Oberverwaltungsgericht des Saarlandes Beschluss, 28. Mai 2014 - 1 A 432/13

bei uns veröffentlicht am28.05.2014

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund mündlicher Verhandlung vom 6. September 2013 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes - 3 K 1698/12 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 480,- EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das im Tenor bezeichnete Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen, ist zulässig, aber unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat die auf Aufhebung der Zweitwohnungssteuerbescheide für die Jahre 2011 und 2012 gerichtete Klage mit der Begründung abgewiesen, dass das Vorhalten einer im Stadtgebiet der Beklagten gelegenen Zweitwohnung seitens des Klägers den satzungsmäßigen Steuertatbestand erfülle. Insbesondere seien die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift des § 2 Abs. 5 Zweitwohnungssteuersatzung - ZwStS - nicht gegeben. Die Wohnung des Klägers unterfalle weder den dort aufgeführten Fallgestaltungen noch könne eine grundsätzliche Vergleichbarkeit mit den unter lit. a und b bzw. d der Vorschrift geregelten Tatbeständen angenommen werden. Dieser Argumentation und der Begründung im Einzelnen ist aus Sicht des Senats zuzustimmen.

Aus dem Beschwerdevorbringen des Klägers in seinem den Prüfungsumfang im Zulassungsverfahren begrenzenden Schriftsatz vom 16.11.2013 ergibt sich nichts Gegenteiliges. Dort sind weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (1) noch eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (2) dargetan.

1. Die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils unterliegen keinen durchgreifenden ernstlichen Richtigkeitszweifeln.

1.1. Der Kläger meint zunächst, seine Veranlagung zur Zweitwohnungssteuer verletze Art. 3 Abs. 1 GG. Um dies zu vermeiden und die Vereinbarkeit der Zweitwohnungssteuersatzung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz sicherzustellen, müssten die Befreiungstatbestände des § 2 Abs. 5 a und b ZwStS verfassungskonform dahingehend ausgelegt werden, dass sie eine Befreiung von der Steuerpflicht hinsichtlich aller Personen vorgeben, die eine Zweitwohnung innehaben, weil dies ihrer Behinderung zweckdienlich ist. Dabei dürfe es nicht darauf ankommen, ob die Wohnung behindertengerecht ausgebaut ist, sondern es müsse ausreichen, dass die Wohnung aus behinderungsbedingten Gründen vorgehalten werde und der Behinderung zugute komme.

Eine solche die satzungsmäßigen Befreiungstatbestände erheblich erweiternde Auslegung ist indes verfassungsrechtlich weder geboten noch wäre sie vertretbar.

Die Zweitwohnungssteuer ist eine Kommunalabgabe im Sinne der §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 KAG, die gemäß § 2 Abs. 1 KAG nur aufgrund einer Satzung erhoben werden darf, die u.a. den Kreis der Abgabenpflichtigen und den die Abgabe begründenden Tatbestand bestimmen muss. Die Festlegung, unter welchen Voraussetzungen das Unterhalten einer Zweitwohnung im Stadtgebiet der Beklagten der Steuerpflicht unterliegt, ist damit vom Satzungsgeber unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben zu treffen.

Aus Sicht des Senats zeichnen die vom Kläger herangezogenen Befreiungstatbestände des § 2 Abs. 5 a und b ZwStS sich - ebenso wie die unter lit. c, e und f der Vorschrift getroffenen Regelungen - bereits dadurch aus, dass sie bestimmte Sachverhalte von der Steuerpflicht ausnehmen, die ihrer Natur nach nur schwerlich als Indikator für einen - besteuerungsfähigen - Aufwand im Sinn des Art. 105 Abs. 2 a GG in Betracht kommen (1.1.1). Unabhängig davon ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass Ausnahmetatbestände des hier in Rede stehenden Inhalts von der sozialpolitischen Zielsetzung, bestimmte hilfebedürftige Personengruppen von der Steuerpflicht auszunehmen, getragen werden und dass diese Zielsetzung - je nach den konkreten Umständen - ein sachlicher Grund für eine Differenzierung sein kann.(BVerwG, Urteil vom 13.5.2009 -9 C 7/08 -, juris Rdnr 28; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23.1.2013 - 14 A 2187/10 -, juris, Rdnr. 23) Fallbezogen ist die Annahme eines Differenzierungsgrundes gerechtfertigt (1.1.2).

1.1.1. Zu dem bei der Ausgestaltung einer Aufwandsteuer vom Satzungsgeber zu beachtenden materiellrechtlichen Rahmen ist in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung geklärt, dass die Aufwandsteuer die in der Einkommensverwendung zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit treffen soll. Ausschlaggebendes Merkmal der Aufwandsteuer sei der Konsum in Form eines äußerlich erkennbaren Zustandes, für den finanzielle Mittel verwendet werden. Der Aufwand im Sinn von Konsum sei typischerweise Ausdruck und Indikator der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, ohne dass es darauf ankäme, welchen Zwecken er des Näheren dient. Für die Zweitwohnungssteuer spielen demnach persönliche Verhältnisse des Steuerpflichtigen generell keine Rolle.(BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 17.2.2010 - 1 BvR 529/09 -, juris Rdnrn. 32 f.) In dem so vorgegebenen rechtlichen Rahmen bewegen sich die satzungsmäßigen Regelungen der verfahrensgegenständlichen Zweitwohnungssteuersatzung.

Die §§ 1 und 2 Abs. 1 bis Abs. 4 ZwStS legen den Steuertatbestand in Anknüpfung an den im Innehaben einer Zweitwohnung zum Ausdruck kommenden Konsum fest, ohne dass es auf die persönlichen Gründe, aus denen dieser Konsum stattfindet, ankommt. Der so festgelegte Steuertatbestand und die in § 2 Abs. 5 ZwStS vorgesehenen Befreiungstatbestände halten der vom Kläger geforderten rechtlichen Überprüfung gemessen an Art. 3 Abs. 1 GG Stand. Für den Sachbereich des Steuerrechts verbürgt - so das Bundesverfassungsgericht(BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 17.2.2010, a.a.O., Rdnrn. 36 ff.) - der allgemeine Gleichheitssatz den Grundsatz der gleichen Zuteilung steuerlicher Lasten, wobei dem Gesetzgeber - hier dem Satzungsgeber - ein weitreichender Entscheidungsspielraum sowohl bei der Auswahl des Steuergegenstands als auch bei der Bestimmung des Steuersatzes und des Steuermaßstabs zukomme. Zu berücksichtigen sei, dass Steuergesetze in der Regel Massenvorgänge des Wirtschaftslebens betreffen. Sie müssten, um praktikabel zu sein, Sachverhalte, an die sie dieselben steuerlichen Folgen knüpfen, typisieren und dabei die Besonderheiten des einzelnen Falles vernachlässigen. Das Wesen der Zweitwohnungssteuer als Aufwandsteuer setze der Ausübung des Ermessens des Normgebers für die gleichheitsgerechte Ausgestaltung der Steuerpflicht Grenzen. So dürften die Gründe für den Aufenthalt am Ort des Zweitwohnsitzes nicht zur Begründung der Steuerpflicht herangezogen werden, da die Aufwandsteuer eine wertende Berücksichtigung der mit dem getätigten Aufwand verfolgten Absichten und Zwecke ausschließe. Allein der isolierte Vorgang des Konsums als Ausdruck und Indikator der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sei für die Aufwandsteuer maßgeblich. Gleichwohl sei es dem Satzungsgeber unbenommen, Ermäßigungs- oder Befreiungstatbestände zu schaffen, die aber ihrerseits gleichheitsgerecht ausgestaltet sein müssten.

Fallbezogen ist in § 2 Abs. 5 ZwStS abschließend geregelt, welche Arten von Wohnungen (lit. a bis c) bzw. Räumen (lit. e und f) dem Begriff der Zweitwohnung im Sinne der Satzung nicht unterfallen. Anknüpfungspunkt dieser Befreiungstatbestände sind mithin verfassungskonform nicht die Gründe für den Aufenthalt am Ort des Zweitwohnsitzes, sondern spezifische Besonderheiten der Unterkunft. Hiernach handelt es sich u.a. bei Wohnungen in Pflegeheimen oder sonstigen Einrichtungen, die der Betreuung pflegebedürftiger oder behinderter Menschen dienen (lit. a) bzw. die aus therapeutischen oder sozialpädagogischen Gründen entgeltlich oder unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden (lit. b), nicht um Zweitwohnungen im Sinne der Satzung. Voraussetzung dieser - vom Kläger in Bezug genommenen - Befreiungstatbestände ist damit gerade nicht der Umstand einer Behinderung des Wohnungsinhabers. Vielmehr werden bestimmte Wohnungsarten von der Steuerpflicht ausgenommen, wobei diese miteinander gemein haben, dass das Innehaben einer solchen Wohnung ebenso wie in den unter lit. c, e (Räume in Frauenhäusern) und f (Räume zum Zweck des Strafvollzugs) bezeichneten Fällen nicht Ausdruck von Konsum und damit Indikator eines besonderen Aufwands für die private Lebensführung ist. Fälle der dort geregelten Art von der Steuerpflicht auszunehmen, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, sondern entspricht gerade dem Charakter der Aufwandsteuer. In den den Befreiungstatbeständen zugrunde liegenden durchaus unterschiedlichen Konstellationen wird seitens des jeweiligen Wohnungsinhabers kein Aufwand betrieben, der Ausdruck einer besonderen Leistungsfähigkeit wäre und sich daher als Anknüpfungspunkt für die Erhebung einer Aufwandsteuer anbieten könnte. Das Wohnen in einer der unter § 2 Abs. 5 lit. a bis c bzw. e und f ZwStS genannten Räumlichkeiten vermag eine besondere Leistungsfähigkeit des Bewohners auch nicht ansatzweise zu indizieren.

1.1.2. Zudem mangelt es der persönlichen Lebenssituation des Klägers an einer im Rahmen des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes zu beachtenden Vergleichbarkeit mit den satzungsmäßigen Befreiungstatbeständen des § 2 Abs. 5 a und b ZwStS, wenngleich diese sich - wie das Bundesverwaltungsgericht(BVerwG, Urteil vom 13.5.2009, a.a.O., Rdnr. 28) zutreffend betont - durch eine sozialpolitische Komponente auszeichnen. Der Kläger unterhält seine Zweitwohnung im Stadtgebiet der Beklagten nicht, um unter Inanspruchnahme der in den unter lit. a und b bezeichneten Einrichtungen angebotenen spezifischen Hilfe durch fachlich geschultes Personal behinderungsbedingte Erschwernisse seines täglichen Lebens abzumindern. Seine persönliche Motivation, auf die es indes - wie ausgeführt - nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung für die Frage, ob ein besteuerungsfähiger Aufwand betrieben wird, nicht entscheidend ankommt, besteht vorrangig darin, sich die Wahrnehmung seiner beruflichen Tätigkeit, der er in einiger Entfernung von seinem Hauptwohnsitz nachkommt, zu erleichtern oder zu ermöglichen. Dass seine Entscheidung, zu diesem Zweck eine Zweitwohnung zu unterhalten, seinem Vorbringen zufolge maßgeblich durch seine Behinderung mitbestimmt wird, vermag einen Anspruch auf Gleichbehandlung mit den unter § 2 Abs. 5 a und b ZwStS geregelten Sachverhalten nicht zu rechtfertigen. Denn auch wenn er behinderungsbedingt nicht dauerhaft in der Lage wäre, ein tägliches Pendeln zwischen A-Stadt und Saarbrücken zu verkraften, und es zur Gewährleistung optimaler medizinischer Betreuung nicht förderlich wäre, seinen Hauptwohnsitz nach Saarbrücken zu verlegen, so wären diese „Sachzwänge“ rechtlich nicht anders zu beurteilen als beispielsweise der „Sachzwang“, dem ein Student ausgesetzt ist, der mehrere Hundert Kilometer von seinem Hauptwohnsitz einen Studienplatz erhält, nicht täglich pendeln kann, sich daher eine Wohnung am Studienort anmieten und - sofern dies satzungsmäßig vorgesehen ist - eine Zweitwohnungssteuer entrichten muss.

1.2. Der Kläger befindet sich auch in keiner dem Befreiungstatbestand des § 2 Nr. 5 d ZwStS vergleichbaren melderechtlichen Zwangssituation.

Dass er völlig zu Recht geltend macht, nach den melderechtlichen Vorgaben der §§ 16 Abs. 2 Satz 1 MG SL, 12 Abs. 2 Satz 1 MRRG sei diejenige Wohnung als Hauptwohnung anzumelden, die vorwiegend benutzt werde, begründet eine solche Zwangssituation nicht. Zwar besteht seinem Vorbringen zufolge kein Zweifel daran, dass er vorwiegend seine Wohnung in A-Stadt benutzt, dies daher seine Hauptwohnung ist und er melderechtswidrig handeln würde, wenn er seine im Stadtgebiet der Beklagten angemietete Wohnung als Hauptwohnung deklarieren würde. Dies ist indes mit der dem Befreiungstatbestand des § 2 Abs. 5 d ZwStS zugrunde liegenden Konstellation nicht vergleichbar, in der bei verheirateten, nicht dauernd getrennt lebenden Personen auch dann, wenn sie überwiegend alleine in einer zusätzlich unterhaltenen Wohnung leben, kraft Gesetzes diejenige Wohnung als Hauptwohnung bestimmt ist, die vorwiegend von der Familie benutzt wird. Denn unter dieser Prämisse fallen der Umstand der überwiegenden Nutzung als grundsätzlich maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die Meldepflicht und die gesetzliche Definition der Hauptwohnung auseinander. Dieser gesetzlich vorgegebene Konflikt soll angesichts des durch Art. 6 GG vorgegebenen besonderen Schutzes von Ehe und Familie nicht zu einer Schlechterstellung verheirateter Personen gegenüber unverheirateten Personen führen.(BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 17.2.2010, a.a.O., Rdnr. 50 m.w.N.) Im Fall des Klägers besteht ein solcher melderechtlich vorgegebener Konflikt indes nicht. Ihm obliegt lediglich, genau wie allen anderen Personen, die zwei Wohnungen unterhalten, anhand des tatsächlichen Umfangs der Nutzung der jeweiligen Wohnung festzustellen, welche Wohnung er vorwiegend benutzt, und dem sodann in rechtlicher Hinsicht Rechnung zu tragen, indem er den Meldebehörden mitteilt, welche Wohnung hiernach seine Hauptwohnung ist. Er steht sich daher melderechtlich nicht schlechter als alle anderen Personen, die an ihrem Beschäftigungsort eine Zweitwohnung unterhalten, die sie nicht vorwiegend nutzen. In diesem Zusammenhang hat das Bundesverfassungsgericht erst kürzlich(BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 14.3.2014 - 1 BvR 1159/11 -, juris Rdnr. 21) hinsichtlich einer ebenfalls nur teilzeitbeschäftigten verheirateten Steuerpflichtigen, die sich überwiegend in der Familienwohnung aufhält, entschieden, dass sie sich in keiner melderechtlichen Zwangssituation befinde, weil sie die Wohnung am Beschäftigungsort nicht überwiegend nutze und daher ohnehin nicht als Hauptwohnung melden könne.

1.3. Schließlich spielt im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits keine Rolle, ob der Kläger erfolgreich einen Anspruch auf Erlass der durch die angefochtenen Bescheide festgesetzten Zweitwohnungssteuer geltend machen könnte. Denn ein solcher Erlassanspruch würde die Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung und ihrer Anforderung durch die verfahrensgegenständlichen Bescheide nicht entgegenstehen.

