Oberlandesgericht Naumburg Urteil, 13. Feb. 2014 - 1 U 14/12

bei uns veröffentlicht am13.02.2014

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 21.12.2011 verkündete Urteil des Landgerichts Magdeburg (9 O 2204/09) abgeändert:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 50.000,-- Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.12.2009 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche materiellen und künftigen immateriellen Schäden zu ersetzten, die aus dem verspäteten Behandlungsgeschehen vom 4.12./5.12.2006 entstanden sind bzw. noch entstehen werden.

Die Beklagten tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 60.000,-- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Klägerin wurde bei der Beklagten zu 1) am 20.11.2006 wegen einer Tibeakopfmehrfragmentfraktur operativ versorgt. Nach der Operation erhielt sie ein Mittel zur Thromboseprophylaxe. Am 1.12.2006 wurde die Klägerin wegen einer Dickdarmentzündung in der Klinik für Innere Medizin behandelt. Ausweislich der Pflegedokumentation wurde ihr jedenfalls am 2. und 3.12.2006 das Mittel zur Thromboseprophylaxe nicht verabreicht. Am 4.12.2006 klagte die Klägerin über Schmerzen im Knie, ihr wird ein Schmerzmittel gegeben. Für 16.30 Uhr ist in der Pflegedokumentation festgehalten, dass der rechte Fuß kalt ist, die Zehen etwas bläulich verfärbt sind, dass die Patientin Wärme am Fuß spürt und keine Empfindungsstörungen zu haben scheint. Der Arzt vom Dienst (AvD) ordnet die Anlage eines Watteschutzverbandes am rechten Fuß an. Dies wird beibehalten bis zum Vormittag des 5.12.2006. Sodann wird eine Ultraschalluntersuchung durchgeführt, die spätestens um 12.00 Uhr beendet war. Es wird eine deutliche Durchblutungsstörung mit dem Verdacht eines arteriellen Gefäßverschlusses unterhalb des Kniegelenks festgestellt. Die Gefäßdarstellung zwischen 14.30 Uhr und 15.30 Uhr zeigt einen embolischen arteriellen Verschluss am Unterschenkel rechts. Um 18.00 Uhr erfolgt die Verlegung der Klägerin in die Klinik für Gefäßchirurgie, wo gegen 18.15 Uhr die Indikation zur Sofortoperation gestellt wird. Bei der Notfalloperation ab 19.45 Uhr werden mehrere Blutgerinnsel aus Ober- und Unterschenkel entfernt. Die Behandlung mit Heparin wird fortgesetzt. Was in der Zeit bis zum 14.12.2006 erfolgte, ist zwischen den Parteien insoweit streitig, ob die Klägerin am Bett und im Krankenzimmer mobilisiert werden konnte. Nach der Krankendokumentation der Beklagten zu 1) hatte die Klägerin in der Zeit 7.12. und 13.12.2006 physiotherapeutische Anwendungen. Am 14.12.2006 ergab sich der Verdacht eines erneuten Gefäßverschlusses, der zur Durchführung einer Notfalloperation führte. In der Folge wurden bis zum 17.12.2006 in schneller Folge insgesamt 6 Operationen durchgeführt. Am 17.12.2006 musste bei akuter Lebensgefahr der rechte Oberschenkel amputiert werden.

2

Die Klägerin rügt, dass ihr am 2. und 3.12.2006 fehlerhaft das Mittel zur Thromboseprophylaxe nicht verabreicht worden sei und dies im Zusammenhang damit, dass der Gefäßverschluss vom 4.12.2006 erst am 5.12.2006 festgestellt und deshalb verspätet operativ versorgt worden sei (obgleich bereits am 4.12.2006 Anlass zu weiteren Befunderhebungen bestanden habe). Dies habe den Geschehensablauf in Gang gesetzt, der letztlich zur Amputation des rechten Oberschenkels geführt habe.

3

Die Beklagten sind der Klage entgegengetreten. Sie behaupten vor allem, dass es zwischen den von der Klägerin gerügten Fehlern (selbst wenn man diese zu ihren Gunsten unterstellte) und der Amputation keinen Kausalzusammenhang gebe. Die Ischämiefreiheit zwischen dem 5. und dem 14.12.2006 belege eine komplette Sanierung durch den Eingriff vom 5.12.2006, sodass es sich bei dem Geschehen ab dem 14.12.2006 um einen neuen Geschehensablauf handele.

4

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vortrages und der in erster Instanz gestellten Anträge wird Bezug genommen auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil.

5

Das Landgericht hat ein schriftliches Sachverständigengutachten eingeholt (Dipl. med. D. - Bl. 11ff. II -), das der Sachverständige im Termin vom 30.11.2011 mündlich erläutert hat. Mit Schriftsatz vom 16.9.2011 hat die Klägerin das von der Staatsanwaltschaft Magdeburg in einem gegen einen der beteiligen Ärzte geführten Ermittlungsverfahren eingeholte Gutachten von Dr. C. (Bl. 51ff. II) vorgelegt.

6

Das Landgericht hat die Klage in vollem Umfang abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Zwar hätte die Thromboseprophylaxe kontinuierlich fortgesetzt werden müssen, sie verhindere aber lediglich venöse Thrombosen und Thromboembolien. Solche seien bei der Klägerin aber nicht aufgetreten. Die am 5.12.2006 diagnostizierte Durchblutungsstörung sei vielmehr auf einen arteriellen Verschluss zurückzuführen. Der Gefäßverschluss hätte zwar bereits am 4.12.2006 diagnostiziert werden können, dies habe aber keinen Einfluss auf den weiteren klinischen Verlauf gehabt, soweit dieser Verschluss in vollem Umfang habe beseitigt werden können. Die ab dem 14.12.2006 auftretenden Durchblutungsstörungen seien vielmehr auf neue arterielle Verschlüsse zurückzuführen.

7

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit der Berufung, mit der sie ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt. Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil und beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

8

Der Senat hat auf der Grundlage des Hinweis- und Beweisbeschlusses vom 20.8.2012 (Bl. 213ff. II) ein neues Sachverständigengutachten eingeholt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das schriftliche Gutachten von Prof. Dr. B. (Bl. 29ff. III) sowie auf den Inhalt seiner mündlichen Anhörung im Termin vom 30.1.2014 (Bl. 71ff. III).

II.

9

Die Berufung ist zulässig, nachdem der Senat der Klägerin mit Beschluss vom 11.6.2012 Wiedereinsetzung in vorigen Stand gewährt hat (Bl. 187/188 II). Das Rechtsmittel hat in vollem Umfang Erfolg.

10

Im Kern der Beurteilung stehen zwei Fragenkomplexe: Zum einen wurden am 4.12.2006 erforderliche Befunde nicht erhoben und führte dies dazu, dass die weitere Behandlung, insbesondere die operative Versorgung des Verschlusses am 5.12.2006 verspätet erfolgte. Zum anderen stellt sich die Frage, ob bei einer angenommenen verspäteten Behandlung am 4./5.12.2006 ein kausaler Zusammenhang mit dem ab dem 14.12.2006 eintretenden Geschehnissen hergestellt werden kann und welche Partei dafür bzw. für das Gegenteil die Beweislast trägt.

11

Demgegenüber führt die unterlassene Gabe von Heparin am 2. und 3.12.2006 nicht zu einer Haftung. Da bei der Klägerin im Zusammenhang mit der Dickdarmentzündung der Verdacht auf eine gastrointestinale Blutung bestand, war die Unterlassung der Gabe von Heparin nach den Bekundungen des Sachverständigen (SV S. 6) vertretbar. Als Anhaltspunkt dafür, dass sich unmittelbar nach der Operation vom 5.12.2006 ein erneutes thrombotisches Ereignis bildete, ist der am 6.12.2006 festgestellte Myoglobinwert nicht aussagekräftig. Der Wert war mit 6.000 zwar etwas erhöht. Indes war im Bestimmungszeitpunkt etwa 14 Stunden nach der Operation noch nicht mit einer Normalisierung zu rechnen. Gegen beide Gesichtspunkte hat die Klägerin keine weiteren Einwände mehr erhoben.

12

Fehlerhaft war es demgegenüber am 4.12.2006 keine weiteren Befunde zu erheben. Vom Sachverhalt her ist zu unterscheiden: In der Pflegedokumentation (Bl. 34 I) ist für den 4.12.2006 14.00 Uhr vermerkt, dass die Klägerin über Schmerzen im Knie klagte und daraufhin ein Schmerzmittel verabreicht bekam. Für 16.30 Uhr befindet sich der Eintrag in der Pflegedokumentation, dass der Fuß kühl und die Zehen etwas bläulich verfärbt seien. Die Patientin verspüre Wärme im Fuß. Weiter wurde nach dem Eintrag der Arzt vom Dienst (AvD) hinzugezogen, nach dem Vortrag der Beklagten Frau Dipl.-Med. K. (zuletzt Schriftsatz vom 4.12.2006 [Bl. 61f. III]). Diese habe den Fuß klinisch untersucht, aber nur festgestellt, dass der Fuß etwas kühler sei. Demgegenüber habe sie eine bläuliche Verfärbung der Zehen nicht feststellen können (unter Hinweis auf den - teilweise - unleserlichen Eintrag im ärztlichen Verlaufsbericht [Bl. 36 I]). Nach Rücksprache mit der Oberärztin habe sie dann den Watteverband angeordnet. Ob sich die Beklagten nicht ohnehin an dem Eintrag in der Pflegedokumentation festhalten lassen müssten (eine bläuliche Verfärbung der Haut ist eine rein optische Feststellung, für die es keiner medizinischen Vorkenntnisse bedarf und es im Gegensatz zur Ansicht der Beklagten [Bl. 61 III] deshalb auch überhaupt nicht um eine Diagnosestellung durch medizinisch dafür nicht geschultes Pflegepersonal ging), kann letztlich dahinstehen. Der Sachverständige hat bei seiner mündlichen Anhörung durch den Senat dargelegt, dass in jedem Fall weitere Maßnahmen zu ergreifen gewesen wären. Geht man von den Eintragungen in der Pflegedokumentation aus, hätte dies bedeutet:

13

- einfache Blutdruckmessung am Arm und dem betroffenen Bein,

- Doppleruntersuchung,

- Duplexsonographie,

- Angiographie.

