als Versicherungsperiode gilt, falls nicht die Prämie nach kürzeren Zeitabschnitten bemessen ist, der Zeitraum eines Jahres.
(1) Die Verjährung wird gehemmt durch
- 1.
die Erhebung der Klage auf Leistung oder auf Feststellung des Anspruchs, auf Erteilung der Vollstreckungsklausel oder auf Erlass des Vollstreckungsurteils, - 1a.
die Erhebung einer Musterfeststellungsklage für einen Anspruch, den ein Gläubiger zu dem zu der Klage geführten Klageregister wirksam angemeldet hat, wenn dem angemeldeten Anspruch derselbe Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen der Musterfeststellungsklage, - 2.
die Zustellung des Antrags im vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger, - 3.
die Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren oder des Europäischen Zahlungsbefehls im Europäischen Mahnverfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (ABl. EU Nr. L 399 S. 1), - 4.
die Veranlassung der Bekanntgabe eines Antrags, mit dem der Anspruch geltend gemacht wird, bei einer - a)
staatlichen oder staatlich anerkannten Streitbeilegungsstelle oder - b)
anderen Streitbeilegungsstelle, wenn das Verfahren im Einvernehmen mit dem Antragsgegner betrieben wird;
- 5.
die Geltendmachung der Aufrechnung des Anspruchs im Prozess, - 6.
die Zustellung der Streitverkündung, - 6a.
die Zustellung der Anmeldung zu einem Musterverfahren für darin bezeichnete Ansprüche, soweit diesen der gleiche Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen des Musterverfahrens und wenn innerhalb von drei Monaten nach dem rechtskräftigen Ende des Musterverfahrens die Klage auf Leistung oder Feststellung der in der Anmeldung bezeichneten Ansprüche erhoben wird, - 7.
die Zustellung des Antrags auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens, - 8.
den Beginn eines vereinbarten Begutachtungsverfahrens, - 9.
die Zustellung des Antrags auf Erlass eines Arrests, einer einstweiligen Verfügung oder einer einstweiligen Anordnung, oder, wenn der Antrag nicht zugestellt wird, dessen Einreichung, wenn der Arrestbefehl, die einstweilige Verfügung oder die einstweilige Anordnung innerhalb eines Monats seit Verkündung oder Zustellung an den Gläubiger dem Schuldner zugestellt wird, - 10.
die Anmeldung des Anspruchs im Insolvenzverfahren oder im Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren, - 10a.
die Anordnung einer Vollstreckungssperre nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz, durch die der Gläubiger an der Einleitung der Zwangsvollstreckung wegen des Anspruchs gehindert ist, - 11.
den Beginn des schiedsrichterlichen Verfahrens, - 12.
die Einreichung des Antrags bei einer Behörde, wenn die Zulässigkeit der Klage von der Vorentscheidung dieser Behörde abhängt und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben wird; dies gilt entsprechend für bei einem Gericht oder bei einer in Nummer 4 bezeichneten Streitbeilegungsstelle zu stellende Anträge, deren Zulässigkeit von der Vorentscheidung einer Behörde abhängt, - 13.
die Einreichung des Antrags bei dem höheren Gericht, wenn dieses das zuständige Gericht zu bestimmen hat und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben oder der Antrag, für den die Gerichtsstandsbestimmung zu erfolgen hat, gestellt wird, und - 14.
die Veranlassung der Bekanntgabe des erstmaligen Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe oder Verfahrenskostenhilfe; wird die Bekanntgabe demnächst nach der Einreichung des Antrags veranlasst, so tritt die Hemmung der Verjährung bereits mit der Einreichung ein.
(2) Die Hemmung nach Absatz 1 endet sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens. Die Hemmung nach Absatz 1 Nummer 1a endet auch sechs Monate nach der Rücknahme der Anmeldung zum Klageregister. Gerät das Verfahren dadurch in Stillstand, dass die Parteien es nicht betreiben, so tritt an die Stelle der Beendigung des Verfahrens die letzte Verfahrenshandlung der Parteien, des Gerichts oder der sonst mit dem Verfahren befassten Stelle. Die Hemmung beginnt erneut, wenn eine der Parteien das Verfahren weiter betreibt.
(3) Auf die Frist nach Absatz 1 Nr. 6a, 9, 12 und 13 finden die §§ 206, 210 und 211 entsprechende Anwendung.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
(1) In einer Klage und in einer Widerklage geltend gemachte Ansprüche, die nicht in getrennten Prozessen verhandelt werden, werden zusammengerechnet. Ein hilfsweise geltend gemachter Anspruch wird mit dem Hauptanspruch zusammengerechnet, soweit eine Entscheidung über ihn ergeht. Betreffen die Ansprüche im Fall des Satzes 1 oder 2 denselben Gegenstand, ist nur der Wert des höheren Anspruchs maßgebend.
(2) Für wechselseitig eingelegte Rechtsmittel, die nicht in getrennten Prozessen verhandelt werden, ist Absatz 1 Satz 1 und 3 entsprechend anzuwenden.
(3) Macht der Beklagte hilfsweise die Aufrechnung mit einer bestrittenen Gegenforderung geltend, erhöht sich der Streitwert um den Wert der Gegenforderung, soweit eine der Rechtskraft fähige Entscheidung über sie ergeht.
(4) Bei einer Erledigung des Rechtsstreits durch Vergleich sind die Absätze 1 bis 3 entsprechend anzuwenden.