Oberverwaltungsgericht des Saarlandes Beschluss, 14. Apr. 2014 - 2 B 207/14

bei uns veröffentlicht am14.04.2014

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird unter entsprechender Änderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 24. Februar 2014 – 5 L 69/14 – die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die Nutzungsuntersagung der Antragsgegnerin und der diese ergänzenden Anordnung unter I.2 im Bescheid vom 14.1.2014 wieder hergestellt und bezüglich der beigefügten Zwangsmittelandrohungen und -festsetzungen angeordnet.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 10.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich gegen eine mit Sofortvollzugsanordnung versehene Verfügung der Antragsgegnerin, mit der ihr unter Androhung und aufschiebend bedingter Festsetzung eines Zwangsgeldes von insoweit 5.000,- EUR die Nutzung des Gebäudes auf der Parzelle Nr. 244/8 in Flur 1 der Gemarkung S (Anwesen A-Straße) als Bordell beziehungsweise bordellähnlicher Betrieb („...“) zunächst ab Bekanntgabe untersagt wurde.

In der Begründung der Verbotsverfügung vom Januar 2014 wurde auf das Nichtvorliegen einer für die Nutzung erforderlichen Baugenehmigung verwiesen. Weiter heißt es in der Verfügung, aufgrund der umliegenden Bebauung, die „gemäß Bebauungsplan als reines Wohngebiet festgesetzt“ sei, sei der Betrieb auch nicht genehmigungsfähig. Zur Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit des Nutzungsverbots ist ausgeführt, das dringende öffentliche Interesse an einer sofortigen Beendigung der illegalen Benutzung sei höher zu bewerten als die „eigenmächtig erlangte Position“ eines Bauherrn und dessen privates Interesse, die Anlage während des Verfahrens weiter nutzen zu dürfen. Eine „reine Unterstellung der Zulässigkeit des Bordells in diesem Gebiet“ könne demgegenüber nicht maßgeblich sein. Der Schutz der Nachbarschaft und deren Interesse an „rechtmäßigen Wohnverhältnissen“ seien höher zu bewerten als der finanzielle Vorteil des Betreibers des Bordells während eines möglichen Rechtsbehelfsverfahrens.

Die Antragstellerin hat Widerspruch erhoben und hinsichtlich der Nutzungsuntersagung und der Androhung des Zwangsgeldes beim Verwaltungsgericht die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung dieses Rechtsbehelfs beantragt. Zur Begründung hat sie geltend gemacht, sie betreibe seit mehr als einem Jahr auf Grund eines gewerblichen Mietvertrags ein Bordell beziehungsweise einen bordellähnlichen Betrieb in dem Anwesen. Darin liege keine Nutzungsänderung. In dem Objekt seien bereits seit über zwanzig Jahren durchgängig Bordellbetriebe ansässig. Während des gesamten Zeitraums sei das Gebäude nachweislich entsprechend vermietet und versichert gewesen sowie regelmäßig von der Polizei kontrolliert worden. Ob eine „baurechtliche Nutzungserlaubnis vorliege“, entziehe sich ihrer Kenntnis. Trotzdem sei aus ihrer Sicht Bestandsschutz eingetreten. Das Grundstück befinde sich am Rande eines Wohngebiets, grenze aber unmittelbar an ein Gewerbegebiet beziehungsweise gewerblich genutzte Flächen. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite sei bis vor kurzem eine Tankstelle betrieben worden. Auch in der nur wenige Meter von ihrem Grundstück entfernten K. Straße sei ein Gewerbegebiet ausgewiesen. Jedenfalls könne ein öffentliches Interesse am Sofortvollzug der Nutzungsuntersagung nicht festgestellt werden. Es stehe zu vermuten, dass die Antragsgegnerin im Hinblick auf die zwischenzeitlich tatsächlich bestehende Ausuferung des Prostitutionsgewerbes, insbesondere der Straßenprostitution, in ihrem Gebiet nunmehr quasi in einem „Rundumschlag“ sämtliche Betriebe dieses Gewerbes untersagen wolle, sogar wenn diese seit Jahren beanstandungsfrei geführt würden.

Die Antragsgegnerin hat ihre Entscheidung verteidigt und darauf verwiesen, dass es für die Rechtmäßigkeit einer Nutzungsuntersagung grundsätzlich nicht auf die nachträgliche Genehmigungsfähigkeit der Nutzung ankomme. Die Antragstellerin habe „unstreitig keine Baugenehmigung“ für die Nutzung des Anwesens als Bordell, obwohl eine solche erforderlich sei. Auf die Feststellung einer nachträglichen Genehmigungsfähigkeit komme es grundsätzlich nicht an. Durch den Verweis auf die formelle Illegalität solle der Adressat angehalten werden, ein an sich vor der Nutzungsaufnahme durchzuführendes Genehmigungsverfahren nachzuholen und der Behörde so eine präventive Prüfung zu ermöglichen. Die streitige Nutzung genieße auch keinen Bestandsschutz. Eine Baugenehmigung sei unstreitig nie erteilt worden und könne aufgrund der Festsetzungen des einschlägigen Bebauungsplans „E. Straße/B 406/K. Straße“ aus dem Jahre 1968, der hier ein reines Wohngebiet („WR“) ausweise, auch nicht erteilt werden.

Durch Abänderungsbescheid vom Anfang Februar 2014 wurde der Antragstellerin eine Frist zur Aufgabe der Nutzung von sechs Wochen nach Bekanntgabe dieser Verfügung eingeräumt. Auch dagegen hat die die Antragstellerin Widerspruch erhoben.

Das Verwaltungsgericht hat den Aussetzungsantrag Ende Februar 2014 zurückgewiesen. In der Begründung heißt es unter anderem, die Begründung des Sofortvollzugs genüge den lediglich formalen gesetzlichen Anforderungen. Gegen die allein auf die formelle Illegalität, nämlich das Betreiben des Bordells ohne die erforderliche Baugenehmigung gestützte Nutzungsuntersagung sei von Rechts wegen „nichts zu erinnern“. Da diese Nutzung nicht mehr von der „Variationsbreite eines Wohnhauses abgedeckt“ werde, bedürfe sie einer Baugenehmigung unabhängig von der Frage, ob ein Bordell bauplanungsrechtlich als Vergnügungsstätte oder als „sonstiger Gewerbebetrieb“ einzustufen sei. Daran änderte sich nichts, wenn ohne Änderung der Nutzung in dem Gebäude von Anfang an ein Bordell betrieben worden sein sollte. Die insoweit beweispflichtige Antragstellerin mache nicht geltend, sie sei im Besitz der notwendigen Baugenehmigung. Ein Bestandsschutz wegen „formeller und materieller“ Rechtmäßigkeit des Baubestands zu einem „namhaften Zeitpunkt“ komme offensichtlich nicht in Betracht. Wie lange die entsprechende Nutzung des Anwesens tatsächlich stattgefunden habe, spiele keine Rolle. Der Hinweis auf die formelle Illegalität rechtfertige regelmäßig auch die Annahme einer ordnungsgemäßen Ermessensentscheidung und genüge dem insoweit geltenden Begründungserfordernis. Ein Ausnahmefall sei vorliegend nicht ersichtlich. Eine schutzwürdige Vertrauensposition erlange der Bauherr erst durch eine, hier nicht vorliegende, positive Entscheidung der zuständigen Bauaufsichtsbehörde in dem jeweils einschlägigen Zulassungsverfahren. Dass die inzwischen in die Anordnung aufgenommene „Abwicklungsfrist“ von 6 Wochen nicht ausreichend bemessen sei, mache die Antragstellerin selbst nicht geltend. Die in dem Bescheid ergänzend angeordnete Verpflichtung zur Anbringung eines deutlich sichtbaren Hinweises auf die Schließung des Etablissements beruhe auf dem § 57 Abs. 2 LBO 2004 und diene der Reduzierung der störenden Wirkungen durch „Kundenverkehr nach der Schließung“. Die Zwangsgeldbewehrung entspreche den einschlägigen verwaltungsvollstreckungsrechtlichen Vorschriften.

Gegen den Beschluss richtet sich die vorliegende Beschwerde der Antragstellerin.

II.

Die gemäß § 146 VwGO statthafte Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 24.2.2014 – 5 L 69/14 –, mit der sie ihr zentrales Begehren auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die im Bescheid der Antragsgegnerin vom 14.1.2014 in der Fassung des die Befolgungsfrist (§ 19 SVwVG) betreffenden Änderungsbescheids vom 5.2.2014 enthaltene Nutzungsuntersagung weiter verfolgt, ist begründet. Nach dem Ergebnis des Beschwerdeverfahrens ist eine abweichende Beurteilung des Eilrechtsschutzbegehrens (§ 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO) geboten. Die Nutzungsuntersagung für den Bordellbetrieb der Antragstellerin unterliegt hinsichtlich ihrer Rechtmäßigkeit nicht unerheblichen Bedenken. Das rechtfertigt es, den Interessen der Antragstellerin bei der in dem vorliegenden Verfahren gebotenen Abwägung gegenüber dem Interesse der Antragsgegnerin an der sofortigen Durchsetzung der Verfügung den Vorrang einzuräumen und die abschließende Feststellung dem anhängigen Hauptsacheverfahren vorzubehalten.

Da die Antragstellerin in der nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO maßgeblichen Beschwerdebegründung die – in der Sache zutreffenden – Ausführungen in der erstinstanzlichen Entscheidung zur Einhaltung des formellen Begründungserfordernisses für die Sofortvollzugsanordnung (§ 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO) nicht angreift, muss dieser Aspekt nicht vertieft werden.