14

Die Unterlassung sämtlicher vorgenannter Maßnahmen (obgleich die behandelnden Ärzte nach Ansicht des Sachverständigen an ein Durchblutungsproblem gedacht haben müssten, als die Anlegung des Watteverbandes angeordnet wurde) hat der Sachverständige als fehlerhaft, sogar grob fehlerhaft bezeichnet. Bei einem Verdacht auf eine komplette oder inkomplette Ischämie müsse in jedem Fall unmittelbar gehandelt werden. Aber selbst dann, wenn man nur von der Feststellung von Frau Dipl.-Med. K. ausgeht, also nur von einem kalten Fuß und nicht auch von einer bläulichen Verfärbung, hätte zumindest der Puls abgeleitet werden müssen. Da dies zumindest nicht dokumentiert ist, muss zulasten der Beklagten davon ausgegangen werden, dass dies nicht geschehen ist. Da bei einer akuten Ischämie - andere Gründe für das Befundbild (wie eine entsprechende Vorerkrankung oder wenn die Klägerin eine starke Raucherin gewesen sei) lagen nicht vor - unmittelbar zu handeln war, war das Vorgehen der Frau Dipl.-Med. K. ebenfalls grob fehlerhaft, selbst wenn sie nur den kalten Fuß festgestellt haben sollte. Letztlich kann für den vorliegenden Fall die Frage, ob ein einfacher oder ein grober Fehler vorlag im Ergebnis sogar offen bleiben. Zwar muss bei einem einfachen Befunderhebungsfehler grundsätzlich der Patient den Ursachenzusammenhang zwischen dem (einfachen) Fehler und dem primären Gesundheitsschaden beweisen. Es kommt aber auch beim einfachen Befunderhebungsfehler zur Beweislastumkehr hinsichtlich der Kausalität, wenn sich bei der gebotenen Abklärung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein reaktionspflichtiges Ereignis gezeigt hätte und sich die Verkennung dieses Befundes als fundamental oder die Nichtreaktion darauf als grob fehlerhaft darstellen würde. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass man dann, wenn man noch am Abend des 4.12.2006 die von ihm geforderten Befunderhebungen durchgeführt hätte, sicher einen bereits existierenden Verschluss gefunden hätte. Eine Nichtreaktion darauf hat der Sachverständige als sehr groben Fehler bezeichnet. Aber auch wenn man nach der Feststellung nur des kalten Fußes zunächst nur den Puls hätte ableiten müssen, hätte dies nach den Angaben des Sachverständigen mit sicher mehr als 50%iger Wahrscheinlichkeit zu einem Ergebnis geführt, wonach dann die oben näher dargelegten Maßnahmen hätte ergriffen werden müssen. Man hätte sowohl ausgehend von den Angaben in der Pflegedokumentation als auch vom Eintrag im ärztlichen Verlaufsbericht weitere Befunderhebungen veranlassen müssen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem reaktionspflichtigen Ergebnis geführt hätten. Dass die Unterlassung weiterer Maßnahmen nach Feststellung einer kompletten bzw. inkompletten Ischämie grob fehlerhaft gewesen wäre, versteht sich bei der vom Sachverständigen ausgeführten Eilbedürftigkeit dann von selbst. Es liegt damit nicht nur ein (grober) Behandlungsfehler vor, sondern es kommt auch bei einem nur einfachen Behandlungsfehler zur Beweislastumkehr hinsichtlich der Kausalität dieses Fehlers mit dem Primärschaden.

15

Soweit die Beklagten nach dem Inhalt der mündlichen Erörterung insoweit erst bei dem Geschehen ab dem 14.12.2006 ansetzen wollen und darin nur einen Sekundärschaden sehen, auf den sich die Beweislastumkehr nicht erstreckt, kann dem nicht gefolgt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Primärschaden in der durch den Behandlungsfehler herbeigeführten gesundheitlichen Befindlichkeit in ihrer konkreten Ausprägung zu sehen. Zu dieser gesundheitlichen Befindlichkeit in ihrer konkreten Ausprägung gehört auch ein durch den Behandlungsfehler geschaffenes oder erhöhten Risiko der Klägerin, dass es infolge eines erneuten Verschlusses zur Amputation des Beines kommen musste (dazu BGH Urteil vom 2.7.2013 - VI ZR 554/12 - [z.B. NJW 2013, 1174]; s.a. BGH Urteil vom 5.11.2013 - VI ZR 527/12 - [z.B. GesR 2014, 16]; hier: jeweils zitiert nach juris). Angesichts einer Ischämietoleranz der Skelettmuskulatur von nur 4-6 Stunden musste bei der Operation vom 5.12.2004, also etwa 24 Stunden nach dem Beginn der Verschlusssymptomatik am 4.12.2006 nachmittags mit einem ausgeprägten Reperfusionssyndrom gerechnet werden. D.h.: Selbst nach der (vollständigen) Beseitigung des Verschlusses während der Operation vom 5.12.2005 wurden gerade durch die Wiederherstellung des Blutflusses Stoffe freigesetzt bzw. neu gebildet, die das Risiko erhöhen, dass es zu einem erneuten Verschluss kommen kann (dazu SV S. 7/mündliche Anhörung des SV/das von ihm verwendete Bild vom Abschlagen der glatten Fliesen in einem Bad). Der Sachverständige gelangt zu dem Schluss, dass durch den verspäteten Eingriff vom 5.12.2006 sich die Ischämietoleranz des Beins gegenüber einem rechtzeitigen Eingriff verschlechtert hatte. Ob dieser Vorgang durch einen rechtzeitigen Eingriff hätte verhindert werden müssen, hält der Sachverständige zwar für spekulativ. Wenn der Primärschaden aber in dem durch den verspäteten Eingriff vom 5.12.2006 liegenden erhöhten Risiko für einen weiteren Verschluss bei generell verminderter Ischämietoleranz liegt, geht dies im Hinblick auf die Beweislastumkehr zulasten der Beklagten. Zwar gelangt der Sachverständige dazu, dass als wahrscheinlichste Ursache für das Geschehen ab dem 14.12.2006 ein Mix aus verschiedenen Gründen in Betracht zu ziehen ist, wozu auch der entzündliche Prozess im Körper der Klägerin infolge der Darmerkrankung zu zählen ist (weil von ihm ein gerinnungsfördernder Einfluss ausgehen kann). Der Sachverständige hält die Annahme der Sachverständigen Dr. C. und D., dass eher ein Infekt der Auslöser für die Ereigniskette ab dem 14.12.2006 sei, für weniger wahrscheinlich (er führt den Infekt eher auf die Vielzahl von Eingriffen ab dem 14.1.2006 zurück). Am wahrscheinlichsten sei aber, dass alle diese Faktoren mit zu den Geschehnissen ab dem 14.12.2006 beigetragen haben. Damit stellt die Risikoerhöhung durch die verspätete Operation vom 5.12.2006 zwar nur einen Faktor dar, Mitursächlichkeit ist für die Haftungsbegründung indes ausreichend (Martis/Winkhart Arzthaftungsrecht, 3. Aufl., Anm. K 35 m.w.N.).

16

Damit haften die Beklagten als Gesamtschuldner dem Grunde nach. Im Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahrens hatte die Klägerin zunächst ein Schmerzensgeld in Höhe von 65.000,-- Euro geltend gemacht (Bl. 144 II). In seinem Beschluss vom 30.3.2012, mit der Klägerin grundsätzlich Prozesskostenhilfe bewilligt wurde, hat der Senat die Bewilligung für den Schmerzensgeldanspruch aber auf 50.000,-- Euro begrenzt (Bl. 169 II). Diesen Betrag hat die Klägerin dann auch ihrem Berufungsantrag zugrunde gelegt. Dies bindet den Senat zwar nicht grundsätzlich auch ein höheres Schmerzensgeld zuzusprechen. Aus den im Beschluss vom 30.3.2012 genannten Gründen hält der Senat aber nach wie vor ein Schmerzensgeld von 50.000,-- Euro für angemessen. In den Fällen, in denen höhere Beträge zuerkannt wurden (z.B. Slizyk Beck’sche Schmerzensgeldtabelle Nr. 3432/2389/2946/2571/3431), waren die Folgen der Amputation entweder noch gravierender und bezogen sich auch auf Menschen, die deutlich jünger waren als die Klägerin zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses (geb. 23.4.1955), was angesichts der Beeinträchtigungen durch die Amputation als Faktor gewichtet werden muss. Begründet ist weiter der Feststellungsantrag, womit die Berufung letztlich in vollem Umfang Erfolg hat.