Klagegegenstand sind ausweislich des bisherigen Verfahrensgangs und des in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht gestellten Antrags die Veranlagungsbescheide für die Jahre 2011 und 2012. Zwar eröffnen die §§ 12 Abs. 1 Nr. 4 b KAG, 163 Sätze 1 und 3 AO der Beklagten die Möglichkeit, eventuelle Billigkeitsgründe bereits im Festsetzungsverfahren zu prüfen und die Steuerschuld demgemäß schon im Rahmen der Steuerfestsetzung ganz oder teilweise zu erlassen, wobei offensichtlich erkennbare Umstände, die einen Billigkeitserlass rechtfertigen, von Amts wegen im Heranziehungsverfahren zu berücksichtigen sind. Gleichwohl bleiben das Steuerfestsetzungsverfahren und das Verfahren über die Zulassung einer Billigkeitsmaßnahme zwei selbständige Verfahren mit unterschiedlichen Streitgegenständen.(Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Kommentar, Stand: Oktober 2004, § 163 Rdnr. 20 f.) Nach ständiger Rechtsprechung führt selbst ein Verstoß gegen die Pflicht, einen offensichtlichen Erlassgrund bereits im Festsetzungsverfahren zu berücksichtigen, nicht zur Rechtswidrigkeit eines ungekürzt ergehenden Festsetzungsbescheids. Dem Steuerpflichtigen verbleibt insoweit die Möglichkeit, die aus seiner Sicht bestehenden Billigkeitsgründe noch nach Bestandskraft der Heranziehung durch einen entsprechenden Antrag in einem selbständigen Erlassverfahren nach Maßgabe der §§ 12 Abs. 1 Nr. 5 a KAG, 227 AO geltend zu machen und ggf. im Rahmen einer Verpflichtungsklage weiterzuverfolgen.(grundlegend zur Problematik: BVerwG, Urteil vom 12.9.1984 - 8 C 124.82 -, Buchholz 406.11 § 135 BBauG Nr. 25, S. 23-26; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 16.2.2005 - 1 Q 1/05 -, juris Rdnr. 14 f. m.w.N.)

Letzteres heißt indes aus Sicht des Senats fallbezogen nicht, dass ein entsprechender Erlassantrag des Klägers nach derzeitigem Aktenstand erfolgversprechend wäre, denn der Sachvortrag des Klägers lässt einen solchen Anspruch nicht - erst recht nicht offensichtlich - erkennen.

2. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn sie eine für die Berufungsentscheidung erhebliche klärungsfähige und klärungsbedürftige, insbesondere höchst- oder obergerichtlich nicht (hinreichend) geklärte Frage allgemeiner, fallübergreifender Bedeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder ihrer Fortentwicklung der berufungsgerichtlichen Klärung bedarf.(vgl. z.B. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 6.7.2011 - 2 A 246/10 -, juris Rdnr. 17)

Der vom Kläger insoweit aufgeworfenen Rechtsfrage, ob es mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar sei, dass Personen, die nach einem ganz bestimmten Abgrenzungskriterium, dem Vorliegen einer Behinderung, als Personengruppe bestimmt werden können, in einer Zweitwohnungssteuersatzung unterschiedlich behandelt werden dürfen, kommt grundsätzliche Bedeutung nicht zu. Nach Vorgesagtem stellt diese Frage sich nicht. Die verfahrensgegenständliche Zweitwohnungssteuer knüpft in ihrem § 2 Abs. 5 a und b die Befreiung von der Steuerpflicht nicht an die Tatsache einer Behinderung, sondern an das Wohnen in einer bestimmten Art von Unterkunft an. Behinderte, die zur Bewältigung ihres täglichen Lebens einer solchen Unterkunft und der dort gewährten Hilfe nicht bedürfen, befinden sich in keiner gemessen an den Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 GG vergleichbaren Situation.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt nach alldem ohne Erfolg.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 und Abs. 3, 47 Abs. 3 und Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

Urteilsbesprechung zu Oberverwaltungsgericht des Saarlandes Beschluss, 28. Mai 2014 - 1 A 432/13

Urteilsbesprechungen zu Oberverwaltungsgericht des Saarlandes Beschluss, 28. Mai 2014 - 1 A 432/13

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B
Oberverwaltungsgericht des Saarlandes Beschluss, 28. Mai 2014 - 1 A 432/13 zitiert 8 §§.

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Baugesetzbuch - BBauG | § 135 Fälligkeit und Zahlung des Beitrags


(1) Der Beitrag wird einen Monat nach der Bekanntgabe des Beitragsbescheids fällig. (2) Die Gemeinde kann zur Vermeidung unbilliger Härten im Einzelfall, insbesondere soweit dies zur Durchführung eines genehmigten Bauvorhabens erforderlich ist, zula

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Gründe 1 Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Heranziehung eines bei seinen Eltern mit Hauptwohnsitz wohnenden Studenten zur Zweitwohnungsteuer für eine am Studienort

Referenzen

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Heranziehung eines bei seinen Eltern mit Hauptwohnsitz wohnenden Studenten zur Zweitwohnungsteuer für eine am Studienort angemietete Wohnung.

I.

2

Der Beschwerdeführer ist seit Juli 2006 Mieter eines Zimmers in einem Studentenwohnheim in Aachen. Die monatliche Miete betrug im Streitzeitraum 76,88 €. Daneben bewohnte der Beschwerdeführer sein ehemaliges Kinderzimmer im Haus seiner Eltern in Y.

3

Im Gebiet der Stadt Aachen galt für den Streitzeitraum die Satzung über die Erhebung der Zweitwohnungsteuer vom 11. Dezember 2002 in der Fassung vom 16. August 2006. Danach wurde für das Innehaben einer Zweitwohnung im Stadtgebiet eine Zweitwohnungsteuer erhoben. Die Satzung hatte auszugsweise den folgenden Inhalt:

4

§ 2 Begriff der Zweitwohnung

5

(1) Zweitwohnung ist jede Wohnung im Sinne des Absatzes 3, die jemandem neben seiner Hauptwohnung als Nebenwohnung im Sinne des Nordrhein-Westfälischen Meldegesetzes dient oder die jemand neben seiner Hauptwohnung zu Zwecken des eigenen persönlichen Lebensbedarfs oder des persönlichen Lebensbedarfs seiner Familie innehat. (…)

6

(3) Wohnung im Sinne dieser Satzung ist jeder umschlossene Raum, der zum Wohnen oder Schlafen benutzt wird.

7

(4) Eine Wohnung dient als Nebenwohnung im Sinne des Nordrhein-Westfälischen Meldegesetzes, wenn sie von einer dort mit Nebenwohnung gemeldeten Person bewohnt wird. Wird eine Wohnung von einer Person bewohnt, die mit dieser Wohnung nicht gemeldet ist, dient die Wohnung als Nebenwohnung im Sinne des Nordrhein-Westfälischen Meldegesetzes, wenn sich die Person wegen dieser Wohnung mit Nebenwohnung zu melden hätte.

8

(5) Keine Zweitwohnung im Sinne dieser Satzung sind:

9

a) Wohnungen, die von freien Trägern der Wohlfahrtspflege aus therapeutischen Gründen entgeltlich oder unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden.

10

b) Wohnungen, die von Trägern der öffentlichen und freien Jugendhilfe entgeltlich oder unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden und Erziehungszwecken dienen.

11

c) Wohnungen, die von einem nicht dauernd getrennt lebenden Verheirateten aus beruflichen Gründen gehalten und vorwiegend im Sinne von § 16 Abs. 2 Satz 1 Meldegesetz NW genutzt werden, dessen eheliche Wohnung sich in einer anderen Gemeinde befindet und mehr als 30 km vom Stadtgebiet entfernt liegt.

12

§ 3 Steuerpflichtige

13

(1) Steuerpflichtig ist, wer im Stadtgebiet eine Zweitwohnung oder mehrere Wohnungen innehat. Inhaber einer Zweitwohnung ist derjenige, dessen melderechtliche Verhältnisse die Beurteilung der Wohnung als Zweitwohnung bewirken oder der Inhaber einer Zweitwohnung im Sinne von § 2 Abs. 1 ist.

14

(2) Die Steuerpflicht besteht, solange die Wohnung des Steuerpflichtigen als Zweitwohnung zu beurteilen ist.

15

Das Meldegesetz für das Land Nordrhein-Westfalen vom 16. September 1997, zuletzt geändert durch das Gesetz vom 5. April 2005 (MeldeG-NRW, GVBl S. 263) bestimmt zur Meldepflicht Folgendes:

16

§ 13 Allgemeine Meldepflichten

17

(1) Wer eine Wohnung bezieht, hat sich innerhalb einer Woche bei der Meldebehörde anzumelden. (…)

18

§ 15 Begriff der Wohnung

19

Wohnung im Sinne dieses Gesetzes ist jeder umschlossene Raum, der zum Wohnen oder Schlafen benutzt wird. (…)

20

§ 16 Mehrere Wohnungen

21

(1) Hat ein Einwohner mehrere Wohnungen im Inland, so ist eine dieser Wohnungen seine Hauptwohnung.

22

(2) Hauptwohnung ist die vorwiegend benutzte Wohnung des Einwohners. Hauptwohnung eines verheirateten oder eine Lebenspartnerschaft führenden Einwohners, der nicht dauernd getrennt von seiner Familie oder seinem Lebenspartner lebt, ist die vorwiegend benutzte Wohnung der Familie oder der Lebenspartner. Hauptwohnung eines minderjährigen Einwohners ist die vorwiegend benutzte Wohnung der Personensorgeberechtigten; leben diese getrennt, ist Hauptwohnung die Wohnung des Personensorgeberechtigten, die von dem Minderjährigen vorwiegend benutzt wird. Hauptwohnung eines Behinderten, der in einer Behinderteneinrichtung untergebracht ist, bleibt auf Antrag des Behinderten bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres die Wohnung nach Satz 3. In Zweifelsfällen ist die vorwiegend benutzte Wohnung dort, wo der Schwerpunkt der Lebensbeziehungen des Einwohners liegt. Kann der Wohnungsstatus eines verheirateten oder eine Lebenspartnerschaft führenden Einwohners nach den Sätzen 2 und 5 nicht zweifelsfrei bestimmt werden, ist Hauptwohnung die Wohnung nach Satz 1.

23

(3) Nebenwohnung ist jede weitere Wohnung des Einwohners.

24

(4) Jeder Einwohner hat der Meldebehörde bei jeder Anmeldung mitzuteilen, welche weiteren Wohnungen nach Absatz 1 er hat und welche Wohnung seine Hauptwohnung ist. Er hat der Meldebehörde der neuen Hauptwohnung jede Änderung der Hauptwohnung mitzuteilen.

25

Die Stadt Aachen zog den Beschwerdeführer für den Zeitraum August bis Dezember 2006 zur Zweitwohnungsteuer in Höhe von 38,44 € heran. Widerspruch und Klage hiergegen blieben erfolglos. Das Oberverwaltungsgericht wies den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung zurück.

II.

26

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 und Art. 11 Abs. 1 GG.

27

Der allgemeine Gleichheitssatz sei verletzt, da die Zweitwohnungsteuer Studenten nicht erfasse, die noch auswärts bei ihren Eltern wohnten sich aber überwiegend am Studienort Aachen aufhielten, wohingegen die Studenten, die zwar am Studienort Aachen studierten und wohnten, sich jedoch überwiegend am auswärtigen Wohnort ihrer Eltern aufhielten, mit der Steuer belastet würden. Beide Vergleichsgruppen seien indes in gleichem Maße leistungsfähig, der einzige Unterschied bestehe in der Dauer des Aufenthalts am Studienort. Der gleiche Aufwand werde dadurch steuerlich unterschiedlich belastet. Auf die unterschiedliche Dauer des Aufenthalts dürfe nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Hinweis auf BVerfGE 65, 325 <350, 357>) nicht abgestellt werden, da dies ein sachfremdes Differenzierungskriterium sei. Das Verwaltungsgericht stelle im Übrigen bei der Frage, ob der Wohnsitz bei den Eltern der erste Wohnsitz sei, nicht auf die tatsächliche und rechtliche Verfügungsgewalt, sondern nur auf die melderechtliche Zuordnung ab. Es sei im Rahmen einer Aufwandsteuer nicht hinnehmbar, dass bei der Zweitwohnungsteuer im Gefolge des Melderechts nur das Nutzen einer Wohnung, nicht aber der Anfall von Aufwand für die Wohnung besteuert werde. Der Beschwerdeführer sei zwar mit zwei Wohnsitzen gemeldet, habe aber nur einen davon - die Wohnung in Aachen - inne. Nur für diese Wohnung trage er Aufwand, an seinem Heimatort wohne er auf Kosten seiner Eltern. Er habe also keinen Aufwand für eine zweite Wohnung zu tragen. Ungleich behandelt würden auch Personen, die deshalb nicht mit der Zweitwohnungsteuer belastet würden, weil sich ihr Hauptwohnsitz im Ausland befinde, da die inländische Wohnung dann nach dem Melderecht als alleinige Wohnung betrachtet werde.

28

Die Ungleichbehandlung könne auch nicht mit dem Belang der Bewältigung von Massenvorgängen, die durch die Anlehnung an Verhältnisse aus dem Melderecht vereinfacht erfasst werden könnten, gerechtfertigt werden. Der in Art. 6 Abs. 1 GG gewährleistete Schutz der Familie werde dadurch verletzt, dass ein Kind, das bei seinen Eltern wohne und zur Ausbildung an einem anderen Ort eine Wohnung unterhalte, mit einer Zweitwohnungsteuer belastet werde. Dadurch werde in den Lebensentwurf des Beschwerdeführers und seiner Familie eingegriffen und die zu schützende familiäre Hausgemeinschaft mit einer Abgabe belastet, die den Aufenthalt des Beschwerdeführers zum Gegenstand habe. Auch das Grundrecht der Freizügigkeit aus Art. 11 Abs. 1 GG werde durch die Festsetzung der Zweitwohnungsteuer verletzt.

III.

29

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, da die in § 93a Abs. 2 BVerfGG geregelten Voraussetzungen für eine Annahme nicht erfüllt sind. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Die für den Streitfall maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen insbesondere zu den Anforderungen an eine Zweitwohnungsteuer als örtliche Aufwandsteuer, zu der gleichheitsgerechten Ausgestaltung eines Steuertatbestands und der Reichweite des Schutzes der Familie sind geklärt. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der von dem Beschwerdeführer als verletzt gerügten Grundrechte angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.

30

Die gegen den Beschwerdeführer festgesetzte Zweitwohnungsteuer entspricht den finanzverfassungsrechtlichen Vorgaben an eine örtliche Aufwandsteuer im Sinne von Art. 105 Abs. 2a GG (1.). Sie verletzt weder den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG (2.), noch die in Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Familie (3.) oder die in Art. 11 GG gewährleistete Freizügigkeit (4.).

31

1. Die durch die Stadt Aachen festgesetzte Zweitwohnungsteuer entspricht den finanzverfassungsrechtlichen Voraussetzungen an eine örtliche Aufwandsteuer im Sinne von Art. 105 Abs. 2a GG.

