Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 24. Juni 2015 - 4 L 32/15

ECLI:ECLI:DE:OVGST:2015:0624.4L32.15.0A
bei uns veröffentlicht am24.06.2015

Tenor

Die Anträge des Klägers und der Beklagten, die Berufung gegen das auf die mündliche Verhandlung vom 10. Februar 2015 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Halle - 4. Kammer - zuzulassen, werden abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens zu 77 % und die Beklagte zu 23 %.

Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 198.290,88 € festgesetzt.

Gründe

1

Die Anträge des Klägers (I.) und der Beklagten (II.) haben keinen Erfolg.

2

I. Der statthafte Antrag des Klägers ist unbegründet.

3

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO macht der Kläger nicht in hinreichender Weise geltend.

4

Der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist immer schon dann erfüllt, wenn im Zulassungsverfahren ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird. Schlüssige Gegenargumente liegen bereits dann vor, wenn mit dem Zulassungsantrag substanziiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt werden, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (so BVerfG, Beschl. v. 20. Dezember 2010 - 1 BvR 2011/10 -, zit. nach JURIS).

5

Diese Voraussetzung liegt nicht vor.

6

a) Das Kostenbeteiligungssystem des § 23 Abs. 5 StrG LSA findet - wie der beschließende Senat in seinem Urteil vom 24. März 2009 (- 4 L 438/06 -, zit. nach JURIS) im Einzelnen dargelegt hat - keine unmittelbare Anwendung auf vor Inkrafttreten des Straßengesetzes (10. Juli 1993) hergestellte oder erneuerte Abwasseranlagen. Entgegen der Ansicht des Klägers folgt angesichts des Wortlauts der Regelung und des Fehlens von Übergangsvorschriften weder aus der Formulierung „Erfolgt eine Straßenentwässerung…“ noch aus dem Anschlussgrad der Bevölkerung an eine zentrale Abwasserentsorgung im Jahre 1990 eine Erstreckung der Norm auf vor dem Inkrafttreten des Straßengesetzes bereits hergestellte oder erneuerte Anlagen.

7

Auch eine analoge Anwendung des § 23 Abs. 5 StrG LSA kommt mit dem Verwaltungsgericht nicht in Betracht.

8

Jede Art der richterlichen Rechtsfortbildung (hier die Analogie) setzt eine Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes voraus. Hat der Gesetzgeber eine eindeutige Entscheidung getroffen, dürfen die Gerichte diese nicht aufgrund eigener rechtspolitischer Vorstellungen verändern oder durch eine judikative Lösung ersetzen. Ob eine Gesetzeslücke vorliegt, ist danach zu beurteilen, ob die vom Regelungsprogramm des Gesetzgebers erfassten Fälle in den gesetzlichen Vorschriften tatsächlich Berücksichtigung gefunden haben. Sie ist zu bejahen, wenn festzustellen ist, dass der Wortlaut der Vorschrift nicht alle Fälle erfasst, die nach dem Sinn und Zweck der Regelung erfasst sein sollten (so BVerwG, Urt. v. 12. September 2013 - 5 C 35.12 -, zit. nach JURIS, m.w.N.) bzw. wenn der Anwendungsbereich der Norm wegen eines versehentlichen, mit dem Normzweck unvereinbaren Regelungsversäumnisses des Normgebers unvollständig ist (so BVerwG, Urt. v. 25. April 2013 - 6 C 5.12 -, zit. nach JURIS, m.w.N.).

9

Nach diesen Maßgaben liegt schon keine Regelungslücke vor, da ein versehentliches Regelungsversäumnis des Gesetzgebers nicht anzunehmen ist. Dagegen spricht der aus dem Fehlen einer differenzierenden Übergangsregelung herzuleitende Wille des Gesetzgebers, das Kostenbeteiligungssystem des § 23 Abs. 5 StrG ausschließlich auf nach Inkrafttreten des Straßengesetzes hergestellte oder erneuerte Anlagen anzuwenden. Dass nach den maßgeblichen Regelungen der DDR die Einleitung des Straßenoberflächenwasser in Entwässerungseinrichtungen, die dem Bereich der Wasserwirtschaft oder anderen Rechtsträgern zuzuordnen waren, entgeltfrei waren, lässt keine hinreichenden Rückschlüsse auf ein Regelungsversäumnis zu. Denn nach den DDR-Vorschriften gab es gerade - worauf der Kläger selbst hinweist - auch keine Kostenbeteiligungsregelung. Die Bestimmung des § 23 Abs. 2 StrG LSA ist sowohl nach ihrem Wortlaut als auch nach ihrem Sinn und Zweck nicht mit § 23 Abs. 5 StrG LSA vergleichbar.

10

Die Anwendbarkeit des KAG LSA auf die Einleitung von Straßenoberflächenwasser in die Einrichtung einer mit dem Träger der Straßenbaulast nicht identischen Körperschaft wird weiterhin nicht durch § 51 Abs. 8 StrG LSA ausgeschlossen. Danach gelten nach früherem Recht bewilligte Nutzungen an Straßen als Sondernutzungen (§ 18) oder sonstige Nutzungen (§ 23) nach diesem Gesetz (Satz 1). Werden sonstige Nutzungen verändert, ist der Abschluss eines Nutzungsvertrages erforderlich (Satz 2). Dabei geht es aber um die Benutzung der Straße (vgl. § 18 Abs. 1 Satz 1 StrG LSA) bzw. des Eigentums der Straßen (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 1 StrG LSA) durch Dritte. Die dem Straßenbaulastträger zuzurechnende Einleitung von Straßenoberflächenwasser in die Einrichtung einer anderen Körperschaft ist nicht als Nutzung der Straße i.S.d. § 51 Abs. 8 StrG LSA anzusehen.

11

b) Da weder § 22 GO LSA bzw. § 24 Abs. 1 KVG LSA noch die §§ 5 Abs. 1 Satz 1, 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA bestimmen, was als öffentliche (leitungsgebundene) Einrichtung im Sinne dieser Vorschrift gilt, muss die Gemeinde für das Gebühren- und Beitragsrecht der leitungsgebundenen Anlagen grundsätzlich in einer Satzung regeln, ob sie eine oder mehrere öffentliche Einrichtungen betreibt (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 28. September 2009 - 4 K 356/08 -, zit. nach JURIS). Welchen Zwecken eine öffentliche Einrichtung dient und welchen Nutzungsumfang sie hat, wird durch ihre Widmung bestimmt (vgl. OVG Niedersachsen, Beschl. v. 11. Dezember 2012 - 10 ME 130/12 -; OVG Thüringen, Urt. v. 8. September 2011 - 4 KO 30/08 -, jeweils zit. nach JURIS). Die Widmung ist vorbehaltlich gesetzlicher Regelungen nicht formgebunden. Sie kann insbesondere auch konkludent erfolgen; dazu ist eine Würdigung der Gesamtumstände erforderlich (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 21. Oktober 2014 - 4 L 195/13 -, zit. nach JURIS, m.w.N.; Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 4 Rdnr. 46, m.w.N.). Danach kann sich die Bestimmung des Zwecks und des Umfangs der Einrichtung sowohl aus der Abgabensatzung als auch der (technischen) Anschlussatzung ergeben (so auch VG Magdeburg, Urt. v. 11. November 2014 - 9 A 150/14 -, zit. nach JURIS; vgl. weiter OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 4. November 2004 - 1 L 252/03 -, zit. nach JURIS). Soweit der Kläger demgegenüber auf eine Literaturmeinung (Driehaus, a.a.O., § 6, Rdnr. 702) abhebt, ergibt sich aus der dort zitierten Entscheidung des für das Kommunalabgabenrecht früher zuständigen 1. Senats (Urt. v. 9. Oktober 2003 - 1 K 459/01 -, zit. nach JURIS) nichts anderes. Zudem ist es auch nach dieser Literaturmeinung nicht ausgeschlossen, die Widmung insgesamt in einer der beiden Satzungen vorzunehmen. Lediglich für den Fall widersprechender Regelungen wird dort die Frage des Vorrangs erörtert (vgl. auch OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 28. September 2009 -, a.a.O.).

12

Mit den auf dieser Grundlage getroffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts zum Umfang und Zweck der Einrichtung der Beklagten setzt sich der Kläger schon nicht hinreichend i.S.d. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO auseinander. Das Gericht hat im Einzelnen dargelegt, die Beklagte habe mit den § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 und 2 ihrer Abwasserbeseitigungssatzung vom 25. März 1999 i.d.F. der Änderungssatzung vom 26. August 2004 sowie den § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 2 und 4 ihrer Abwasserbeseitigungssatzungen vom 26. November 2009 und 28. Juli 2011 bestimmt, dass sie eine rechtlich selbständige öffentliche Einrichtung zur Niederschlagswasserbeseitigung betreibe, deren Zweck auch die Beseitigung von Straßenoberflächenwasser umfasse. Die bloße Behauptung des Klägers, die Satzung enthalte keine Definition einer Niederschlagswasserbeseitigungsanlage für Grundstücksoberflächenwasser und Straßenoberflächenwasser, für deren Richtigkeit er lediglich den Wortlaut des § 1 Abs. 1 bis 3 der Abwassersatzung der Beklagten vom 28. Juli 2011 wiedergibt, ist nicht ausreichend.

13

Auf Grund des Fehlens substanziierter Rügen kann danach offen bleiben, ob die Regelungen in den Abwasserbeseitigungssatzungen vom 25. März 1999 i.d.F. der Änderungssatzung vom 26. August 2004 sowie den Abwasserbeseitigungssatzungen vom 26. November 2009 und 28. Juli 2011 auf Grund einer fehlenden Anpassung des Grundstücksbegriffs rechtlichen Bedenken unterliegen (vgl. dazu VG Magdeburg, Urt. v. 11. November 2014, a.a.O.; Driehaus, a.a.O., § 6 Rdnr. 747b) und ob die mit § 15 der Abwassergebührensatzung der Beklagten vom 17. Dezember 2009 i.d.F. der 1. Änderungssatzung vom 27. September 2012 - AGS 2012 - auch für § 2 Abs. 1 AGS 2012 angeordnete Rückwirkung unzulässig ist.

14

c) Eine Zusammenfassung von Anlagen der Trennkanalisation und Mischkanalisation zu einer einheitlichen Einrichtung der Niederschlagswasserbeseitigung ist zulässig.

15

Nach ständiger Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt steht der Gemeinde bei der Frage, ob und mit welchem Umfang sie eine öffentliche Einrichtung betreibt und ob sie dabei technisch getrennte Entsorgungssysteme zusammenfasst oder nicht, ein weites Organisationsermessen zu. Die Grenze des Organisationsermessens einer Gemeinde ist allein das Willkürverbot des Art. 3 GG. Das Willkürverbot ist allerdings erst dann verletzt, wenn technisch voneinander unabhängige Entwässerungssysteme rechtlich zu einer Einrichtung zusammengefasst werden, die infolge ihrer unterschiedlichen Arbeitsweise und/oder Arbeitsergebnisse den anzuschließenden Grundstücken bzw. Flächen so unterschiedliche Vorteile vermitteln, dass sie schlechterdings nicht vergleichbar sind (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 25. Juli 2011 - 4 L 182/10 -; Beschl. v. 28. September 2009 - 4 K 356/08 -, jeweils zit. nach JURIS, m.w.N.).

16

Im Vergleich der Niederschlagswasserbeseitigung im Trenn- und Mischsystem ergeben sich zwar unterschiedliche Arbeitsweisen, da Unterschiede hinsichtlich der Notwendigkeit der Reinigung des Abwassers bestehen. Vor dem Hintergrund, dass von einem eher aufgabenbezogenen Begriff der öffentlichen Einrichtung auszugehen ist und sich daran das Organisationsermessen der Gemeinde misst, treten die technischen Unterschiede zwischen Trenn- und Mischsystem aber hinter dem gemeinsamen Zweck der Abwasserbeseitigung zurück (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 28. September 2009 -, a.a.O.; Beschl. v. 16. Juni 2010 - 4 M 41/10 -; vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 31. Oktober 2012 - 9 A 9/11 -, zit. nach JURIS).

17

Soweit der Kläger ohne weitere Erläuterung geltend macht, es bleibe die „Frage unbeantwortet, in welches System die betroffenen Straßenflächen entwässern - in einen Mischwasserkanal oder einen Regenwasserkanal“, ist schon offen, welche rechtliche Schlussfolgerung er daraus ziehen will.