17

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

18

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

19

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen von § 543 ZPO nicht vorliegen.

20

Streitwert:

21

Schmerzensgeld:

50.000,-- Euro

Feststellungsantrag:    

10.000,-- Euro

        

60.000,-- Euro


Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Naumburg Urteil, 13. Feb. 2014 - 1 U 14/12

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat
Oberlandesgericht Naumburg Urteil, 13. Feb. 2014 - 1 U 14/12 zitiert 3 §§.

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Bundesgerichtshof Urteil, 02. Juli 2013 - VI ZR 554/12

bei uns veröffentlicht am 02.07.2013

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 554/12 Verkündet am: 2. Juli 2013 Böhringer-Mangold Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB § 8

Bundesgerichtshof Urteil, 05. Nov. 2013 - VI ZR 527/12

bei uns veröffentlicht am 05.11.2013

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 527/12 Verkündet am: 5. November 2013 Holmes Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB § 823 Abs. 1
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Landgericht Duisburg Urteil, 01. Sept. 2016 - 8 O 212/11

bei uns veröffentlicht am 01.09.2016

Tenor Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 45.000 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. Juli 2011, weitere 4.040 EUR nebst Zinsen in Höhe von

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 554/12
Verkündet am:
2. Juli 2013
Böhringer-Mangold
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
In Fällen eines Befunderhebungsfehlers sind dem Primärschaden alle allgemeinen
gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Patienten unter Einschluss der
sich daraus ergebenden Risiken, die sich aus der unterlassenen oder unzureichenden
Befunderhebung ergeben können, zuzuordnen.
BGH, Urteil vom 2. Juli 2013 - VI ZR 554/12 - OLG Naumburg
LG Dessau-Roßlau
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 2. Juli 2013 durch den Vorsitzenden Richter Galke, den Richter Zoll, die
Richterin Diederichsen, den Richter Pauge und die Richterin von Pentz

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerinnen wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 15. Dezember 2011 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerinnen sind die Töchter und Erbinnen der am 17. Oktober 2003 verstorbenen Frau K. (im Folgenden: Erblasserin). Sie nehmen die Beklagten (behandelnde Ärztin und Krankenhausträger) wegen behaupteter Befunderhebungs -, Diagnose- und Dokumentationsfehler auf Zahlung von Schmerzensgeld und materiellem Schadensersatz in Anspruch.
2
Bei der Erblasserin wurde bereits mehrere Jahre vor dem 3. Februar 2002 eine Migräne diagnostiziert. Sie befand sich deshalb u.a. in Behandlung beim ehemaligen Beklagten zu 3. Wegen bereits seit mehreren Tagen andau- ernder Kopfschmerzen suchte die Erblasserin am 3. Februar 2002 den ärztlichen Notdienst auf. Wie lange die Kopfschmerzen zu diesem Zeitpunkt bereits genau andauerten, ist zwischen den Parteien streitig. Der Notarzt ordnete die Einweisung ins Krankenhaus an. Der erhobene neurologische Untersuchungsbefund war unauffällig. Es wurde dokumentiert, dass keine Hinweise auf eine fokale zerebrale Störungssymptomatik bestünden, insbesondere keine Hinweise auf eine epileptische Aktivität. Angaben zur Art und Ausprägung der Kopfschmerzen wurden nicht festgehalten. Die Beklagte zu 1 entschloss sich zu einer Gabe Aspisol (ein Aspirinmittel) und einer Gabe MCP (gegen die Übelkeit). Was danach geschah, ist zwischen den Parteien streitig. Die Verweildauer der Erblasserin nach der Injektion wurde von der Beklagten zu 1 nicht dokumentiert.
3
Am 4. Februar 2002 verschlechterte sich bei der Erblasserin das Krankheitsbild mit dem Auftreten einer symptomatischen Epilepsie (generalisierter Status epilepticus); es wurde eine Hirnvenenthrombose diagnostiziert. Die Erblasserin erlitt im Rahmen des Status epilepticus eine schwere hirndiffuse Schädigung und verstarb aufgrund der mit der Hirnvenenthrombose auftretenden Komplikationen.
4
Die Klägerinnen haben geltend gemacht, bei der von der Beklagten zu 1 geschilderten Symptomatik seien bereits am 3. Februar 2002 weitere diagnostische Maßnahmen erforderlich gewesen, so dass die Hirnvenenthrombose bereits rund 20 Stunden früher hätte diagnostiziert und eine gezielte Therapie (z.B.) mit Heparin hätte eingeleitet werden können. In diesem Fall wären die schwerwiegenden Folgen bei der Erblasserin nicht eingetreten.
5
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerinnen zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Klägerinnen den Klageanspruch weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

6
Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist davon auszugehen, dass die - unstreitig - unterlassene Dokumentation der Verlaufskontrolle betreffend die Wirkung der verabreichten Medikamente einen erheblichen Dokumentationsmangel darstelle. Den Beweis, dass eine solche Kontrolle doch erfolgt sei, könnten die Beklagten nicht führen. Infolge dessen liege ein gravierender Diagnosefehler vor mit der Folge der versäumten rechtzeitigen, in den Leitlinien der neurologischen Fachgesellschaft empfohlenen Therapie. Eine Verlaufskontrolle hätte im Streitfall bei Ausbleiben eines positiven Effektes der verabreichten Schmerzmittel Anlass zu weiteren diagnostischen Maßnahmen geboten, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit einen reaktionspflichtigen Befund ergeben hätten. Soweit das Verkennen des gravierenden Befundes oder die Nichtreaktion auf ihn generell geeignet erscheine, den tatsächlich eingetretenen Gesundheitsschaden herbeizuführen, trete aber - wenn nicht ein Ursachenzusammenhang zwischen dem ärztlichen Fehler und dem Schaden äußerst unwahrscheinlich sei - grundsätzlich eine Beweislastumkehr ein. Ein Fall äußerster Unwahrscheinlichkeit lasse sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht feststellen. Allerdings erstrecke sich die Beweislastumkehr grundsätzlich nur auf den Beweis der Ursächlichkeit des Befunderhebungsfehlers für den haftungsbegründenden Primärschaden (= nicht rechtzeitige Erkennung der Thrombose) sowie auf Sekundärschäden als typische Folge der Primärverletzung. Auf die haftungsausfüllende Kausalität, d.h. den Kausalzusammenhang zwischen körperlicher oder gesundheitlicher Primärschädigung und weiteren Gesundheits- schäden, werde die Beweislastumkehr grundsätzlich nicht ausgedehnt. Insoweit bleibe es bei der Beweislast des Patienten.
7
Im Streitfall stelle sich die Abgrenzung zwischen Primär- und Sekundärschaden als schwierig dar. Denn die Hirnvenenthrombose (als solche) und die Epilepsie stünden irgendwie in einem Kontext. Andererseits sei die Epilepsie keine unmittelbare Folge des Behandlungsfehlers. Der Gerichtssachverständige habe ausgeführt, es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der verzögerte Beginn der Antikoagulation zu einer belegten morphologischen Schädigung am Hirn geführt habe. Er habe mehrfach davon gesprochen, dass die Erblasserin nicht an den Folgen einer Hirngewebeschädigung gestorben sei, sondern an den Folgen der Epilepsie. Die eingetretenen Folgen seien am ehesten als Folgen der Verkrampfungen zu erklären und stünden damit nur in einem Kontext mit der Hirnvenenthrombose. Wenn sich aber insoweit schon kein typischer Zusammenhang zwischen Hirnvenenthrombose und Epilepsie feststellen lasse, müsse dies erst recht gelten für den Zusammenhang zwischen dem verspäteten Beginn der Gabe von Heparin und der Epilepsie. Im Hinblick auf diesen allenfalls losen Zusammenhang könne die Epilepsie auf dem vorgenannten Strahl (Primär-, notwendiger Sekundär- und sonstiger Sekundärschaden) allenfalls als sonstiger Sekundärschaden eingeordnet werden.
8
Die Klägerinnen trügen demnach weiter die Beweislast dafür, dass die Schadensfolge von den Beklagten verursacht sei. Diesen Beweis könnten sie aber, aus dem vom Sachverständigen immer wieder betonten Grund, dass es keinerlei gesicherte Erkenntnis über den therapeutischen Wert der Gabe von Heparin gebe, auch nach dem geminderten Beweismaß von § 287 ZPO nicht führen.

II.