32

a) Die Aufwandsteuer soll die in der Einkommensverwendung zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit treffen. In dieser Absicht des Gesetzgebers liegt das wesentliche Merkmal des Begriffes der Aufwandsteuer (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 4. Februar 2009 - 1 BvL 8/05 -, DVBl 2009, S. 777, juris, Rn. 46). Angesichts der Vielfalt der wirtschaftlichen Vorgänge und rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten wäre die Erhebung einer Steuer, die nicht an die Entstehung des Einkommens, sondern an dessen Verwendung anknüpft, nicht praktikabel, wenn in jedem Fall die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen festgestellt werden müsste. Ausschlaggebendes Merkmal der Aufwandsteuer ist deshalb der Konsum in Form eines äußerlich erkennbaren Zustandes, für den finanzielle Mittel verwendet werden. Der Aufwand im Sinne von Konsum ist typischerweise Ausdruck und Indikator der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, ohne dass es darauf ankäme, von wem und mit welchen Mitteln dieser finanziert und welchen Zwecken er des Näheren dient. Im Konsum äußert sich in der Regel die Leistungsfähigkeit. Ob der Aufwand im Einzelfall die Leistungsfähigkeit überschreitet, ist für die Steuerpflicht unerheblich (vgl. BVerfGE 65, 325 <347 f.>; 114, 316 <334>).

33

b) Das Innehaben einer Zweitwohnung ist ein Zustand, der gewöhnlich die Verwendung finanzieller Mittel erfordert und in der Regel wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck bringt (vgl. BVerfGE 65, 325 <348>; 114, 316 <334>). Eine solche Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf liegt vor, wenn der Steuerpflichtige die Zweitwohnung selbst bewohnt. Unerheblich für die Einordnung einer Zweitwohnungsteuer als Aufwandsteuer im Sinne von Art. 105 Abs. 2a GG ist, ob das Innehaben der Zweitwohnung durch eine Berufsausübung veranlasst wurde und der getragene Aufwand nach Maßgabe des Einkommensteuerrechts als Werbungskosten bei der Einkünfteermittlung abzuziehen ist (vgl. BVerfGE 114, 316 <334>; zum Abzug als Werbungskosten bei doppelter Haushaltführung: § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG). Für die Zweitwohnungsteuerpflicht spielen persönliche Verhältnisse des Steuerpflichtigen generell keine Rolle (vgl. BVerfGE 65, 325 <352>). Bei der Zweitwohnungsteuer handelt sich um eine örtliche Steuer, die bundesrechtlich geregelten Steuern nicht gleichartig ist (vgl. BVerfGE 65, 325 <345>; 114, 316 <334 ff.>).

34

c) Die in Streit stehende Aachener Zweitwohnungsteuer ist eine solche Aufwandsteuer und damit von der Gesetzgebungsbefugnis des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG gedeckt. Sie entspricht diesem klassischen Bild der Zweitwohnung-steuer, indem sie an das Innehaben einer Zweitwohnung im Stadtgebiet anknüpft und mit einem Steuersatz auf die Nettokaltmiete als Bemessungsgrundlage aufsetzt. Soweit Zweifel an der materiellen Verfassungsmäßigkeit der Steuer - insbesondere wegen etwaigen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz, den Schutz der Familie oder gegen Freiheitsrechte - geltend gemacht werden, berühren sie wegen der notwendigen Formenklarheit solange die Einordnung der Steuer in die finanzverfassungsrechtliche Kompetenznorm nicht, als der Typus einer Aufwandsteuer dadurch nicht verlassen wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 2009, a.a.O., Rn. 50 ff.). Die durch den Beschwerdeführer aufgeworfenen Fragen, ob die Bestimmung der Zweitwohnung an das Melderecht angebunden werden darf, ob eine unzulässige Beeinträchtigung des Zusammenlebens innerhalb der Familie bewirkt wird und ob die Freizügigkeit des Beschwerdeführers durch den Anreiz der Vermeidung der Zweitwohnungsteuer verletzt wurde, wirken sich, selbst wenn sie zu bejahen wären, nicht auf den Typus der verfahrensgegenständlichen Zweitwohnungsteuer als einer örtlichen Aufwandsteuer aus.

35

2. Der allgemeine Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht verletzt. Die Belastung des Beschwerdeführers mit der Zweitwohnungsteuer stellt keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung dar.

36

a) Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Aus ihm ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitsanforderungen reichen (vgl. BVerfGE 110, 274 <291>; 117, 1 <30>). Für den Sachbereich des Steuerrechts verbürgt der allgemeine Gleichheitssatz den Grundsatz der gleichen Zuteilung steuerlicher Lasten (vgl. BVerfGE 110, 274 <292>; 120, 1 <44>). Der Gesetzgeber hat dabei einen weitreichenden Entscheidungsspielraum sowohl bei der Auswahl des Steuergegen-standes als auch bei der Bestimmung des Steuersatzes und des Steuermaßstabes (vgl. BVerfGE 31, 8 <25 f.>; 65, 325 <354>; 93, 121 <136>; 105, 73 <126>; 117, 1 <30>; 120, 1 <29>). Dabei ist zu berücksichtigen, dass Steuergesetze in der Regel Massenvorgänge des Wirtschaftslebens betreffen. Sie müssen, um praktikabel zu sein, Sachverhalte, an die sie dieselben steuerlichen Folgen knüpfen, typisieren und dabei die Besonderheiten des einzelnen Falles vernachlässigen. Die wirtschaftlich ungleiche Wirkung auf die Steuerzahler darf allerdings ein gewisses Maß nicht übersteigen. Vielmehr müssen die steuerlichen Vorteile der Typisierung im rechten Verhältnis zu der mit der Typisierung notwendig verbundenen Ungleichheit der steuerlichen Belastung stehen (vgl. BVerfGE 110, 274 <292>; 117, 1 <31>; 120, 1 <30>). Außerdem darf eine gesetzliche Typisierung keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss sich realitätsgerecht am typischen Fall orientieren (vgl. BVerfGE 112, 268 <280 f.>; 117, 1 <31>). Art. 3 Abs. 1 GG ist dann verletzt, wenn für die gleiche Behandlung verschiedener Sachverhalte - bezogen auf den in Rede stehenden Sachverhalt und seine Eigenart - ein vernünftiger, einleuchtender Grund fehlt (vgl. BVerfGE 90, 226 <239>).

37

Das Wesen der Zweitwohnungsteuer als Aufwandsteuer setzt der Ausübung des Ermessens des Normgebers für die gleichheitsgerechte Ausgestaltung der Steuerpflicht Grenzen. So dürfen die Gründe für den Aufenthalt am Ort des Zweitwohnsitzes nicht zur Begründung der Steuerpflicht herangezogen werden, da die Aufwandsteuer eine wertende Berücksichtigung der mit dem getätigten Aufwand verfolgten Absichten und Zwecke ausschließt. Allein der isolierte Vorgang des Konsums als Ausdruck und Indikator der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist für die Aufwandsteuer maßgeblich. Dem entsprechend darf für die Begründung der Steuerpflicht nicht differenzierend darauf abgestellt werden, ob eine Person eine Zweitwohnung nur aus beruflichen Gründen oder zu Ausbildungszwecken innehat (vgl. BVerfGE 65, 325 <357>). Anders als bei der unabhängig vom Zweck des Konsums auszugestaltenden Steuerpflicht ist es dem Satzungsgeber gleichwohl unbenommen, Ermäßigungs- oder Befreiungstatbestände zu schaffen (vgl. BVerfGE 65, 325 <357>), die freilich ihrerseits gleichheitsgerecht ausgestaltet sein müssen.

38

b) Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist danach die Differenzierung zwischen am Studienort steuerpflichtigen Studenten, die noch bei ihren Eltern wohnen und daneben eine Zweitwohnung am Studienort innehaben, und nicht steuerpflichtigen Studenten, die, obwohl auch sie noch bei ihren Eltern über eine Wohnung verfügen, ihren Hauptwohnsitz am Studienort haben. Denn diese Unterscheidung erfolgt nicht nach Kriterien, deren Verwendung bereits deshalb unzulässig wäre, weil sie dem Wesen einer Aufwandsteuer nicht entsprächen. So stellt der Satzungsgeber nicht etwa differenzierend auf den Zweck des Aufenthalts in seiner Kommune ab. Denn alle Studenten dieser Gruppe halten sich zu Ausbildungszwecken am Studienort auf. Der Differenzierungsgrund liegt vielmehr darin, dass die mit der Zweitwohnungsteuer belasteten Studenten sich anders als die nicht von der Steuerpflicht betroffenen Studenten nicht vorwiegend am Studienort aufhalten. Dem Wesen der Zweitwohnungsteuer als einer Aufwandsteuer entspricht es, solch einen besonderen Aufwand zu besteuern, der durch das Halten einer Wohnung für den persönlichen Lebensbedarf entsteht, obwohl diese Wohnung für den Steuerpflichtigen eine Zweitwohnung darstellt. Hierfür bedarf es notwendig einer Abgrenzung zwischen Erst- und Zweitwohnung. Dass eine solche Differenzierung bei der Entscheidung über die Entstehung der Zweitwohnungsteuerpflicht erfolgt, kann daher unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten nicht beanstandet werden.

39

c) Die tatbestandliche Ausgestaltung der Zweitwohnungsteuerpflicht im Streitfall ist gleichheitsgerecht.

40

aa) Die Leistungsfähigkeit des Steuerschuldners, die in dem Tätigen eines Aufwands zum Ausdruck kommt, wird bei der Zweitwohnungsteuer auch dann in einer dem verfassungsrechtlichen Aufwandsbegriff genügenden Weise erfasst, wenn sich das Innehaben der Wohnung im Sinne einer tatsächlichen und rechtlichen Verfügungsbefugnis lediglich auf die Zweitwohnung bezieht, nicht aber auch - wie typischerweise bei Wohnungen im Elternhaus in den so genannten "Kinderzimmerfällen" - auf die Erstwohnung.

41

Nach mittlerweile ganz überwiegender Auffassung, die insbesondere von der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und wohl auch des Bundesfinanzhofs getragen wird, setzt eine Aufwandsteuer für das Innehaben einer Zweitwohnung nicht voraus, dass auch eine rechtlich gesicherte Verfügungsmacht über die Erstwohnung gegeben ist. Sofern Gesetzes- oder Satzungsrecht keine weitergehenden Anforderungen enthielten, genüge es, wenn mit der Erstwohnung das Grundbedürfnis Wohnen als Teil des persönlichen Lebensbedarfs abgedeckt werde, wie dies bei auswärts studierenden Kindern, wenn sie ihr Kinder- oder Jugendzimmer in der elterlichen Wohnung vorwiegend nutzten, regelmäßig der Fall sei. Ob sie dieses Grundbedürfnis des Wohnens in einer rechtlich abgesicherten Weise als (Mit-)Besitzer erfüllten, oder nur als Besitzdiener befriedigten, sei nicht von Bedeutung. Es komme nur darauf an, dass der getätigte Aufwand ein besonderer Aufwand sei, nicht darauf, von wem und mit welchen Mitteln dieser finanziert werde (vgl. OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12. Juni 2006 - 14 E 1045/05 -, NVwZ-RR 2007, S. 271; OVG des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 11. August 2006 - 4 M 319/06 -, juris; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 14. Februar 2007 - 4 N 06.367 -, BayVBl 2007, S. 530; FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27. November 2007 - 14 K 10476/02 -, EFG 2008, S. 578, Rn. 31 f.; BVerwG, Urteile vom 17. September 2008 - 9 C 14/07 -, NVwZ 2009, S. 532 und - 9 C 17/07 -, NJW 2009, S. 1097; BFH, Beschluss vom 1. Oktober 2008 - II B 16/08 -, BFH/NV 2009, S. 53; BVerwG, Urteil vom 13. Mai 2009 - 9 C 7/08 -, juris; Birk, in Driehaus, Kommunalabgabenrecht [Stand: März 2009], § 3 Rn. 215 f.; Meier/Juhre, KStZ 2005, S. 167 <169>; Nolte, jurisPR-BVerwG 5/2009 Anm. 6; Zieglmeier, Die Zweitwohnungssteuer in der Praxis, 2009, S. 40 ff.; anderer Ansicht: OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 29. Januar 2007 - 6 B 11579/06 -, NVwZ-RR 2007, S. 556; VG Düsseldorf, Urteil vom 19. November 2007 - 25 K 2703/07 -, juris; OVG für das Land Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 26. November 2007 - 1 L 280/05 -, DStRE 2008, S. 1154; Oelschläger, DStR 2008, S. 590 <594>, Winkler, KStZ 2007, S. 5 <9 ff.>).

42

Dieser Standpunkt begegnet keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken und steht auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Die in der Einkommensverwendung zum Ausdruck kommende Leistungsfähigkeit wird auch dann erfasst, wenn eine Zweitwohnungsteuer so ausgestaltet ist, dass darauf verzichtet wird, von einem Steuerpflichtigen neben dem tatsächlichen und rechtlichen Verfügungsrecht an der Zweitwohnung ein solches Recht auch an der von ihm bewohnten Erstwohnung zu fordern. So kann der Zweitwohnungsteuer von Verfassungs wegen auch unterfallen, wer in seiner Erstwohnung als reiner Besitzdiener ohne eigenen Mitbesitz wohnt, wie dies im Fall der Nutzung des Kinderzimmers durch einen Studenten der Fall sein kann (vgl. zur regelmäßigen Einordnung des volljährigen Kindes, das weiterhin in der elterlichen Wohnung wohnt, als Besitzdiener und nicht Mitbesitzer: BGH, Beschluss vom 19. März 2008 - I ZB 56/07 -, NJW 2008, S. 1959). Die Aufwandsteuer hat den Konsum in Form eines äußerlich erkennbaren Zustandes zum Gegenstand. Hierfür ist allein der in der Zweitwohnungsnutzung zum Ausdruck kommende Aufwand maßgeblich, einschließlich des Umstands, dass es sich überhaupt um eine Zweitwohnung handelt. Die Ermittlung subjektiver Tatbestände, wie etwa die mit dem Konsum verfolgten Absichten, oder die Feststellung der Person des letztlich wirtschaftlich mit der Steuer Belasteten, von dem die Mittel für den Aufwand stammen, soll mit Rücksicht auf die Praktikabilität der Steuererhebung unterbleiben (vgl. BVerfGE 65, 325 <347 f.>; 114, 316 <334>). Dem entspricht es, bei der Prüfung der Steuerpflicht des Aufwandes für eine Zweitwohnung nicht feststellen zu müssen, ob der Betreffende an dem Ort der Belegenheit der Erstwohnung neben einem tatsächlichen Verfügungsrecht als Besitzdiener auch ein rechtliches Verfügungsrecht hat, etwa weil er aufgrund eines (Unter-)Mietvertrages ein eigenes Besitzrecht an der Erstwohnung reklamieren kann. Auch würde die Erforderlichkeit einer entsprechenden Differenzierung zwischen der Stellung eines Mitbesitzers oder eines Besitzdieners vielfach die Prüfung verlangen, von wem die Mittel zur Finanzierung des Erstwohnsitzes stammen. Ob diese Mittel jedoch - was selten der Fall sein wird - von dem Studenten in Form eines "Kostgeldes" an seine Eltern gezahlt werden, oder - wovon in der Regel auszugehen sein dürfte - die Eltern die Wohnung durch Gewährung des Naturalunterhalts (vgl. § 1612 Abs. 1 Satz 2 BGB) zur Verfügung stellen, soll gerade nicht zum Gegenstand der Untersuchung des Aufwands gemacht werden. Auch ein im Wege des Naturalunterhalts gewährtes Zimmer kann für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit berücksichtigt werden.

43

Soweit, wie in der in Streit stehenden Satzung für den Regelfall vorgesehen, die Anwendung des Melderechts auf die Tatbestände der Zweitwohnungsteuer dazu führt, dass eine steuerbare Zweitwohnung auch dann vorliegt, wenn der Steuerpflichtige an der Erstwohnung keine rechtliche Verfügungsmöglichkeit innehat und sein Aufwand für die Erstwohnung durch Naturalunterhalt seiner Eltern getragen wird, steht dies danach der Erfassung der typischerweise mit der Einkommensverwendung zum Ausdruck kommenden Leistungsfähigkeit nicht entgegen.