Die Rechtmäßigkeit der Nutzungsuntersagung der Antragsgegnerin ist in bauordnungsrechtlicher Hinsicht am Maßstab des § 82 Abs. 2 LBO 2004 zu beurteilen. Danach kann die Nutzung baulicher Anlagen von der zuständigen Unteren Bauaufsichtsbehörde – hier gemäß §§ 58 Abs. 2, 59 Abs. 1 LBO 2004, § 1 ZustVO(vgl. die Zuständigkeitsverordnung zur Bauordnung für das Saarland vom 23.6.2008, Amtsblatt Seite 1149) der Antragsgegnerin – untersagt werden, wenn die konkret beanstandete Benutzung im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften steht. Insoweit rechtfertigt, wie die Antragsgegnerin und das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt haben, regelmäßig bereits die sich aus dem Nichtvorliegen einer im Einzelfall notwendigen Baugenehmigung für die konkrete Nutzung einer baulichen Anlage ergebende formelle Illegalität den Erlass einer Nutzungsuntersagung, weil der Landesgesetzgeber bei Erlass dieser Ermächtigungsgrundlage insbesondere auch die Einhaltung des baurechtlichen Genehmigungserfordernisses im Blick hatte.(ständige Rechtsprechung des Senats im Anschluss an OVG des Saarlandes, Urteil vom 9.3.1984 – 2 R 175/82 –, BRS 42 Nr. 227, damals noch zu § 104 LBO 1974/80, vgl. zu § 82 Abs. 2 LBO 2004 etwa die Beschlüsse vom 3.7.2007 – 2 B 219/07 –, SKZ 2008, 77, Leitsatz Nr. 25, vom 24.4.2009 – 2 B 265/09 –, SKZ 2009, 244, Leitsatz Nr. 40, und vom 6.1.2012 – 2 B 398/11 und 2 B 400/11 –, SKZ 2012, 168 Leitsatz Nr. 15 und 169 Leitsatz Nr. 16, jeweils m.w.N.)

Auch bei Anlegung dieses Maßstabes ergeben sich nach derzeitigem Erkenntnisstand zumindest Zweifel hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Nutzungsuntersagung der Antragsgegnerin vom 14.1.2014. Die darin enthaltene Begründung für die Annahme einer demnach im „Normalfall“ eine Nutzungsuntersagung rechtfertigende formelle Illegalität des Bordells überzeugt nach gegenwärtigem Erkenntnisstand jedenfalls so nicht. Liegt das Anwesen A-Straße, wie dort angeführt, im Geltungsbereich des Bebauungsplans„E. Straße/B 406/K. Straße“ der Antragsgegnerin aus dem Jahre 1968 und handelt es sich dabei – wogegen derzeit nach dem Sachvortrag der Beteiligten nichts spricht, um einen qualifizierten Bebauungsplan im Verständnis des § 30 Abs. 1 BauGB, so sprechen, die Wirksamkeit dieser städtebaulichen Satzung unterstellt,(vgl. dazu etwa OVG des Saarlandes, Beschluss vom 26.11.2010 – 2 B 275/10 –, SKZ 2011, 45, Leitsatz Nr. 30 = BauR 2011, 890, wonach in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes regelmäßig von der Verbindlichkeit bauleitplanerischer Festsetzungen für das Baugrundstück auszugehen ist, ständige Rechtsprechung) gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass die Änderung der Nutzung des Gebäudes seit dem Inkrafttreten der aktuellen Landesbauordnung im Jahre 2004(vgl. Art. 1 des Gesetzes Nr. 1544 zur Neuordnung des Saarländischen Bauordnungs- und Bauberufsrechts vom 18.2.2004, Amtsblatt 2004, 822, inzwischen wiederholt geändert, zuletzt durch Gesetz Nr. 1788 zur Änderung der Landesbauordnung vom 11.12.2012, Amtsblatt des Saarlandes (Teil I) vom 20.12.2012, Seiten 1554, 1555) keinem Baugenehmigungserfordernis mehr unterliegt, sofern sich – was die Fotoaufnahmen in der Akte zumindest nahe legen – das betroffene Haus A-Straße einer der Gebäudeklassen 1 bis 3 (§ 2 Abs. 3 LBO 2004) zuordnen lässt. Für deren Errichtung und Nutzungsänderung im Geltungsbereich solcher Bebauungspläne enthält der § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 3 LBO 2004 eine Freistellung vom Baugenehmigungserfordernis unabhängig von der Konformität mit den Festsetzungen des Bebauungsplans (§ 63 Abs. 2 Nr. 1 LBO 2004) und vor allem auch von der konkret beabsichtigten Nutzung, sofern es sich – wofür vorliegend keine durchgreifenden Anhaltspunkte ersichtlich sind – nicht ausnahmsweise um ein Vorhaben mit Sonderbaueigenschaft im Sinne des enumerativen Katalogs in § 2 Abs. 4 LBO 2004 handelt (§ 63 Abs. 1 Satz 2 LBO 2004). Die Genehmigungsfreistellung entfällt nach dem eindeutigen Wortlaut der insoweit maßgeblichen Bestimmung in § 63 Abs. 2 LBO 2004 lediglich bei Feststellbarkeit eines bauordnungsrechtlichen Abweichungserfordernisses (§§ 63 Abs. 2 Nr. 3, 68 LBO 2004). Ein – hier auf der Grundlage der angeführten Festsetzung zur zulässigen Art der baulichen Nutzung ebenfalls nahe liegendes – Befreiungserfordernis hinsichtlich Festsetzungen des Bebauungsplans (§ 31 Abs. 2 BauGB) berührt die Genehmigungsfreistellung grundsätzlich nicht. Die Einholung einer in diesen Fällen erforderliche „isolierten“ Befreiung ist nach dem eindeutigen Wortlaut des § 63 Abs. 3 Satz 4 LBO 2004 allenfalls bedeutsam für die Umsetzungsphase, das heißt für die „Ausführung“ eines Bauvorhabens. Inwieweit das Fehlen einer im Einzelfall erforderlichen Befreiung im Rahmen des § 82 Abs. 2 LBO 2004 die Bejahung einer „formellen Illegalität“ rechtfertigt,(vgl. dazu auch Bitz, Die Nutzungsuntersagung nach § 82 Abs. 2 LBO 2004 in der bauaufsichtsbehördlichen Praxis, SKZ 2009, 206, 208) muss hier nicht vertieft werden. Die Verfügung der Antragsgegnerin geht nach ihrem Wortlaut eindeutig vom Erfordernis einer „Baugenehmigung“ aus. Bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen des § 63 LBO 2004 erscheint das problematisch.

Dass die Antragsgegnerin in der Begründung ihrer Nutzungsuntersagung ergänzend auch darauf hingewiesen hat, dass der Betrieb der Antragstellerin „nicht genehmigungsfähig“ sei, rechtfertigt – abgesehen von der auch insoweit die Vorgaben des Landesgesetzgebers in dem § 63 LBO 2004 verkennenden Begrifflichkeit – keine abweichende Beurteilung. Darin ist keine selbständig tragende, in Fällen des § 63 LBO 2004 regelmäßig notwendige materiell-rechtliche Begründung für die Nutzungsuntersagung zu erblicken, die im Übrigen gegebenenfalls eine weitergehende Prüfung der materiellen baurechtlichen Zulässigkeit der Nutzung auf der Grundlage des auch insoweit differierenden Sachvortrags der Beteiligten im Rahmen der – hier prognostischen – Prüfung der Rechtmäßigkeit der Nutzungsuntersagung (§ 82 Abs. 2 LBO 2004) erfordern würde.(vgl. dazu etwa OVG des Saarlandes, Beschluss vom 2.2.2009 – 2 B 439/08 –, BRS 74 Nr. 201) Dass es der Antragsgegnerin entsprechend dem Wortlaut der Verfügung entscheidend auf den – nach dem zuvor Gesagten zweifelhaften – Verstoß gegen ein von ihr bejahtes Baugenehmigungserfordernis (§ 60 Abs. 1 LBO 2004) ankam, belegt auch ihr Vorbringen im gerichtlichen Verfahren. So heißt es beispielsweise in ihrer Beschwerdeerwiderung vom 10.4.2014, die von der Antragstellerin angeführten „räumlichen Verhältnisse“, etwa die Lage des Bordellbetriebs „in relativer Nähe zu dem Gewerbegebiet K. Straße“ könne „allenfalls relevant sein für die Frage der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit“. Daraus ergäben sich allerdings keinerlei Anhaltspunkte dafür, „dass der Betrieb des Bordells ohne bauaufsichtliche Zulassung weiter hingenommen werden müsse“.

Bestehen demnach bereits die von der Antragstellerin begehrte Aussetzungsentscheidung rechtfertigende Zweifel am Vorliegen der von der Antragsgegnerin zur Begründung der Anordnung angeführten tatbestandlichen Voraussetzungen des § 82 Abs. 2 LBO 2004, so bedarf es vorliegend keiner abschließenden Auseinandersetzung mit der Frage der Ordnungsmäßigkeit der Ermessensentscheidung. Die dafür geltenden Grundsätze sind allerdings in der Rechtsprechung ebenfalls geklärt und entsprechend zutreffend auch von der Antragsgegnerin und vom Verwaltungsgericht ihren Entscheidungen zugrunde gelegt worden. Soweit die Bauaufsichtsbehörde die Nichtbeachtung des Genehmigungserfordernisses zum Anlass für den Erlass einer Nutzungsuntersagung nimmt, sind grundsätzlich auch an die Ausübung des Entschließungsermessens und deren Begründung (§ 39 SVwVfG) geringe Anforderungen zu stellen. In der Regel genügt auch insoweit ein Verweis auf das Vorliegen des formellen Gesetzesverstoßes. Da bauaufsichtsbehördliche Einschreitensbefugnisse grundsätzlich auch keiner Verwirkung unterliegen, begründet das bloße Nichteinschreiten der Bauaufsichtsbehörde gegen ihr bekannte illegale bauliche Anlagen oder deren Nutzung auch über einen längeren Zeitraum für sich genommen kein im Rahmen der Ermessensausübung beim Erlass einer Nutzungsuntersagung beachtliches schutzwürdiges Vertrauen der Betroffenen, hier der Antragstellerin. Schließlich könnte eine Ermessensbindung unter dem Aspekt des „Bestandsschutzes“ allenfalls dann in Betracht gezogen werden, wenn der in Rede stehende, nicht förmlich zugelassene Baubestand mit der untersagten Benutzung zu irgendeinem Zeitpunkt jedenfalls ohne Zweifel materiell geltendem Baurecht entsprochen hätte und damit „genehmigungsfähig“ gewesen wäre.