9
Die zulässige Revision hat Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann die Klage nicht abgewiesen werden.
10
1. Das Berufungsgericht geht ersichtlich von einem einfachen Befunderhebungsfehler - und nicht von einem Diagnosefehler aus. Es prüft, ob deshalb den Klägerinnen eine Beweislastumkehr nach Maßgabe der vom erkennenden Senat entwickelten Grundsätze zugute kommt und die Feststellung rechtfertigt, dass die von der Beklagten zu 1 unterlassene Verlaufskontrolle für den Tod der Erblasserin kausal geworden ist. Die Verneinung des Kausalzusammenhangs erweist sich auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen als rechtsfehlerhaft.
11
a) Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats erfolgt bei der Unterlassung der gebotenen Befunderhebung eine Beweislastumkehr hinsichtlich der haftungsbegründenden Kausalität, wenn bereits die Unterlassung einer aus medizinischer Sicht gebotenen Befunderhebung einen groben ärztlichen Fehler darstellt (vgl. Senatsurteile vom 13. Januar 1998 - VI ZR 242/96, BGHZ 138, 1, 5 f.; vom 29. September 2009 - VI ZR 251/08, VersR 2010, 115 Rn. 8; vom 13. September 2011 - VI ZR 144/10, VersR 2011, 1400 Rn. 8). Zudem kann auch eine nicht grob fehlerhafte Unterlassung der Befunderhebung dann zu einer Umkehr der Beweislast hinsichtlich der Kausalität des Behandlungsfehlers für den eingetretenen Gesundheitsschaden führen, wenn sich bei der gebotenen Abklärung der Symptome mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein so deutlicher und gravierender Befund ergeben hätte, dass sich dessen Verkennung als fundamental oder die Nichtreaktion hierauf als grob fehlerhaft darstellen würde und diese Fehler generell geeignet sind, den tatsächlich eingetretenen Gesundheitsschaden herbeizuführen (vgl. Senatsurteile vom 13. Februar 1996 - VI ZR 402/94, BGHZ 132, 47, 52 ff.; vom 27. April 2004 - VI ZR 34/03, BGHZ 159, 48, 56; vom 23. März 2004 - VI ZR 428/02, VersR 2004, 790, 792; vom 7. Juni 2011 - VI ZR 87/10, VersR 2011, 1148 Rn. 7; vom 13. September 2011 - VI ZR 144/10, aaO). Wahrscheinlich braucht der Eintritt eines solchen Erfolgs nicht zu sein. Eine Umkehr der Beweislast ist nur ausgeschlossen, wenn jeglicher haftungsbegründende Ursachenzusammenhang äußerst unwahrscheinlich ist (vgl. Senatsurteile vom 27. April 2004 - VI ZR 34/03, aaO, 56 f.; vom 7. Juni 2011 - VI ZR 87/10, aaO; vom 13. September 2011 - VI ZR 144/10, aaO). Nach diesen Grundsätzen kommt eine Beweislastumkehr zugunsten der Klägerinnen in Betracht. Denn für die rechtliche Prüfung ist entsprechend den im Berufungsurteil festgestellten und unterstellten tatsächlichen Umständen davon auszugehen , dass bei einer Verlaufskontrolle der verordneten Medikation deren Wirkungslosigkeit festgestellt worden wäre, die sodann gebotene weitere Befunderhebung zur Feststellung der Hirnvenenthrombose am 3. Februar 2002 - statt am 4. Februar 2002 - geführt hätte und die Ärzte der Beklagten zu 2 darauf sogleich mit der Gabe von Heparin hätten reagieren müssen.
12
b) Allerdings finden die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über die Beweislastumkehr für den Kausalitätsbeweis bei groben Behandlungsfehlern grundsätzlich nur Anwendung, soweit durch den Fehler des Arztes unmittelbar verursachte haftungsbegründende Gesundheitsverletzungen (Primärschäden) in Frage stehen. Für den Kausalitätsnachweis für Folgeschäden (Sekundärschäden), die erst durch die infolge des Behandlungsfehlers eingetretene Gesundheitsverletzung entstanden sein sollen, gelten sie nur dann, wenn der Sekundärschaden eine typische Folge des Primärschadens ist. Hinsichtlich der Haftung für Schäden, die durch eine (einfach oder grob fehlerhaft ) unterlassene oder verzögerte Befunderhebung entstanden sein könnten , gilt nichts anderes (Senatsurteile vom 21. Oktober 1969 - VI ZR 82/68, VersR 1969, 1148, 1149; vom 9. Mai 1978 - VI ZR 81/77, VersR 1978, 764, 765; vom 28. Juni 1988 - VI ZR 210/87, VersR 1989, 145; vom 16. November 2004 - VI ZR 328/03, VersR 2005, 228, 230; vom 12. Februar 2008 - VI ZR 221/06, VersR 2008, 644 Rn. 13).
13
Das Berufungsgericht meint, nach Maßgabe dieser Rechtsprechung greife im Streitfall eine Beweislastumkehr zugunsten der Klägerinnen nicht ein. Das ist nicht richtig.
14
Der vom Berufungsgericht angenommene Sachverhalt rechtfertigt nicht die Annahme, die von der Erblasserin erlittene Epilepsie sei Teil des Sekundärschadens , auf den sich die Beweislastumkehr nicht beziehe.
15
aa) Die haftungsbegründende Kausalität betrifft die Ursächlichkeit des Behandlungsfehlers für die Rechtsgutsverletzung, also für den so genannten Primärschaden des Patienten im Sinne einer Belastung seiner gesundheitlichen Befindlichkeit. Dagegen betrifft die haftungsausfüllende Kausalität den ursächlichen Zusammenhang zwischen der Rechtsgutsverletzung und weiteren Gesundheitsschäden (vgl. Senatsurteil vom 12. Februar 2008 - VI ZR 221/06, VersR 2008, 644 Rn. 9; vom 22. Mai 2012 - VI ZR 157/11, VersR 2012, 905 Rn. 10).
16
bb) Rechtsgutsverletzung (Primärschaden), auf die sich die haftungsbegründende Kausalität ausrichtet, ist - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - nicht die nicht rechtzeitige Erkennung einer bereits vorhandenen behandlungsbedürftigen Gesundheitsbeeinträchtigung, hier der Hirnvenenthrombose. Die geltend gemachte Körperverletzung (Primärschaden) ist vielmehr in der durch den Behandlungsfehler herbeigeführten gesundheitlichen Befindlichkeit in ihrer konkreten Ausprägung zu sehen (vgl. Senatsurteile vom 12. Februar 2008, aaO, Rn. 10 und vom 21. Juli 1998 - VI ZR 15/98, VersR 1998, 1153 - juris Rn. 11). Das heißt im Streitfall ist Primärschaden die gesund- heitliche Befindlichkeit der Erblasserin, die dadurch entstanden ist, dass am 3. Februar 2002 die klinische Verlaufskontrolle und - in der Folge dieses Umstandes - weitere Untersuchungen und die Behandlung der dann entdeckten Hirnvenenthrombose bereits an diesem Tage unterblieben. Zu dieser gesundheitlichen Befindlichkeit in ihrer konkreten Ausprägung gehörte auch ein dadurch etwa geschaffenes oder erhöhtes Risiko der Erblasserin, eine Epilepsie - und dies mit tödlichen Folgen - zu erleiden.
17
2. Das Berufungsgericht hat unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt Feststellungen nicht getroffen.
18
Daher ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird unter Beachtung der Rechtsauffassung des erkennenden Senats erneut prüfen müssen, ob die Voraussetzungen für eine Beweislastumkehr aufgrund der getroffenen oder zusätzlich, evtl. aufgrund weiterer Beweiserhebung, zu treffender Feststellungen zu bejahen sind. Dabei werden auch die im Revisionsverfahren vorgetragenen Gesichts- punkte, insbesondere auch die Gegenrügen der Revisionserwiderung, zu erwägen sein. Galke Zoll Diederichsen Pauge von Pentz
Vorinstanzen:
LG Dessau-Roßlau, Entscheidung vom 27.07.2010 - 4 O 233/09 -
OLG Naumburg, Entscheidung vom 15.12.2011 - 1 U 75/10 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 527/12
Verkündet am:
5. November 2013
Holmes
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zum Umfang der Haftung im Falle eines Gesundheitsschadens aufgrund eines ärztlichen
Befunderhebungsfehlers.
BGH, Urteil vom 5. November 2013 - VI ZR 527/12 - OLG Zweibrücken
LG Zweibrücken
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 5. November 2013 durch die Richter Zoll, Wellner und Pauge, die Richterin
von Pentz und den Richter Offenloch