44

bb) Auch die Verweisung der Steuersatzung auf das Melderecht zur Bestimmung des Tatbestandsmerkmals Zweitwohnung führt nicht zu einem Verstoß gegen den Gleichheitssatz.

45

Die Stadt Aachen stellt in ihrer Steuersatzung für die Bestimmung des Tatbestandsmerkmals der Zweitwohnung alternativ darauf ab, ob eine Wohnung als Nebenwohnung nach dem Nordrhein-Westfälischen Meldegesetz dient oder ob sie jemand zum Zwecke des persönlichen Lebensbedarfs innehat (§ 2 Abs. 1 der Steuersatzung). Eine Nebenwohnung nach dem MeldeG-NRW kommt dann als steuerbare Zweitwohnung in Betracht, wenn die betreffende Wohnung von einer Person bewohnt wird, die dort tatsächlich mit einer Nebenwohnung gemeldet ist oder sich dort mit einer Nebenwohnung zu melden hätte (§ 2 Abs. 4 der Steuersatzung). Die nach § 3 Abs. 1 Steuersatzung bei dem Innehaben einer Zweitwohnung entstehende Steuerpflicht ist in dieser Tatbestandsalternative also letztlich mit der Pflicht zur Anmeldung einer Nebenwohnung verknüpft. Nach § 13 Abs. 1 MeldeG-NRW hat sich bei der Meldebehörde anzumelden, wer eine Wohnung bezieht. Diese Wohnung kann eine Haupt- oder eine Nebenwohnung sein. Gemäß § 16 Abs. 3, Abs. 2 MeldeG-NRW ist eine Nebenwohnung eine Wohnung, die ein Einwohner außer seiner Hauptwohnung hat. Bei der Hauptwohnung handelt es sich nach § 16 Abs. 2 Satz 1 MeldeG-NRW um die vorwiegend benutzte Wohnung des Einwohners. Auch die Anknüpfung an das Melderecht führt damit auf die tatsächliche Nutzung der Wohnung zurück. Dies ist weder sachwidrig noch willkürlich zur Bestimmung der Steuerpflicht. Denn die Nutzung der Wohnung ist das äußerlich erkennbare Merkmal des damit betriebenen finanziellen Aufwands und der objektiv dahinterstehenden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, unabhängig davon, wer die Kosten letztlich trägt.

46

Die Verweisung der Steuersatzung auf das Melderecht dient zudem der Vereinfachung der Verwaltung in einem Massenverfahren und der Vermeidung doppelten Ermittlungsaufwands der Melde- und Steuerbehörde. Dafür spricht außerdem, dass eine Ermittlung der Wohnverhältnisse von Steuerpflichtigen wegen der Nähe zur Sphäre privater Lebensführung und wegen des Schutzes der Wohnung durch Art. 13 GG ohnehin nur eingeschränkt möglich ist (vgl. BVerfGE 101, 297 <311>).

47

d) Eine Ungleichbehandlung des Beschwerdeführers gegenüber Personen, die im Ausland eine Hauptwohnung innehaben und in der Stadt Aachen nur deshalb nicht mit einer Nebenwohnung registriert sind und damit nicht der Zweitwohnung-steuer unterliegen, weil ein alleiniger Wohnsitz in Deutschland melderechtlich keinen Nebenwohnsitz darstellen kann (vgl. § 16 Abs. 1 MeldeG-NRW, der auf mehrere Wohnungen im Inland abstellt), ist wegen der besonderen Situation der im Ausland belegenen anderen Wohnung gerechtfertigt. Da das nationale Melderecht nicht für im Ausland belegene Wohnungen gilt, kann die Steuerpflicht in diesen Fällen nur in unzureichendem Umfang an melderechtliche Tatbestände anknüpfen. Es kann schon nicht generell von dem Vorhandensein eines Melderegisters in ausländischen Staaten ausgegangen werden, vor allem aber nicht von einer entsprechenden Differenzierung zwischen Haupt- und Nebenwohnsitz, auf die die Steuersatzung verweist. Außerdem bestehen erhebliche verwaltungspraktische Schwierigkeiten bei der Feststellung von Sachverhalten, die im Ausland verwirklicht werden, die eine besondere steuerrechtliche Behandlung rechtfertigen können.

48

3. Der durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Bereich der Familie wird nicht verletzt.

49

a) Art. 6 Abs. 1 GG enthält über die Institutsgarantie hinaus einen besonderen Gleichheitssatz. Er verbietet, Ehe und Familie gegenüber anderen Lebens- und Erziehungsgemeinschaften schlechter zu stellen (vgl. BVerfGE 76, 1 <72>; 99, 216 <232>; 114, 316 <333>).

50

In dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Oktober 2005 (BVerfGE 114, 316 ff.) waren kommunale Zweitwohnungsteuersatzungen wegen Verletzung von Art. 6 Abs. 1 GG für nichtig erklärt worden. Gegenstand der genannten Verfahren war die Belastung eines erwerbsbedingt begründeten weiteren Haushalts eines Ehegatten mit Zweitwohnungsteuer. Nach den einschlägigen melderechtlichen Vorschriften, auf die die dortige Steuersatzung für die Bestimmung der Zweitwohnung verwiesen hatte, war zwar generell bei mehreren Wohnungen die vorwiegend bewohnte Wohnung als die Hauptwohnung anzusehen gewesen. Im Fall von - nicht dauernd getrennt lebenden - Ehegatten wurde jedoch abweichend von diesem Grundsatz die von der Familie vorwiegend benutzte Wohnung als Hauptwohnung bestimmt. Dadurch war es ausgeschlossen, die Wohnung am Ort der Beschäftigung trotz deren vorwiegender Nutzung als Hauptwohnung zu betrachten und damit der Belastung durch die Zweitwohnungsteuer am Ort der Beschäftigung zu entgehen. Durch diese unterschiedliche Behandlung verheirateter Personen gegenüber nicht verheirateten wurde das eheliche Zusammenleben in verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigter Weise belastet (vgl. BVerfGE 114, 316 <321, 335 ff.>).

51

Eine solcherart benachteiligende Wirkung des Melderechts auf die Familie liegt im Streitfall nicht vor. Auf den vorwiegend noch bei seinen Eltern lebenden steuerpflichtigen Studenten sind keine anderen Vorschriften über die Bestimmung der Hauptwohnung bei einem Bewohnen mehrerer Wohnungen anwendbar als dies bei anderen Personen der Fall ist, die in mehreren Wohnungen wohnen. Das durch die Steuersatzung in Bezug genommene Melderecht stellt für volljährige Kinder diskriminierungsfrei darauf ab, welche Wohnung vorwiegend benutzt wird.

52

b) Als Freiheitsrecht schützt Art. 6 Abs. 1 GG weiterhin vor Eingriffen des Staates in die Familie.

53

Das Grundrecht berechtigt die Familienmitglieder, ihre Gemeinschaft nach innen in familiärer Verantwortlichkeit und Rücksicht frei zu gestalten. Die Auswirkungen familiärer Freiheit nach außen, insbesondere auf das Berufsleben, das Schulwesen, die Eigentumsordnung und das öffentliche Gemeinschaftsleben, müssen aber mit der verfassungsgemäßen Rechtsordnung übereinstimmen (vgl. BVerfGE 80, 81 <92>).

54

Einen Eingriff in den Schutzbereich der Familie stellen alle staatlichen Maßnahmen dar, die Ehe und Familie schädigen, stören oder sonst beeinträchtigen (vgl. BVerfGE 6, 55 <76>; 55, 114 <126 f.>; 81, 1 <6>). Benachteiligungen, die nur in bestimmten Fällen als unbeabsichtigte Nebenfolge einer im Übrigen verfassungsgemäßen Regelung vorkommen, kann der Eingriffscharakter fehlen, solange sich die Maßnahmen nicht als wirtschaftlich einschneidend darstellen (vgl. BVerfGE 6, 55 <77>; 15, 328 <335>; 23, 74 <84>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 3. Dezember 1991 - 1 BvR 1477/90 -, NJW 1992, S. 1093).

55

Die Zweitwohnungsteuer hat auch in den so genannten "Kinderzimmerfällen" keinen solchen Eingriffscharakter. Die Zweitwohnungsteuer belastet den Aufwand für das Innehaben einer nicht vorwiegend benutzten Wohnung eines in Ausbildung befindlichen Kindes, das überwiegend in der elterlichen Erstwohnung wohnt. Dieser Aufwand für die Zweitwohnung belastet weder gezielt noch typischerweise das Zusammenleben in der Familie. Dies ergibt sich schon daraus, dass die zeitliche Inanspruchnahme durch das Studium regelmäßig dazu führen dürfte, dass der Student sich vorwiegend in der am Studienort vorgehaltenen Wohnung, nicht aber am Heimatort der Eltern aufhalten wird. Im Übrigen erfasst die Zweitwohnung-steuer die Steuerpflichtigen völlig unabhängig von ihren familiären Verhältnissen und Bindungen am Haupt- oder Zweitwohnsitz. Schließlich führt auch die Höhe der Zweitwohnungsteuer von 10 Prozent der Kaltmiete nicht zu einer derart einschneidenden Belastung, dass hierdurch ein gravierender finanzieller Druck auf die Aufgabe des vorwiegenden Aufenthalts des Studenten bei den Eltern zugunsten eines vorwiegenden Aufenthalts in der Wohnung am Studienort ausgeübt würde (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 19. Mai 2008 - 1 BvR 3269/07 -, NVwZ-RR 2008, S. 723).

56

4. Die in Art. 11 Abs. 1 GG garantierte Freizügigkeit ist nicht verletzt.

57

Freizügigkeit bedeutet das Recht, unbehindert durch die deutsche Staatsgewalt an jedem Ort innerhalb des Bundesgebietes Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen und auch zu diesem Zweck in das Bundesgebiet einzureisen (vgl. BVerfGE 2, 266 <273>; 80, 137 <150>; 110, 177 <190 f.>). In den Schutzbereich der Norm kann nicht nur durch direkte Einwirkung auf die Wahl des Wohnortes eingegriffen werden. Auch mittelbare und faktische Beeinträchtigungen der Wahl des Wohnorts können einen zu rechtfertigenden Eingriff in die Freizügigkeit darstellen, wenn sie in ihrer Zielsetzung und Wirkung einem normativen und direkten Eingriff gleichkommen (vgl. BVerfGE 110, 177 <191>). Für den Bereich der Festsetzung von Abgaben ist regelmäßig die Qualität eines Eingriffs zu verneinen, solange diese Abgaben nicht eine ähnliche Wirkung wie ein striktes Verbot des Nehmens von Aufenthalt oder Wohnsitz haben. Der Schutzbereich der Freizügigkeit begründet hiervon abgesehen keinen Anspruch darauf, dass der Aufenthalt an einem bestimmten Ort aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht mit Konsequenzen verbunden ist, die zu dem Entschluss veranlassen können, von einem Aufenthalt abzusehen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. August 1983 - 8 B 78/83 -, Buchholz 401.63 Kurabgaben Nr. 5; BVerwG, Beschluss vom 9. April 2009 - 6 B 80/08 -, juris).

58

Gemessen daran entfaltet eine Zweitwohnungsteuer der der hier in Rede stehenden Größenordnung offensichtlich keine eingriffsgleiche Wirkung in den Schutzbereich des Grundrechts der Freizügigkeit, zumal die Steuer je nach Lage des Einzelfalls schon bei geringfügigen Verlagerungen der Aufenthaltsdauer zwischen Haupt- und Zweitwohnsitz entfallen kann, also keineswegs notwendig von der völligen Aufgabe des Hauptwohnsitzes abhängt.

59

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

Gründe

A.

1

Die Beschwerdeführerin wendet sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen ihre Heranziehung zur Zweitwohnungsteuer für eine nicht überwiegend genutzte Wohnung, die sie gemietet hat, um ihrer Berufstätigkeit an einem anderen Ort als dem Ort ihrer ehelichen Wohnung nachzugehen.

I.

2

1. Die Beschwerdeführerin ist als Beamtin mit 50 Prozent der durchschnittlichen regelmäßigen Arbeitszeit teilzeitbeschäftigt. Ihr Dienstort ist Hannover, wo sie eine Zweitwohnung bewohnt. Sie ist verheiratet und hat ihren Hauptwohnsitz in München, wo auch ihr Ehemann und die gemeinsamen noch schulpflichtigen Kinder leben.

3

2. Mit angegriffenem Bescheid zog die Stadt Hannover (Beklagte des Ausgangsverfahrens; im Folgenden: Beklagte) die Beschwerdeführerin zu einer jährlichen Zweitwohnungsteuer in Höhe von 243,84 € heran.

4

Grundlage hierfür war die Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer in der Landeshauptstadt Hannover vom 17. Januar 2008 in der Fassung der 1. Änderungssatzung zur Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer in der Landeshauptstadt Hannover vom 17. Dezember 2009 (im Folgenden: Zweitwohnungsteuersatzung ).

5

§ 3 ZwStS lautet:

6

§ 3

Steuerbefreiungen

Steuerbefreit sind Personen,

(1) (…)

c) die verheiratet sind, nicht dauernd getrennt leben und aus beruflichen Gründen innerhalb der Landeshauptstadt Hannover eine Zweitwohnung innehaben, wenn sich die Hauptwohnung der Eheleute außerhalb der Landeshauptstadt Hannover befindet und das Erreichen des Arbeitsplatzes ohne die Zweitwohnung nur mit erheblichem Zeitaufwand möglich wäre,

(…)

(2) Eine Steuerbefreiung nach Abs. 1 Buchstabe c) (…) ist nur mög- lich, wenn die Zweitwohnung die vorwiegend benutzte Wohnung der steuerpflichtigen Person ist.

7

3. Das Verwaltungsgericht wies die von der Beschwerdeführerin gegen den Zweitwohnungsteuerbescheid erhobene Klage ab. Die Beschwerdeführerin erfülle zwar die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 3 Abs. 1 Buchstabe c ZwStS. Diese könne ihr aber nach § 3 Abs. 2 ZwStS nicht gewährt werden, weil sie die Erwerbszweitwohnung nur an drei Tagen der Woche bewohne, so dass die Zweitwohnung nicht die von ihr vorwiegend benutzte Wohnung sei. An der Verfassungsmäßigkeit des § 3 Abs. 2 ZwStS bestünden keine Zweifel. Das Bundesverfassungsgericht habe in dem Beschluss vom 11. Oktober 2005 (BVerfGE 114, 316) einen Verstoß der Erhebung von Zweitwohnungsteuer gegen Art. 6 Abs. 1 GG nur bei überwiegender Nutzung der Erwerbszweitwohnung angenommen; nur in diesem Fall würden Verheiratete gegenüber Ledigen aufgrund der melderechtlichen Sonderregelungen für Verheiratete benachteiligt. Die Ausnahmeregelung in § 3 Abs. 2 ZwStS verstoße auch nicht wegen einer mittelbaren Diskriminierung von teilzeitbeschäftigten Frauen gegen die Verfassung. Gegenstand der Zweitwohnungsteuer als einer Aufwandsteuer nach Art. 105 Abs. 2a GG sei der konsumtive Aufwand für den persönlichen Lebensbedarf. Dem kommunalen Zweitwohnungsteuersatzungsgeber sei es grundsätzlich verwehrt, bei der Regelung der Steuerpflichtigkeit auf die Gründe für das Vorhalten einer Zweitwohnung abzustellen.