18

d) Danach ist grundsätzlich auch nicht zu beanstanden, dass die Beklagte für die Niederschlagswasserbeseitigung im Trenn- und im Mischsystem einen einheitlichen Gebührensatz festgelegt hat. Es bestehen keine im gebührenrechtlichen Sinne erheblichen Leistungs- bzw. Benutzungsunterschiede zwischen den an das Trennsystem und den an das Mischsystem angeschlossenen Einleitern von Niederschlagswasser, die deswegen eine getrennte Gebührenfestsetzung erlauben oder sogar gebieten würden. Die Leistung der Beklagten gegenüber den Gebührenschuldnern besteht aus der Abnahme des auf ihren Grundstücken bzw. Flächen anfallenden Oberflächenwassers. Ob dieses Niederschlagswasser sofort in den Vorfluter geleitet oder vorher noch gereinigt wird, ist unabhängig von seiner Beschaffenheit oder von sonstigen durch die Gebührenschuldner beeinflussbaren Faktoren, sondern richtet sich allein nach der Art der Anschlussleitung. Für die Gebührenschuldner ist es zudem unerheblich, welchen Weg das Niederschlagswasser nach dessen Abnahme durch die Beklagte nimmt. Es ist danach durchaus sachgerecht und geboten, die Kosten für den Betrieb der Entwässerungseinrichtung trotz des Bestehens von Trenn- und Mischkanälen innerhalb der Einrichtung nach einheitlichen Gebührensätzen auf alle Nutzer umzulegen (OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 16. Juni 2010 - 4 M 41/10 -, m.w.N.; vgl. auch VG Magdeburg, Urt. v. 11. November 2014 - 9 A 150/14 -; VG Halle, Urt. v. 19. April 2012 - 4 A 298/10 -, jeweils zit. nach JURIS).

19

e) Soweit der Kläger der Feststellung des Verwaltungsgerichts, unter Entwässerungsanlagen i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 1 StrG LSA seien nur vom Träger der Straßenbaulast für die Ableitung des Straßenoberflächenwassers speziell eingerichtete Anlagen(teile) zu verstehen (vgl. auch Kodal, Straßenrecht, 7. A., S. 274), mit dem Hinweis entgegen tritt, sowohl bei straßeneigenen als auch bei nicht straßeneigenen Abwasseranlagen seien Straßeneinläufe durchaus üblich, setzt er sich schon nicht hinreichend mit der Entscheidung auseinander. Die vom Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf § 23 Abs. 5 StrG LSA getroffene Feststellung wird durch dieses Vorbringen des Klägers von vornherein nicht in Frage gestellt.

20

Selbst wenn im Übrigen Straßeneinläufe und Verbindungsleitungen, durch welche das Straßenoberflächenwasser in die Niederschlagswasserbeseitigungseinrichtung der Beklagten geleitet wird, allein Teil der öffentlichen Straße i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 1 StrG LSA sein sollten und damit möglicherweise dem Einrichtungsbegriff des Kommunalabgabegesetzes entzogen sind, dürfte damit nicht die Erhebung von Benutzungsgebühren für die Entsorgung des Straßenoberflächenwassers ausgeschlossen sein (a.M. noch OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 24. März 2009, a.a.O.). Vielmehr dürfte allein fraglich sein, ob die auf die Straßeneinläufe und Verbindungsleitungen entfallenden Kosten als Kosten der Einrichtung angesehen werden können (vgl. dazu Driehaus, a.a.O., § 6 Rdnr. 352b, 747d).

21

f) Da das Niederschlagswasser von den Straßenoberflächen unstreitig in die Einrichtung der Beklagten gelangt ist, nahm der Kläger die Einrichtung i.S.d. § 5 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA in Anspruch (so auch VG Magdeburg, Urt. v. 11. November 2014, a.a.O.). Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, es liege keine (freiwillige) Inanspruchnahme vor, weil die Straßenbaulastträger in Bezug auf die Altanlagen die historisch bedingte Anschlusssituation hätte hinnehmen müssen. Ausreichend ist, dass das Niederschlagswasser der Straßenoberflächen in den Gebührenzeiträumen mit Kenntnis des Klägers tatsächlich über die Einrichtung der Beklagten entsorgt worden ist (vgl. auch Driehaus, a.a.O., § 6 Rdnr. 349, m.w.N.; vgl. weiter OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 21. Oktober 2014 - 4 L 195/13 -, zit. nach JURIS zu Schmutzwasser). Eine besondere Motivation des Klägers, insbesondere dessen Bereitschaft, für die Inanspruchnahme auch die anfallenden Gebühren zu zahlen, war nicht erforderlich (vgl. dazu auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 7. Oktober 1996 - 9 A 4145/94 -, zit. nach JURIS).

22

g) Dass die Beklagte nicht von der in § 5 Abs. 1 Satz 2 HS 2 KAG LSA eingeräumten Befugnis hinsichtlich der Gebührenerhebung für Straßenbaulastträger Gebrauch gemacht hat, ist nicht zu beanstanden. Danach können die Landkreise und Gemeinden niedrigere Gebühren erheben oder von Gebühren absehen, soweit daran ein öffentliches Interesse besteht. Dass und warum an einer (teilweisen) Gebührenentlastung für Straßenbaulastträger an sich i.S.d. § 5 Abs. 1 Satz 2 HS 2 KAG LSA ein öffentliches Interesse bestehen könnte, zeigt der Kläger nicht auf. Sein Hinweis, Straßenbaulastträger erfüllten mit der Vorhaltung entsprechend klassifizierter Straßen eine wesentliche öffentliche Aufgabe, verfehlt den Regelungsgehalt der Bestimmung. Es geht um das öffentliche Interesse daran, die Einrichtung unentgeltlich oder gegen ermäßigte Gebühren zur Verfügung zu stellen (vgl. Rosenzweig/Freese/v. Waldthausen, NKAG, § 5 Rdnr. 57; vgl. auch Driehaus, a.a.O., § 6 Rdnr. 752, 753), nicht aber um das öffentliche Interesse an der Einrichtung selbst oder gar an der konkreten Nutzung der von der Benutzungsgebühr betroffenen Flächen. Dass die Allgemeinheit einen Nutzen davon hat, dass das auf den betroffenen Straßen anfallende Niederschlagswasser ordnungsgemäß abgeleitet und damit die Verkehrssicherheit der Straßen gewährleistet wird, ändert nichts daran, dass die Beklagte damit eine Leistung i.S.d. § 5 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA für den Kläger erbracht hat (vgl. dazu auch OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 24. Juli 2013 - 9 A 1290/12 -, zit. nach JURIS).

23

Nicht entschieden werden muss danach, ob angesichts der Ausgestaltung der Regelung als Ausnahmevorschrift eine ausdrückliche Ausübung der eingeräumten Befugnis überhaupt erforderlich wäre. Es handelt sich nicht um eine Ermessensentscheidung im Sinne der Lehre vom Verwaltungsermessen, so dass die Anforderungen an Ermessensverwaltungsakte nicht übertragen werden können.

24

II. Der Zulassungsantrag der Beklagten ist ebenfalls unbegründet.

25

1. Die von ihr geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen nicht.

26

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die in § 15 AGS 2012 enthaltene Rückwirkungsanordnung in Bezug auf § 5 Abs. 4 und 5 AGS 2012 nichtig ist, weil es sich dabei um eine unzulässige echte Rückwirkung handele. Die dagegen erhobenen Einwendungen der Beklagten sind nicht durchgreifend.

27

Die rückwirkende Erweiterung des Kreises der Abgabepflichtigen in einer Abgabesatzung ist mit dem Rechtsstaatsprinzip (vgl. § 2 Abs. 1 KAG LSA) grundsätzlich nicht zu vereinbaren. Vertrauensschutz steht auch einer Rückwirkung von Gesetzen zwar dann nicht entgegen, wenn ein solches Vertrauen sachlich nicht gerechtfertigt ist. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass eine Rückwirkung dann zulässig ist, wenn der Abgabenschuldner in dem Zeitpunkt, auf den der Eintritt der Rechtsfolge zurückbezogen wird, mit dieser rückwirkenden Regelung rechnen musste und sein Verhalten auf diese Regelung einrichten konnte (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 23. August 2011 - 4 L 34/10 - und Beschl. v. 15. November 2007 - 4 L 37/07 -, jeweils zit. nach JURIS, m.w.N.; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 15. April 1983 - 8 C 167.81 -, zit. nach JURIS zu einer Benutzungsgebühr). Die bloße Heranziehung eines von der Gebührensatzung nicht erfassten Schuldners zu einer Benutzungsgebühr durch einen Bescheid lässt aber entgegen der Auffassung der Beklagten einen Vertrauensschutz nicht entfallen. Denn nach § 2 Abs. 1 KAG LSA dürfen kommunale Abgaben nur auf Grund einer Satzung erhoben werden, die gem. § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG LSA u.a. den Kreis der Abgabenschuldner bestimmen muss. Dass und warum die tatsächlichen Benutzer der Einrichtung bzw. die Träger der Straßenbaulast infolge des Bescheides vom 8. Januar 2004 trotz der allein auf Gebührenpflichtige i.S.d. § 5 Abs. 5 Satz 2 KAG LSA abstellenden Regelungen in der damals geltenden Abwassergebührensatzung der Beklagten vom 13. Dezember 2001 in der Fassung der Änderungssatzung vom 30. Oktober 2003 erkennen mussten, dass auch sie nach der Satzungslage gebührenpflichtig sein sollten, legt die Beklagte nicht dar. Nach dieser Satzung waren nur die Grundstückseigentümer sowie die sonst dinglich Nutzungsberechtigten der Grundstücke gebührenpflichtig.

28

Ohne Erfolg macht die Beklagte weiter geltend, die Straßenbaulastträger seien Eigentümer im Sinne der Gebührensatzung und verweist dazu auf die Regelung des § 13 Abs. 4 StrG LSA. Danach stehen dem Träger der Straßenbaulast bis zum Erwerb des für die Straßen in Anspruch genommenen Grundstücks nach Maßgabe des Abs. 2 die zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Rechte zu (Satz 1) und er hat in diesem Zeitraum auch die Pflichten des Eigentümers wahrzunehmen (Satz 2).

29

Es spricht schon Überwiegendes dafür, dass § 5 Abs. 5 Satz 2 KAG LSA eine abschließende Festlegung auf den zivilrechtlichen Eigentümer des Grundstücks, d.h. den Bucheigentümer, vornimmt (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 16. Februar 2006 - 4 L 301/05 -, zit. nach JURIS, m.w.N.; Driehaus, a.a.O., § 6 Rdnr. 718f). Dementsprechend wird auch nach der sonstigen obergerichtlichen Rechtsprechung der Träger der Straßenbaulast trotz der Übernahme der Rechte und Pflichten des Eigentümers satzungsrechtlich nicht als solcher angesehen (vgl. OVG Thüringen, Beschl. v. 11. Juni 2009 - 4 EO 109/06 -; OVG Saarland, Teilurteil v. 5. September 2007 - 1 A 44/07 -; VGH Hessen, Beschl. v. 7. November 2000 - 5 TZ 114/00 -; OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 12. Juli 2000 - 2 L 28/99 -, jeweils zit. nach JURIS). Dies muss aber nicht abschließend entschieden werden.

30

Wenn in einer Abgabensatzung nur auf den „Eigentümer“ abgestellt wird, ist damit bei Fehlen entgegenstehender Hinweise in der Satzung allein der zivilrechtliche Eigentümer gemeint. Dies ergibt sich schon aus dem allgemeinen Sprachgebrauch, der mit dem Begriff „Eigentümer“ nur den zivilrechtlichen Eigentümer (§§ 903 ff. BGB) verknüpft (so OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 16. Februar 2006, a.a.O.). Dass darunter auch der Träger der Straßenbaulast in den Fällen des § 13 Abs. 4 StrG LSA fallen sollte, behauptet die Beklagte lediglich, ohne dies im Einzelnen zu belegen. Der bloße Hinweis, der Träger der Straßenbaulast nehme die Pflichten des Eigentümers wahr, ist nicht ausreichend.

31

2. Weiterhin zeigt die Beklagte keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO auf.

32

Die Beklagte formuliert schon keine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage. Soweit sie sich auf die „Einzelheiten der Gebührenerhebung“ bezieht und geltend macht, es werde „Rechtsklarheit darüber benötigt, in welchen konkreten Fällen die Gebühren erhoben werden dürfen und wie diese zu geschehen hat“, handelt es sich ebenfalls lediglich um die Angabe eines Themengebietes. Dasselbe gilt für ihr Vorbringen, die Beteiligten stritten „um die Frage, ob es der Beklagten erlaubt ist, gegenüber der Klägerin Niederschlagswassergebühren für die Straßenentwässerung zu erheben“.

