Verwaltungsgericht Aachen Urteil, 27. März 2014 - 4 K 1911/13
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
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T a t b e s t a n d
2Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit des Grundsteueränderungsbescheids der Beklagten für das Jahr 2013.
3Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks A. Straße 00 in O. . Die Beklagte zog die Kläger zunächst für das genannte Grundstück unter Zugrundelegung eines Hebesatzes von 450 % zur Zahlung von Grundsteuer B in Höhe von 720,72 € für das Jahr 2013 heran.
4Die Beklagte verfügte bereits seit Jahren weder über einen genehmigten Haushalt noch über ein Haushaltssicherungskonzept und befand sich damit im sogenannten Nothaushalt. Aufgrund der haushaltsrechtlichen Situation der Beklagten stellte die Bezirksregierung L. gemäß §§ 10 Abs. 1, 3 Satz 2 des Gesetzes zur Unterstützung der kommunalen Haushaltskonsolidierung im Rahmen des Stärkungspakts Stadtfinanzen (Stärkungspaktgesetz, im Folgenden: StärkPaktG) vom 8. Dezember 2011 (GV.NRW.2011 S. 662) mit Bescheid vom 21. Dezember 2011 fest, dass für die Beklagte die Teilnahme an der Konsolidierungshilfe verpflichtend sei, da sich aus den Daten des Haushaltsjahres 2010 eine Überschuldungssituation in der mittelfristigen Ergebnisplanung ab dem Jahr 2013 ergebe. Für das Jahr 2011 setzte sie die Konsolidierungshilfe auf 850.687,28 € fest.
5Zur Erfüllung ihrer im StärkPaktG normierten Verpflichtung, der Bezirksregierung bis zum 30. Juni 2012 einen Haushaltssanierungsplan zur Genehmigung vorzulegen, erarbeitete die Verwaltung der Beklagten in Zusammenarbeit mit der von ihr beauftragten Gemeindeprüfanstalt Nordrhein-Westfalen (GPA) einen Haushaltssanierungsplan, der als Konsolidierungsmaßnahme u.a. eine Erhöhung der Grundsteuer B für das Haushaltsjahr 2013 von 450 % auf 600 % vorsah.
6Nachdem der Rat der Beklagten den Plan zunächst abgelehnt und die Höchstgrenze der Kredite zur Liquiditätssicherung für das Jahr 2012 von 19.100.000,- € auf 22.500.000,- € heraufgesetzt hatte, beschloss er in seiner Ratssondersitzung vom 26. Juni 2012 den von der Verwaltung vorgelegten Haushaltssanierungsplan mit geringfügigen Änderungen, aber mit der vorgeschlagenen Erhöhung der Grundsteuer auf 600 %. Der beschlossene Haushaltssanierungsplan dokumentiert für das Haushaltsjahr 2016 als Sanierungsplanergebnis ein Defizit von 1.770.131,- €, der bis 2021 fortgeschriebene Ergebnis- und Sanierungsplan ein weiter ansteigendes Defizit auf 2.385.529,- €.
7Mit Schreiben vom 29. Juni 2012 legte die Bürgermeisterin den vom Rat am 26. Juni 2012 beschlossenen Haushaltssanierungsplan der Bezirksregierung L. mit der Bitte um Genehmigung vor. Die Gemeinde sei trotz drastischer Steuererhöhungen unter Ausschöpfung aller politisch durchsetzbaren Möglichkeiten nicht in der Lage den vom StärkPaktG geforderten Haushaltsausgleich im Jahr 2016 bzw. 2021 zu erreichen. Die beschlossenen Konsolidierungsmaßnahmen hätten bereits jetzt zur Folge, dass kommunale Selbstverwaltung nicht mehr möglich sei. Es seien grundlegende Veränderungen im Bereich der Gemeindefinanzierung und die Einhaltung des Konnexitätsprinzips erforderlich.
8Die Bezirksregierung L. , u.a. vertreten durch den zuständigen Dezernenten Herrn C. , wies die Beklagte schriftlich und mündlich darauf hin, dass der beschlossene Haushaltssanierungsplan nicht genehmigungsfähig sei, da er nicht den vom StärkPaktG geforderten Haushaltsausgleich bis 2016 bzw. 2021 darstelle. Der daraufhin von der Verwaltung erarbeitete neue Entwurf eines Haushaltssanierungsplans, der den geforderten Haushaltsausgleich u.a. über eine Anhebung des Hebesatzes der Grundsteuer B (in 2013 auf 600 %, in 2016 auf 1200 %, in 2018 auf 1.250 % und in 2021 auf 1.300 %) rechnerisch darstellte, wurde dem Rat nicht zur Beschlussfassung vorgelegt, da dieser bereits im Vorfeld seine Ablehnung signalisiert hatte.
9In der Ratssitzung vom 11. Dezember 2012 legte die Verwaltung dem Rat die auf der Beschlussfassung der Ratssondersitzung vom 26. Juni 2012 beruhenden Hebesatzsatzungen für die Grund- und Gewerbesteuer, die Hundesteuersatzung sowie die von der Verwaltung mit dem Ziel eines weiteren Konsolidierungsbeitrags überarbeitete Zweitwohnungs- und Vergnügungssteuersatzung zur Beschlussfassung vor. Sämtliche Satzungsentwürfe wurden vom Rat abgelehnt.
10Mit Schreiben vom 14. Dezember 2012 wandte sich die Bürgermeisterin daraufhin an die Kommunalaufsicht und bat um die Bestellung eines Beauftragten für die Kommune. Da der Rat alle notwendigen Beschlüsse zur Umsetzung des beschlossenen Haushaltssanierungsplans abgelehnt habe, sehe sie keine andere Möglichkeit, weiteren Schaden von der Kommune abzuwenden.
11Im Hinblick auf die mangelnde Kooperationsbereitschaft der Beklagten, die beispielsweise der Gemeindeprüfanstalt keinen Zugriff auf alle notwendigen Basisdaten gewährt hatte, schlug die Bezirksregierung L. vor, mit der Beklagten zunächst eine Vereinbarung über den Einsatz eines externen, vom Land finanzierten Gutachters abzuschließen, dem Zugang zu allen Daten zu gewähren sei; die Bestellung eines Beauftragten könne so noch aufgeschoben werden und die Kommune behielte noch ihre Handlungsmöglichkeiten.
12Nachdem der Rat auch diese Vereinbarung mit Beschluss vom 22. Januar 2013 abgelehnt hatte, setzte die Bezirksregierung L. der Beklagten mit Verfügung vom 5. März 2013 gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 StärkPaktG eine Frist bis zum 10. April 2013 zur Beschlussfassung eines genehmigungsfähigen Haushaltssanierungsplans 2012 und kündigte für den Fall der Nichteinhaltung der Frist die Bestellung eines Beauftragten nach § 124 GO NRW an. Die Verwaltung erarbeitete daraufhin in enger Abstimmung mit der Bezirksregierung L. einen Haushaltssanierungsplan, der Änderungen der Basisplanung sowie der Sanierungsmaßnahmen berücksichtigte und die danach verbleibende Deckungslücke durch eine Anhebung der Hebesätze der Grundsteuer B kompensierte (2013: 600 %, 2014: 725 %, 2015: 850 %, 2016: 940 %, 2017: 970 %, 2018 bis 2021: 990 %). Nach der Jahresergebnisplanung wäre so erstmals im Haushaltsjahr 2016 und von diesem Zeitpunkt an jährlich der Haushaltsausgleich erreicht worden.
13In seiner Ratssitzung vom 9. April 2013 lehnte der Rat der Beklagten auch diesen Haushaltssanierungsplan sowie die nochmals zur Beschlussfassung vorgelegten Hebesatzsatzungen für die Grund- und die Gewerbesteuer ab.
14Nach Mitteilung des Ergebnisses der Ratssitzung durch die Bürgermeisterin hörte das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes NRW (im Folgenden: Innenministerium) mit Schreiben vom 16. April 2013, unter Fristsetzung bis zum 26. April 2013, die Beklagte zur beabsichtigten Bestellung eines Beauftragten an. Das Innenministerium führte aus, dass es nach § 8 Abs. 1 Satz 2 StärkPaktG verpflichtet sei, einen Beauftragten zu bestellen, nachdem der Rat seiner Verpflichtung, einen Haushaltssanierungsplan zu verabschieden, endgültig nicht nachgekommen sei. Der Beauftragte solle befristet bestellt werden und lediglich den Rat ersetzen, da die Verwaltung gezeigt habe, dass sie grundsätzlich bereit sei, ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachzukommen. Er solle die für eine Haushaltssanierung nach dem StärkPaktG erforderlichen Beschlüsse fassen und insoweit an die Stelle des Rates treten.
15In seiner Sitzung vom 23. April 2013 beriet der Rat über das Anhörungsschreiben und stellte in einem mehrheitlich angenommenen Beschluss u.a. fest: Die Bürgermeisterin habe ihre Unterrichtungspflichten gegenüber dem Rat nicht erfüllt. Der Rat sei weder über die Verfügung der Bezirksregierung L. vom 25. Oktober 2012 noch über mündliche bzw. schriftliche Hinweise vom 30. Oktober 2012 ausreichend informiert worden. Der Rat habe zwar die Unterzeichnung der Vereinbarung mit der Bezirksregierung über die Beauftragung eines Gutachters abgelehnt, gleichzeitig aber die Unterstützung des Gutachters zugesagt, falls dieser von der Bezirksregierung entsandt werde. Die Ablehnung des Haushaltssanierungsplans in der Sitzung vom 9. April 2013 sei erfolgt, weil die Beklagte nach den Vorgaben des StärkPaktG nicht sanierungsfähig sei und der von der Verwaltung vorgelegte Sanierungsplan Einsparungen und Mehreinnahmen ausweise, die unrealistisch seien. Die Verteilung der finanziellen Mittel des Landes an die Kommunen sei so geregelt, dass kleine Flächengemeinden mit geringen Gewerbesteuereinnahmen ausgehungert würden. Dies würde gebilligt, wenn der Rat dem Sanierungsplan zustimmte.
16Mit für sofort vollziehbar erklärtem Bescheid vom 7. Mai 2013 bestellte das Innenministerium gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 StärkPaktG in Verbindung mit § 124 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NRW) Herrn Oberregierungsrat C. von der Bezirksregierung L. als Beauftragten für die Beklagte (Ziffer 1). Es wurden dem Beauftragten folgende Aufgaben des Rates der Beklagten übertragen, die er an dessen Stelle wahrzunehmen habe (Ziffer 2):
17a. Beschlussfassung über den Haushaltssanierungsplan 2012 und 2013 gemäß § 6 StärkPaktG.
18b. Beschlussfassung über den Entwurf der Haushaltssatzung 2013 mit ihren Anlagen.
19c. Beschlussfassung über die Festsetzung der Hebesätze der Gewerbesteuer und der Grundsteuern A und B rückwirkend zum 1. Januar 2013.
20d. Alle zu treffenden Entscheidungen gemäß § 41 Abs. 1 Buchstaben h), i) und p) GO NRW sowie alle zur Vorbereitung dieser Entscheidungen zu treffenden Beschlüsse, soweit diese notwendig sind, um die Beschlüsse 1. bis 3. fassen zu können.
21Die Bestellung des Beauftragten werde aufgehoben, sobald der Beauftragte die Beschlüsse 1. bis 3. gefasst habe und der Haushaltssanierungsplan von der Bezirksregierung genehmigt sei.
22Zur Begründung führte das Innenministerium im Wesentlichen aus: Der Rat sei trotz aller unterstützenden Angebote der Bezirksregierung seinen aus dem StärkPaktG folgenden Verpflichtungen nicht nachgekommen, so dass die Auszahlung der der Beklagten grundsätzlich zustehenden Konsolidierungshilfe nach § 5 Abs. 3 StärkPaktG zurückgestellt sei. Der Ratsbeschluss vom 23. April 2013 anlässlich des Anhörungsschreibens enthalte keine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Sanierungsplan und lasse insbesondere nicht den Willen erkennen, sich künftig gesetzeskonform zu verhalten. Daher seien dem Beauftragten an Stelle des Rates die Aufgaben zuzuweisen, die Beschlüsse über die Haushaltssanierungspläne 2012 und 2013, über die Haushaltssatzung 2013 und über die Hebesatzsatzungen der Gewerbesteuern sowie der Grundsteuern A und B rückwirkend zum 1. Januar 2013 zu fassen. Die Übertragung der Satzungsbeschlüsse über die Hebesätze sei erforderlich und geboten, weil der Rat insoweit seine ablehnende Haltung eindeutig dokumentiert habe, die Erhöhung der Hebesätze aber eine zentrale, nicht anderweitig kompensierbare Sanierungsmaßnahme darstelle und insoweit ein Beschluss mit Wirkung für das Jahr 2013 gemäß § 25 Abs. 3 Satz 1 des Grundsteuergesetzes und § 16 Abs. 3 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes nur noch bis zum 30. Juni 2013 gefasst werden könne.
23Die Beklagte erhob gegen diesen Bescheid keine Klage.
24In seiner Sitzung vom 22. Mai 2013 beschloss der Beauftragte den Haushaltssanierungsplan 2012 sowie die Hebesatzsatzungen für die Grundsteuer A (Erhöhung auf 500 %), die Grundsteuer B (Erhöhung auf 600 %) und die Gewerbesteuer rückwirkend zum 1. Januar 2013.
25Mit Bekanntmachungsanordnung der Bürgermeisterin vom 23. Mai 2013 wurde die Satzung über die Festsetzung der Steuersätze für die Grundsteuern und die Gewerbesteuer in der Kommune im Haushaltsjahr 2013 (Hebesatzsatzung) im amtlichen Bekanntmachungsblatt S. S1. vom 31. Mai 2013 bekannt gemacht.
26Mit Bescheid vom 28. Mai 2013 genehmigte die Bezirksregierung L. den vom Beauftragten beschlossenen Haushaltssanierungsplan.
27Mit Änderungsbescheid "Grundbesitzabgaben 2013" vom 10. Juni 2012 setzte die Beklagte gegenüber den Klägern auf der Grundlage der neuen, streitgegenständlichen Hebesatzsatzung und des darin festgelegten Hebesatzes von 600 % die Grundsteuer B für das Jahr 2013 in Höhe von insgesamt 960,96 € fest. Unter Berücksichtigung der bereits (bestandskräftig) erfolgten Festsetzung der Grundsteuer für das Jahr 2013 in Höhe von 720,72 € beträgt die Erhöhung 240,24 €.