Als im Rahmen der Entscheidung zumindest erwägenswerter Gesichtspunkt erscheint vorliegend allerdings der Umstand, dass – auch wenn allein aus einem Zeitablauf kein „Bestandsschutz“ hergeleitet werden kann – die beanstandete Nutzung des Gebäudes als Bordell nach dem Sachvortrag der Beteiligten nicht nur unstreitig über Jahrzehnte und offenbar „beanstandungsfrei“ auch „unter den Augen“ verschiedener Ordnungsbehörden, unter anderem der Antragsgegnerin erfolgt ist, sondern dass nach dem unwidersprochenen Vortrag der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren die jeweiligen Betreiber von der Antragsgegnerin – also derselben Behörde – offenbar auch über einen langen Zeitraum zur Zahlung von Gewerbesteuern veranlagt worden sind. Inwieweit sich aus diesem Verhalten – was die Beteiligten unterschiedlich sehen – unter Ermessensgesichtspunkten ein „Ausnahmefall“ mit der Folge gesteigerter Begründungserfordernisse oder gar ein genereller Ausschluss der Möglichkeit, den Betrieb unter Ausschaltung des Suspensiveffekts des Rechtsbehelfs der Antragstellerin mit sofortiger Wirkung zu untersagen (§§ 80 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO), ergibt, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Damit wird sich zunächst die Widerspruchsbehörde zu befassen haben. Nach den unstreitigen Abläufen liegt es allerdings zumindest nahe, der Antragstellerin im Rahmen des Vollzugs der Anordnung eine großzügigere „Abwicklungsfrist“ (§ 19 Abs. 1 Satz 2 SVwVG) einzuräumen, um ihr die Klärung der materiell-rechtlichen Zulässigkeit oder Unzulässigkeit des Bordells an diesem Standort – in welchem Verfahren auch immer – zu ermöglichen.

Vor diesem Hintergrund war auch hinsichtlich der von der Sofortvollzugsanordnung erfassten ergänzenden Anordnung zur Anbringung eines Hinweises auf die Schließung des Bordells im streitgegenständlichen Bescheid vom 14.1.2014 (I.2), sofern man ihr selbständige Bedeutung beimessen wollte, der Suspensiveffekt wieder herzustellen und bezüglich der für den Fall der Nichtbefolgung dieser Anordnungen getroffenen Zwangsgeldandrohungen und -festsetzungen (IV.) die durch den § 20 AGVwGO gesetzlich ausgeschlossene aufschiebende Wirkung anzuordnen (§ 80 Abs. 5 Satz 1 2. Alt. VwGO).

Auf den von der Antragstellerin gestellten Hilfsantrag, die aufschiebende Wirkung „insofern wieder herzustellen, als der Betrieb einer gewerblichen … Zimmervermietung gestattet wird“, muss nicht eingegangen werden. Für ein solches Begehren ist im Rahmen eines Aussetzungsverfahrens nach dem § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO allerdings kein Raum. Dieses Verfahren dient nicht dazu, dem Adressaten eines mit Sofortvollzugsanordnung versehenen Nutzungsverbots unter Umgehung der baurechtlich vorgesehenen Genehmigungs- oder Zulassungsverfahren eine positive Entscheidung über die materielle Zulässigkeit einer – im Vergleich zur untersagten – anderen alternativen Nutzung, hier eines Beherbergungsbetriebs, zu verschaffen.

Abschließend ist auf den – neuen – ergänzenden „Hinweis“ der Antragsgegnerin in der Beschwerdeerwiderung vom 10.4.2014 festzuhalten, dass die Frage eines Verstoßes der von der Antragstellerin vor dem Anwesen zur B. Straße hin angebrachten Werbeeinrichtungen, bei deren Anblick man übrigens auf den Gedanken kommen könnte, dass in dem Etablissement auch die Möglichkeit eines Glücksspiels offeriert wird, gegen das Anbahnungsverbot einer „Verordnung über das Verbot der Prostitution“ der Antragsgegnerin vom 13.3.2014 von den zuständigen Ordnungsbehörden zu klären wäre. In der Begründung der hier streitigen Nutzungsuntersagung ist ein solcher ohnehin „späterer“ Rechtsverstoß als Entscheidungsgrundlage nicht erwähnt. Inwieweit ihm gegebenenfalls Bedeutung zukäme, kann daher auf sich beruhen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf dem § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in den §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 3, 52 Abs. 1, 47 GKG.

Der Beschluss ist nicht anfechtbar.

Urteilsbesprechung zu Oberverwaltungsgericht des Saarlandes Beschluss, 14. Apr. 2014 - 2 B 207/14

Urteilsbesprechungen zu Oberverwaltungsgericht des Saarlandes Beschluss, 14. Apr. 2014 - 2 B 207/14

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

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(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anh

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(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltun
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(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.

(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.

(5) u. (6) (weggefallen)

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.

(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.

(5) u. (6) (weggefallen)

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der allein oder gemeinsam mit sonstigen baurechtlichen Vorschriften mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen enthält, ist ein Vorhaben zulässig, wenn es diesen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

(2) Im Geltungsbereich eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans nach § 12 ist ein Vorhaben zulässig, wenn es dem Bebauungsplan nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

(3) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht erfüllt (einfacher Bebauungsplan), richtet sich die Zulässigkeit von Vorhaben im Übrigen nach § 34 oder § 35.

Tenor

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 27. August 2010 – 5 L 744/10 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen die Antragsteller.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 7.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsteller wenden sich als Eigentümer des Wohnhausgrundstücks Parzelle Nr. 25/4 in Flur 1 der Gemarkung C-Stadt (Anwesen C-Straße) gegen eine der Beigeladenen im Februar 2010 erteilte Baugenehmigung für den „Neubau eines Vollsortimentmarktes“ mit 142 Stellplätzen (vgl. den Bauschein des Antragsgegners vom 9.2.2010 – 61.63 – Q/00062/09 –) auf einem nördlich angrenzenden, bisher überwiegend als öffentlicher Parkplatz genutzten Grundstück (Parzellen Nr. 1/16, 20/2, 1673/17, 1672/19 und 17/10). (vgl. hierzu die am 22.1.2010 im Baulastenbuch (Blatt 344) des Antragsgegners eingetragene bauordnungsrechtsbezogene Vereinigungsbaulast) Grundlage der Genehmigung bildet der am 21.1.2010 vom Rat der Gemeinde C-Stadt beschlossene und am 28.1.2010 ortsüblich bekannt gemachte Bebauungsplan „Q 100 Ortsmitte C-Stadt, 7. Teiländerung“. Dieser setzt in dem hier maßgeblichen westlichen Teil ein Sondergebiet für einen „Vollsortimentmarkt“ mit einer Verkaufsfläche bis 1.400 qm fest. Nach den textlichen Festsetzungen des Plans ist aus Gründen des Immissionsschutzes unter anderem eine „Überdachung des Anlieferungsbereichs“ des Marktes vorzusehen. (vgl. hierzu die Ziffer I.9 im Textteil betreffend „Vorkehrungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen“ nach § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB und die zugehörige Passage auf Seite 11 Mitte der Begründung zum Bebauungsplan)

Die Genehmigungsunterlagen weisen eine Verkaufsfläche von 1.230,18 qm aus. Im Bauschein wird auf eine bei der Bauausführung zu beachtende Stellungnahme des Landesamts für Umwelt- und Arbeitsschutz (vgl. dazu dessen Schreiben vom 4.2.2010 – 3.3/mh/A-110005 –) Bezug genommen, aus der sich unter anderem Lärmschutzauflagen für den Betrieb des Marktes ergeben. Danach dürfen in der K. Straße die Richtwerte der TA-Lärm (vgl. die Ziffer 6.1 der Sechsten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm – TA Lärm) vom 26.8.1998, GMBl S. 503) für allgemeine Wohngebiete von 55 dB(A)/40 dB(A) für Tag- und Nachtzeiten nicht überschritten werden und einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen den Nachtwert um nicht mehr als 20 dB(A) überschreiten. Außerdem darf das Gelände des „SB-Warenhauses“ während der Nachtzeit (22.00 bis 6.00 Uhr) nicht befahren werden, was durch geeignete Vorrichtungen, zum Beispiel eine Schranke, sicherzustellen ist. Speziell bezogen auf den Lieferverkehr wird auf die Beachtlichkeit der in einer bei den Antragsunterlagen befindlichen schalltechnischen Untersuchung vom September 2009 (vgl. die „Schalltechnische Untersuchung zum Neubau eines „Rewe-Einkaufsmarktes in Quierschied“ der Heine + Jud - Ingenieurbüro für Umweltakustik (Stuttgart) vom 28.9.2009) enthaltenen „Vorgaben und Lärmschutzmaßnahmen“ verwiesen und insoweit eine baubegleitende Überwachung durch einen Sachverständigen angeordnet. Nach den Bauvorlagen befindet sich der Anlieferungsbereich am südlichen Ende des geplanten Marktes in der Nähe des Anwesens der Antragsteller. In den Ansichten ist insoweit eine „Attika Anlieferung“ dargestellt. (vgl. insoweit die „Ansicht Parkplatz“, die die entsprechende Anlage mit einer Höhe von (4,55 m + 1,25 m =) 5,80 m und ein von Parkplatz und Zufahrt zum Grundstück der Antragsteller hin ansteigendes Gelände darstellt)

Im Juli 2010 (vgl. das am selben Tag als Telefax eingegangene Schreiben vom 15.7.2010, Blatt 97 der Bauakte) erhob der Antragsteller Widerspruch gegen die Baugenehmigung.

Anfang August 2010 beantragten die Antragsteller, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom Juli 2010 anzuordnen, und machten geltend, die inzwischen begonnene Ausführung des Markts entspreche nicht den Festsetzungen des Bebauungsplans. Unabhängig davon sei der geplante „Vollsortimentmarkt“ an dieser Stelle nicht zulässig. Das nach den Auflagen des Antragsgegners spätestens bei Baubeginn einzureichende Schallschutzgutachten sei nicht vorgelegt worden, obwohl die Maßnahme bereits begonnen worden sei. Die in dem Bebauungsplan vorgeschriebene Überdachung des Anlieferbereichs sei in den Genehmigungsunterlagen nicht vorgesehen. Darin sei nur ein Bereich von 4 m überdacht dargestellt. Ohne die vom Bebauungsplan geforderte Einhausung werde von den dort rangierenden Lkw ein erheblicher Lärm ausgehen. Aus demselben Grund sei im Jahre 2000 der Bau eines REWE-Markts in S eingestellt worden.

