Landgericht Köln Urteil, 24. Feb. 2016 - 26 O 247/15
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
T A T B E S T A N D :
2Die Klägerin verlangt verzinsliche Rückzahlung der Beiträge, die sie auf eine mit Wirkung zum 1.10.2003 abgeschlossene kapitalbildende Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzschutz (Reproduktion des Versicherungsscheins Nr. #######, Bl. 293 ff d.A.) geleistet hat.
3Das Übersendungsschreiben vom 17.9.2003 (in Reproduktion Bl. 30 d.A.) enthält unter der Überschrift „Widerspruchsrecht“ folgende Widerspruchsbelehrung:
4„Wie Ihnen bereits aufgrund unseres Hinweises im Versicherungsantrag bekannt ist, können Sie innerhalb von 14 Tagen nach Erhalt des Versicherungsscheins dem Versicherungsvertrag widersprechen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs.“
5Nach unwidersprochener Behauptung der Beklagten war diese Belehrung – wie in einem vorgelegten vergleichbaren Schreiben an einen anderen Versicherungsnehmer (Bl. 311 f d.A.) – in Kursivdruck gehalten.
6Insgesamt wurden von der Klägerin Beiträge in Höhe von 6.661,20 € entrichtet.
7Mit Schreiben vom 20.10.2008 (Bl. 302a d.A.) kündigten die Klägerin und Herr B insgesamt 6 Versicherungen, darunter die streitgegenständliche, zum 1.10.2008. Daraufhin ermittelte die Beklagte einen Rückkaufswert zum Kündigungszeitpunkt in Höhe von 1.294,52 € (Schreiben vom 18.11.2008, Bl. 53 d.A.), zahlte aber unstreitig lediglich 1.080,96 € aus.
8Mit anwaltlichem Schreiben vom 20.4.2015 (Bl. 54 f d.A.) wurde der „Widerspruch/Rücktritt/Widerruf“, hilfsweise die Kündigung, erklärt, mit weiterem anwaltlichen Schreiben vom 16.6.2015 (Bl. 56 f d.A.) unter Bezugnahme auf das Abrechnungsschreiben, mit dem eine Kündigung akzeptiert und eine Rückabwicklung abgelehnt wurde, erneut der „Widerspruch/Rücktritt/Widerruf“ ausgesprochen und Zahlung eines Betrages von 9.523,77 € verlangt.
9Die Klägerin ist der Ansicht, die im Anschreiben vom 17.9.2003 erteilte Belehrung sei zweifelsfrei schon deshalb mangelhaft, weil es an einem erforderlichen Hinweis auf die Notwendigkeit der Textform fehle, ebenso an einer drucktechnisch deutlichen Hervorhebung. Ihr stünde daher ein Anspruch auf Rückzahlung der Beiträge von 6.661,20 € abzüglich der Rückkaufswertzahlung in Höhe von (zunächst angenommenen) 1.294,52 € bzw. 1.080,96 € zuzüglich der von der Beklagten gezogenen Zinsen von 4.157,09 € zu.
10Hilfsweise hat die Klägerin die Zahlungsforderung auf den geschuldeten „Mindestrückkaufswert“ gestützt und entsprechende Hilfsanträge angekündigt, diese aber im Hinblick auf die von der Beklagten insoweit erhobene Einrede der Verjährung zurückgenommen.
11Die Klägerin beantragt die Beklagte zu verurteilen,
121. an sie 9.523,77 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 1.7.2015 zu zahlen,
132. an die Klägerin weitere 887,03 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
14Die Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Sie hält die erteilte Widerspruchsbelehrung für formell als auch inhaltlich ausreichend. Auch für den Fall einer nicht ordnungsgemäßen Belehrung sei die Ausübung des Widerspruchsrechts treuwidrig, indem die Klägerin sich 12 Jahre nach Vertragsschluss auf einen vermeintlichen anfänglichen Mangel berufe. Überdies komme – entgegen der nicht überzeugenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes – nach vollzogener Kündigung ein Widerspruch nicht mehr in Betracht.
17Vorsorglich macht sie umfängliche Ausführungen zur Anspruchshöhe, denen die Klägerin entgegentritt.
18Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
19E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
20Die Klage ist nicht begründet.
21Bereicherungsansprüche gemäß § 812 BGB bestehen nicht. Die Beklagte hat die von der Klägerin entrichteten Versicherungsbeiträge nicht ohne rechtlichen Grund erlangt.
22Zwar ist die 14-tägige Widerspruchsfrist gem. § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F., die beginnt, wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach Absatz 1, nämlich die Versicherungsbedingungen sowie die Verbraucherinformation nach § 10a VAG a.F. vollständig vorliegen und der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist, vorliegend nicht in Lauf gesetzt worden, weil die Widerspruchsbelehrung den an sie zu stellenden Anforderungen nicht genügt hat. Denn unabhängig von der Frage einer drucktechnischen Hervorhebung fehlt der Hinweis auf die erforderliche Form des Widerspruchs und es wird für den Beginn der Frist fehlerhaft nur auf den Erhalt des Versicherungsscheins, abgestellt.
23Indes war die Klägerin aus Rechtsgründen gehindert, noch am 20.4.2015 bzw. 16.6.2015 wirksam einen Widerspruch zu erklären. Nach den besonderen Umständen des Einzelfalles ist die Geltendmachung des Widerspruchsrechts bzw. des Bereicherungsanspruchs rechtsmissbräuchlich, so dass dem Klageanspruch der Einwand von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB entgegensteht.
24Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann nach den Umständen des Einzelfalls von einer Verwirkung des Widerspruchs-, Widerrufs- oder Rücktrittsrecht ausgegangen werden, wenn der Versicherungsnehmer ordnungsgemäß belehrt und der Vertrag jahrelang durchgeführt worden ist, während grundsätzlich einer Verwirkung die wegen fehlender oder unzutreffender Belehrung mangelnde Kenntnis vom Widerspruchsrecht entgegenstehen kann. Dies ist aber nur ein, wenngleich sicher wesentliches Element im Rahmen der Gesamtwürdigung aller Umstände, und gleichwohl können besondere Gegebenheiten die Annahme rechtfertigen, dass der Versicherer berechtigterweise mit einem Widerspruch des Versicherungsnehmers viele Jahre nach der kündigungsbedingten Vertragsbeendigung nicht mehr rechnen muss und auch der Versicherungsnehmer insoweit nicht mehr schutzwürdig ist (OLG Köln, Urteil vom 6.11.2015 – 20 U 108/15 – , Urteil vom 19.9.2014 – 20 U 69/14 – ). Demzufolge wird auch in der Rechtsprechung in Fällen einer unrichtigen Belehrung bei Hinzutreten besonderer Umstände ein Rechtsmissbrauch bzw. eine Verwirkung angenommen, so etwa in den von der Beklagten vorgelegten Entscheidungen OLG München – 25 U 3877/11 – , OLG Dresden – 7 U 146/15 – und LG Berlin – 7 O 309/14. Als besondere Umstände sind dort etwa die Inanspruchnahme der Versicherung als Kreditsicherheit, der Ablauf der Versicherung nach langem Zeitraum oder ein langer Zeitraum mit bestätigenden Handlungen des Versicherungsnehmer angenommen worden; das Oberlandesgericht Köln hat im Urteil vom 19.9.2014 (20 U 69/14) Verwirkung bei einem Zeitraum von 20 Jahren zwischen Vertragsschluss und Widerruf angenommen und dabei darauf abgestellt, dass die Frage der Kenntnis von einem Widerrufsrecht nur ein Element im Rahmen der Gesamtwürdigung aller Umstände darstelle. Entscheidend sei auch der Zweck des Widerrufsrechts, dem Versicherungsnehmer, der sich möglicherweise voreilig zu einem Vertragsabschluss entschieden habe, eine rechtliche Handhabe zu geben, um den Vertrag nicht fortsetzen zu müssen. Dieser Zweck verblasse im Laufe der Zeit und trete dann in den Hintergrund, wenn der Versicherungsnehmer den abgeschlossenen Vertrag über viele Jahre hinweg fortführe und so zu erkennen gebe, dass er am Vertrag festhalten werde. Im Urteil vom 6.11.2015 (20 U 108/15) hat das Oberlandesgericht Köln besondere Gegebenheiten darin gesehen, dass der Kläger unter Inanspruchnahme der Verbaucherzentrale über viele Jahre hinweg ausschließlich Ansprüche auf einen weitergehenden Rückkaufswert verfolgt und den vertraglichen Bestand des Versicherungsvertrages zu keiner Zeit in Abrede gestellt habe.
25Vorliegend hat die Klägerin den im Jahr 2003 geschlossenen Vertrag unter Inanspruchnahme des Versicherungsschutzes beanstandungslos geführt, die vereinbarten Prämien regelmäßig gezahlt und der Beklagten eine Anschriftenänderung mitgeteilt, ehe im Oktober 2008 die Kündigung des Vertrages ausgesprochen worden ist. Daraufhin ist ihr der kündigungsbedingte Rückkaufswert mitgeteilt und ausgezahlt worden, ohne dass die Klägerin sich hiergegen gewandt hätte. Erst fast 7 Jahre nach der Kündigung und rund 12 Jahre nach Vertragsschluss hat die Klägerin sodann durch Anwaltsschreiben den Widerspruch erklären lassen. Aufgrund der Tatsache, dass die Klägerin nach Kündigung und Entgegennahme des Rückkaufswertes einen derart langen Zeitraum zugewartet hat, ehe sie den Widerspruch erklären ließ, hat sie den Anschein erweckt, dass es mit der vertragsbeendigenden Kündigung sein Bewenden habe und aufgrund der ursprünglich fehlerhaften Widerspruchsbelehrung keine Rechte mehr geltend gemacht würden. In Zusammenschau mit dem oben dargestellten Zweck des Widerspruchsrechts und dem Zeitraum von 12 Jahren zwischen Vertragsschluss und Widerspruch genügt nach Ansicht der Kammer der verstrichene Zeitraum zwischen vertragsbeendigender Kündigung und Erklärung des Widerspruchs, um aufgrund dieser Einzelumstände ein widersprüchliches und rechtsmissbräuchliches Verhalten der nicht mehr schutzbedürftigen Klägern anzunehmen.
26Auf eine – nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes – ohnehin nicht gegebene Europarechtswidrigkeit des Policenmodells kommt es nicht an, da die Klägerin die Bereicherungsansprüche rechtsmissbräuchlich geltend macht. Dieser Einwand von Treu und Glauben greift selbst im Falle einer Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells durch. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union unterliegen nationale Rechtsmaximen, die einem Anspruch entgegengehalten werden können, dem nationalen Recht, das unter Beachtung des gemeinschaftsrechtlichen Äquivalenz- und des Effektivitätsgrundsatzes angewandt werden muss (BGH aaO mwN; BVerfG Beschlüsse vom 2.2.15 – 2 BvR 2437/14 – und vom 4.3.2015 – 1 BvR 3280/14 –).
27Da ein Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Beiträge nicht besteht, scheidet auch ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten aus.
28Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 I, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
29Streitwert: 6.661,20 €
30Der Rückkaufswert (in der unstreitig ausgezahlten Höhe von lediglich 1.080,96 €) ist auf die Zinsforderung von 4.157,09 € anzurechnen. Die verbleibende Zinsforderung ist als Nebenforderung gem. § 43 Abs. 1 GKG nicht streitwerterhöhend.
31Der – zurückgenommene – Hilfsantrag ist nicht werterhöhend zu berücksichtigen, weil er gebührenrechtlich denselben Gegenstand betrifft (§ 45 Abs. 1 Satz 3 GKG). Das Anspruchsziel ist bei wirtschaftlicher Betrachtung identisch. Zudem schließen sich beide Ansprüche (Hauptanspruch auf Rückabwicklung bzw. Hilfsantrag auf Mindestrückkaufswert bzw. auf Rückkaufswert ohne Abzug von Stornokosten) aus. Auch deswegen ist § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG anzuwenden (OLG Köln, Urteil vom 28.8.2015 – 20 U 88/15 unter Hinweis auf: BGH NJW-RR 2003, 713; OLG Rostock, OLGR 2008, 170; Zöller/Herget, ZPO, 30 . Aufl. § 3 Rn 16 „Eventual- und Hilfsantrag“).
Urteilsbesprechung zu Landgericht Köln Urteil, 24. Feb. 2016 - 26 O 247/15
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Landgericht Köln Urteil, 24. Feb. 2016 - 26 O 247/15 zitiert oder wird zitiert von 7 Urteil(en).
(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.
(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 1. Juni 2015 verkündete Urteil der 26. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 26 O 372/14 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Gründe
2I.
3Der Kläger schloss mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten eine Rentenversicherung mit aufgeschobener Rentenzahlung nebst Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung mit Versicherungsbeginn zum 1. Dezember 1996 ab. Im August 1999 kündigte er den Vertrag; die Beklagte erkannte die Kündigung zum 1. Oktober 1999 an und kehrte unter Anrechnung von Beitragsrückständen einen Betrag von 7.183,91 DM (GA 11) aus. Zu einem späteren Zeitpunkt trat der Kläger etwaige Nachzahlungsansprüche gegen die Beklagte an die Verbraucherzentrale Hamburg e.V. ab, die diese im Wege der Stufenklage verfolgte (26 O 522/06 LG Köln = 20 U 80/08 OLG Köln = IV ZR 39/10 BGH). In jenem Verfahren erklärte die Verbraucherzentrale für den Kläger nach Zurückverweisung der Sache vom Bundesgerichtshof an den Senat mit Schreiben vom 27. Februar 2014 und vom 11. Februar 2015 den Widerspruch. Mit rechtskräftigem Urteil vom 13. März 2015 (20 U 80/08) wurde die im Hauptantrag auf Rückzahlung der Prämien abzüglich Rückkaufswert umgestellte Klage insgesamt abgewiesen, wobei die Klageänderung in Bezug auf den Hauptantrag als nach § 533 ZPO unzulässig angesehen worden ist. Parallel hierzu hatte der Kläger mit außergerichtlichem Anwaltsschreiben vom 11. Juni 2014 dem Vertragsschluss widersprochen.
4Mit der Klage verlangt der Kläger von der Beklagten in erster Linie die verzinsliche Rückerstattung der auf die Hauptversicherung geleisteten Prämien abzüglich des ausgekehrten Betrags.
5Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er sei berechtigt gewesen, dem Vertragsschluss noch im Jahr 2014 zu widersprechen. Er sei über sein Widerspruchsrecht nicht ordnungsgemäß belehrt worden. § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sei nicht anwendbar. Auch der Umstand, dass der Vertrag nach der Kündigung bereits vollständig erfüllt sei, stehe der Ausübung des Widerspruchsrechts nicht entgegen.
6Der Kläger hat beantragt,
7die Beklagte zu verurteilen, an ihn 30.967,16 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB ab Klagezustellung zu zahlen.
8Die Beklagte hat beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Die Beklagte hat den Widerspruch für unwirksam gehalten und sich u.a. auf Verjährung sowie Verwirkung berufen.
11Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 1. Juni 2015, auf das wegen der tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, das Widerspruchsrecht sei in entsprechender Anwendung von §§ 7 Abs. 2 S. 3 VerbrKrG und 2 Abs. 1 S. 4 HWiG nach vollständiger Leistungserbringung erloschen. Dem stehe die Entscheidung des EuGH vom 19. Dezember 2013 (C-209/12; VersR 2014, 225) nicht entgegen.
12Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seinen erstinstanzlich gestellten Antrag in vollem Umfang weiterverfolgt. Der Kläger meint, eine analoge Anwendung von § 7 Abs. 2 S. 3 VerbrKrG bzw. § 2 Abs. 1 S. 4 HWiG komme vorliegend nicht in Betracht. Dies verstoße gegen Art. 15 der Zweiten Lebensversicherungsrichtlinie. Insoweit würden die Rechtsgedanken der EuGH-Entscheidung vom 19. Dezember 2013 entsprechend gelten.
13Die Beklagte, die die Zurückweisung der Berufung beantragt, verteidigt das angefochtene Urteil.
14Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
15II.
16Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.
17Der Kläger hat keinen Anspruch auf verzinsliche Erstattung der von ihm auf den Versicherungsvertrag geleisteten Prämien abzüglich des ausgekehrten Betrages. Ausgehend von einem Vertragsabschuss nach dem Policenmodell stand dem Kläger im Jahr 2014 ein Recht zum Widerspruch nach § 5a VVG a.F. nicht mehr zu. Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass eine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung bei Aushändigung des Versicherungsscheins nicht festgestellt werden kann.
18In einer solchen Konstellation steht der Ausübung des Widerspruchsrechts nach § 5a VVG a.F. zwar grundsätzlich nicht entgegen, dass der Widerspruch erst nach Vertragskündigung und nachfolgender beiderseits vollständiger Leistungserbringung erklärt wird, weil anderenfalls das Wahlrecht des Versicherungsnehmers zwischen Kündigung und Widerspruch aufgrund der fehlerhaften Widerspruchsbelehrung beeinträchtigt wäre (BGHZ 201, 101). Aus dem gleichen Grund stellt die Ausübung des Widerspruchsrechts in einem solchen Fall in aller Regel auch keinen Verstoß gegen Treu und Glauben dar (BGH, aaO).
19Zweifelhaft erscheint auch, ob – entsprechend der Auffassung des Landgerichts – vorliegend eine entsprechende Anwendung der Regelung in §§ 7 Abs. 2 S. 3 VerbrKrG und 2 Abs. 1 S. 4 HWiG in Betracht gezogen werden kann. Zwar ist mit Blick auf die Vertragsbeendigung nach Kündigung im Jahr 1999 der zeitliche Anwendungsbereich dieser Normen eröffnet. Fraglich könnte aber sein, ob – anders als im Anwendungsbereich des § 8 Abs. 4 VVG in der Fassung des Gesetzes vom 17. Dezember 1990 (vgl. dazu BGH, VersR 2013, 1513) – bei Vertragsschluss nach dem Policenmodell eine Regelungslücke hinsichtlich der Rechtsfolgen einer nicht ausreichenden Belehrung besteht, denn insoweit sah § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. mit dem Erlöschen des Widerspruchsrechts ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie eine gesetzliche Regelung ausdrücklich vor. Die Lücke, die dadurch entstanden ist, dass § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. als nicht europarechtskonform angesehen wird, hat der Bundesgerichtshof dahin geschlossen, dass § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. für den Bereich der Lebens- und Rentenversicherung unanwendbar ist (BGHZ 201, 101). Deshalb erscheint problematisch, ob die Regelungen in den §§ 7 Abs. 2 S. 3 VerbrKrG und § 2 Abs. 1 S. 4 HWiG in deren zeitlichem Anwendungsbereich bei einem Vertragsschluss nach dem Policenmodell entsprechend herangezogen werden können. Abschließend zu entscheiden braucht dies der Senat indes nicht.
20Der Senat hält in der gegebenen besonderen Situation das Widerspruchsrecht ungeachtet einer fehlenden ordnungsgemäßen Widerspruchsbelehrung für verwirkt. Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es über einen längeren Zeitraum hindurch nicht geltend gemacht hat, der Verpflichtete sich hierauf eingerichtet hat und sich auch darauf einrichten durfte, weil er nach dem Verhalten des Berechtigten annehmen konnte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde (vgl. etwa BGHZ 84, 280, 281; BGH, NJW 2008, 2254; Palandt-Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 242, Rn. 87). Grundsätzlich mag es zutreffend sein, dass einer Verwirkung die wegen fehlender oder unzutreffender Belehrung mangelnde Kenntnis vom Widerrufsrecht entgegenstehen kann (vgl. BGH, VersR 2014, 817). Dies aber ist nur ein, wenngleich sicher wesentliches Element im Rahmen der Gesamtwürdigung aller Umstände. Gleichwohl können besondere Gegebenheiten die Annahme rechtfertigen, dass der Versicherer berechtigterweise mit einem Widerspruch des Versicherungsnehmers viele Jahre nach der kündigungsbedingten Vertragsbeendigung (vorliegend fast 15 Jahre) nicht mehr rechnen muss und auch der Versicherungsnehmer insoweit nicht mehr schutzwürdig erscheint. Solche besonderen Umstände sieht der Senat hier darin, dass der Kläger – vertreten durch die Verbraucherzentrale Hamburg und die für sie handelnden Rechtsanwälte – über viele Jahre hinweg gegen die Beklagte ausschließlich Ansprüche auf einen weitergehenden Rückkaufswert verfolgt und damit den vertraglichen Bestand des Rentenversicherungsvertrags zu keiner Zeit in Abrede gestellt hat. Die Beklagte hat sich bei dieser Sachlage darauf einstellen können, dass der Kläger die Wirksamkeit des Vertrags nicht anzweifeln wollte. Den rechtskundigen Vertretern des Klägers muss - jedenfalls seit dem Vorlagebeschluss des Bundesgerichtshofs vom 28. März 2012 (VersR 2012, 608) - vor Augen gestanden haben, dass Zweifel an der Europarechtskonformität des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. bestehen und bei vorliegend augenscheinlich fehlender ordnungsgemäßer Widerspruchsbelehrung auch ein Rückabwicklungsanspruch nach §§ 812 ff. BGB in Betracht zu ziehen war. Wenn gleichwohl solche Ansprüche zunächst nicht verfolgt werden und der Widerspruch erst 2014 erklärt wird, so liegt ein widersprüchliches Verhalten vor mit der Folge, dass die Ausübung des Widerspruchsrechts zu diesem Zeitpunkt gegen Treu und Glauben verstößt. Dem lässt sich in der gegebenen Situation nicht entgegenhalten, dass die Beklagte wegen nicht ordnungsgemäßer Widerspruchsbelehrung nicht schutzbedürftig ist, denn sie brauchte mit Blick darauf, dass der Kläger sachkundig anwaltlich vertreten war, im Jahr 2014 nicht mehr damit zu rechnen, dass die Wirksamkeit des Vertrags angezweifelt wird, nachdem über Jahre hinweg der Eindruck erweckt worden ist, es gehe dem Kläger alleine um einen Nachforderungsanspruch wegen eines seiner Auffassung nach zu geringen Rückkaufswerts.
21Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
22Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 1 ZPO liegen nicht vor. Grundsätzliche Rechtsfragen stellen sich nicht; es handelt sich vielmehr um eine Einzelfallentscheidung, in der der Senat unter Würdigung der besonderen Umstände des Falles ausnahmsweise ein Widerspruchsrecht trotz nicht ordnungsgemäßer Belehrung als nicht mehr gegeben ansieht.
23Berufungsstreitwert: 11.985,32 €
24(s. Senatsbeschluss vom 7. August 2015 zu 20 W 45/15)
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 2. April 2014 verkündete Urteil der 26. Zivilkammer des Landgerichts Köln ‑ 26 O 474/13 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Gründe
2I.