33

Im Übrigen fehlen substanziierte Ausführungen der Beklagten zur Entscheidungserheblichkeit und Klärungsbedürftigkeit.

34

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

35

Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 52 Abs. 3 GKG.

36

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


Urteilsbesprechung zu Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 24. Juni 2015 - 4 L 32/15

Urteilsbesprechungen zu Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 24. Juni 2015 - 4 L 32/15

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 24. Juni 2015 - 4 L 32/15 zitiert 10 §§.

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(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124a


(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nic

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 152


(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochte

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Tenor Das Verfahren wird bis zu einer Entscheidung des Landesverfassungsgerichts Sachsen-Anhalt in der Verfassungsstreitsache LVG 1/16 ausgesetzt. Gründe I. 1 Das Verfahren war im Lichte der Verfassungsstreitsache LVG 1/16 (Normenkon

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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen einen Schmutzwassergebührenbescheid des Beklagten, mit dem sie zur Zahlung einer Grund- und Verbrauchsgebühr für einen Gebührenzeitraum im Jahr 2010 herangezogen wird.

2

Sie ist Eigentümerin des Wohngrundstücks B-Straße, das im Baugebiet „(S.)“ im Verbandsgebiet des Beklagten liegt, der bis zum Beitritt einer weiteren Mitgliedsgemeinde am 1. Juli 2009 die Bezeichnung AZV (...) trug.

3

Nach dem im August 2000 genehmigten Bebauungsplan Nr. 2 „(S.) O-Stadt“ der ehemaligen Gemeinde S. sollten in dem neu zu erschließenden Baugebiet dreizehn Einfamilienhäuser sowie eine Trennkanalisation mit einer Tropfkörperkleinkläranlage als Sammelkläranlage errichtet werden. Nach einer Vereinbarung zwischen dem Erschließungsträger und dem AZV (...) sollte der Erschließungsträger die Anlage errichten und der Verband sie nach Beendigung der Arbeiten und Erreichen bestimmter Abwasserwerte übernehmen. Die Anlage wurde in der Folgezeit nur teilweise errichtet und seit dem Jahr 2003 als abflusslose Sammelgrube für die Abwässer der Grundstücke des Baugebietes betrieben; eine Fertigstellung erfolgte nicht.

4

Anfang des Jahres 2008 wurde die Tropfkörperkleinkläranlage im Auftrag von Anwohnern zu einer biologischen Kleinkläranlage umgerüstet. Der Überlauf entwässerte in freies Gelände; eine wasserrechtliche Erlaubnis lag nicht vor. Nachdem die Gemeinde S. zunächst eine Schmutzwasserentsorgung durch dezentrale Anlagen auf den Grundstücken des Baugebietes geplant hatte, beschloss ihr Gemeinderat im April 2009, zur Abwasserentsorgung in dem Baugebiet eine Trennkanalisation und eine Sammelkläranlage neu errichten zu lassen. Die Teilabnahme des in dem Zeitraum vom 10. August 2009 bis 31. Mai 2010 errichten Abwasserleitungssystems und der Sammelkläranlage, einer SBR-Kleinkläranlage, erfolgte am 16. Dezember 2009. Mit Bescheid vom 13. November 2009 hatte der Burgenlandkreis dem Beklagten die wasserrechtliche Erlaubnis zur Einleitung von biologisch gereinigtem häuslichem Schmutzwasser und von unverschmutztem Niederschlagswasser aus dem Wohnbaugebiet „(S.)“ unter Benutzung einer Kleinkläranlage mit 16 Einwohnerwerten erteilt. Das auf dem klägerischen Grundstück und mehreren benachbarten Grundstücken anfallende Schmutzwasser wird seit Anfang 2010 über eine im Baugebiet verlegte Sammelleitung dieser Anlage zugeführt und von dort nach Reinigung in das Gewässer Aga geleitet.

5

Nach einer Freistellungssatzung des AZV (...) vom 13. März 2008 sollten u.a. die in der Gemeinde S. gelegenen Grundstücke mit der Straßenbezeichnung (S.) 01 bis 14 ab 29. März 2008 gem. § 151 Abs. 5 Satz 1 WG LSA von seiner Abwasserbeseitigungspflicht ausgenommen werden.

6

Mit Bescheid vom 24. September 2010 setzte der Beklagte gegenüber der Klägerin für den Zeitraum vom 18. Februar 2010 bis 25. Juni 2010 eine Grund- und Verbrauchsgebühr in Höhe von insgesamt 220,86 € fest.

7

Nach erfolgloser Durchführung eines Widerspruchsverfahrens hat die Klägerin am 20. Juli 2012 Anfechtungsklage beim Verwaltungsgericht Halle erhoben. Sie hat im Wesentlichen vorgetragen, das Grundstück sei an eine dezentrale Gemeinschaftskläranlage angeschlossen, so dass die Erhebung einer zentralen Gebühr nicht gerechtfertigt sei. Weiterhin sei infolge der Freistellungssatzung des Beklagten vom 13. März 2008 eine Gebührenpflicht nicht gegeben.

8

Das Verwaltungsgericht hat auf die mündliche Verhandlung vom 23. Juli 2013 den Gebührenbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Juni 2012 aufgehoben. Die Klägerin habe im streitigen Zeitraum keine öffentliche Schmutzwassereinrichtung des Beklagten in Anspruch genommen. Zwar sei die Kleinkläranlage in dem Baugebiet „(S.)“ zunächst Teil der öffentlichen Einrichtung des Beklagten gewesen. Auch habe der Beklagte die Kläranlage im streitigen Zeitraum betrieben. Dazu sei er berechtigt gewesen, da ihm die Aufgabe der Abwasserbeseitigung übertragen worden sei. Allerdings habe der Beklagte die durch konkludente Widmung bestimmte Nutzung der Kläranlage durch die Grundstücke des Baugebiets „(S.)“ mit einer konkludenten Entwidmung im Jahr 2008 wieder aufgehoben. Ausweislich der Freistellungssatzung vom 13. März 2008 habe er die Grundstücke in dem Baugebiet von der Abwasserbeseitigungspflicht ausgenommen. Würden sämtliche Grundstücke, die - wie hier - in eine für sie bestimmte Entwässerungsanlage entwässerten, wirksam von der Abwasserbeseitigungspflicht ausgeschlossen, so könne dies nur bedeuten, dass die bislang öffentliche Entwässerungsanlage nicht mehr Teil der öffentlichen Einrichtung sein solle. Für eine Ausgliederung der Kläranlage spreche im Übrigen ebenfalls der in der mündlichen Verhandlung eingeworfene Vorschlag des Beklagten, eine Übernahme der Kläranlage durch die Bewohner des Baugebiets „(S.)“ werde begrüßt.

9

Auf den Antrag des Beklagten hat der erkennende Senat mit Beschluss vom 13. November 2013 die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils zugelassen.

10

Der Beklagte trägt vor, das streitbefangene Grundstück sei zwar im Jahre 2008 dauerhaft von der zentralen Abwasserbeseitigung befreit worden. Die Voraussetzungen für den Erlass der Freistellungssatzung seien gegeben gewesen, da die Satzung auf einem wasserrechtlich genehmigten Abwasserbeseitigungskonzept beruhe. Eine Übernahme von Abwasser durch den Verband sei wegen des unverhältnismäßig hohen Aufwands nicht angezeigt gewesen. Nach Inkrafttreten der Satzung sei ihm auf seinen Antrag jedoch eine wasserrechtliche Erlaubnis für eine zentrale Entsorgung erteilt worden. Die Sammelkläranlage sei erst nach Vorliegen dieser Erlaubnis von ihm betrieben worden. Zudem hätten sich das Leitungssystem und die Kläranlage stets in seinem Anlagevermögen und auch in dessen Lageverzeichnis befunden. Damit liege eine konkludente Widmung dieser Anlage vor. Dem stehe die Freistellungssatzung nicht entgegen, denn diese verpflichte den jeweiligen Grundstückseigentümer dazu, sein Abwasser zukünftig eigenständig zu entsorgen. Sie verpflichte aber den Verband nicht dazu, keine öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlagen im jeweiligen Gebiet zu betreiben. Dies würde zwar betriebswirtschaftlich keinen Sinn machen, wenn sämtliche Grundstückseigentümer im Wohngebiet ihrer satzungsrechtlichen Pflicht zur eigenständigen Beseitigung des Abwassers nachkommen würden. Untersagt sei dies dadurch aber nicht. Außerdem habe er ja feststellen können, dass die Grundstückseigentümer nach wie vor trotz der Freistellungssatzung ihr Abwasser der Sammelkläranlage zuführten. Die Klägerin sei ihrer satzungsrechtlichen Pflicht, selbständig die Abwasserbeseitigung durchzuführen, nicht nachgekommen und habe insoweit rechtswidrig gehandelt. Dies sei für das Entstehen des Gebührenanspruchs aber irrelevant, da jedenfalls eine tatsächliche Inanspruchnahme der Kläranlage durch sie erfolgt sei. Schließlich bestünden selbst fehlender Widmung der Anlage jedenfalls Bereicherungsanspruche gegen die Klägerin, der wohl den streitbefangenen Gebührenanspruch übersteige.

11

Der Beklagte beantragt,

12

das auf die mündliche Verhandlung vom 23. Juli 2013 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Halle - 4. Kammer - abzuändern und die Klage abzuweisen.

13

Die Klägerin beantragt,

14

die Berufung zurückzuweisen.

15

Sie macht geltend, Umbau und Betrieb der als abflusslose Sammelgrube betriebene Tropfkörperkleinkläranlage durch die Anwohner als Gemeinschafts-Kleinkläranlage sei ausweislich eines Aktenvermerks des Burgenlandkreises vom 24. Februar 2009 mit dem Beklagten abgestimmt gewesen. Die umgebaute Anlage habe auch einwandfrei funktioniert. Den Betrieb der neuen Sammelkläranlage habe der Beklagte nach eigenen Angaben in einer Verbandsversammlung vom 12. Dezember 2011 erstmals Anfang 2011 übernommen. Dass einem der Grundstückseigentümer in dem Baugebiet eine wasserrechtliche Erlaubnis für den Betrieb einer Kleinkläranlage auf dem Grundstück erteilt worden und dieser nicht an die Gemeinschaftskläranlage angeschlossen sei, sei ein untrügliches Indiz dafür, dass der Beklagte sich an die satzungsrechtlich erklärte Freistellung der Grundstücke im Baugebiet dauerhaft gebunden habe und keine öffentlich-rechtliche Zweckbestimmung bezüglich der Schmutzwasserentsorgung im Baugebiet vornehmen wolle. Von einer öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft an der streitbefangenen Kläranlage könne keine Rede sein, sondern der Ausschluss von der zentralen Schmutzwasserbeseitigung sei im allseitigen Einvernehmen in die Tat umgesetzt worden. Der Beklagte habe die Anlage entgegen seiner Behauptung auch nicht in seinen Anlagebestand übernommen. Da der Beklagte an dem Ausschluss des Grundstücks von seiner Abwasserbeseitigungspflicht mit einer Freistellungssatzung vom 18. Februar 2013 festgehalten habe, dürfte für konkludente Erklärungen zur Widmung bzw. Entwidmung kein Raum mehr sein. Außerdem sei der Beklagte selbst ausweislich eines Protokolls einer Verbandsversammlung vom 30. Januar 2012 von einer dezentralen Entsorgung ausgegangen.

16

Im Übrigen betreibe der Beklagte seine zu einer einheitlichen öffentlichen Einrichtung zusammengefassten zentralen Kanalisations- und Abwasserbehandlungsanlagen auf Grund der ihm obliegenden Abwasserbeseitigungspflicht. Abgaben dürfe ein Verband nur für Einrichtungen erheben, dessen Betrieb ihm als eigene gesetzliche Aufgabe obliege. Die ursprünglich einmal vorhandene öffentliche Aufgabe Abwasserbeseitigung für das Baugebiet „(S.)“ sei mit In-Kraft-Treten der Freistellungssatzung vom 13. März 2008 entfallen, so dass der Beklagte mit dem Weiterbetrieb der Anlage keine ihm bisher obliegende Abwasserbeseitigungspflicht mehr erfüllt habe. Eine Freistellung sei auf Grund der Siedlungsstruktur angezeigt gewesen. Für freiwillig übernommene Aufgaben habe der allgemeine Gebührenzahler keine allgemeine Nutzungsgebühr zu entrichten. Deshalb komme es auch nicht in erster Linie darauf an, ob eine konkludente Entwidmung und konkludente erneute Widmung erfolgt sei. Der Argumentation in der Berufungsbegründung, dem Beklagten sei es nicht verboten, im „Freistellungsgebiet“ eine Abwasserbeseitigungsanlage zu betreiben, werde zugestimmt. Allerdings könne die tatsächliche Inanspruchnahme allenfalls einen zivilrechtlichen Entgeltanspruch auslösen.