8

4. Das Oberverwaltungsgericht lehnte den Antrag der Beschwerdeführerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts ab. Die Zweitwohnungsteuerpflicht verletze nicht das Gebot des Schutzes von Ehe und Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG. Denn sie sei nicht darauf ausgerichtet, das familiäre Zusammenleben zu belasten, und führe auch nicht typischerweise zu einer solchen Belastung (Hinweis auf BVerfGK 17, 44). Die Zweitwohnungsteuer begründe mit einer Höhe von zunächst 8 Prozent (bis 31. Dezember 2009) und später 10 Prozent der Kaltmiete (ab 1. Januar 2010) keine einschneidende Belastung für die Beschwerdeführerin. Der von ihr ebenfalls als verletzt gerügte Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG biete keinen weitergehenden Schutz gegen finanziell nicht einschneidende Maßnahmen wie die Erhebung der Zweitwohnungsteuer in der hier vorgesehenen Höhe.

9

Die Zweitwohnungsteuerpflicht verletze nach den Maßgaben der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Hinweis auf BVerfGK 17, 44) auch nicht den allgemeinen Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG. Sie ziele als Aufwand- steuer im Sinne von Art. 105 Abs. 2a GG gerade auf die Besteuerung des besonderen Aufwands, der durch das Halten einer Wohnung für den persönlichen Lebensbedarf entstehe, obwohl diese Wohnung nicht vorwiegend genutzt werde. Eine Verletzung des Art. 3 Abs. 2 GG sei ebenfalls nicht festzustellen. Insoweit könne dahingestellt bleiben, ob § 3 Abs. 2 ZwStS überwiegend Frauen benachteilige. Denn selbst wenn dies der Fall wäre, läge darin keine relevante Ungleichbehandlung, da diese nur eine nicht intendierte Nebenfolge einer an sich verfassungsmäßigen Regelung sei. Die Steuerpflicht stelle zudem eine nur geringfügige, aus Typisierungsgründen gerechtfertigte Belastung dar.

II.

10

Die Beschwerdeführerin wendet sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen den Zweitwohnungsteuerbescheid. Sie macht geltend, § 3 Abs. 2 ZwStS verstoße gegen Art. 3 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 sowie Art. 6 GG. Die Regelung verletze Art. 3 Abs. 1 GG, weil sie Teilzeiterwerbstätige, die weniger als vier Wochentage am Beschäftigungsort arbeiteten, gegenüber Teilzeiterwerbstätigen, die ihre Arbeitszeit dort auf mehr als vier Wochentage verteilten, benachteilige. Die Zweitwohnungsteuersatzung verstoße zudem gegen Art. 3 Abs. 2 und 3 GG, da sie teilzeiterwerbstätige gegenüber vollzeiterwerbstätigen Verheirateten benachteilige; denn es könne nur bei Teilzeitbeschäftigten vorkommen, dass diese die Zweitwohnung nicht überwiegend nutzten mit der Folge, dass sie die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nicht erfüllten. Da teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer in überwiegendem Maße Frauen seien, liege eine mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts vor. § 3 Abs. 2 ZwStS verstoße zudem gegen Art. 6 GG, da diese Vorschrift Eltern zwinge, ihre Kinder an fünf Tagen der Woche durch Dritte betreuen zu lassen, um eine Steuerbefreiung in Anspruch nehmen zu können.

III.

11

Das Statistische Bundesamt ist gemäß § 27a BVerfGG, § 22 Abs. 5 GOBVerfG um Auskunft gebeten worden. Zu der Verfassungsbeschwerde hat außerdem die Beklagte Stellung genommen.

12

1. Nach Auskunft des Statistischen Bundesamts betrug der Anteil der Frauen an den Teilzeitbeschäftigten im Jahr 2012 nach dem vorliegenden Mikrozensus 78,7 Prozent. Der Anteil der Frauen an den Teilzeitbeschäftigten, die üblicherweise nicht von ihrer Hauptwohnung zur Arbeitsstelle fahren, habe sich im Jahr 2012 auf 52,5 Prozent belaufen.

13

2. Nach Auffassung der Beklagten verstoßen die maßgeblichen Bestimmungen der Zweitwohnungsteuersatzung weder gegen Art. 6 noch gegen Art. 3 GG. Die getroffene Befreiungsregelung setze die Maßgaben des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Oktober 2005 (BVerfGE 114, 316) um.

14

Darüber hinaus sei eine Besteuerung von verheirateten Personen, die sich nicht überwiegend in der Wohnung am Nebenwohnsitz aufhielten, aber ihr Sorgerecht gegenüber den Kindern am Hauptwohnsitz ausübten, gemäß Art. 3 GG sogar erforderlich. Ansonsten müssten nahezu alle Steuerpflichtigen, die über familiäre Bindungen verfügten, von der Zweitwohnungsteuerpflicht befreit werden. Dem sei das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 17. Februar 2010 (BVerfGK 17, 44) ausdrücklich entgegengetreten.

15

In Hannover seien insgesamt knapp über eintausend Personen zweitwohnungsteuerpflichtig. Der Großteil hiervon sei ledig. Etwa 40 Prozent der Zweitwohnungsteuerpflichtigen seien weiblich. Im Wege einer großzügigen Annahme sei davon auszugehen, dass circa 20 Frauen in Hannover erwerbstätig seien, die ihre Zweitwohnung in Hannover nicht vorwiegend nutzten. In der Regel nutzten die Erwerbstätigen - auch die erwerbstätigen Frauen - ihre Zweitwohnung am Erwerbsort Hannover vorwiegend.

B.

16

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Voraussetzungen nach § 93a Abs. 2 BVerfGG hierfür nicht vorliegen. Sie hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der als verletzt gerügten Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte angezeigt. Denn die Verfassungsbeschwerde ist hinsichtlich der Rüge der Verletzung des Art. 6 GG unzulässig (I.). Im Übrigen hat sie jedenfalls in der Sache keine Aussicht auf Erfolg (II.).

I.

17

Soweit die Beschwerdeführerin sich auf eine Verletzung des Art. 6 GG beruft, ist die Verfassungsbeschwerde mangels einer den Anforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG genügenden Begründung unzulässig.

18

1. Danach ist ein Beschwerdeführer verpflichtet, das angeblich verletzte Grundrecht oder grundrechtsgleiche Recht zu bezeichnen und substantiiert darzulegen, inwieweit durch die angegriffene Maßnahme das bezeichnete Recht verletzt sein soll (vgl. BVerfGE 99, 84 <87>; 130, 1 <21>). Soweit das Bundesverfassungsgericht für bestimmte Fragen verfassungsrechtliche Maßstäbe entwickelt hat, muss der Beschwerdeführer anhand dieser Maßstäbe aufzeigen, inwieweit seine Grundrechte durch die angegriffene Maßnahme verletzt sein sollen (vgl. BVerfGE 99, 84 <87>; 101, 331 <345 f.>; 102, 147 <164>). Werden gerichtliche Entscheidungen angegriffen, muss sich der Beschwerdeführer auch mit deren Gründen auseinandersetzen (vgl. BVerfGE 85, 36 <52>; 101, 331 <345>; 105, 252 <264>). Liegt zu den mit der Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen Verfassungsfragen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits vor, der die angegriffenen Entscheidungen folgen, so ist der behauptete Grundrechtsverstoß in Auseinandersetzung mit den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Maßstäben zu begründen (BVerfGE 130, 1 <21>).

19

2. Soweit die Beschwerdeführerin sich auf Art. 6 GG beruft, genügt die Beschwerdebegründung diesen Maßgaben nicht.

20

a) Die Beschwerdeführerin legt eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 GG nicht hinreichend dar. Das Verwaltungsgericht und das Oberverwaltungsgericht haben unter Bezugnahme auf die einschlägige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 114, 316; BVerfGK 17, 44) ausführlich ihre Rechtsansicht begründet, § 3 Abs. 2 ZwStS verstoße nicht gegen Art. 6 Abs. 1 GG. Die Beschwerdeführerin ist weder auf die fachgerichtlichen Entscheidungen eingegangen, noch hat sie sich mit der darin angeführten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auseinandergesetzt.

21

Nach den Maßgaben des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Oktober 2005 (BVerfGE 114, 316 <336>) ist im Fall der Beschwerdeführerin kein Verstoß gegen das aus Art. 6 Abs. 1 GG folgende Verbot der Diskriminierung von Ehe und Familie gegeben, da sie ihre Erwerbszweitwohnung nicht überwiegend nutzt. Sie befindet sich nicht in einer die Diskriminierung begründenden "melderechtlichen Zwangslage", weil sie nicht nur wegen der auch bei ihr bestehenden melderechtlichen Verpflichtung, am Familienwohnsitz ihre Hauptwohnung zu nehmen (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 2 Niedersächsisches Meldegesetz - NMG), gehindert ist, ihren Hauptwohnsitz am Erwerbsort anzumelden, sondern auch wegen der nicht überwiegenden Nutzung ihrer Wohnung am Beschäftigungsort (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 1 NMG). Damit steht sie nicht schlechter als nicht verheiratete Personen, die ihre Erwerbszweitwohnung nicht überwiegend nutzen und deshalb dort ebenfalls keinen Hauptwohnsitz anmelden können.

22

Das Bundesverfassungsgericht hat in dieser Entscheidung ausdrücklich offen gelassen, ob Art. 6 Abs. 1 GG auch in anderen Fallkonstellationen der Zweitwohnungsteuererhebung verletzt sein kann (vgl. BVerfGE 114, 316 <333>). Die Beschwerdeführerin hätte insoweit allerdings darlegen müssen, dass und aus welchen Gründen in Erweiterung der im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Oktober 2005 dargelegten Grundsätze auch in ihrem Fall einer nicht überwiegenden Nutzung der Erwerbszweitwohnung ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG gegeben sein soll.

23

b) Eine Verletzung des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG hat die Beschwerdeführerin ebenfalls nicht substantiiert dargetan. Dieses Grundrecht garantiert den Eltern die Pflege und Erziehung ihrer Kinder als natürliches Recht (vgl. BVerfGE 52, 223 <235 f.>; 93, 1 <17>; 108, 282 <301>; BVerfG, Urteil vom 19. Februar 2013 - 1 BvL 1/11 u. a. -, NJW 2013, S. 847 <849>). Ihnen steht ein verfassungsrechtlich geschützter Einfluss auf sämtliche Lebens- und Entwicklungsbedingungen der Kinder zu, auch außerhalb der Familie (BVerfGE 107, 104 <120>). Zur Pflege und Erziehung gehören auch Entscheidungen darüber, wem Einfluss auf die Erziehung des Kindes zugestanden wird (vgl. BVerfGE 105, 313 <354>) und in welchem Ausmaß und mit welcher Intensität die Eltern sich selbst der Pflege und Erziehung widmen oder Dritten die Pflege und Erziehung teilweise überlassen (vgl. BVerfGE 99, 216 <234>).

24

Die Beschwerdeführerin hat nach diesen Maßstäben nicht dargelegt, dass die Zweitwohnungsteuer eine so erhebliche Belastung darstellt, dass sie die Entscheidung der Eltern über die Pflege und Erziehung ihrer Kinder beeinflussen könnte. Ausführungen hierzu wären insbesondere deshalb geboten gewesen, weil das Oberverwaltungsgericht einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG mit der Begründung verneint hat, diese Vorschrift biete keinen über Art. 6 Abs. 1 GG hinausgehenden Schutz gegen finanziell nicht einschneidende Maßnahmen wie die Erhebung der Zweitwohnungsteuer in der hier vorgesehenen Höhe. Hierauf ist die Beschwerdeführerin nicht eingegangen.

II.

25

Soweit die Beschwerdeführerin einen Verstoß gegen Art. 3 GG rügt, hat die Verfassungsbeschwerde jedenfalls in der Sache keine Aussicht auf Erfolg.

26

1. Die Heranziehung Verheirateter zur Zweitwohnungsteuer für nicht überwiegend genutzte Erwerbszweitwohnungen verstößt nicht gegen das aus Art. 3 Abs. 3 GG folgende Verbot der Ungleichbehandlung von Männern und Frauen und auch nicht gegen das Gleichberechtigungsgebot aus Art. 3 Abs. 2 GG. Die Befreiungsregelung des § 3 Abs. 2 ZwStS enthält weder eine unmittelbare Ungleichbehandlung von Männern und Frauen, noch hat diese Vorschrift eine faktische Diskriminierung von Frauen zur Folge.

27

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 113, 1 <15 f.>; 126, 29 <53>; vgl. auch BVerfGE 97, 35 <43>; 104, 373 <393>) bietet Art. 3 Abs. 2 GG Schutz auch vor faktischen Benachteiligungen. Die Verfassungsnorm zielt auf die Angleichung der Lebensverhältnisse von Frauen und Männern (vgl. BVerfGE 104, 373 <393>; 109, 64 <89>; 113, 1 <15 f.>). Durch die Anfügung von Satz 2 in Art. 3 Abs. 2 GG ist ausdrücklich klargestellt worden, dass sich das Gleichberechtigungsgebot auf die gesellschaftliche Wirklichkeit erstreckt (vgl. BVerfGE 92, 91 <109>; 109, 64 <89>; 113, 1 <15 f.>; 126, 29 <53>). In diesem Bereich wird die Durchsetzung der Gleichberechtigung auch durch Regelungen gehindert, die zwar geschlechtsneutral formuliert sind, im Ergebnis aber aufgrund natürlicher Unterschiede oder der gesellschaftlichen Bedingungen überwiegend Frauen betreffen (vgl. BVerfGE 97, 35 <43>; 104, 373 <393>; 113, 1 <15 f.>; 126, 29 <53>). Demnach ist es nicht entscheidend, dass eine Ungleichbehandlung unmittelbar und ausdrücklich an das Geschlecht anknüpft. Über eine solche unmittelbare Ungleichbehandlung hinaus erlangen für Art. 3 Abs. 2 GG die unterschiedlichen Auswirkungen einer Regelung für Frauen und Männer ebenfalls Bedeutung (BVerfGE 113, 1<15 f.>).

28

b) Die Regelung des § 3 Abs. 2 ZwStS führt nicht zu einer faktischen Benachteiligung von Frauen gegenüber Männern. Nach dieser Vorschrift ist eine Steuerbefreiung für Verheiratete, die aus beruflichen Gründen eine Zweitwohnung innehaben (§ 3 Abs. 1 Buchstabe c ZwStS), nur zu gewähren, wenn die Erwerbszweitwohnung die vorwiegend benutzte Wohnung ist. Damit werden diejenigen verheirateten Erwerbstätigen von der Begünstigung ausgenommen, die die Zweitwohnung nicht überwiegend benutzen, sich also weniger als vier Wochentage am Erwerbsort aufhalten.

29

Selbst wenn davon auszugehen wäre, dass es sich bei diesen Erwerbstätigen typischerweise um Teilzeitbeschäftigte handelt, ist eine faktische Diskriminierung nicht gegeben. Zwar machen Frauen in evident höherem Maße von der Möglichkeit der Teilzeitbeschäftigung Gebrauch (vgl. BVerfGE 113, 1 <19>; 121, 241 <255>). Nach Auskunft des Statistischen Bundesamts betrug der Anteil der Frauen an den Teilzeitbeschäftigten im Jahr 2012 78,7 Prozent. Der Anteil der Frauen an den Teilzeitbeschäftigten, die üblicherweise nicht von ihrer Hauptwohnung zur Arbeitsstelle fahren, lag im Jahr 2012 nach Auskunft des Statistischen Bundesamts allerdings nur bei 52,5 Prozent. Damit ist nicht feststellbar, dass es in weitaus überwiegendem Maße Frauen versagt ist, sich auf die Möglichkeit der Steuerbefreiung nach § 3 Abs. 2 ZwStS zu berufen.