28Die Kläger haben am 4. Juli 2013 Klage erhoben. Sie tragen vor: Die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende, vom Beauftragten beschlossene Hebesatzsatzung sei rechtswidrig und unwirksam. Der Satzungsbeschluss sei von einem unzuständigen Organ gefasst worden, da die Bestellung des Beauftragten wegen der Verletzung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Selbstverwaltungsrechts der beklagten Kommune rechtswidrig sei. Hierauf könne sich der Bürger auch berufen, denn er sei durch die Ersetzung des von ihm gewählten, demokratisch legitimierten Rates in eigenen Rechten verletzt. Das als Rechtsgrundlage herangezogene Stärkungspaktgesetz könne den Eingriff nicht rechtfertigen, da es ebenfalls rechtswidrig sei. Es verletze das Selbstverwaltungsrecht, weil es von den pflichtig teilnehmenden Kommunen auch gegen den Willen des Rates den Nachweis eines Finanzausgleichs in einem definierten Zeitraum erzwinge. Dabei bleibe außer Acht, dass insbesondere ländliche Kommunen vom Land weder die verfassungsrechtlich gewährleistete finanzielle Mindestausstattung erhielten noch strukturell in der Lage seien, ausreichende Gewerbesteuereinnahmen zu erzielen. Da dies die eigentlichen Ursachen für die haushaltsrechtlichen Probleme der vom Stärkungspakt betroffenen Kommunen seien, sei das StärkPaktG ungeeignet, den erstrebten Haushaltsausgleich herbeizuführen. Es sei insbesondere unverhältnismäßig, weil es im Gegensatz zu den in der Gemeindeordnung vorgesehenen Aufsichtsmitteln ausschließlich das schärfste Eingriffsmittel, die Bestellung eines Beauftragten, vorsehe. Die Verfügung des Innenministeriums vom 7. Mai 2013, die den Beauftragten C. einsetze, sei rechtswidrig. Der Umfang der Aufgabenübertragung auf den Beauftragten, der den gesamten Bereich der Haushaltswirtschaft und der finanziellen Angelegenheiten der Kommune betreffe, entziehe der Kommune das Selbstverwaltungsrecht im Kernbereich. Die Verfügung sei auch zu unbestimmt und unverhältnismäßig. Die Anhebung des Grundsteuerhebesatzes sei schließlich ungeeignet, um das Ziel des Haushaltsausgleichs zu erreichen. Die hohen Grundbesitzabgaben würden langfristig sogar dazu führen, dass sich weniger Bürger im Gemeindegebiet ansiedeln und damit weniger Grundsteuereinnahmen erzielt würden.
29Die Kläger beantragen,
30den Änderungsbescheid "Grundbesitzabgaben 2013" der Beklagten vom 10. Juni 2013 aufzuheben.
31Die Beklagte beantragt,
32die Klage abzuweisen.
33Sie trägt vor: Der angegriffene Bescheid sei rechtmäßig. Grundsätzlich sei zwar der Rat der Kommune für die Beschlussfassung über die Hebesatzsatzung zuständig. Diese Befugnis sei aber auf der Grundlage des Stärkungspaktgesetzes mit bestandskräftiger Verfügung des Innenministeriums vom 7. Mai 2013 auf den Beauftragten übertragen worden.
34Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der Bezirksregierung L. Bezug genommen.
35E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
36Die zulässige Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO) ist nicht begründet. Der angegriffene Grundbesitzabgabenbescheid vom 10. Juni 2013, der rückwirkend ab 1. Januar 2013 für das Jahr 2013 eine um 240,24 € höhere Grundsteuer festsetzt, ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
37Rechtsgrundlage für die streitgegenständliche Festsetzung der Grundsteuer B sind die §§ 1 Abs. 1, 2 Nr. 2 Satz 1, 10 Abs. 1, 13 ff, 25 und 27 des Grundsteuergesetzes - GrStG - in Verbindung mit der vom Beauftragten in seiner Sitzung vom 22. Mai 2013 beschlossenen Satzung über die Festsetzung der Steuersätze für die Grundsteuern und die Gewerbesteuer in der Stadt O. im Haushaltsjahr 2013 (Hebesatzsatzung 2013). Danach sind die Kläger verpflichtet, für das Heranziehungsjahr 2013 Grundsteuern in Höhe von weiteren 240,24 € zu entrichten.
38Nach § 2 Nr. 2 GrStG in Verbindung mit den §§ 86, 70 des Bewertungsgesetzes -BewG - ist das im Eigentum der Kläger stehende Grundstück zur Grundsteuer zu veranlagen.
39Die Beklagte hat der Berechnung der Grundsteuer zu Recht den für das Grundstück der Kläger vom Finanzamt erlassenen Grundsteuermessbescheid vom 1. August 2003, der seinerseits auf dem ebenfalls vom Finanzamt erlassenen Einheitswertbescheid beruht, zugrunde gelegt. Dieser ist für die den Grundsteuerbescheid erlassende Kommune bindend. Die Bindungswirkung des Grundsteuermessbescheids, bei dem es sich um einen Grundlagenbescheid im Sinne des § 171 Abs. 10 der Abgabenordnung - AO - handelt, ist in § 184 Abs. 1 Satz 3 AO in Verbindung mit § 182 Abs. 1 AO geregelt. Nach der letztgenannten Norm sind Feststellungsbescheide, auch wenn sie noch nicht unanfechtbar sind, für andere Feststellungsbescheide, für Steuermessbescheide, für Steuerbescheide und für Steueranmeldungen (Folgebescheide) bindend, soweit die in den Feststellungsbescheiden getroffenen Feststellungen für diese Folgebescheide von Bedeutung sind. Wegen des Verweises in § 184 Abs. 1 Satz 3 AO gilt Entsprechendes im Verhältnis Grundsteuermess- und Steuerbescheid. Insoweit ist der Frage einer - möglichen - Verfassungswidrigkeit der Einheitswertfeststellung für die Rechtmäßigkeit der Heranziehung zur Grundsteuer nicht weiter nachzugehen, da Mängel im System der Grundstücksbewertung ausschließlich gegen die vom Finanzamt erlassenen Grundlagenbescheide (Einheitswert- und Grundsteuermessbescheid) geltend gemacht werden können. Die Grundstücksbewertung ist abschließend durch die Grundlagenbescheide entschieden.
40Vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 18. Februar 2009 - 1 BvR 1334/07 -; OVG NRW, Beschluss vom 10. Dezember 2013 - 14 A 2451/13 -; jeweils m.w.N.; sämtlich juris.
41Auch die zum 1. Januar 2013 rückwirkend erfolgte Erhöhung der Grundsteuer B durch die in seiner Sitzung vom 22. Mai 2013 vom Beauftragten beschlossene Hebesatzsatzung 2013 ist nicht zu beanstanden. Entgegen den erhobenen Einwendungen ist die Hebesatzsatzung 2013, die den Hebesatz auf 600 % festsetzt, formell und materiell rechtmäßig.
42Die dem Grundsteuerbescheid zugrundeliegende Hebesatzsatzung ist im Rahmen der Anfechtungsklage gegen den Grundsteuerbescheid inzident zu prüfen. Ist eine Satzung infolge rechtlicher Mängel unwirksam, hat dies die Rechtswidrigkeit des auf der Grundlage der Satzung ergangenen Verwaltungsakts und eine Rechtsverletzung der Kläger zur Folge.
43Vgl. zur inzidenten Prüfung einer Satzung: BVerwG, Beschluss vom 26. Januar 1995 - 8 B 193/94 -; zur Inzidentprüfung der Hebesatzsatzung: VG Gelsenkirchen, Urteil vom 25. Oktober 2012 - 5 K 1137/12 -, Rn. 27; jeweils juris.
44Die gerichtliche Inzidentkontrolle ist allerdings mit Blick auf das kommunale Selbstverwaltungsrecht aus Art. 28 Abs. 2 des Grundgesetzes - GG - darauf beschränkt, ob die Hebesatzsatzung formell und materiell rechtmäßig ist oder ob sie gegen höherrangiges Recht verstößt. Eine Überprüfung des sogenannten Satzungsermessens der Kommune, vergleichbar der Überprüfung ermessensgeleiteter Verwaltungsakte findet dagegen nicht statt.
45Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23. Juni 2010 - 14 A 597/09 - und Urteil vom 16. Juli 2013 - 14 A 464/13 -, jeweils m.w.N.; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 12. April 2013 - 5 K 3283/12 -; sämtlich juris.
46Die vom Beauftragten an Stelle des Rates der Beklagten beschlossene und von der Bürgermeisterin gemäß § 7 Abs. 4 und 5 GO NRW in Verbindung mit § 4 Bekanntmachungsverordnung ordnungsgemäß im gemeindlichen Bekanntmachungsblatt am 31. Mai 2013 bekannt gemachte Hebesatzsatzung 2013 ist formell rechtmäßig. Es liegt keine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften vor. Insbesondere ist die Satzung von dem zuständigen Organ beschlossen worden.
47Der Prüfung der Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften steht nicht § 7 Abs. 6 GO NRW entgegen. Nach § 7 Abs. 6 Satz 1 GO NRW kann die Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften dieses Gesetzes - dazu gehören u.a. Vorschriften über die sachliche Zuständigkeit des entscheidenden Gemeindeorgans -,
48vgl. hierzu Rehn/Cronauge/Lennep, GO für das Land NRW, 3. Auflage, Stand Juli 2013, § 7 Erl. VI., Nr. 2.,
49grundsätzlich nur innerhalb eines Jahres seit der öffentlichen Bekanntmachung der betreffenden Satzung gerügt werden, wenn - wie hier - bei der öffentlichen Bekanntmachung der Satzung gemäß § 7 Abs. 6 Satz 2 GO NRW auf die Rechtsfolgen des Satzes 1 hingewiesen wurde. Zum einen ist diese Frist vorliegend für die am 31. Mai 2013 bekanntgemachte Hebesatzsatzung im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch nicht abgelaufen; zum anderen entfällt die Ausschließungswirkung hinsichtlich der Rüge, es habe nicht der Rat als sachlich zuständiges Organ die Satzung beschlossen, schon gemäß § 7 Abs. 6 Satz 1 Buchstabe d) GO NRW, weil dieser - vermeintliche - Verfahrensmangel mit der Erhebung einer Beschwerde gemäß § 24 GO NRW mit an die Bürgermeisterin gerichtetem Schreiben vom 31. Mai 2013 förmlich gerügt worden war,
50vgl. Niederschrift über die 2. Sitzung des Beauftragten für die Stadt O. am 16. Juli 2013, abrufbar im Internet unter: www.nideggen.de,
51und zudem in der überwiegenden Mehrzahl der hier anhängigen Klagen gegen die Beklagte geltend gemacht wird.
52Die Kläger können sich nicht mit Erfolg darauf berufen, die Hebesatzsatzung 2013 sei unwirksam, weil der vom Innenministerium bestellte Beauftragte nicht befugt gewesen sei, die Satzung zu beschließen.
53Nach § 1 Abs. 1 GrStG in Verbindung mit § 25 Abs. 1 GrStG bestimmt die Gemeinde, ob von dem in ihrem Gebiet liegenden Grundbesitz und mit welchem Hundertsatz des Steuermessbetrags oder des Zerlegungsanteils Grundsteuer zu erheben ist (Hebesatz). Nach § 2 Abs. 1 des Kommunalabgabengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen - KAG NRW - dürfen Abgaben, also auch Steuern nur aufgrund einer Satzung erhoben werden. Zuständig für den Erlass der Hebesatzsatzung ist gemäß § 41 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe i) GO NRW der Rat; diese Entscheidung ist nicht übertragbar. Die streitige Hebesatzsatzung ist zwar vom Beauftragten beschlossen worden; dieser war aber gemäß den §§ 8 Abs. 1 Satz 2 StärkPaktG, 124 GO NRW in Verbindung mit den Nummern 1. und 2.c. der Verfügung des Innenministeriums vom 7. Mai 2013 für die vorliegend allein zu prüfende Beschlussfassung über die Hebesatzsatzung an die Stelle des Rates der Gemeinde getreten.
54Die Verfügung des Innenministeriums vom 7. Mai 2013, durch die die Handlungsbefugnis des Rates zum Erlass der Hebesatzsatzung 2013 auf den Beauftragten übergeleitet wurde, ist wirksam. Die Unwirksamkeit folgt insbesondere nicht aus § 43 Abs. 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW). Nach dieser Vorschrift ist ein nichtiger Verwaltungsakt unwirksam. Die kommunalaufsichtliche Maßnahme der Bestellung eines Beauftragten nach § 124 GO NRW ist im Verhältnis zur Kommune als Verwaltungsakt zu qualifizieren.
55Vgl. für die Beauftragtenbestellung: OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 5. November 2003 - 2 M 500/03 -, juris; für die Ersatzvornahme: BVerwG, Beschluss vom 2. April 1993 - 7 B 38/93 - , juris, Rn. 2; jeweils im Hinblick auf alle repressiven Maßnahmen der Aufsichtsbehörde: Rehn/Cronauge/Lennep, a.a.O., § 119 GO, Erl. III Ziffer 5. sowie Müller, Die Rechtsprechung zur Ersatzvornahme nach nordrhein-westfälischem Kommunalrecht, NWVBl. 2012, S. 414, 418.
56Die Verfügung des Innenministeriums ist jedoch nicht nichtig. Es liegt keiner der in § 44 Abs. 2 VwVfG NRW aufgeführten Fälle der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts vor.
57Die Verfügung ist auch nicht nach § 44 Abs. 1 VwVfG NRW nichtig. Danach ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Vorliegend leidet die Aufsichtsverfügung weder an einem besonders schwerwiegender Fehler noch wäre dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich.
58Besonders schwerwiegende Fehler sind nur solche, die mit der Rechtsordnung unter keinen Umständen vereinbar sind. Der Verstoß muss schlechthin unerträglich für die Rechtsordnung sein und die an eine ordnungsgemäße Verwaltung zu stellenden Anforderungen in einem so hohen Maße verletzen, dass von niemandem erwartet werden kann, den Verwaltungsakt als verbindlich anzuerkennen.
59Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. Februar 2012 - 1 A 2219/10 - , juris, Rn. 11; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs. VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 44 Rn. 103 f. m. w. N.; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl. 2013, § 44 Rn. 8 m. w. N.
60Die geltend gemachte Verfassungswidrigkeit der Ermächtigungsgrundlage des § 8 Abs. 1 Satz 2 StärkPaktG in Verbindung mit § 124 GO NRW unterstellt würde nach diesen Grundsätzen zwar zur Rechtswidrigkeit der darauf gestützten Aufsichtsverfügung führen, nicht aber zu deren Nichtigkeit. Die Verwaltung handelt auch dann ordnungsgemäß, wenn sie Vorschriften befolgt, deren Verfassungsgemäßheit zweifelhaft ist, denn sie ist auch an verfassungswidrige Vorschriften gebunden, solange diese nicht in dem dafür vorgeschriebenen Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG für nichtig erklärt worden sind. Schließlich spricht auch § 82 Abs. 1 in Verbindung mit § 79 Abs. 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes - BVerfGG - für dieses Ergebnis. Danach bleiben vorbehaltlich einer besonderen gesetzlichen Regelung die nicht mehr anfechtbaren Entscheidungen, die auf einer gemäß § 78 BVerfGG für nichtig erklärten Norm beruhen, unberührt.
61Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - 2 C 71/08 -, juris, Rn. 20; Sachs, a.a.O., § 44 Rn. 105 m.w.N.
62Darüber hinaus fehlt es jedenfalls an der Offensichtlichkeit. Der schwerwiegende Fehler als solcher und sein besonders schweres Gewicht müssen offensichtlich sein. Dabei ist nicht das Erkenntnisvermögen des Betroffenen oder das einer juristisch geschulten Person entscheidend. Vielmehr ist auf das Erkenntnisvermögen eines urteilsfähigen, unvoreingenommenen Bürgers abzustellen, also auf einen aufmerksamen und verständigen Staatsbürger als Durchschnittsbetrachter, der mit den in Betracht kommenden Umständen vertraut ist. Dem Verwaltungsakt muss die Fehlerhaftigkeit "auf die Stirn geschrieben" sein, so dass der Durchschnittsbetrachter ohne weitere Ermittlungen oder besondere rechtliche Überlegungen zu dem Schluss kommt, dass der Verwaltungsakt unmöglich rechtens sein kann.
63Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. Februar 2012 - 1 A 2219/10 - , juris, Rn. 17 ff; Kopp/Ramsauer, a. a. O., Rn. 12.
64Vorliegend kann nicht die Rede davon sein, dass ein Durchschnittsbetrachter die geltend gemachte Verfassungswidrigkeit des § 8 Abs. 1 Satz 2 StärkPaktG in Verbindung mit § 124 GO NRW als Rechtsgrundlage der Beauftragtenbestellung sicher beurteilten kann. Diese Frage erfordert vielmehr eine vertiefte rechtliche Prüfung der Zusammenhänge zwischen der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie einerseits und der als notwendiges Korrelat von Verfassung wegen vorgesehenen staatlichen Rechtsaufsicht andererseits,
65vgl. hierzu: BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2010 - 8 C 43/09 -, juris, Rn. 22,
66deren Ergebnis zumindest als offen zu bezeichnen ist.
67Nichts anderes gilt im Hinblick auf die gerügte Verletzung der gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie im Kernbereich durch den Umfang der konkreten Aufgabenübertragung auf den Beauftragten. Auch insofern lässt sich ein Rechtsverstoß ohne eingehende rechtliche Prüfung der konkreten Aufsichtsmaßnahme aus der Sicht eines verständigen Durchschnittsbetrachters nicht sicher beurteilen.
68Auch die von den Klägern angeführte Unbestimmtheit der Aufsichtsverfügung lässt einen schwerwiegenden oder offensichtlichen Rechtsfehler im Sinne des § 44 Abs. 2 VwVfG NRW nicht hervortreten. Abgesehen davon, dass im Wege einer stets gebotenen Auslegung eines Verwaltungsakts die auf den Beauftragten in Ziffer 2 d übertragenen Befugnisse unter Berücksichtigung der unter Ziffer 2 a - c genannten konkreten Aufgaben als Zielvorgabe hinreichend bestimmbar sein dürften und Zweifel bezüglich des Erlasses der hier allein maßgeblichen Hebesatzsatzung 2013 nicht erkennbar sind, führten etwaige Unsicherheiten bezüglich des Umfangs des übertragenen Aufgabenbereichs allenfalls zur Rechtswidrigkeit der Aufsichtsverfügung, nicht aber zu ihrer Nichtigkeit.
69Vgl. ebenso zur Frage der Nichtigkeit bei Unbestimmtheit: Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs. VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 44 Rn. 116.
70Ist die Ersetzung des Rates im Wege der kommunalaufsichtlichen Verfügung vom 7. Mai 2013 danach wirksam, hat dies aber zur Folge, dass der Bürger sich so behandeln lassen muss, als hätte der Rat die Satzung erlassen. Dies gilt ungeachtet der Frage, ob die Bestellung des Beauftragten rechtmäßig war, denn die im vorliegenden Verfahren begehrte Überprüfung der Kommunalaufsichtsmaßnahme einschließlich des zugrundeliegenden Stärkungspaktgesetzes ist mit Blick auf den Rechtscharakter der Beauftragtenbestellung ausgeschlossen. Vergleichbar einer kommunalaufsichtlichen Ersatzvornahme kommt der Bestellung eines Beauftragten eine doppelte Rechtsnatur zu. Im Verhältnis zur Gemeinde, die hierdurch in ihrer bundes- und landesrechtlich garantierten kommunalen Selbstverwaltungsgarantie (Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 78 Abs. 1, 2 Landesverfassung Nordrhein-Westfalen - LV) betroffen ist, handelt es sich bei der Bestellungsverfügung des Innenministeriums vom 7. Mai 2013 um einen belastenden Verwaltungsakt, der von der Gemeinde im Wege der Anfechtungsklage angegriffen und so einer vollumfänglichen gerichtlichen Überprüfung der Rechtmäßigkeit zugeführt werden kann.
71Vgl. für die Beauftragtenbestellung: OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 5. November 2003 - 2 M 500/03 -, juris; für die Ersatzvornahme: BVerwG, Beschluss vom 2. April 1993 - 7 B 38/93 - , juris, Rn. 2; vgl. auch zur kommunalaufsichtlichen Anordnung: OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 28. September 2011 - 1 C 10216/11 -, juris sowie VG Dresden, Urteil vom 22. März 2006 - 5 K 2467/03 -, juris; jeweils im Hinblick auf alle repressiven Maßnahmen der Aufsichtsbehörde: Rehn/Cronauge/Lennep, a.a.O., § 119 GO, Anm. III Ziffer 5. sowie Müller, Die Rechtsprechung zur Ersatzvornahme nach nordrhein-westfälischem Kommunalrecht, NWVBl. 2012, S. 414, 418.
72Vorliegend hat die beklagte Kommune diesen Weg jedoch nicht beschritten. Sie hat weder die auf § 8 Abs. 1 Satz 2 StärkPaktG gestützte, nunmehr bestandskräftige Bestellung des Beauftragten noch den auf § 10 Abs. 1 StärkPaktG gestützten, ihre pflichtige Teilnahme an der Konsolidierungshilfe feststellenden Bescheid der Bezirksregierung L. vom 21. Dezember 2011, der die Anwendbarkeit des StärkPaktG eröffnet, angegriffen.
73Im Verhältnis zum Bürger stellt sich die Bestellung des Beauftragten für - bestimmte - Aufgaben des Rates dagegen als innerorganisatorische Maßnahme dar, die keine Außenwirkung entfaltet. Denn nach § 124 Satz 2 GO NRW hat der Beauftragte die Stellung eines Organs der Gemeinde, hier des Gemeinderates. Es bleibt also bei der Zuständigkeit des Organs Gemeinderat, an dessen Stelle - für bestimmte Aufgaben und für einen begrenzten Zeitraum - der Beauftragte handelt. Die kommunalaufsichtliche Bestellung eines Beauftragten verschiebt nur im Innenverhältnis der juristischen Person Gemeinde die Handlungsbefugnisse. Der Beauftragte, der für Aufgaben des Rates bestellt wird, hat - im Umfang seiner Bestellung, hier u.a. für die Beschlussfassung über die Hebesatzsatzung - die Stellung des Organs Gemeinderat. Im Außenverhältnis bleibt es deshalb bei der Zuständigkeit des Gemeinderates, der durch den Beauftragten handelt.
74Vgl. hierzu: VG Sigmaringen, Urteil vom 12. August 2003 - 4 K 1737/02 -, juris, laut telefonischer Auskunft des VG Sigmaringen rechtskräftig seit 28. Oktober 2003; im Ergebnis ebenso OVG NRW, Urteil vom 10. Januar 1991 - 2 A 2058/89 -, juris; noch offengelassen von OVG NRW, Urteil vom 23. Juni 1989 - 4 A 505/86 -, NWVBL 1990, S. 87.
75Schließlich folgt aus der Doppelnatur der kommunalaufsichtlichen Beauftragtenbestellung auch, dass die Kläger mangels Betroffenheit in eigenen Rechten mit allen Einwendungen ausgeschlossen sind, die die Frage betreffen, ob das Einschreiten der Aufsichtsbehörde rechtmäßig war.
76Vgl.: So im Ergebnis: OVG NRW, Urteil vom 10. Januar 1991 - 2 A 2058/89 -, juris; offengelassen von OVG NRW, Urteil vom 23. Juni 1989 - 4 A 505/86 -, NWVBL 1990, S. 87.
77Bei - unterstellter - Rechtswidrigkeit des Einschreitens der Aufsichtsbehörde und damit der Bestellung des Beauftragten läge im Hinblick auf die Hebesatzsatzung allenfalls ein Verfahrensfehler vor. Verfahrensvorschriften sind zwar in der Regel auch im Interesse der von einer Verwaltungshandlung betroffenen Bürger geschaffen, weil sie im Allgemeinen dazu dienen, die Geltendmachung von Rechten und Pflichten in eine bestimmte Ordnung zu bringen, ihre Durchsetzung in angemessener Zeit und mit richtigem Ergebnis zu gewährleisten und damit die Verwirklichung des materiellen Rechts zu ermöglichen.
78Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. November 1978 - II C 6.75 -, juris, Rn. 24 m.w.N.
79Dies setzt aber voraus, dass die einschlägigen Verfahrensvorschriften nach ihrem Zweck einen typischen Bezug zum Schutz der materiell-rechtlichen Position des Klägers haben. Nur insoweit löst die Verletzung von Verfahrensrechten auch den in Art. 19 Abs. 4 GG garantierten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz aus.
80Vgl. Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig/Herzog, Stand: Mai 2013, Art. 19 Abs. 4, Rn. 157.
81Insbesondere Verfahrensvorschriften, die die Mitwirkung anderer Körperschaften, Behörden oder Stellen betreffen, bedürfen der Überprüfung, ob sie - zumindest auch - dem Interesse der Bürger dienen und diesen Verfahrensrechte einräumen.
82Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. November 1978 - II C 6.75 -, juris, Rn. 24, wonach das erforderliche Einvernehmen der an einer Umbildung beteiligten Körperschaften nicht - auch - dem Schutz der zu übernehmenden Beamten dient.
83Nach diesen Grundsätzen können sich die Kläger auf eine - möglicherweise - rechtswidrige Bestellung des Beauftragten nach § 8 Abs. 1 Satz 2 StärkPaktG in Verbindung mit § 124 GO NRW und einen daraus folgenden Verfahrensverstoß beim Beschluss der Hebesatzsatzung nicht berufen, weil sie insoweit nicht in eigenen Rechten verletzt sein können.
84Kommunalaufsichtliche Maßnahmen nach den Vorschriften der §§ 119 ff. GO NRW dienen ausschließlich dem Zweck, die Ausübung des Selbstverwaltungsrechts der Kommunen im Rahmen der Gesetze, vorliegend im Rahmen der haushaltsrechtlichen Grundsätze, staatlicherseits sicherzustellen. Die staatliche Aufsicht über die Gemeinden ist ein notwendiges Korrelat ihrer Selbstverwaltung und soll gewährleisten, dass die Kommunen ihre Selbstverwaltungsbefugnisse im Einklang mit den für sie geltenden Rechtsvorschriften ausüben.
85Vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. Juli 1992 - 7 B 149/91 -, juris, Rn. 5; Thüringer OVG, Beschluss vom 14. Februar 2014 - 3 EO 80/14 -, juris, Rn. 20.
86Aufsichtsmaßnahmen betreffen damit grundsätzlich nur die Gemeinde in ihrem kommunalen Selbstverwaltungsrecht und dienen dabei ausschließlich dem öffentlichen Interesse an einem gesetzmäßigen Verhalten der Gemeinde. Der Bürger hat weder einen Anspruch auf aufsichtsbehördliches Einschreiten oder auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über aufsichtsrechtliche Maßnahmen noch kann er grundsätzlich die kommunalaufsichtliche Maßnahme angreifen.
87Vgl. OVG NRW, Entscheidung vom 23. Januar 1963 - III A 355/57 -, OVGE MüLü 18, 227; Held/Winkel/Wansleben, Kommunalverfassungsrecht NRW, Stand Dezember 2013, § 119 GO, Erl. 8; Kallerhoff, Das kommunalaufsichtliche Beanstandungs- und Aufhebungsrecht in der Rechtsprechung des OVG NW, NWVBl 1996, S.53, 57 m.w.N.
88Eine eigene Rechtsverletzung der Kläger folgt auch nicht daraus, dass der Beauftragte an Stelle des von den Bürgern gewählten und damit demokratisch legitimierten Gemeinderates entschieden hat. Dies begründet keine Verletzung des Gewaltenteilungsgrundsatzes. Die demokratische Legitimation des Gemeinderates ändert nichts an seiner Stellung als Verwaltungsorgan, das der staatlichen Aufsicht unterliegt. Der Grundsatz der Gewaltenteilung greift im nordrhein-westfälischen Gemeindeverfassungsrecht nicht, denn die Aufgaben der Gemeinden liegen ausschließlich auf dem Gebiet der Verwaltung. Mit der Bestellung des Beauftragten ist lediglich die Handlungsbefugnis zum Erlass der Hebesatzsatzung innerhalb der Exekutive übergegangen.
89Vgl. zur Stellung des Gemeinderates: Rehn/Cronauge/Lennep, a.a.O., § 40 GO Erl. I m.w.N.
90Die Kläger können mithin gegenüber der streitigen Hebesatzsatzung nur die Einwendungen erheben, die sie auch erheben könnten, wenn der Rat der beklagten Kommune den Satzungsbeschluss gefasst hätte.
91Davon ausgehend erweist sich die Erhöhung des Hebesatzes als rechtsfehlerfrei. Wie bereits ausgeführt beschränkt sich nach der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung,
92vgl. BVerwG, Urteile vom 17. April 2002 - 9 CN 1.01 - und vom 10. Dezember 2009 - 9 C 13.08 -; OVG NRW, Urteil vom 23. Juni 2010 - 14 A 597/09 -, juris, m.w.N.,
93mit Blick auf das kommunale Selbstverwaltungsrecht aus Art. 28 Abs. 2 GG die gerichtliche Kontrolle satzungsrechtlicher Abgaberegelungen auf die Prüfung der Vereinbarkeit der Festsetzungen mit höherrangigem Recht und umfasst nicht die Überprüfung nach Art ermessensgeleiteter Verwaltungsakte. Daraus folgt, dass die Wirksamkeit gemeindlicher satzungsrechtlicher Abgabenregelungen, soweit es an entsprechenden gesetzlichen Anordnungen fehlt, weder von einer im Rahmen des Satzungserlasses vorgenommenen Zusammenstellung von Abwägungsmaterial noch der Fehlerfreiheit des Abwägungsvorganges abhängt. Steuersätze müssen sich hinsichtlich ihrer Höhe nicht daran messen lassen, wie die kommunale Willensbildung abgelaufen ist. Auf die Erwägungen und Beweggründe, also die Motivation des Satzungsgebers, kommt es bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit nicht an.
94Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23. Juni 2010 - 14 A 597/09 - und Beschluss vom 16. Juli 2013 -14 A 464/13 -, juris, m.w.N.
95Mit Blick auf die verfassungsrechtlich garantierte Steuerhoheit, die als Bestandteil der kommunalen Finanzhoheit eine eigenverantwortliche Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft gewährleistet, steht den Kommunen ein weiter Entschließungsspielraum zu, der seine Grenzen lediglich in den allgemeinen Grundsätzen des Haushalts- und Steuerrechts findet. Im Rahmen dieses Entschließungsspielraums, der auch erfasst, auf welche Weise die Gemeinden ihre kommunale Aufgabenerfüllung finanzieren, obliegt es den Kommunen - grundsätzlich durch ihren Rat, der hier insoweit vom Beauftragten ersetzt wird -, die Hebesätze autonom nach den jeweiligen finanziellen Bedürfnissen festzusetzen. Es handelt sich primär um politische Entscheidungen, die nur begrenzt der richterlichen Kontrolle unterliegen.
96Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. Juli 2013 - 14 A 2761/12 -, juris; Nöcker, JurisPR-SteuerR 8/2014 Anm. 6.