17

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und des Burgenlandkreises Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

18

Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet.

19

Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Der Gebührenbescheid des Beklagten vom 24. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juni 2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

20

Rechtsgrundlage für die Gebührenerhebung ist § 5 KAG LSA i.V.m. der Beitrags-, Gebühren- und Grundstücksanschlusskostensatzung des Beklagten vom 19. Juli 2010 - BGGS -, die gem. ihrem § 26 rückwirkend zum 1. Januar 2009 in Kraft getreten ist und nach ihrem § 1 Abs. 1 Satz 2 für das Entsorgungsgebiet des ehemaligen AZV „(...)“ gilt.

21

1. Einwände gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Gebührensatzung sind weder geltend gemacht noch sonst nach dem im Berufungsverfahren maßgeblichen Prüfungsmaßstab ersichtlich.

22

2. Die Voraussetzungen für eine Erhebung einer Benutzungsgebühr in Form einer Verbrauchs- und Grundgebühr sind erfüllt.

23

Gemäß § 9 Abs. 1 GKG LSA, § 5 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA i.V.m. § 14 BGGS erhebt der Beklagte als Gegenleistung für die Inanspruchnahme u.a. der öffentlichen zentralen Schmutzwasserbeseitigungsanlage verbrauchsabhängige Schmutzwassergebühren, die in Verbrauchs- und Grundgebühren unterteilt sind.

24

a) Die im Zeitraum August 2009 bis Mai 2010 neu errichtete Sammelkläranlage in dem Baugebiet „(S.)“ sowie die ebenfalls neu gelegten Leitungen zu dieser Anlage waren entgegen der Auffassung der Klägerin im streitbefangenen Gebührenzeitraum Teil der öffentlichen Einrichtung des Beklagten zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung.

25

(1) Eine ausreichende Widmung dieser Anlagen(teile) als Teil einer öffentlichen Einrichtung des Beklagten zur Schmutzwasserbeseitigung liegt vor.

26

Eine Anlage oder ein Anlagenteil kann auch durch eine konkludente Widmung zum Bestandteil einer öffentlichen leitungsgebundenen Einrichtung i.S. der Gemeindeordnung Sachsen-Anhalt bzw. des Kommunalabgabengesetzes Sachsen-Anhalt werden. Dazu ist eine Würdigung der Gesamtumstände erforderlich (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschlüsse v. 21. Juni 2013 - 4 L 187/12 - und v. 30. August 2011 - 4 L 226/10 -; vgl. auch Beschl. v. 25. August 2009 - 4 L 417/08 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 10. Februar 2012 - 15 A 2020/11 -, zit. nach JURIS; OVG Thüringen, Urt. v. 3. September 2008 - 1 KO 559/07 -, zit. nach JURIS -).

27

Eine konkludente Widmung der streitbefangenen Anlage(nteile) folgt hier aus dem Betrieb der wasserrechtlich genehmigten Sammelkläranlage, mit der die Entsorgung eines Baugebietes sichergestellt werden sollte (vgl. dazu auch VGH Bayern, Urt. v. 21. Dezember 2000 - 23 B 00.2132 -, zit. nach JURIS), der Erhebung von Benutzungsgebühren (vgl. dazu OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 13. Mai 2011 - 15 A 2825/10 -, zit. nach JURIS; Berendes/Frenz/Müggenborg, WHG, 2011, § 58 Rdnr. 17) sowie aus mehreren ausdrücklichen Erklärungen des Beklagten gegenüber den angeschlossenen Grundstückseigentümern. Der Beklagte hat die Sammelkläranlage auf der Grundlage der ihm erteilten wasserrechtlichen Erlaubnis vom 13. November 2009 im maßgeblichen Gebührenzeitraum zur Klärung von Abwässern der Grundstücke des Baugebiets „(S.)“ und zur Einleitung der vorgeklärten Abwässer in das Gewässer Aga betrieben. Dass der Geschäftsführer des Beklagten in einer Verbandsversammlung vom 12. Dezember 2011 erklärte, die Anlage werde „seit Anfang des Jahres vom Betriebsführer“ betrieben, steht dem nicht entgegen. Es ist unstreitig, dass die Anlage zumindest seit Februar 2010 betrieben worden ist. Dass jemand anderer als der Beklagte dies getan haben sollte, ist weder ersichtlich noch substanziiert geltend gemacht. Vielmehr hat der Beklagte in einem Schreiben vom 12. Januar 2010 ausdrücklich erklärt, er habe die Anlage in Betrieb genommen und u.a. die Angabe des Standes der Wasseruhr angefordert. Es handelt sich danach bei der Aussage in der Verbandsversammlung entweder um einen Irrtum oder um den Hinweis auf die Beauftragung eines Dritten zum Betrieb der Anlage. Weiterhin hat die Verbandsversammlung des Beklagten am 12. November 2011 ausdrücklich - wie schon im April 2009 angekündigt - die Übernahme der Sammelkläranlage, der Schmutzwasserleitung und der Hausanschlüsse von der Gemeinde zu einem bestimmten Herstellungswert beschlossen, und der Beklagte hat nicht nur für die Nutzung der Anlage Benutzungsgebühren erhoben, sondern auch schon vor dem Gebührenzeitraum mit Schreiben vom 15. Februar 2010 erklärt, alle Einleiter unterlägen der Satzungshoheit des Verbandes. Ob die Anlage(nteile) im Bestandsverzeichnis des Beklagten aufgeführt sind, ist danach nicht maßgeblich. Von vornherein keine Bedeutung für das Vorliegen einer Widmung hat der vom Verwaltungsgericht angesprochene Vorschlag des Vertreters des Beklagten in der mündlichen Verhandlung, eine Übernahme der Kläranlage durch die Bewohner des Baugebiets werde begrüßt.

28

(2) Durch die Widmung erfolgte auch eine Einbeziehung der Anlage(nteile) in die Einrichtung zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung.

29

Nach § 1 Abs. 1 der für den streitbefangenen Zeitraum noch gültigen Schmutzwasserbeseitigungssatzung des AZV (...) vom 24. August 2005 - SBS -, teilweise i.d.F. der 1. Änderungssatzung vom 18. April 2007, teilweise i.d.F. der 2. Änderungssatzung 19. Juli 2010, betrieb der Beklagte zur Abwasserbeseitigung in seinem Entsorgungsgebiet je eine rechtlich selbständige Abwasseranlage als öffentliche Einrichtung zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung [a)], Entsorgung von Kleinkläranlagen (KKA) einschließlich öffentlicher Abflussleitungen zur Ableitung vorgeklärten Schmutzwassers [b)] und Entsorgung von abflusslosen Gruben [c)]. Die Abwasserbeseitigung erfolgte gem. § 1 Abs. 2 SBS mittels zentraler Kanalisations- und Abwasserbehandlungsanlagen (Kläranlage) und mittels Einrichtung und Vorkehrung zur Abfuhr und Behandlung von Abwasser einschließlich Fäkalschlamm (dezentrale Abwasseranlage) und Fortleitung vorgeklärten Abwassers.

30

Die Einrichtung des Beklagten zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung ist nach diesen Regelungen eine öffentliche leitungsgebundene Einrichtung i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA, bei der mehrere Grundstücke ihr Schmutzwasser über ein Leitungsnetz in eine oder mehrere Kläranlagen ableiten. Im Gegensatz dazu stehen die beiden dezentralen Einrichtungen zur Entsorgung des Schmutzwassers über jeweils auf dem Grundstück befindliche, abflusslose Sammelgruben oder Kleinkläranlagen. Diese Unterscheidung ergibt sich aus den Begrifflichkeiten in § 1 Abs. 1 SBS und aus der Bestimmung in § 1 Abs. 2 SBS. Als Kleinkläranlagen i.S.d. § 1 Abs. 1 Buchst. b SBS sind nach Sinn und Zweck der Regelungen nur solche Anlagen anzusehen, die sich auf dem Grundstück befinden. Die streitbefangene Sammelkläranlage, an die nutzungsberechtigte Grundstücke eines Baugebietes angeschlossen werden können und die zur Aufnahme des gesamten auf den angeschlossenen Grundstücken anfallenden Schmutzwassers bestimmt ist, sowie das dazugehörige Leitungsnetz sind daher als Teil einer öffentlichen Einrichtung zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung anzusehen (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 25. Juli 2011 - 4 L 182/10 -, Urt. v. 4. September 2003 - 1 L 493/02 -, jeweils zit. nach JURIS; Wellmann/Queitsch/Fröhlich, WHG, 2010, § 56 Rdnr. 32). Zwar handelt es sich bei einer solchen Sammelkläranlage, die technisch auch als Kleinkläranlage bezeichnet wird, wasserrechtlich wohl um eine Anlage zu dezentralen Abwasserbehandlung i.S.d. § 18a Abs. 1 Satz 2 WHG a.F. bzw. § 55 Satz 2 WHG (Kotulla, WHG, 2. A., § 55 Rdnr. 14; Sieder/Zeitler/Dahme, WHG, § 18a Rdnr. 13a; vgl. auch Czychowski/Reinhardt, WHG, 11. A., § 55 Rdnr. 11, 12; Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. I, § 55 WHG Rdnr. 18, 19; Berendes/Frenz/Müggenborg, WHG 2011, § 55 Rdnr. 14 ff.). Dies hat aber für die Bestimmung des Umfangs der jeweiligen öffentlichen Einrichtung keine Bedeutung, da selbst leitungsmäßig voneinander getrennte Entwässerungssysteme als rechtlich einheitliche Einrichtung betrieben werden dürfen (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 24. September 2008 - 2 LB 2/08 -, zit. nach JURIS, m.w.N.). Auch eine möglicherweise entgegenstehende Äußerung in der Verbandsversammlung des Beklagten vom 30. Januar 2012 ist rechtlich ohne Relevanz.

31

Ein Verstoß gegen das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG liegt darin nicht (vgl. auch OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 21. Juni 2006 - 4 L 105/06 -). Das Willkürverbot des Art. 3 GG ist erst dann verletzt, wenn technisch voneinander unabhängige Entwässerungssysteme rechtlich zu einer Einrichtung zusammengefasst werden, die infolge ihrer unterschiedlichen Arbeitsweise und/oder Arbeitsergebnisse den anzuschließenden Grundstücken so unterschiedliche Vorteile vermitteln, dass sie schlechterdings nicht vergleichbar sind (OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 28. September 2009 - 4 K 356/08 -; Beschl. v. 21. Juni 2006 - 4 L 105/06 -, jeweils zit. nach JURIS, m.w.N.). Die streitige Sammelkläranlage und größere Kläranlagen stellen durchaus vergleichbare Entwässerungssysteme dar, weil dort jeweils nicht vorgeklärtes Schmutzwasser über Leitungen gesammelt, (vor)behandelt und in den Vorfluter geleitet wird. Demgegenüber besteht mit den jeweils zu Einrichtungen für die dezentrale Entsorgung zusammengefassten Anlagen i.S.d. § 1 Abs. 1 Buchst. b und c SBS keine solche Vergleichbarkeit. Die Grundstückseigentümer, deren Grundstücke über Leitungen mit einer für ein Baugebiet errichteten Sammelkläranlage verbunden sind und die keine Vorklärung durchführen müssen, haben gegenüber den Grundstückseigentümern, die ihre Abwässer über auf den eigenen Grundstücken befindliche Hauskläranlagen oder Sammelgruben entsorgen, eine deutlich unterschiedliche Vorteilssituation. Auch sind keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass sich die Reinigungsergebnisse der Sammelkläranlage und der größerer Kläranlagen wesentlich unterscheiden.

32

(3) Die Freistellungssatzung des AZV (...) vom 18. März 2008 steht einer Widmung nicht entgegen.