Der Antragsgegner hat auf das bereits im Vorfeld der Aufstellung des Bebauungsplans eingeholte Lärmgutachten vom September 2009 hingewiesen, dessen „Auflagen“ in den Bebauungsplan übernommen worden seien. Dadurch werde zum Schutz der Anwohner sichergestellt, dass die Richtwerte eingehalten würden. Das Vorhaben entspreche den Vorgaben des Bebauungsplans.

Die Beigeladene hat auf eine im Oktober 2009 in Anwesenheit des Antragstellers durchgeführte „Bürgerbenachrichtigung“ im Rahmen des Bauleitplanverfahrens und ferner ebenfalls auf das erwähnte Schallschutzgutachten verwiesen. In Absprache mit den Gutachtern sei der Anlieferungsbereich mit einer Überdachung geplant worden, die auf der letzten Seite des Gutachtens dargestellt sei. Die Einhausung werde so umgesetzt, dass der gesamte Anlieferbereich überdacht werde.

Am 18.8.2010 hat auch die Antragstellerin Widerspruch gegen die Baugenehmigung erhoben.

Das Verwaltungsgericht hat die Aussetzungsanträge mit Beschluss vom 27.8.2010 zurückgewiesen. In der Begründung heißt es, das genehmigte Vorhaben entspreche aller Voraussicht nach den Festsetzungen des Bebauungsplans, insbesondere was die zugelassene Art der baulichen Nutzung angehe. Eine Verletzung des Gebots nachbarlicher Rücksichtnahme, was die von dem Markt ausgehenden Immissionen anbelange, lasse sich nicht mit der erforderlichen Gewissheit feststellen. Die Baugenehmigung entspreche hinsichtlich der im Bebauungsplan geforderten Überdachung des Anlieferbereichs dessen textlichen Festsetzungen. Von den Antragstellern befürchtete Geräuschpegel insbesondere aufgrund des nur teilweise eingehausten Anlieferbereichs lägen nach dem Schallschutzgutachten im zulässigen Bereich, auch wenn der Beurteilungspegel für die Tageszeit am Wohnhaus der Antragsteller mit 55 dB(A) „punktgenau getroffen“ werde. Das dränge regelmäßig die Prüfung auf, ob in die Prognose alle entscheidenden Lärmfaktoren eingestellt worden seien. Hier sei aus Sicht der Antragsteller günstig, dass sich Ein- und Ausfahrt des Parkplatzes und der Eingangsbereich zum Markt an der ihnen abgewandten Seite des Grundstücks befänden. Im Hauptsacheverfahren könne von Bedeutung sein, dass der durch die im Markt vorgesehenen zahlreichen Kühlräume verursachte Lärm in die Prognose für die Anlieferung – soweit ersichtlich – einbezogen worden sei, nicht aber die Lärmemissionen der Kühlaggregate der Lkw. Diese seien erfahrungsgemäß während der Verladezeit in Betrieb, üblicherweise im Bereich des Fahrerhauses angebracht und befänden sich von daher, da die Rampe nach Lage der Dinge rückwärts angefahren werden müsse, nicht mehr in dem eingehausten Bereich und damit ohne Abschirmung auf „offener Straße“. Inwieweit das zu einer Überschreitung des Richtwertes führen könne, lasse sich nur schwer abschätzen. Andererseits ließe sich ein mögliches Überschreiten des Richtwertes am Wohnhaus der Antragsteller durch weitere nachträgliche Lärmschutzmaßnahmen in Form größerer Abschirmung verhindern. Eine vorübergehende Hinnahme geringfügiger Überschreitungen des Richtwerts von 55 dB(A) sei grundsätzlich zumutbar. Für Dorf-, Kern- und Mischgebiete, in denen das Wohnen ebenfalls zulässig sei, gelte ein Richtwert von 60 dB(A), der damit noch wohnverträglich sei. Allerdings sei die Zumutbarkeitsbetrachtung im Rahmen des Rücksichtnahmegebots nicht abschließend an die Einhaltung von Grenzwerten gebunden, sondern bedürfe im Hauptsacheverfahren einer Würdigung aller Umstände des Einzelfalls, die auch die Lästigkeit der Geräusche einschließe. Im Kapitel 4 der in der Auflage Nr. 3 des Landesamts für Umwelt- und Arbeitsschutz in Bezug genommenen schalltechnischen Untersuchung vom September 2009 seien unter anderem als Anliefermodalitäten vier jeweils vier Minuten rangierende Lkw pro Tag, davon zwei als worst-case-Ansatz während der Ruhezeiten, zehn kleinere Lieferwagen, davon zwei in Ruhezeiten, 30 Verladungen mit Rollwagen, davon 20 in Ruhezeiten und 10 Verladungen mit Palettenwagen außerhalb von Ruhezeiten „verbindlich festgelegt“ worden. Auch hinsichtlich sonstiger Verkehrsgeräusche könne nicht von unzumutbaren Auswirkungen für die Antragsteller ausgegangen werden. Sei damit der Ausgang der Widerspruchsverfahren offen, so habe es bei der bundesgesetzlich angeordneten sofortigen Vollziehbarkeit der Baugenehmigung zu verbleiben. Soweit die Antragsteller auf Probleme bei einem REWE-Markt in S und damit der Sache nach auf einen Beschluss der Kammer vom 4.7.2000 – 5 F 25/00 – hinwiesen, habe dem ein anderer Sachverhalt zugrunde gelegen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Antragsteller. Der Antragsgegner und die Beigeladenen haben die Zurückweisung des Rechtsmittels beantragt.

II.

Die gemäß § 146 VwGO statthafte Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 27.8.2010 – 5 L 744/10 – ist zulässig, aber unbegründet. Die nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO den gerichtlichen Prüfungsumfang im Beschwerdeverfahren bestimmende Beschwerdebegründung vom 4.10.2010 lässt keine abweichende Beurteilung ihres Eilrechtsschutzbegehrens zu. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Widersprüche gegen die der Beigeladenen unter dem 9.2.2010 erteilte Baugenehmigung zum „Neubau eines Vollsortimentmarktes, Herstellung von 142 Stellplätzen“ zu Recht zurückgewiesen.

In derartigen Antragsverfahren nach den §§ 80a Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist Entscheidungskriterium für die Verwaltungsgerichte die mit den Erkenntnismöglichkeiten des Eilverfahrens zu prognostizierende Erfolgsaussicht des in der Hauptsache eingelegten Nachbarrechtsbehelfs. Maßgebend ist daher nicht die objektive (umfassende) Zulässigkeit des bekämpften Bauvorhabens, sondern allein die Frage des Vorliegens einer für den Erfolg des Nachbarwiderspruchs oder gegebenenfalls einer anschließenden Anfechtungsklage der Antragsteller unabdingbaren Verletzung ihrem Schutz dienender Vorschriften des öffentlichen Rechts durch die Baugenehmigung (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). (vgl. etwa OVG des Saarlandes, Beschluss vom 28.8.1998 – 2 V 15/98 -, SKZ 1999, 120, Leitsatz Nr. 52, wonach der Umstand, dass eine Baugenehmigung lediglich gegen im öffentlichen Interesse erlassene Vorschriften verstößt und sich insoweit als erkennbar rechtswidrig erweist, keinen Grund darstellt, dem Nachbarinteresse an der Aussetzung der sofortigen Vollziehbarkeit den Vorrang einzuräumen; ebenso etwa Beschlüsse vom 26.1.2007 – 2 W 27/06 –, SKZ 2007, 135, vom 16.12.2003 – 1 W 42/03 -, vom 24.6.2004 – 1 W 18/04 –, SKZ 2005, 71, Leitsatz Nr. 26, und vom 6.9.2004 – 1 W 26/04 -, SKZ 2005, 94, Leitsatz Nr. 35) Lassen sich die Erfolgsaussichten im Aussetzungsverfahren aufgrund der verfahrensformbedingt eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten nicht abschließend positiv beurteilen, so ist für eine Anordnung der kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung (§§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, 212a Abs. 1 BauGB) ausgeschlossenen aufschiebenden Wirkung eines Nachbarrechtsbehelfs gegen eine Baugenehmigung nur Raum, wenn die überschlägige Rechtskontrolle zumindest gewichtige Zweifel an der nachbarrechtlichen Unbedenklichkeit der angefochtenen Genehmigung ergibt. (vgl. hierzu im Einzelnen etwa OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 27.10.2003 – 1 W 34/03 und 1 W 35/03 -, SKZ 2004, 85, Leitsatz Nr. 40, st. Rechtsprechung)

Das hat das Verwaltungsgericht in dem angegriffenen Beschluss bezogen auf die Rechtsstellung der Antragsteller als Eigentümer des dem Baugrundstück benachbarten Wohngrundstücks K. Straße Nr. 1 (Parzelle Nr. 25/4) zutreffend verneint. Auch unter Würdigung des Beschwerdevorbringens ist das Interesse der Antragsteller an der begehrten Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsbehelfs nachrangig gegenüber dem Interesse der Beigeladenen an einer vorläufigen Ausnutzung der Baugenehmigung.

Das vom Antragsgegner genehmigte Bauvorhaben entspricht der im Bebauungsplan „Q 100 Ortsmitte C-Stadt, 7. Teiländerung“ der Gemeinde C-Stadt hinsichtlich der zugelassenen Art baulicher Nutzung enthaltenen Festsetzung eines Sondergebiets für großflächigen Einzelhandel zur Ansiedlung eines „Vollsortimentmarktes“ mit einer maximalen Verkaufsfläche von 1.400 qm (§ 30 Abs. 1 BauGB). (vgl. in dem Zusammenhang OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 17.10.2006 – 2 W 19/06 –, SKZ 2007, 14, vom 20.12.2005 – 2 W 33/05 -, SKZ 2006, 49, Leitsatz Nr. 32, und SKZ 2006, 157, vom 13.3.2006 – 2 W 37/05 -, SKZ 2006, 163, vom 21.10.1996 – 2 W 29/96 -, vom 18.7.1995 – 2 W 31/95 -, SKZ 1996, 112, Leitsatz Nr. 12, vom 13.4.1993 – 2 W 5/93 -, BRS 55 Nr. 189, und vom 6.9.2004 – 1 W 26/04 -, wonach in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes regelmäßig keine inzidente Normenkontrolle durchzuführen, vielmehr von der Verbindlichkeit planerischer Festsetzungen für das Baugrundstück auszugehen ist) Auch wenn für das Eilrechtsschutzverfahren dazu noch keine abschließende Feststellung getroffen werden kann, erscheint es ferner zumindest nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die Baugenehmigung vom 9.2.2010 beziehungsweise das dadurch zugelassene Bauvorhaben unter dem von den Antragstellern geltend gemachten Aspekt einer unzumutbaren Lärmbeeinträchtigung durch den Anlieferverkehr für den Einzelhandelsbetrieb gegen (sonstige) zum Schutz der Grundstücksnachbarn getroffene Festsetzungen des Bebauungsplans verstößt oder das für den qualifiziert beplanten Bereich dem § 15 Abs. 1 BauNVO (1990) zu entnehmende Gebot nachbarlicher Rücksichtnahme verletzt.