3Der Kläger schloss mit der Beklagten eine kapitalbildende Lebensversicherung mit Versicherungsbeginn zum 1. Februar 1992 ab. Mit Schreiben vom 17. September 2008 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er wegen seiner Scheidung die Beiträge in Höhe von 131,94 € nicht mehr zahlen könne. Die Parteien einigten sich daraufhin auf eine Beitragssenkung auf 25,- € ab dem 1. November 2008. Der Kläger kündigte die Versicherung mit Schreiben vom 4. Dezember 2011. Die Beklagte erkannte die Kündigung mit Wirkung zum 1. Februar 2012 an und zahlte einen Betrag von 16.855,62 € an den Kläger. Mit Anwaltsschreiben vom 11. Juli 2013 erklärte der Kläger den „Widerspruch des Versicherungsvertrages gemäß § 8 VVG a.F.“.
4Mit der Klage verlangt der Kläger von der Beklagten die verzinsliche Rückerstattung der geleisteten Prämien abzüglich des ausgekehrten Betrags.
5Der Kläger hat den Erhalt einer Widerrufsbelehrung mit Nichtwissen bestritten. Jedenfalls fehle es an einer ordnungsgemäßen Belehrung, so dass das Widerrufsrecht fortbestehe. Ein Widerruf sei auch noch nach einer Kündigung möglich; zudem sei die Kündigung in einen Widerruf umzudeuten. Verwirkung liege nicht vor. Die fehlerhafte Belehrung führe schließlich auch zu einem Schadensersatzanspruch.
6Der Kläger hat beantragt,
7die Beklagte zu verurteilen,
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1. an ihn einen Betrag in Höhe von 35.656,72 € zu bezahlen zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit;
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2. ihm außergerichtliche Rechtsverfolgungskostgen in Höhe von 1.229,27 € zu bezahlen zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit;
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3. ihn von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.155,97 € freizustellen, die die Rechtsanwaltskanzlei F & L, Tstraße 19, C, ihm gegenüber hat, die aufgrund der außergerichtlichen Rechtsanwaltstätigkeit in Bezug auf die streitgegenständlichen Forderungen entstanden sind.
Die Beklagte hat beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Die Beklagte hat sich auf den Standpunkt gestellt, nach der Kündigung sei ein Widerruf nicht mehr möglich. Der Kläger habe eindeutig eine Kündigung ausgesprochen, die nicht in einen Widerruf ausgelegt werden könne.
15Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 2. April 2014, auf das wegen der tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, abgewiesen
16Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlich gestellten Anträge in vollem Umfang weiterverfolgt. Der Kläger ist weiterhin der Auffassung, dass er auch noch nach Vertragsabwicklung infolge Kündigung zum Widerruf berechtigt ist. Die Kündigung sei in einen Widerruf umzudeuten. Jedenfalls sei die Beklagte zum Schadensersatz verpflichtet.
17Die Beklagte, die die Zurückweisung der Berufung beantragt, verteidigt das angefochtene Urteil.
18Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
19II.
20Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.
21Der Kläger hat keinen Anspruch auf verzinsliche Erstattung der von ihm auf den Versicherungsvertrag geleisteten Prämien abzüglich des ausgekehrten Rückkaufswerts. Der Kläger war nicht berechtigt, dem 1992 geschlossenen Vertrag gemäß § 8 Abs. 4 VVG in der bis 28. Juli 1994 gültigen Fassung noch im Jahr 2013 zu widersprechen. Nach § 8 Abs. 4 Satz 1 VVG a.F. stand dem Kläger als Versicherungsnehmer das Recht zu, die auf den Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung binnen 10 Tagen ab Unterzeichnung des Versicherungsantrags schriftlich zu widerrufen. Diese Frist hat der Kläger nicht gewahrt. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beginnt die Widerrufsfrist allerdings erst mit einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung. (BGH, VersR 2013, 1513). Ob die hier vorliegende Belehrung, die sich ohne besondere drucktechnische Hervorhebung unter Ziff. 2 der Schlusserklärung zum Versicherungsantrag befindet (GA 30), ausreicht, bedarf keiner Entscheidung.
22Es kommt auch nicht darauf an, ob bei fortbestehendem Widerrufsrecht dessen Ausübung jedenfalls deshalb ausscheidet, weil der Widerruf erst nach vollständiger Leistungserbringung infolge der Kündigung erklärt worden ist (s. dazu aber die Hinweise in der Verfügung vom 21. Juli 2014) oder ob die Kündigung, wie der Kläger meint, in einen Widerruf auszulegen oder umzudeuten wäre.
23Das Widerrufsrecht bzw. etwaige aus einer fehlerhaften Belehrung folgende Ansprüche (s. dazu im Einzelnen das Senatsurteil vom 3. Februar 2012 - 20 U 140/11 -, in juris dokumentiert, Rz. 27) sind verwirkt.
24Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es über einen längeren Zeitraum hindurch nicht geltend gemacht hat, der Verpflichtete sich hierauf eingerichtet hat und sich auch darauf einrichten durfte, weil er nach dem Verhalten des Berechtigten annehmen konnte, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen werde (vgl. etwa BGHZ 84, 280, 281; BGH, NJW 2008, 2254; Palandt-Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 242, Rn. 87). Sinn und Zweck des zeitlich befristeten Widerrufsrechts nach § 8 Abs. 4 VVG a.F. war es, dem Versicherungsnehmer eine Überlegungsfrist einzuräumen und es ihm zu ermöglichen, sich von einem ggf. übereilt getroffenen Entschluss, sich vertraglich gegenüber einem Versicherer zu binden, ohne Angabe von Gründen wieder lösen zu können. Im Ansatz zutreffend mag sein, dass einer Verwirkung die wegen fehlender oder unzutreffender Belehrung mangelnde Kenntnis vom Widerrufsrecht entgegenstehen kann (vgl. BGH, VersR 2014, 817). Dies aber ist nur ein Element im Rahmen der Gesamtwürdigung aller Umstände. Entscheidend ist der Zweck des Widerrufsrechts, dem Versicherungsnehmer, der sich möglicherweise voreilig zu einem Vertragsabschluss entschieden hat, eine rechtliche Handhabe zu geben, um den Vertrag nicht fortsetzen zu müssen. Dieser Zweck verblasst im Laufe der Zeit und tritt dann in den Hintergrund, wenn der Versicherungsnehmer den abgeschlossenen Vertrag über viele Jahre hinweg fortführt und so zu erkennen gibt, dass er am Vertrag festhalten will. Vorliegend hat der Kläger seinen dahingehenden Willen nicht nur durch die laufenden Beitragszahlungen, sondern vor allem dadurch in besonderer Weise bestätigt, dass er 2008 um eine Beitragsreduzierung gebeten hat, die ihm von der Beklagten auch gewährt worden ist. Dadurch hat er seinen Vertragsbindungswillen deutlich dokumentiert. Bei dieser Sachlage hält der Senat unter Einbeziehung des Umstandes, dass der Vertrag fast 20 Jahre lang durchgeführt worden ist, ein Widerrufsrecht für verwirkt. Der Frage, ob Verwirkung anzunehmen ist, kommt auch keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung zu, denn es sind stets die Umstände des Einzelfalls maßgebend. Dass auch ein einem Verbraucher eingeräumtes Widerrufsrecht unter besonderen Umständen als verwirkt angesehen werden kann, entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, NJW-RR 2005, 180, Rz. 23/24; vgl. zu allem auch die Senatsbeschlüsse vom 27. Januar 2014 und vom 9. April 2014 in der Sache 20 U 192/13).
25Indem der Kläger nach Vertragsbeginn über mehr als 19 Jahre die vereinbarten Prämien gezahlt und zudem 2008 um eine Beitragsreduzierung nachgesucht hat, hat er der Beklagten klar zu erkennen gegeben, dass er am Vertrag festhalten will; hierauf konnte und durfte die Beklagte sich einrichten. Unter diesen Umständen hat der Kläger ein etwa seit 1992 noch fortbestehendes Widerrufsrecht sowie etwaige aus einer fehlerhaften Belehrung über dieses Recht folgende Schadensersatzansprüche verwirkt.
26Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
27Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.
28Berufungsstreitwert: 35.656,72 €
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Traunstein
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das angefochtene Urteil des Landgerichts ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des gegen ihn vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des je zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
II.1.
II.2.
III.1.
III.2.
III.3.
die Berufung zurückzuweisen.
1.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 06.10.2015 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 8. Zivilkammer des Landgerichts Kiel einschließlich des ihm zugrundeliegenden Verfahrens aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jegliche weitere materielle und immaterielle Schäden aus Anlass des Verkehrsunfalles vom 16.07.2010 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen.
Im Übrigen wird die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.
Zur Höhe und zur Entscheidung über die Kosten, auch des Berufungsverfahrens, wird die Sache an das Landgericht Kiel zurückverwiesen.
Gerichtliche Gebühren und Auslagen, die durch das aufgehobene Urteil verursacht worden sind, sowie die Gerichtsgebühren der Berufungsinstanz, werden nicht erhoben.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
- 1
Die Klägerin nimmt die Beklagte als Haftpflichtversicherer des Pkws BMW 323 i, ehemaliges amtliches Kennzeichen ..., auf materiellen und immateriellen Schadensersatz sowie umfassende Feststellung in Anspruch.
- 2
Dem zugrunde liegt ein Verkehrsunfall vom 16.07.2010 gegen 13:00 Uhr auf der Landesstraße ... in Höhe km 2,4 bei S. Die 1961 geborene Klägerin, die seinerzeit schon eine Erwerbsunfähigkeitsrente bezog, war als Aushilfs-Taxifahrerin (“350 €-Job“) tätig. Sie befuhr mit dem Pkw Daimler Chrysler, amtliches Kennzeichen ..., die L ... aus A kommend in Fahrtrichtung B ... mit ca. 70 km/h. In Gegenrichtung befuhr der bei dem Unfall verstorbene Versicherungsnehmer der Beklagten, B, die L ... .
- 3
Auf einem nur rund 400 m langen geraden Streckenabschnitt wurden die Klägerin und der hinter ihr fahrende Zeuge H von dem Zeugen O (geb. …1992) überholt, wobei die Einzelheiten dieses Überholvorganges streitig sind.
- 4
Der entgegenkommende Versicherungsnehmer der Beklagten geriet aus einer - aus seiner Sicht - Rechtskurve kommend, die er unstreitig mit einer Geschwindigkeit von (mindestens) 95 km/h befuhr, nach rechts auf die unbefestigte Bankette, schleuderte von dort nach links herüber, wobei sein Fahrzeug mit dem von der Klägerin geführten Taxi-Fahrzeug kollidierte. Nachfolgend schoss der bei der Beklagten versicherte BMW über die Fahrbahn hinaus und geriet in Brand, wobei der Versicherungsnehmer der Beklagten ums Leben kam. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit betrug am Unfallort 70 km/h.
- 5
Infolge der Kollision mit dem schleudernden BMW erlitt die Klägerin eine Fraktur des rechten Fußes. Sie befand sich rund drei Wochen in stationärer Behandlung und musste vier Mal operiert werden. Die Klägerin war sodann bis zum Frühjahr 2011 krankgeschrieben. Seit dem Unfall hat sie keinen Personenbeförderungsschein mehr als Taxifahrerin erhalten.
- 6
Das gegen den Beschuldigten O eingeleitete Strafverfahren (Amtsgericht R, ... Ls .../...) endete mit einem Freispruch (Urteil vom 4.7.2011). Die dagegen eingelegte Berufung der Staatsanwaltschaft K ist im Termin am 11.12.2012 vor der 2. Großen Strafkammer des Landgerichts K (Az.: ... Ns .../...) zurückgenommen worden.
- 7
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Unfall sei für sie unabwendbar gewesen. Hingegen hätte sich bei dem Fahrzeug des verstorbenen Versicherungsnehmers der Beklagten die überhöhte Geschwindigkeit unfallursächlich ausgewirkt.
- 8
Die Klägerin hat behauptet, unfallbedingt diverse körperliche Beeinträchtigungen - über die Fußfraktur hinaus - erlitten zu haben, unter anderem einen Bandscheibenvorfall, Kopf- und Nackenschmerzen sowie eine andauernde Gangstörung durch die Fußfraktur. Auch sei bei ihr ein psychischer Dauerschaden eingetreten.
- 9
Die Klägerin hat ein Schmerzensgeld von mindestens 50.000 € für angemessen erachtet. Daneben hat sie einen Verdienstausfallschaden, einen Haushaltsführungsschaden sowie Rechtsanwaltskosten unter anderem für die Geltendmachung von Ansprüchen bei der Berufsgenossenschaft und ihrem privaten Unfallversicherer ersetzt verlangt.
- 10
Vorgerichtlich hat die Beklagte bzw. die ...-Versicherung Vorschusszahlungen in Höhe von insgesamt 10.000 € erbracht.
- 11
Die Klägerin hat beantragt,
- 12
1. die Beklagte zu verurteilen,
- 13
a) an sie ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, zzgl. Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2013,
- 14
b) Verdienstausfallschaden für die Zeit bis einschließlich August 2013 in Höhe von 23.065,05 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2013,
- 15
c) weiteren Schadenersatz für die Zeit bis einschließlich August 2013 in Höhe von 4.172,12 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit
- 16
zu zahlen, abzüglich einer von der Beklagten geleisteten Vorschusszahlung von 2.000 € und zwei weiteren Vorschusszahlungen der x-Versicherung in Höhe von insgesamt 8.000 €, schließlich
- 17
2. festzustellen, dass die Beklagte weiterhin verpflichtet ist, sie auch von jeglichem weiteren Schaden aus Anlass des Verkehrsunfalls vom 16.07.2010 freizustellen,
- 18
3. die Beklagte zu verurteilen, an sie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 2.440,69 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
- 19
Die Beklagte hat beantragt,
- 20
die Klage abzuweisen.
- 21
Sie hat die Auffassung vertreten, für ihren Versicherungsnehmer sei der Unfall unabwendbar gewesen. Er habe reflexartig auf das Fahrverhalten des Zeugen O reagiert; dessen Fahrzeug sei ihrem Versicherungsnehmer noch in der (Rechts-)Kurve auf seiner Fahrbahn entgegen gekommen. Die Ausweichbewegung nach rechts auf die Bankette und der Versuch des Zurücklenkens des Fahrzeuges auf die Fahrbahn mit sich anschließendem Schleudern hätte sich genauso ereignet, wenn ihr Versicherungsnehmer die zulässige Höchstgeschwindigkeit eingehalten hätte.
- 22
Hingegen sei die Kollision für die Klägerin vermeidbar gewesen, denn sie hätte noch nach rechts ausweichen können.
- 23
Die Beklagte hat den geltend gemachten Schaden auch der Höhe nach bestritten.
- 24
Wegen der tatsächlichen Feststellungen im Übrigen wird auf das angefochtene Urteil nebst darin enthaltener Verweisungen Bezug genommen.
- 25
Das Landgericht hat die Klage nach Anhörung der Klägerin und nach Beweisaufnahme (Zeugenvernehmung, Verwertung eines im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren [Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Kiel, Az. ... Js .../... HW] eingeholten schriftlichen Sachverständigengutachten gemäß § 411 a ZPO, Einholung eines ergänzenden schriftlichen Sachverständigengutachtens sowie dessen mündlicher Erläuterung) abgewiesen.
- 26
Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Unfall sei zwar für die Klägerin unabwendbar gewesen, gleiches gelte aber auch für den Versicherungsnehmer der Beklagten.
- 27
Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung, wobei sie insbesondere rügt, das Landgericht sei zu Unrecht von einer Unabwendbarkeit des Unfalles für den Versicherungsnehmer der Beklagten ausgegangen.
- 28
Unter Weiterverfolgung ihrer erstinstanzlichen Anträge beantragt die Klägerin
- 29
hilfsweise,
- 30
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den Rechtsstreit an das Landgericht Kiel zurückverweisen.
- 31
Die Beklagte trägt unter Verteidigung des angefochtenen Urteils auf Zurückweisung der Berufung an.
- 32
Der Senat hat ergänzend Beweis erhoben durch Einholung einer ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen M sowie deren mündliche Erläuterung, weiterhin durch die Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Mk gemäß Beweisbeschluss vom 17.11.2016 (Bl. 377/378 d. A.) sowie dessen mündliche Erläuterung. Weiterhin wurde die Klägerin persönlich gemäß § 141 ZPO angehört.
- 33
Wegen des Inhalts wird auf die ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen M vom 13.07.2016 (Bl. 342 f. d. A.), die Sitzungsniederschrift vom 11.10.2016 (Bl. 348 - 351 d. A.), das Gutachten des Sachverständigen Mk vom 4. Juli 2017 (Aktentasche Bd. II) sowie die Sitzungsniederschrift vom 05.12.2017 (Bl. 467 - 472 d. A.) verwiesen.
- 34
Wegen der Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
- 35
Die Berufung der Klägerin hat dem Grunde nach Erfolg.
- 36
Das angefochtene Urteil weist Rechtsfehler auf, die zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO).
- 37
Das Landgericht hat zum Teil die Beweislast verkannt, zum anderen die Anforderungen, die an den Unabwendbarkeitsbeweis im Sinne von § 17 Abs. 3 StVG zu stellen sind. Wegen des streitigen Vortrags zur Schadenshöhe und wegen der Kosten ist die Sache gem. § 538 Abs. 2, Nr. 4 ZPO an das Landgericht zurückzuverweisen.
- 38
Dem Grunde nach haftet die Beklagte gemäß § 7 Abs. 1 StVG in Verbindung mit § 115 VVG der Beklagten vollen Umfangs auf materiellen und immateriellen Schadenersatz aufgrund des Unfalles vom 16.07.2010, so dass der Senat von der Möglichkeit des Erlasses eines Grund- und Teil-Urteils gemäß § 301 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch macht.
- 39
Der Unfall war, wie vom Landgericht noch richtig erkannt, zwar für die Klägerin unabwendbar im Sinne von § 17 Abs. 3 StVG, nicht hingegen aber für den Versicherungsnehmer der Beklagten, den verstorbenen Herrn B.
- 40
Zwar bedeutet Unabwendbarkeit nicht absolute Unvermeidbarkeit eines Unfalles; aber derjenige, der sich auf Unabwendbarkeit beruft, muss jede nach den Umständen gebotene Sorgfalt beachtet haben, wobei letztlich nicht nur zu fragen ist, ob der Fahrer in der konkreten Gefahrensituation wie ein Idealfahrer reagiert hat, sondern es ist auch zu prüfen, ob der Idealfahrer überhaupt in diese Gefahrenlage gekommen wäre. Denn er berücksichtigt auch Erkenntnisse, die nach allgemeiner Erfahrung geeignet sind, Gefahrensituationen nach Möglichkeit zu vermeiden. Dabei trägt die Beweislast für die Unabwendbarkeit im Sinne von § 17 Abs. 3 StVG derjenige, der sich darauf beruft.
- 41
Dass für die Klägerin die Kollision mit dem ihr entgegen schleudernden, bei der Beklagten versicherten Fahrzeug unabwendbar im Sinne von § 17 Abs. 3 StVG war, wird zweitinstanzlich auch von der Beklagten nicht (mehr) in Abrede genommen. Schon der Sachverständige M hatte in seinem erstinstanzlichen Ausgangsgutachten vom 23.03.2015 ausgeführt, für die Klägerin sei es aus technischer Sicht nicht möglich gewesen, ihr Fahrzeug rechtzeitig vor dem Kollisionsort zum Stehen zu bringen. Dies ist in der Folge nicht mehr in Frage gestellt worden, kann es ernsthaft auch nicht, denn selbst ein Idealfahrer kann sich nicht gegen ein ihm entgegen schleuderndes Fahrzeug „wehren“, zumal der Klägerin im Übrigen irgendwelche Verkehrsverstöße nicht vorgehalten werden können.
- 42
Hingegen hat die Beklagte den ihr obliegenden Beweis der Unabwendbarkeit für ihren verstorbenen Versicherungsnehmer - entgegen der Auffassung des Landgerichts - nicht führen können.
- 43
Zwar schließt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein reflexhaftes Fahrverhalten - insbesondere ein Ausweichen - die Unabwendbarkeit nicht aus, da ein solches Ausweichen unter Umständen nicht als „Fahrfehler“ gewertet werden kann (vgl. BGH VI ZR 136/85, Urteil vom 23.09.1986, noch zu § 7 Abs. 2 StVG a. F.; so auch OLG Hamm, NJW-RR 1997, S. 24 f.). Aber auch ein sonstiges Fehlverhalten darf sich nicht unfallkausal ausgewirkt haben. Die Prüfung der Unabwendbarkeit i. S. v. § 17 Abs. 3 StVG darf sich nicht auf die Frage beschränken, ob der Fahrer in der konkreten Gefahrensituation wie ein „Idealfahrer“ reagiert hat, vielmehr ist sie auf die weitere Frage zu erstrecken, ob ein „Idealfahrer“ überhaupt in eine solche Gefahrenlage geraten wäre, denn der sich aus einer abwendbaren Gefahrenlage entwickelnde Unfall wird nicht dadurch unabwendbar, dass sich der Fahrer in der Gefahr nunmehr (zu spät) „ideal“ verhält (BGH, Urteil vom 13.12.2005, VersR 2006, 369 - 373).
- 44
Dies hat die Beklagte nicht beweisen können.
- 45
Selbst wenn man zu ihren Gunsten unterstellt, ihr verstorbener Versicherungsnehmer sei angesichts des herannahenden Fahrzeuges des Zeugen O „reflexhaft“ nach rechts auf die Bankette ausgewichen - was schon angesichts der erstinstanzlichen Beweisaufnahme zweifelhaft erscheint, sich allenfalls mit den Ausführungen des Sachverständigen M in seiner persönlichen Anhörung vor dem Landgericht rechtfertigen lässt -, steht doch nicht fest, dass der Versicherungsnehmer der Beklagten die Kollision auch bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit im Kurvenbereich von 70 km/h nicht hätte vermeiden können.
- 46
Der Sachverständige M hat dies zwar angenommen. In seiner Anhörung vor dem Senat hat er ausgeführt, dass der Versicherungsnehmer der Beklagten, wenn er nur mit zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h unterwegs gewesen wäre, nach dem Erkennen des entgegenkommenden Fahrzeuges auch reflexmäßig zunächst nach rechts gelenkt und sich der weitere Unfallhergang in ähnlicher Weise abgespielt hätte. Lediglich ein besonders geschulter und auf das Abkommen von der Fahrbahn vorbereiteter „Rallyefahrer“ hätte einen Schleudervorgang vermeiden können. Allerdings musste der Sachverständige M auch einräumen, dass noch zu prüfen wäre, ob es bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit dann auch zeitlich tatsächlich zu der Kollision mit dem klägerischen Fahrzeug gekommen wäre.
- 47
Der Untersuchung (u. a.) dieser Frage hat sich der Sachverständige Mk gewidmet.