97Nach Maßgabe dieses Prüfungsrahmens steht die streitgegenständliche Hebesatzanhebung auch materiellrechtlich im Einklang mit höherrangigem Recht.
98Zunächst bestehen keine rechtlichen Bedenken dagegen, dass der Hebesatz für die Grundsteuer rückwirkend zum 1. Januar 2013 angehoben wurde. Dies entspricht der Regelung des § 25 Abs. 3 Satz 1 GrStG. Danach ist der Beschluss über die Festsetzung oder Änderung des Hebesatzes bis zum 30. Juni eines Kalenderjahres mit Wirkung vom Beginn dieses Kalenderjahres zu fassen. Die Norm ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden,
99vgl. hierzu: OVG NRW, Beschluss vom 17. November 1999 - 14 A 4793/99 -, juris,
100und die Beklagte hat die zeitlichen Vorgaben mit dem Beschluss des Beauftragten an Stelle des Rates sowie der Bekanntmachung der Satzung am 23. Mai 2013 erfüllt.
101Weiter ist kein Verstoß gegen § 77 Abs. 2 GO NRW oder § 3 Abs. 2 Satz 1 KAG NRW erkennbar. § 77 Abs. 2 GO NRW bestimmt, dass die Gemeinde die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Finanzmittel soweit vertretbar und geboten aus speziellen Entgelten für die von ihr erbrachten Leistungen und nur im Übrigen aus Steuern zu beschaffen hat, soweit die sonstigen Finanzmittel nicht ausreichen. Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 KAG NRW sollen die Gemeinden in diesem Sinne Steuern nur erheben, soweit die Deckung der Ausgaben durch andere Einnahmen, insbesondere durch Gebühren und Beiträge, nicht in Betracht kommt.
102Das in diesen Vorschriften normierte Gebot der Subsidiarität der Steuern gegenüber den speziellen Entgelten zwingt die Kommune angesichts des dargelegten Spielraums des Satzungsgebers bei der Festsetzung der Hebesätze und des daraus folgenden eingeschränkten Umfangs der gerichtlichen Kontrolle aber nicht zur Ausschöpfung sonstiger Einnahmequellen. Die dem Haushaltsrecht zuzuordnenden Vorschriften binden die Gemeinden nur insofern, als auf Steuerquellen nur zurückgegriffen werden darf, soweit die sonstigen Einnahmen nicht zur Deckung des Haushalts ausreichen. Im Übrigen steht es im - gerichtlich nicht überprüfbaren - Ermessen der Gemeinden, in welchem Ausmaß sie zur Deckung ihres Finanzbedarfs Steuerquellen heranziehen wollen.
10338
104Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. Juli 2013 - 14 A 464/13 -, juris.
105Nach sämtlichen zur Verfügung stehenden Haushaltsdaten, insbesondere dem vom Beauftragten beschlossenen Haushaltssanierungsplan standen der beklagten Kommune keine ausreichenden sonstigen Mittel zur Finanzierung ihrer Ausgaben zur Verfügung. Insbesondere hatte der Rat der beklagten Kommune bereits selbst am 26. Juni 2012 einen - nicht genehmigungsfähigen - Haushaltssanierungsplan beschlossen, der mangels Alternativen ebenfalls einen Grundsteuerhebesatz von 600 % vorsah.
106Auch ein Verstoß gegen § 75 Abs. 1 Satz 2 GO NRW (Grundsatz der wirtschaftlichen und sparsamen Haushaltsführung) liegt nicht vor. Nach dieser Vorschrift hat die Gemeinde den Haushalt wirtschaftlich, effizient und sparsam zu führen. Die sich daraus ergebende Grenze für gemeindliche Ausgaben ist erst dann überschritten, wenn ein Verbrauch von öffentlichen Mitteln festzustellen ist, der wirtschaftlich in keinem Fall mehr vertretbar ist und deshalb auch nicht mehr im Rahmen einer ordnungsgemäßen Verwaltung liegt.
107Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 16. Juli 2013 - 14 A 1466/13 und 14 A 366/13 -, juris.
108Derartiges ist hier nicht ansatzweise festzustellen. Im Gegenteil dient die Erhöhung des Grundsteuerhebesatzes gerade der Erzielung von Einnahmen mit dem Fernziel der Haushaltssanierung innerhalb des vom StärkPaktG vorgegebenen Zeitrahmens. Angesichts der Haushaltssituation der Beklagten, die seit Jahren weder über einen genehmigten Haushalt noch über ein Haushaltssicherungskonzept verfügt, ist es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte u.a. über die Grundsteuer versucht, ihr Haushaltsdefizit auszugleichen und das gesetzlich vorgeschriebene Ziel eines ausgeglichenen Haushalts zu erreichen (§ 75 Abs. 2 Satz 1 GO NRW). Die Beklagte kommt damit ihrer gesetzlichen Verpflichtung nach, sich nicht weiter zu verschulden (§ 75 Abs. 7 GO NRW). Die Grundsteuererhöhung ist zur Erfüllung dieser Rechtspflichten geeignet und erforderlich und dient erkennbar nicht der Kapitalbildung.
109Unerheblich ist insoweit, ob der Haushaltsausgleich im angestrebten Zeitrahmen tatsächlich erreicht wird, denn dies ist nicht der unmittelbare Zweck der Erhebung von Grundsteuern. Anders als Gebühren sind Steuern nicht an die Ausgabenansätze gebunden, sondern dienen allgemein der Erzielung von Einnahmen. Dass die Grundsteuererhöhung der Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs der Beklagten dient, steht außer Frage. Auch liegt auf der Hand, dass die Grundsteuererhöhung lediglich einen Teilschritt in Richtung auf das Fernziel der Haushaltssanierung darstellen kann und als solcher zur Erreichung dieses Ziels geeignet ist. Soweit die Kläger einwenden, die Hebesatzerhöhung sei kein geeignetes Mittel, um die angestrebte Haushaltssanierung zu verwirklichen, weil hierdurch die Standortattraktivität der Beklagten vermindert und eine Abwanderung der Einwohner bewirkt werde, mit der Folge, dass die Einnahmen aus der Steuererhöhung auf lange Sicht stagnierten oder gar sänken, vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Die Annahme der Kläger beruht allein auf vagen Vermutungen, deren tatsächliche Grundlagen als unzureichend zu bezeichnen sind. Die prognostischen Grundlagen für die befürchtete Verminderung der Standortattraktivität sind weder substantiiert dargetan noch sonst ersichtlich. Dies gilt insbesondere angesichts der Tatsache, dass die Höhe des Grundsteuerhebesatzes regelmäßig nicht der zentrale Grund für die Entscheidung ist, in welcher Gemeinde Personen ihre Wohnung nehmen. Soweit die Klägerin die Eignung der Steuererhebung zur Haushaltssanierung ferner mit dem Verweis auf andere - eigentliche - Ursachen der Haushaltsnotlage der Beklagten in Zweifel zieht, nämlich die aus ihrer Sicht unzureichende Finanzausstattung kleiner Flächengemeinde durch das Land, verfängt diese Argumentation ebenfalls nicht. Denn auch negative Auswirkungen einer möglicherweise unzureichenden Finanzausstattung bestimmter Kommunen durch das Land können die Eignung der Erhebung von Grundsteuern zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs nicht ernsthaft in Frage stellen. Vermeintliche Defizite in der kommunalen Finanzausstattung sind vielmehr von den Gemeinden mit den jeweils gegebenen Rechtsmitteln insbesondere gegen die Gemeindefinanzierungsgesetze geltend zu machen, wie dies auch von der Beklagten getan wird.
110Die Anhebung des Hebesatzes für die Grundsteuer B verstößt auch nicht gegen den Grundsatz der Abgabengerechtigkeit bzw. den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Gemäß Art. 106 Abs. 6 GG ist die Festsetzung der Hebesätze den Gemeinden übertragen.
111Diese können nach ihrem individuellen Finanzbedarf die Hebesätze festlegen und haben bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Spielraum. Schwankungen der Höhe der Hebesätze in den einzelnen Kommunen sind deshalb systemimmanent.
112Vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 25. Oktober 2012 - 5 K 1137/12 -, juris, Rn. 74 ff.
113Ein Anspruch auf Gleichbehandlung durch unterschiedliche Gemeinden verbietet sich aus diesem Grunde per se.
114Der beschlossene Hebesatz von 600 % hat auch keine erdrosselnde Wirkung und verstößt weder gegen Art. 14 Abs. 1 GG noch gegen das aus Art. 20 Abs. 1 GG folgende Gebot der sozialen Steuerpolitik.
115Eine erdrosselnde Wirkung liegt vor, wenn der Steuerpflichtige im Regelfall und nicht nur ausnahmsweise die Steuer nicht mehr aufbringen kann und die Steuer damit im Hinblick auf das von Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentum konfiskatorische Wirkung hat.
116Es ist nicht ersichtlich, dass durch die Erhöhung des Hebesatzes ein Ausmaß erreicht wird, durch das die Privatnützigkeit des Eigentums gefährdet oder gar aufgehoben würde. Vielmehr kann auch nach der deutlichen Erhöhung des Hebesatzes auf 600 % sowohl bei ausschließlich selbst genutzten als auch bei vermieteten Objekten die Grundsteuer aus den Grundstückserträgen erwirtschaftet werden, ohne dass es zu einer Vernichtung der Steuerquelle selbst käme. Dies hat das Oberverwaltungsgericht NRW,
117vgl. Beschluss vom 16. Juli 2013 - 14 A 464/13, juris,
118selbst für einen Hebesatz von 825 % angenommen. Dass die absolute Höhe der jährlichen Grundsteuern trotz eines hohen Hebesatzes im Verhältnis zum tatsächlichen Wert des Steuerobjekt grundsätzlich als gering einzustufen ist, hängt letztlich damit zusammen, dass nach wie vor der Einheitswert, der der Berechnung der Grundsteuer zugrunde gelegt wird, auf dem Hauptfeststellungszeitpunkt 1. Januar 1964 basiert, der im Regelfall weit hinter dem Objektwert zurück bleibt.
119Im Falle der Kläger beträgt die monatliche Erhöhung 20,02 €, die Gesamtbelastung pro Monat beläuft sich auf 80,08 €. Es bedarf keiner weiteren Ausführungen, dass dieser Belastung - bei der gebotenen typisierenden Betrachtung - im Regelfall keine erdrosselnde Wirkung zukommt.
120Soweit im Einzelfall die wirtschaftliche Situation eines Abgabepflichtigen sich so darstellt, dass die Erhebung der Grundsteuer zu einer unverhältnismäßigen Belastung führt, ist diesem Umstand im Wege einer Billigkeitsregelung Rechnung zu tragen.
121Eine Begrenzung der Grundsteuer der Höhe nach ergibt sich auch nicht aus dem Sozialstaatsgebot (Art. 20 Abs. 1 GG), das verlangt, Einkommen soweit steuerfrei zu belassen, als es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein benötigt wird.
122Vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. November 1998 - 2 BvL 42/93 -, juris, Rn. 53.
123Wie oben ausgeführt kommt es bei der Grundsteuer als Objektsteuer gerade nicht auf die persönlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen an; das Steuerobjekt selbst (bei der Gewerbesteuer: der Gewerbebetrieb; bei der Grundsteuer: der Grundbesitz) soll ohne Rücksicht auf die persönlichen Verhältnisse der Beteiligten und ihre persönliche Beziehung zum Steuerobjekt erfasst werden.
124Vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Oktober1977 - 1 BvR 15/75 -, juris ,Rn. 27.
125Die persönliche Leistungsfähigkeit ist ausschließlich im Rahmen einer Billigkeitsregelung berücksichtigungsfähig.
126Schließlich liegt auch kein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne vor. Es besteht kein Anlass, von einer willkürlichen und ohne jeden vernünftigen Sachgrund durchgeführten Hebesatzerhöhung auszugehen. Grundlage des vom Rat beschlossenen - nicht genehmigungsfähigen - Haushaltssanierungsplans sowie des vom Beauftragten beschlossenen und von der Bezirksregierung genehmigten Haushaltssanierungsplans waren Entwürfe der Verwaltung der beklagten Kommune, die diese zunächst in Zusammenarbeit mit der Gemeindeprüfanstalt und dann in enger Abstimmung mit der Kommunalaufsicht unter Einbeziehung aller möglichen Sparpotentiale im Haushalt der Kommune erarbeitet hatte. Alle Varianten sahen eine Erhöhung des Hebesatzes auf die vom Beauftragten dann beschlossenen 600 % vor. Auch der nach der Beschlussfassung vom Beauftragten bestellte externe Gutachter Herr I. , der explizit zur Untersuchung des Haushalts der Stadt auf mögliche weitere Sparpotentiale eingesetzt wurde, bestätigte die Notwendigkeit der Erhöhung des Grundsteuerhebesatzes in dem hier streitigen Umfang, weil die Kommune über keine anderen Möglichkeiten verfügte, das vorhandene Haushaltsdefizit zumindest zu reduzieren und insbesondere die Pflichten aus dem StärkPakt zu erfüllen, was wiederum Voraussetzung für weitere Zuwendungen aus dem StärkPaktG an die Kommune war. Es gibt damit keinerlei Anhaltspunkte für eine willkürliche Festsetzung des Hebesatzes.
127Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 159 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit den §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Aachen Urteil, 27. März 2014 - 4 K 1911/13
Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Aachen Urteil, 27. März 2014 - 4 K 1911/13
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Verwaltungsgericht Aachen Urteil, 27. März 2014 - 4 K 1911/13 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).
(1) Die Gemeinde bestimmt, mit welchem Hundertsatz des Steuermeßbetrags oder des Zerlegungsanteils die Grundsteuer zu erheben ist (Hebesatz).
(2) Der Hebesatz ist für ein oder mehrere Kalenderjahre, höchstens jedoch für den Hauptveranlagungszeitraum der Steuermeßbeträge festzusetzen.
(3) Der Beschluß über die Festsetzung oder Änderung des Hebesatzes ist bis zum 30. Juni eines Kalenderjahres mit Wirkung vom Beginn dieses Kalenderjahres zu fassen. Nach diesem Zeitpunkt kann der Beschluß über die Festsetzung des Hebesatzes gefaßt werden, wenn der Hebesatz die Höhe der letzten Festsetzung nicht überschreitet.
(4) Der Hebesatz muß jeweils einheitlich sein
Wird das Gebiet von Gemeinden geändert, so kann die Landesregierung oder die von ihr bestimmte Stelle für die von der Änderung betroffenen Gebietsteile auf eine bestimmte Zeit verschiedene Hebesätze zulassen.(1) Die Steuer wird auf Grund des Steuermessbetrags (§ 14) mit einem Prozentsatz (Hebesatz) festgesetzt und erhoben, der von der hebeberechtigten Gemeinde (§§ 4, 35a) zu bestimmen ist.
(2) Der Hebesatz kann für ein Kalenderjahr oder mehrere Kalenderjahre festgesetzt werden.
(3)1Der Beschluss über die Festsetzung oder Änderung des Hebesatzes ist bis zum 30. Juni eines Kalenderjahrs mit Wirkung vom Beginn dieses Kalenderjahrs zu fassen.2Nach diesem Zeitpunkt kann der Beschluss über die Festsetzung des Hebesatzes gefasst werden, wenn der Hebesatz die Höhe der letzten Festsetzung nicht überschreitet.