Unter dem erstgenannten Gesichtspunkt machen die Antragsteller eine Nichtbeachtung der im textlichen Teil des Bebauungsplans unter Ziffer I.9 von der Gemeinde C-Stadt auf der Grundlage des § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB festgesetzten Vorkehrungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG) geltend und zwar insbesondere, soweit dort eine „Überdachung des Anlieferbereichs“ vorgeschrieben wird. In den für die Beurteilung der Nachbarrechtmäßigkeit der Baugenehmigung und damit auch für das vorliegende Verfahren – ungeachtet der tatsächlichen Bauausführung – allein maßgeblichen genehmigten Bauvorlagen ist der am dem Anwesen der Antragsteller zugewandten Ende des Gebäudes vorgesehene Anlieferbereich des geplanten Marktes mit einer 5,45 m hervortretenden, nach oben geschlossenen Einhausung aus 30 cm starken Betonwänden dargestellt, wobei die in seinem Inneren vorgesehene Verladerampe durch rückwärts über eine bis 4,5 % geneigte Rampe durch eine etwa 3,70 m breite Öffnung von Osten an diese heranfahrende Lieferfahrzeuge bedient werden soll. (vgl. dazu den mit Genehmigungsvermerk des Antragsgegners (Stempel) versehenen Lageplan „Erdgeschoss mit Außenanlage“, Blatt 66 der Bauakte) Es spricht aus derzeitiger Sicht nichts durchgreifend dafür, dass diese bauliche Ausgestaltung gegen die genannte „Festsetzung“ im Bebauungsplan verstößt beziehungsweise dafür, dass diese – wie die Antragsteller meinen – zwingend eine vollständige „Überdachung“ auch des Teils des vorgelagerten Geländes voraussetzt, auf dem sich der Anlieferverkehr als solcher vollziehen wird. Näher liegend erscheint es, den vom Satzungsgeber verwandten Begriff „Anlieferbereich“ bauwerksbezogen als den Bereich zu interpretieren, in dem sich die eigentlichen Entladevorgänge abspielen werden, zumal ein alleiniges Vorziehen der „Überdachung“ über den gesamten, im Übrigen zum Teil außerhalb der festgesetzten überbaubaren Grundstücksflächen befindlichen Standplatz der zur Belieferung eingesetzten Lkw ohnehin unter Lärmschutzgesichtspunkten wenig zielführend sein dürfte.

Nach der einleitenden Formulierung zur textlichen Festsetzung unter Ziffer I.9 des Bebauungsplans sind die dort genannten Vorgaben nach dem Willen des Plangebers dazu bestimmt, die Einhaltung der immissionsschutzrechtlich vorgegebenen Richtwerte zu gewährleisten. Für die Beurteilung des Bestehens subjektiver Abwehransprüche gegen das genehmigte Bauvorhaben dürfte daher ungeachtet der erwähnten Interpretationsfragen im Hauptsacheverfahren insoweit letztlich entscheidend sein, ob diese Richtwerte für das Anwesen der Antragsteller eingehalten werden.

Das zeigt insbesondere die in der Beschwerdebegründung ebenfalls angesprochene eher vage Vorgabe im Bebauungsplan, wonach im Falle einer Ausstattung von Räumen des Marktes mit „technischen Einrichtungen“ auf eine „ausreichende Schalldämmung der Außenbauteile geachtet“ werden solle. In der Begründung zum Bebauungsplan wird insoweit auf das von der Gemeinde C-Stadt bereits in der Planungsphase eingeholte externe schalltechnische Gutachten (vgl. die „Schalltechnische Untersuchung zum Neubau eines „Rewe-Einkaufsmarktes in Quierschied“ der Heine + Jud- Ingenieurbüro für Umweltakustik (Stuttgart) vom 28.9.2009) Bezug genommen. Dieses geht wie die immissionsschutzrechtlichen Auflagen in der Baugenehmigung aufgrund der entsprechenden Vorgabe der Gemeinde von einer Schutzbedürftigkeit der angrenzenden Wohnbebauung als allgemeines Wohngebiet aus und gelangt auch in Bezug auf das Anwesen der Antragsteller zur Einhaltung der hierfür geltenden Richtwerte von (Tag/Nacht) 55/40 dB(A) nach der TA-Lärm. (vgl. die Ziffer 6.1 der Sechsten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm – TA Lärm) vom 26.8.1998, GMBl S. 503) Bezogen auf den vorliegend betriebsbedingt eher „grenzwertigen“ Tageszeitraum haben sich für das Anwesen C-Straße der Antragsteller rechnerisch Beurteilungspegel (LrT) zwischen 53,2 dB(A) für das 2. Obergeschoss und 54, 1 dB(A) für das Erdgeschoss ergeben, die vom Gutachter in der Ergebnisbetrachtung auf den (zulässigen) Richtwert von 55 dB(A) aufgerundet wurden. (vgl. dazu die speziell das Anwesen der Antragsteller betreffende Anlage 5 zum Gutachten vom 28.9.2009)

Diese schallschutztechnische Beurteilung unterliegt in fachlicher Hinsicht auch bezogen auf diese Schlussfolgerungen zumindest keinen grundsätzlichen durchgreifenden Bedenken. Das Gutachten berücksichtigt auch den „Lieferverkehr“ für den Markt in dem im Beschluss des Verwaltungsgerichts detailliert wiedergegebenen und im Beschwerdeverfahren insoweit nicht als tatsächlich fehlerhaft gerügten Umfang (vgl. dazu Seite 7 oben (Abschnitt 4) und noch einmal detailliert Seite 11 (Abschnitt 5.2) des Gutachtens) auf der Grundlage einschlägiger fachlicher Erkenntnisse, hier konkret der Hessischen Landesanstalt für Umwelt. (vgl. die Bezugnahme auf den „Technischen Bericht zur Untersuchung der Lkw- und Ladegeräusche auf Betriebsgeländen von Frachtzentren, Auslieferungslagern und Speditionen“ auf Seite 11 des Gutachtens (dort Fußnote 1)) Diese datiert aus dem Jahr 1995 und dürfte daher angesichts der technischen Fortentwicklung in dem Bereich aus Sicht betroffener Nachbarn eher günstige Ansätze enthalten. In dem Gutachten wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass diese Emissionsansätze für die Liefertätigkeiten keine Angaben zur „Qualität“ enthalten, aber nach den Erfahrungen auf der „sicheren Seite“ liegen. (vgl. dazu Seite 15 (Abschnitt 6) des Gutachtens) Der dem Gutachten zur Erläuterung beigefügten Karte ist zu entnehmen, dass bei der Lärmprognose für den insoweit zutreffend als neuralgisch eingestuften Anlieferbereich von dessen „Überdachung“ in der in den (später) genehmigten Bauvorlagen dargestellten Form ausgegangen wurde. Insoweit wurden für das Anwesen der Antragsteller prognostisch neben zwei technischen Einrichtungen im südlichen Teil des Gebäudes, unter anderem den dort genehmigten Kühlräumen, und den zu erwartenden Auswirkungen des Verkehrs auf dem Kunden- und dem Personalparkplatz jeweils gesonderte Teilpegel für Verladungen, Lkw-Rangieren und Rangiervorgänge von Lieferwagen gemacht und im Ergebnis für alle Rechenpunkte auf dem Anwesen der Antragsteller eine Einhaltung der vorgegebenen Richtwerte prognostiziert.

Anhaltspunkte dafür, dass hier in fachlich unrichtiger Weise oder gar zur „Beschönigung“ von Ergebnissen vorgegangen worden wäre, sind nicht ersichtlich. Die Bezugnahme auf den technischen Bericht der Hessischen Landesanstalt lässt zwar nicht zwingend den Schluss zu, dass dabei der Betrieb von Kühlaggregaten bei Lkw mit Lebensmittelfracht berücksichtigt wurde. Jedenfalls verweist die im Beschwerdeverfahren von der Beigeladenen vorgelegte ergänzende gutachterliche Stellungnahme (vgl. die Stellungnahme des Dipl.Ing. (FH) Thomas H vom Ingenieurbüro Heine und Jud vom 8.11.2010, Blätter 137/138 der Gerichtsakte) ausgehend von einer Ausrüstung von zwei der vier im Gutachten in Ansatz gebrachten Lkw mit Kühlaggregaten und einer Laufzeit von einer Viertelstunde je Stunde Standzeit dieser Fahrzeuge darauf, dass es bei logarithmischer Addition der insoweit erfahrungsgemäß in Ansatz zu bringenden Teilleistungspegel von – je nach technischem Stand – 90 bzw. 97 dB(A) im Ergebnis in der Summe mit dann 54,4 dB(A) bei einem Wert unterhalb des Aufrundungsbetrags bliebe. Dem sind die Antragsteller jedenfalls nicht mehr gesondert entgegen getreten.