- 48
Nach den Ausführungen in seinem schriftlichen Gutachten vom 4. Juli 2017, die er in seiner Anhörung vor dem Senat vertiefend erläutert hat, lasse sich ausgehend davon, dass der verstorbene Versicherungsnehmer der Beklagten zum Zeitpunkt der verkehrskritischen Situation, also bei Bemerken des entgegenkommenden Fahrzeuges des Zeugen Ö, mit einer Geschwindigkeit von 70 km/h unterwegs gewesen wäre, nicht sicher feststellen, ob es zu einem Schleudervorgang gekommen wäre. Ebenso möglich sei es, dass sich das Fahrzeug weiter auf der Bankette oder nach Verlassen des Grünstreifens sich weiter auf der eigenen Fahrbahnhälfte gradlinig bewegt hätte. Alle drei Alternativen sind mathematisch-technisch nicht verifizierbar.
- 49
Der Sachverständige Mk teilt dabei ausdrücklich nicht die Auffassung des Sachverständigen M, dass es auch bei einer geringeren Geschwindigkeit von 70 km/h auf jeden Fall zu einem anschließenden Schleudervorgang gekommen wäre. Vielmehr müsse dies offen bleiben, da seinerzeit vor Ort die Beschaffenheit der Asphaltkante - im Übergang zur Bankette - nicht ermittelt worden sei. Auch aus den Lichtbildern zu dem Gutachten W ergebe sich, soweit diese die Asphaltkante zeigten, keine einheitliche Beschaffenheit der Asphaltkante.
- 50
Selbst wenn es aber zu einem Schleudervorgang gekommen wäre, hätte sich eine ganz andersartige Kollision ergeben. Es hätten sich andere Ein- und Austrittsbereiche am Grünstreifen ergeben. Bei rein kinematischer Betrachtung wäre der BMW - ausgehend von 70 km/h - 25 m vor dem tatsächlichen Kollisionsort gewesen, als das Taxi ihn erreichte. Die Differenzgeschwindigkeit wäre mit 20 - 35 km/h deutlich geringer gewesen.
- 51
Nichts anderes ergibt sich im Ergebnis auch aus dem von der Beklagten vorgelegten Parteigutachten des Sachverständigen R vom 02.10.2017 (Bl. 459 ff. d. A.). Unter der Annahme einer Geschwindigkeit von 70 km/h des bei der Beklagten versicherten Fahrzeuges kommt auch der Parteigutachter der Beklagten zu dem Ergebnis, es könne kein physikalisch-mathematischer Beweis durch Berechnung bezüglich der Vermeidbarkeit erfolgen.
- 52
Für die Einholung eines Obergutachtens gem. § 412 ZPO besteht keine Veranlassung. Das Gutachten des Sachverständigen M war ersichtlich unvollständig, weil es keine Aussagen zur zeitlichen Vermeidbarkeit des Unfalls bei einer Ausgangsgeschwindigkeit von 70 km/h enthielt. Der Sachverständige M hat außerdem weder die Beschaffenheit der Asphaltkante vor Ort untersucht, noch konkrete Fahrversuche unternommen, die seine Hypothese der Unvermeidbarkeit für einen „Normalfahrer“ untermauert hätten. Das Gutachten W vom 13.8.10 enthält ebenfalls keine Ausführungen zur zeitlichen Vermeidbarkeit des Unfalls. Im Gegensatz dazu stützt der Senat seine Feststellungen auf die überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Mk, die im Übrigen mit dem Ergebnis des von der Beklagten eingeholten Privatgutachtens Rehse übereinstimmen.
- 53
Der Sachverständige Mk hat bereits mehrfach für den Senat unfallanalytische Gutachten erstellt. Er verfügt über eine langjährige Berufserfahrung als Kfz-Sachverständiger und Gutachter für Verkehrsunfallrekonstruktion. Seine Aussagen trifft der Sachverständige Mk erst nach sorgfältiger Überprüfung der konkreten Situation und nach gewissenhafter Abwägung aller Umstände. Die Ausführungen des Sachverständigen Mk sind deshalb eine nachvollziehbare und zuverlässige Grundlage für die Überzeugungsbildung des Senats.
- 54
Damit hat die Beklagte den ihr obliegenden Unabwendbarkeitsbeweis nicht führen können mit der Folge ihrer vollen Haftung dem Grunde nach.
- 55
Entsprechend war im Wege des Teil-Urteils dem Feststellungsbegehren der Klägerin stattzugeben, zugleich im Übrigen die Klage dem Grunde nach für begründet zu erklären.
- 56
Zur in jeder Hinsicht strittigen Höhe der materiellen und immateriellen Forderungen der Klägerin hat der Senat die Sache an das Landgericht zurückverwiesen.
- 57
Es wird im erheblichen Umfange (weiterer) Beweis zu erheben sein, zum einen über den Umfang der unfallbedingten Verletzungen der Klägerin, zum anderen auch über die behaupteten psychischen Folgen, dies sowohl im Hinblick auf materielle als auch immaterielle Schäden, zudem voraussichtlich auch über den Umfang des geltend gemachten Haushaltsführungsschadens sowie des Erwerbsschadens der Klägerin.
- 58
Dabei wird der der Klägerin zuzusprechende Schadensersatz mit Sicherheit den vorgerichtlich bereits gezahlten Betrag von 10.000 € übersteigen.
- 59
Die Ausführungen der Beklagten aus dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 2.1.2018 rechtfertigen keine andere Entscheidung und bieten dem Senat keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der Verhandlung gem. § 156 ZPO.
- 61
Auch wenn das Urteil selbst keinen vollstreckungsfähigen Inhalt im eigentlichen Sinn hat, denn das angefochtene Urteil tritt bereits mit der Verkündung des aufhebenden Urteils außer Kraft (§ 717 Abs. 1 ZPO), ist die Entscheidung für vorläufig vollstreckbar zu erklären, da gemäß §§ 775 Nr. 1 und 776 ZPO das Vollstreckungsorgan die Vollstreckung aus dem erstinstanzlichen Urteil erst einstellen und bereits getroffene Vollstreckungsmaßregeln erst aufheben darf, wenn eine vollstreckbare Ausfertigung vorgelegt wird. Der Senat folgt dieser Auffassung (vgl. OLG München, Urteil vom 18. September 2002 - 27 U 1011/01 -, NZM 2002, 1032; Zöller-Heßler, ZPO, 32. Aufl. § 538 Rn. 59 m. w. N.).
- 62
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 2. April 2014 verkündete Urteil der 26. Zivilkammer des Landgerichts Köln ‑ 26 O 474/13 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Gründe
2I.
3Der Kläger schloss mit der Beklagten eine kapitalbildende Lebensversicherung mit Versicherungsbeginn zum 1. Februar 1992 ab. Mit Schreiben vom 17. September 2008 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er wegen seiner Scheidung die Beiträge in Höhe von 131,94 € nicht mehr zahlen könne. Die Parteien einigten sich daraufhin auf eine Beitragssenkung auf 25,- € ab dem 1. November 2008. Der Kläger kündigte die Versicherung mit Schreiben vom 4. Dezember 2011. Die Beklagte erkannte die Kündigung mit Wirkung zum 1. Februar 2012 an und zahlte einen Betrag von 16.855,62 € an den Kläger. Mit Anwaltsschreiben vom 11. Juli 2013 erklärte der Kläger den „Widerspruch des Versicherungsvertrages gemäß § 8 VVG a.F.“.
4Mit der Klage verlangt der Kläger von der Beklagten die verzinsliche Rückerstattung der geleisteten Prämien abzüglich des ausgekehrten Betrags.
5Der Kläger hat den Erhalt einer Widerrufsbelehrung mit Nichtwissen bestritten. Jedenfalls fehle es an einer ordnungsgemäßen Belehrung, so dass das Widerrufsrecht fortbestehe. Ein Widerruf sei auch noch nach einer Kündigung möglich; zudem sei die Kündigung in einen Widerruf umzudeuten. Verwirkung liege nicht vor. Die fehlerhafte Belehrung führe schließlich auch zu einem Schadensersatzanspruch.
6Der Kläger hat beantragt,
7die Beklagte zu verurteilen,
8-
9
1. an ihn einen Betrag in Höhe von 35.656,72 € zu bezahlen zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit;
-
10
2. ihm außergerichtliche Rechtsverfolgungskostgen in Höhe von 1.229,27 € zu bezahlen zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit;
-
11
3. ihn von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.155,97 € freizustellen, die die Rechtsanwaltskanzlei F & L, Tstraße 19, C, ihm gegenüber hat, die aufgrund der außergerichtlichen Rechtsanwaltstätigkeit in Bezug auf die streitgegenständlichen Forderungen entstanden sind.
Die Beklagte hat beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Die Beklagte hat sich auf den Standpunkt gestellt, nach der Kündigung sei ein Widerruf nicht mehr möglich. Der Kläger habe eindeutig eine Kündigung ausgesprochen, die nicht in einen Widerruf ausgelegt werden könne.
15Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 2. April 2014, auf das wegen der tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, abgewiesen
16Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlich gestellten Anträge in vollem Umfang weiterverfolgt. Der Kläger ist weiterhin der Auffassung, dass er auch noch nach Vertragsabwicklung infolge Kündigung zum Widerruf berechtigt ist. Die Kündigung sei in einen Widerruf umzudeuten. Jedenfalls sei die Beklagte zum Schadensersatz verpflichtet.
17Die Beklagte, die die Zurückweisung der Berufung beantragt, verteidigt das angefochtene Urteil.
18Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
19II.
20Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.
21Der Kläger hat keinen Anspruch auf verzinsliche Erstattung der von ihm auf den Versicherungsvertrag geleisteten Prämien abzüglich des ausgekehrten Rückkaufswerts. Der Kläger war nicht berechtigt, dem 1992 geschlossenen Vertrag gemäß § 8 Abs. 4 VVG in der bis 28. Juli 1994 gültigen Fassung noch im Jahr 2013 zu widersprechen. Nach § 8 Abs. 4 Satz 1 VVG a.F. stand dem Kläger als Versicherungsnehmer das Recht zu, die auf den Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung binnen 10 Tagen ab Unterzeichnung des Versicherungsantrags schriftlich zu widerrufen. Diese Frist hat der Kläger nicht gewahrt. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beginnt die Widerrufsfrist allerdings erst mit einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung. (BGH, VersR 2013, 1513). Ob die hier vorliegende Belehrung, die sich ohne besondere drucktechnische Hervorhebung unter Ziff. 2 der Schlusserklärung zum Versicherungsantrag befindet (GA 30), ausreicht, bedarf keiner Entscheidung.
22Es kommt auch nicht darauf an, ob bei fortbestehendem Widerrufsrecht dessen Ausübung jedenfalls deshalb ausscheidet, weil der Widerruf erst nach vollständiger Leistungserbringung infolge der Kündigung erklärt worden ist (s. dazu aber die Hinweise in der Verfügung vom 21. Juli 2014) oder ob die Kündigung, wie der Kläger meint, in einen Widerruf auszulegen oder umzudeuten wäre.
23Das Widerrufsrecht bzw. etwaige aus einer fehlerhaften Belehrung folgende Ansprüche (s. dazu im Einzelnen das Senatsurteil vom 3. Februar 2012 - 20 U 140/11 -, in juris dokumentiert, Rz. 27) sind verwirkt.
24Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es über einen längeren Zeitraum hindurch nicht geltend gemacht hat, der Verpflichtete sich hierauf eingerichtet hat und sich auch darauf einrichten durfte, weil er nach dem Verhalten des Berechtigten annehmen konnte, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen werde (vgl. etwa BGHZ 84, 280, 281; BGH, NJW 2008, 2254; Palandt-Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 242, Rn. 87). Sinn und Zweck des zeitlich befristeten Widerrufsrechts nach § 8 Abs. 4 VVG a.F. war es, dem Versicherungsnehmer eine Überlegungsfrist einzuräumen und es ihm zu ermöglichen, sich von einem ggf. übereilt getroffenen Entschluss, sich vertraglich gegenüber einem Versicherer zu binden, ohne Angabe von Gründen wieder lösen zu können. Im Ansatz zutreffend mag sein, dass einer Verwirkung die wegen fehlender oder unzutreffender Belehrung mangelnde Kenntnis vom Widerrufsrecht entgegenstehen kann (vgl. BGH, VersR 2014, 817). Dies aber ist nur ein Element im Rahmen der Gesamtwürdigung aller Umstände. Entscheidend ist der Zweck des Widerrufsrechts, dem Versicherungsnehmer, der sich möglicherweise voreilig zu einem Vertragsabschluss entschieden hat, eine rechtliche Handhabe zu geben, um den Vertrag nicht fortsetzen zu müssen. Dieser Zweck verblasst im Laufe der Zeit und tritt dann in den Hintergrund, wenn der Versicherungsnehmer den abgeschlossenen Vertrag über viele Jahre hinweg fortführt und so zu erkennen gibt, dass er am Vertrag festhalten will. Vorliegend hat der Kläger seinen dahingehenden Willen nicht nur durch die laufenden Beitragszahlungen, sondern vor allem dadurch in besonderer Weise bestätigt, dass er 2008 um eine Beitragsreduzierung gebeten hat, die ihm von der Beklagten auch gewährt worden ist. Dadurch hat er seinen Vertragsbindungswillen deutlich dokumentiert. Bei dieser Sachlage hält der Senat unter Einbeziehung des Umstandes, dass der Vertrag fast 20 Jahre lang durchgeführt worden ist, ein Widerrufsrecht für verwirkt. Der Frage, ob Verwirkung anzunehmen ist, kommt auch keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung zu, denn es sind stets die Umstände des Einzelfalls maßgebend. Dass auch ein einem Verbraucher eingeräumtes Widerrufsrecht unter besonderen Umständen als verwirkt angesehen werden kann, entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, NJW-RR 2005, 180, Rz. 23/24; vgl. zu allem auch die Senatsbeschlüsse vom 27. Januar 2014 und vom 9. April 2014 in der Sache 20 U 192/13).
25Indem der Kläger nach Vertragsbeginn über mehr als 19 Jahre die vereinbarten Prämien gezahlt und zudem 2008 um eine Beitragsreduzierung nachgesucht hat, hat er der Beklagten klar zu erkennen gegeben, dass er am Vertrag festhalten will; hierauf konnte und durfte die Beklagte sich einrichten. Unter diesen Umständen hat der Kläger ein etwa seit 1992 noch fortbestehendes Widerrufsrecht sowie etwaige aus einer fehlerhaften Belehrung über dieses Recht folgende Schadensersatzansprüche verwirkt.
26Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
27Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.
28Berufungsstreitwert: 35.656,72 €
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 1. Juni 2015 verkündete Urteil der 26. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 26 O 372/14 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Gründe
2I.
3Der Kläger schloss mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten eine Rentenversicherung mit aufgeschobener Rentenzahlung nebst Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung mit Versicherungsbeginn zum 1. Dezember 1996 ab. Im August 1999 kündigte er den Vertrag; die Beklagte erkannte die Kündigung zum 1. Oktober 1999 an und kehrte unter Anrechnung von Beitragsrückständen einen Betrag von 7.183,91 DM (GA 11) aus. Zu einem späteren Zeitpunkt trat der Kläger etwaige Nachzahlungsansprüche gegen die Beklagte an die Verbraucherzentrale Hamburg e.V. ab, die diese im Wege der Stufenklage verfolgte (26 O 522/06 LG Köln = 20 U 80/08 OLG Köln = IV ZR 39/10 BGH). In jenem Verfahren erklärte die Verbraucherzentrale für den Kläger nach Zurückverweisung der Sache vom Bundesgerichtshof an den Senat mit Schreiben vom 27. Februar 2014 und vom 11. Februar 2015 den Widerspruch. Mit rechtskräftigem Urteil vom 13. März 2015 (20 U 80/08) wurde die im Hauptantrag auf Rückzahlung der Prämien abzüglich Rückkaufswert umgestellte Klage insgesamt abgewiesen, wobei die Klageänderung in Bezug auf den Hauptantrag als nach § 533 ZPO unzulässig angesehen worden ist. Parallel hierzu hatte der Kläger mit außergerichtlichem Anwaltsschreiben vom 11. Juni 2014 dem Vertragsschluss widersprochen.
4Mit der Klage verlangt der Kläger von der Beklagten in erster Linie die verzinsliche Rückerstattung der auf die Hauptversicherung geleisteten Prämien abzüglich des ausgekehrten Betrags.
5Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er sei berechtigt gewesen, dem Vertragsschluss noch im Jahr 2014 zu widersprechen. Er sei über sein Widerspruchsrecht nicht ordnungsgemäß belehrt worden. § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sei nicht anwendbar. Auch der Umstand, dass der Vertrag nach der Kündigung bereits vollständig erfüllt sei, stehe der Ausübung des Widerspruchsrechts nicht entgegen.
6Der Kläger hat beantragt,
7die Beklagte zu verurteilen, an ihn 30.967,16 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB ab Klagezustellung zu zahlen.
8Die Beklagte hat beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Die Beklagte hat den Widerspruch für unwirksam gehalten und sich u.a. auf Verjährung sowie Verwirkung berufen.
11Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 1. Juni 2015, auf das wegen der tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, das Widerspruchsrecht sei in entsprechender Anwendung von §§ 7 Abs. 2 S. 3 VerbrKrG und 2 Abs. 1 S. 4 HWiG nach vollständiger Leistungserbringung erloschen. Dem stehe die Entscheidung des EuGH vom 19. Dezember 2013 (C-209/12; VersR 2014, 225) nicht entgegen.
12Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seinen erstinstanzlich gestellten Antrag in vollem Umfang weiterverfolgt. Der Kläger meint, eine analoge Anwendung von § 7 Abs. 2 S. 3 VerbrKrG bzw. § 2 Abs. 1 S. 4 HWiG komme vorliegend nicht in Betracht. Dies verstoße gegen Art. 15 der Zweiten Lebensversicherungsrichtlinie. Insoweit würden die Rechtsgedanken der EuGH-Entscheidung vom 19. Dezember 2013 entsprechend gelten.
13Die Beklagte, die die Zurückweisung der Berufung beantragt, verteidigt das angefochtene Urteil.
14Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
15II.
16Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.
17Der Kläger hat keinen Anspruch auf verzinsliche Erstattung der von ihm auf den Versicherungsvertrag geleisteten Prämien abzüglich des ausgekehrten Betrages. Ausgehend von einem Vertragsabschuss nach dem Policenmodell stand dem Kläger im Jahr 2014 ein Recht zum Widerspruch nach § 5a VVG a.F. nicht mehr zu. Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass eine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung bei Aushändigung des Versicherungsscheins nicht festgestellt werden kann.
18In einer solchen Konstellation steht der Ausübung des Widerspruchsrechts nach § 5a VVG a.F. zwar grundsätzlich nicht entgegen, dass der Widerspruch erst nach Vertragskündigung und nachfolgender beiderseits vollständiger Leistungserbringung erklärt wird, weil anderenfalls das Wahlrecht des Versicherungsnehmers zwischen Kündigung und Widerspruch aufgrund der fehlerhaften Widerspruchsbelehrung beeinträchtigt wäre (BGHZ 201, 101). Aus dem gleichen Grund stellt die Ausübung des Widerspruchsrechts in einem solchen Fall in aller Regel auch keinen Verstoß gegen Treu und Glauben dar (BGH, aaO).
19Zweifelhaft erscheint auch, ob – entsprechend der Auffassung des Landgerichts – vorliegend eine entsprechende Anwendung der Regelung in §§ 7 Abs. 2 S. 3 VerbrKrG und 2 Abs. 1 S. 4 HWiG in Betracht gezogen werden kann. Zwar ist mit Blick auf die Vertragsbeendigung nach Kündigung im Jahr 1999 der zeitliche Anwendungsbereich dieser Normen eröffnet. Fraglich könnte aber sein, ob – anders als im Anwendungsbereich des § 8 Abs. 4 VVG in der Fassung des Gesetzes vom 17. Dezember 1990 (vgl. dazu BGH, VersR 2013, 1513) – bei Vertragsschluss nach dem Policenmodell eine Regelungslücke hinsichtlich der Rechtsfolgen einer nicht ausreichenden Belehrung besteht, denn insoweit sah § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. mit dem Erlöschen des Widerspruchsrechts ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie eine gesetzliche Regelung ausdrücklich vor. Die Lücke, die dadurch entstanden ist, dass § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. als nicht europarechtskonform angesehen wird, hat der Bundesgerichtshof dahin geschlossen, dass § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. für den Bereich der Lebens- und Rentenversicherung unanwendbar ist (BGHZ 201, 101). Deshalb erscheint problematisch, ob die Regelungen in den §§ 7 Abs. 2 S. 3 VerbrKrG und § 2 Abs. 1 S. 4 HWiG in deren zeitlichem Anwendungsbereich bei einem Vertragsschluss nach dem Policenmodell entsprechend herangezogen werden können. Abschließend zu entscheiden braucht dies der Senat indes nicht.
20Der Senat hält in der gegebenen besonderen Situation das Widerspruchsrecht ungeachtet einer fehlenden ordnungsgemäßen Widerspruchsbelehrung für verwirkt. Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es über einen längeren Zeitraum hindurch nicht geltend gemacht hat, der Verpflichtete sich hierauf eingerichtet hat und sich auch darauf einrichten durfte, weil er nach dem Verhalten des Berechtigten annehmen konnte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde (vgl. etwa BGHZ 84, 280, 281; BGH, NJW 2008, 2254; Palandt-Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 242, Rn. 87). Grundsätzlich mag es zutreffend sein, dass einer Verwirkung die wegen fehlender oder unzutreffender Belehrung mangelnde Kenntnis vom Widerrufsrecht entgegenstehen kann (vgl. BGH, VersR 2014, 817). Dies aber ist nur ein, wenngleich sicher wesentliches Element im Rahmen der Gesamtwürdigung aller Umstände. Gleichwohl können besondere Gegebenheiten die Annahme rechtfertigen, dass der Versicherer berechtigterweise mit einem Widerspruch des Versicherungsnehmers viele Jahre nach der kündigungsbedingten Vertragsbeendigung (vorliegend fast 15 Jahre) nicht mehr rechnen muss und auch der Versicherungsnehmer insoweit nicht mehr schutzwürdig erscheint. Solche besonderen Umstände sieht der Senat hier darin, dass der Kläger – vertreten durch die Verbraucherzentrale Hamburg und die für sie handelnden Rechtsanwälte – über viele Jahre hinweg gegen die Beklagte ausschließlich Ansprüche auf einen weitergehenden Rückkaufswert verfolgt und damit den vertraglichen Bestand des Rentenversicherungsvertrags zu keiner Zeit in Abrede gestellt hat. Die Beklagte hat sich bei dieser Sachlage darauf einstellen können, dass der Kläger die Wirksamkeit des Vertrags nicht anzweifeln wollte. Den rechtskundigen Vertretern des Klägers muss - jedenfalls seit dem Vorlagebeschluss des Bundesgerichtshofs vom 28. März 2012 (VersR 2012, 608) - vor Augen gestanden haben, dass Zweifel an der Europarechtskonformität des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. bestehen und bei vorliegend augenscheinlich fehlender ordnungsgemäßer Widerspruchsbelehrung auch ein Rückabwicklungsanspruch nach §§ 812 ff. BGB in Betracht zu ziehen war. Wenn gleichwohl solche Ansprüche zunächst nicht verfolgt werden und der Widerspruch erst 2014 erklärt wird, so liegt ein widersprüchliches Verhalten vor mit der Folge, dass die Ausübung des Widerspruchsrechts zu diesem Zeitpunkt gegen Treu und Glauben verstößt. Dem lässt sich in der gegebenen Situation nicht entgegenhalten, dass die Beklagte wegen nicht ordnungsgemäßer Widerspruchsbelehrung nicht schutzbedürftig ist, denn sie brauchte mit Blick darauf, dass der Kläger sachkundig anwaltlich vertreten war, im Jahr 2014 nicht mehr damit zu rechnen, dass die Wirksamkeit des Vertrags angezweifelt wird, nachdem über Jahre hinweg der Eindruck erweckt worden ist, es gehe dem Kläger alleine um einen Nachforderungsanspruch wegen eines seiner Auffassung nach zu geringen Rückkaufswerts.
21Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
22Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 1 ZPO liegen nicht vor. Grundsätzliche Rechtsfragen stellen sich nicht; es handelt sich vielmehr um eine Einzelfallentscheidung, in der der Senat unter Würdigung der besonderen Umstände des Falles ausnahmsweise ein Widerspruchsrecht trotz nicht ordnungsgemäßer Belehrung als nicht mehr gegeben ansieht.
23Berufungsstreitwert: 11.985,32 €
24(s. Senatsbeschluss vom 7. August 2015 zu 20 W 45/15)
Gründe
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I.
- 1
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Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Handhabung der Vorlagepflicht gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV in zivilrechtlichen Verfahren mit Blick auf die Rechtsfrage, ob § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. den Anforderungen des Unionsrechts genügt und ob eine Rückforderung von Versicherungsprämien und Nutzungsersatz wegen widersprüchlichen Verhaltens ausgeschlossen werden kann, weil die Berufung auf die Unwirksamkeit des Versicherungsvertrags gegen Treu und Glauben verstößt.
- 2
-
1. § 5a des Gesetzes über den Versicherungsvertrag (VVG) sah im Geltungszeitraum vom 29. Juli 1994 bis 31. Dezember 2007 (im Folgenden: VVG a.F.) die Möglichkeit vor, Versicherungsverträge im sogenannten Policenmodell abzuschließen. Dieses Verfahren war dadurch gekennzeichnet, dass der potentielle Versicherungsnehmer zunächst das von ihm unterzeichnete Antragsformular auf Abschluss des Versicherungsvertrags an den Versicherer übermittelte und dieser dem Versicherungsnehmer die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und eine Verbraucherinformation nach § 10a VAG a.F. erst zusammen mit der Versicherungspolice zukommen ließ. Widersprach der Versicherungsnehmer nicht innerhalb der Widerspruchsfrist nach Überlassung der Unterlagen schriftlich, so galt der Vertrag auf Grundlage der Allgemeinen Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformationen als abgeschlossen (§ 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F.). In dem Antrag des Versicherungsnehmers war das Vertragsangebot, in der nachfolgenden Übersendung der Vertragsunterlagen die Annahme durch den Versicherer zu sehen. Außerdem setzte der wirksame Vertragsschluss das Unterbleiben des Widerspruchs innerhalb der Widerspruchsfrist voraus; bis zu diesem Zeitpunkt war der Versicherungsvertrag nach herrschender Meinung schwebend unwirksam (vgl. BGH, Urteil vom 24. November 2010 - IV ZR 252/08 -, VersR 2011, S. 337 <338> Rn. 22 m.w.N.). Die Widerspruchsfrist begann nach dieser Regelung erst zu laufen, wenn der Versicherungsnehmer mit Aushändigung der Versicherungspolice über sein Widerspruchsrecht belehrt worden war; abweichend hiervon erlosch das Widerspruchsrecht - auch bei fehlender Belehrung - nach § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. spätestens ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie.
- 3
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2. § 5a VVG a.F. wurde durch das Dritte Gesetz zur Durchführung versicherungsrechtlicher Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaften (Drittes Durchführungsgesetz/EWG zum VAG) vom 21. Juli 1994 (BGBl I S. 1630) in das Gesetz über den Versicherungsvertrag eingefügt und ist am 29. Juli 1994 in Kraft getreten. Er lautete, soweit für das vorliegende Verfahren von Bedeutung:
-
(1) Hat der Versicherer dem Versicherungsnehmer bei Antragstellung die Versicherungsbedingungen nicht übergeben oder eine Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes unterlassen, so gilt der Vertrag auf der Grundlage des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformation als abgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von vierzehn Tagen nach Überlassung der Unterlagen schriftlich widerspricht. […]
-
(2) Der Lauf der Frist beginnt erst, wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach Absatz 1 vollständig vorliegen und der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist. Der Nachweis über den Zugang der Unterlagen obliegt dem Versicherer. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs. Abweichend von Satz 1 erlischt das Recht zum Widerspruch jedoch ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie.
- 4
-
Nach Änderungen durch das Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr vom 13. Juli 2001 (BGBl I S. 1542) und das Gesetz zur Änderung der Vorschriften über Fernabsatzverträge bei Finanzdienstleistungen vom 2. Dezember 2004 (BGBl I S. 3102), mit denen die Widerspruchsfrist bei Lebensversicherungen von 14 auf 30 Tage bei Lebensversicherungen verlängert wurde, wurde das "Policenmodell" durch die Einfügung des § 7 Abs. 1 Satz 1 VVG im Rahmen einer Ge-samtreform des Gesetzes über den Versicherungsvertrag durch das Gesetz zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 23. November 2007 (BGBl I S. 2631) mit Wirkung zum 1. Januar 2008 abgeschafft. § 5a VVG a.F. gilt jedoch für das Zustandekommen von Versicherungsverträge fort, die in seinem Geltungszeitraum vom 29. Juli 1994 bis zum 31. Dezember 2007 in einer Vielzahl von Fällen nach dem "Policenmodell" abgeschlossen worden sind (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 3. März 2014 - 1 BvR 2534/10 -, WM 2014, S. 644 <645> m.w.N.).
- 5
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3. Bereits die Erste Richtlinie 79/267/EWG des Rates vom 5. März 1979 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Direktversicherung (Lebensversicherung) (ABl. EG Nr. L 63 vom 13. März 1979, S. 1 ff.; im Folgenden: Erste Lebensversicherungsrichtlinie) enthielt Regelungen für den Bereich der Lebensversicherung. Sie wurde durch die Zweite Richtlinie 90/619/EWG des Rates vom 8. November 1990 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) und zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs sowie zur Änderung der Richtlinie 79/267/EWG (ABl. EG Nr. L 330 vom 29. November 1990, S. 50 ff.; im Folgenden: Zweite Lebensversicherungsrichtlinie) geändert und ergänzt. Die Zweite Lebensversicherungsrichtlinie wiederum wurde geändert durch die Richtlinie 92/96/EWG des Rates vom 10. November 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 79/267/EWG und 90/619/EWG (ABl. EG Nr. L 360 vom 9. Dezember 1992, S. 1 ff.; im Folgenden Dritte Lebensversicherungsrichtlinie). Art. 15 der Zweiten Lebensversicherungsrichtlinie in der durch Art. 30 der Dritten Lebensversicherungsrichtlinie geänderten Fassung hatte folgenden Wortlaut:
-
(1) Jeder Mitgliedstaat schreibt vor, dass der Versicherungsnehmer eines individuellen Lebensversicherungsvertrags von dem Zeitpunkt an, zu dem der Versicherungsnehmer davon in Kenntnis gesetzt wird, dass der Vertrag geschlossen ist, über eine Frist verfügt, die zwischen 14 und 30 Tagen betragen kann, um von dem Vertrag zurückzutreten.
-
Die Mitteilung des Versicherungsnehmers, dass er vom Vertrag zurücktritt, befreit ihn für die Zukunft von allen aus diesem Vertrag resultierenden Verpflichtungen.
-
Die übrigen rechtlichen Wirkungen des Rücktritts und die dafür erforderlichen Voraussetzungen werden gemäß dem auf den Versicherungsvertrag nach Artikel 4 anwendbaren Recht geregelt, insbesondere was die Modalitäten betrifft, nach denen der Versicherungsnehmer davon in Kenntnis gesetzt wird, dass der Vertrag geschlossen ist.
-
(2) Bei Verträgen mit einer Laufzeit von höchstens sechs Monaten oder wenn der Versicherungsnehmer aufgrund seines Status oder wegen der Umstände, unter denen der Vertrag geschlossen wird, dieses besonderen Schutzes nicht bedarf, können die Mitgliedstaaten von der Anwendung von Absatz 1 absehen. Die Mitgliedstaaten legen in ihren Rechtsvorschriften die Fälle fest, in denen Absatz 1 nicht zur Anwendung gelangt.
- 6
-
In Art. 31 der Dritten Lebensversicherungsrichtlinie war die Verpflichtung geregelt, dem Versicherungsnehmer vor Abschluss des Vertrags bestimmte Angaben mitzuteilen:
-
(1) Vor Abschluss des Versicherungsvertrags sind dem Versicherungsnehmer mindestens die in Anhang II Buchstabe A aufgeführten Angaben mitzuteilen.
-
(2) Der Versicherungsnehmer muss während der gesamten Vertragsdauer über alle Änderungen der in Anhang II Buchstabe B aufgeführten Angaben auf dem Laufenden gehalten werden.
-
(3) Der Mitgliedstaat der Verpflichtung kann von den Versicherungsunternehmen nur dann die Vorlage von Angaben zusätzlich zu den in Anhang II genannten Auskünften verlangen, wenn diese für das tatsächliche Verständnis der wesentlichen Bestandteile der Versicherungspolice durch den Versicherungsnehmer notwendig sind.
-
(4) Die Durchführungsvorschriften zu diesem Artikel und zu Anhang II werden von dem Mitgliedstaat der Verpflichtung erlassen.
- 7
-
In Anhang II war eine Aufzählung der Informationen aufgeführt, die dem Versicherungsnehmer "entweder (A) vor Abschluss des Vertrages oder (B) während der Laufzeit des Vertrages mitzuteilen" waren. Die Informationen waren "eindeutig und detailliert schriftlich in einer Amtssprache des Mitgliedstaats der Verpflichtung abzufassen". Buchstabe A enthielt eine Tabelle, in deren linker Spalte die Informationen über das Versicherungsunternehmen und in deren rechter Spalte die Informationen über die Versicherungspolicen selbst genannt waren.
- 8
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Die am 20. Dezember 2002 in Kraft getretene Richtlinie 2002/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. November 2002 über Lebensversicherungen (ABl. EG L 345 vom 19. Dezember 2002, S. 1 ff.) sah in ihren Art. 35 und Art. 36 vergleichbare Regelungen vor. Durch sie wurden zugleich die Erste, Zweite und Dritte Lebensversicherungsrichtlinie einschließlich ihrer Änderungen aufgehoben. Die Richtlinie 2002/83/EG wurde ihrerseits durch die Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II) (ABl. EU Nr. L 335 vom 17. Dezember 2009, S. 1 ff.) mit Wirkung zum 1. November 2012 aufgehoben.
- 9
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4. Der Beschwerdeführer beantragte am 14. August 1998 den Abschluss einer fondsgebundenen Lebensversicherung im Wege des "Policenmodells". Er erhielt mit dem Versicherungsschein die Versicherungsbedingungen, eine Verbraucherinformation nach § 10a VAG und eine schriftliche Belehrung über sein Widerspruchsrecht gemäß § 5a VVG. Aufgrund eines Änderungsantrags des Beschwerdeführers im Januar 2004 wurde ihm ein neuer Versicherungsschein ausgestellt, den der Beschwerdeführer mit den Versicherungsbedingungen, einer Verbraucherinformation und einer ordnungsgemäßen Widerspruchsbelehrung erhielt. Von September 1998 bis März 2004 zahlte er Prämien in Höhe von insgesamt 17.128,55 €. Nachdem er den Vertrag im März 2004 gekündigt hatte, kehrte ihm das beklagte Versicherungsunternehmen den Rückkaufswert in Höhe von 12.481,57 € aus. Erst mehrere Jahre später, mit Schreiben vom 8. März 2011, erklärte der Beschwerdeführer gegenüber dem Versicherungsunternehmen den Widerspruch gemäß § 5a VVG a.F.
- 10
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a) Der Beschwerdeführer klagte vor dem Landgericht Gießen auf Zahlung der Differenz zwischen den gezahlten Prämien und dem ausgekehrten Rückkaufswert sowie auf Nutzungsersatz. Das Landgericht Gießen wies die Klage mit Urteil vom 21. März 2012 ab. Das Widerspruchsrecht sei unter Anwendung der Vorschrift des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. erloschen.
- 11
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b) Die Berufung des Beschwerdeführers wies das Oberlandesgericht Frankfurt am Main mit Urteil vom 18. Januar 2013 zurück. Der Versicherungsvertrag sei wirksam zustande gekommen. Der Widerruf habe den Vertrag jedenfalls deshalb nicht ex tunc zum Erlöschen gebracht, weil dem Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt ein Widerspruchsrecht nicht mehr zugestanden habe. Das Widerspruchsrecht sei gemäß § 5a Abs. 1, Abs. 2 Sätze 1 bis 3 VVG a.F. erloschen.
- 12
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c) Mit Urteil vom 16. Juli 2014 wies der Bundesgerichtshof die Revision zurück. Der Kläger könne nicht gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1, § 818 Abs. 1 BGB Rückzahlung der Prämien und Nutzungsersatz verlangen.
- 13
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aa) Er habe die Prämien mit Rechtsgrund an die Beklagte geleistet. Der zwischen den Parteien abgeschlossene Lebensversicherungsvertrag sei auf der Grundlage des § 5a VVG a.F. wirksam zustande gekommen. Hinsichtlich der Wirksamkeit des so geschlossenen Versicherungsvertrags bestünden entgegen der Auffassung der Revision im Hinblick auf die Vereinbarkeit von § 5a VVG a.F. mit dem Gemeinschaftsrecht keine Zweifel. Die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts stehe bei Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union bezogen auf das "Policenmodell" außer Zweifel, so dass eine Vorlagepflicht gemäß Art. 267 AEUV entfalle. Das "Policenmodell" stehe nach Auffassung des Senats in Einklang mit den - für den streitgegenständlichen Zeitraum maßgeblichen - Bestimmungen der Art. 15 Abs. 1 Satz 1 der Zweiten Lebensversicherungsrichtlinie und Art. 31 Abs. 1 der Dritten Lebensversicherungsrichtlinie und den inhaltsgleichen Bestimmungen der Art. 35 Abs. 1, Art. 36 Abs. 1 der späteren Richtlinie 2002/83/EG. Zwar habe ein Teil der Literatur Bedenken gegen die Richtlinienkonformität des "Policenmodells" geäußert. Diese Zweifel würden aber in der Instanzrechtsprechung und im weiteren Schrifttum (zu Recht) nicht geteilt. Die Widerspruchslösung des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. sei vor allem deshalb nicht zu beanstanden, weil die Erste und Zweite Lebensversicherungsrichtlinie keine Vorgaben zum Zustandekommen des Versicherungsvertrags enthielten. Sie verfolgten zudem kein auf das materielle Versicherungsvertragsrecht bezogenes Harmonisierungsziel. Verstöße gegen die Vorgaben des § 10a VAG a.F. zur Gestaltung von Verbraucherinformationen seien auch in Bezug auf das "Policenmodell" zu ahnden gewesen. Die Konstruktion eines schwebend unwirksamen Vertrags habe gewährleistet, dass der Versicherungsnehmer über sein Widerspruchsrecht belehrt worden sei, bevor der Vertrag habe wirksam werden können. Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass § 5a VVG a.F. dem Versicherungsnehmer eine - von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften beanstandete - "Widerspruchslast" auferlege und ihn damit zu einem Handeln verpflichtet habe, um nach Erhalt der erforderlichen Verbraucherinformationen das Zustandekommen des Vertrags in der Frist des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. zu verhindern. Die Verhinderung des Wirksamwerdens eines Vertrags durch Widerspruch oder Widerruf genüge auch in anderen Fällen europarechtlichen Vorgaben beziehungsweise beruhe sogar auf solchen (mit Verweis auf § 7 VerbrKrG und § 1 HWiG). Wenn der Versicherungsnehmer vor Abgabe einer Vertragserklärung die Leistungen verschiedener Versicherer miteinander habe vergleichen wollen, sei er nicht gezwungen gewesen, den Abschluss mehrerer Versicherungen zu beantragen und nach Erhalt der Policen seine Auswahlentscheidung zu treffen. Vielmehr habe er auch mehrere Versicherer um entsprechende Informationen oder konkrete Angaben bitten und sich dann für eine Versicherung entscheiden können. Im Übrigen habe dem Versicherungsnehmer eine zeitlich unbegrenzte Wahlfreiheit auch bei einem Vertragsschluss nach dem sogenannten Antragsmodell oder vergleichbaren Vertragsgestaltungen nicht zur Verfügung gestanden. Von einem wirksam zustande gekommenen Vertrag habe er sich auch insoweit nur durch eine Widerrufs- oder Rücktrittserklärung lösen können.
- 14
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bb) Unabhängig davon sei dem Kläger die Berufung auf die Unwirksamkeit des Versicherungsvertrags aber auch nach Treu und Glauben wegen widersprüchlichen Verhaltens verwehrt.
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(1) Der Kläger verhalte sich treuwidrig, weil er nach ordnungsgemäßer Belehrung über die Möglichkeit, den Vertrag ohne Nachteile nicht zustande kommen zu lassen, diesen jahrelang durchgeführt habe. Dabei komme es nicht darauf an, dass der Kläger nicht sicher habe wissen können, ob das "Policenmodell" gemeinschaftsrechtswidrig gewesen sei und ihm - wenn es so wäre - der geltend gemachte bereicherungsrechtliche Anspruch auf Rückzahlung der Prämien zustünde. Ein Rechtsverlust durch widersprüchliches Verhalten könne wegen der an Treu und Glauben ausgerichteten objektiven Beurteilung selbst dann eintreten, wenn der Berechtigte keine Kenntnis von seiner Berechtigung habe. Ebenso wenig seien für den aus widersprüchlichem Verhalten hergeleiteten Einwand des Rechtsmissbrauchs unredliche Absichten oder ein Verschulden des Klägers erforderlich. Die Beklagte habe durch die Wahl des "Policenmodells" zwar die Ursache für die vom Kläger behauptete Unwirksamkeit des Vertrags gesetzt; ihr Vertrauen sei gleichwohl schutzwürdig, weil sie dem Kläger den gesetzlichen Vorgaben des nationalen Rechts entsprechend eine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung und auch die weiteren Informationen erteilt habe. Dem Vertrauensschutz der Beklagten stehe auch nicht entgegen, dass die Richtlinienkonformität des "Policenmodells" im Schrifttum in Zweifel gezogen worden sei. Das "Policenmodell" habe dem damals geltenden nationalen Recht entsprochen; seine etwaige Gemeinschaftsrechtswidrigkeit habe nicht festgestanden und habe der Beklagten nicht positiv bekannt sein können.
- 16
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(2) Der Einwand von Treu und Glauben greife auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des "Policenmodells" durch. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union unterlägen nationale Rechtsmaximen, die einem Anspruch entgegengehalten werden könnten, dem nationalen Recht, das unter Beachtung des gemeinschaftsrechtlichen Äquivalenz- und des Effektivitätsgrundsatzes angewandt werden müsse. Diese Grundsätze seien gewahrt. Der Versicherungsnehmer, dem nach jahrelanger Durchführung des Vertrags die Berufung auf dessen Unwirksamkeit wegen Richtlinienwidrigkeit des "Policenmodells" nach Treu und Glauben versagt sei, werde nicht ungünstiger gestellt als bei alleiniger Anwendung des deutschen Rechts. Das in Art. 15 Abs. 1 der Zweiten Lebensversicherungsrichtlinie vorgesehene und in § 5a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Sätze 1 bis 3 VVG a.F. umgesetzte Recht, sich vom Vertrag zu lösen, werde dem Versicherungsnehmer dadurch nicht unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert, da der Gesichtspunkt von Treu und Glauben keineswegs stets bei ordnungsgemäßer Belehrung greife, sondern nur in Fällen einer jahrelangen Durchführung des Vertrags.
- 17
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(3) Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union sei auch insoweit nicht erforderlich. Die Maßstäbe für eine Berücksichtigung der Gesichtspunkte von Treu und Glauben seien in der Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt. Hiernach sei die missbräuchliche Berufung auf Gemeinschaftsrecht nicht gestattet. Dies habe der Gerichtshof nicht davon abhängig gemacht, ob dem Berechtigten die Rechtslage bekannt gewesen sei. Die nationalen Gerichte könnten vielmehr das missbräuchliche Verhalten des Betroffenen auf der Grundlage objektiver Kriterien in Rechnung stellen, um ihm gegebenenfalls die Berufung auf die geltend gemachte Bestimmung des Gemeinschaftsrechts zu verwehren. Dabei müssten sie jedoch die mit dieser Bestimmung verfolgten Zwecke beachten. Die Anwendung einer nationalen Vorschrift - wie hier § 242 BGB - dürfe somit die Wirksamkeit und die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts in den Mitgliedstaaten nicht beeinträchtigen. Es obliege dem nationalen Gericht, im bei ihm anhängigen Rechtsstreit festzustellen, ob die Anwendung der nationalen Vorschrift mit dieser Anforderung vereinbar sei. Hier beeinträchtige die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben weder die Wirksamkeit noch die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts. Der vom Gerichtshof in seinem Urteil vom 19. Dezember 2013 (Endress, C-209/12, Rn. 25) dargelegte Zweck der Dritten Lebensversicherungsrichtlinie, eine genaue Belehrung des Versicherungsnehmers über sein Rücktrittsrecht vor Abschluss des Vertrags sicherzustellen, werde nicht berührt, wenn einem Versicherungsnehmer, der vom Versicherer dem geltenden nationalen Recht entsprechend ordnungsgemäß belehrt worden sei, nach jahrelanger Durchführung des Vertrags die Geltendmachung eines bereicherungsrechtlichen Anspruchs unter Berufung auf ein gemeinschaftsrechtswidriges Zustandekommen des Vertrags verwehrt werde.
-
II.
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Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seines Rechts auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) und des allgemeinen Justizgewährungsanspruchs (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG). Der Bundesgerichtshof hätte die Sache dem Gerichtshof der Europäischen Union nach Maßgabe des Art. 267 Abs. 3 AEUV vorlegen müssen.