33

(a) Es kann offen bleiben, ob die Gemeinden und damit die Zweckverbände mit einer öffentlichen Einrichtung grundsätzlich nur eine in ihren Wirkungskreis fallende Aufgabe erfüllen dürfen, so dass sich jedenfalls die Widmung der Einrichtung im Rahmen des Aufgabenbereichs der Körperschaft halten muss und auch eine Benutzungsgebührenpflicht nur für eine in diesem Rahmen erbrachte Aufgabenerfüllung bestehen kann (vgl. zu Niederschlagswassergebühren OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 28. Mai 2013 - 4 L 231/11 -, zit. nach JURIS, m.w.N.). Denn die Freistellungssatzung war hinsichtlich der Grundstücke in dem Baugebiet „(S.)“ teilweise nichtig, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ermächtigungsnorm jedenfalls für die Schmutzwasserbeseitigung nicht erfüllt waren.

34

Gemäß § 151 Abs. 5 Satz 1 WG LSA in der von 22. April 2005 bis 31. März 2011 gültigen Fassung - WG LSA a.F. - kann die Gemeinde auf der Grundlage ihres genehmigten Abwasserbeseitigungskonzepts durch Satzung Abwasser aus ihrer Beseitigungspflicht ganz oder teilweise ausschließen, wenn

35

1. das Abwasser wegen seiner Art oder Menge nicht zusammen mit dem in Haushaltungen anfallenden Abwasser beseitigt werden kann,

36

2. eine Übernahme des Abwassers wegen technischer Schwierigkeiten, wegen des unverhältnismäßig hohen Aufwandes oder aufgrund der Siedlungsstruktur nicht angezeigt ist oder

37

3. dies aus anderen Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses geboten ist

38

und eine gesonderte Beseitigung des Abwassers das Wohl der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt.

39

Aus der bundesrechtlichen Rahmenregelung des § 18a Abs. 2 WHG a.F. bzw. § 56 WHG ergibt sich, dass die Abwasserbeseitigungspflicht grundsätzlich der öffentlichen Hand übertragen sein soll und nur ausnahmsweise eine Verlagerung auf private Dritte in Betracht kommen kann (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 14. September 2000 - 3 M 166/00 -, zit. nach JURIS). Darauf basierende landesrechtliche Bestimmungen stellen daher eng auszulegende Ausnahmeregelungen dar (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 4. Juli 2014 - 2 L 126/12 - und Urt. v. 4. November 2004 - 1 K 345/03 -; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 21. Dezember 1995 - 1 A 10571/95 -, jeweils zit. nach JURIS; Czychowski/Reinhardt, WHG, 11. A., § 56 Rdnr. 18; Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. I, § 56 Rdnr. 19).

40

Das von den Wohngrundstücken in dem Baugebiet „(S.)“ stammende Schmutzwasser war zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Freistellungssatzung weder nach Art noch nach Menge i.S.d. § 151 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 WG LSA a.F. ungeeignet, zusammen mit dem in Haushaltungen anfallenden Abwasser zentral beseitigt zu werden.

41

Eine Übernahme des auf den Grundstücken anfallenden Schmutzwassers war weiterhin nicht i.S.d. § 151 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 WG LSA a.F. wegen technischer Schwierigkeiten, wegen des unverhältnismäßig hohen Aufwandes oder auf Grund der Siedlungsstruktur angezeigt. Anhaltspunkte dafür, dass eine zentrale Abwasserbeseitigung in dem Baugebiet wegen technischer Schwierigkeiten im Jahr 2008 nicht möglich war, gibt es nicht. Auch hatte eine zentrale Entsorgung keinen unverhältnismäßig hohen Aufwand zur Folge. Angesichts des Schutzzwecks des § 151 Abs. 5 Satz 1 WG LSA a.F. und der überragenden Bedeutung, die einer ordnungsgemäßen schadlosen Abwasserbeseitigung zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen zukommt, ist bei der Frage, welcher Aufwand einer eigentlich abwasserbeseitigungspflichtigen Körperschaft zuzumuten ist, um eine ordnungsgemäße zentrale Abwasserbeseitigung zu gewährleisten, ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 4. November 2004, a.a.O.; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 21. Dezember 1995, a.a.O.). Dass die Kosten einer zentralen Schmutzwasserbeseitigung zu dem Nutzen durch die dauerhafte Sicherung einer ordnungsgemäßen Abwasserbeseitigung durch einen Anschluss der betroffenen Grundstücke in dem Baugebiet an eine zentrale Schmutzwasserbeseitigung außer Verhältnis standen, ist weder ersichtlich noch substanziiert geltend gemacht. Dagegen spricht schon der Umstand, dass die Gemeinde S. nur etwas mehr als ein Jahr nach Erlass der Freistellungssatzung mit Unterstützung des Verbandes die Entscheidung getroffen hatte, eine zentrale Entwässerung herzustellen. Zudem betrug der Herstellungswert der von der Gemeinde dann errichteten Sammelkläranlage mit 16 Einwohnerwerten, der Schmutzwasserleitung und der Hausanschlüsse, zu dem der Beklagte diese Anlagenteile übernommen hat, nach einem Beschluss der Verbandsversammlung des Beklagten vom 12. Dezember 2011 nur 36.430,59 €. Schließlich stand auch die Siedlungsstruktur einer zentralen Entsorgung nicht entgegen. Ob diese Tatbestandsvoraussetzung neben den beiden anderen Voraussetzungen des § 151 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 WG LSA a.F. noch einen eigenständigen Regelungsgehalt hat (vgl. dazu § 151 Abs. 4 Satz 1 WG LSA i.d.F. der Bekanntmachung vom 21. April 1998), kann dahinstehen. Ebenfalls offen bleiben kann, ob insoweit nur auf die tatsächliche Umgebungsbebauung der betroffenen Grundstücke oder die zu erwartende Bebauung abzustellen ist. Jedenfalls wenn - wie hier - die Grundstücke in einem durch Bebauungsplan festgesetzten Neubaugebiet liegen, ist die bauliche Planung maßgeblich. Bei dem Baugebiet „(S.)“ handelte es sich nach der genehmigten Bauleitplanung um ein einheitliches Neubaugebiet für dreizehn Einfamilienhäuser. Eine derartige Siedlungsstruktur führt nicht zu der Annahme, dass eine dezentrale Entsorgung des Baugebietes angezeigt ist.

42

Die Vorgabe des § 151 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 WG LSA a.F. war schließlich ebenfalls nicht erfüllt. Es handelt sich dabei um einen Auffangtatbestand, der allein dann eingreift, wenn nicht nur ein überwiegendes öffentliches Interesse gegeben ist, sondern der Ausschluss deshalb auch geboten ist. Eine abschließende Bestimmung des Regelungsgehalts dieser Norm ist nicht erforderlich (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 4. Juli 2014, a.a.O., zu § 79a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WG LSA, zit. nach JURIS; vgl. auch VG Magdeburg, Urt. v. 6. Juni 2012 - 9 A 23/11 -, zu § 79a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WG LSA, zit. nach JURIS). Jedenfalls lag angesichts der ursprünglichen Planung für ein Neubaugebiet mit zentraler Abwasserbeseitigung, auf Grund derer tatsächlich auch Wohnhäuser errichtet worden sind, kein überwiegendes öffentliches Interesse für eine Entsorgung des Schmutzwassers der Grundstücks dieses Baugebietes über Kleinkläranlagen und abflusslose Sammelgruben vor. Dass sowohl die Gemeinde S. als auch der AZV (...) zwischenzeitlich andere Vorstellungen entwickelt hatten, ändert daran ebenso wenig wie der Umstand, dass die ursprüngliche Planung auf dem mit Gesetz vom 15. April 2005 (GVBl. S. 208) aufgehobenen § 151 Abs. 4 Satz 3 WG LSA i.d.F. der Bekanntmachung vom 21. April 1998 beruhte, nach dem für Neubaugebiete keine Freistellung erfolgen sollte.

43

Nicht entschieden werden muss danach, ob eine gesonderte Beseitigung des Abwassers in dem Baugebiet durch die Klägerin und die Kläger in den Parallelverfahren nicht schon deshalb das Wohl der Allgemeinheit beeinträchtigte, weil diese weder zum Zeitpunkt des Erlasses der Freistellungssatzung noch zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung für ihre Grundstücke technisch über die Möglichkeit verfügten, der Abwasserbeseitigungspflicht selbst nachzukommen.

44

Dass das Abwasserbeseitigungskonzept des AZV (...) im Zeitpunkt des Erlasses der Freistellungssatzung keine zentrale Entsorgung der Grundstücke in dem Baugebiet „(S.)“ vorsah, führt zu keinem anderen Ergebnis. Eine entgegenstehende Festlegung in dem Abwasserbeseitigungskonzept des Verbandes ist hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Übertragung der Abwasserbeseitigungspflicht unbeachtlich, wenn sie gegen die maßgeblichen Regelungen des Wassergesetzes verstößt (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 4. Juli 2014, a.a.O.). Ein Vorrang dieses Konzepts gegenüber den gesetzlichen Vorgaben besteht auch nicht deshalb, weil die eigentlich abwasserbeseitigungspflichtige Körperschaft die Satzung über den Ausschluss von der Beseitigungspflicht gem. § 151 Abs. 5 Satz 1 WG LSA a.F. nur „auf der Grundlage ihres genehmigten Abwasserbeseitigungskonzepts“ beschließen darf. Damit wird lediglich sichergestellt, dass die Satzung und das Abwasserbeseitigungskonzept übereinstimmen und mittelbar eine Vorprüfung durch die Wasserbehörde stattgefunden hat (vgl. auch die Gesetzesbegründung in LT-DrS 4/1789 vom 2. September 2005, S. 94).

45

Offen bleiben kann, ob nicht selbst bei einer Wirksamkeit der Freistellungssatzung auf Grund des tatsächlich erfolgten Anschlusses von Grundstücken zumindest eine Verpflichtung des Beklagten bestand, nach § 151 Abs. 7 Satz 1 WG LSA a.F. den Ausschluss von der Abwasserbeseitigungspflicht für diese Grundstücke aufzuheben, und welche Folgen diese Verpflichtung für den Umfang der Aufgabenerfüllung durch den Beklagten hätte.

46

(b) Aus der Freistellungssatzung vom 13. März 2008 ergibt sich auch - unabhängig von deren Teilnichtigkeit - kein die konkludente Widmung ausschließender Rechtsschein.

47

Zwar war auf Grund der Beschlussfassung der Satzung der Wille des AZV (...) erkennbar, im März 2008 einen Ausschluss von seiner Abwasserbeseitigungspflicht für die Grundstücke in dem Baugebiet „(S.)“ zu veranlassen. Die Freistellung hat gem. § 151 Abs. 5 Satz 2, 6 Satz 1 WG LSA a.F. zur Folge, dass die eigentlich gem. § 151 Abs. 1 Satz 1 WG LSA a.F. beseitigungspflichtige Körperschaft nicht mehr - außer hinsichtlich des abflusslosen Gruben gesammelten Abwassers und Schlamms aus Absetz- und Ausfaulgruben (vgl. § 151 Abs. 1 Satz 2 WG LSA a.F.) - zur Beseitigung des Abwassers der erfassten Grundstücke verpflichtet ist, sondern derjenige, bei dem es anfällt. Damit war gleichzeitig auch ersichtlich, dass der Verband die damals auf Veranlassung von Anwohnern umgebaute Tropfkörperkleinkläranlage nicht als Bestandteil seiner Einrichtung ansah und davon ausging, die Anwohner könnten die Abwasserbeseitigungspflicht übernehmen. Diese Willensbekundung des Verbandes wurde aber durch den später erfolgten Bau einer neuen Sammelkläranlage, die Beantragung der wasserrechtlichen Genehmigung und das darauf folgende tatsächliche Verhalten des Beklagten derart überlagert, dass sie einer konkludenten Widmung dieser Anlage(nteile) nicht entgegenstand. Dass der Beklagte den Ausschluss des Abwassers der Grundstücke von der Abwasserbeseitigungspflicht nicht gem. § 151 Abs. 7 Satz 1 WG LSA a.F. aufgehoben hat, ist angesichts der die konkludente Widmung tragenden Gesamtumstände ebenfalls unbeachtlich. Auf die Freistellungssatzung des Beklagten vom 18. Februar 2013, die nach dem streitigen Gebührenzeitraum erlassen wurde, kommt es von vornherein nicht an.