(4)1Der Hebesatz muss für alle in der Gemeinde vorhandenen Unternehmen der gleiche sein.2Er beträgt 200 Prozent, wenn die Gemeinde nicht einen höheren Hebesatz bestimmt hat.3Wird das Gebiet von Gemeinden geändert, so kann die Landesregierung oder die von ihr bestimmte Stelle für die von der Änderung betroffenen Gebietsteile auf eine bestimmte Zeit verschiedene Hebesätze zulassen.4In den Fällen des Satzes 3 sind die §§ 28 bis 34 mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle mehrerer Gemeinden die Gebietsteile der Gemeinde mit verschiedenen Hebesätzen treten.
(5) In welchem Verhältnis die Hebesätze für die Grundsteuer der Betriebe der Land- und Forstwirtschaft, für die Grundsteuer der Grundstücke und für die Gewerbesteuer zueinander stehen müssen, welche Höchstsätze nicht überschritten werden dürfen und inwieweit mit Genehmigung der Gemeindeaufsichtsbehörde Ausnahmen zugelassen werden können, bleibt einer landesrechtlichen Regelung vorbehalten.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.
(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Die Gemeinde bestimmt, ob von dem in ihrem Gebiet liegenden Grundbesitz Grundsteuer zu erheben ist.
(2) Bestehen in einem Land keine Gemeinden, so stehen das Recht des Absatzes 1 und die in diesem Gesetz bestimmten weiteren Rechte dem Land zu.
(3) Für den in gemeindefreien Gebieten liegenden Grundbesitz bestimmt die Landesregierung durch Rechtsverordnung, wer die nach diesem Gesetz den Gemeinden zustehenden Befugnisse ausübt.
Steuergegenstand ist der inländische Grundbesitz im Sinne des Bewertungsgesetzes:
- 1.
die Betriebe der Land- und Forstwirtschaft (§§ 232 bis 234, 240 des Bewertungsgesetzes); diesen stehen die in § 218 Satz 2 des Bewertungsgesetzes bezeichneten Betriebsgrundstücke gleich; - 2.
die Grundstücke (§§ 243, 244 des Bewertungsgesetzes); diesen stehen die in § 218 Satz 3 des Bewertungsgesetzes bezeichneten Betriebsgrundstücke gleich.
(1) Die Wertminderung wegen Alters bestimmt sich nach dem Alter des Gebäudes im Hauptfeststellungszeitpunkt und der gewöhnlichen Lebensdauer von Gebäuden gleicher Art und Nutzung. Sie ist in einem Prozentsatz des Gebäudenormalherstellungswertes auszudrücken. Dabei ist von einer gleichbleibenden jährlichen Wertminderung auszugehen.
(2) Als Alter des Gebäudes gilt die Zeit zwischen dem Beginn des Jahres, in dem das Gebäude bezugsfertig geworden ist, und dem Hauptfeststellungszeitpunkt.
(3) Als Wertminderung darf insgesamt kein höherer Betrag abgesetzt werden, als sich bei einem Alter von siebzig Prozent der Lebensdauer ergibt. Dieser Betrag kann nur überschritten werden, wenn eine außergewöhnliche Wertminderung vorliegt.
(4) Ist die restliche Lebensdauer eines Gebäudes infolge baulicher Maßnahmen verlängert, so ist der nach dem tatsächlichen Alter errechnete Prozentsatz entsprechend zu mindern.
(1) Jede wirtschaftliche Einheit des Grundvermögens bildet ein Grundstück im Sinne dieses Gesetzes.
(2) Ein Anteil des Eigentümers eines Grundstücks an anderem Grundvermögen (z. B. an gemeinschaftlichen Hofflächen oder Garagen) ist in das Grundstück einzubeziehen, wenn alle Anteile an dem gemeinschaftlichen Grundvermögen Eigentümern von Grundstücken gehören, die ihren Anteil jeweils zusammen mit ihrem Grundstück nutzen. Das gilt nicht, wenn das gemeinschaftliche Grundvermögen nach den Anschauungen des Verkehrs als selbständige wirtschaftliche Einheit anzusehen ist (§ 2 Abs. 1 Satz 3 und 4).
(3) Als Grundstück im Sinne dieses Gesetzes gilt auch ein Gebäude, das auf fremdem Grund und Boden errichtet oder in sonstigen Fällen einem anderen als dem Eigentümer des Grund und Bodens zuzurechnen ist, selbst wenn es wesentlicher Bestandteil des Grund und Bodens geworden ist.
(1) Die Festsetzungsfrist läuft nicht ab, solange die Steuerfestsetzung wegen höherer Gewalt innerhalb der letzten sechs Monate des Fristlaufs nicht erfolgen kann.
(2) Ist beim Erlass eines Steuerbescheids eine offenbare Unrichtigkeit unterlaufen, so endet die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe dieses Steuerbescheids. Das Gleiche gilt in den Fällen des § 173a.
(3) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens ein Antrag auf Steuerfestsetzung oder auf Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 gestellt, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor über den Antrag unanfechtbar entschieden worden ist.
(3a) Wird ein Steuerbescheid mit einem Einspruch oder einer Klage angefochten, so läuft die Festsetzungsfrist nicht ab, bevor über den Rechtsbehelf unanfechtbar entschieden ist; dies gilt auch, wenn der Rechtsbehelf erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist eingelegt wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist hinsichtlich des gesamten Steueranspruchs gehemmt; dies gilt nicht, soweit der Rechtsbehelf unzulässig ist. In den Fällen des § 100 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1, § 101 der Finanzgerichtsordnung ist über den Rechtsbehelf erst dann unanfechtbar entschieden, wenn ein auf Grund der genannten Vorschriften erlassener Steuerbescheid unanfechtbar geworden ist.
(4) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist mit einer Außenprüfung begonnen oder wird deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben, so läuft die Festsetzungsfrist für die Steuern, auf die sich die Außenprüfung erstreckt oder im Fall der Hinausschiebung der Außenprüfung erstrecken sollte, nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind oder nach Bekanntgabe der Mitteilung nach § 202 Absatz 1 Satz 3 drei Monate verstrichen sind. Dies gilt nicht, wenn eine Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die Finanzbehörde zu vertreten hat. Die Ablaufhemmung nach Satz 1 endet spätestens fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Prüfungsanordnung bekanntgegeben wurde; eine weitergehende Ablaufhemmung nach anderen Vorschriften bleibt unberührt. Wird auf Antrag des Steuerpflichtigen der Beginn der Außenprüfung verschoben oder die Außenprüfung unterbrochen, so verlängert sich die Frist nach Satz 3 erster Halbsatz für die in Satz 1 genannten Steuern um die Dauer des Hinausschiebens oder der Unterbrechung. Nimmt die Finanzbehörde für die in Satz 1 genannten Steuern vor Ablauf der Frist nach Satz 3 erster Halbsatz zwischenstaatliche Amtshilfe in Anspruch, verlängert sich diese Frist um die Dauer der zwischenstaatlichen Amtshilfe, mindestens aber um ein Jahr. Satz 5 gilt nur, sofern der Steuerpflichtige auf die Inanspruchnahme der zwischenstaatlichen Amtshilfe vor Ablauf der Frist nach Satz 3 erster Halbsatz hingewiesen wurde. Wird dem Steuerpflichtigen vor Ablauf der Festsetzungsfrist die Einleitung eines Strafverfahrens für eine der in Satz 1 genannten Steuern bekanntgegeben und wird infolgedessen mit einer Außenprüfung nicht begonnen oder eine bereits begonnene Außenprüfung unterbrochen, ist Satz 3 nicht anzuwenden; die Absätze 5 und 6 bleiben unberührt. § 200a Absatz 4 und 5 bleibt unberührt.
(5) Beginnen die Behörden des Zollfahndungsdienstes oder die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen der Landesfinanzbehörden vor Ablauf der Festsetzungsfrist beim Steuerpflichtigen mit Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor die auf Grund der Ermittlungen zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind; Absatz 4 Satz 2 gilt sinngemäß. Das Gleiche gilt, wenn dem Steuerpflichtigen vor Ablauf der Festsetzungsfrist die Einleitung des Steuerstrafverfahrens oder des Bußgeldverfahrens wegen einer Steuerordnungswidrigkeit bekannt gegeben worden ist; § 169 Abs. 1 Satz 3 gilt sinngemäß.
(6) Ist bei Steuerpflichtigen eine Außenprüfung im Geltungsbereich dieses Gesetzes nicht durchführbar, wird der Ablauf der Festsetzungsfrist auch durch sonstige Ermittlungshandlungen im Sinne des § 92 gehemmt, bis die auf Grund dieser Ermittlungen erlassenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind. Die Ablaufhemmung tritt jedoch nur dann ein, wenn der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist auf den Beginn der Ermittlungen nach Satz 1 hingewiesen worden ist; § 169 Abs. 1 Satz 3 gilt sinngemäß.
(7) In den Fällen des § 169 Abs. 2 Satz 2 endet die Festsetzungsfrist nicht, bevor die Verfolgung der Steuerstraftat oder der Steuerordnungswidrigkeit verjährt ist.
(8) Ist die Festsetzung einer Steuer nach § 165 ausgesetzt oder die Steuer vorläufig festgesetzt worden, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor dem Ablauf eines Jahres, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und die Finanzbehörde hiervon Kenntnis erhalten hat. In den Fällen des § 165 Abs. 1 Satz 2 endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und die Finanzbehörde hiervon Kenntnis erlangt hat.
(9) Erstattet der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine Anzeige nach den §§ 153, 371 und 378 Abs. 3, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres nach Eingang der Anzeige.
(10) Soweit für die Festsetzung einer Steuer ein Feststellungsbescheid, ein Steuermessbescheid oder ein anderer Verwaltungsakt bindend ist (Grundlagenbescheid), endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids. Ist für den Erlass des Grundlagenbescheids eine Stelle zuständig, die keine Finanzbehörde im Sinne des § 6 Absatz 2 ist, endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach dem Zeitpunkt, in dem die für den Folgebescheid zuständige Finanzbehörde Kenntnis von der Entscheidung über den Erlass des Grundlagenbescheids erlangt hat. Die Sätze 1 und 2 gelten für einen Grundlagenbescheid, auf den § 181 nicht anzuwenden ist, nur, sofern dieser Grundlagenbescheid vor Ablauf der für den Folgebescheid geltenden Festsetzungsfrist bei der zuständigen Behörde beantragt worden ist. Ist der Ablauf der Festsetzungsfrist hinsichtlich des Teils der Steuer, für den der Grundlagenbescheid nicht bindend ist, nach Absatz 4 gehemmt, endet die Festsetzungsfrist für den Teil der Steuer, für den der Grundlagenbescheid bindend ist, nicht vor Ablauf der nach Absatz 4 gehemmten Frist.
(10a) Soweit Daten eines Steuerpflichtigen im Sinne des § 93c innerhalb von sieben Kalenderjahren nach dem Besteuerungszeitraum oder dem Besteuerungszeitpunkt den Finanzbehörden zugegangen sind, endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Zugang dieser Daten.
(11) Ist eine geschäftsunfähige oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Person ohne gesetzlichen Vertreter, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem die Person unbeschränkt geschäftsfähig wird oder der Mangel der Vertretung aufhört. Dies gilt auch, soweit für eine Person ein Betreuer bestellt und ein Einwilligungsvorbehalt nach § 1825 des Bürgerlichen Gesetzbuchs angeordnet ist, der Betreuer jedoch verstorben oder auf andere Weise weggefallen oder aus rechtlichen Gründen an der Vertretung des Betreuten verhindert ist.
(12) Richtet sich die Steuer gegen einen Nachlass, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor dem Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem die Erbschaft von dem Erben angenommen oder das Insolvenzverfahren über den Nachlass eröffnet wird oder von dem an die Steuer gegen einen Vertreter festgesetzt werden kann.
(13) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine noch nicht festgesetzte Steuer im Insolvenzverfahren angemeldet, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf von drei Monaten nach Beendigung des Insolvenzverfahrens ab.
(14) Die Festsetzungsfrist für einen Steueranspruch endet nicht, soweit ein damit zusammenhängender Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 noch nicht verjährt ist (§ 228).
(15) Soweit ein Dritter Steuern für Rechnung des Steuerschuldners einzubehalten und abzuführen oder für Rechnung des Steuerschuldners zu entrichten hat, endet die Festsetzungsfrist gegenüber dem Steuerschuldner nicht vor Ablauf der gegenüber dem Steuerentrichtungspflichtigen geltenden Festsetzungsfrist.
(1) Steuermessbeträge, die nach den Steuergesetzen zu ermitteln sind, werden durch Steuermessbescheid festgesetzt. Mit der Festsetzung der Steuermessbeträge wird auch über die persönliche und sachliche Steuerpflicht entschieden. Die Vorschriften über die Durchführung der Besteuerung sind sinngemäß anzuwenden. Ferner sind § 182 Abs. 1 und für Grundsteuermessbescheide auch Abs. 2 und § 183 sinngemäß anzuwenden.
(2) Die Befugnis, Realsteuermessbeträge festzusetzen, schließt auch die Befugnis zu Maßnahmen nach § 163 Absatz 1 Satz 1 ein, soweit für solche Maßnahmen in einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung, der obersten Bundesfinanzbehörde oder einer obersten Landesfinanzbehörde Richtlinien aufgestellt worden sind. Eine Maßnahme nach § 163 Absatz 1 Satz 2 wirkt, soweit sie die gewerblichen Einkünfte als Grundlage für die Festsetzung der Steuer vom Einkommen beeinflusst, auch für den Gewerbeertrag als Grundlage für die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags.
(3) Die Finanzbehörden teilen den Inhalt des Steuermessbescheids sowie die nach Absatz 2 getroffenen Maßnahmen den Gemeinden mit, denen die Steuerfestsetzung (der Erlass des Realsteuerbescheids) obliegt. Die Mitteilungen an die Gemeinden erfolgen durch Bereitstellung zum Abruf; § 87a Absatz 8 und § 87b Absatz 1 gelten dabei entsprechend.
(1) Feststellungsbescheide sind, auch wenn sie noch nicht unanfechtbar sind, für andere Feststellungsbescheide, für Steuermessbescheide, für Steuerbescheide und für Steueranmeldungen (Folgebescheide) bindend, soweit die in den Feststellungsbescheiden getroffenen Feststellungen für diese Folgebescheide von Bedeutung sind. Dies gilt entsprechend bei Feststellungen nach § 180 Absatz 5 Nummer 2 für Verwaltungsakte, die die Verwirklichung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis betreffen. Wird ein Feststellungsbescheid nach § 180 Absatz 5 Nummer 2 erlassen, aufgehoben oder geändert, ist ein Verwaltungsakt, für den dieser Feststellungsbescheid Bindungswirkung entfaltet, in entsprechender Anwendung des § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 zu korrigieren.
(2) Ein Feststellungsbescheid über einen Einheitswert oder einen Grundsteuerwert nach § 180 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 wirkt auch gegenüber dem Rechtsnachfolger, auf den der Gegenstand der Feststellung nach dem Feststellungszeitpunkt mit steuerlicher Wirkung übergeht. Tritt die Rechtsnachfolge jedoch ein, bevor der Feststellungsbescheid ergangen ist, so wirkt er gegen den Rechtsnachfolger nur dann, wenn er ihm bekannt gegeben wird. Die Sätze 1 und 2 gelten für gesonderte sowie gesonderte und einheitliche Feststellungen von Besteuerungsgrundlagen, die sich erst später auswirken, nach der Verordnung über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 2 der Abgabenordnung entsprechend.