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1. Der Bundesgerichtshof hätte bei hinreichender Befassung mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union erkennen müssen, dass die Frage der Unionsrechtskonformität des "Policenmodells" vom Gerichtshof noch nicht entschieden sei. Dieser habe im Fall Endress die Frage, ob das "Policenmodell" unionsrechtswidrig sei, offen gelassen. Aufgrund dieser Feststellung sei die Frage weiterhin klärungs- und vorlagebedürftig. Die in der Dritten Lebensversicherungsrichtlinie geregelten vorvertraglichen Informationspflichten sollten sicherstellen, dass potenzielle Versicherungsnehmer den angestrebten Vertragsinhalt in den für sie willensbildungsrelevanten Regelungen erfassen könnten. Ziel der Auskunftspflicht sei somit, den Versicherungsnehmer in den Besitz der nötigen Informationen zu setzen, um den seinen Bedürfnissen am ehesten entsprechenden Vertrag auswählen und so die Vielfalt und den verstärkten Wettbewerb im Versicherungsbinnenmarkt nutzen zu können. Dies setze voraus, dass der Versicherungsnehmer die erforderlichen Informationen erhalte, bevor er eine Auswahlentscheidung für oder gegen einen angebotenen Vertrag treffe. Es sei richtig, dass die einschlägigen Richtlinien keine Vorgaben zum Zustandekommen des Versicherungsvertrags enthielten. Relevant sei aber nicht die Frage, wann ein Versicherungsvertrag abgeschlossen werde, sondern zu welchem Zeitpunkt die Verbraucherinformationen übermittelt werden müssten. Die vom Bundesgerichtshof angestellte Erwägung, mit der Richtlinie werde nur die Vereinheitlichung der aufsichtsrechtlichen Bestimmungen angestrebt, nicht aber eine Harmonisierung der versicherungsvertragsrechtlichen Regelungen, sei vom Bundesverfassungsgericht bereits verworfen worden. Die mit § 5a VVG a.F. verbundene "schwebende Unwirksamkeit" des Versicherungsvertrags ändere nichts am Umstand, dass der Versicherungsnehmer an einen Vertrag gebunden werde, obwohl er vor Abgabe seiner Willenserklärung keine Verbraucherinformationen erhalten habe. Dies habe das Bundesverfassungsgericht unter Bezugnahme auf das Vertragsverletzungsverfahren ausdrücklich hervorgehoben. Das Argument, dass den Versicherungsnehmer beim "Policenmodell" eine Widerspruchslast treffe, werde von der Kommission im Rahmen des Vertragsverletzungsverfahrens vorgetragen. Das Bundesverfassungsgericht habe sich dieser Auffassung angeschlossen. Die Erwägung des Bundesgerichtshofs, der Versicherungsnehmer hätte mehrere Versicherer um entsprechende Informationen oder konkrete Angaben bitten können, trage nicht. Die Versicherungsgesellschaften seien überhaupt nicht bereit gewesen, unverbindliche Anfragen des Versicherungsnehmers zu beantworten. Da sich das Preis-Leistungsverhältnis von Versicherungen nach der individuellen Risikosituation des Versicherungsnehmers richte, seien Versicherer erst nach einer Risikoprüfung bereit gewesen, eine bindende Willenserklärung abzugeben. Eine solche Risikoprüfung sei in der Praxis aber erst dann vorgenommen worden, wenn der Versicherungsnehmer bereits selbst - dem "Policenmodell" entsprechend - ein bindendes Angebot unterbreitet hätte. Andernfalls habe sich der Aufwand für die Versicherungsgesellschaften nicht gelohnt. Genau aus diesem Grund habe sich die Versicherungswirtschaft auch gegen die Abschaffung des "Policenmodells" gewehrt.
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2. Es liege allein in der Kompetenz des Gerichtshofs der Europäischen Union, zu entscheiden, welche allgemeinen Kriterien bei der Anwendung des Missbrauchsverbots zu beachten seien. Allein der Gerichtshof könne über den Inhalt der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte entscheiden. Ob verbraucherschützende Widerrufsrechte aus unionsrechtlicher Perspektive durch nationale Vorschriften zur Verwirkung beschränkt werden dürften, sei unionsrechtlich ungeklärt. Der Bundesgerichtshof verkenne, dass gerade kein "acte clair" vorliege. Ferner setze sich der Bundesgerichtshof mit seiner Auffassung, dass ein missbräuchliches Verhalten des Betroffenen auf der Grundlage objektiver Kriterien festgestellt werden könne, ganz offensichtlich in Widerspruch zur Rechtsprechung des Gerichtshofs. Für das Rechtsmissbrauchsverbot habe dieser ganz im Gegenteil festgestellt, dass eine Privatperson nur dann missbräuchlich handele, wenn das Verhalten von der Absicht getragen sei, sich einen Vorteil zu verschaffen. Außerdem verstoße die Annahme einer (objektiv eintretenden) Verwirkung gegen Sinn und Zweck des Widerspruchsrechts. Der Versicherer habe durch eine rechtzeitige Übermittlung der Verbraucherinformationen vor Auswahlentscheidung klare Verhältnisse schaffen können. Es sei treuwidrig, wenn sich der Unternehmer auf das Rechtsinstitut der Verwirkung berufen könnte, obwohl er selbst durch eine verspätete Information die rechtzeitige Kenntnis des Verbrauchers von seinen Rechten und Pflichten verhindert habe. Auch stehe die Annahme einer Verwirkung im Widerspruch zu der gesetzlichen Vorgabe, dass der Verbraucher auf seine Rechte nicht verzichten könne.
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III.
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Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an. Die Voraussetzungen für eine notwendige Annahme liegen nicht vor (§ 93a Abs. 2 BVerfGG); die Annahme ist auch im Übrigen nicht angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Die für die Entscheidung im Wesentlichen maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind bereits durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt (vgl. BVerfGE 73, 339 <369>; 126, 286 <315>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561, 1562, 1563, 1564/12 -, NVwZ 2014, S. 646 <657>). Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG), weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>; 108, 129 <136>). Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet. Zwar ist die Auffassung des Bundesgerichtshofs, das durch § 5a Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. eröffnete "Policenmodell" sei eindeutig richtlinienkonform, objektiv unvertretbar und willkürlich, mit der Folge, dass er durch die unterlassene Vorlage zur Unionsrechtskonformität des "Policenmodells" zum Gerichtshof der Europäischen Union gegen das Recht des Beschwerdeführers auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen hat. Allerdings beruht das angegriffene Urteil nicht auf diesem Verfassungsverstoß. Der Bundesgerichtshof stützt seine Entscheidung ebenfalls auf die Erwägung, dass es gegen Treu und Glauben verstoße, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrags auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen. Diese Ansicht ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Insbesondere hat der Bundesgerichtshof durch die unterlassene Vorlage zum Gerichtshof im Hinblick auf den Einwand des Rechtsmissbrauchs nicht gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen. Er hat unter Anwendung und Auslegung des materiellen Unionsrechts die vertretbare Überzeugung gebildet, dass die Maßstäbe für eine Berücksichtigung der Gesichtspunkte von Treu und Glauben durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs in einer Weise geklärt sind, die keinen vernünftigen Zweifel offenlässt.
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1. Der Gerichtshof der Europäischen Union ist gesetzlicher Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. BVerfGE 73, 339 <366>; 82, 159 <192>; 126, 286 <315>; 128, 157 <186 f.>; 129, 78 <105>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561, 1562, 1563, 1564/12 -, NVwZ 2014, S. 646 <657>). Unter den Voraussetzungen des Art. 267 Abs. 3 AEUV sind die nationalen Gerichte von Amts wegen gehalten, den Gerichtshof anzurufen (vgl. BVerfGE 82, 159 <192 f.>; 128, 157 <187>; 129, 78 <105>; stRspr). Kommt ein deutsches Gericht seiner Pflicht zur Anrufung des Gerichtshofs im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens daher nicht nach oder stellt es ein Vorabentscheidungsersuchen, obwohl eine Zuständigkeit des Gerichtshofs nicht gegeben ist (vgl. BVerfGE 133, 277 <316 Rn. 91>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561, 1562, 1563, 1564/12 -, NVwZ 2014, S. 646 <657>), kann dem Rechtsschutzsuchenden des Ausgangsrechtsstreits der gesetzliche Richter entzogen sein (vgl. BVerfGE 73, 339 <369>; 126, 286 <315>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561, 1562, 1563, 1564/12 -, NVwZ 2014, S. 646 <657>).
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a) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982, C.I.L.F.I.T., C-283/81, Slg. 1982, 3415, Rn. 21) muss ein letztinstanzliches Gericht seiner Vorlagepflicht nachkommen, wenn sich in einem bei ihm schwebenden Verfahren eine Frage des Unionsrechts stellt, es sei denn, das Gericht hat festgestellt, dass die gestellte Frage nicht entscheidungserheblich ist, dass die betreffende unionsrechtliche Bestimmung bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war oder dass die richtige Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (vgl. auch BVerfGE 82, 159 <193>; 128, 157 <187>; 129, 78 <105 f.>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561, 1562, 1563, 1564/12 -, NVwZ 2014, S. 646 <657>).
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b) Durch die grundrechtsähnliche Gewährleistung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG wird das Bundesverfassungsgericht allerdings nicht zu einem Kontrollorgan, das jeden die gerichtliche Zuständigkeitsordnung berührenden Verfahrensfehler korrigieren müsste. Es muss vielmehr dem Umstand Rechnung tragen, dass die Kontrolle der gerichtlichen Zuständigkeitsverteilung in erster Linie in den Händen der Fachgerichte liegt (vgl. BVerfGE 82, 159 <194>). Das Bundesverfassungsgericht beanstandet die Auslegung und Anwendung von Normen, die die gerichtliche Zuständigkeitsverteilung regeln, daher nur, wenn sie bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheinen und offensichtlich unhaltbar sind (vgl. BVerfGE 29, 198 <207>; 82, 159 <194>).
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Diese Grundsätze gelten auch für die unionsrechtliche Zuständigkeitsvorschrift des Art. 267 Abs. 3 AEUV (BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561, 1562, 1563, 1564/12 -, NVwZ 2014, S. 646 <657>). Daher stellt nicht jede Verletzung der unionsrechtlichen Vorlagepflicht zugleich einen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG dar (vgl. BVerfGE 126, 286 <315>). Das Bundesverfassungsgericht überprüft nur, ob die Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsregel des Art. 267 Abs. 3 AEUV bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (vgl. BVerfGE 126, 286 <315 f.>; 128, 157 <187>; 129, 78 <106>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561, 1562, 1563, 1564/12 -, NVwZ 2014, S. 646 <657>). Durch die zurückgenommene verfassungsrechtliche Prüfung behalten die Fachgerichte bei der Auslegung und Anwendung von Unionsrecht einen Spielraum eigener Einschätzung und Beurteilung, der demjenigen bei der Handhabung einfachrechtlicher Bestimmungen des nationalen Rechts entspricht. Das Bundesverfassungsgericht wacht allein über die Einhaltung der Grenzen dieses Spielraums (vgl. BVerfGE 126, 286 <316> m.w.N.). Ein "oberstes Vorlagenkontrollgericht" ist es nicht (vgl. BVerfGE 126, 286 <316>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561, 1562, 1563, 1564/12 -, NVwZ 2014, S. 646 <657>; BVerfGK 13, 506 <512>; 14, 230 <233>; 16, 328 <336>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 9. November 1987 - 2 BvR 808/82 -, NJW 1988, S. 1456 <1457>).
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aa) Die Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV wird in den Fällen offensichtlich unhaltbar gehandhabt, in denen ein letztinstanzliches Hauptsachegericht eine Vorlage trotz der - seiner Auffassung nach bestehenden - Entscheidungserheblichkeit der unionsrechtlichen Frage überhaupt nicht in Erwägung zieht, obwohl es selbst Zweifel hinsichtlich der richtigen Beantwortung der Frage hegt und das Unionsrecht somit eigenständig fortbildet (grundsätzliche Verkennung der Vorlagepflicht; vgl. BVerfGE 82, 159 <195 f.>; 126, 286 <316 f.>; 128, 157 <187 f.>; 129, 78 <106 f.>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561, 1562, 1563, 1564/12 -, NVwZ 2014, S. 646 <657>).
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bb) Gleiches gilt in den Fällen, in denen das letztinstanzliche Gericht in seiner Entscheidung bewusst von der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu entscheidungserheblichen Fragen abweicht und gleichwohl nicht oder nicht neuerlich vorlegt (bewusstes Abweichen ohne Vorlagebereitschaft; vgl. BVerfGE 82, 159 <195 f.>; 126, 286 <316 f.>; 128, 157 <187 f.>; 129, 78 <106 f.>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561, 1562, 1563, 1564/12 -, NVwZ 2014, S. 646 <657>).
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cc) Liegt zu einer entscheidungserheblichen Frage des Unionsrechts einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union hingegen noch nicht vor, hat eine vorliegende Rechtsprechung die entscheidungserhebliche Frage möglicherweise noch nicht erschöpfend beantwortet oder erscheint eine Fortentwicklung der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht nur als entfernte Möglichkeit (Unvollständigkeit der Rechtsprechung), wird Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt, wenn das letztinstanzliche Gericht den ihm in solchen Fällen notwendig zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschreitet (vgl. BVerfGE 82, 159 <195 f.>; 126, 286 <316 f.>; 128, 157 <187 f.>; 129, 78 <106 f.>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561, 1562, 1563, 1564/12 -, NVwZ 2014, S. 646 <657>). Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn die Fachgerichte das Vorliegen eines "acte clair" oder eines "acte éclairé" willkürlich bejahen (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561, 1562, 1563, 1564/12 -, NVwZ 2014, S. 646 <657>). Das Gericht muss sich daher hinsichtlich des materiellen Unionsrechts hinreichend kundig machen. Etwaige einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs muss es auswerten und seine Entscheidung hieran orientieren (vgl. BVerfGE 82, 159 <196>; 128, 157 <189>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561, 1562, 1563, 1564/12 -, NVwZ 2014, S. 646 <657>). Auf dieser Grundlage muss das Fachgericht unter Anwendung und Auslegung des materiellen Unionsrechts (vgl. BVerfGE 75, 223 <234>; 128, 157 <188>; 129, 78 <107>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561, 1562, 1563, 1564/12 -, NVwZ 2014, S. 646 <657>) die vertretbare Überzeugung bilden, dass die Rechtslage entweder von vornherein eindeutig ("acte clair") oder durch Rechtsprechung in einer Weise geklärt ist, die keinen vernünftigen Zweifel offenlässt ("acte éclairé"; vgl. BVerfGE 129, 78 <107>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561, 1562, 1563, 1564/12 -, NVwZ 2014, S. 646 <657>). Unvertretbar gehandhabt wird Art. 267 Abs. 3 AEUV im Falle der Unvollständigkeit der Rechtsprechung insbesondere dann, wenn das Fachgericht ohne sachlich einleuchtende Begründung eine von vornherein eindeutige oder zweifelsfrei geklärte Rechtslage bejaht (vgl. BVerfGE 82, 159 <196>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561, 1562, 1563, 1564/12 -, NVwZ 2014, S. 646 <657>; zum Vorliegen eines solchen Falles, wenn mögliche Gegenauffassungen zu der entscheidungserheblichen Frage des Unionsrechts gegenüber der vom Gericht zugrunde gelegten Meinung eindeutig vorzuziehen sind, vgl. BVerfGE 82, 159 <196>; 126, 286 <317>).
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2. Nach diesen Maßstäben verletzt das Urteil des Bundesgerichtshofs den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 267 Abs. 3 AEUV. Die Auffassung des Bundesgerichtshofs, das "Policenmodell" sei eindeutig richtlinienkonform, ist objektiv unvertretbar (a). Die Verfassungsbeschwerde hat gleichwohl keinen Erfolg, weil der Verstoß gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter nach der insoweit vertretbaren Auffassung des Bundesgerichtshofs nicht entscheidungserheblich war. Der Bundesgerichtshof stützt seine Entscheidung zugleich und unabhängig von der Frage der Richtlinienkonformität auf die Erwägung, dass es gegen Treu und Glauben verstoße, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrags auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen. Diese Begründung ist mit Blick auf Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG und Art. 267 Abs. 3 AEUV verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (b).
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a) Die Auffassung des Bundesgerichtshofs, die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts stehe, bezogen auf das "Policenmodell", außer Zweifel, so dass die Vorlagepflicht gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchstabe b, Abs. 3 AEUV entfalle, ist nicht vertretbar und verletzt den Beschwerdeführer daher in seinem Recht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
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aa) Die Frage der Richtlinienkonformität des durch § 5a Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. eröffneten "Policenmodells" ist durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union bisher nicht beantwortet, in seinem Urteil vom 19. Dezember 2013 (EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2013, Endress, C-209/12, Rn. 20 f.) hat er von einer Stellungnahme zu dieser Frage abgesehen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 3. März 2014 - 1 BvR 2534/10 -, WM 2014, S. 644 <646>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 3. März 2014 - 1 BvR 2083/11 -, WM 2014, S. 647 <648>; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 4. November 2014 - 2 BvR 723/12, 2 BvR 72 BvR 724/12, 2 BvR 72 BvR 725/12 -, juris, Rn. 37; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 4. November 2014 - 2 BvR 892/12, 2 BvR 893/12, 2 BvR 12 BvR 1969/12, 2 BvR 12 BvR 1990/12 -, juris, Rn. 40).
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bb) Ein "acte clair" liegt nicht vor. Die Erwägungen des Bundesgerichtshofs sind auch nicht geeignet, die richtige Anwendung des Unionsrechts als derart offenkundig erscheinen zu lassen, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt.
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(1) Der Bundesgerichtshof geht davon aus, das "Policenmodell" sei deshalb nicht zu beanstanden, weil die Zweite und Dritte Lebensversicherungsrichtlinie keine Vorgaben zum Zustandekommen des Versicherungsvertrags enthielten. Diese Erwägung ist nicht geeignet, die Richtlinienkonformität des durch § 5a Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. eröffneten "Policenmodells" als "acte claire" erscheinen zu lassen. Dass den Mitgliedstaaten ein Ermessen zukommt, wie sie den Abschluss des Versicherungsvertrags ausgestalten, bedeutet nicht, dass jede Ausgestaltung des Vertragsschlusses ohne weiteres zulässig wäre. Art. 31 Abs. 1 der Dritten Lebensversicherungsrichtlinie zieht dem Ermessen der Mitgliedstaaten vielmehr gerade dadurch eine Grenze, dass die Verbraucherinformationen dem Versicherungsnehmer "vor Abschluss des Versicherungsvertrags" mitzuteilen sind. Diese Klausel ist unter Berücksichtigung der Ziele der Dritten Lebensversicherungsrichtlinie auszulegen, zu denen auch der Verbraucherschutz gehört (Erwägungsgründe Nr. 20 und Nr. 23 der Dritten Lebensversicherungsrichtlinie). Bedenken an der unionsrechtlichen Zulässigkeit des "Policenmodells" lassen sich daher nicht einfach unter Verweis auf ein Ermessen der Mitgliedstaaten beiseiteschieben (vgl. Roth, VersR 2015, S. 1 <5 f., 7>).
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(2) Auch die Annahme des Bundesgerichtshofs, die Zweite und Dritte Lebensversicherungsrichtlinie verfolgten kein auf das materielle Versicherungsvertragsrecht bezogenes Harmonisierungsziel, lässt seine Auslegung des Unionsrechts nicht als offenkundig erscheinen. Nach seiner Ansicht sind Verstöße gegen die Vorgaben des zur Umsetzung der genannten Richtlinien erlassenen § 10a VAG a.F. zur Gestaltung von Verbraucherinformationen auch in Bezug auf das "Policenmodell" zu ahnden gewesen. Diese Annahme gibt für die Auslegung des Unionsrechts freilich nichts her. Zwar war die Informationspflicht "vor" Abschluss des Vertrags in § 10a VAG a.F. aufsichtsrechtlich normiert; ihr Inhalt war jedoch durch die versicherungsvertragsrechtliche Regelung des § 5a VVG a.F. geprägt. Da Maßstab für die Versicherungsaufsicht ausweislich des § 81 Abs. 1 VAG allein die "Einhaltung der aufsichtsrechtlichen, der das Versicherungsverhältnis betreffenden und aller sonstigen die Versicherten betreffenden Vorschriften" sind, bestand für ein Einschreiten der Aufsichtsbehörden kein Anlass, solange das Versicherungsvertragsrecht das "Policenmodell" als Möglichkeit für den Abschluss eines Versicherungsvertrags vorsah (vgl. nur Ebers, in: Micklitz, Verbraucherrecht in Deutschland - Stand und Perspektiven, 2005, S. 253, 260 ff. <266 f.>). Sollte die Praxis der Informationserteilung im Rahmen des "Policenmodells" nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. der Richtlinie daher nicht entsprochen haben, hätte die Bundesrepublik Deutschland der Richtlinie auch durch das Aufsichtsrecht mithin keine praktische Wirksamkeit verschafft (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 3. März 2014 - 1 BvR 2534/10 -, WM 2014, S. 644 <647>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 3. März 2014 - 1 BvR 2083/11 -, WM 2014, S. 647 <649>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 9. Mai 2014 - 1 BvR 1408/11, 1 BvR 1415/11 -, WM 2014, S. 1270 <1272>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 9. Mai 2014 - 1 BvR 2020/11 -, WM 2014, S. 1183 <1184>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 10. Juni 2014 - 1 BvR 669/14 -, juris, Rn. 16; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 2. Juli 2014 - 1 BvR 543/12, 1 BvR 544/12, 1 BvR 545/12, 1 BvR 892/12, 1 BvR 81 BvR 894/12, 1 BvR 21 BvR 2476/12 -, juris, Rn. 19; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 17. September 2014 - 2 BvR 64/12 -, juris, Rn. 42; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 4. November 2014 - 2 BvR 723/12, 2 BvR 72 BvR 724/12, 2 BvR 72 BvR 725/12 -, juris, Rn. 42 f.; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 4. November 2014 - 2 BvR 892/12, 2 BvR 893/12, 2 BvR 12 BvR 1969/12, 2 BvR 12 BvR 1990/12 -, juris, Rn. 46; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 2. Dezember 2014 - 2 BvR 655/14 -, juris, Rn. 20).