30

2. Der von der Beschwerdeführerin behauptete Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG wegen Ungleichbehandlung von Teilzeiterwerbstätigen, die weniger als vier Wochentage am Erwerbsort arbeiten, gegenüber Teilzeiterwerbstätigen, die ihre Arbeitszeit dort auf vier oder mehr Wochentage verteilen, ist ebenfalls nicht zu erkennen. Denn diese Ungleichbehandlung ist durch einen vernünftigen, einleuchtenden Grund gerechtfertigt.

31

Zwar dürfte der vom Oberverwaltungsgericht angeführte Sachgrund der Typisierung (vgl. BVerfGE 127, 224 <245> m.w.N.) die Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen. Denn eine Typisierung wird gerade dann nicht vorgenommen, wenn bei der Frage, ob eine Steuerbefreiung für Erwerbszweitwohnungen Verheirateter zu gewähren ist, die Dauer des Aufenthalts am Erwerbsort entscheidend ist.

32

Hinreichender sachlicher Grund für die ausnahmsweise Gewährung einer Begünstigung in Form der Steuerbefreiung ist in Fällen überwiegender Nutzung von Erwerbszweitwohnungen durch Verheiratete jedoch der vom Ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts durch Beschluss vom 11. Oktober 2005 (BVerfGE 114, 316) in diesen Fällen festgestellte Verstoß der Zweitwohnungsteuererhebung gegen Art. 6 Abs. 1 GG. Die Befreiungsregelung des § 3 Abs. 2 ZwStS bezweckt gerade die Umsetzung dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Dass ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG in Erweiterung oder Fortentwicklung der Rechtsprechung des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts auch in Fällen nicht überwiegenden Aufenthalts am Erwerbsort gegeben ist, hat die Beschwerdeführerin nicht hinreichend dargelegt.

33

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Der Beitrag wird einen Monat nach der Bekanntgabe des Beitragsbescheids fällig.

(2) Die Gemeinde kann zur Vermeidung unbilliger Härten im Einzelfall, insbesondere soweit dies zur Durchführung eines genehmigten Bauvorhabens erforderlich ist, zulassen, dass der Erschließungsbeitrag in Raten oder in Form einer Rente gezahlt wird. Ist die Finanzierung eines Bauvorhabens gesichert, so soll die Zahlungsweise der Auszahlung der Finanzierungsmittel angepasst, jedoch nicht über zwei Jahre hinaus erstreckt werden.

(3) Lässt die Gemeinde nach Absatz 2 eine Verrentung zu, so ist der Erschließungsbeitrag durch Bescheid in eine Schuld umzuwandeln, die in höchstens zehn Jahresleistungen zu entrichten ist. In dem Bescheid sind Höhe und Zeitpunkt der Fälligkeit der Jahresleistungen zu bestimmen. Der jeweilige Restbetrag ist mit höchstens 2 vom Hundert über dem Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs jährlich zu verzinsen. Die Jahresleistungen stehen wiederkehrenden Leistungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 3 des Zwangsversteigerungsgesetzes gleich.

(4) Werden Grundstücke landwirtschaftlich oder als Wald genutzt, ist der Beitrag so lange zinslos zu stunden, wie das Grundstück zur Erhaltung der Wirtschaftlichkeit des landwirtschaftlichen Betriebs genutzt werden muss. Satz 1 gilt auch für die Fälle der Nutzungsüberlassung und Betriebsübergabe an Familienangehörige im Sinne des § 15 der Abgabenordnung. Der Beitrag ist auch zinslos zu stunden, solange Grundstücke als Kleingärten im Sinne des Bundeskleingartengesetzes genutzt werden.

(5) Im Einzelfall kann die Gemeinde auch von der Erhebung des Erschließungsbeitrags ganz oder teilweise absehen, wenn dies im öffentlichen Interesse oder zur Vermeidung unbilliger Härten geboten ist. Die Freistellung kann auch für den Fall vorgesehen werden, dass die Beitragspflicht noch nicht entstanden ist.

(6) Weitergehende landesrechtliche Billigkeitsregelungen bleiben unberührt.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Tenor

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 9. Juni 2010 – 5 K 618/09 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 7.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

Der fristgerecht gestellte Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 9.6.2010 – 5 K 618/09 -, mit dem sie auf die Klage der Kläger zur vollständigen Beseitigung des auf der Parzelle Nr…, Flur …, Gemarkung B-Stadt, befindlichen Multifunktionsfeldes “Im Scheidwald“ verurteilt wurde, hat keinen Erfolg.

1. Die Zulässigkeit der Antragstellung der Beklagten ist durch die Rüge der Kläger, dieser fehle die „Aktivlegitimation bzw. Legitimierung“ zur Durchführung des Zulassungsverfahrens, weil nicht ersichtlich sei, dass die Beklagte zur Führung des Rechtsstreits durch ihren Gemeinderat ermächtigt worden sei, in Frage gestellt worden. Die Entscheidung über die Führung eines Rechtsstreits ist, wenn dieser von erheblicher Bedeutung für die Gemeinde ist, gemäß § 35 Nr. 28 KSVG dem Gemeinderat vorbehalten und kann von ihm nur für die Führung von Rechtsstreiten, die Streitgegenstände geringerer Bedeutung betreffen, generell oder durch gesonderten Beschluss auf den Bürgermeister übertragen werden. Dabei folgt aus dem Begriff „Führung eines Rechtsstreits“, dass der Gemeinderat nur für solche Fälle zuständig ist, in denen die Gemeinde als Klägerin, Antragstellerin, Beschwerdeführerin u.ä. auftritt, also selbst „aktiv“ wird, während Rechtsstreite, die an die Gemeinde herangetragen werden und in denen ihr die Rolle der Beklagten u.ä. zukommt, vom Bürgermeister als dem gesetzlichen Vertreter der Gemeinde als Geschäft der laufenden Verwaltung im Sinne des § 59 I und III KSVG abgewickelt werden.(Vgl. Lehné/ Weirich, Saarländisches Kommunalrecht, Stand: Januar 2010, § 35 Rdnr. 2 zu Nr. 28) Wie die Beklagte mit Schreiben vom 28.6.2011 hierzu mitgeteilt hat, ist der Bürgermeister gemäß §§ 8 Zi. 1j, 9 a der Geschäftsordnung des Gemeinderates „in eigener Zuständigkeit“ zur Entscheidung über die Führung von Rechtsstreitigkeiten, deren Streitgegenstand unter 10.000,- EUR liegt, berechtigt. Dass diese Grenze vorliegend eingehalten ist, leitet die Beklagte aus dem erstinstanzlich auf 7.500,- EUR festgesetzten Streitwert ab, dessen Höhe sie allerdings im Zulassungsantrag mit Blick auf die Baukosten für das Multifunktionsfeld in Höhe von 25.000,- EUR und eventuelle Abrisskosten – zu Unrecht, wie noch auszuführen ist - als zu gering erachtet hat. Da die Zuständigkeitsregelung der Geschäftsordnung für andere als Geldforderungen betreffende Rechtstreite zwar auslegungsbedürftig ist, aber die Gemeinde offensichtlich vor unangemessenen Prozessrisiken und -kosten schützen soll, erscheint der festgesetzte Streitwert jedenfalls mangels anderweitiger Anhaltspunkte als geeigneter Anknüpfungspunkt für die Zuständigkeit des Bürgermeisters zur Entscheidung über die Einlegung des Zulassungsantrags.

Aber auch wenn dem nicht zu folgen wäre, spricht viel dafür, dass die dann auf der Entscheidung eines unzuständigen Gemeindeorgans beruhende Antragstellung wirksam erfolgte. Nach der Rechtsprechung des BGH zum baden-württembergischen Gemeinderecht(BGH, Urteil vom 20.4.1966 – V ZR 50/65 -, MDR 1966, 669 (Ausübung des Vorkaufsrechts nach § 24 I Nr. 2 BBauG)) und der rheinland-pfälzischen Gemeindeordnung(BGH, Urteil vom 16.11.1978 – III ZR 81/77 -, NJW 1980, 117 (Abschluss eines Nutzungsvertrags durch kommunalen Zweckverband ); vgl. auch BGH, Urteil vom 17.4.1997 – III ZR 98/96 -, (für die DDR-Kommunalverfassung: Abschluss eines Maklervertrags), zitiert nach juris, m.w.N.  auch zur Gegenmeinung) ist die dem Bürgermeister übertragene Verfügungs- bzw. Vertretungsmacht allumfassend und unbeschränkt und wird die Gemeinde auch durch solche Rechtshandlungen berechtigt und verpflichtet, die der Bürgermeister ohne die erforderliche Beschlussfassung des Gemeinderats vorgenommen hat; insoweit handele es sich lediglich um eine interne Bindung des Bürgermeisters gegenüber der Gemeinde. (Vgl. auch BArbG, NJW 1986, 2271 (für die Beurteilung der Vertretungsmacht des Landrats nach baden-württembergischen Kommunalrecht)) Dies entspricht der im Kommunalrecht anerkannten strikten Unterscheidung zwischen interner Willensbildung und externer Vertretungsbefugnis(Vgl. Schmidt-Aßmann in Badura u.a., Besonderes Verwaltungsrecht, 10. Aufl., Rdnr. 78 m.w.N.; vgl. auch Lehné/ Weirich, Saarländisches Kommunalrecht, Stand: Januar 2010, § 35 Rdnr. 2 zu Nr. 28) zum Schutz des Rechtsverkehrs, der nicht von der internen Rechtmäßigkeit kommunaler Entscheidungen abhängig sein soll. Dagegen kommt im Bereich der Eingriffsverwaltung bei Entscheidung der unzuständigen Stelle der zu gewährleistenden Rechtmäßigkeit eines Aktes der Vorrang zu; der rechtswidrige Verwaltungsakt ist daher aufhebbar(Vgl. etwa OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13.4.2006 – 1 A 11596/05 -, BRS 70 Nr 118), während unzuständig erbrachte Rechtshandlungen wie die Verweigerung des gemeindlichen Einvernehmens gemäß § 36 BauGB als unwirksam angesehen werden(Vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7.5.2007 – OVG 10 S 25.06 -, zitiert nach juris). Ausgehend davon, dass im KSVG den beiden Gemeindeorganen Gemeinderat und Bürgermeister eigene Aufgaben zugeordnet sind, dass nämlich einerseits der Gemeinderat gemäß § 34 S. 1 KSVG über alle Selbstverwaltungsangelegenheiten der Gemeinde beschließt, die nicht dem Bürgermeister, einem Ausschuss, einem Bezirksrat oder einem Ortsrat übertragen sind, und er für die im Katalog des § 35 KSVG genannten „vorbehaltenen Aufgaben“ ausschließlich zuständig ist, andererseits der Aufgabenkreis des Bürgermeisters insbesondere die Geschäfte der laufenden Verwaltung und die – nicht ausdrücklich eingeschränkte – gesetzliche Vertretung der Gemeinde umfasst, liegt auch der saarländischen Aufgabenverteilung der das Recht der Stellvertretung beherrschende Abstraktionsgrundsatz zugrunde, der für den Bereich der organschaftlichen Vertretung besagt, dass der Umfang der Vertretungsmacht unabhängig davon ist, ob und inwieweit das Vertretungsorgan intern an die Willensbildung eines anderen Organs gebunden ist.(Vgl. BGH, Urteil vom 17.4.1997 – III ZR 98/96 -, zitiert nach juris) Da vorliegend weder die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts noch die Wirksamkeit einer verwaltungsinternen Mitwirkung in Rede steht, liegt die Annahme nahe, dass die Einlegung des Rechtsmittels gegen das erstinstanzliche Urteil durch den Bürgermeister der Beklagten auch bei Überschreitung interner Befugnisse wirksam wäre. Letztlich kann die Zulässigkeit des Zulassungsantrags der Beklagten aber dahinstehen.

2. Der Zulassungsantrag ist jedenfalls unbegründet, da nach der der Darlegungspflicht im Sinne des § 124a IV 4 VwGO Rechnung tragenden Antragsbegründung der Beklagten, die den Prüfungsumfang des Oberverwaltungsgerichts bestimmt, keiner der geltend gemachten Zulassungsgründe vorliegt.

2.1 Die Beklagte hat zur Begründung ihres Antrags auf Zulassung der Berufung gemäß § 124 II Nr. 1 VwGO im Wesentlichen vorgetragen, ein Anspruch auf Beseitigung des Multifunktionsfeldes stehe den Klägern nicht zu, da von der Anlage keine unzumutbaren Lärmimmissionen ausgingen. Das angefochtene Urteil sei rechtsfehlerhaft, da es die vorliegend entsprechend anwendbare Sportanlagenverordnung (18. BImSchV) nicht herangezogen und insbesondere kein auf einer - längerfristigen Messung beruhendes - Gutachten zur Sachverhaltsklärung eingeholt habe, obwohl sich die Notwendigkeit der Beweiserhebung aufgedrängt habe und auch von den Klägern schriftsätzlich beantragt worden sei. In keinem Fall sei die bloße Feststellung des Verwaltungsgerichts, nach dem vor Ort gewonnenen – naturgemäß subjektiven - Eindruck und der Lage der Anlage dränge sich die Rücksichtslosigkeit der Lärmimmissionen geradezu auf, ausreichend, zumal der Eindruck vom Standort auf dem Spielfeld aus und nicht bei tatsächlichem Spielbetrieb gewonnen wurde. Es habe die Vorbelastung des Grundstücks der Kläger durch einen an gleicher Stelle schon zuvor vorhandenen Bolzplatz, an den die Wohnbebauung der Kläger seinerzeit herangerückt sei, nicht angemessen berücksichtigt. Im Bebauungsplan sei an der betreffenden Stelle ein Kinderspielplatz ausgewiesen. Bolzplätze seien in allgemeinen Wohngebieten nach der BauNVO 1990 allgemein und nach der BauNVO 1977 zumindest ausnahmsweise zulässig. Die erstinstanzliche Annahme, dass Abhilfe nur durch Beseitigung der Anlage geschaffen werden könne, verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, solange Maßnahmen denkbar seien, durch die eine Lärmminderung durch technische Vorrichtungen oder Kontrollen erreicht werden könne. Die behaupteten Immissionen würden nach dem Klägervortrag dadurch verursacht, dass Jugendliche, junge Erwachsene und Erwachsene den Bolzplatz auch außerhalb der Benutzungszeiten bespielten; dabei handele es sich um ein polizeiordnungsrechtliches Problem. Dies könne jedoch verhindert werden, indem die Beklagte – wie in der Vergangenheit – für die Einhaltung der Nutzungsordnung sorge. Außerdem seien vielfältige weitere Maßnahmen denkbar, etwa das Entfernen der Bande, weitere Anpflanzungen auf dem Erdwall, Absperren der Anlage nach Ende der zulässigen Nutzungszeiten, Altersbeschränkung der Nutzer. Schließlich habe sie schon Maßnahmen ergriffen wie Errichtung des Lärmwalls, Festlegung von Nutzungszeiten, Errichtung eines Durchfahrtsverbotsschildes, Ersetzung einzelner Bandenelemente zur Prüfung lärmmindernder Maßnahmen, und sei auch zu weitergehenden Maßnahmen bereit. Die von den Klägern vorgelegten – eigenen Lärmmessergebnisse ergäben weit überwiegend Geräuschentwicklungen unter 55 dB(A); auf Einzelschallereignisse und impulshaften Lärm komme es nicht an.