Vor dem Hintergrund ist allenfalls davon auszugehen, dass mit Blick auf die vom Verwaltungsgericht bereits angesprochene Nähe des prognostizierten Wertes zur oberen Grenze des den Antragstellern in dem Bebauungsplan der Gemeinde C-Stadt und in den Auflagen zur Baugenehmigung zugestandenen Schutzniveaus eine abschließende Klärung der Frage einer Rechtsverletzung der Antragsteller unter dem Aspekt im vorläufigen Rechtsschutzverfahren noch nicht möglich ist. Die vorstehenden Erwägungen rechtfertigen indes jedenfalls die Feststellung, dass den Antragstellern bis zur abschließenden Klärung im Hauptsacheverfahren, gegebenenfalls unter weiterer gutachterlicher Befassung mit dem Projekt der Beigeladenen und einer Bestimmung eventuell weitergehender Schutzmaßnahmen zur Sicherstellung der genannten Richtwerte, eine Hinnahme von Immissionen entsprechend dem Tagesrichtwert nach Ziffer 6.1 c) der TA-Lärm für Dorf-, Kern- und Mischgebiete von 60 dB(A) zugemutet werden kann. In den genannten Gebietstypen gehört das unabhängige Wohnen nach den sich aus §§ 5 Abs. 2 Nr. 3, 6 Abs. 2 Nr. 1 und 7 Abs. 2 Nr. 7 BauNVO ergebenden städtebaulichen Grundvorstellungen des Bundesgesetzgebers zu den regelmäßig zulässigen Nutzungen. Der genannte Richtwert von 60 dB(A) bildet gleichzeitig die Grenze für die Mittelwertbildung nach der Ziffer 6.7 der TA-Lärm in durch das Aneinanderstoßen von Gebieten mit gewerblicher beziehungsweise Wohnnutzung gekennzeichneten Gemengelagen. Da für die Nachtzeit (Ziffer 6.4 TA-Lärm) durch Auflage im Bauschein ein im Wege technischer Vorkehrungen sicherzustellendes Verbot des Befahrens des Parkplatzes angeordnet worden ist, ist es den Antragstellern im Ergebnis entsprechend der Wertung des Gesetzgebers in dem § 212a Abs. 1 BauGB zumutbar, die in dem Bauschein zugelassene Nutzung zumindest vorübergehend bis zu einer endgültigen Klärung im Hauptsacheverfahren hinzunehmen. Dass dabei eine Überschreitung des genannten Tagerichtwerts für Mischgebiete zu besorgen wäre, machen die Antragsteller selbst nicht geltend; dafür bieten auch die vorliegenden Verwaltungsunterlagen keine Anhaltspunkte.

Die vorstehenden Ausführungen gelten entsprechend für das – bezogen auf das insoweit maßgebliche Vorhabengrundstück – im beplanten Bereich dem § 15 Abs. 1 BauNVO 1990 zu entnehmende Gebot nachbarlicher Rücksichtnahme. Dessen Anforderungen mit Blick auf einen Schutz vor Lärm werden auch im Bereich immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftiger Vorhaben im Sinne des § 22 BImSchG im Grundsatz durch die einschlägigen technischen Regelwerke konkretisiert. Ob sich aufgrund der konkreten örtlichen Gesamtsituation einschließlich etwaiger Vorbelastungen bezogen auf die zu erwartenden Rangier- und Entladevorgänge oder den Betrieb von Kühlaggregaten an den Lkw während der Standzeiten hier Besonderheiten ergeben, die darüber hinaus zur Annahme einer einzelfallbezogenen Unzumutbarkeit des genehmigten Anlieferverkehrs gegenüber den Antragstellern Anlass geben könnten, lässt sich ebenfalls nur im Hauptsacheverfahren nach weiterer Sachaufklärung und gegebenenfalls Durchführung einer Ortseinsicht beantworten. Das verfassungsrechtliche Effektivitätsgebot des Art. 19 Abs. 4 GG gebietet im konkreten Fall keine verfahrensmäßige „Vorwegnahme“ des Hauptsacheverfahrens, insbesondere hinsichtlich der Tatsachenermittlung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes. (ebenso etwa OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 12.10.2009 – 2 B 440/09 – SKZ 2010, 49, Leitsatz Nr. 23 (Sportanlage in unmittelbarer Nähe zu Wohnbebauung), vom 15.1.2009 – 2 B 376/08 –, SKZ 2009, 240, Leitsatz Nr. 31 (Leergutlager einer Großbrauerei), und vom 6.9.2004 – 1 W 26/04 -, SKZ 2005, 94 Leitsatz Nr. 35 (PKW-Lackiererei mit Karosseriebauwerkstatt))

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, 159 VwGO, 100 ZPO. Der Ausspruch über die Erstattungsfähigkeit der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen in zweiter Instanz entspricht der Billigkeit im Sinne des § 162 Abs. 3 VwGO; sie hat im Rechtsmittelverfahren einen eigenen Antrag gestellt und damit Kostenrisiken übernommen (§ 154 Abs. 3 VwGO).

Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in den §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 3, 52 Abs. 1, 47 GKG.

Der Beschluss ist nicht anfechtbar.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 30.10.2008 – 5 L 804/08 – abgeändert und die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die unter dem 20.6.2008 für sofort vollziehbar erklärte Nutzungsuntersagung im Bescheid des Antragsgegners vom 15.5.2008 wieder hergestellt.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.800,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsteller wenden sich gegen ein mit Sofortvollzugsanordnung versehenes Verbot des Antragsgegners einer Pferdehaltung auf ihrem Grundstück Parzelle Nr. .../1 in Flur 9 der Gemarkung B in einem älteren, hinter dem straßennah errichteten Wohnhaus (Anwesen A-Straße) befindlichen Gebäude. Das Grundstück liegt in Ortslage und nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans.

Im Anschluss an eine durch Nachbarbeschwerden veranlasste Baukontrolle im September 2006 forderte der Antragsgegner die Antragsteller wiederholt, zuletzt im Januar 2007 förmlich, zur Einreichung eines Bau- und Befreiungsantrags für dieses und zwei weitere im rückwärtigen Grundstücksbereich festgestellte Gebäude auf. Ein Widerspruch der Antragsteller, die unter anderem eine Errichtung des beim Kauf des Grundstücks durch sie vorhandenen und von ihnen lediglich instand gesetzten „Stalls“ bereits im Jahre 1937 geltend gemacht hatten, wurde im November 2007 unter Verweis auf die Genehmigungsbedürftigkeit der Anlagen zurückgewiesen. (vgl. den Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses vom 27.11.2007 – KRA 6484-42/07 –)

Im April 2008 reichten die Antragsteller einen Bauantrag für die drei Gebäude ein. In den Plänen wurde das hier streitgegenständliche 5 m x 6,28 m große Gebäude als „Schuppen“ bezeichnet und hinsichtlich der beabsichtigten Nutzung „Zimmer“ angegeben.

Mit Bescheid vom 15.5.2008 untersagte der Antragsgegner den Antragstellern die Nutzung dieses Gebäudes als Pferdestall binnen eines Monats und drohte ihnen für den Fall der Nichtbefolgung ein Zwangsgeld von je 500,- EUR an. Zur Begründung ist ausgeführt, die Antragsteller seien bereits in einem früheren Verfahren auf die „voraussichtliche“ Unzulässigkeit der Pferdehaltung auf dem Grundstück hingewiesen worden. Dennoch werde das Gebäude, wie eine Baukontrolle vom 13.5.2008 ergeben habe, weiterhin entsprechend genutzt. Die nähere Umgebung sei unzweifelhaft als allgemeines Wohngebiet im Sinne des § 4 BauNVO einzustufen Hier sei eine Pferdehaltung grundsätzlich unzulässig und daher „erst gar nicht genehmigungsfähig“. Aus diesem Grund habe die Kreisstadt St. Wendel zu einer entsprechenden Bauvoranfrage der Voreigentümerin das Einvernehmen versagt. Auch das Landesamt für Umwelt- und Arbeitsschutz habe wegen Belästigungen für Anwohner erhebliche Bedenken geäußert.

Mit Eingang am 9.6.2008 erhoben die Antragsteller Widerspruch und „erweiterten“ den eingereichten Bauantrag dahingehend, dass eine Nutzung des Gebäudes als Pferdestall „beantragt“ werde.

Nach einer erneuten Beschwerde aus der Nachbarschaft ordnete der Antragsgegner unter dem 20.6.2008 die sofortige Vollziehbarkeit des Nutzungsverbots an. In der Begründung heißt es, die Pferdehaltung im hinteren Grundstücksteil sei bereits 2001 Gegenstand eines bauaufsichtlichen Verfahrens gewesen. Seinerzeit hätten weder die Kreisstadt St. Wendel noch die Fachbehörde für Immissionsschutz zugestimmt. Letztere habe auf erhebliche Belästigungen für die teilweise nur 10 m bis 20 m entfernten Wohnanwesen hingewiesen. Gleiches treffe auf die Haltung von Pferden durch die Antragsteller zu. Die schädlichen Immissionen seien den Anwohnern nicht weiter zuzumuten. Demgegenüber entstünden den Antragstellern keine „unwiderruflichen Nachteile“. Die Pferde könnten „sonstwo“ untergebracht und bei einem Erfolg des Rechtsbehelfs ohne größeren Aufwand zurückgebracht werden.