(3) Erfolgt eine gesonderte Feststellung gegenüber mehreren Beteiligten nach § 179 Absatz 2 Satz 2 einheitlich und ist ein Beteiligter im Feststellungsbescheid unrichtig bezeichnet worden, weil Rechtsnachfolge eingetreten ist, kann dies durch besonderen Bescheid gegenüber dem Rechtsnachfolger berichtigt werden.
(1) Steuermessbeträge, die nach den Steuergesetzen zu ermitteln sind, werden durch Steuermessbescheid festgesetzt. Mit der Festsetzung der Steuermessbeträge wird auch über die persönliche und sachliche Steuerpflicht entschieden. Die Vorschriften über die Durchführung der Besteuerung sind sinngemäß anzuwenden. Ferner sind § 182 Abs. 1 und für Grundsteuermessbescheide auch Abs. 2 und § 183 sinngemäß anzuwenden.
(2) Die Befugnis, Realsteuermessbeträge festzusetzen, schließt auch die Befugnis zu Maßnahmen nach § 163 Absatz 1 Satz 1 ein, soweit für solche Maßnahmen in einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung, der obersten Bundesfinanzbehörde oder einer obersten Landesfinanzbehörde Richtlinien aufgestellt worden sind. Eine Maßnahme nach § 163 Absatz 1 Satz 2 wirkt, soweit sie die gewerblichen Einkünfte als Grundlage für die Festsetzung der Steuer vom Einkommen beeinflusst, auch für den Gewerbeertrag als Grundlage für die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags.
(3) Die Finanzbehörden teilen den Inhalt des Steuermessbescheids sowie die nach Absatz 2 getroffenen Maßnahmen den Gemeinden mit, denen die Steuerfestsetzung (der Erlass des Realsteuerbescheids) obliegt. Die Mitteilungen an die Gemeinden erfolgen durch Bereitstellung zum Abruf; § 87a Absatz 8 und § 87b Absatz 1 gelten dabei entsprechend.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 578,47 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
3Zulassungsgründe im Sinne von § 124 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ‑ VwGO - sind nicht dem Erfordernis des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügend dargelegt oder lassen sich nicht feststellen.
4Dies gilt zunächst hinsichtlich des geltend gemachten Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (vgl. Zulassungsbegründung vom 25. November 2013, I.).
5Das Verwaltungsgericht hat sich auf den Standpunkt gestellt, die Frage der Verfassungsmäßigkeit (vgl. Zulassungsbegründung I. 5.) der Einheitswertfeststellung berühre die Rechtmäßigkeit der Steuererhebung durch die Gemeinde nicht. Damit stimmt das Verwaltungsgericht mit der Rechtsprechung des Senats,
6vgl. Beschlüsse vom 7. Oktober 2013 - 14 A 1698/13 ‑ und vom 22. August 2012 - 14 A 2132/10 ‑, NRWE Rn. 7,
7überein, dass die Frage einer - möglichen - Verfassungswidrigkeit der Einheitswertfeststellung für die eigentliche Heranziehung zur Grundsteuer unbeachtlich ist, weil diese Frage den Grundlagenbescheid betrifft, nicht aber den Steuerbescheid selbst. Insoweit hat zudem das Bundesverfassungsgericht,
8vgl. Nichtannahmebeschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 18. Februar 2009 - 1 BvR 1334/07 -, NJW 2009, 1868,
9u. a. ausgeführt, soweit sich die (Anmerkung: dortigen) Beschwerdeführer gegen bestimmte Modalitäten der Bestimmung und Festsetzung der Grundsteuer wenden würden, könnten sie damit im Rahmen der allein gegen den Grundsteuerbescheid und die ihn bestätigenden Gerichtsentscheidungen erhobenen Verfassungsbeschwerden in dem Umfang nicht gehört werden, als diese Rügen auf Feststellungen und Festlegungen zielten, die bereits in den vorangegangenen von ihnen nicht mit Erfolg angegriffenen Grundlagenbescheiden des Finanzamts erfolgt seien. Dies gelte vor allem für Angriffe gegen Mängel im System der Grundstücksbewertung, die nach Auffassung der Beschwerdeführer zu einer gleichheitswidrigen Belastung der Grundstückseigentümer führten. Darüber hinaus hat der Bundesfinanzhof unter Bezugnahme auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Februar 2009 klargestellt,
10vgl. Urteil vom 18. April 2012 - II R 36/10 -, BStBl. II 2012, 867,
11wegen der bindenden Wirkung des Grundsteuermessbescheides könnten mit einem Rechtsbehelf gegen die Festsetzung von Grundsteuern Mängel im System der Grundstückbewertung nicht mit Erfolg geltend gemacht werden.
12Das klägerische Vorbringen in der Zulassungsbegründung, die Frage der Verfassungsmäßigkeit oder Verfassungswidrigkeit der Einheitsbewertung sei inzidenter auch hier durch das erkennende Gericht zu prüfen, sowie der Hinweis auf einen Artikel in der Süddeutschen Zeitung vom 6. September 2013 bieten für den Senat keinen Anlass, seine Rechtsauffassung in einem Berufungsverfahren einer erneuten Überprüfung zu unterziehen. Daher ist auch der Anregung, den Rechtsstreit dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen, nicht zu entsprechen.
13Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils lassen sich entgegen der Auffassung des Klägers (vgl. Zulassungsbegründung I., 1.) nicht feststellen, soweit es die Frage der formellen Wirksamkeit der Satzung über die Festsetzung der Realsteuerhebesätze der Beklagten für das Haushaltsjahr 2013 (Hebesatzung) betrifft.
14Insoweit ist das Verwaltungsgericht zwar von einem Verstoß gegen die Regelung des § 2 Abs. 5 der Verordnung über die öffentliche Bekanntmachung von kommunalem Ortsrecht - BekanntmVO - ausgegangen, als in der Satzungsüberschrift nicht das Datum eingetragen wurde, unter dem die Bekanntmachungsanordnung vom Bürgermeister unterzeichnet worden ist. Diesen Fehler hat es allerdings nicht als zur Unwirksamkeit der Bekanntmachung führend angesehen. Denn die nach § 2 Abs. 5 BekanntmVO erforderliche Datumsangabe in der Satzungsüberschrift enthalte lediglich einen redaktionellen Hinweis, der die Zitierfähigkeit der Satzung erleichtern solle. Die Datumsangabe in der Satzungsüberschrift selbst unterliege nicht der Prüfung durch den Bürgermeister und sei damit kein Bestandteil der Satzungsausfertigung. Im Übrigen sei neben der Satzung auch die Bekanntmachungsanordnung in vollem Wortlaut öffentlich bekannt zu machen, womit das Datum der Unterzeichnung zumindest aus der veröffentlichten Bekanntmachungsanordnung ersichtlich sei.
15Mit diesen Ausführungen des Verwaltungsgerichts setzt sich der Kläger im Rahmen der Zulassungsbegründung nicht substanziiert auseinander, sondern beruft sich unter Wiedergabe des Wortlauts des § 2 Abs. 5 BekanntmVO im Wesentlichen nur darauf, das Verwaltungsgericht habe sich durch seine Rechtsprechung zur Folgenlosigkeit der Erwähnung des betreffenden Datums in der Satzungsüberschrift de facto wie der Verordnungsgeber geriert und damit das Gewaltenteilungsprinzip des Artikels 20 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes - GG - verletzt.
16Die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, auch in materiell-rechtlicher Hinsicht sei kein Verstoß gegen gesetzliche Vorgaben durch den Erlass der Hebesatzung festzustellen, begegnet ebenfalls keinen ernstlichen Zweifeln. Dies gilt auch, soweit das Verwaltungsgericht weiterhin im angefochtenen Urteil einen von der Rechtsauffassung des Senats abweichenden Standpunkt zum Umfang der gerichtlichen Kontrolle betreffend den Abwägungsvorgang beim Erlass einer Satzung über die Festlegung von Grundsteuerhebesätzen einnimmt.
17Vgl. einerseits das angefochtene Urteil, Urteilsabdruck S. 11, m. w. N. zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen und andererseits OVG NRW, Urteil vom 23. Juni 2010 - 14 A 597/09 - sowie Beschlüsse vom 16. Juli 2013 - 14 A 464/13 - und - 14 A 2761/12 -, jeweils veröffentlicht in NRWE.
18Denn diese abweichende Rechtsauffassung wirkt sich im Ergebnis im vorliegenden Verfahren nicht auf die Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils aus.
19Entgegen der vom Kläger geäußerten, aber nicht näher begründeten Rechtsauffassung (vgl. Zulassungsbegründung I., 2.), beinhaltet die Regelung des § 26 des Grundsteuergesetzes - GrStG - nur ein Recht und nicht aber auch eine Verpflichtung zur Festsetzung von Höchsthebesätzen von Grundsteuern durch den Landesgesetzgeber. Dies hat das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf die maßgebliche Rechtsprechung,
20vgl. u. a. BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1991 - 8 NB 1.90 -, NVWZ 1991, 894,
21zutreffend ausgeführt.
22Die Hebesatzung ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt des im Rechtsstaatsprinzip aus Artikel 20 Abs. 3 GG wurzelnden Grundsatzes des Vertrauensschutzes unwirksam (vgl. Zulassungsbegründung I., 3.). Insoweit hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, der Grundsatz des Vertrauensschutzes habe im Grundsteuerrecht seine einfach gesetzliche Ausprägung in §§ 25 Abs. 3 und 27 Abs. 2 GrStG gefunden. Unter den dort genannten Voraussetzungen sei ein weitergehender Vertrauensschutz grundsätzlich von vornherein ausgeschlossen. Zu diesem die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts bereits selbständig tragenden Gesichtspunkt äußert sich der Kläger im Rahmen der Zulassungsbegründung nicht. Ebenso wenig stellt er substanziiert den vom Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zusätzlich angeführten Gesichtspunkt in Frage, das Vertrauen des Bürgers auf einen in Zukunft unveränderten Fortbestand einer ihm bislang günstigen Regelung werde verfassungsrechtlich grundsätzlich nicht geschützt. Insbesondere könne der Bürger angesichts des Erfordernisses der öffentlichen Finanzwirtschaft nicht darauf vertrauen, dass ein einmal geltender Steuertarif und das bisherige Steuerverfahren unverändert blieben.
23Die Ausführungen des Klägers zu der von ihm behaupteten "Unverhältnismäßigkeit der Grundsteuerfestsetzung zum Jahre 2013" und einem "unzulässigen Sonderopfer der Grund- und Gewerbesteuerpflichtigen" (vgl. Zulassungsbegründung I., 4.), die zu einer Unvereinbarkeit mit Art. 14 Abs. 1 GG führten, vermögen ebenfalls keine ernstlichen Zweifel zu begründen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts,
24vgl. nur Beschluss vom 31. Mai 1990 ‑ 2 BvL 12/88 u. a. -, BVerfGE 82, 159 ff. (190),
25kommt ein Verstoß gegen die Eigentumsgarantie aus Artikel 14 GG grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn eine Geldleistungspflicht den Betroffenen in einer Weise übermäßig belastet und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigt, so dass sie eine erdrosselnde Wirkung ausübt. Dementsprechend hat auch das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil die Frage einer erdrosselnden Wirkung behandelt, diese allerdings nicht feststellen können. Warum, wie sich der Kläger ausdrückt, die Drosselungsrechtsprechung als sehr problematisch anzusehen sein soll, erschließt sich dem Senat nicht. Damit ist auch der rechtliche Ansatz des Verwaltungsgerichts nicht zu beanstanden, es sei entscheidend, dass die anfallende Steuer regelmäßig aus den Grundstückserträgen noch erwirtschaftet werden könne. Warum demgegenüber, wie vom Kläger gefordert, auf die "Betrachtung der Relation der jährlichen Grundsteuerveranlagung zum jeweiligen Bodenrichtwert des Grundstücks" abzustellen sein soll, wird nicht dargelegt. Damit ist auch die Annahme eines "Sonderopfers" auf der Grundlage einer unverhältnismäßigen Steuererhebung ausgeschlossen. Dies gilt umso mehr, als der diesbezügliche Verweis des Klägers auf den erstinstanzlichen Vortrag dem Darlegungserfordernis des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO widerspricht, weil sich daraus keine Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil herleiten lässt.
26Soweit es den vom Kläger behaupteten Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot bzw. rechtsstaatliche Grundsätze (vgl. Zulassungsbegründung I., 6.) betrifft, wird bereits nicht dargelegt, aufgrund welcher gesetzlicher Regelungen es unzulässig sein könnte, einen Satzungsbeschluss über die Höhe von Grundsteuerhebesätzen zu treffen, bevor, wie hier, ein Haushaltssanierungsplan in Kraft getreten ist, und sich im Rahmen des Sanierungskonzepts an den aufgrund der Festlegung des Hebesatzes zu erwartenden Einnahmen zu orientieren.
27Zur Begründung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils ist dem Kläger schließlich auch insoweit nicht zu folgen, als er das Fehlen hinreichender Grundlagen für die Grundsteuererhebung und zur Haushaltssanierung sowie zur defizitären Ermittlung und unterbliebenen Ausschöpfung des städtischen Einsparpotentials (vgl. Zulassungsbegründung I., 7.) bemängelt. Substanziierte Ausführungen unter Berücksichtigung der Darlegungen des Verwaltungsgerichts enthält sein diesbezügliches Vorbringen nicht. Der Verweis auf sein erstinstanzliches Vorbringen entspricht nicht dem Darlegungserfordernis.
28Die besonderen Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (vgl. Zulassungsbegründung II.) sind ebenfalls nicht festzustellen.
29Soweit es die behaupteten Schwierigkeiten tatsächlicher Art betrifft (vgl. Zulassungsbegründung II., 1.) legt der Kläger nicht dar, welcher weiteren Ermittlung von Tatsachen es in einem Berufungsverfahren bedürfen könnte, die nicht bereits das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hätte. Seine Behauptung von "Ermittlungsdefiziten bzw. von als nicht hinreichend anzusehenden Grundlagen für die streitgegenständliche Grundsteuererhebung und zur Haushaltssanierung" lassen erkennen, dass im Kern keine tatsächlichen Schwierigkeiten im Raum stehen, sondern die rechtliche Beurteilung der vorhandenen Tatsachenmaterialien durch das Verwaltungsgericht.
30Die geltend gemachten Schwierigkeiten rechtlicher Art (vgl. Zulassungsbegründung II., 2.) lassen sich nicht, wie vom Kläger im Wesentlichen vorgetragen, daraus herleiten, dass er seine eigene Rechtsauffassung zu verschiedenen Punkten derjenigen des Verwaltungsgerichts im angefochtenen Urteil gegenüberstellt. Im Übrigen sind Rechtsfragen, wie etwa die einer Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Bedenken an der Festsetzung von Einheitswerten auch bei der Grundsteuerfestsetzung in der Rechtsprechung hinreichend geklärt, so dass es keiner neuen rechtlichen Überlegungen im Rahmen eines Berufungsverfahrens bedarf.
31Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 47 Abs. 1 und 3 sowie 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes - GKG -.
32Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
(1) Die Gemeinde bestimmt, ob von dem in ihrem Gebiet liegenden Grundbesitz Grundsteuer zu erheben ist.
(2) Bestehen in einem Land keine Gemeinden, so stehen das Recht des Absatzes 1 und die in diesem Gesetz bestimmten weiteren Rechte dem Land zu.
(3) Für den in gemeindefreien Gebieten liegenden Grundbesitz bestimmt die Landesregierung durch Rechtsverordnung, wer die nach diesem Gesetz den Gemeinden zustehenden Befugnisse ausübt.
(1) Die Gemeinde bestimmt, mit welchem Hundertsatz des Steuermeßbetrags oder des Zerlegungsanteils die Grundsteuer zu erheben ist (Hebesatz).
(2) Der Hebesatz ist für ein oder mehrere Kalenderjahre, höchstens jedoch für den Hauptveranlagungszeitraum der Steuermeßbeträge festzusetzen.
(3) Der Beschluß über die Festsetzung oder Änderung des Hebesatzes ist bis zum 30. Juni eines Kalenderjahres mit Wirkung vom Beginn dieses Kalenderjahres zu fassen. Nach diesem Zeitpunkt kann der Beschluß über die Festsetzung des Hebesatzes gefaßt werden, wenn der Hebesatz die Höhe der letzten Festsetzung nicht überschreitet.
(4) Der Hebesatz muß jeweils einheitlich sein
Wird das Gebiet von Gemeinden geändert, so kann die Landesregierung oder die von ihr bestimmte Stelle für die von der Änderung betroffenen Gebietsteile auf eine bestimmte Zeit verschiedene Hebesätze zulassen.(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.
(2) Ein Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.
(3) Ein nichtiger Verwaltungsakt ist unwirksam.
(1) Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist.
(2) Ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 ist ein Verwaltungsakt nichtig,
- 1.
der schriftlich oder elektronisch erlassen worden ist, die erlassende Behörde aber nicht erkennen lässt; - 2.
der nach einer Rechtsvorschrift nur durch die Aushändigung einer Urkunde erlassen werden kann, aber dieser Form nicht genügt; - 3.
den eine Behörde außerhalb ihrer durch § 3 Abs. 1 Nr. 1 begründeten Zuständigkeit erlassen hat, ohne dazu ermächtigt zu sein; - 4.
den aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen kann; - 5.
der die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht; - 6.
der gegen die guten Sitten verstößt.
(3) Ein Verwaltungsakt ist nicht schon deshalb nichtig, weil
- 1.
Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nicht eingehalten worden sind, außer wenn ein Fall des Absatzes 2 Nr. 3 vorliegt; - 2.
eine nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 6 ausgeschlossene Person mitgewirkt hat; - 3.
ein durch Rechtsvorschrift zur Mitwirkung berufener Ausschuss den für den Erlass des Verwaltungsaktes vorgeschriebenen Beschluss nicht gefasst hat oder nicht beschlussfähig war; - 4.
die nach einer Rechtsvorschrift erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde unterblieben ist.
(4) Betrifft die Nichtigkeit nur einen Teil des Verwaltungsaktes, so ist er im Ganzen nichtig, wenn der nichtige Teil so wesentlich ist, dass die Behörde den Verwaltungsakt ohne den nichtigen Teil nicht erlassen hätte.
(5) Die Behörde kann die Nichtigkeit jederzeit von Amts wegen feststellen; auf Antrag ist sie festzustellen, wenn der Antragsteller hieran ein berechtigtes Interesse hat.
(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.
(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.
(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.
(1) Gegen ein rechtskräftiges Strafurteil, das auf einer mit dem Grundgesetz für unvereinbar oder nach § 78 für nichtig erklärten Norm oder auf der Auslegung einer Norm beruht, die vom Bundesverfassungsgericht für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt worden ist, ist die Wiederaufnahme des Verfahrens nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung zulässig.
(2) Im übrigen bleiben vorbehaltlich der Vorschrift des § 95 Abs. 2 oder einer besonderen gesetzlichen Regelung die nicht mehr anfechtbaren Entscheidungen, die auf einer gemäß § 78 für nichtig erklärten Norm beruhen, unberührt. Die Vollstreckung aus einer solchen Entscheidung ist unzulässig. Soweit die Zwangsvollstreckung nach den Vorschriften der Zivilprozeßordnung durchzuführen ist, gilt die Vorschrift des § 767 der Zivilprozeßordnung entsprechend. Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung sind ausgeschlossen.
Kommt das Bundesverfassungsgericht zu der Überzeugung, daß Bundesrecht mit dem Grundgesetz oder Landesrecht mit dem Grundgesetz oder dem sonstigen Bundesrecht unvereinbar ist, so erklärt es das Gesetz für nichtig. Sind weitere Bestimmungen des gleichen Gesetzes aus denselben Gründen mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht unvereinbar, so kann sie das Bundesverfassungsgericht gleichfalls für nichtig erklären.
Tatbestand
- 1
-
Die Klage richtet sich gegen die Aufhebung eines Satzungsbeschlusses des Rates der Klägerin über die Festsetzung der Hebesätze für die Gewerbesteuer und die Grundsteuer B durch den beklagten Landrat als Kommunalaufsichtsbehörde.
- 2
-
Die Klägerin ist eine kreisangehörige Gemeinde, die seit 1999 weder über einen ausgeglichenen Haushalt noch über ein genehmigtes Haushaltssicherungskonzept verfügt. Für das Haushaltsjahr 2003 setzte der Beklagte im Wege der Ersatzvornahme die Hebesätze der Klägerin für die Grundsteuer B auf 391 v.H. (im Vorjahr 350 v.H.) und für die Gewerbesteuer auf 413 v.H. (im Vorjahr 400 v.H.) des Steuermessbetrages fest.
- 3
-
Durch Beschluss vom 5. Juli 2005 senkte der Rat der Klägerin für das Haushaltsjahr 2005 die Hebesätze für die Grundsteuer B auf 350 v.H. und für die Gewerbesteuer auf 400 v.H. des Steuermessbetrages. Nach der auf Anweisung des Beklagten erfolgten Beanstandung des Beschlusses durch den Bürgermeister und nach dem Beschluss des Rates vom 1. September 2005, den beanstandeten Beschluss nicht aufzuheben, hob der Beklagte mit der streitgegenständlichen Verfügung vom 23. Dezember 2005 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung den Beschluss des Rates vom 5. Juli 2005 auf.
- 4
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Der dagegen von der Klägerin erhobenen Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 28. Juni 2007 stattgegeben und die Verfügung des Beklagten vom 23. Dezember 2005 aufgehoben.
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Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 130a VwGO mit Beschluss vom 22. Juli 2009 das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die angefochtene Verfügung des Beklagten vom 23. Dezember 2005 sei zu Recht auf § 122 Abs. 1 Satz 2 der Gemeindeordnung des Landes Nordrhein-Westfalen (GO NRW) gestützt. Der aufgehobene Ratsbeschluss vom 5. Juli 2005 verletze geltendes Recht, weil er gegen § 75 Abs. 3 GO NRW in der gemäß Art. 1 § 9 des Gesetzes über ein Neues Kommunales Finanzmanagement für die Gemeinden im Land Nordrhein-Westfalen vom 16. November 2004 (NKFG NRW) auch nach dem 31. Dezember 2004 noch anwendbaren Fassung (GO NRW a.F.) verstoße, wonach die Gemeinden die Pflicht haben, den Haushalt in jedem Jahr auszugleichen. Wenn der Haushaltsausgleich nicht erreicht werden könne, sei dieser gemäß § 75 Abs. 4 Satz 2 GO NRW a.F. zum nächstmöglichen Zeitpunkt wiederherzustellen. Daraus ergebe sich die haushaltsrechtliche Pflicht für die Gemeinden, alles zu unternehmen, um durch Zurückführung der Ausgaben und Erhöhung der Einnahmen dieses Ziel so schnell wie möglich zu erreichen. Insbesondere beinhalte dies die Pflicht, von Einnahmen mindernden Maßnahmen - wie hier der Senkung der Realsteuerhebesätze - grundsätzlich abzusehen. Diese Pflicht sei allerdings auf das Zumutbare begrenzt. Die Zumutbarkeit des haushaltsrechtlich gebotenen Verhaltens bestimme sich einerseits nach den jeweiligen rechtlichen Vorgaben für das in Rede stehende Tun oder Unterlassen sowie danach, ob das Verhalten auch unter Berücksichtigung des im Rahmen des Grundsatzes sparsamer und wirtschaftlicher Haushaltsführung (§ 75 Abs. 2 GO NRW a.F.) eröffneten Handlungsspielraums der betroffenen Gemeinde geboten sei. Dabei sei der Spielraum umso enger, je größer oder andauernder das Haushaltsdefizit und je unabsehbarer sein Ende sei. Diesen Vorgaben des kommunalen Haushaltsrechts werde der beanstandete Ratsbeschluss der Klägerin vom 5. Juli 2005 nicht gerecht. Mit ihm wäre die Grundsteuer B mit 350 v.H. des Steuermessbetrages und die Gewerbesteuer mit 400 v.H. auf ein Niveau reduziert worden, das im Landesdurchschnitt zuletzt 1994 bzw. 1992 erreicht worden sei. Der Hebesatz für die Grundsteuer B wäre 2005 im Landkreis der niedrigste gewesen; beim Hebesatz für die Gewerbesteuer hätte sich die Klägerin zusammen mit der Gemeinde Dahlem im landkreisinternen Vergleich ebenfalls an der unteren Belastungsgrenze befunden. Für die Klägerin sei es auch zumutbar gewesen, auf die Absenkung zu verzichten. Die Annahme, die beschlossene Senkung der Realsteuerhebesätze werde wegen der damit bewirkten Steigerung der Attraktivität der Klägerin zu höheren Einnahmen führen, sei allenfalls eine Hoffnung, deren tatsächliche Grundlage dünn sei. Denn die Höhe der Realsteuerhebesätze sei regelmäßig nicht der zentrale Grund für die Entscheidung, in welcher Gemeinde sich ein Unternehmen ansiedle bzw. Personen ihren Wohnsitz nähmen. Die Absenkung der Realsteuerhebesätze könne nicht mit dem Hinweis auf die sonstige Abgabenbelastung der Bürger im Bereich der Klägerin, insbesondere mit hohen Entwässerungsgebühren, begründet werden. Weder die kommunale Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG noch Art. 106 Abs. 6 Satz 2 GG stünden der angefochtenen Verfügung entgegen. Ferner sei ein Verstoß gegen § 25 Abs. 1 GrStG und § 16 Abs. 1 GewStG nicht ersichtlich.
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Gegen den Beschluss hat die Klägerin die vom Berufungsgericht zugelassene Revision eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen: Dem Beklagten fehle es an der Kompetenz, auf die Höhe der kommunalen Hebesätze für die Grundsteuer B und die Gewerbesteuer Einfluss zu nehmen. Denn Art. 106 Abs. 6 Satz 2 GG räume allein den Gemeinden das Recht ein, die Hebesätze für diese Steuern im Rahmen der Gesetze festzusetzen. Da der Bundesgesetzgeber im Grundsteuer- und im Gewerbesteuergesetz keine Regelung geschaffen habe, die Landesbehörden eine Reglementierung des originär den Gemeinden zustehenden Rechts zur Bestimmung der Höhe der Hebesätze eröffne, gelte dies auch für den Beklagten als staatliche Kommunalaufsichtsbehörde. Zwar gebe die angefochtene Aufhebungsverfügung des Beklagten nach ihrem Wortlaut der Klägerin keinen exakten Hebesatz vor. Die Verfügung laufe im Ergebnis jedoch darauf hinaus, dass für das Haushaltsjahr 2005 der Hebesatz für die Grundsteuer B auf 391 v.H. und für die Gewerbesteuer auf 413 v.H. des Steuermessbetrages festzusetzen sei. Damit werde der gemeindliche Handlungsspielraum missachtet, obwohl die Festlegung der Hebesätze auch in kritischen Haushaltssituationen immer noch eine - auch für soziale und wirtschaftspolitische Motive offene - kommunale Ermessensentscheidung sei.
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Die Klägerin beantragt,
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den Beschluss des Oberwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 22. Juli 2009 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Aachen vom 28. Juni 2007 zurückzuweisen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Er verteidigt das angegriffene Urteil.
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Der Vertreter des öffentlichen Interesses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren, hat jedoch keinen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision der Klägerin ist nicht begründet. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung und Anwendung der Regelungen der nordrhein-westfälischen Gemeindeordnung (§ 122 Abs. 1 Satz 2 GO NRW sowie § 75 Abs. 3 und 4 Satz 2 GO NRW a.F.), auf die die angefochtene Verfügung des Beklagten vom 23. Dezember 2005 über die Aufhebung des Ratsbeschlusses vom 5. Juli 2005 gestützt ist, verstößt weder gegen Art. 28 Abs. 2 GG noch gegen Art. 106 Abs. 6 Satz 2 GG i.V.m. § 25 Abs. 1 GrStG und § 16 Abs. 1 GewStG oder gegen sonstiges Bundesrecht.
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Die revisionsgerichtliche Prüfung muss von dem Inhalt der irrevisiblen Vorschriften des Landesrechts ausgehen, den das Berufungsgericht durch Auslegung ermittelt und seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat (§ 173 VwGO i.V.m. § 560 ZPO). Das Revisionsgericht kann insoweit lediglich nachprüfen, ob Bundesrecht - insbesondere Bundesverfassungsrecht - ein anderes Ergebnis gebietet (stRspr; vgl. u.a. Urteile vom 12. November 1993 - BVerwG 7 C 23.93 - BVerwGE 94, 288 = Buchholz 160 Wahlrecht Nr. 38 S. 21 <23 f.> und vom 9. Dezember 2009 - BVerwG 8 C 17.08 - NVwZ 2010, 834 m.w.N.).
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Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen muss gemäß § 75 Abs. 3 GO NRW a.F. der Haushalt einer Gemeinde in jedem Jahr ausgeglichen sein. Wenn der Haushaltsausgleich nicht erreicht werden kann, ist dieser gemäß § 75 Abs. 4 Satz 2 GO NRW a.F. zum nächstmöglichen Zeitpunkt wiederherzustellen. Das Berufungsgericht hat die Vorschrift dahin ausgelegt, dass sich daraus für die Klägerin in ihrer angespannten Haushaltssituation die Pflicht ergibt, alles zu unternehmen, um durch Zurückführung der Ausgaben und Erhöhung der Einnahmen dieses Ziel im Rahmen des Zumutbaren so schnell wie möglich zu erreichen. Das haushaltsrechtlich gebotene Verhalten bestimmt sich dabei einerseits nach den jeweiligen rechtlichen Vorgaben für das in Rede stehende Tun oder Unterlassen sowie danach, ob das Verhalten auch unter Berücksichtigung des im Rahmen des Grundsatzes sparsamer und wirtschaftlicher Haushaltsführung (§ 75 Abs. 2 GO NRW a.F.) eröffneten Handlungsspielraums der Gemeinde zumutbar ist, wobei dieser Spielraum um so enger ist, je größer oder andauernder das Haushaltsdefizit und je unabsehbarer sein Ende ist. Daraus hat das Berufungsgericht die weitere Schlussfolgerung gezogen, dass in der Haushaltssituation, in der sich die Klägerin im Haushaltsjahr 2005 befand, von die Einnahmen mindernden Maßnahmen - wie hier der Senkung der Realsteuerhebesätze - grundsätzlich abzusehen ist. Der Ratsbeschluss der Klägerin vom 5. Juli 2005 wird nach den Feststellungen des Berufungsgerichts diesen Anforderungen nicht gerecht und verstößt damit gegen das zum maßgeblichen Zeitpunkt des Ergehens der Verfügung des Beklagten vom 23. Dezember 2005 geltende Recht, so dass dieser ihn deshalb nach § 122 Abs. 1 Satz 2 GO NRW zu Recht aufgehoben hat.