48

b) Die Benutzungsgebühr ist eine Gegenleistung für die Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung. Eine solche Inanspruchnahme durch die Klägerin lag im Gebührenzeitraum vor, weil das Schmutzwasser ihres Grundstücks unstreitig über die Sammelkläranlage entsorgt worden ist.

49

3. Durchgreifende Einwände gegen die materielle Rechtmäßigkeit der Gebührensatzung im Übrigen sowie gegen die Berechnung der Gebühren sind weder geltend gemacht noch sonst nach dem im Berufungsverfahren maßgeblichen Prüfungsmaßstab ersichtlich.

50

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

51

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

52

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe vorliegt.


(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen einen Schmutzwassergebührenbescheid des Beklagten, mit dem sie zur Zahlung einer Grund- und Verbrauchsgebühr für einen Gebührenzeitraum im Jahr 2010 herangezogen wird.

2

Sie ist Eigentümerin des Wohngrundstücks B-Straße, das im Baugebiet „(S.)“ im Verbandsgebiet des Beklagten liegt, der bis zum Beitritt einer weiteren Mitgliedsgemeinde am 1. Juli 2009 die Bezeichnung AZV (...) trug.

3

Nach dem im August 2000 genehmigten Bebauungsplan Nr. 2 „(S.) O-Stadt“ der ehemaligen Gemeinde S. sollten in dem neu zu erschließenden Baugebiet dreizehn Einfamilienhäuser sowie eine Trennkanalisation mit einer Tropfkörperkleinkläranlage als Sammelkläranlage errichtet werden. Nach einer Vereinbarung zwischen dem Erschließungsträger und dem AZV (...) sollte der Erschließungsträger die Anlage errichten und der Verband sie nach Beendigung der Arbeiten und Erreichen bestimmter Abwasserwerte übernehmen. Die Anlage wurde in der Folgezeit nur teilweise errichtet und seit dem Jahr 2003 als abflusslose Sammelgrube für die Abwässer der Grundstücke des Baugebietes betrieben; eine Fertigstellung erfolgte nicht.

4

Anfang des Jahres 2008 wurde die Tropfkörperkleinkläranlage im Auftrag von Anwohnern zu einer biologischen Kleinkläranlage umgerüstet. Der Überlauf entwässerte in freies Gelände; eine wasserrechtliche Erlaubnis lag nicht vor. Nachdem die Gemeinde S. zunächst eine Schmutzwasserentsorgung durch dezentrale Anlagen auf den Grundstücken des Baugebietes geplant hatte, beschloss ihr Gemeinderat im April 2009, zur Abwasserentsorgung in dem Baugebiet eine Trennkanalisation und eine Sammelkläranlage neu errichten zu lassen. Die Teilabnahme des in dem Zeitraum vom 10. August 2009 bis 31. Mai 2010 errichten Abwasserleitungssystems und der Sammelkläranlage, einer SBR-Kleinkläranlage, erfolgte am 16. Dezember 2009. Mit Bescheid vom 13. November 2009 hatte der Burgenlandkreis dem Beklagten die wasserrechtliche Erlaubnis zur Einleitung von biologisch gereinigtem häuslichem Schmutzwasser und von unverschmutztem Niederschlagswasser aus dem Wohnbaugebiet „(S.)“ unter Benutzung einer Kleinkläranlage mit 16 Einwohnerwerten erteilt. Das auf dem klägerischen Grundstück und mehreren benachbarten Grundstücken anfallende Schmutzwasser wird seit Anfang 2010 über eine im Baugebiet verlegte Sammelleitung dieser Anlage zugeführt und von dort nach Reinigung in das Gewässer Aga geleitet.

5

Nach einer Freistellungssatzung des AZV (...) vom 13. März 2008 sollten u.a. die in der Gemeinde S. gelegenen Grundstücke mit der Straßenbezeichnung (S.) 01 bis 14 ab 29. März 2008 gem. § 151 Abs. 5 Satz 1 WG LSA von seiner Abwasserbeseitigungspflicht ausgenommen werden.

6

Mit Bescheid vom 24. September 2010 setzte der Beklagte gegenüber der Klägerin für den Zeitraum vom 18. Februar 2010 bis 25. Juni 2010 eine Grund- und Verbrauchsgebühr in Höhe von insgesamt 220,86 € fest.

7

Nach erfolgloser Durchführung eines Widerspruchsverfahrens hat die Klägerin am 20. Juli 2012 Anfechtungsklage beim Verwaltungsgericht Halle erhoben. Sie hat im Wesentlichen vorgetragen, das Grundstück sei an eine dezentrale Gemeinschaftskläranlage angeschlossen, so dass die Erhebung einer zentralen Gebühr nicht gerechtfertigt sei. Weiterhin sei infolge der Freistellungssatzung des Beklagten vom 13. März 2008 eine Gebührenpflicht nicht gegeben.

8

Das Verwaltungsgericht hat auf die mündliche Verhandlung vom 23. Juli 2013 den Gebührenbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Juni 2012 aufgehoben. Die Klägerin habe im streitigen Zeitraum keine öffentliche Schmutzwassereinrichtung des Beklagten in Anspruch genommen. Zwar sei die Kleinkläranlage in dem Baugebiet „(S.)“ zunächst Teil der öffentlichen Einrichtung des Beklagten gewesen. Auch habe der Beklagte die Kläranlage im streitigen Zeitraum betrieben. Dazu sei er berechtigt gewesen, da ihm die Aufgabe der Abwasserbeseitigung übertragen worden sei. Allerdings habe der Beklagte die durch konkludente Widmung bestimmte Nutzung der Kläranlage durch die Grundstücke des Baugebiets „(S.)“ mit einer konkludenten Entwidmung im Jahr 2008 wieder aufgehoben. Ausweislich der Freistellungssatzung vom 13. März 2008 habe er die Grundstücke in dem Baugebiet von der Abwasserbeseitigungspflicht ausgenommen. Würden sämtliche Grundstücke, die - wie hier - in eine für sie bestimmte Entwässerungsanlage entwässerten, wirksam von der Abwasserbeseitigungspflicht ausgeschlossen, so könne dies nur bedeuten, dass die bislang öffentliche Entwässerungsanlage nicht mehr Teil der öffentlichen Einrichtung sein solle. Für eine Ausgliederung der Kläranlage spreche im Übrigen ebenfalls der in der mündlichen Verhandlung eingeworfene Vorschlag des Beklagten, eine Übernahme der Kläranlage durch die Bewohner des Baugebiets „(S.)“ werde begrüßt.

9

Auf den Antrag des Beklagten hat der erkennende Senat mit Beschluss vom 13. November 2013 die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils zugelassen.

10

Der Beklagte trägt vor, das streitbefangene Grundstück sei zwar im Jahre 2008 dauerhaft von der zentralen Abwasserbeseitigung befreit worden. Die Voraussetzungen für den Erlass der Freistellungssatzung seien gegeben gewesen, da die Satzung auf einem wasserrechtlich genehmigten Abwasserbeseitigungskonzept beruhe. Eine Übernahme von Abwasser durch den Verband sei wegen des unverhältnismäßig hohen Aufwands nicht angezeigt gewesen. Nach Inkrafttreten der Satzung sei ihm auf seinen Antrag jedoch eine wasserrechtliche Erlaubnis für eine zentrale Entsorgung erteilt worden. Die Sammelkläranlage sei erst nach Vorliegen dieser Erlaubnis von ihm betrieben worden. Zudem hätten sich das Leitungssystem und die Kläranlage stets in seinem Anlagevermögen und auch in dessen Lageverzeichnis befunden. Damit liege eine konkludente Widmung dieser Anlage vor. Dem stehe die Freistellungssatzung nicht entgegen, denn diese verpflichte den jeweiligen Grundstückseigentümer dazu, sein Abwasser zukünftig eigenständig zu entsorgen. Sie verpflichte aber den Verband nicht dazu, keine öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlagen im jeweiligen Gebiet zu betreiben. Dies würde zwar betriebswirtschaftlich keinen Sinn machen, wenn sämtliche Grundstückseigentümer im Wohngebiet ihrer satzungsrechtlichen Pflicht zur eigenständigen Beseitigung des Abwassers nachkommen würden. Untersagt sei dies dadurch aber nicht. Außerdem habe er ja feststellen können, dass die Grundstückseigentümer nach wie vor trotz der Freistellungssatzung ihr Abwasser der Sammelkläranlage zuführten. Die Klägerin sei ihrer satzungsrechtlichen Pflicht, selbständig die Abwasserbeseitigung durchzuführen, nicht nachgekommen und habe insoweit rechtswidrig gehandelt. Dies sei für das Entstehen des Gebührenanspruchs aber irrelevant, da jedenfalls eine tatsächliche Inanspruchnahme der Kläranlage durch sie erfolgt sei. Schließlich bestünden selbst fehlender Widmung der Anlage jedenfalls Bereicherungsanspruche gegen die Klägerin, der wohl den streitbefangenen Gebührenanspruch übersteige.

11

Der Beklagte beantragt,

12

das auf die mündliche Verhandlung vom 23. Juli 2013 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Halle - 4. Kammer - abzuändern und die Klage abzuweisen.

13

Die Klägerin beantragt,

14

die Berufung zurückzuweisen.

15

Sie macht geltend, Umbau und Betrieb der als abflusslose Sammelgrube betriebene Tropfkörperkleinkläranlage durch die Anwohner als Gemeinschafts-Kleinkläranlage sei ausweislich eines Aktenvermerks des Burgenlandkreises vom 24. Februar 2009 mit dem Beklagten abgestimmt gewesen. Die umgebaute Anlage habe auch einwandfrei funktioniert. Den Betrieb der neuen Sammelkläranlage habe der Beklagte nach eigenen Angaben in einer Verbandsversammlung vom 12. Dezember 2011 erstmals Anfang 2011 übernommen. Dass einem der Grundstückseigentümer in dem Baugebiet eine wasserrechtliche Erlaubnis für den Betrieb einer Kleinkläranlage auf dem Grundstück erteilt worden und dieser nicht an die Gemeinschaftskläranlage angeschlossen sei, sei ein untrügliches Indiz dafür, dass der Beklagte sich an die satzungsrechtlich erklärte Freistellung der Grundstücke im Baugebiet dauerhaft gebunden habe und keine öffentlich-rechtliche Zweckbestimmung bezüglich der Schmutzwasserentsorgung im Baugebiet vornehmen wolle. Von einer öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft an der streitbefangenen Kläranlage könne keine Rede sein, sondern der Ausschluss von der zentralen Schmutzwasserbeseitigung sei im allseitigen Einvernehmen in die Tat umgesetzt worden. Der Beklagte habe die Anlage entgegen seiner Behauptung auch nicht in seinen Anlagebestand übernommen. Da der Beklagte an dem Ausschluss des Grundstücks von seiner Abwasserbeseitigungspflicht mit einer Freistellungssatzung vom 18. Februar 2013 festgehalten habe, dürfte für konkludente Erklärungen zur Widmung bzw. Entwidmung kein Raum mehr sein. Außerdem sei der Beklagte selbst ausweislich eines Protokolls einer Verbandsversammlung vom 30. Januar 2012 von einer dezentralen Entsorgung ausgegangen.

16

Im Übrigen betreibe der Beklagte seine zu einer einheitlichen öffentlichen Einrichtung zusammengefassten zentralen Kanalisations- und Abwasserbehandlungsanlagen auf Grund der ihm obliegenden Abwasserbeseitigungspflicht. Abgaben dürfe ein Verband nur für Einrichtungen erheben, dessen Betrieb ihm als eigene gesetzliche Aufgabe obliege. Die ursprünglich einmal vorhandene öffentliche Aufgabe Abwasserbeseitigung für das Baugebiet „(S.)“ sei mit In-Kraft-Treten der Freistellungssatzung vom 13. März 2008 entfallen, so dass der Beklagte mit dem Weiterbetrieb der Anlage keine ihm bisher obliegende Abwasserbeseitigungspflicht mehr erfüllt habe. Eine Freistellung sei auf Grund der Siedlungsstruktur angezeigt gewesen. Für freiwillig übernommene Aufgaben habe der allgemeine Gebührenzahler keine allgemeine Nutzungsgebühr zu entrichten. Deshalb komme es auch nicht in erster Linie darauf an, ob eine konkludente Entwidmung und konkludente erneute Widmung erfolgt sei. Der Argumentation in der Berufungsbegründung, dem Beklagten sei es nicht verboten, im „Freistellungsgebiet“ eine Abwasserbeseitigungsanlage zu betreiben, werde zugestimmt. Allerdings könne die tatsächliche Inanspruchnahme allenfalls einen zivilrechtlichen Entgeltanspruch auslösen.