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(3) Die Erwägung des Bundesgerichtshofs, die Konstruktion eines schwebend unwirksamen Vertrags habe gewährleistet, dass der Versicherungsnehmer über sein Widerspruchsrecht belehrt worden sei, bevor der Vertrag habe wirksam werden können, ist ebenfalls nicht geeignet, die Richtlinienkonformität des "Policenmodells" als "acte claire" erscheinen zu lassen. Die Europäische Kommission hatte in ihrer Stellungnahme vom 12. Oktober 2006 zum im Jahre 2005 eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland (Nr. 2005/ 5046) darauf hingewiesen, dass der Versicherungsnehmer nach der deutschen Regelung bereits eine Auswahlentscheidung für eine Versicherung treffen müsse, bevor ihm die notwendigen Informationen erteilt würden. Nach Erhalt der Information müsse er sodann durch fristgemäßes Erheben eines Widerspruchs aktiv werden, um eine Bindung an den Vertrag zu verhindern. Es spreche daher Einiges dafür, dass dies die Zielsetzung der Richtlinie, den Versicherungsbinnenmarkt zu stärken, vereitle. Der Verbraucher solle nämlich gerade deshalb umfassend informiert werden, um die Vielfalt der Angebote im Binnenmarkt und den verstärkten Wettbewerb der Versicherer untereinander besser nutzen und einen seinen Bedürfnissen am ehesten entsprechenden Vertrag auswählen zu können (siehe die Erwägungsgründe Nr. 46 und Nr. 52 der Richtlinie 2002/83/EG bzw. die Erwägungsgründe Nr. 20 und Nr. 23 der Dritten Lebensversicherungsrichtlinie; vgl. dazu weiter und ebenso die Generalanwältin Sharpston bei Rn. 59 ihrer Schlussanträge vom 11. Juli 2013 in der Rechtssache C-209/12 - Endress; vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 3. März 2014 - 1 BvR 2534/10 -, WM 2014, S. 644 <646>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 3. März 2014 - 1 BvR 2083/11 -, WM 2014, S. 647 <649>; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 4. November 2014 - 2 BvR 723/12, 2 BvR 72 BvR 724/12, 2 BvR 72 BvR 725/12 -, juris, Rn. 40; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 4. November 2014 - 2 BvR 892/12, 2 BvR 893/12, 2 BvR 12 BvR 1969/12, 2 BvR 12 BvR 1990/12 -, juris, Rn. 43).
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Nach dem "Policenmodell" musste ein Versicherungsnehmer in der Tat möglicherweise gegenüber mehreren Versicherern zunächst Anträge auf Abschluss eines Versicherungsvertrags stellen, um erst mit der Versicherungspolice die spezifischen Informationen zu erhalten, die ihm eine sachgerechte Auswahlentscheidung ermöglichten. Damit wurden ihm nicht nur eine mit erheblichen Risiken - etwa dem der Fristversäumnis - behaftete "Widerrufslast" aufgebürdet; es erscheint auch lebensfremd, dass er die nicht immer zeitgleich bei ihm eingehenden Versicherungsbedingungen während der regelmäßig unterschiedlich laufenden Widerspruchsfristen eingehend vergleichen konnte (so auch Berg, VuR 1999, S. 335 <341 f.>; Osing, Informationspflichten des Versicherers und Abschluss des Versicherungsvertrages, 1996, S. 92 f.; Rehberg, Der Versicherungsabschluss als Informationsproblem, 2003, S. 109 ff. <113 f.>). Dass die Verträge vor Ablauf der Widerspruchsfrist rechtsdogmatisch noch "schwebend unwirksam" sind, ist insoweit nicht entscheidend. Entscheidend ist vielmehr, dass dem Versicherungsnehmer angesonnen wurde, mehrere auf Abschluss verschiedener Verträge gerichtete Willenserklärungen abzugeben, von vornherein jedoch mit der Absicht, alle Erklärungen bis auf eine später zu widerrufen, nur um vor dem Wirksamwerden der Verträge in den Besitz der gebotenen Verbraucherinformation zu gelangen. Art. 31 Abs. 1 der Dritten Lebensversicherungsrichtlinie beziehungsweise Art. 36 Abs. 1 der Richtlinie 2002/83/EG stellen demgegenüber auf einen Zeitpunkt "vor Abschluss des Versicherungsvertrags" ab, nicht fernliegender Weise also auf den Zeitpunkt der maßgeblichen, zum Vertragsschluss führenden Willenserklärung (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 3. März 2014 - 1 BvR 2534/10 -, WM 2014, S. 644 <646 f.>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 3. März 2014 - 1 BvR 2083/11 -, WM 2014, S. 647 <649>; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 4. November 2014 - 2 BvR 723/12, 2 BvR 72 BvR 724/12, 2 BvR 72 BvR 725/12 -, juris, Rn. 41; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 4. November 2014 - 2 BvR 892/12, 2 BvR 893/12, 2 BvR 12 BvR 1969/12, 2 BvR 12 BvR 1990/12 -, juris, Rn. 44).
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Auch der Einwand des Bundesgerichtshofs, ein Wirksamwerden des Vertrags durch Widerspruch oder Widerruf zu verhindern, genüge auch in anderen Fällen europarechtlichen Vorgaben beziehungsweise beruhe sogar auf solchen (mit Verweis auf § 7 VerbrKrG und § 1 HWiG), lässt die Auslegung des Unionsrechts nicht als offenkundig erscheinen. Dass das Unionsrecht in bestimmten Bereichen keine vorvertragliche Informationspflicht kennt beziehungsweise kannte (vgl. die vorvertraglichen Informationspflichten in Art. 3 ff. Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG, ABl. Nr. L 271 vom 9. Oktober 2002, S. 16 ff.; Art. 36 f., 41 f. Richtlinie 2007/64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 97/7/EG, 2002/65/EG, 2005/60/EG und 2006/48/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 97/5/EG, ABl. Nr. L 319 vom 5. Dezember 2007, S. 1 ff.; Art. 5 f. Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates, ABl. EU Nr. L 133 vom 22. Mai 2008, S. 66 ff.; Art. 4 Richtlinie 2008/122/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Januar 2009 über den Schutz der Verbraucher im Hinblick auf bestimmte Aspekte von Teilzeitnutzungsverträgen, Verträgen über langfristige Urlaubsprodukte sowie Wiederverkaufs- und Tauschverträgen, ABl. Nr. L 33 vom 3. Februar 2009, S. 10 ff.; Art. 5 f. Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. EU Nr. L 304 vom 22. November 2011, S. 64 ff.; Art. 14 Richtlinie 2014/17/ЕU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Februar 2014 über Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher und zur Änderung der Richtlinien 2008/48/EG und 2013/36/EU und der Verordnung
Nr. 1093/2010, ABl. Nr. L 60 vom 28. Februar 2014, S. 34 ff.), bedeutet nicht, dass dies in allen Bereichen stets der Fall sein müsste.
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Soweit der Bundesgerichtshof einwendet, der Versicherungsnehmer sei, wenn er vor Abgabe einer Vertragserklärung die Leistungen verschiedener Versicherer miteinander habe vergleichen wollen, nicht gezwungen gewesen, den Abschluss mehrerer Versicherungen zu beantragen und nach Erhalt der Policen eine Auswahlentscheidung zu treffen, ist dies ebenfalls nicht geeignet, die Auslegung des Unionsrechts als offenkundig erscheinen zu lassen. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs habe der Interessent mehrere Versicherer um entsprechende Informationen oder konkrete Angebote bitten und sich für eine Versicherung entscheiden können; es ist jedoch fraglich, ob und inwieweit die Versicherungsgesellschaften in der Praxis überhaupt bereit waren, unverbindliche Anfragen von Interessenten zu beantworten und ob es sich bei der vom Bundesgerichtshof beschriebenen Option nicht lediglich um eine theoretische Möglichkeit gehandelt hat. Dafür spricht, dass § 5a VVG a.F. auf einen Vorschlag des Finanzausschusses des Bundestages zurückgeht, der damit einer Stellungnahme der Versicherungswirtschaft Rechnung tragen wollte, wonach Informationsverpflichtungen vor Vertragsabschluss in der Praxis auf zum Teil unüberwindbare Schwierigkeiten stießen (vgl. Beschlussempfehlung des Finanzausschusses, BTDrucks 12/7595, S. 74, 102).
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Dies kann jedoch dahingestellt bleiben. Aus dem Umstand, dass der Versicherungsnehmer nicht gezwungen war, den Abschluss mehrerer Versicherungen zu beantragen und nach Erhalt der Policen eine Auswahlentscheidung zu treffen, folgt schon nicht, dass die Versicherer nicht trotzdem verpflichtet waren, dem Interessenten die entsprechenden Informationen vor Abgabe der maßgeblichen, zum Vertragsschluss führenden Willenserklärung zukommen zu lassen. Der Bundesgerichtshof unterstellt, dass es sich bei der Informationspflicht aus Art. 31 Abs. 1 der Dritten Lebensversicherungsrichtlinie beziehungsweise Art. 36 Abs. 1 der Richtlinie 2002/83/EG um eine disponible Pflicht handelt, selbst wenn der Interessent - wie im Ausgangsverfahren - ein Verbraucher war. Diese Annahme erscheint schon mit Blick auf den einschränkungslosen Wortlaut der Vorschrift und die Erwägungsgründe der einschlägigen Richtlinien, die ausdrücklich auf den Schutz des Verbrauchers Bezug nehmen (vgl. Erwägungsgrund Nr. 52 der Richtlinie 2002/83/EG bzw. Erwägungsgrund Nr. 23 der Dritten Lebensversicherungsrichtlinie), problematisch. Der Bundesgerichtshof geht hierauf jedoch nicht ein.
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Nicht überzeugen kann auch der Einwand, dem Versicherungsnehmer habe eine zeitlich unbegrenzte Wahlmöglichkeit auch bei einem Vertragsschluss nach dem Antragsmodell oder vergleichbaren Vertragsgestaltungen nicht offen gestanden, weil er, wenn er in diesem Fall nach Annahme eines Angebots ein besseres habe annehmen wollen, ebenfalls durch eine Widerrufs- oder Rücktrittserklärung habe tätig werden müssen. Das geht an der Frage, auf welchen Zeitpunkt es für die Informationspflicht der Art. 31 Abs. 1 der Dritten Lebensversicherungsrichtlinie bzw. Art. 36 Abs. 1 der Richtlinie 2002/83/EG ankommt, vorbei. Nach der Zielsetzung der Richtlinie soll dem Verbraucher nicht eine zeitlich unbegrenzte Wahlmöglichkeit eingeräumt werden; er soll, um die Vielfalt und den verstärkten Wettbewerb voll nutzen zu können, lediglich im Besitz der notwendigen Informationen sein, um den seinen Bedürfnissen am ehesten entsprechenden Vertrag auszuwählen (siehe die Erwägungsgründe Nr. 46 und Nr. 52 der Richtlinie 2002/83/EG bzw. die Erwägungsgründe Nr. 20 und Nr. 23 der Dritten Lebensversicherungsrichtlinie).
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(4) Gegen die Annahme eines "acte clair" spricht nicht zuletzt (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 3. März 2014 - 1 BvR 2534/10 -, WM 2014, S. 644 <647>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 3. März 2014 - 1 BvR 2083/11 -, WM 2014, S. 647 <649>; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 17. September 2014 - 2 BvR 64/12 -, juris, Rn. 43; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 4. November 2014 - 2 BvR 723/12, 2 BvR 72 BvR 724/12, 2 BvR 72 BvR 725/12 -, juris, Rn. 44; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 4. November 2014 - 2 BvR 892/12, 2 BvR 893/12, 2 BvR 12 BvR 1969/12, 2 BvR 12 BvR 1990/12 -, juris, Rn. 47), dass der Gesetzgeber ausweislich der Begründung zu der am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Reform des Versicherungsvertragsgesetzes die Vereinbarkeit des - abgeschafften - "Policenmodells" mit unionsrechtlichen Vorgaben als "nicht zweifelsfrei" eingeschätzt hat (vgl. BTDrucks 16/3945, S. 60) und dass die Richtlinienkonformität des "Policenmodells" im Schrifttum außerordentlich umstritten war (die Richtlinienkonformität bezweifeln: Berg, VuR 1999, S. 335 <341 f.>; Dörner, in: Brömmelmeyer/Heiss/ Meyer/Rückle/Schwintowski/Wallrabenstein, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Private Krankenversicherung und Gesundheitsreform, Schwachstellen der VVG-Reform, 2009, S. 137 <145 f.>; Dörner/Staudinger, WM 2006, S. 1710 <1712>; Ebers, in: Micklitz, Verbraucherrecht in Deutschland - Stand und Perspektiven, 2005, S. 253 <260 ff.>; Lenzing, in: Basedow/Fock, Europäisches Versicherungsvertragsrecht, Band I, 2002, S. 139 <164 f.>; Micklitz/Ebers, in: Basedow/Meyer/Rückle/Schwintowski, Verbraucherschutz durch und im Internet bei Abschluss von privaten Versicherungsverträgen - Altersvorsorgeverträge - VVG-Reform, 2003, S. 43 <82 f.>; Osing, Informationspflichten des Versicherers und Abschluss des Versicherungsvertrages, 1996, S. 92 f.; Rehberg, Der Versicherungsabschluss als Informationsproblem, 2003, S. 109 ff. <116 f.>; Schwintowski, VuR 1996, S. 223 <238 f.>; die Übereinstimmung mit den Richtlinienvorgaben bejahen: Herrmann, in: Bruck/Möller, Versicherungsvertragsgesetz, 9. Aufl. 2009, § 7 Rn. 65; Lorenz, VersR 1995, S. 616 <625 f.>; ders., VersR 1997, S. 773 <780 f.>; Prölss, in: Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 27. Aufl. 2004, VVG § 5a Rn. 8; Reiff, VersR 1997, S. 267 <271>; Schirmer, VersR 1996, S. 1045 <1056>; Wandt, Verbraucherinformation und Vertragsschluss nach neuem Recht - Dogmatische Einordnung und praktische Handhabung -, 1995, S. 31 ff.). Auf die Bedenken in der Literatur weist der Bundesgerichtshof selbst hin, so dass der Verweis auf die Instanzrechtsprechung und Teile des Schrifttums, die von einer Unionsrechtskonformität des "Policenmodells" ausgehen, nicht geeignet ist, die richtige Anwendung des Unionsrechts als derart offenkundig erscheinen zu lassen, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 3. März 2014 - 1 BvR 2534/10 -, WM 2014, S. 644 <646 f.>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 3. März 2014 - 1 BvR 2083/11 -, WM 2014, S. 647 <648 f.>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 9. Mai 2014 - 1 BvR 1408/11, 1 BvR 1415/11 -, WM 2014, S. 1270 <1271 f.>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 9. Mai 2014 - 1 BvR 2020/11 -, WM 2014, S. 1183 <1184>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 10. Juni 2014 - 1 BvR 669/14 -, juris, Rn. 14 ff.; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 2. Juli 2014 - 1 BvR 543/12, 1 BvR 544/12, 1 BvR 545/12, 1 BvR 892/12, 1 BvR 81 BvR 894/12, 1 BvR 21 BvR 2476/12 -, juris, Rn. 19; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 17. September 2014 - 2 BvR 64/12 -, juris, Rn. 41 f.; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 4. November 2014 - 2 BvR 723/12, 2 BvR 72 BvR 724/12, 2 BvR 72 BvR 725/12 -, juris, Rn. 38 ff.; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 4. November 2014 - 2 BvR 892/12, 2 BvR 893/12, 2 BvR 12 BvR 1969/12, 2 BvR 12 BvR 1990/12 -, juris, Rn. 41 ff.).
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b) Auch wenn der Bundesgerichtshof mit Blick auf die unterlassene Vorlage zum Gerichtshof der Europäischen Union zur Richtlinienkonformität des "Policenmodells" gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 267 Abs. 3 AEUV verstößt, beruht das angegriffene Urteil doch nicht auf diesem Verfassungsverstoß (vgl. BVerfGE 3, 213 <220>; 134, 106 <120 Rn. 42>; stRspr). Der Bundesgerichtshof stützt seine Entscheidung zugleich und selbständig auf die Erwägung, dass es gegen Treu und Glauben verstoße, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrags auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen. Diese Auffassung ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.
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Die Annahme des Bundesgerichtshofs, die Maßstäbe für eine Berücksichtigung der Gerichtspunkte von Treu und Glauben seien in der Rechtsprechung geklärt, ist vertretbar. Er hat die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ausgewertet (vgl. BGH, Urteil des 4. Zivilsenats vom 16. Juli 2014 - IV ZR 73/13 -, NJW 2014, S. 2723 <2728 Rn. 41 f.>) und seine Entscheidung hieran orientiert. Außerdem hat er seine Rechtsprechung zum Rechtsmissbrauch aufgrund widersprüchlichen Verhaltens auf die Vereinbarkeit mit dem unionsrechtlichen Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 41) beziehungsweise auf die Vereinbarkeit mit den in der Rechtsprechung des Gerichtshofs entwickelten Maßstäben für eine Berücksichtigung der Gesichtspunkte von Treu und Glauben überprüft (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 42). Auf dieser Grundlage hat er unter Anwendung und Auslegung des materiellen Unionsrechts die vertretbare Überzeugung gebildet, dass die Rechtslage durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs in einer Weise geklärt ist, die keinen vernünftigen Zweifel offenlässt ("acte éclairé").
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aa) Soweit der Beschwerdeführer vorträgt, es sei unionsrechtlich ungeklärt, ob verbraucherschützende Widerrufsrechte durch nationale Vorschriften zum Rechtsmissbrauch beschränkt werden dürften, berührt dies zwar das Gebot der praktischen Wirksamkeit. Der Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben und des Verbots widersprüchlicher Rechtsausübung (§ 242 BGB) steht dies jedoch nicht entgegen, weil zum einen die Ausübung dieser Rechte in das nationale Zivilrecht eingebettet bleibt und weil zum anderen die nationalen Gerichte ein missbräuchliches oder betrügerisches Verhalten auch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union berücksichtigen dürfen (vgl. nur EuGH, Urteil vom 2. Mai 1996, Paletta, C-206/94, Slg. 1996, I-2357, Rn. 25; Urteil vom 21. Juli 2011, Oguz, C-186/10, Slg. 2011, I-6957, Rn. 25 m.w.N.). Vor diesem Hintergrund und angesichts der Besonderheiten des konkreten Falles - die dem Beschwerdeführer vertraglich eingeräumte und bekannt gemachte Widerspruchsfrist ließ er bei Vertragsschluss 1998 und im Zuge der vom Beschwerdeführer eingeleiteten Vertragsänderung 2004 ungenutzt verstreichen; bis zur Kündigung im Jahr 2004 zahlte er regelmäßig die vereinbarten Versicherungsprämien, die von dem Versicherer auch entgegengenommen wurden; nach der Kündigung vergingen sieben Jahre, bis er sich entschloss, dem Vertragsschluss zu widersprechen und sich hilfsweise darauf zu berufen, ein Vertrag sei nicht wirksam zustande gekommen - ist es jedenfalls nicht unhaltbar, dass der Bundesgerichtshof insoweit davon ausgegangen ist, dass die Ausübung eines möglichen Widerrufsrechts rechtsmissbräuchlich wäre.
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bb) Auch die Auffassung, dass ein missbräuchliches Verhalten allein auf der Grundlage objektiver Kriterien festgestellt werden könne und unredliche Absichten oder ein Verschulden insoweit nicht erforderlich seien, steht nicht in einem erkennbaren Widerspruch zur Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. EuGH, Urteil vom 2. Mai 1996, Paletta, C-206/94, Slg. 1996, I-2357, Rn. 25; Urteil vom 21. Juli 2011, Oguz, C-186/10, Slg. 2011, I-6957, Rn. 25 m.w.N.). Soweit dort darauf hingewiesen wird, dass ein Missbrauch die Feststellung auch eines subjektiven Elements in dem Sinne erforderlich mache, dass aus einer Reihe objektiver Anhaltspunkte ersichtlich sein müsse, dass die entsprechenden Voraussetzungen willkürlich geschaffen worden seien, um sich einen gemeinschaftsrechtlich vorgesehenen Vorteil zu verschaffen (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Dezember 2000, Emsland-Stärke, C-110/99, Slg. 2000, I-11569, Rn. 53; Urteil vom 21. Februar 2006, Halifax, C-255/02, Slg. 2006, I-1609, Rn. 75; Urteil vom 12. September 2006, Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas, C-196/04, Slg. 2006, I-7995, Rn. 64), betrifft dies die spezielle Frage, wann mit Unionsrecht unvereinbare missbräuchliche Praktiken von Wirtschaftsteilnehmern vorliegen (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Dezember 2000, Emsland-Stärke, C-110/99, Slg. 2000, I-11569, Rn. 51; Urteil vom 21. Februar 2006, Halifax, C-255/02, Slg. 2006, I-1609, Rn. 69; Urteil vom 12. September 2006, Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas, C-196/04, Slg. 2006, I-7995, Rn. 64), das heißt Vorgänge, die nur zu dem Zweck stattfinden, missbräuchlich Vorteile aus dem Unionsrecht zu ziehen oder Vorschriften des Unionsrechts zu umgehen (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Dezember 2000, Emsland-Stärke, C-110/99, Slg. 2000, I-11569, Rn. 51; Urteil vom 21. Februar 2006, Halifax, C-255/02, Slg. 2006, I-1609, Rn. 75; EuGH, Urteil vom 6. April 2006, Agip Petroli, C-456/04, Slg. 2006, I-3395, Rn. 20; Urteil vom 13. März 2014, SICES, C-155/13, Rn. 30). Darum geht es hier aber nicht.
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Dass die Literatur die Rechtsprechung des Gerichtshofs unterschiedlich interpretiert (vgl. nur Looschelders/Olzen, in: Staudinger, BGB, Buch 2, 2015, § 242 Rn. 1245; Roth/Schubert, in: Münchener Kommentar, BGB, 6. Aufl. 2012, § 242 BGB Rn. 156, 158; Englisch, StuW 2009, S. 3 <5 ff., 20>; Baudenbacher, ZfRV 2008, S. 205 <216>; Fleischer, JZ 2003, S. 865 <872>; Zimmermann, Das Rechtsmissbrauchsverbot im Recht der Europäischen Gemeinschaften, 2002, S. 227; Schön, in: Festschrift für Wiedemann, 2002, S. 1271 <1285 f.>) führt, für sich genommen, nicht dazu, dass der Bundesgerichtshof an der Bejahung eines "acte éclairé" gehindert wäre.