Mit dem im August 2008 gestellten Aussetzungsantrag haben die Antragsteller unter Darlegung von Nutzungen der Grundstücke vor allem an der Z. Straße im Wesentlichen geltend gemacht, der Umgebungscharakter entspreche einem Dorfgebiet, in dem die Pferdehaltung zulässig sei. Hinter den Anwesen Nr. 32 und Nr. 36 würden ebenfalls Pferde gehalten. Mehrere baufreie Grundstücke in der Straße dienten heute noch landwirtschaftlichen Zwecken. In ganz B würden bei ca. 2.500 Einwohnern etwa 150 Pferde gehalten, unter anderem auch in dem 200 m von ihrem Grundstück entfernten Anwesen N Straße 52. Dort (Nr. 5) befinde sich ferner ein landwirtschaftlicher Betrieb. Das eigene Anwesen habe als sog. „Grubenbauernhaus“ wie umliegende Grundstücke auch einer landwirtschaftlichen Nutzung gedient und genieße insoweit Bestandsschutz. Das gelte auch für die Benutzung des im Streit befangenen, 1937 errichteten Gebäudes als Pferdestall. Nach Angaben des Herrn J, der auf dem Anwesen zwischen 1937 und 1958 gewohnt habe, seien in dieser Zeit dort Pferde gehalten worden. Nach dessen Auszug habe sein Vater dort bis in die 1970er Jahren Pferde gehalten. Anschließend habe der Enkel, Herr S, bis in die 1990er Jahre die Pferdehaltung fortgesetzt. Damals seien zunächst Rückepferde und anschließend Kutschpferde gehalten worden und zwar bis zum Verkauf des Anwesens an die Eheleute K. Von 2000 bis 2004 habe dann Frau K die Pferdehaltung in dem im Streit befangenen Stall fortgesetzt, bevor sie – die Antragsteller – das Grundstück erworben hätten. Vor diesem Hintergrund sei auch die nachträgliche Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit des Verbots durch den Antragsgegner, der auf eine Anhörung verzichtet habe und sich seit zwei Jahren mit der Sache befasse, nicht nachzuvollziehen. Die jahrzehntelange Haltung von Pferden könnten auch die Eheleute A bezeugen. Sie und weitere Nachbarn bestätigten ferner, dass von ihren Pferden keine Belästigungen ausgingen. Die Tiere seien ohnehin tagsüber auf der ihrem Anwesen gegenüberliegenden Koppel. Belästigt fühle sich nur der Anzeiger R, dessen Beschwerden persönliche Gründe hätten. Nach einer gemeinsamen Begehung mit Mitarbeitern des Landesamts für Umwelt- und Arbeitsschutz habe auch dieses in einer Stellungnahme vom 24.7.2008 keine grundsätzlichen Bedenken geäußert. Die in dem Schreiben enthaltenen Auflagen könnten problemlos eingehalten werden. Eine Beeinträchtigung des konkret Beschwerde führenden Nachbarn sei ausgeschlossen worden. Zum Beleg ihrer Angaben haben die Antragsteller Ablichtungen schriftlicher Erklärungen des Herrn J und der Nachbarn T, A sowie S zur Akte gereicht.

Der Antragsgegner hat darauf verwiesen, dass bereits die formelle Illegalität der Nutzung deren Untersagung rechtfertige. Die Genehmigungsbedürftigkeit der Pferdehaltung ergebe sich aus dem bestandskräftigen Widerspruchsbescheid vom November 2007. Sie sei auch nicht genehmigungsfähig. Die Umgebung könne nicht als Dorfgebiet eingestuft werden. In ihr fänden sich keine landwirtschaftlichen Betriebe. Die von den Antragstellern reklamierten Pferdehaltungen auf den Anwesen Nr. 32, Nr. 36 und Nr. 38 seien keine landwirtschaftlich privilegierten Nutzungen. Die Grundstücke lägen auch auf der anderen Straßenseite mit „Blickrichtung zum Außenbereich“. Bestandschutz könne der Pferdehaltung der Antragsteller nicht zugebilligt werden. Den Anwohnern im Wohngebiet stehe gegen die Nutzung baurechtlicher Drittschutz zu. Die Anordnung des Sofortvollzugs sei stichhaltig begründet.

Der Antragsgegner hat eine Bauakte vorgelegt, wonach einem Herrn J im Mai 1950 die Errichtung eines „Holzschuppens (Heuschober)“ 5 m hinter dem im Lageplan als Bestand verzeichneten Wohngebäude auf der linken Grenze zum Nachbarn genehmigt worden ist. (vgl. hierzu den Bauschein Nr. 541/50 mit Befreiungsbeschluss vom 19.5.1950) Weitere Unterlagen zu dem Anwesen seien nicht vorhanden.

Das Verwaltungsgericht hat den Aussetzungsantrag mit Beschluss vom 30.10.2008 zurückgewiesen. In der Begründung heißt es, der Antragsgegner habe seine Verfügung tragend darauf gestützt, dass die Nutzung der Baulichkeit als Pferdestall „voraussichtlich baurechtlich nicht zulässig“ sei. Nach ständiger Rechtsprechung der saarländischen Verwaltungsgerichte rechtfertige bereits die ohne erforderliche Baugenehmigung aufgenommene Nutzung die Untersagung, sofern diese Nutzung nicht Bestandsschutz genieße oder offensichtlich genehmigungsfähig sei. Eine förmliche Genehmigung gebe es nicht. Eine offensichtliche Genehmigungsfähigkeit liege nicht vor. Die von den Antragstellern angeführte landwirtschaftliche Nutzung der Baulücken in der Straße rechtfertige nicht die Annahme eines Dorfgebiets. Der landwirtschaftliche Betrieb in der N Straße gehöre aller Voraussicht nach nicht mehr zur maßgeblichen Umgebungsbebauung. Bei den behaupteten Pferdehaltungen auf der Südseite der Z. Straße spreche vieles dafür, dass diese im Außenbereich stattfänden. Die aktuelle Pferdehaltung der Antragsteller sei nicht prägend für den Gebietscharakter. Diese könnten sich aller Voraussicht nach auch nicht auf Bestandsschutz berufen. „Nichts aber auch gar nichts“ spreche für die Annahme, dass sich die zuständigen Behörden mit der von den Antragstellern behaupteten jahrzehntelangen Tierhaltung abgefunden hätten. Die behauptete Pferdehaltung seit 1937 werde durch den Bauschein aus dem Jahre 1950 „eindeutig widerlegt“. Der damals genehmigte Holzschuppen sei offenkundig ein völlig anderes Bauwerk als der streitige massive Pferdestall mit teilweise identischem Standort. Pferdehaltung sei damals offenkundig nicht mit bauaufsichtlicher Billigung erfolgt, da es sonst keinen Sinn gemacht habe, das genehmigte Bauwerk als „Heuschober“ zu bezeichnen. Dass die Antragsteller bei ihrem Bauantrag im März 2008 selbst die Nutzungsangabe „Zimmer“ verwandt hätten, unterstreiche mit Nachdruck die eigene Einschätzung, dass die Pferdehaltung stets unter dem Damoklesschwert gestanden habe, bei Bekanntwerden wegen Unvereinbarkeit mit dem Gebietscharakter untersagt zu werden. Das gelte auch für die behaupteten sonstigen Pferdehaltungen, soweit diese im Innenbereich erfolgten. Dies könne nur im Rahmen einer Ortsbesichtigung geklärt werden, für die im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes kein Raum sei. Bauaufsichtliche Befugnisse unterlägen keiner Verwirkung und bloßes Nichteinschreiten über einen längeren Zeitraum begründe kein schutzwürdiges Vertrauen. Es spreche vieles für die Richtigkeit der vom Antragsgegner vorgenommenen Einstufung der Umgebung als allgemeines Wohngebiet, in dem eine Großtierhaltung unabhängig vom Einverständnis einzelner Nachbarn nicht zulässig sei. Dem Hinweis der Antragsteller auf eine ihrerseits beabsichtigte landwirtschaftliche Erwerbstätigkeit komme daher keine Bedeutung zu. Die Beeinträchtigungen durch Tiergerüche seien auch von der Windrichtung abhängig. Wirtschaftliche Folgen für den Pflichtigen spielten keine Rolle, da ansonsten derjenige privilegiert werde, der sich möglichst intensiv über das formelle Genehmigungserfordernis hinwegsetze. Die Nutzungsuntersagung sei offensichtlich rechtmäßig.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde.

II.

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 30.10.2008 – 5 L 804/08 –, mit der sie ihr Aussetzungsbegehren weiter verfolgen, ist begründet. Die nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO den gerichtlichen Prüfungsumfang im Beschwerdeverfahren bestimmende Beschwerdebegründung vom 8.12.2008 gebietet eine abweichende Beurteilung des Eilrechtsschutzbegehrens (§ 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat das Interesse der Antragsteller an der begehrten Wiederherstellung des Suspensiveffekts (§ 80 Abs. 1 VwGO) ihres Rechtsbehelfs zu Unrecht als nachrangig eingestuft.

Nach dem Ergebnis des Beschwerdeverfahrens bestehen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des von der Antragsgegnerin im Bescheid vom 15.5.2008 ausgesprochenen Verbots, das darin bezeichnete Gebäude auf der Parzelle Nr. .../1 in Flur 9 der Gemarkung B als Pferdestall zu benutzen. Der Ausgang des Hauptsacheverfahrens muss nach gegenwärtigem Erkenntnisstand zumindest als offen bezeichnet werden.

Zweifelhaft ist bereits das Vorliegen der in der einschlägigen Ermächtigungsgrundlage des § 82 Abs. 2 LBO 2004 genannten Voraussetzungen für den Erlass eines Nutzungsverbots. Nach dieser Vorschrift kann die zuständige Bauaufsichtsbehörde – hier gemäß §§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 1 LBO 2004 der Antragsgegner – die Nutzung baulicher Anlagen untersagen, wenn sie im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt werden. Zwar rechtfertigt – wie das Verwaltungsgericht im Grundsatz zutreffend herausgestellt und wie auch der Antragsgegner in der Antragserwiderung vom 2.9.2008 richtig ausgeführt hat – regelmäßig bereits die sich aus dem Nichtvorliegen einer im Einzelfall notwendigen Baugenehmigung für die Benutzung einer baulichen Anlage ergebende formelle Illegalität (Genehmigungsbedürftigkeit) einer Nutzung deren Untersagung. (ständige Rechtsprechung des Senats im Anschluss an OVG des Saarlandes, Urteil vom 9.3.1984 – 2 R 175/82 –, BRS 42 Nr. 227, damals noch zu § 104 LBO 1974/80, zuletzt Beschluss vom 3.7.2007 – 2 B 219/07 –, SKZ 2008, 77, Leitsatz Nr. 25)