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Beklagten zu 1 und 3 gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 20. November 2012 werden zurückgewiesen. Die Beklagten zu 1 und 3 haben die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der durch die Nebeninterventionen verursachten Kosten zu tragen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger nimmt die Beklagten zu 1 und zu 3 wegen behaupteter ärztlicher Behandlungsfehler auf Schmerzensgeld in Anspruch und verlangt die Feststellung der Ersatzpflicht für künftige materielle und immaterielle Schäden.
2
Der am 15. Juli 1994 geborene Kläger stürzte am Morgen des 27. Juli 1996 (Samstag) mit einem Plastiklöffel im Mund und zog sich eine Pfählungsverletzung im Rachen zu. Seine Mutter entfernte den Löffel und brachte den Kläger in das Städtische Krankenhaus P. Die Beklagte zu 1 ist die Sonderrechtsnachfolgerin des früheren Krankenhausträgers, die Beklagte zu 3 die Al- leinerbin des im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens verstorbenen damaligen Chefarztes der Kinderklinik des Krankenhauses, der den Kläger seinerzeit behandelte.
3
Die Mutter des Klägers gab am 27. Juli 1996 im Städtischen Krankenhaus P. zunächst an, der Kläger habe mit einem Plastiklöffel Brei gegessen und dabei den Löffel zu weit in den Mund gesteckt. Anschließend habe er sich mehrmals erbrochen, teilweise blutig tingiert, und sei zudem weinerlich gewesen. Der Kläger wurde stationär aufgenommen. In der Folgezeit entwickelten sich eine Mediastinitis und ein sich vergrößernder retropharyngealer Abszess. Dies wurde am 31. Juli 1996 bei einer Röntgenuntersuchung festgestellt. Daraufhin wurde der Kläger sofort in das Universitätsklinikum in H. verlegt. Dort wurde noch am selben Tag der Abszess operativ entfernt. Bei der Intubation ereignete sich zu Beginn eine akzidentielle Tubus-Dislokation. Die Reintubation war wegen des geschwollenen Kehlkopfeingangs problematisch und es kam dabei zu einer Spontanperforation des Abszesses. Weitere Eingriffe erfolgten am 1. und 13. August 1996.
4
Nach Aufhebung der Relaxierung am 15. August 1996 wurde bei dem Kläger eine Schädigung des zentralen Nervensystems festgestellt. Der Kläger leidet seither an einer hypoxischen Hirnschädigung, einem Strabismus divergens links, an Restsymptomen einer spastischen Hemiparese links, einem milden hirnorganischen Psychosyndrom mit vermehrter Reizoffenheit und gesteigertem Antrieb, an Teilleistungsstörungen, einer Geh- und Gesichtsfeldstörung, einer Sprachstörung und einer linksseitigen armbetonten Halbseitenschwäche mit Feinmotorikstörung. Mit einer gesundheitlichen Wiederherstellung des Klägers ist nicht zu rechnen.
5
Das Landgericht hat dem Kläger gegenüber den Beklagten zu 1 und 3 als Gesamtschuldnern ein Schmerzensgeld in Höhe von 100.000 € nebst Zin- sen zugesprochen und dem Antrag auf Feststellung der Ersatzpflicht für künftige materielle und immaterielle Schäden stattgegeben. Im Übrigen hat es die Klage, die sich auch gegen die Stadt P., die frühere Krankenhausträgerin, als Beklagte zu 2 gerichtet hat, abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufungen der Beklagten zu 1 und 3 zurückgewiesen. Dagegen richten sich ihre vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen, mit denen die Beklagten zu 1 und 3 ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgen.

Entscheidungsgründe:

I.

6
Das Berufungsgericht führt aus, das Landgericht sei zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagten zu 1 und 3 deliktisch für die Schäden hafteten , die dem Kläger aufgrund der Behandlung durch den verstorbenen Chefarzt im Städtischen Krankenhaus P. entstanden seien. Das Berufungsgericht teile die Auffassung des Landgerichts, dass die Behandlung des Klägers durch diesen nicht dem ärztlichen Standard entsprochen habe und daher behandlungsfehlerhaft gewesen sei. Der Sachverständige Prof. Dr. W. habe nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass es spätestens am Montag, den 29. Juli 1996 indiziert gewesen wäre, eine zusätzliche Untersuchung des C-reaktiven Proteins durchzuführen. Dies hätte den Hinweis erbracht, dass die Infektion "unzureichend im Griff sei", weil nämlich ein wesentlicher Anstieg gefunden worden wäre. Man hätte dann entweder eine Umstellung der antibiotischen Therapie vorgenommen oder weitere Untersuchungen durchgeführt, um die Situation im Halsschwellungsbereich abzuklären. Auf jeden Fall hätten die in Frage gekom- menen Untersuchungen weiteren Aufschluss über die Infektionssituation bzw. über die mögliche Entstehung eines Abszesses gegeben. Es wäre zwar bei einer schweren Infektion des Klägers geblieben, die Bildung eines Abszesses hätte aber weitestgehend verhindert werden können.
7
Das Landgericht habe zu Recht die fehlerhafte Behandlung als kausal für die bei dem Kläger eingetretenen Schäden, insbesondere für den hypoxischen Hirnschaden, angesehen. Ob ein grober Behandlungsfehler vorliege, könne vorliegend dahinstehen. Eine Beweislastverlagerung auf die Behandlungsseite ergebe sich auch dann, wenn die Erhebung und/oder die Sicherung medizinisch gebotener Befunde unterlassen werde, der Befund mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein (medizinisch) positives und deshalb aus medizinischer Sicht reaktionspflichtiges Ergebnis gehabt hätte und das Unterlassen der Reaktion bei einem solchen Befund nicht anders als durch einen groben Fehler, sei es ein fundamentaler Diagnose- oder ein grober Behandlungsfehler, zu erklären wäre. Ein solcher Fall liege vor. Der Sachverständige Prof. Dr. W. habe nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass im Städtischen Krankenhaus in P. die notwendige Diagnostik nicht durchgeführt worden sei. Er habe desweiteren dargelegt, dass sich bei Durchführung der notwendigen Diagnostik mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Befund ergeben hätte, der eine Reaktionspflicht ausgelöst hätte. Eine gebotene Umstellung der Behandlung zu unterlassen, habe der Sachverständige als nicht mehr verständlich und damit als grob fehlerhaft bewertet.
8
Die Umkehr der Beweislast zugunsten des Klägers greife hinsichtlich der gesamten geltend gemachten Folgen. Das Berufungsgericht werte den dem Kläger entstandenen Schaden einschließlich des hypoxischen Hirnschadens als Primärschaden. Nach dem Unterlassen der spätestens am 29. Juli 1996 gebotenen Diagnostik habe sich der Zustand des Klägers verschlechtert. Ohne eine zeitliche oder eine sonstige relevante Unterbrechung habe dies bereits zwei Tage später wegen des dramatischen Zustands des Klägers zu der Verlegung in das Universitätsklinikum in H. geführt. Dort sei an demselben Tag der Abszess operativ entfernt worden. Auch im weiteren Behandlungsverlauf bis zur Feststellung des hypoxischen Hirnschadens am 15. August 1996 sei nichts geschehen , was als Zäsur angesehen werden könne. Der Sachverständige Prof. Dr. Br. habe nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt, dass ursächlich für die eingetretenen Folgen bei dem Kläger der lebensbedrohliche Zustand des Klägers gewesen sei, der bereits zum Zeitpunkt des Eintreffens in H. gegeben gewesen sei.
9
Es könne dahinstehen, ob der hypoxische Hirnschaden erst nach der Verlegung des Klägers in das Universitätsklinikum in H. entstanden und dort durch eine fehlerhafte Behandlung verursacht worden sei. Selbst wenn man unterstelle, dass der hypoxische Hirnschaden bei einer besseren Sicherung der Atemwege in H. zu vermeiden gewesen wäre, sei ein solcher Behandlungsfehler angesichts des dargelegten Gesamtgeschehens nicht geeignet, den Kausalverlauf zu unterbrechen. Ein die Haftung der Beklagten zu 1 und 3 einschränkendes Mitverschulden des Klägers im Hinblick auf die zunächst abgegebene Schilderung des Unfallgeschehens durch seine Mutter könne nicht angenommen werden. Das Berufungsgericht teile insoweit die Beurteilung des Landgerichts, dass ein etwaiges Fehlverhalten sich nicht ausgewirkt habe. Die Höhe des Schmerzensgelds sei nicht - jedenfalls nicht zum Nachteil der Beklagten - zu beanstanden.

II.