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cc) Schließlich hat der Bundesgerichtshof den ihm zukommenden Beurteilungsrahmen nicht deshalb in unvertretbarer Weise überschritten, weil die Anwendung von § 242 BGB gegen Sinn und Zweck des Widerspruchsrechts verstieße. Seine Erwägung, der Zweck der Dritten Lebensversicherungsrichtlinie, eine genaue Belehrung des Versicherungsnehmers über sein Rücktrittsrecht vor Abschluss des Vertrags sicherzustellen, werde nicht berührt, wenn einem Versicherungsnehmer, der vom Versicherer dem geltenden nationalen Recht entsprechend ordnungsgemäß belehrt worden sei, nach jahrelanger Durchführung des Vertrags die Geltendmachung eines bereicherungsrechtlichen Anspruchs unter Berufung auf ein gemeinschaftsrechtswidriges Zustandekommen des Vertrags verwehrt werde, ist verständlich und nicht offensichtlich unhaltbar. Das gilt auch für die Einwände des Beschwerdeführers, der Versicherer hätte durch eine rechtzeitige Übermittlung der Verbraucherinformationen vor Auswahlentscheidung klare Verhältnisse schaffen können, und die Annahme eines Rechtsmissbrauchs stehe im Widerspruch zu der gesetzlichen Vorgabe, dass der Verbraucher auf seine Rechte nicht verzichten könne. Auch wenn der Versicherer durch die Wahl des "Policenmodells" zwar die Ursache für die Unwirksamkeit des Vertrags gesetzt hat und die Informationspflicht nach Art. 31 Abs. 1 der Dritten Lebensversicherungsrichtlinie zwingend ausgestaltet ist, folgt hieraus nicht, dass das Vertrauen des Versicherers in den Bestand des Vertrags im Einzelfall nicht gleichwohl vorrangig schutzwürdig sein kann (vgl. auch EuGH, Urteil vom 10. April 2008, Hamilton, C-412/06, Slg. 2008, I-2383, Rn. 49; Art. 10 Abs. 1 und Abs. 2 Richtlinie 2011/83/EU).
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Gründe
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Die Verfassungsbeschwerde betrifft eine zivilrechtliche Auseinandersetzung über die Rückzahlung von Versicherungsprämien wegen angeblicher Unwirksamkeit des Versicherungsvertrages. Sie beanstandet das Unterlassen einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union durch das Berufungsgericht.
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I.
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1. Der Beschwerdeführer schloss im Wege des sogenannten "Policenmodells" einen Versicherungsvertrag ab. Dieses in § 5a des Gesetzes über den Versicherungsvertrag im Geltungszeitraum vom 29. Juli 1994 bis 31. Dezember 2007 (im Folgenden: VVG a.F.) geregelte Verfahren war dadurch gekennzeichnet, dass der potenzielle Versicherungsnehmer (im Folgenden: Versicherungsnehmer) zunächst das von ihm unterzeichnete Antragsformular auf Abschluss des Versicherungsvertrages an den Versicherer übermittelte und dieser dem Versicherungsnehmer die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und eine Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes in seiner vor dem 1. Januar 2008 geltenden Fassung (im Folgenden: VAG a.F.) erst zusammen mit der Versicherungspolice zukommen ließ. Widersprach der Versicherungsnehmer nicht binnen 14 Tagen (bei Lebensversicherungen zuletzt binnen 30 Tagen) nach Überlassung der Unterlagen schriftlich, so galt der Vertrag auf Grundlage der Allgemeinen Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformationen als abgeschlossen (§ 5a Abs. 1 VVG a.F.). In dem Antrag des Versicherungsnehmers war demnach das Vertragsangebot, in der nachfolgenden Übersendung der Vertragsunterlagen die Annahme durch den Versicherer zu sehen. Außerdem setzte der wirksame Vertragsschluss das Unterbleiben des Widerspruchs innerhalb der 14-tägigen (bzw. 30-tägigen) Widerspruchsfrist voraus; bis zu diesem Zeitpunkt war der Versicherungsvertrag nach herrschender Meinung schwebend unwirksam (vgl. BGH, Urteil vom 24. November 2010 - IV ZR 252/08 -, VersR 2011, S. 337 <338> Rn. 22; Urteil vom 7. Mai 2014 - IV ZR 76/11 -, VersR 2014, S. 817 <818> Rn. 15; jeweils m.w.N.). Die Widerspruchsfrist begann nach dieser Regelung erst dann zu laufen, wenn der Versicherungsnehmer mit Aushändigung der Versicherungspolice über sein Widerspruchsrecht belehrt worden war; abweichend hiervon erlosch das Widerspruchsrecht - auch bei fehlender Belehrung - nach § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. spätestens ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie.
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2. Der Beschwerdeführer hatte bei dem von ihm im Ausgangsverfahren verklagten Versicherer den Abschluss einer fondsgebundenen Lebensversicherung (Versicherungsbeginn: 1. September 2000) beantragt. Die Verbraucherinformation nach § 10a VAG a.F. sowie eine Belehrung über das Widerspruchsrecht übersandte der Versicherer zusammen mit der Versicherungspolice im August 2000. Im Dezember 2009 widersprach der Beschwerdeführer dem Vertragsschluss gemäß § 5a VVG a.F. und nahm, nach Erstattung des Rückkaufswertes, den Versicherer unter anderem auf Rückzahlung der den Rückkaufswert übersteigenden Prämienzahlungen in Höhe von rund 5.325 € zuzüglich Zinsen in Anspruch, weil der Versicherungsvertrag durch den erklärten Widerspruch unwirksam geworden und somit die Zahlung der Versicherungsprämien ohne rechtlichen Grund erfolgt sei.
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Das Landgericht wies die Klage ab. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beschwerdeführers wies das Oberlandesgericht, ohne die Revision zuzulassen, durch Urteil zurück.
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Auf die dagegen erhobene Verfassungsbeschwerde (1 BvR 545/12) hin stellte das Bundesverfassungsgericht eine Verletzung des Beschwerdeführers in seinem verfassungsmäßigen Recht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG fest, weil das Oberlandesgericht die Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV in offensichtlich unhaltbarer Weise nicht befolgt hatte; es verwies die Sache unter Aufhebung des Berufungsurteils an das Oberlandesgericht zurück (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 2. Juli 2014 - 1 BvR 543-545, 892, 894, 2476/12 -, juris).
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Mit dem nun von der vorliegenden Verfassungsbeschwerde angegriffenen Urteil wies das Oberlandesgericht die Berufung erneut zurück. Der erst im Dezember 2009 durch den Beschwerdeführer erklärte Widerspruch sei verfristet. § 5a Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. verstoße nicht gegen Unionsrecht, sondern werde den Richtlinienvorgaben inhaltlich gerecht. Das habe nunmehr der Bundesgerichtshof (mit Urteil vom 16. Juli 2014 - IV ZR 73/13 -, VersR 2014, S. 1065 <1066 ff.> Rn. 16 ff.) entschieden. Dies entspreche auch der bisherigen Rechtsprechung des erkennenden Senats, an welcher festgehalten werde. Eine Verpflichtung, die Frage der Unionsrechtskonformität des "Policenmodells" dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung vorzulegen, bestehe nicht. Denn abgesehen davon, dass - was der Bundesgerichtshof (a.a.O. <1066 ff.> Rn. 16 ff.) bestätigt habe - die Unionsrechtskonformität des "Policenmodells" außer Zweifel stehe, komme es vorliegend auf diese Frage nicht entscheidungserheblich an. Der Bundesgerichtshof habe nämlich (a.a.O. <1069 f.> Rn. 32 ff.) entschieden, dass es einem ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrten Versicherungsnehmer auch im Falle einer unterstellten Unionsrechtswidrigkeit des "Policenmodells" nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt sei, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten. Auch hierzu sei eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nicht erforderlich, weil die Maßstäbe für eine Berücksichtigung der Gesichtspunkte von Treu und Glauben in der Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt seien und deren Anwendung auf den Einzelfall den nationalen Gerichten obliege. Vorliegend folge die Treuwidrigkeit des Verhaltens des Beschwerdeführers daraus, dass er den Vertrag mehr als neun Jahre lang durch Prämienzahlungen durchgeführt und dadurch beim beklagten Versicherer ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Vertrages geschaffen habe. Die Revision ließ das Oberlandesgericht nicht zu.
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II.
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Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen die erneute Zurückweisung seiner Berufung durch das Oberlandesgericht. Er beanstandet wiederum die Handhabung der Vorlagepflicht gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV und rügt eine Verletzung seiner verfassungsmäßigen Rechte aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG und aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.
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Indem das Oberlandesgericht davon abgesehen habe, sich zur unionsrechtlichen Rechtslage hinreichend kundig zu machen, und es seine Vorlagepflicht an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs mit einer offenkundig nicht tragfähigen Begründung willkürlich verneint habe, habe es das Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) und auch den allgemeinen Justizgewährungsanspruch (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) verletzt. Im Einzelnen sehe sich das Urteil des Oberlandesgerichts denselben Angriffen ausgesetzt wie das von ihm zur Begründung seines Rechtsstandpunktes herangezogene Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16. Juli 2014 (IV ZR 73/13, VersR 2014, S. 1065), das Gegenstand einer entsprechenden Verfassungsbeschwerde (2 BvR 2437/14) sei.
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1. Als letztinstanzlich entscheidendes Gericht sei das Oberlandesgericht verpflichtet gewesen, die Frage, ob das durch § 5a Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. eröffnete "Policenmodell" den Vorgaben der Richtlinie 92/96/EWG des Rates vom 10. November 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 79/267/EWG und 90/619/EWG (Dritte Richtlinie Lebensversicherung; ABl. EG Nr. L 360, S. 1-27 vom 9. Dezember 1992) entspreche, gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung vorzulegen.
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Die Auslegung der einschlägigen Richtlinienbestimmungen, nach denen dem Versicherungsnehmer die Informationen "vor Abschluss des Versicherungsvertrages" mitzuteilen seien, sei keinesfalls zweifelsfrei (wird näher ausgeführt unter Hinweis auf das Vorbringen in dem mittlerweile durch Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 2. Februar 2015 - 2 BvR 2437/14 - entschiedenen Verfahren; vgl. dort bei juris, Rn. 19).
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2. Auch über das vom Oberlandesgericht angenommene rechtsmissbräuchliche Verhalten des Beschwerdeführers habe dieses nicht ohne Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union entscheiden dürfen.
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Die Formulierung allgemeiner Kriterien für das als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts anerkannte Rechtsmissbrauchsverbot obliege ausschließlich dem Gerichtshof der Europäischen Union. Nur der Gerichtshof könne über den Inhalt der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte entscheiden. Ob verbraucherschützende Widerrufsrechte aus unionsrechtlicher Perspektive durch nationale Vorschriften zur Verwirkung eingeschränkt werden dürften, sei unionsrechtlich ungeklärt. Das Oberlandesgericht verkenne, dass insofern ein "acte clair" gerade nicht vorliege.
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Ferner setze sich das Oberlandesgericht mit seiner Auffassung, dass ein missbräuchliches Verhalten des Betroffenen auf der Grundlage objektiver Kriterien festgestellt werden könne, ganz offensichtlich in Widerspruch zur Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union. Danach handele eine Privatperson nur dann rechtsmissbräuchlich, wenn ihr Verhalten von der Absicht getragen sei, sich einen Vorteil zu verschaffen.
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Außerdem verstoße die Annahme einer (objektiv eintretenden) Verwirkung gegen Sinn und Zweck des Widerspruchsrechts. Der Versicherer habe durch eine rechtzeitige Übermittlung der Verbraucherinformationen vor der Auswahlentscheidung des Versicherungsnehmers klare Verhältnisse schaffen können. Es sei als treuwidrig anzusehen, wenn sich der Versicherer auf das Rechtsinstitut der Verwirkung berufen könne, obwohl er selbst durch eine verspätete Information die rechtzeitige Kenntnis des Versicherungsnehmers von seinen Rechten und Pflichten verhindert habe. Auch stehe die Annahme einer Verwirkung im Widerspruch zu der gesetzlichen Vorgabe, dass ein Verbraucher auf seine Rechte nicht verzichten könne.
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Mithin sei das Oberlandesgericht in der angegriffenen Entscheidung seiner Vorlagepflicht willkürlich nicht nachgekommen. Es habe sich den Ausführungen des Bundesgerichtshofs in dessen Urteil vom 16. Juli 2014 (IV ZR 73/13, VersR 2014, S. 1065) angeschlossen und sich somit - ebenso wie der Bundesgerichtshof - weder mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union noch mit den unionsrechtlichen Vorgaben befasst.
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III.
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Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 93a Abs. 2 BVerfGG).
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Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Die für die Entscheidung im Wesentlichen maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind bereits durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt (vgl. BVerfGE 73, 339 <366 ff.>; 126, 286 <315 ff.>; 128, 157 <186 ff.>; 129, 78 <105 ff.>; 135, 155 <230 ff.> Rn. 177 ff.).
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Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der als verletzt bezeichneten verfassungsmäßigen Rechte angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG), weil die Verfassungsbeschwerde keine Aussicht auf Erfolg hat (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>). Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet. Zwar ist die auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16. Juli 2014 (IV ZR 73/13, VersR 2014, S. 1065 <1066 ff.> Rn. 16 ff.) gestützte Auffassung des Oberlandesgerichts, die Unionsrechtskonformität des "Policenmodells" stehe außer Zweifel, verfassungsrechtlich nicht haltbar. Dies hat zur Folge, dass das Oberlandesgericht durch das Unterlassen einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union gegen das Recht des Beschwerdeführers auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen hat (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 2. Februar 2015 - 2 BvR 2437/14 -, juris, Rn. 21, 29 ff.).
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Das angegriffene Urteil beruht aber nicht auf diesem Verfassungsverstoß. Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung im Anschluss an den Bundesgerichtshof (a.a.O. <1069 f.> Rn. 32 ff.) maßgeblich auf die Erwägung gestützt, dass es dem ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrten Versicherungsnehmer gemäß den Grundsätzen von Treu und Glauben ohnehin verwehrt sei, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten. Diese Ansicht ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Insbesondere hat das Oberlandesgericht insoweit durch das Absehen von einer Vorlage zum Gerichtshof der Europäischen Union nicht gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen. Es hat sich unter Anwendung und Auslegung des materiellen Unionsrechts die vertretbare Überzeugung gebildet, dass die Maßstäbe für eine Berücksichtigung der Gesichtspunkte von Treu und Glauben durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union in einer Weise geklärt sind, die keinen vernünftigen Zweifel offen lässt (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 2. Februar 2015 - 2 BvR 2437/14 -, juris, Rn. 21, 42 ff.).
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1. a) Der Gerichtshof der Europäischen Union ist gesetzlicher Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Unter den Voraussetzungen des Art. 267 Abs. 3 AEUV sind die nationalen Gerichte von Amts wegen gehalten, den Gerichtshof anzurufen (vgl. BVerfGE 73, 339 <366 ff.>; 82, 159 <192 f.>; 126, 286 <315>; 128, 157 <186 f.>; 135, 155 <230 f.> Rn. 177; stRspr). Kommt mithin ein deutsches Gericht seiner Pflicht zur Anrufung des Gerichtshofs im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nicht nach oder stellt es ein Vorabentscheidungsersuchen, obwohl eine Zuständigkeit des Gerichtshofs nicht gegeben ist (vgl. BVerfGE 133, 277 <316> Rn. 91; 135, 155 <231> Rn. 177), kann dem Rechtsschutzsuchenden des Ausgangsrechtsstreits der gesetzliche Richter entzogen sein (vgl. BVerfGE 73, 339 <366 ff.>; 126, 286 <315>; 135, 155 <231> Rn. 177).
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Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union muss ein nationales letztinstanzliches Gericht seiner Vorlagepflicht nachkommen, wenn sich in einem bei ihm schwebenden Verfahren eine Frage des Unionsrechts stellt, es sei denn, das Gericht hat festgestellt, dass die gestellte Frage nicht entscheidungserheblich ist, dass die betreffende unionsrechtliche Bestimmung bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Union war oder dass die richtige Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982, C.I.L.F.I.T., Rs. 283/81, Slg. 1982, S. 3415 <3430 f.> Rn. 21).
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b) Durch die grundrechtsähnliche Gewährleistung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG wird das Bundesverfassungsgericht allerdings nicht zu einem Kontrollorgan, das jeden die gerichtliche Zuständigkeitsordnung berührenden Verfahrensfehler korrigieren müsste. Das Bundesverfassungsgericht überprüft nur, ob die Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsregel des Art. 267 Abs. 3 AEUV bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (vgl. BVerfGE 82, 159 <194 f.>; 126, 286 <315 f.>; 128, 157 <187>; 129, 78 <106>; 135, 155 <231 f.> Rn. 179 f.; stRspr). Durch die zurückgenommene verfassungsrechtliche Prüfung behalten die Fachgerichte bei der Auslegung und Anwendung von Unionsrecht einen Spielraum eigener Einschätzung und Beurteilung, der demjenigen bei der Handhabung einfachrechtlicher Bestimmungen des nationalen Rechts entspricht. Das Bundesverfassungsgericht wacht allein über die Einhaltung der Grenzen dieses Spielraums (vgl. BVerfGE 126, 286 <316> m.w.N.). Ein "oberstes Vorlagenkontrollgericht" ist es nicht (vgl. BVerfGE 126, 286 <316>; 135, 155 <232> Rn. 180).
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aa) Hiernach wird die Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV insbesondere in den Fällen offensichtlich unhaltbar gehandhabt, in denen ein letztinstanzliches Hauptsachegericht eine Vorlage trotz der - seiner Auffassung nach bestehenden - Entscheidungserheblichkeit der unionsrechtlichen Frage überhaupt nicht in Erwägung zieht, obwohl es selbst Zweifel hinsichtlich der richtigen Beantwortung der Frage hegt (grundsätzliche Verkennung der Vorlagepflicht; vgl. BVerfGE 82, 159 <195 f.>; 126, 286 <316 f.>; 128, 157 <187 f.>; 129, 78 <106 f.>; 135, 155 <232> Rn. 181; stRspr).
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bb) Gleiches gilt in den Fällen, in denen das letztinstanzliche Hauptsachegericht in seiner Entscheidung bewusst von der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu entscheidungserheblichen Fragen abweicht und gleichwohl nicht oder nicht neuerlich vorlegt (bewusstes Abweichen ohne Vorlagebereitschaft; vgl. BVerfGE 82, 159 <195 f.>; 126, 286 <316 f.>; 128, 157 <187 f.>; 129, 78 <106 f.>; 135, 155 <232> Rn. 182; stRspr).
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cc) Liegt zu einer entscheidungserheblichen Frage des Unionsrechts einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union noch nicht vor oder hat eine vorliegende Rechtsprechung die entscheidungserhebliche Frage möglicherweise noch nicht erschöpfend beantwortet oder erscheint eine Fortentwicklung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht nur als entfernte Möglichkeit, so wird Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nur dann verletzt, wenn das letztinstanzliche Hauptsachegericht den ihm in solchen Fällen notwendig zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschritten hat (Unvollständigkeit der Rechtsprechung; vgl. BVerfGE 82, 159 <195 f.>; 126, 286 <316 f.>; 128, 157 <187 f.>; 129, 78 <106 f.>; 135, 155 <232 f.> Rn. 183; stRspr). Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn die Fachgerichte das Vorliegen eines "acte clair" oder eines "acte éclairé" willkürlich bejahen (vgl. BVerfGE 135, 155 <233> Rn. 184). Das Gericht muss sich daher hinsichtlich des materiellen Unionsrechts hinreichend kundig machen. Etwaige einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs muss es auswerten und seine Entscheidung hieran orientieren (vgl. BVerfGE 82, 159 <196>; 128, 157 <189>; 135, 155 <233> Rn. 184). Auf dieser Grundlage muss sich das Fachgericht unter Anwendung und Auslegung des materiellen Unionsrechts (vgl. BVerfGE 75, 223 <234>; 128, 157 <188>; 129, 78 <107>; 135, 155 <233> Rn. 184) die vertretbare Überzeugung bilden, dass die Rechtslage entweder von vornherein eindeutig ("acte clair") oder durch Rechtsprechung in einer Weise geklärt ist, die keinen vernünftigen Zweifel offen lässt ("acte éclairé"; vgl. BVerfGE 129, 78 <107>; 135, 155 <233> Rn. 184). Unvertretbar gehandhabt wird Art. 267 Abs. 3 AEUV im Falle der Unvollständigkeit der Rechtsprechung insbesondere dann, wenn das Fachgericht ohne sachlich einleuchtende Begründung eine von vornherein eindeutige oder zweifelsfrei geklärte Rechtslage bejaht (vgl. BVerfGE 82, 159 <196>; 135, 155 <233> Rn. 185; zum Vorliegen eines solchen Falles, wenn mögliche Gegenauffassungen zu der entscheidungserheblichen Frage des Unionsrechts gegenüber der vom Gericht zugrunde gelegten Meinung eindeutig vorzuziehen sind, vgl. BVerfGE 82, 159 <195 f.>; 126, 286 <317>).
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Bei den in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts genannten Fallgruppen handelt es sich um eine nicht abschließende Aufzählung von Beispielen für eine verfassungsrechtlich erhebliche Verletzung der Vorlagepflicht. Dabei kommt es für die Prüfung einer Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG durch Nichtvorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union im Ausgangspunkt nicht in erster Linie auf die Vertretbarkeit der fachgerichtlichen Auslegung des für den Streitfall maßgeblichen materiellen Unionsrechts an, sondern auf die Vertretbarkeit der Handhabung der Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV (vgl. BVerfGE 128, 157 <187 f.>; 129, 78 <106 f.>).
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2. Nach diesen Maßstäben verletzt das Urteil des Oberlandesgerichts den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Auffassung des Oberlandesgerichts, die Richtlinienkonformität des "Policenmodells" stehe außer Zweifel, ist objektiv unvertretbar (a). Die Verfassungsbeschwerde hat gleichwohl keinen Erfolg, weil der Verstoß gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter nicht entscheidungserheblich war. Das Oberlandesgericht stützt seine Entscheidung maßgeblich und unabhängig von der Frage der Richtlinienkonformität des "Policenmodells" auf die Erwägung, dass es dem Beschwerdeführer gemäß den Grundsätzen von Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt sei, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen. Diese Begründung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (b).
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a) Die Auffassung des Oberlandesgerichts, bezogen auf das "Policenmodell" stehe die richtige Anwendung des Unionsrechts außer Zweifel, so dass die Vorlagepflicht gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchstabe b, Abs. 3 AEUV entfalle, ist nicht vertretbar und verletzt den Beschwerdeführer in seinem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
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Insofern liegt ein "acte clair" nicht vor (in diesem Sinne auch: Brömmelmeyer, VuR 2014, S. 447 <450 f., 452>; Roth, VersR 2015, S. 1 <7 f.>). Die vom Berufungsgericht zur Begründung seiner Entscheidung in Bezug genommenen Erwägungen des Bundesgerichtshofs (vgl. Urteil vom 16. Juli 2014 - IV ZR 73/13 -, VersR 2014, S. 1065 <1066 ff.> Rn. 16 ff.) sind nicht geeignet, die richtige Anwendung des Unionsrechts als derart offenkundig erscheinen zu lassen, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt. Insoweit und wegen der weiteren Begründung wird im Einzelnen auf den Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 2. Februar 2015 - 2 BvR 2437/14 - verwiesen. Durch diesen ist zwar die gegen das vom Oberlandesgericht herangezogene Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16. Juli 2014 (IV ZR 73/13, VersR 2014, S. 1065) gerichtete Verfassungsbeschwerde im Ergebnis nicht zur Entscheidung angenommen worden. Die 3. Kammer des Zweiten Senats hat jedoch im Einzelnen ausgeführt, dass und aus welchen Gründen die Hilfserwägungen des Bundesgerichtshofs (a.a.O. <1066 ff.> Rn. 16 ff.) zur angeblich außer Zweifel stehenden Richtlinienkonformität des "Policenmodells" im Sinne eines "acte clair" von Verfassungs wegen nicht haltbar sind und gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 2. Februar 2015 - 2 BvR 2437/14 -, juris, Rn. 21, 29 ff.). Die hier zur Entscheidung berufene Kammer des Bundesverfassungsgerichts tritt diesem Standpunkt bei.