17

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und des Burgenlandkreises Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

18

Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet.

19

Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Der Gebührenbescheid des Beklagten vom 24. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juni 2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

20

Rechtsgrundlage für die Gebührenerhebung ist § 5 KAG LSA i.V.m. der Beitrags-, Gebühren- und Grundstücksanschlusskostensatzung des Beklagten vom 19. Juli 2010 - BGGS -, die gem. ihrem § 26 rückwirkend zum 1. Januar 2009 in Kraft getreten ist und nach ihrem § 1 Abs. 1 Satz 2 für das Entsorgungsgebiet des ehemaligen AZV „(...)“ gilt.

21

1. Einwände gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Gebührensatzung sind weder geltend gemacht noch sonst nach dem im Berufungsverfahren maßgeblichen Prüfungsmaßstab ersichtlich.

22

2. Die Voraussetzungen für eine Erhebung einer Benutzungsgebühr in Form einer Verbrauchs- und Grundgebühr sind erfüllt.

23

Gemäß § 9 Abs. 1 GKG LSA, § 5 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA i.V.m. § 14 BGGS erhebt der Beklagte als Gegenleistung für die Inanspruchnahme u.a. der öffentlichen zentralen Schmutzwasserbeseitigungsanlage verbrauchsabhängige Schmutzwassergebühren, die in Verbrauchs- und Grundgebühren unterteilt sind.

24

a) Die im Zeitraum August 2009 bis Mai 2010 neu errichtete Sammelkläranlage in dem Baugebiet „(S.)“ sowie die ebenfalls neu gelegten Leitungen zu dieser Anlage waren entgegen der Auffassung der Klägerin im streitbefangenen Gebührenzeitraum Teil der öffentlichen Einrichtung des Beklagten zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung.

25

(1) Eine ausreichende Widmung dieser Anlagen(teile) als Teil einer öffentlichen Einrichtung des Beklagten zur Schmutzwasserbeseitigung liegt vor.

26

Eine Anlage oder ein Anlagenteil kann auch durch eine konkludente Widmung zum Bestandteil einer öffentlichen leitungsgebundenen Einrichtung i.S. der Gemeindeordnung Sachsen-Anhalt bzw. des Kommunalabgabengesetzes Sachsen-Anhalt werden. Dazu ist eine Würdigung der Gesamtumstände erforderlich (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschlüsse v. 21. Juni 2013 - 4 L 187/12 - und v. 30. August 2011 - 4 L 226/10 -; vgl. auch Beschl. v. 25. August 2009 - 4 L 417/08 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 10. Februar 2012 - 15 A 2020/11 -, zit. nach JURIS; OVG Thüringen, Urt. v. 3. September 2008 - 1 KO 559/07 -, zit. nach JURIS -).

27

Eine konkludente Widmung der streitbefangenen Anlage(nteile) folgt hier aus dem Betrieb der wasserrechtlich genehmigten Sammelkläranlage, mit der die Entsorgung eines Baugebietes sichergestellt werden sollte (vgl. dazu auch VGH Bayern, Urt. v. 21. Dezember 2000 - 23 B 00.2132 -, zit. nach JURIS), der Erhebung von Benutzungsgebühren (vgl. dazu OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 13. Mai 2011 - 15 A 2825/10 -, zit. nach JURIS; Berendes/Frenz/Müggenborg, WHG, 2011, § 58 Rdnr. 17) sowie aus mehreren ausdrücklichen Erklärungen des Beklagten gegenüber den angeschlossenen Grundstückseigentümern. Der Beklagte hat die Sammelkläranlage auf der Grundlage der ihm erteilten wasserrechtlichen Erlaubnis vom 13. November 2009 im maßgeblichen Gebührenzeitraum zur Klärung von Abwässern der Grundstücke des Baugebiets „(S.)“ und zur Einleitung der vorgeklärten Abwässer in das Gewässer Aga betrieben. Dass der Geschäftsführer des Beklagten in einer Verbandsversammlung vom 12. Dezember 2011 erklärte, die Anlage werde „seit Anfang des Jahres vom Betriebsführer“ betrieben, steht dem nicht entgegen. Es ist unstreitig, dass die Anlage zumindest seit Februar 2010 betrieben worden ist. Dass jemand anderer als der Beklagte dies getan haben sollte, ist weder ersichtlich noch substanziiert geltend gemacht. Vielmehr hat der Beklagte in einem Schreiben vom 12. Januar 2010 ausdrücklich erklärt, er habe die Anlage in Betrieb genommen und u.a. die Angabe des Standes der Wasseruhr angefordert. Es handelt sich danach bei der Aussage in der Verbandsversammlung entweder um einen Irrtum oder um den Hinweis auf die Beauftragung eines Dritten zum Betrieb der Anlage. Weiterhin hat die Verbandsversammlung des Beklagten am 12. November 2011 ausdrücklich - wie schon im April 2009 angekündigt - die Übernahme der Sammelkläranlage, der Schmutzwasserleitung und der Hausanschlüsse von der Gemeinde zu einem bestimmten Herstellungswert beschlossen, und der Beklagte hat nicht nur für die Nutzung der Anlage Benutzungsgebühren erhoben, sondern auch schon vor dem Gebührenzeitraum mit Schreiben vom 15. Februar 2010 erklärt, alle Einleiter unterlägen der Satzungshoheit des Verbandes. Ob die Anlage(nteile) im Bestandsverzeichnis des Beklagten aufgeführt sind, ist danach nicht maßgeblich. Von vornherein keine Bedeutung für das Vorliegen einer Widmung hat der vom Verwaltungsgericht angesprochene Vorschlag des Vertreters des Beklagten in der mündlichen Verhandlung, eine Übernahme der Kläranlage durch die Bewohner des Baugebiets werde begrüßt.

28

(2) Durch die Widmung erfolgte auch eine Einbeziehung der Anlage(nteile) in die Einrichtung zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung.

29

Nach § 1 Abs. 1 der für den streitbefangenen Zeitraum noch gültigen Schmutzwasserbeseitigungssatzung des AZV (...) vom 24. August 2005 - SBS -, teilweise i.d.F. der 1. Änderungssatzung vom 18. April 2007, teilweise i.d.F. der 2. Änderungssatzung 19. Juli 2010, betrieb der Beklagte zur Abwasserbeseitigung in seinem Entsorgungsgebiet je eine rechtlich selbständige Abwasseranlage als öffentliche Einrichtung zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung [a)], Entsorgung von Kleinkläranlagen (KKA) einschließlich öffentlicher Abflussleitungen zur Ableitung vorgeklärten Schmutzwassers [b)] und Entsorgung von abflusslosen Gruben [c)]. Die Abwasserbeseitigung erfolgte gem. § 1 Abs. 2 SBS mittels zentraler Kanalisations- und Abwasserbehandlungsanlagen (Kläranlage) und mittels Einrichtung und Vorkehrung zur Abfuhr und Behandlung von Abwasser einschließlich Fäkalschlamm (dezentrale Abwasseranlage) und Fortleitung vorgeklärten Abwassers.

30

Die Einrichtung des Beklagten zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung ist nach diesen Regelungen eine öffentliche leitungsgebundene Einrichtung i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA, bei der mehrere Grundstücke ihr Schmutzwasser über ein Leitungsnetz in eine oder mehrere Kläranlagen ableiten. Im Gegensatz dazu stehen die beiden dezentralen Einrichtungen zur Entsorgung des Schmutzwassers über jeweils auf dem Grundstück befindliche, abflusslose Sammelgruben oder Kleinkläranlagen. Diese Unterscheidung ergibt sich aus den Begrifflichkeiten in § 1 Abs. 1 SBS und aus der Bestimmung in § 1 Abs. 2 SBS. Als Kleinkläranlagen i.S.d. § 1 Abs. 1 Buchst. b SBS sind nach Sinn und Zweck der Regelungen nur solche Anlagen anzusehen, die sich auf dem Grundstück befinden. Die streitbefangene Sammelkläranlage, an die nutzungsberechtigte Grundstücke eines Baugebietes angeschlossen werden können und die zur Aufnahme des gesamten auf den angeschlossenen Grundstücken anfallenden Schmutzwassers bestimmt ist, sowie das dazugehörige Leitungsnetz sind daher als Teil einer öffentlichen Einrichtung zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung anzusehen (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 25. Juli 2011 - 4 L 182/10 -, Urt. v. 4. September 2003 - 1 L 493/02 -, jeweils zit. nach JURIS; Wellmann/Queitsch/Fröhlich, WHG, 2010, § 56 Rdnr. 32). Zwar handelt es sich bei einer solchen Sammelkläranlage, die technisch auch als Kleinkläranlage bezeichnet wird, wasserrechtlich wohl um eine Anlage zu dezentralen Abwasserbehandlung i.S.d. § 18a Abs. 1 Satz 2 WHG a.F. bzw. § 55 Satz 2 WHG (Kotulla, WHG, 2. A., § 55 Rdnr. 14; Sieder/Zeitler/Dahme, WHG, § 18a Rdnr. 13a; vgl. auch Czychowski/Reinhardt, WHG, 11. A., § 55 Rdnr. 11, 12; Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. I, § 55 WHG Rdnr. 18, 19; Berendes/Frenz/Müggenborg, WHG 2011, § 55 Rdnr. 14 ff.). Dies hat aber für die Bestimmung des Umfangs der jeweiligen öffentlichen Einrichtung keine Bedeutung, da selbst leitungsmäßig voneinander getrennte Entwässerungssysteme als rechtlich einheitliche Einrichtung betrieben werden dürfen (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 24. September 2008 - 2 LB 2/08 -, zit. nach JURIS, m.w.N.). Auch eine möglicherweise entgegenstehende Äußerung in der Verbandsversammlung des Beklagten vom 30. Januar 2012 ist rechtlich ohne Relevanz.

31

Ein Verstoß gegen das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG liegt darin nicht (vgl. auch OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 21. Juni 2006 - 4 L 105/06 -). Das Willkürverbot des Art. 3 GG ist erst dann verletzt, wenn technisch voneinander unabhängige Entwässerungssysteme rechtlich zu einer Einrichtung zusammengefasst werden, die infolge ihrer unterschiedlichen Arbeitsweise und/oder Arbeitsergebnisse den anzuschließenden Grundstücken so unterschiedliche Vorteile vermitteln, dass sie schlechterdings nicht vergleichbar sind (OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 28. September 2009 - 4 K 356/08 -; Beschl. v. 21. Juni 2006 - 4 L 105/06 -, jeweils zit. nach JURIS, m.w.N.). Die streitige Sammelkläranlage und größere Kläranlagen stellen durchaus vergleichbare Entwässerungssysteme dar, weil dort jeweils nicht vorgeklärtes Schmutzwasser über Leitungen gesammelt, (vor)behandelt und in den Vorfluter geleitet wird. Demgegenüber besteht mit den jeweils zu Einrichtungen für die dezentrale Entsorgung zusammengefassten Anlagen i.S.d. § 1 Abs. 1 Buchst. b und c SBS keine solche Vergleichbarkeit. Die Grundstückseigentümer, deren Grundstücke über Leitungen mit einer für ein Baugebiet errichteten Sammelkläranlage verbunden sind und die keine Vorklärung durchführen müssen, haben gegenüber den Grundstückseigentümern, die ihre Abwässer über auf den eigenen Grundstücken befindliche Hauskläranlagen oder Sammelgruben entsorgen, eine deutlich unterschiedliche Vorteilssituation. Auch sind keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass sich die Reinigungsergebnisse der Sammelkläranlage und der größerer Kläranlagen wesentlich unterscheiden.

32

(3) Die Freistellungssatzung des AZV (...) vom 18. März 2008 steht einer Widmung nicht entgegen.

33

(a) Es kann offen bleiben, ob die Gemeinden und damit die Zweckverbände mit einer öffentlichen Einrichtung grundsätzlich nur eine in ihren Wirkungskreis fallende Aufgabe erfüllen dürfen, so dass sich jedenfalls die Widmung der Einrichtung im Rahmen des Aufgabenbereichs der Körperschaft halten muss und auch eine Benutzungsgebührenpflicht nur für eine in diesem Rahmen erbrachte Aufgabenerfüllung bestehen kann (vgl. zu Niederschlagswassergebühren OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 28. Mai 2013 - 4 L 231/11 -, zit. nach JURIS, m.w.N.). Denn die Freistellungssatzung war hinsichtlich der Grundstücke in dem Baugebiet „(S.)“ teilweise nichtig, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ermächtigungsnorm jedenfalls für die Schmutzwasserbeseitigung nicht erfüllt waren.