10
Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat mit Recht die Haftung der Beklagten zu 1 und 3 für den bei dem Kläger eingetretenen Gesundheitsschaden bejaht.
11
1. Die Revision wendet sich nicht gegen die Feststellung des Berufungsgerichts , dass die Behandlung des Klägers durch den verstorbenen Chefarzt der Kinderklinik behandlungsfehlerhaft war, weil dieser die spätestens am 29. Juli 1996 notwendige Diagnostik nicht durchgeführt hat und ihm damit ein Befunderhebungsfehler zur Last fällt.
12
2. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht mit Recht angenommen, dass sich aufgrund dieses Befunderhebungsfehlers die Beweislast hinsichtlich der haftungsbegründenden Kausalität zugunsten des Klägers umgekehrt hat.
13
a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass grundsätzlich der Patient den Ursachenzusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und dem geltend gemachten Gesundheitsschaden nachzuweisen hat. Dabei ist zwischen der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität zu unterscheiden. Erstere betrifft die Ursächlichkeit des Behandlungsfehlers für die Rechtsgutverletzung als solche, also für den Primärschaden des Patienten im Sinne einer Belastung seiner gesundheitlichen Befindlichkeit. Insoweit gilt das strenge Beweismaß des § 286 ZPO, das einen für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit verlangt. Die Feststellung der haftungsausfüllenden Kausalität und damit der Ursächlichkeit der Rechtsgutverletzung für alle weiteren (Folge-)Schäden richtet sich hingegen nach § 287 ZPO; hier kann zur Überzeugungsbildung eine überwiegende Wahrscheinlichkeit genügen (vgl. Senatsurteile vom 12. Februar 2008 - VI ZR 221/06, VersR 2008, 644 Rn. 9 mwN; vom 22. Mai 2012 - VI ZR 157/11, VersR 2012, 905 Rn. 10 mwN; vom 2. Juli 2013 - VI ZR 554/12, VersR 2013, 1174 Rn. 15; näher Senatsurteile vom 24. Juni 1986 - VI ZR 21/85, VersR 1986, 1121, 1122 f.; vom 4. November 2003 - VI ZR 28/03, VersR 2004, 118, 119 f.; siehe auch Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 6. Aufl., Rn. B 189 ff.; Steffen/Pauge, Arzthaftungsrecht , 12. Aufl., Rn. 626 ff.).
14
b) Das Berufungsgericht hat seiner Entscheidung auch zutreffend die Rechtsprechung des erkennenden Senats zugrunde gelegt, nach der bei der Unterlassung einer gebotenen Befunderhebung eine Beweislastumkehr hinsichtlich der haftungsbegründenden Kausalität erfolgt, wenn bereits die Unterlassung einer aus medizinischer Sicht gebotenen Befunderhebung einen groben ärztlichen Fehler darstellt (vgl. Senatsurteile vom 13. Januar 1998 - VI ZR 242/96, BGHZ 138, 1, 5 f.; vom 29. September 2009 - VI ZR 251/08, VersR 2010, 115 Rn. 8; vom 13. September 2011 - VI ZR 144/10, VersR 2011, 1400 Rn. 8; vom 2. Juli 2013 - VI ZR 554/12, VersR 2013, 1174 Rn. 11). Zudem kann auch eine nicht grob fehlerhafte Unterlassung der Befunderhebung dann zu einer Umkehr der Beweislast hinsichtlich der Kausalität des Behandlungsfehlers für den eingetretenen Gesundheitsschaden führen, wenn sich bei der gebotenen Abklärung der Symptome mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein so deutlicher und gravierender Befund ergeben hätte, dass sich dessen Verkennung als fundamental oder die Nichtreaktion hierauf als grob fehlerhaft darstellen würde und diese Fehler generell geeignet sind, den tatsächlich eingetretenen Gesundheitsschaden herbeizuführen (vgl. Senatsurteile vom 13. Februar 1996 - VI ZR 402/94, BGHZ 132, 47, 52 f.; vom 27. April 2004 - VI ZR 34/03, BGHZ 159, 48, 56 f.; vom 7. Juni 2011 - VI ZR 87/10, VersR 2011, 1148 Rn. 7; vom 13. September 2011 - VI ZR 144/10, aaO; vom 2. Juli 2013 - VI ZR 554/12, aaO; siehe nun auch § 630h Abs. 5 BGB in der seit dem 26. Februar 2013 geltenden Fassung).
15
c) Die Revision wendet sich ohne Erfolg gegen die Feststellungen des Berufungsgerichts, nach denen die Voraussetzung für die Beweislastumkehr bei einem einfachen Befunderhebungsfehler gegeben waren, weil sich bei Durchführung der notwendigen Diagnostik mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Befund ergeben hätte, der eine Reaktionspflicht im Sinne einer Umstellung der Behandlung ausgelöst hätte, bei der die Nichtreaktion als nicht mehr verständlich und damit grob fehlerhaft zu bewerten gewesen wäre. Aus den Feststellungen der Vorinstanzen ergibt sich dabei, dass der in der Nichtreaktion auf den hypothetischen Befund liegende Behandlungsfehler generell geeignet gewesen wäre, den lebensbedrohlichen Zustand des Klägers am 31. Juli 1996 und auch den hypoxischen Hirnschaden herbeizuführen.
16
Gemäß § 286 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist. Diese Würdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. An dessen Feststellungen ist das Revisionsgericht nach § 559 ZPO gebunden. Revisionsrechtlich ist lediglich zu überprüfen, ob sich der Tatrichter mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (vgl. Senatsurteile vom 11. Dezember 2012 - VI ZR 314/10, VersR 2013, 321 Rn. 16 und vom 16. April 2013 - VI ZR 44/12, VersR 2013, 1045, Rn. 13, jeweils mwN).
17
Derartige Rechtsfehler liegen nicht vor.
18
aa) Die Revision rügt zu Unrecht als Verstoß gegen § 286 ZPO, dass die bisher getroffenen Feststellungen die Annahme einer Beweislastumkehr nicht trügen. Für die Beweislastumkehr wegen eines einfachen Befunderhebungsfehlers dürfe nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nur auf den versäumten Befund bezüglich des C-reaktiven Proteins (CrP) abgestellt werden. Den getroffenen Feststellungen sei jedoch nicht zu entnehmen, dass die Nichtreaktion auf den hypothetischen CrP-Befund grob fehlerhaft gewesen wäre, sondern nur, dass die Nichtreaktion auf ein im weiteren Verlauf möglicherweise einzuholendes Röntgenbild schlechterdings nicht mehr verständlich gewesen wäre.
19
Mit dieser Argumentation verengt die Revision die Feststellungen des Berufungsgerichts in unzutreffender Weise. Das Berufungsgericht hat den Befunderhebungsfehler nicht allein in der Nichterhebung des CrP-Befundes, sondern insgesamt in dem Unterlassen der gebotenen Diagnostik gesehen. Diese hätte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts einen Befund ergeben, der eine Reaktionspflicht ausgelöst hätte. Konkret geht das Berufungsgericht unter Bezugnahme auf die Angaben des Sachverständigen Prof. Dr. W. davon aus, dass man zumindest hätte feststellen können, dass die Infektion "unzureichend im Griff" war und ein fortschreitender Prozess vorlag, was eine Umstellung der Behandlung, etwa durch Umstellung der antibiotischen Therapie oder Legen einer Drainage, erforderlich gemacht hätte. Auch das Landgericht, auf dessen Feststellungen das Berufungsgericht ergänzend Bezug nimmt, stellt auf die notwendige weiterführende Diagnostik insgesamt und nicht nur auf den CrP-Befund ab.
20
Außerdem beschränken sich die getroffenen Feststellungen nicht darauf, dass nur die Nichtreaktion auf ein einzuholendes Röntgenbild nicht mehr verständlich gewesen wäre. Das Berufungsgericht hat vielmehr unter Bezugnahme auf die Angaben des Sachverständigen Prof. Dr. W. allgemein festgestellt, dass sich bei Durchführung der notwendigen Diagnostik mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Befund ergeben hätte, der eine Reaktionspflicht im Sinne einer Pflicht zur Umstellung der Behandlung ausgelöst hätte. Ergänzend hat es auf die Feststellungen des Landgerichts Bezug genommen. Auch das Landgericht hat eine Reaktionspflicht nicht ausschließlich aus einer hypothetischen Röntgenaufnahme abgeleitet, sondern allgemein aus der Feststellung einer fortschreitenden Infektion. Dabei hätte nach den getroffenen Feststellungen bereits die Untersuchung des C-reaktiven Proteins den Hinweis gebracht, dass die Infektion unzureichend im Griff war.
21
bb) Die Revision rügt auch ohne Erfolg als Verstoß gegen § 286 ZPO, dass eine Beweislastumkehr aufgrund mehrstufiger Befunderhebungsversäumnisse im Streit stehe und damit für die Wahrscheinlichkeit eines reaktionspflichtigen Endbefundes entgegen dem Berufungsgericht nicht isoliert an die Wahrscheinlichkeit auf der letzten Stufe - gemäß der Revision die Einholung einer Röntgenaufnahme - angeknüpft werden dürfe. Die von der Revision geforderte Gesamtbetrachtung der Befunderhebungen hat das Berufungsgericht jedoch durchgeführt. Wie bereits ausgeführt, hat es auf das Unterlassen der spätestens am 29. Juli 1996 notwendigen Diagnostik insgesamt abgestellt. Wäre diese durchgeführt worden, so hätte sich nach den getroffenen Feststellungen ein Befund ergeben, der eine Reaktionspflicht im Sinne einer Umstellung der Behandlung ausgelöst hätte. Die Ausführungen der Revision zu mehrstufigen Befunderhebungsversäumnissen führen im Übrigen auch deshalb nicht weiter, weil der CrP-Befund nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts definitiv und nicht nur wahrscheinlich den Hinweis erbracht hätte, dass die Infektion "unzureichend im Griff" ist.