Hierauf hat der Antragsgegner, wie die Antragsteller in der Beschwerdebegründung zu Recht hervorheben, in der hier maßgeblichen Verfügung vom 15.5.2008 jedoch gerade nicht tragend abgestellt. In der dort gegebenen Begründung für die gemäß § 82 Abs. 2 LBO 2004 in das Ermessen der Behörde gestellte Nutzungsuntersagung werden ausschließlich materiellrechtliche Gesichtspunkte bezogen auf die aus Sicht des Antragsgegners fehlende materielle Zulässigkeit (Genehmigungsfähigkeit) der Nutzung angeführt, was auch für die Rechtmäßigkeitsprüfung im gerichtlichen Anfechtungsstreit die Frage der materiellen Illegalität der Nutzung aufwirft. (vgl. dazu etwa Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2. Auflage 2005, Kp. IX RNr. 30 mit Rechtsprechungsnachweisen; zuletzt OVG des Saarlandes, Beschluss vom 19.9.2007 – 2 B 355/07 –, SKZ 2008, 78, Leitsatz Nr. 27) Im Bescheid vom 15.5.2008 heißt es dazu, die nähere Umgebung lasse sich „zweifelsfrei als allgemeines Wohngebiet … einstufen“. Dort sei die Pferdehaltung „grundsätzlich unzulässig“. Ferner wurde auf vom Landesamt für Umwelt und Arbeitsschutz geäußerte erhebliche Bedenken „wegen Belästigungen für die Anwohner“ durch die „Unterhaltung eines Pferdestalls“ in einem von der Voreigentümerin K eingeleiteten Vorbescheidsverfahren verwiesen. Die bisher nicht legalisierte Nutzung sei daher „erst gar nicht genehmigungsfähig“ und deswegen zu untersagen gewesen. Aus diesen Ausführungen erschließt sich ohne Weiteres, dass für den Antragsgegner im konkreten Fall bei Ausübung des ihm eingeräumten Entschließungsermessens die – aus seiner Sicht – materielle baurechtliche Unzulässigkeit der Haltung der beiden Pferde in dem Stallgebäude, und zwar allein in planungsrechtlicher Hinsicht, entscheidend für das Einschreiten gewesen ist. Nichts anderes ergibt sich im Übrigen aus der nachträglich unter dem 20.6.2008 vorgenommenen Anordnung sofortiger Vollziehbarkeit des Nutzungsverbots. Auch darin wird wesentlich auf die nach Auffassung des Antragsgegners fehlende materielle Genehmigungsfähigkeit der Pferdehaltung und die sich (gerade) daraus ergebende mangelnde Erfolgsaussicht des Rechtsbehelfs der Antragsteller in der Hauptsache abgestellt.

Nach Aktenlage ist keine Entscheidung über den Widerspruch der Antragsteller ergangen, so dass unter Ermessensgesichtspunkten allein die Begründung des Antragsgegners im Ausgangsbescheid vom 15.5.2008 maßgeblich bleibt. Ausweislich eines in den Bauakten eingehefteten Protokolls über die Sitzung des Kreisrechtsausschusses am 5.9.2008 – KRA 6568-52/08 – wurde das Widerspruchsverfahren mit Blick auf Bemühungen der Antragsteller um Erwerb eines „alternativen“ Grundstücks bis Ende Februar 2009 ausgesetzt. Auf die bloße Möglichkeit einer Änderung der Begründung der Ermessenentscheidung durch die Widerspruchsbehörde kommt es insoweit nicht an.

Die damit vom Antragsgegner tragend angeführte materiellrechtliche Unzulässigkeit und dementsprechend fehlende Genehmigungsfähigkeit lässt sich angesichts des streitigen Vorbringens der Beteiligten gegenwärtig mit den eingeschränkten Erkenntnismitteln des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens nicht abschließend beurteilen, so dass auch unter dem Gesichtspunkt nicht von der vom Verwaltungsgericht angenommenen offensichtlichen Rechtmäßigkeit des Nutzungsverbots ausgegangen werden kann. In materieller Hinsicht hat im Übrigen auch das Verwaltungsgericht zumindest im Ansatz lediglich die Frage einer evidenten („offensichtlichen“) Genehmigungsfähigkeit aufgeworfen. Selbst in der hauptsachebezogen streitgegenständlichen Nutzungsuntersagung vom 15.5.2008 ist zumindest einleitend eher zurückhaltend lediglich die Rede davon, dass die Pferdehaltung „voraussichtlich“ nicht zulässig sei.

Zwar steht außer Frage, dass eine Großtierhaltung in einer (faktisch) einem reinen oder einem allgemeinen Wohngebiet im Verständnis der §§ 3 oder 4 BauNVO 1990 entsprechenden Umgebungsbebauung der nicht qualifiziert beplanten Ortslage (§ 34 Abs. 2 BauGB) mit dem Gebietscharakter nicht vereinbar und daher unzulässig ist. Zweifelhaft ist jedoch, ob die hier maßgebliche Umgebungsbebauung „gebietsrein“ in diesem Sinne eingeordnet werden kann. Die Antragsteller haben immer vorgetragen, dass seit Jahrzehnten durchgängig von verschiedenen Eigentümern oder Nutzern des Anwesens in dem hier zur Rede stehenden Gebäude Großtiere, speziell Pferde, gehalten worden seien. Für die Richtigkeit dieser Behauptung haben sie mehrere Zeugen benannt und entsprechende schriftliche Erklärungen von Anwohnern vorgelegt. Sollte tatsächlich, wofür es nach dem Gesagten ernst zu nehmende Anhaltspunkte gibt, über viele Jahrzehnte durchgängig und unbeanstandet eine (Groß-)Tierhaltung auf dem Grundstück stattgefunden haben, so erscheint zweifelhaft, ob sich die maßgebliche Umgebung „gebietsrein“ einem Wohngebiet nach den Kategorien der Baunutzungsverordnung zuordnen ließ und lässt. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob – wie die Antragsteller meinen – nach den entsprechenden Kriterien von einem „reinen“ Dorfgebiet im Verständnis des § 5 BauNVO 1990 ausgegangen werden kann. Naheliegend erscheint auch, dass die Umgebung durch unterschiedliche Nutzungen geprägt ist und der insoweit im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB maßgebliche Nutzungsrahmen auch mit Blick auf die von den Antragstellern angeführten sonstigen Pferdehaltungen in der unmittelbaren Nachbarschaft, auch eine Großtier-, konkret eine Pferdehaltung, umfasst. Daraus könnte sich vorbehaltlich einer Beachtung der Anforderungen des Rücksichtnahmegebots eine Zulässigkeit jedenfalls nach planungsrechtlichen Kriterien ergeben.

Die sich mit Blick auf das baurechtliche Gebot nachbarlicher Rücksichtnahme (§ 34 Abs. 1 bzw. Abs. 2 i.V.m. § 15 BauNVO) stellende Frage, ob durch unsachgemäße Haltung oder Behandlung der Ausscheidungen der Pferde tatsächlich unzumutbare Belästigungen für die Anwohner hervorgerufen werden, kann abschließend ebenfalls erst im Hauptsacheverfahren beantwortet werden. Dabei würde es sich indes eher um Missstände handeln, die nicht primär die baurechtliche Genehmigungsfähigkeit einer Pferdehaltung als solcher betreffen, sondern gegebenenfalls die Frage der Notwendigkeit polizeilicher Gegenmaßnahmen zur Abhilfe aufwerfen würden. Die Antragsteller, die das in Abrede stellen und sich angeblich insoweit dem „Terror“ eines bestimmten Nachbarn aus persönlichen Motiven heraus ausgesetzt sehen, haben jedenfalls unwidersprochen vorgetragen und durch ein Schreiben des Landesamts für Umwelt- und Arbeitsschutz vom 24.7.2008 belegt, dass dort nach Überprüfung der Örtlichkeit bei Beachtung bestimmter – erfüllbarer – Auflagen hinsichtlich der Immissionen der Tierhaltung „keine grundsätzlichen Bedenken“ bestünden. Sie haben darüber hinaus Erklärungen der Eigentümer der unmittelbar rechts und links anschließenden Nachbargrundstücke vorgelegt, wonach es durch die Pferdehaltung der Antragsteller in der Vergangenheit „weder zu störenden Geruchs- oder zu Lärmemissionen“ gekommen sein soll. Die Frage einer baurechtlichen Rücksichtslosigkeit der konkreten Pferdehaltung der Antragsteller, die nach ihren ebenfalls unwidersprochenen Angaben die beiden Pferde zudem tagsüber auf eine Koppel jenseits der Straße verbringen, kann daher gegenwärtig allenfalls als offen bezeichnet werden.

Abschließend geklärt werden können die insoweit aufgeworfenen Fragen eines möglicherweise „diffusen“ Umgebungscharakters gerade hinsichtlich des jeweiligen Umfangs und der Zeiträume der Pferdehaltungen, ihrer prägenden Wirkung auf den Umgebungscharakter des Anwesens der Antragsteller wie auch der Unzumutbarkeit (Rücksichtslosigkeit) speziell ihrer Pferdehaltung gegenüber der unmittelbar angrenzenden Nachbarschaft nur durch eine weitere Sachverhaltsermittlung und eine Ortseinsicht, für die im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes grundsätzlich kein Raum ist. (dazu zuletzt OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 6.9.2004 – 2 W 26/04 –, SKZ 2005, 94, Leitsatz Nr. 94 (Nachbarschutz), vom 26.1.2007 – 2 W 27/06 –, SKZ 2007, 135 ff. (Nachbarschutz), vom 29.3.2007 – 2 B 7/07 –, NVwZ-RR 2007, 581 (Baueinstellung), BRS 71 Nr. 185, Beschluss vom 19.9.2007 – 2 B 355/07 –, SKZ 2008, 78, Leitsatz Nr. 27 (Nutzungsverbot), vom 31.10.2008 – 2 B 347/08 – und vom 15.1.2009 – 2 B 376/08 –)

Auf der Rechtsfolgenseite unterliegt die Nutzungsuntersagung des Antragsgegners unter Ermessensgesichtspunkten (§ 82 Abs. 2 LBO 2004) ferner rechtlichen Bedenken, soweit die Antragsteller ebenfalls wiederholt vorgetragen haben, dass auf zwei in der näheren Umgebung befindlichen Grundstücken ebenfalls Pferde gehalten würden, ohne dass sich der Antragsgegner in seiner Verfügung oder in sonstigen Stellungnahmen damit auseinandergesetzt hätte. Hierin könnte eine Verletzung des im Rahmen des Eingriffsermessens zu beachtenden Willkürverbots (Art. 3 Abs. 1 GG) liegen.

Sind aber nach dem Gesagten die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs der Antragsteller bezogen auf das Nutzungsverbot gegenwärtig offen, so ist ihrem Interesse an der Aussetzung der Vollziehbarkeit der Anordnung nach gegenwärtigem Erkenntnisstand insbesondere angesichts der Wertungsvorgabe des § 80 Abs. 1 VwGO der Vorrang einzuräumen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf dem § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in den §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 3, 52 Abs. 1, 47 GKG.

Der Beschluss ist nicht anfechtbar.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.