34

Gemäß § 151 Abs. 5 Satz 1 WG LSA in der von 22. April 2005 bis 31. März 2011 gültigen Fassung - WG LSA a.F. - kann die Gemeinde auf der Grundlage ihres genehmigten Abwasserbeseitigungskonzepts durch Satzung Abwasser aus ihrer Beseitigungspflicht ganz oder teilweise ausschließen, wenn

35

1. das Abwasser wegen seiner Art oder Menge nicht zusammen mit dem in Haushaltungen anfallenden Abwasser beseitigt werden kann,

36

2. eine Übernahme des Abwassers wegen technischer Schwierigkeiten, wegen des unverhältnismäßig hohen Aufwandes oder aufgrund der Siedlungsstruktur nicht angezeigt ist oder

37

3. dies aus anderen Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses geboten ist

38

und eine gesonderte Beseitigung des Abwassers das Wohl der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt.

39

Aus der bundesrechtlichen Rahmenregelung des § 18a Abs. 2 WHG a.F. bzw. § 56 WHG ergibt sich, dass die Abwasserbeseitigungspflicht grundsätzlich der öffentlichen Hand übertragen sein soll und nur ausnahmsweise eine Verlagerung auf private Dritte in Betracht kommen kann (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 14. September 2000 - 3 M 166/00 -, zit. nach JURIS). Darauf basierende landesrechtliche Bestimmungen stellen daher eng auszulegende Ausnahmeregelungen dar (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 4. Juli 2014 - 2 L 126/12 - und Urt. v. 4. November 2004 - 1 K 345/03 -; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 21. Dezember 1995 - 1 A 10571/95 -, jeweils zit. nach JURIS; Czychowski/Reinhardt, WHG, 11. A., § 56 Rdnr. 18; Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. I, § 56 Rdnr. 19).

40

Das von den Wohngrundstücken in dem Baugebiet „(S.)“ stammende Schmutzwasser war zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Freistellungssatzung weder nach Art noch nach Menge i.S.d. § 151 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 WG LSA a.F. ungeeignet, zusammen mit dem in Haushaltungen anfallenden Abwasser zentral beseitigt zu werden.

41

Eine Übernahme des auf den Grundstücken anfallenden Schmutzwassers war weiterhin nicht i.S.d. § 151 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 WG LSA a.F. wegen technischer Schwierigkeiten, wegen des unverhältnismäßig hohen Aufwandes oder auf Grund der Siedlungsstruktur angezeigt. Anhaltspunkte dafür, dass eine zentrale Abwasserbeseitigung in dem Baugebiet wegen technischer Schwierigkeiten im Jahr 2008 nicht möglich war, gibt es nicht. Auch hatte eine zentrale Entsorgung keinen unverhältnismäßig hohen Aufwand zur Folge. Angesichts des Schutzzwecks des § 151 Abs. 5 Satz 1 WG LSA a.F. und der überragenden Bedeutung, die einer ordnungsgemäßen schadlosen Abwasserbeseitigung zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen zukommt, ist bei der Frage, welcher Aufwand einer eigentlich abwasserbeseitigungspflichtigen Körperschaft zuzumuten ist, um eine ordnungsgemäße zentrale Abwasserbeseitigung zu gewährleisten, ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 4. November 2004, a.a.O.; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 21. Dezember 1995, a.a.O.). Dass die Kosten einer zentralen Schmutzwasserbeseitigung zu dem Nutzen durch die dauerhafte Sicherung einer ordnungsgemäßen Abwasserbeseitigung durch einen Anschluss der betroffenen Grundstücke in dem Baugebiet an eine zentrale Schmutzwasserbeseitigung außer Verhältnis standen, ist weder ersichtlich noch substanziiert geltend gemacht. Dagegen spricht schon der Umstand, dass die Gemeinde S. nur etwas mehr als ein Jahr nach Erlass der Freistellungssatzung mit Unterstützung des Verbandes die Entscheidung getroffen hatte, eine zentrale Entwässerung herzustellen. Zudem betrug der Herstellungswert der von der Gemeinde dann errichteten Sammelkläranlage mit 16 Einwohnerwerten, der Schmutzwasserleitung und der Hausanschlüsse, zu dem der Beklagte diese Anlagenteile übernommen hat, nach einem Beschluss der Verbandsversammlung des Beklagten vom 12. Dezember 2011 nur 36.430,59 €. Schließlich stand auch die Siedlungsstruktur einer zentralen Entsorgung nicht entgegen. Ob diese Tatbestandsvoraussetzung neben den beiden anderen Voraussetzungen des § 151 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 WG LSA a.F. noch einen eigenständigen Regelungsgehalt hat (vgl. dazu § 151 Abs. 4 Satz 1 WG LSA i.d.F. der Bekanntmachung vom 21. April 1998), kann dahinstehen. Ebenfalls offen bleiben kann, ob insoweit nur auf die tatsächliche Umgebungsbebauung der betroffenen Grundstücke oder die zu erwartende Bebauung abzustellen ist. Jedenfalls wenn - wie hier - die Grundstücke in einem durch Bebauungsplan festgesetzten Neubaugebiet liegen, ist die bauliche Planung maßgeblich. Bei dem Baugebiet „(S.)“ handelte es sich nach der genehmigten Bauleitplanung um ein einheitliches Neubaugebiet für dreizehn Einfamilienhäuser. Eine derartige Siedlungsstruktur führt nicht zu der Annahme, dass eine dezentrale Entsorgung des Baugebietes angezeigt ist.

42

Die Vorgabe des § 151 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 WG LSA a.F. war schließlich ebenfalls nicht erfüllt. Es handelt sich dabei um einen Auffangtatbestand, der allein dann eingreift, wenn nicht nur ein überwiegendes öffentliches Interesse gegeben ist, sondern der Ausschluss deshalb auch geboten ist. Eine abschließende Bestimmung des Regelungsgehalts dieser Norm ist nicht erforderlich (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 4. Juli 2014, a.a.O., zu § 79a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WG LSA, zit. nach JURIS; vgl. auch VG Magdeburg, Urt. v. 6. Juni 2012 - 9 A 23/11 -, zu § 79a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WG LSA, zit. nach JURIS). Jedenfalls lag angesichts der ursprünglichen Planung für ein Neubaugebiet mit zentraler Abwasserbeseitigung, auf Grund derer tatsächlich auch Wohnhäuser errichtet worden sind, kein überwiegendes öffentliches Interesse für eine Entsorgung des Schmutzwassers der Grundstücks dieses Baugebietes über Kleinkläranlagen und abflusslose Sammelgruben vor. Dass sowohl die Gemeinde S. als auch der AZV (...) zwischenzeitlich andere Vorstellungen entwickelt hatten, ändert daran ebenso wenig wie der Umstand, dass die ursprüngliche Planung auf dem mit Gesetz vom 15. April 2005 (GVBl. S. 208) aufgehobenen § 151 Abs. 4 Satz 3 WG LSA i.d.F. der Bekanntmachung vom 21. April 1998 beruhte, nach dem für Neubaugebiete keine Freistellung erfolgen sollte.

43

Nicht entschieden werden muss danach, ob eine gesonderte Beseitigung des Abwassers in dem Baugebiet durch die Klägerin und die Kläger in den Parallelverfahren nicht schon deshalb das Wohl der Allgemeinheit beeinträchtigte, weil diese weder zum Zeitpunkt des Erlasses der Freistellungssatzung noch zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung für ihre Grundstücke technisch über die Möglichkeit verfügten, der Abwasserbeseitigungspflicht selbst nachzukommen.

44

Dass das Abwasserbeseitigungskonzept des AZV (...) im Zeitpunkt des Erlasses der Freistellungssatzung keine zentrale Entsorgung der Grundstücke in dem Baugebiet „(S.)“ vorsah, führt zu keinem anderen Ergebnis. Eine entgegenstehende Festlegung in dem Abwasserbeseitigungskonzept des Verbandes ist hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Übertragung der Abwasserbeseitigungspflicht unbeachtlich, wenn sie gegen die maßgeblichen Regelungen des Wassergesetzes verstößt (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 4. Juli 2014, a.a.O.). Ein Vorrang dieses Konzepts gegenüber den gesetzlichen Vorgaben besteht auch nicht deshalb, weil die eigentlich abwasserbeseitigungspflichtige Körperschaft die Satzung über den Ausschluss von der Beseitigungspflicht gem. § 151 Abs. 5 Satz 1 WG LSA a.F. nur „auf der Grundlage ihres genehmigten Abwasserbeseitigungskonzepts“ beschließen darf. Damit wird lediglich sichergestellt, dass die Satzung und das Abwasserbeseitigungskonzept übereinstimmen und mittelbar eine Vorprüfung durch die Wasserbehörde stattgefunden hat (vgl. auch die Gesetzesbegründung in LT-DrS 4/1789 vom 2. September 2005, S. 94).

45

Offen bleiben kann, ob nicht selbst bei einer Wirksamkeit der Freistellungssatzung auf Grund des tatsächlich erfolgten Anschlusses von Grundstücken zumindest eine Verpflichtung des Beklagten bestand, nach § 151 Abs. 7 Satz 1 WG LSA a.F. den Ausschluss von der Abwasserbeseitigungspflicht für diese Grundstücke aufzuheben, und welche Folgen diese Verpflichtung für den Umfang der Aufgabenerfüllung durch den Beklagten hätte.

46

(b) Aus der Freistellungssatzung vom 13. März 2008 ergibt sich auch - unabhängig von deren Teilnichtigkeit - kein die konkludente Widmung ausschließender Rechtsschein.

47

Zwar war auf Grund der Beschlussfassung der Satzung der Wille des AZV (...) erkennbar, im März 2008 einen Ausschluss von seiner Abwasserbeseitigungspflicht für die Grundstücke in dem Baugebiet „(S.)“ zu veranlassen. Die Freistellung hat gem. § 151 Abs. 5 Satz 2, 6 Satz 1 WG LSA a.F. zur Folge, dass die eigentlich gem. § 151 Abs. 1 Satz 1 WG LSA a.F. beseitigungspflichtige Körperschaft nicht mehr - außer hinsichtlich des abflusslosen Gruben gesammelten Abwassers und Schlamms aus Absetz- und Ausfaulgruben (vgl. § 151 Abs. 1 Satz 2 WG LSA a.F.) - zur Beseitigung des Abwassers der erfassten Grundstücke verpflichtet ist, sondern derjenige, bei dem es anfällt. Damit war gleichzeitig auch ersichtlich, dass der Verband die damals auf Veranlassung von Anwohnern umgebaute Tropfkörperkleinkläranlage nicht als Bestandteil seiner Einrichtung ansah und davon ausging, die Anwohner könnten die Abwasserbeseitigungspflicht übernehmen. Diese Willensbekundung des Verbandes wurde aber durch den später erfolgten Bau einer neuen Sammelkläranlage, die Beantragung der wasserrechtlichen Genehmigung und das darauf folgende tatsächliche Verhalten des Beklagten derart überlagert, dass sie einer konkludenten Widmung dieser Anlage(nteile) nicht entgegenstand. Dass der Beklagte den Ausschluss des Abwassers der Grundstücke von der Abwasserbeseitigungspflicht nicht gem. § 151 Abs. 7 Satz 1 WG LSA a.F. aufgehoben hat, ist angesichts der die konkludente Widmung tragenden Gesamtumstände ebenfalls unbeachtlich. Auf die Freistellungssatzung des Beklagten vom 18. Februar 2013, die nach dem streitigen Gebührenzeitraum erlassen wurde, kommt es von vornherein nicht an.

48

b) Die Benutzungsgebühr ist eine Gegenleistung für die Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung. Eine solche Inanspruchnahme durch die Klägerin lag im Gebührenzeitraum vor, weil das Schmutzwasser ihres Grundstücks unstreitig über die Sammelkläranlage entsorgt worden ist.

49

3. Durchgreifende Einwände gegen die materielle Rechtmäßigkeit der Gebührensatzung im Übrigen sowie gegen die Berechnung der Gebühren sind weder geltend gemacht noch sonst nach dem im Berufungsverfahren maßgeblichen Prüfungsmaßstab ersichtlich.

50

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

51

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

52

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe vorliegt.


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.