22
cc) Die Revision wendet sich ohne Erfolg gegen die Feststellung des Berufungsgerichts , auf einer hypothetischen Röntgen- oder CT-Aufnahme hätte man wahrscheinlich zumindest eine Weichteilverbreiterung oder Schwellungsveränderung sehen können. Sie macht zu Unrecht geltend, dass Widersprüche in den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. W. eine ergänzende Sachverhaltsaufklärung geboten hätten. Das Berufungsgericht hat insoweit auch keinen erheblichen Beklagtenvortrag übergangen.
23
Die Angabe des Sachverständigen, auf einer Röntgen- oder CT-Aufnahme hätte man wahrscheinlich zumindest eine Weichteilverbreiterung und Schwellungsveränderung sehen können, widerspricht nicht seiner früheren Aussage, er könne die Frage nicht beantworten, ob man mit einer Wahrscheinlichkeit von über 50 % auf einem Röntgenbild eine Erscheinung hätte sehen können, die die Notwendigkeit einer Operation schon gezeigt hätte. Wie die Revisionserwiderungen mit Recht ausführen, meinte der Sachverständige eine Operation zur Entfernung des Abszesses, wie sie am 31. Juli 1996 durchgeführt worden ist, und nicht das (operative) Legen einer Drainage aufgrund einer Weichteilverbreiterung oder Schwellungsveränderung. Das Legen einer Drainage hat er in der Anhörung vom 21. März 2007 ausdrücklich als solches bezeichnet. Die bloße Möglichkeit, dass Abszess und Mediastinitis sich sehr kurzfristig entwickeln haben können, wie die Revision unter Bezugnahme auf den Sachverständigen geltend macht, steht der Wahrscheinlichkeitsaussage des Sachverständigen angesichts des klinischen Bilds des Klägers, das der Sachverständige geschildert hat, nicht entgegen.
24
dd) Die Revision sieht zu Unrecht auch aufklärungsbedürftige Widersprüche in den Ausführungen des Sachverständigen zu der Frage, ob eine im hypothetischen Röntgenbild erkennbare Weichteilveränderung eine Reaktionspflicht ausgelöst hätte.
25
Dass der Sachverständige in seiner Anhörung vom 3. September 2008 von dem Legen einer Drainage als Standardbehandlung bei dem Auftreten einer Mediastinitis ausgegangen ist und außerdem ausgeführt hat, bei der Fest- stellung einer Mediastinitis hätte es sich angeboten, eine Drainage zu legen, widerspricht nicht seinen früheren Angaben. Der Sachverständige hat bereits im Gutachten vom 9. Juni 2006 dargelegt, bei einer Mediastinitis müsse man häufig relativ früh eine operative Drainage anbringen. Die Revision stützt den behaupteten Widerspruch auf seine daran anschließende Aussage, man hätte dies spätestens am Montagabend nach dem Vorliegen der Befunde "diskutieren" können. Entgegen der Auffassung der Revision hat er das Legen einer Drainage damit aber nicht "allenfalls" als eine Option dargestellt. Die Revisionserwiderung des Klägers weist mit Recht darauf hin, dass der Sachverständige mit seiner Aussage nicht die Frage nach einer Reaktionspflicht auf einen hypothetischen Röntgen- oder CT-Befund beantworten wollte. Vielmehr ging es ihm um den zeitlichen Ablauf bei einer ordnungsgemäßen Behandlung. Gleiches gilt für seine Aussage aus der Anhörung vom 21. März 2007, bei Vorliegen der Röntgen- oder CT-Aufnahme hätte man besprechen können, ob es sinnvoll gewesen wäre, eine Drainage zu legen.
26
ee) Die Revision rügt zu Unrecht, dass das Berufungsgericht umfangreichen qualifizierten medizinischen Sachvortrag der Beklagten zu der Frage übergangen habe, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein unterstellter Abszess auf dem hypothetischen Röntgenbild zu erkennen gewesen wäre. Diese Frage ist nicht entscheidungserheblich. Das Berufungsgericht stellt nicht darauf ab, dass ein Abszess mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit auf einem Röntgenbild erkennbar gewesen wäre. Vielmehr stellt es unter Bezugnahme auf den Sachverständigen Prof. Dr. W. fest, es lasse sich nicht sagen, ob ein Abszess bereits feststellbar gewesen wäre. Entscheidend ist für das Berufungsgericht, dass man eine fortschreitende Infektion hätte feststellen können. Daher beanstandet die Revision auch ohne Erfolg als Verstoß gegen §§ 402, 397 ZPO, dass das Berufungsgericht den Sachverständigen Prof. Dr. Bo. nicht zu der Entwicklung und radiologischen Diagnostizierbarkeit von retropharyngealen Abszessen an- gehört hat. Im Übrigen sind die abstrakten Einwände der Revision auch deshalb nicht erheblich, weil sie, wie die Revisionserwiderung des Klägers mit Recht ausführt, nicht das klinische Bild des Klägers berücksichtigen.
27
ff) Die Revision beanstandet ferner ohne Erfolg, dass das Berufungsgericht nicht den qualifizierten Vortrag der Beklagten zu der Frage berücksichtigt habe, welche Maßnahmen auf eine durch ein Röntgenbild nachgewiesene Mediastinitis zu ergreifen gewesen wären. Die Revisionserwiderung des Klägers wendet gegen diese Rüge mit Recht ein, dass die von den Beklagten erwähnten Studien über die Erfolgsaussichten einer medikamentösen Therapie mit Antibiotika nicht auf den vorliegenden Fall zu übertragen sind. Denn nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hätte bereits die Untersuchung des C-reaktiven Proteins am 29. Juli 1996 den Hinweis erbracht, dass die Infektion trotz der medikamentösen Therapie "unzureichend im Griff" war. Von der Feststellung eines fortschreitenden Prozesses ist auch der Sachverständige Prof. Dr. W. ausgegangen, als er in der Anhörung vom 3. September 2008 ausgeführt hat, das Legen einer Drainage entspreche der Standardbehandlung bei dem Auftreten einer Mediastinitis.
28
Daran ändert auch der von der Revision angeführte Beklagtenvortrag zu einer Verbesserung der Situation des Klägers nichts. Der Sachverständige Prof. Dr. W. hat im Gutachten vom 9. Juni 2006 das zeitweilige Abfallen des Fiebers in der Nacht vom 28. auf den 29. Juli 1996, einen etwas besseren Allgemeinzustand sowie die abfallende Leukozytenzahl bei gleichbleibender Linksverschiebung am 28., 29. und 31. Juli 1996 berücksichtigt. Die zumindest kurzfristige Besserung der Situation war maßgebend dafür, dass der Sachverständige Prof. Dr. W. im Gutachten vom 9. Juni 2006 nicht von einem groben Behandlungsfehler ausgegangen ist. Er ist trotzdem zu dem Ergebnis gekommen, dass - auch in Anbetracht des klinischen Zustands des Klägers - offensichtlich gewe- sen sein musste, dass es sich um eine schwerwiegende Infektion handelte und innerhalb von 48 Stunden Beobachtung und Behandlung keine Eindämmung der Erkrankung mit der antibiotischen Therapie möglich gewesen ist.
29
gg) Die Revision greift auch ohne Erfolg die auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. W. vom 9. Juni 2006 gestützte Feststellung des Berufungsgerichts an, auf eine Untersuchung des C-reaktiven Proteins mit dem Ergebnis, dass ein wesentlicher Anstieg gefunden worden wäre, also die Infektion "unzureichend im Griff ist", hätte man nicht nur mit weiteren Untersuchungen , sondern auch mit einer Umstellung der antibiotischen Therapie reagieren können. Ein Widerspruch zu anderen Angaben des Sachverständigen liegt nicht vor. Es trifft zwar zu, dass der Sachverständige die gewählten Antibiotika als Anfangsbehandlung nicht beanstandet und in der Anhörung vom 21. März 2007 ausgeführt hat, wenn man auf dem Röntgenbild nichts hätte wahrnehmen können, hätte man die konservative Behandlung weitergeführt. Mit der Untersuchung des C-reaktiven Proteins und ihren Konsequenzen hat der Sachverständige sich an dieser Stelle jedoch nicht auseinander gesetzt.
30
hh) Die gebotene Umstellung der Behandlung zu unterlassen, hat das Berufungsgericht unter Bezugnahme auf die Angaben des Sachverständigen Prof. Dr. W. in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise als nicht mehr verständlich und damit grob fehlerhaft bewertet. Insoweit ist nur nachprüfbar, ob das Berufungsgericht den Begriff des groben Behandlungsfehlers verkannt und ob es bei der Gewichtung dieses Fehlers erheblichen Prozessstoff außer Betracht gelassen oder verfahrensfehlerhaft gewürdigt hat (st. Rspr., vgl. etwa Senatsurteile vom 27. März 2007 - VI ZR 55/05, BGHZ 172, 1 Rn. 24; vom 16. Juni 2009 - VI ZR 157/08, VersR 2009, 1267 Rn. 8; vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 139/10, VersR 2012, 362 Rn. 7, jeweils mwN). Solche Rechtsfehler sind nicht ersichtlich und werden von der Revision auch nicht dargelegt.
31
3. Das Berufungsgericht hat die Ursächlichkeit des Befunderhebungsfehlers für die beim Kläger eingetretenen Folgen, insbesondere für den hypoxischen Hirnschaden, im Ergebnis mit Recht bejaht.
32