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b) Obgleich das Oberlandesgericht im Zusammenhang mit der Frage nach der Richtlinienkonformität des "Policenmodells" wegen einer unhaltbaren Handhabung der Vorlagepflicht gemäß Art. 267 AEUV gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstößt, beruht das angegriffene Urteil allerdings nicht auf diesem Verfassungsverstoß (vgl. BVerfGE 3, 213 <220>; 134, 106 <120> Rn. 42; stRspr). Das Oberlandesgericht begründet seine Entscheidung nämlich maßgeblich damit, dass es dem ordnungsgemäß nach § 5a VVG a.F. über sein Widerspruchsrecht belehrten Beschwerdeführer wegen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens gemäß den Grundsätzen von Treu und Glauben verwehrt sei, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen. Diese Auffassung ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.
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aa) Die im Anschluss an den Bundesgerichtshof vertretene Annahme des Oberlandesgerichts, die Maßstäbe für eine Berücksichtigung der Gesichtspunkte von Treu und Glauben seien in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt (vgl. BGH, Urteil vom 16. Juli 2014 - IV ZR 73/13 -, VersR 2014, S. 1065 <1070> Rn. 41 f.), ist vertretbar (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 2. Februar 2015 - 2 BvR 2437/14 -, juris, Rn. 21, 42 ff.; in diesem Sinne auch Roth, VersR 2015, S. 1 <10>). Der Bundesgerichtshof hat die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ausgewertet und seine Entscheidung hieran orientiert (vgl. BGH, a.a.O. <1070> Rn. 41 f.>). Außerdem hat er seine Rechtsprechung zum Rechtsmissbrauch aufgrund widersprüchlichen Verhaltens auf die Vereinbarkeit mit dem unionsrechtlichen Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz (vgl. BGH, a.a.O. <1070> Rn. 41) beziehungsweise auf die Vereinbarkeit mit den in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union entwickelten Maßstäben für eine Berücksichtigung der Gesichtspunkte von Treu und Glauben überprüft (vgl. BGH, a.a.O. <1070> Rn. 42). Auf dieser Grundlage hat er sich unter Anwendung und Auslegung des materiellen Unionsrechts die vertretbare Überzeugung gebildet, dass die Rechtslage durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union in einer Weise geklärt ist, die keinen vernünftigen Zweifel offen lässt ("acte éclairé").
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bb) (1) Soweit der Beschwerdeführer vorträgt, es sei unionsrechtlich ungeklärt, ob verbraucherschützende Widerrufsrechte durch nationale Vorschriften zum Rechtsmissbrauch beschränkt werden dürften, berührt dies zwar das Gebot der praktischen Wirksamkeit. Der Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben und des Verbots widersprüchlicher Rechtsausübung (§ 242 BGB) steht dies jedoch nicht entgegen, weil zum einen die Ausübung dieser Rechte in das nationale Zivilrecht eingebettet bleibt und weil zum anderen die nationalen Gerichte ein missbräuchliches oder betrügerisches Verhalten auch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union berücksichtigen dürfen (vgl. nur EuGH, Urteil vom 2. Mai 1996, Paletta, C-206/94, Slg. 1996, I-2357, Rn. 25; Urteil vom 21. Juli 2011, Oguz, C-186/10, Slg. 2011, I-6957, Rn. 25 m.w.N.). Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der Umstände des dem Ausgangsverfahren zugrunde liegenden Falles ist es jedenfalls nicht unhaltbar, dass das Oberlandesgericht insoweit davon ausgegangen ist, die Ausübung eines möglichen Widerrufsrechts sei nach einer mehr als neun Jahre währenden Vertragsdurchführung rechtsmissbräuchlich.
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(2) Auch die Auffassung, dass ein missbräuchliches Verhalten allein auf der Grundlage objektiver Kriterien festgestellt werden könne und unredliche Absichten oder ein Verschulden insoweit nicht erforderlich seien, steht nicht in einem erkennbaren Widerspruch zur Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. EuGH, Urteil vom 2. Mai 1996, Paletta, C-206/94, Slg. 1996, I-2357, Rn. 25; Urteil vom 21. Juli 2011, Oguz, C-186/10, Slg. 2011, I-6957, Rn. 25 m.w.N.).
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Soweit dort darauf hingewiesen wird, ein Missbrauch mache die Feststellung auch eines subjektiven Elements in dem Sinne erforderlich, dass aus einer Reihe objektiver Anhaltspunkte ersichtlich sein müsse, dass die entsprechenden Voraussetzungen willkürlich geschaffen worden seien, um sich einen gemeinschaftsrechtlich vorgesehenen Vorteil zu verschaffen (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Dezember 2000, Emsland-Stärke, C-110/99, Slg. 2000, I-11569, Rn. 53; Urteil vom 21. Februar 2006, Halifax, C-255/02, Slg. 2006, I-1609, Rn. 75; Urteil vom 12. September 2006, Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas, C-196/04, Slg. 2006, I-7995, Rn. 64), betrifft dies die spezielle Frage, wann mit Unionsrecht unvereinbare missbräuchliche Praktiken von Wirtschaftsteilnehmern vorliegen, das heißt Vorgänge, die nur zu dem Zweck stattfinden, missbräuchlich Vorteile aus dem Unionsrecht zu ziehen oder Vorschriften des Unionsrechts zu umgehen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 2. Februar 2015 - 2 BvR 2437/14 -, juris, Rn. 45 m.w.N.). Darum geht es hier jedoch nicht.
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Dass das Schrifttum die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union unterschiedlich interpretiert (vgl. nur Looschelders/Olzen, in: Staudinger, BGB, Buch 2, 2015, § 242 Rn. 1245; Roth/Schubert, in: Münchener Kommentar, BGB, Band 2, 6. Aufl. 2012, § 242 Rn. 156, 158; Englisch, StuW 2009, S. 3 <5 ff., 20>; Baudenbacher, ZfRV 2008, S. 205 <216>; Fleischer, JZ 2003, S. 865 <872>; Zimmermann, Das Rechtsmissbrauchsverbot im Recht der Europäischen Gemeinschaften, 2002, S. 227; Schön, in: Festschrift für Wiedemann, 2002, S. 1271 <1285 f.>), führt, für sich genommen, nicht dazu, dass das Oberlandesgericht an der Bejahung eines "acte éclairé" gehindert wäre.
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(3) Schließlich hat das Oberlandesgericht den ihm zukommenden Beurteilungsrahmen nicht deshalb in unvertretbarer Weise überschritten, weil die Anwendung von § 242 BGB gegen Sinn und Zweck des Widerspruchsrechts verstieße. Die zugrunde liegende Erwägung, der Zweck der Dritten Richtlinie Lebensversicherung, eine genaue Belehrung des Versicherungsnehmers über sein Rücktrittsrecht vor Abschluss des Vertrages sicherzustellen, werde nicht berührt, wenn einem Versicherungsnehmer, der vom Versicherer dem geltenden nationalen Recht entsprechend ordnungsgemäß belehrt worden sei, nach jahrelanger Durchführung des Vertrages die Geltendmachung eines bereicherungsrechtlichen Anspruchs unter Berufung auf ein unionsrechtswidriges Zustandekommen des Vertrages verwehrt werde, ist verständlich und nicht offensichtlich unhaltbar. Das gilt auch für die beiden Einwände des Beschwerdeführers, der Versicherer habe durch eine rechtzeitige Übermittlung der Verbraucherinformationen vor der Auswahlentscheidung des Versicherungsnehmers klare Verhältnisse schaffen können, und die Annahme eines Rechtsmissbrauchs stehe im Widerspruch zu der gesetzlichen Vorgabe, dass der Verbraucher auf seine Rechte nicht verzichten könne. Auch wenn der Versicherer den Vertragsschluss im Wege des "Policenmodells" vorgegeben hat und die Informationspflicht nach Art. 31 Abs. 1 der Dritten Richtlinie Lebensversicherung zwingend ausgestaltet ist, folgt hieraus nicht, dass das Vertrauen des Versicherers in den Bestand eines solchermaßen geschlossenen Versicherungsvertrages im Einzelfall nicht gleichwohl vorrangig schutzwürdig sein kann (vgl. auch EuGH, Urteil vom 10. April 2008, Hamilton, C-412/06, Slg. 2008, I-2383, Rn. 49; Art. 10 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2011/83/EU).
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3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
(1) Sind außer dem Hauptanspruch auch Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten als Nebenforderungen betroffen, wird der Wert der Nebenforderungen nicht berücksichtigt.
(2) Sind Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten als Nebenforderungen ohne den Hauptanspruch betroffen, ist der Wert der Nebenforderungen maßgebend, soweit er den Wert des Hauptanspruchs nicht übersteigt.
(3) Sind die Kosten des Rechtsstreits ohne den Hauptanspruch betroffen, ist der Betrag der Kosten maßgebend, soweit er den Wert des Hauptanspruchs nicht übersteigt.
(1) In einer Klage und in einer Widerklage geltend gemachte Ansprüche, die nicht in getrennten Prozessen verhandelt werden, werden zusammengerechnet. Ein hilfsweise geltend gemachter Anspruch wird mit dem Hauptanspruch zusammengerechnet, soweit eine Entscheidung über ihn ergeht. Betreffen die Ansprüche im Fall des Satzes 1 oder 2 denselben Gegenstand, ist nur der Wert des höheren Anspruchs maßgebend.
(2) Für wechselseitig eingelegte Rechtsmittel, die nicht in getrennten Prozessen verhandelt werden, ist Absatz 1 Satz 1 und 3 entsprechend anzuwenden.
(3) Macht der Beklagte hilfsweise die Aufrechnung mit einer bestrittenen Gegenforderung geltend, erhöht sich der Streitwert um den Wert der Gegenforderung, soweit eine der Rechtskraft fähige Entscheidung über sie ergeht.
(4) Bei einer Erledigung des Rechtsstreits durch Vergleich sind die Absätze 1 bis 3 entsprechend anzuwenden.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 4. Mai 2015 verkündete Urteil der 26. Zivilkammer des Landgerichts Köln ‑ 26 O 275/14 - wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Gründe
2I.
Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
3II.
4Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.
5Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der von ihr auf den Versicherungsvertrag geleisteten Prämien abzüglich des ausgekehrten Betrags gemäß § 812 Abs. 1 BGB. Der Versicherungsvertrag ist auf der Grundlage des Antragsmodells wirksam mit Versicherungsbeginn zum 1. August 1998 zustande gekommen. Die Klägerin ist nicht innerhalb von 14 Tagen nach Abschluss des Vertrages vom Vertrag zurückgetreten (§ 8 Abs. 5 Satz 1 VVG a.F). Der erst mit Anwaltsschreiben vom 6. Juli 2010 erklärte Rücktritt war verfristet.
6In Betracht zu ziehen ist alleine ein Vertragsschluss nach dem Antragsmodell. Die Klägerin hatte zwar noch in der Anspruchsbegründung behauptet, die vollständigen Unterlagen erst mit dem Versicherungsschein erhalten zu haben. Sie ist aber in der Folge der Darstellung der Beklagten, wonach ihr die Unterlagen schon mit der Antragstellung überlassen worden sind, nicht weiter entgegengetreten und hat sich nur noch auf ein Rücktrittsrecht gestützt. Unabhängig davon ist der Erhalt der Unterlagen durch die im Antragsformular enthaltene, drucktechnisch durch Fettschrift hervorgehobene und von der Klägerin gesondert unterschriebene Empfangsbestätigung belegt. Diese Erklärung ist wirksam; sie verstößt nicht gegen § 309 Nr. 12 Buchst. b) BGB. Danach sind zwar grundsätzlich formularmäßige Bestimmungen, mit denen der andere Vertragsteil bestimmte Tatsachen bestätigt, unwirksam; dies gilt aber nicht für Empfangsbekenntnisse, die gesondert unterschrieben sind. Ein gesondert unterzeichnetes Empfangsbekenntnis reicht zur Wirksamkeit der Bestimmung nur dann nicht aus, wenn sich der Verwender zugleich auch Rechtstatsachen oder die rechtliche Bewertung von Tatsachen bestätigen lässt (vgl. BGH, VersR 1990, 91), was hier nicht der Fall ist.
7Die Rücktrittsbelehrung, die sich im Versicherungsantrag vom 19. Juni 1998 (GA 54) findet, lautet:
8„Rücktrittsrecht
9Sofern mir alle gesetzlichen Verbraucherinformationen und alle für diesen Antrag geltenden Versicherungsbedingungen bei Antragstellung ausgehändigt wurden, steht mir folgendes Rücktrittsrecht vom Vertrag zu: Ich kann innerhalb einer Frist von 14 Tagen nach Abschluß des Vertrages vom Vertrag zurücktreten. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung der Rücktrittserklärung an den Versicherer.
10Die Frist beginnt erst zu laufen, wenn der Versicherer den Versicherungsnehmer über sein Rücktrittsrecht belehrt und der Versicherungsnehmer die Belehrung durch Unterschrift bestätigt hat. Unterbleibt die Belehrung, so erlischt das Rücktrittsrecht einen Monat nach Zahlung des ersten Beitrags.
11Sofern ich nicht die oben genannten Verbraucherinformationen bei Antragstellung alle erhalten habe, gilt nicht das Rücktrittsrecht, sondern das Widerspruchsrecht, über das ich mit Erhalt des Versicherungsscheins belehrt werde.“
12Diese Belehrung genügt formal und inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen. § 8 Abs. 5 Satz 2 VVG a.F. verlangt lediglich eine Belehrung über das Rücktrittsrecht, ohne näher zu beschreiben, welche Form und welchen Inhalt die Belehrung haben muss. Gleichwohl ist zu verlangen, dass die Belehrung inhaltlich möglichst umfassend, unmissverständlich und aus der Sicht der Verbraucher eindeutig sein muss; sie muss ferner so gestaltet sein, dass sie dem Aufklärungsziel Rechnung trägt und darauf angelegt ist, den Angesprochenen aufmerksam zu machen und das maßgebliche Wissen zu vermitteln (BGH, VersR 2015, 224 und VersR 2013, 1513).
13An einer ausreichenden drucktechnischen Hervorhebung kann es fehlen, wenn die Belehrung inmitten eines Textblocks abgedruckt ist, der weitere Informationen, etwa über die Ermächtigung zur Entbindung von der Schweigepflicht, zur Datenverarbeitung und zum Widerspruch in der Unfallversicherung, enthält, und der Hinweis auf das Rücktrittsrecht innerhalb des Textblocks in keiner Weise drucktechnisch hervorgehoben wird (so im Fall BGH, VersR 2015, 224).
14Die vorliegende Belehrung im Antragsformular genügt in formaler Hinsicht den Anforderungen. Der gesamte Belehrungstext ist in Fettdruck gehalten und zudem durch die drucktechnisch größer gestaltete Überschrift „Rücktrittsrecht“ besonders hervorgehoben. Die Beklagte arbeitet zwar auch in einer anderen Passage des Antrags mit diesen Hervorhebungsmitteln („Gesetzliche Verbraucherinformationen“). Gleichwohl ist die Belehrung über das Rücktrittsrecht auch deshalb nicht zu übersehen, weil der Versicherungsnehmer die Belehrung unmittelbar neben dem Text mit seiner Unterschriftsleistung zu bestätigen hat, was vorliegend auch geschehen ist.
15Auch inhaltlich ist die Belehrung nicht zu beanstanden. Insbesondere muss sich die Belehrung nicht über die mögliche Form der Rücktrittserklärung verhalten, weil nicht einmal das Gesetz eindeutig Schriftlichkeit verlangt (OLG Köln ‑ 20. Zivilsenat -, Urt. v. 1. August 2014 - 20 U 21/14 -, juris; im Ergebnis ebenso OLG München, Urt. v. 23. Oktober 2014 - 14 U 875/14 -). Aus der gesetzlichen Formulierung in § 8 Abs. 5 Satz 1 VVG a.F. ergibt sich nicht, dass der Rücktritt schriftlich zu erfolgen hat, denn anders als in § 8 Abs. 4 Satz 1 VVG a.F., der den Widerruf eines Versicherungsvertrags regelt, fehlt in § 8 Abs. 5 Satz 1 VVG a.F. das Wort „schriftlich“. Ob aus der Formulierung in § 8 Abs. 5 Satz 2 VVG a.F., wonach die rechtzeitige Absendung der Rücktrittserklärung ausreicht, auf ein Schriftformerfordernis geschlossen werden kann, ist in der versicherungsrechtlichen Literatur streitig. Es wird die Auffassung vertreten, der Rücktritt müsse nicht schriftlich erklärt werden (vgl. BK-Gruber, § 8 VVG, Rn. 99). Zwar wird in der Literatur überwiegend aus der Verwendung des Wortes „Absendung“ gefolgert, dass für den Rücktritt die Schriftform erforderlich ist (vgl. etwa Prölss in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 8 VVG, Rn. 54; Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., § 8, Rn. 70). Es kann indes nicht Sache des Versicherers sein, die insoweit unklare gesetzliche Bestimmung im Rahmen der Belehrung in bestimmter Weise auszulegen; vielmehr reicht es aus, wenn die Belehrung sich am Gesetzestext orientiert, was hier geschehen ist.
16Die Rücktrittsfrist von 14 Tagen ab Vertragsschluss ist somit wirksam in Gang gesetzt worden, so dass der erst 2010 erklärte Rücktritt verfristet ist. Auf die Monatsfrist des § 8 Abs. 5 Satz 4 VVG a.F. kommt es vorliegend nicht an.
172.
18Auch mit den Hilfsanträgen ist die Klage unbegründet. Die Gesamtabweisung einer Stufenklage ist dann zulässig, wenn die Prüfung ergibt, dass dem Hauptanspruch eine materiell-rechtliche Grundlage fehlt (vgl. BGH, NJW 2002, 1042, Rz. 20). Das ist vorliegend der Fall, weil etwaige Ansprüche der Klägerin auf den Mindestrückkaufswert oder auf einen Rückkaufswert ohne Stornoabzug verjährt sind.
19Der Anspruch auf einen weitergehenden Rückkaufswert verjährt unter der Geltung der §§ 195, 199 Abs. 1 BGB drei Jahre nach Ende des Jahres, in dem der Versicherer den Vertrag abgerechnet hat (vgl. BGH, VersR 2010, 1067 zu § 12 Abs. 1 VVG a.F.). Das war hier 2010 der Fall, so dass die Verjährungsfrist zum 31. Dezember 2013 ablief. Die Verjährung ist nicht durch den am 24. Dezember 2013 beim Mahngericht eingegangenen und der Beklagten am 6. Januar 2014 zugestellten Mahnbescheid gehemmt worden.
20Die Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB setzt voraus, dass die im Mahnbescheid genannte Forderung durch ihre Kennzeichnung von anderen Forderungen unterschieden und abgegrenzt werden kann (vgl. BGH, NJW 2013, 3509). Sollen mehrere selbständige Forderungen geltend gemacht werden, muss jede dieser Forderungen im Mahnbescheid individualisiert werden. Ohne die nötige Individualisierung des geltend gemachten prozessualen Anspruchs tritt eine Hemmung der Verjährung nicht ein; sie kann nach Ablauf der Verjährungsfrist auch nicht mehr verjährungshemmend nachgeholt werden. Für die hinreichende Individualisierung des geltend gemachten Anspruchs im Mahnantrag ist maßgeblich, dass der Anspruch durch seine Kennzeichnung von anderen Ansprüchen so unterschieden und abgegrenzt werden kann, dass er Grundlage eines der materiellen Rechtskraft fähigen Vollstreckungsbescheids sein kann und dem Schuldner die Beurteilung ermöglicht, ob er sich gegen den Anspruch zur Wehr setzen will (vgl. BGH, ZIP 2015, 1395).
21An einer solchen Individualisierung fehlt es vorliegend in Bezug auf die hilfsweise erhobenen Ansprüche. Im Mahnantrag ist der verfolgte Anspruch gekennzeichnet als Forderung aus „ungerechtfertigter Bereicherung“. Mit den Ansprüchen auf einen Mindestrückkaufswert bzw. auf einen Rückkaufswert ohne Abzug von Stornokosten werden indes keine Ansprüche nach §§ 812 ff. BGB, sondern Ansprüche auf Vertragserfüllung nach Vertragsbeendigung infolge Kündigung verfolgt. Es handelt sich damit nicht um unselbständige Posten eines einheitlichen Anspruchs, sondern im Gegenteil um sich gegenseitig ausschließende Ansprüche, was die Klägerin selbst dadurch zum Ausdruck gebracht hat, dass sie etwaige Ansprüche auf einen Mindestrückkaufswert bzw. auf einen Rückkaufswert ohne Stornoabzug nur hilfsweise (also gerade für den Fall, dass kein Rückabwicklungsanspruch nach wirksam erklärtem Rücktritt gegeben sein sollte) geltend machen will. Dass auch diese hilfsweise verfolgten Ansprüche Gegenstand des Mahnantrags sein sollten, war für die Beklagte als Antragsgegnerin, auf deren Erkenntnismöglichkeiten es insoweit ankommt, auch nicht ansatzweise erkennbar. Hierzu kann die Klägerin auch nicht auf das außergerichtliche Schreiben vom 6. Oktober 2010 (Anlage K 2; GA 30 f.) verweisen. Darin wird nur der „aktuelle Rückkaufswert“ verlangt, den die Beklagte unter dem 20. November 2010 abgerechnet hat (Anlage BLD 7). Dass die Klägerin über diese Abrechnung hinaus weitergehende vertragliche Ansprüche geltend machen will, hat sie weder vorgerichtlich verdeutlicht noch im Mahnantrag, in dem nur von einem Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung die Rede ist, klargestellt.
22Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Klägerin vom 20. August 2015 gibt zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung keinen Anlass.
23Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
24Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.
25Berufungsstreitwert: 5.261,39 €
26Der Hilfsantrag ist nicht werterhöhend zu berücksichtigen, weil er gebührenrechtlich denselben Gegenstand betrifft (§ 45 Abs. 1 Satz 3 GKG). Das Anspruchsziel ist bei wirtschaftlicher Betrachtung identisch. Zudem schließen sich beide Ansprüche – wie oben dargelegt – aus. Auch deswegen ist § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG anzuwenden (vgl. BGH, NJW-RR 2003, 713; OLG Rostock, OLGR 2008, 170; Zöller/Herget, ZPO, 30. Aufl., § 3 Rn. 16 „Eventual- und Hauptantrag“).