Die Antragsbegründung rechtfertigt nicht die Durchführung eines Berufungsverfahrens, denn sie begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Sinne des § 124 II Nr. 1 VwGO. Entgegen der Meinung der Beklagten ist nicht ersichtlich, dass das erstinstanzliche Gericht sie zu Unrecht zur Beseitigung des Multifunktionsfeldes verurteilt hätte. Vorab kann daher auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts Bezug genommen werden, die sich der Senat insoweit zu Eigen macht.

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht die Frage offen gelassen, ob das Multifunktionsfeld den Festsetzungen des Bebauungsplans „An der Karlsbrunner Straße 1. Bauabschnitt“ vom 6.7.1977 entspricht, der hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung ein allgemeines Wohngebiet festsetzt und am Standort der umstrittenen Anlagen eine öffentliche Grünfläche mit der Konkretisierung „Spielplatz“ ausweist, einer Nutzung mithin, die sich von derjenigen des Multifunktionsfeldes von der Art der Betätigung und vom Benutzerkreis her erheblich unterscheidet. Denn die von den Klägern bekämpfte Anlage stellt sich unabhängig von der Frage ihrer Plankonformität jedenfalls in ihrer konkreten Ausgestaltung als unzulässig dar, da sie, wie das erstinstanzliche Gericht ausgeführt hat, im Verhältnis zu den Klägern aufgrund der Gegebenheiten des Einzelfalls unter Beachtung des § 22 I BImSchG zu unzumutbaren Lärmbelästigungen führt und daher – ihre Vereinbarkeit mit der planerischen Festsetzungen einmal unterstellt - gegen das drittschützende Gebot nachbarlicher Rücksichtnahme (§ 15 I 2 BauNVO 1990) verstößt. Sollte eine Abweichung von den planerischen Festsetzungen vorliegen, würde auf der Grundlage des in § 31 II BauGB im Gebot der Würdigung nachbarlicher Belange verankerten Rücksichtsnahmegebotes im Ergebnis nichts anderes gelten. Dieses Ergebnis der verwaltungsgerichtlichen Zumutbarkeitsbetrachtung, bei der ausdrücklich bei der tatrichterlichen Würdigung im Einzelfall neben immissionsschutzrechtlichen Anforderungen auch der Aspekt sozialadäquater Ergänzung der Wohnnutzung durch Spiel- und Sporteinrichtungen für Kinder und Jugendliche Berücksichtigung gefunden hat, ist nicht zu beanstanden.

Nach den überzeugenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts, denen die bei der Ortsbesichtigung vom 24.3.2010 gewonnenen Erkenntnisse zugrunde liegen, führt - schon - die bestimmungsgemäße Nutzung des Multifunktionsfeldes wegen der konstruktiven Besonderheiten der Anlage und deren „sehr engen räumlichen Zuordnung“ zum Hausanwesen der Kläger zu einer unzumutbaren Lärmbelastung der Nachbarn.

Die umstrittene Anlage unterscheidet sich von „einfachen“ Bolzplätzen, deren Ausstattung lediglich aus der eigentlichen Spielfläche mit zwei Toren besteht, und insbesondere dem zuvor an derselben Stelle vorhandenen Bolzplatz, der nur über ein Tor auf unbefestigtem Untergrund(Vgl. die von den Klägern im Verfahren 5 L 597/09 vorgelegte DVD vom 11.8.2006, Bl. 137 Gerichtsakte) verfügt hat, deutlich. Die im Wesentlichen aus einem 25 m x 12 m großen Kleinspielfeld auf Kunstrasen mit zwei stählernen Fußballtoren und zwei Basketballkörben bestehende, offensichtlich in erster Linie zum Fußballspielen („Bolzen“) genutzte Einrichtung ist ausweislich der Niederschrift über die Ortsbesichtigung des Verwaltungsgerichts und der dort gefertigten Fotos mit - von einem nach Beklagtenangaben zur Lärmminderung versuchsweise an der Längsseite eingefügten Stahlgitterelement abgesehen - einem aus Brettern bestehenden Holzverschlag („Bande“) umgrenzt, der sich im Bereich der Torlinie bis in eine Höhe von ca. 4 m Höhe erstreckt. An der dem benachbarten Grundstück der Kläger zugewandten Kopfseite der Anlage ist ein Ballfangzaun mit Seilgerüst installiert, dessen Höhe ca. 6,50 m beträgt.

Diese Ausgestaltung führt bei bestimmungsgemäßer Nutzung nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts insbesondere dazu, dass Lärm beim Fußballspielen nicht nur durch das Treten des Balles verursacht wird, sondern – im Gegensatz zu normalen Bolzplätzen ohne Umrandung - auch durch das Aufprallen des Balles auf die seitliche Umrandung bzw. - wenn das Tor verfehlt wird – auf die seitlich des Tors oder über dem Tor befindliche Umrandung. Es ist in diesem Zusammenhang auch nachvollziehbar, dass die Bande zu kraftvolleren - und damit bei Aufprall auf der Umrandung geräuschvolleren - Schüssen ermuntert, da die Gefahr, den Ball bei einem Fehlschuss ggf. in einiger Entfernung vom Spielfeld suchen und zurückholen zu müssen, deutlich geringer als bei nicht umrandeten Bolzplätzen ist. Dass die Spieler zudem die Möglichkeit nutzen, den Ball über die Bande bzw. sich selbst wieder zuzuspielen, liegt ebenfalls auf der Hand. Diese Nutzung ist ausweislich des angefochtenen Urteils mit heftigen unregelmäßigen Schuss- und Aufprallgeräuschen – verursacht durch „harte“ Schüsse und Anspielen der Bande - verbunden, die wegen ihrer Impulshaltigkeit und Unregelmäßigkeit besonders störend sind und zudem auch in ihrem Ausmaß die von nicht umrandeten Bolzplätzen ausgehende Belastung ganz wesentlich übertreffen. Die diesbezüglichen eingehenden überzeugenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts zur Lärmverursachung, die die Kammer durch mit einem Lederball erzeugte Prellgeräusche überprüft hat, hat die Beklagte im Grundsatz auch nicht angegriffen. Ihr Einwand, „das Vorgehen des Verwaltungsgerichts, mit gezielten Schüssen ein auftretendes Aufprallgeräusch auf die Bande zu erzeugen“, sei ungeeignet zur Ermittlung der auftretenden Lärmimmissionen, weil solche Schüsse „im laufenden Spielbetrieb erfahrungsgemäß eher selten, allenfalls beim Schuss auf das Tor“ aufträten, während der Regelfall sein werde, „dass - wie dies dem Fußballspiel immanent ist – von Spieler zu Spieler gepasst wird, wodurch erheblich geringere Schuss- bzw. Ballgeräusche entstehen dürften“, überzeugt schon deshalb nicht, weil die Beklagte für die Nutzung der Anlage nicht nur keinen geordneten Spielbetrieb verlangt, sondern die Nutzung - von der Vorgabe von Nutzungszeiten abgesehen - in keiner Weise reglementiert, der zulässige Nutzerkreis daher vom Kleinkind bis zum Erwachsenen reicht und jeder Nutzer – sofern Mitnutzer dies nicht verhindern - völlig frei in der Gestaltung seines Spieles ist, so dass auch grundsätzlich niemand gehindert ist, etwa nach Lust und Laune oder mangels Mitspieler sich selbst den Ball über die Bande zuzuspielen statt auf das Tor zu schießen. So führt jeder Schuss zur Seite oder in Richtung Torlinie, der auf einem „normalen“ Ballspielfeld geräuschlos ins Aus ginge, zu einem Aufprallgeräusch. Gleiches gilt für nahezu jeden Schuss, der das Tor verfehlt, und erst recht ergeben sich – wie bereits angesprochen – zusätzliche Lärmbelastungen, wenn mit Blick auf das Vorhandensein der Bande bzw. Wände bewusst fest geschossen wird, um den zurückprallenden Ball im Spiel weiter einsetzen zu können oder wenn schlicht „herumgebolzt“ wird.

Der durch die bestimmungsgemäße Nutzung des Bolzplatzes konstruktionsbedingt insbesondere durch heftige Aufprallgeräusche nicht nur auf die Holzumrandung, sondern auch – ausweislich der Niederschrift über die Ortsbesichtigung - auf das Stahlgittergeflecht des Tores verursachte Lärm, den zu dämpfen der ca. 2 m hohe Erdwall zwischen Tor und Grundstücksgrenze nach der nicht angegriffenen Feststellung des Verwaltungsgerichts nicht geeignet ist, wirkt sich wegen der grenznahen Ausrichtung der Einrichtung zwangsläufig erheblich belastend auf die Kläger aus. Zwar ergibt sich der konkrete Abstand zwischen Anlage und Haus der Kläger nicht aus den Akten, da die dortige Flurkarte keine bemaßte Darstellung der Anlage enthält und die Angaben zur Entfernung unterschiedlich sind. Nachdem die Klägerseite bis zum erstinstanzlichen Urteil davon ausgegangen war, dass die Anlage 10 m von ihrer Grundstücksgrenze entfernt sei, und die Beklagte gegen diese Annahme keine Einwände erhoben hatte, hat das Verwaltungsgericht bei der Ortsbesichtigung die Entfernung zwischen Multifunktionsfeld und Giebel des klägerischen Anwesens „der Flurkarte entnommen“, auf ca. 25 m „augenscheinlich geschätzt“ und im angefochtenen Urteil dann einen Abstand von insgesamt ca. 10 m angenommen (Aus den Darstellungen des der Verwaltungsgerichtsbarkeit nunmehr ständig zur Verfügung stehenden Auskunfts- und Rechen-Programmes ZORA, das u.a. Messungen in Flurkarten ermöglicht, ergibt sich ein Abstand der Anlage zum Haus der Kläger von annähernd 18 m.). Letztlich kommt dem aber keine entscheidende Rolle zu, da in jedem Fall der Bereich des kaum Wahrnehmbaren betroffen ist. So führt etwa die Verdoppelung der Entfernung von einer Geräuschquelle von 25 m auf 50 m nur zu einer Abnahme des Mittelungspegels bei freier Schallausbreitung von etwa 3 dB(A)(Vgl. Fickert/ Fieseler, Baunutzungsverordnung, 11. Aufl. 2008, § 15 Rdnr. 15.1). Eine Pegeldifferenz von 3 dB(A) aber ist eine vom menschlichen Ohr gerade erst wahrnehmbare Veränderung. Daher ist die Tatsache, dass das Verwaltungsgericht seine Feststellungen zur Lärmintensität bei der Ortsbesichtigung von dem Multifunktionsfeld und nicht vom Anwesen der Kläger aus getroffen hat, entgegen der Meinung der Beklagten nicht geeignet, die Richtigkeit seiner Beurteilung, die Nutzung der Anlage verursache in ihrer konkreten Ausgestaltung in unmittelbarer Nachbarschaft zu dem im allgemeinen Wohngebiet liegenden Wohnanwesen der Kläger einen diesen nicht zumutbaren Lärm und sei damit keineswegs sozialadäquat, durchgreifend in Frage zu stellen. Das Verwaltungsgericht ist zu dem von ihm gefundenen Ergebnis auf der Grundlage einer von ihm entsprechend den Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung durchgeführten umfassenden Interessenabwägung gelangt, in der es gerade dem Umstand besonderes Gewicht beigemessen hat, dass die umstrittene Anlage in ihrer konkreten Ausgestaltung verglichen mit der Nutzung typischer Bolzplätze zu einem erheblichen „Mehr“ an Lärmbeeinträchtigungen für die Nachbarschaft führt, das zur Verwirklichung des Zieles, Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden eine Ballspielmöglichkeit zur Verfügung zu stellen, gerade nicht erforderlich ist. Diese Erwägung überzeugt.

Dem kann die Beklagte nicht mit Erfolg entgegen halten, die Nutzung des Multifunktionsfeldes stehe mit der entsprechend anwendbaren Sportanlagenlärmschutzverordnung (18. BImSchV) in Einklang, wie die Einholung eines Gutachtens, die sich dem Verwaltungsgericht auch aufgedrängt, die es aber gleichwohl unterlassen habe, ergeben hätte. Die Einholung eines Lärmgutachtens, die von der Beklagten nicht beantragt worden ist, war vorliegend nicht erforderlich. Auch wenn es sich nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts „anbietet“, die von kindgerechten Ballspielplätzen und vergleichbaren Anlagen ausgehenden Geräuschimmissionen mangels geeigneterer Vorschriften nach dem in der Sportanlagenlärmschutzverordnung festgelegten Ermittlungs- und Messverfahren zu bestimmen, das der Besonderheit der bei Sport und Spiel auftretenden Geräusche Rechnung trägt, bleibt die Beurteilung der Zumutbarkeit von Geräuschen, die von solchen Anlagen ausgehen, wegen deren Atypik und Vielgestaltigkeit weitgehend der tatrichterlichen Wertung im Einzelfall vorbehalten(BVerwG, Beschluss vom 11.2.2003 – 7 B 88/02 -, BauR 2004, 471). Daraus folgt, dass zur Beurteilung der Rücksichtslosigkeit von Anlagen wie der streitgegenständlichen die Einholung von Lärmgutachten nicht generell erforderlich ist. Vorliegend hätte auch nach Überzeugung des Senats ein von der Beklagten gefordertes Lärmgutachten „über einen längeren Zeitraum“ allenfalls einen groben Anhalt für die Bestimmung von Zumutbarkeitsgrenzen geben, aber nicht entscheidend zur Beurteilung beitragen können, ob die von dem Multifunktionsfeld in seiner konkreten, verglichen mit einem üblichen Bolzplatz zu einem nicht zwecknotwendigen „Mehr“ an Lärmereignissen führenden Ausgestaltung bei bestimmungsgemäßer Nutzung auftretenden Geräusche insbesondere angesichts ihrer Häufigkeit, Impulshaltigkeit und Unregelmäßigkeit den in enger räumlicher Nähe zur Anlage wohnenden Klägern zumutbar sind.

Soweit die Beklagte beanstandet, die Kläger hätten zur Begründung eines Abwehranspruchs nicht substantiiert dargetan, „wie oft und jeweils zu welchen Tageszeiten der Woche sowie in welcher Weise und in welchem Umfang Kinder, Jugendliche bzw. Erwachsene die streitgegenständliche Einrichtung nutzen“, ist dem nicht zu folgen. Aufzeichnungen der geforderten Art im Vorfeld und im Gerichtsverfahren sind nicht geboten. Zunächst ist unstreitig, dass die Anlage von Spielern weiterhin genutzt wird und der Nutzerkreis nicht beschränkt ist. Ferner liegt auf der Hand, dass die Anzahl der – mangels vereinsmäßiger Bindungen sicher nicht regelmäßig erscheinenden verschiedenen - Spieler zwar naturgemäß etwa in Abhängigkeit von Jahreszeit und Witterung Schwankungen unterliegt, die Anlage aber nach Aktenlage noch immer im Bereich der Beklagten ohne „Konkurrenz“ ist, da geplante weitere Felder in anderen Ortsteilen noch nicht realisiert sind. Da bei der fortgesetzten bestimmungsgemäßen Nutzung des Multifunktionsfeldes zum allein im Verwaltungsrechtsstreit im Raum stehenden „Bolzen“ - entsprechend der Anzahl der Anwesenden mehr oder weniger - immer jedoch der vom Verwaltungsgericht festgestellte impulshaltige, unregelmäßige Lärm entsteht, kann es auf eine „statistische“ Erfassung der - Art der - Auslastung der Anlage nicht ankommen. Im Übrigen ist für die Beurteilung der Frage, ob ein Vorhaben den Nachbarn zugemutet werden kann, grundsätzlich von dem zugelassenen Nutzungsumfang auszugehen und kann auf eine dahinter zurückbleibende Nutzung nur dann abgestellt werden, wenn sich diese aufgrund zuverlässig feststehender gleichbleibender Umstände dauerhaft ergeben wird.(Vgl. BVerwG, Urteil vom 27.2.1992 – 4 C 50.79 -, BRS 54 Nr. 193) Von daher muss hier gesehen werden, dass die Anlage unbegrenzt zugänglich ist und – geeignete Witterung vorausgesetzt - typischerweise in den Nachmittags- und Abendstunden und auch an den Wochenenden mit ihrer Nutzung zu rechnen ist.