a) Die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über die Beweislastumkehr für den Kausalitätsbeweis bei groben Behandlungsfehlern finden allerdings grundsätzlich nur Anwendung, soweit durch den Fehler des Arztes unmittelbar verursachte haftungsbegründende Gesundheitsverletzungen (Primärschäden) in Frage stehen. Für den Kausalitätsnachweis für Folgeschäden (Sekundärschäden), die erst durch die infolge des Behandlungsfehlers eingetretene Gesundheitsverletzung entstanden sein sollen, gelten sie nur dann, wenn der Sekundärschaden eine typische Folge des Primärschadens ist (vgl. Senatsurteile vom 28. Juni 1988 - VI ZR 210/87, VersR 1989, 145; vom 16. November 2004 - VI ZR 328/03, VersR 2005, 228, 230; vom 12. Februar 2008 - VI ZR 221/06, VersR 2008, 644 Rn. 13 mwN; vom 2. Juli 2013 - VI ZR 554/12, VersR 2013, 1174 Rn. 12 mwN; siehe nun auch § 630h Abs. 5 Satz 1 BGB in der seit dem 26. Februar 2013 geltenden Fassung: "für diese Verletzung" , dazu Olzen/Kaya, GesR 2013, 1, 4; BT-Drucks. 17/10488, S. 31). Für die Haftung für Schäden, die durch eine (einfach oder grob fehlerhaft) unterlassene oder verzögerte Befunderhebung entstanden sein könnten, gilt nichts anderes (vgl. Senatsurteil vom 2. Juli 2013 - VI ZR 554/12, aaO).
33
b) Die vom Berufungsgericht mit Recht angenommene Beweislastumkehr zugunsten des Klägers erstreckt sich auf die haftungsbegründende Kausalität und damit jedenfalls auf die Ursächlichkeit des Befunderhebungsfehlers für den lebensbedrohlichen Zustand, in dem sich der Kläger nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts am 31. Juli 1996 befand. Insoweit hat das Berufungsgericht aufgrund der Beweislastumkehr mit Recht die Kausalität bejaht. Die Revision wendet sich nicht dagegen, dass der lebensbedrohliche Zustand zum Primärschaden zu rechnen ist, sondern greift nur die Zuordnung des hypoxischen Hirnschadens zum Primärschaden an. Sie geht ausdrücklich davon aus, dass die Ausbildung eines bedrohlichen Abszesses , die maßgeblich zu dem dramatischen Zustand des Klägers beigetragen hat, als erster Verletzungserfolg anzusehen ist.
34
c) Ob der beim Kläger eingetretene hypoxische Hirnschaden nach den oben aufgezeigten Grundsätzen zum Primärschaden zu rechnen ist, kann offen bleiben. Auf die Frage der Abgrenzung von Primärschaden und Folgeschaden, der das Berufungsgericht grundsätzliche Bedeutung beigemessen und zu deren Klärung es die Revision zugelassen hat, kommt es für die rechtliche Beurteilung vorliegend nicht an. Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen ist die Kausalität des Befunderhebungsfehlers für den hypoxischen Hirnschaden unabhängig davon zu bejahen, ob dieser als Primärschaden oder als Folgeschaden einzuordnen ist. Das Berufungsgericht hat unter Bezugnahme auf den Sachverständigen Prof. Dr. Br. nämlich festgestellt, dass ursächlich für die beim Kläger eingetretenen Folgen dessen lebensbedrohlicher Zustand war, der bereits zum Zeitpunkt seines Eintreffens im Universitätsklinikum H. bestand. Es hat sich dabei zwar weder auf die Vorschrift des § 287 ZPO noch auf das Erfordernis der haftungsausfüllenden Kausalität bezogen, weil es gemeint hat, dem Kläger käme, weil der hypoxische Hirnschaden zum Primärschaden zu rechnen sei, auch insoweit die Umkehr der Beweislast zugute. Das Berufungsgericht hat die Ursächlichkeit des lebensbedrohenden Zustands des Klägers für den Eintritt des hypoxischen Hirnschadens aber positiv festgestellt. Da es dabei ersichtlich von dem strengeren Beweismaß des § 286 ZPO ausgegangen ist, hat es sich eine auch für die Feststellung der haftungsausfüllenden Kausalität nach § 287 ZPO ausreichende tatrichterliche Überzeugung gebildet. Gegen die Würdigung der Angaben des Sachverständigen Prof. Dr. Br. durch das Berufungsgericht bringt die Revision keine Einwände vor.
35
d) Ob es auch bei einem rechtzeitigen Eingriff zu einer Sauerstoffunterversorgung hätte kommen können, betrifft nicht die Kausalität der tatsächlich durchgeführten Behandlung für den eingetretenen Schaden, sondern einen hypothetischen Kausalverlauf bei rechtmäßigem Alternativverhalten, für den die Beklagten beweispflichtig sind (vgl. Senatsurteile vom 15. März 2005 - VI ZR 313/03, VersR 2005, 836, 837; vom 22. Mai 2012 - VI ZR 157/11, VersR 2012, 905 Rn. 12, jeweils mwN).
36
4. Die Revision beanstandet erfolglos, dass in der unzutreffenden und verharmlosenden Schilderung des Unfallhergangs, welche die Mutter des Klägers bei seiner Aufnahme in das Krankenhaus abgegeben hat, ein Mitverschulden liege, welches das Berufungsgericht anspruchsmindernd hätte berücksichtigen müssen. Das Berufungsgericht hat unter Bezugnahme auf das Urteil des Landgerichts festgestellt, dass sich ein etwaiges Fehlverhalten der Mutter des Klägers nicht ausgewirkt hat. Es hat damit die für die Berücksichtigung eines Mitverschuldens erforderliche Mitursächlichkeit des Fehlverhaltens für den eingetretenen Schaden verneint (vgl. Senatsurteil vom 17. Dezember 1996 - VI ZR 133/95, VersR 1997, 449, 450 mwN; BGH, Urteile vom 3. Juli 1951 - I ZR 44/50, BGHZ 3, 46, 48; vom 3. Juli 2008 - I ZR 218/05, NJW-RR 2009, 103 Rn. 28; Palandt/Grüneberg, BGB, 72. Aufl., § 254 Rn. 12). Gegen diese Feststellung wendet sich die Revision ohne Erfolg.
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Die Revision rügt erfolglos, dass das Berufungsgericht in seinen Erwägungen das vorliegend entscheidende Element der Wahrscheinlichkeit einer Pfählungsverletzung gänzlich ausgeblendet habe. Sie macht geltend, dass eine erkannte, aber ausgehend von der Unfallschilderung gänzlich fernliegende Möglichkeit einer Pfählung anders versorgt worden wäre als eine hochwahrscheinliche Verletzung. Nach den unbeanstandeten Feststellungen der Vorinstanzen ist man bei der Behandlung des Klägers jedoch von einer Verletzung gravierender Art im Bereich der hinteren Mundschleimhaut ausgegangen und hat mit Komplikationen im Rachenbereich gerechnet. Demnach stellte sich die Frage nach der Wahrscheinlichkeit nicht. Dass man von einer gravierenden Verletzung ausgegangen ist, schließt dabei nicht aus, dass man die Situation dennoch unterschätzt hat, wie es der von der Revision zitierte Sachverständige Prof. Dr. W. angenommen hat.
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Der Revision kann auch nicht in der Ansicht beigetreten werden, das Berufungsgericht habe gegen Denkgesetze verstoßen, indem es den Beklagtenvortrag über die sofortige Verlegung des Klägers in eine HNO-Klinik bei Kenntnis von der wahren Unfallsituation unterstellt habe, aber dennoch davon ausgegangen sei, das Versäumnis der Mutter habe sich nicht ausgewirkt. Die Vorinstanzen haben lediglich ausgeführt, soweit die Beklagten vortrügen, sie hätten bei wahrheitsgemäßer Schilderung des Geschehensablaufs im Rahmen der Anamnese sogleich einen HNO-Facharzt hinzugezogen, ändere dies nichts an der rechtlichen Beurteilung, weil auch ein HNO-Facharzt keine andere Anfangsbehandlung durchgeführt hätte. Diese Ausführungen sind jedoch mit der Feststellung, dass sich das Versäumnis der Mutter nicht ausgewirkt hat, zu vereinbaren. Das Berufungsgericht durfte daher offen lassen, ob die Mutter den Unfallhergang bereits am nächsten Tag, wie der Kläger unter Bezugnahme auf einen Vermerk in den Krankenunterlagen behauptet hat, oder erst am Tag der Verlegung des Klägers nach H. richtiggestellt hat.
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5. Die Revision rügt schließlich ohne Erfolg als Verfahrensfehler, dass das Berufungsgericht ausweislich des Verhandlungsprotokolls unter Verstoß gegen § 279 Abs. 3, § 285 Abs. 1 ZPO mit den Parteien lediglich die "Sach- und Rechtslage" erörtert habe, nicht aber das Ergebnis der in der Berufungsinstanz - allerdings vor dem Verhandlungstermin - durchgeführten Beweisaufnahme. Die Revision legt nicht dar, dass ein etwaiger Verfahrensfehler Einfluss auf das Urteil gehabt hätte (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., § 279 Rn. 6; HkZPO /Kayser/Koch, 5. Aufl., § 551 Rn. 12; siehe auch BGH, Urteil vom 6. Mai 1999 - IX ZR 430/97, NJW 1999, 2113, 2114 mwN; Beschluss vom 26. September 2007 - IV ZR 145/07, juris Rn. 6). Konkret führt die Revision nur aus, bei einer Diskussion der Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Bo. hätten die Beklagten darauf hingewiesen, dass schon ausweislich dieser Gutachten mit der Hypoxie keine typische Folge eines Abszesses vorliege und erst recht kein von der Beweislastumkehr erfasster Primärschaden vorliegen könne. Dies haben die Beklagten jedoch sinngemäß schon schriftsätzlich ausgeführt, nachdem das Berufungsgericht darauf hingewiesen hat, in neuer Besetzung gehe es davon aus, dass es sich bei der hypoxischen Hirnschädigung um einen Primärschaden handele.
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6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, § 100 Abs. 4, § 101 Abs. 1 Halbsatz 1 ZPO. Zoll Wellner Pauge von Pentz Offenloch
Vorinstanzen:
LG Zweibrücken, Entscheidung vom 19.12.2008 - 1 O 401/02 -
OLG Zweibrücken, Entscheidung vom 20.11.2012 - 5 U 2/09 -

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.