Die Kläger müssen entgegen der Meinung der Beklagten den Bolzplatz auch nicht wegen einer Vorbelastung ihres Grundstücks hinnehmen. Denn das umstrittene Multifunktionsfeld ist mit der früheren Anlage, die sich zwar an gleicher Stelle befand, jedoch lediglich aus einem Tor bestand, das zudem in entgegengesetzter Richtung zum klägerischen Anwesen aufgestellt war, offensichtlich in keiner Hinsicht – insbesondere was Bauweise, Nutzungsmöglichkeiten und Lärmverursachung betrifft – vergleichbar.

Gegen den vom Verwaltungsgericht anerkannten Abwehranspruch der Kläger kann die Beklagte nicht unter Berufung auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz mit Erfolg einwenden, eine Beseitigung der Anlage sei nicht erforderlich, da es möglich sei, den von ihr ausgehenden Lärm durch technische Einrichtungen oder Kontrollen zu reduzieren. Zwar besteht nach der Rechtsprechung des Senates(OVG des Saarlandes, Urteil vom 12.11.1991 – 2 R 480/88 -, BRS 52 Nr. 232) ein Beseitigungsanspruch nicht, wenn übermäßigen Beeinträchtigungen durch Nutzungsbeschränkungen wirksam begegnet werden kann. So liegt der Fall hier jedoch nicht. Vorliegend ergibt sich die in dem Betrieb der umstrittenen Anlage liegende Rücksichtslosigkeit daraus, dass die konstruktiven Besonderheiten des Multifunktionsfeldes bei seiner Nutzung zu erheblichem Lärm führen, der wegen der Lage der Einrichtung in enger räumlicher Nähe zu den Klägern diese unzumutbar stört. Dies bedeutet jedoch, dass weder Nutzungsbeschränkungen noch sonstige – ohne Eingriff in die Anlage mögliche - lärmmindernde Maßnahmen geeignet wären, baurechtmäßige Zustände zu schaffen. Vielmehr könnte dieses Ziel allenfalls erreicht werden, indem – bei unterstellter Plankonformität – etwa von dem Multifunktionsfeld am jetzigen Standort die Holzumrandung entfernt und ggf. durch eine Netzeinzäunung ersetzt würde sowie die Stahlgittertore durch einfache Netztore ersetzt würden. Abgesehen davon, dass ohnehin generell im Baurecht, das – von besonderen städtebaulichen Ausnahmen abgesehen – keine Befugnis zum Erlass eines Baugebots kennt, dem Bauherrn die Änderung bestehender Anlagen in einer bestimmten Weise nicht aufgegeben werden darf(Vgl. Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2. Aufl. 2005, Abschnitt IX, Rdnr. 59), führten aber auch solche wesentlichen Änderungen im Ergebnis zur Beseitigung der streitgegenständlichen Anlage und zur Schaffung eines „aliud“.

2.2 Die Zulassung der Berufung ist auch nicht gemäß § 124 II Nr. 3 VwGO gerechtfertigt, denn der Rechtsache kommt die von der Beklagten angenommene grundsätzliche Bedeutung nicht zu.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn sie eine für die Berufungsentscheidung erhebliche, klärungsfähige und klärungsbedürftige, insbesondere höchst- oder obergerichtlich nicht (hinreichend) geklärte Frage allgemeiner, fallübergreifender Bedeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder ihrer Fortentwicklung der berufungsgerichtlichen Klärung bedarf.

Zur Begründung ihres diesbezüglich gestellten Zulassungsantrags hat die Beklagte dargelegt, dass die angefochtene Entscheidung für das gesamte Saarland Grenzen der möglichen Entwicklung von in alten Bebauungsplänen ausgewiesenen Spielplätzen aufzeige, die aus den dargelegten Gründen sowohl unter dem Aspekt der planerischen Vorbelastung als auch der Auslegung der Festsetzung „Spielplatz“ in Bebauungsplänen rechtlich nicht haltbar seien und eine zu einseitige Abwägungsverlagerung in Richtung der betroffenen Nachbarn bedeuteten. Die Einrichtung von Multifunktionsfeldern, Bolzplätzen, eventuell auch Skateranlagen etc. entspreche der modernen Fortentwicklung von Spielplätzen, die zur Anpassung an das heutige Freizeitverhalten von Kindern und Jugendlichen möglich sein müsse. Mit Blick auf eine Entscheidung ein anderes Multifunktionsfeld in Völklingen betreffend sowie den Umstand, dass die Landeshauptstadt A-Stadt den Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits abwarte, um zu entscheiden, „wo, wie und unter welchen Voraussetzungen“ in ihrem Stadtgebiet Multifunktionsfelder errichtet werden könnten, habe ein Judikat des Oberverwaltungsgerichts grundsätzliche Bedeutung. Dabei werde insbesondere zu berücksichtigen sein, ob bei Vorbelastungen wie der Vorliegenden es künftig erforderlich sei, vor der Fortentwicklung alter Spielplätze zunächst eine Bebauungsplanänderung durchzuführen oder ob ein Multifunktionsfeld wie das Streitgegenständliche sich noch im Rahmen des planerisch Zulässigen bewege.

Soweit mit dieser Begründung, die keine ausdrückliche konkrete Frage formuliert, zunächst geklärt werden soll, ob „Multifunktionsfelder, Bolzplätze, eventuell auch Skateranlagen etc.“ plankonform auf Flächen errichtet werden können, die in alten Bebauungsplänen als „Spielplatz“ ausgewiesen sind, ist die Durchführung eines Rechtsmittelverfahrens mangels Entscheidungserheblichkeit nicht erforderlich, da die Einrichtung – wie oben dargestellt – unabhängig von ihrer Plankonformität wegen der von ihr ausgehenden unzumutbaren Lärmbelästigungen von den Klägern nicht hingenommen werden muss. Gleiches gilt auch hinsichtlich des in diesem Zusammenhang erwähnten Aspekts der „planerischen Vorbelastung“. Im Übrigen geht sowohl aus der angefochtenen Entscheidung als auch aus dem Vorstehenden hervor, dass die Klärung der generellen Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines Multifunktionsfeldes auf einer als „Spielplatz“ ausgewiesenen Fläche nicht Gegenstand des Verwaltungsrechtsstreits ist.

2.3 Die Berufung ist ferner auch nicht wegen Divergenz gemäß § 124 II Nr. 4 VwGO zuzulassen.

Die Divergenzberufung ist nur gegeben, wenn das Verwaltungsgericht in dem Urteil einen Grundsatz rechtlicher oder tatsächlicher Art aufgestellt hat, der im Widerspruch zu einem Grundsatz steht, den eines der in der Vorschrift genannten Gerichte in einer Entscheidung aufgestellt hat. Demgegenüber ist eine zulassungsbegründende Divergenz nicht bereits dann gegeben, wenn das Verwaltungsgericht einen derartigen Grundsatz übergangen, übersehen, unrichtig angewandt oder den Sachverhalt ungenügend aufgeklärt oder fehlerhaft gewürdigt hat(Vgl. etwa OVG des Saarlandes, Beschluss vom 22.9.2009 – 2 A 253/08 -).

Insofern hat die Beklagte ausgeführt, die angefochtene Entscheidung weiche von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes ab und beruhe auf diesen Abweichungen. Nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.9.1999 – 4 C 6/98 – könnten faktische Vorbelastungen bei einem baurechtlich zulässigen Nebeneinander von Wohnen und Sportanlage dazu führen, dass dem Schutz des Wohnens ein geringerer Stellenwert zukomme und Beeinträchtigungen in weitergehendem Maße zumutbar seien als sie sonst in dem betreffenden Baugebiet hinzunehmen wären, so dass es für die Zumutbarkeit von Sportlärm darauf ankommen könne, ob die Wohnnutzung oder der Sportbetrieb eher vorhanden gewesen sei. Weiter könnten nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 3.3.1992 – 4 B 70/91 – sogar Bolzplätze, die an reine Wohngebiete angrenzten, zulässig sein. Ferner weiche das Verwaltungsgericht von dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts vom 11.9.2008 – 2 C 186/08 – ab, wonach Geräuschimmissionen durch Kinderlärm und insbesondere von einer Spielfläche ausgehend in der Regel als sozialadäquat hinzunehmen und damit zumutbar sei.

Den vorgenannten Anforderungen des § 124 II Nr. 4 VwGO entspricht der Vortrag der Beklagten nicht, da sie in keinem der aufgeführten Fälle einen erstinstanzlich aufgestellten Grundsatz angegeben hat, mit dem das Verwaltungsgericht von den Grundsätzen des Bundesverwaltungsgerichts abgewichen sein soll.

2.4 Schließlich liegt auch kein Verfahrensfehler im Sinne des § 124 II Nr. 5 i.V.m. 86 I VwGO vor, der die Zulassung der Berufung erforderte.

Insoweit hat sich die Beklagte darauf berufen, dass beide Parteien übereinstimmend davon ausgegangen seien, dass Beweis erhoben werden solle durch Einholung eines Sachverständigengutachtens „über die Tatsache, dass die auftretenden Geräuschimmissionen entweder oberhalb oder unterhalb der Richtwerte liegen“. Eine vereinbarte Lärmmessung sei schließlich aus Gründen, die die Kläger zu vertreten hätten, unterblieben. Die nur im Zuge eines Ortstermins von dem Verwaltungsgericht getroffenen subjektiven Einschätzungen seien zur zuverlässigen Ermittlung der durch das Multifunktionsfeld und den dort stattfindenden Spielbetrieb auftretenden Geräuschimmissionen nicht geeignet. Dem Verwaltungsgericht habe sich aufdrängen müssen, dass hierfür die Einholung eines Gutachtens erforderlich sei. Sofern es die Einholung eines Sachverständigengutachtens für entbehrlich gehalten habe, hätte es die Parteien zumindest darauf hinweisen müssen.

Es ist nicht ersichtlich, dass das Verwaltungsgericht gegen seine gemäß § 86 I VwGO bestehende Pflicht zur Erforschung des Sachverhalts verstoßen hätte. Entgegen der Annahme der Beklagten hat sich dem Verwaltungsgericht eine Beweiserhebung durch Einholung eines Lärmgutachtens angesichts der Besonderheiten des vorliegenden Einzelfalls keinesfalls aufgedrängt; auf die Ausführungen unter Nr. 2.1 kann insoweit verwiesen werden. Die Erforderlichkeit einer Beweiserhebung kann auch nicht durch ein Übereinkommen der Beteiligten, eine Lärmmessung zu veranlassen, begründet werden. Wenn die schon erstinstanzlich anwaltlich vertretene Beklagte die Einholung eines Lärmgutachtens für erforderlich hielt, wäre sie gehalten gewesen, einen entsprechenden Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung zu stellen.

Schließlich ergibt sich auch aus der weiteren Rüge der Beklagten, dass das Verwaltungsgericht nicht auf die aus seiner Sicht bestehende Entbehrlichkeit einer Beweiserhebung hingewiesen habe, kein Verfahrensfehler. Damit rügt sie der Sache nach eine den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzende Überraschungsentscheidung. Eine solche Entscheidung liegt vor, wenn ein Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte, und er dadurch an entsprechendem Vortrag gehindert wird.(Vgl. u.a. BVerfG, NVwZ 2006, 586) So liegt der Fall vorliegend nicht. Nachdem sich das Verwaltungsgericht bei der Ortsbesichtigung vom 24.3.2010 einen persönlichen Eindruck von Lage und Konstruktion des Multifunktionsfeldes und Art des bei Nutzung der Anlage entstehenden Lärms verschafft hatte, fand sodann, ohne dass zwischenzeitlich Beweis erhoben worden wäre, am 9.6.2010 die mündliche Verhandlung statt, bei der die Sach- und Rechtslage ausweislich des Sitzungsprotokolls erörtert wurde. Angesichts dieses Ablaufs hätte die anwaltlich vertretene Beklagte allenfalls dann nicht mit der Verkündung eines Urteils am Ende der mündlichen Verhandlung rechnen müssen, wenn zuvor eine Beweiserhebung vom Gericht angekündigt worden wäre. Dafür gibt es indes keine Anhaltspunkte.

2.5 Schließlich liegt auch der - von der Beklagten nicht fristgemäß geltend gemachte – Zulassungsgrund der besonderen tatsächlichen Schwierigkeiten der Rechtssache gemäß § 124 II Nr. 2 VwGO nicht vor. Ob eine Berufungszulassung auch ohne – fristgemäße – Geltendmachung auf dieser Grundlage erfolgen kann, wenn der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung zwar geltend gemacht wurde, aber nicht vorliegt, ist streitig,(Vgl. Darstellung bei Posser/ Wolff, VwGO, 2008, § 124 VwGO, Rdnr. 48 m.w.N.) kann hier indes dahinstehen. Denn die Rechtssache weist keine besonderen Schwierigkeiten im Sinne des § 124 II Nr. 2 VwGO auf. Zum einen handelt es sich vorliegend nicht um komplexe oder nur mit Hilfe besonderen Sachverstands zu verstehende wirtschaftliche, technische oder wissenschaftliche Zusammenhänge, die besondere Schwierigkeiten im Tatsächlichen begründen könnten. Zum anderen waren keine in Rechtsprechung und Literatur sehr umstrittenen, neuartigen oder ausgefallenen Rechtsfragen zu entscheiden, die die Annahme besonderer rechtlicher Schwierigkeiten rechtfertigten; Indiz hierfür ist auch der nicht allzu große Umfang des Begründungsaufwands der erstinstanzlichen Entscheidung.(Vgl. Posser/ Wolff,  VwGO, 2008, § 124 VwGO, Rdnr.45 ff.)

3. Der Zulassungsantrag war daher mit der Kostenfolge aus § 154 II VwGO zurückzuweisen.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 63 II, 47, 52 I GKG und erfolgt – ebenso wie im erstinstanzlichen Verfahren und im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (2 B 440/09) - in Anlehnung an Textziffer 9.7.1. des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit von 2004, die für baurechtliche Nachbarklagen einen Streitwert von 7.500,- EUR vorschlägt. Soweit die Beklagte ausweislich ihrer auf § 25 II 2 GKG a.F. gestützten Überprüfungsanregung eine an einer in Textnummer 9.5 aufgeführten (Anfechtung einer bauaufsichtlichen) Beseitigungsanordnung orientierte höhere erstinstanzliche Festsetzung mit Blick auf Baukosten und ggf. anfallende Abrisskosten für gerechtfertigt hält, ist dem nicht zu folgen, da gemäß § 52 I GKG 2004 in Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen ist und es sich aus dessen Sicht um eine baurechtliche Nachbarklage handelt, mit der vom Nachbargrundstück befürchtete oder ausgehende Beeinträchtigungen abgewehrt werden sollen. Im Übrigen ist der Streitwert im Rechtsmittelverfahren gemäß § 47 II 1 GKG durch den Wert des Streitgegenstandes des ersten Rechtszuges begrenzt.

Der Beschluss ist nicht anfechtbar.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.