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Diese Annahme verletzt weder Art. 106 Abs. 6 Satz 2 GG noch die der Klägerin durch Art. 28 Abs. 2 GG garantierte gemeindliche Selbstverwaltung in Gestalt ihrer kommunalen Finanzhoheit. Sie stellt auch keinen unverhältnismäßigen Eingriff in diese Rechte dar.
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Nach Art. 106 Abs. 6 Satz 2 GG ist den Gemeinden das Recht einzuräumen, die Hebesätze der Grundsteuer und der Gewerbesteuer im Rahmen der Gesetze festzusetzen. Nach Art. 105 Abs. 2 GG hat der Bund - neben der nach § 105 Abs. 1 GG ihm zugewiesenen Gesetzgebung über die Zölle und Finanzmonopole - für die "übrigen Steuern" die Kompetenz zur konkurrierenden Gesetzgebung, wenn ihm das Aufkommen dieser Steuern ganz oder zum Teil zusteht oder die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG vorliegen. Das Aufkommen der beiden Steuern steht nicht nach Art. 106 Abs. 1 GG dem Bund, sondern nach Art. 106 Abs. 6 Satz 1 GG den Gemeinden zu, so dass der Bund von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz nur nach Maßgabe des Art. 72 Abs. 2 GG Gebrauch machen durfte, was er mit dem Grundsteuergesetz und dem Gewerbesteuergesetz getan hat. Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken dagegen bestehen im Hinblick auf Art. 72 Abs. 2 GG oder andere Regelungen des Grundgesetzes nicht (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 27. Januar 2010 - 2 BvR 2185/04, 2 BvR 22 BvR 2189/04 - DVBl 2010, 509 = juris Rn. 56 ff.). Der Bundesgesetzgeber ist durch § 25 Abs. 1 GrStG und § 16 Abs. 1 GewStG dem Gesetzgebungsauftrag des Art. 106 Abs. 6 Satz 2 GG nachgekommen, wonach den Gemeinden das Recht einzuräumen ist, die Hebesätze der Grundsteuer und der Gewerbesteuer im Rahmen der Gesetze festzusetzen.
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Das durch Art. 106 Abs. 6 Satz 2 GG i.V.m. § 25 Abs. 1 GrStG und § 16 Abs. 1 GewStG eingeräumte Hebesatzrecht dient der Sicherung einer angemessenen Finanzausstattung der Gemeinden. Einerseits ermöglicht es ihnen, Unterschiede in der Belastung und in der Ergiebigkeit der zugewiesenen Steuerquellen auszugleichen. Die Gemeinden sollen die Möglichkeit haben, ihre Einnahmen durch Anhebung der Gewerbesteuer an den Finanzbedarf anzupassen und damit angesichts wachsender Haushaltslasten handlungsfähig zu bleiben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Januar 2010 a.a.O. juris Rn. 86 m.w.N.). Die Gewährleistung des Hebesatzrechts ermöglicht andererseits aber auch eine Anpassung nach unten und damit den Einsatz niedriger Hebesätze im interkommunalen Wettbewerb um die Ansiedlung von Unternehmen. In dem Spannungsverhältnis zwischen dem Streben nach einem möglichst hohen Niveau der öffentlichen Leistungen und einer möglichst niedrigen Steuerbelastung, das bei der Einführung der Verfassungsgarantie des gemeindlichen Hebesatzrechts als unentbehrlich für eine eigenverantwortliche Selbstverwaltung hervorgehoben wurde (vgl. BTDrucks V/2861 S. 39 Nr. 183), wird das Streben nach einer möglichst niedrigen Steuerbelastung gerade durch die Bedeutung der Gewerbesteuerbelastung im Standortwettbewerb befördert (BVerfG, Beschluss vom 27. Januar 2010 a.a.O. juris Rn. 86).
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Die durch Bundesrecht in Art. 106 Abs. 6 Satz 2 GG in Verbindung mit den Ausführungsregelungen in § 16 Abs. 1 GewStG und § 25 Abs. 1 GrStG erfolgte Zuweisung der ausschließlichen Kompetenz der Gemeinden zur Festsetzung der Hebesätze für die Gewerbe- und die Grundsteuer ist vom Bundesgesetzgeber in beiden Gesetzen allerdings in mehrfacher Hinsicht eingeschränkt worden. So hat er für die Gewerbesteuer einen Mindesthebesatz von 200 v.H. des Steuermessbetrages vorgeschrieben (§ 16 Abs. 4 Satz 2 GewStG). Die Gemeinden dürfen damit weder auf die Erhebung der Gewerbesteuer verzichten noch einen den Mindesthebesatz unterschreitenden Hebesatz festsetzen. Ausweislich der Gesetzesbegründung dienten die Einführung der Pflicht zur Erhebung der Gewerbesteuer und die Normierung eines Mindesthebesatzes vor allem der Vermeidung von "Gewerbesteueroasen" sowie der Verhinderung von Ausfällen bei der Gewerbesteuerumlage (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Januar 2010 a.a.O. juris Rn. 95 ff. unter Verweis auf BTDrucks 15/481 S. 16; BTDrucks 15/1517 S. 17, 19; Protokoll der 786. Sitzung des Bundesrates vom 14. März 2003, S. 48). Andererseits werden die Bundesländer ermächtigt, sowohl für die Grundsteuer als auch für die Gewerbesteuer einen das Hebesatzrecht der Gemeinden begrenzenden Höchsthebesatz zu normieren (§ 16 Abs. 5 GewStG, § 26 GrStG). Das ist nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen in Nordrhein-Westfalen bisher nicht geschehen. Des Weiteren ist in den beiden Bundesgesetzen als letzter Zeitpunkt für den Fall einer Erhöhung des Hebesatzes verbindlich der 30. Juni eines Jahres festgelegt (§ 16 Abs. 3 GewStG, § 25 Abs. 3 GrStG). Außerdem ist in beiden Bundesgesetzen näher bestimmt, inwieweit bei der Erhebung von Grund- und Gewerbesteuern Differenzierungen zwischen Unternehmen, Betrieben bzw. Grundstücken zulässig sind (§ 16 Abs. 4 Satz 1 GewStG, § 25 Abs. 4 Satz 1 GrStG). Schließlich gestatten das Gewerbe- und das Grundsteuergesetz den Ländern bei Gebietsänderungen, vorübergehend verschiedene Hebesätze innerhalb des Hoheitsgebiets einer Gemeinde zuzulassen (§ 16 Abs. 4 Satz 3 GewStG, § 25 Abs. 4 Satz 2 GrStG). Weitergehende Beschränkungen des den Gemeinden im Rahmen der Gesetze gewährleisteten Rechts zur Festsetzung der Hebesätze für die Grundsteuer und für die Gewerbesteuer lassen sich beiden Bundesgesetzen nicht entnehmen.
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Nach Art. 106 Abs. 6 Satz 2 GG ist das Hebesatzrecht für die Grund- und die Gewerbesteuer den Gemeinden allerdings nur "im Rahmen der Gesetze" gewährleistet. Dies entspricht der Regelung des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Januar 2010 a.a.O. juris Rn. 77 m.w.N.), der den Gemeinden das Recht, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung zu regeln, ebenfalls nur im Rahmen der Gesetze garantiert. Das in Art. 106 Abs. 6 Satz 2 GG i.V.m. § 16 Abs. 1 GewStG und § 25 Abs. 1 GrStG den Gemeinden gewährleistete Hebesatzrecht für die Grundsteuer und die Gewerbesteuer ist eine spezielle Ausprägung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie und konkretisiert diese. Die kommunale Selbstverwaltungsgarantie unterliegt normativer Prägung durch den Gesetzgeber, der sie inhaltlich ausformen und begrenzen darf (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 1994 - 2 BvR 445/91 - BVerfGE 91, 228 <240> m.w.N.). Die im Rahmen der Gesetze garantierte finanzielle Eigenverantwortlichkeit der Gemeinden stellt sich als notwendiges Korrelat zur verfassungsrechtlich gewährleisteten eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung dar (Knemeyer, Der Städtetag, 1988, 330 <331>; Corsten, Der Gemeindehaushalt, 1990, 57 <58>). Die kommunale Finanzhoheit besteht jedoch nicht darin, dass die Gemeinde nach Belieben frei schalten kann, sondern darin, dass sie verantwortlich disponiert und bei ihren Maßnahmen auch ihre Stellung innerhalb der Selbstverwaltung des modernen Verwaltungsstaates und die sich daraus ergebende Notwendigkeit des Finanzausgleichs in Betracht zieht (BVerfG, Beschluss vom 21. Mai 1968 - 2 BvL 2/61 - BVerfGE 23, 353 = juris Rn. 57). Daran hat die durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 27. Oktober 1994 (BGBl I S. 3146) erfolgte Ergänzung des Art. 28 Abs. 2 GG um einen Satz 3 ("Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfasst auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung.") nichts geändert. Mit dieser Regelung, die auf eine Empfehlung der Gemeinsamen Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat zurückgeht (BTDrucks 12/6000 S. 46 ff.), sollten nach der Vorstellung des verfassungsändernden Gesetzgebers keine über die im Grundgesetz verankerte Finanzverfassung hinausgehenden finanziellen Absicherungen geschaffen werden (vgl. BTDrucks 12/6000 S. 1 <48>; Schwarz, Finanzverfassung und kommunale Selbstverwaltung, 1996, S. 44). Der kommunalen Finanzhoheit sollte allerdings ein ausdrücklicher Stellenwert eingeräumt und diese damit gestärkt werden (BTDrucks 12/6633 S. 7). Vor dem Hintergrund gewachsener Belastungen der Gemeinden bei der Erfüllung ihrer vielfältigen staatlichen Aufgaben sollte so klargestellt werden, dass die finanzielle Eigenverantwortung zum Recht auf kommunale Selbstverwaltung gehört (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Januar 2010 a.a.O. juris Rn. 70 unter Berufung auf den Abschlussbericht der Gemeinsamen Verfassungskommission, BTDrucks 12/6000 S. 46). Die durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 28 und Art. 106) vom 20. Oktober 1997 (BGBl I S. 2470) erfolgte Einfügung eines weiteren Halbsatzes in Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG ("zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle") garantiert den Gemeinden über Art. 106 Abs. 2 Satz 2 GG hinaus, dass die wirtschaftskraftbezogene Gewerbesteuer nicht abgeschafft wird, ohne dass die Gemeinden an ihrer Stelle eine andere wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle mit Hebesatzrecht erhalten. Die kommunale Finanzautonomie sollte so durch die Garantie des Bestandes der Gewerbeertragsteuer oder einer anderen an der Wirtschaftskraft orientierten Steuer mit Verfassungsrang gewährleistet werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Januar 2010 a.a.O. juris Rn. 71 unter Berufung auf BTDrucks 13/8488 S. 5; 13/8340 S. 2).
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Die verfassungsrechtlich in dieser Weise geschützte kommunale Selbstverwaltungsfreiheit kann allerdings vom Gesetzgeber beschränkt werden. Hinsichtlich des den Gemeinden in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleisteten Rechts zur Aufgabenerledigung "in eigener Verantwortung" ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut, dass dieses nur "im Rahmen der Gesetze" besteht. Demnach genießen die gemeindlichen Selbstverwaltungskörperschaften einerseits zwar die durch Art. 28 Abs. 2 GG gewährleistete kommunale Autonomie. Andererseits müssen sie jedoch den Vorrang der staatlichen Gesetze beachten. Der sowohl in Art. 28 Abs. 2 GG als auch in Art. 106 Abs. 6 Satz 2 GG normierte Gesetzesvorbehalt gilt auch für die kommunale Finanzhoheit als Teil der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie (vgl. dazu BVerfG, Entscheidungen vom 21. Mai 1968 - 2 BvL 2/61 - BVerfGE 23, 353 <369>, vom 10. Juni 1969 - 2 BvR 480/61 - BVerfGE 26, 172 <181>, vom 24. Juni 1969 - 2 BvR 446/64 - BVerfGE 26, 228 <244>, vom 24. Juli 1979 - 2 BvK 1/78 - BVerfGE 52, 95 <117> und vom 15. Oktober 1985 - 2 BvR 1808/82, 2 BvR 1809/82, 2 BvR 1810/82 - BVerfGE 71, 25 <36>), die die Befugnis zu einer eigenverantwortlichen Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft im Rahmen eines gesetzlich geordneten Haushaltswesens beinhaltet (vgl. u.a. BVerfG; Entscheidung vom 24. Juni 1969 - 2 BvR 446/64 - a.a.O. <244>).
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Das Recht auf gemeindliche Selbstverwaltung einschließlich der kommunalen Finanzautonomie steht allerdings nicht zur vollständigen Disposition des einfachen Gesetzgebers (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 27. Januar 2010 a.a.O. juris Rn. 91 und vom 23. November 1988 - 2 BvR 1619/83, 2 BvR 1628/83 - BVerfGE 79, 127 <143>). Es ist in seinem Kern gesetzgebungsfest gewährleistet. Dem beschränkenden Zugriff des Gesetzgebers sind insoweit verfassungsrechtliche Schranken gesetzt. Die durch Art. 28 Abs. 2 GG garantierten wesentlichen Hoheitsrechte, die der Staat den Gemeinden im Interesse einer funktionsgerechten Aufgabenwahrnehmung gewährleistet, darunter die Finanzhoheit, müssen den Gemeinden im Kern erhalten bleiben (vgl. BVerfG, Urteil vom 24. Juli 1979 a.a.O. <117>). Der Gesetzgeber darf nicht in den Kernbereich der gemeindlichen Selbstverwaltung eingreifen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Januar 2010 a.a.O. juris Rn. 91 unter Verweis auf BVerfGE 79, 127 <143>; 83, 363 <381>; 91, 228 <238>; 107, 1 <2>; stRspr). Was zu dem Bereich gehört, der verfassungskräftig gegen jede Schmälerung durch gesetzgeberische Eingriffe geschützt ist, lässt sich nicht abstrakt-allgemein umschreiben, sondern ergibt sich einmal aus der geschichtlichen Entwicklung und sodann aus den verschiedenen Erscheinungsformen der Selbstverwaltung (BVerfG, Entscheidungen vom 10. Juni 1969 a.a.O. juris Rn. 31, vom 26. November 1963 - 2 BvL 12/62 - BVerfGE 17, 172 <182> = juris Rn. 38 m.w.N. und vom 27. Januar 2010 a.a.O. juris Rn. 92 m.w.N.). Den absoluten Schutz der Kernbereichsgarantie genießt jedoch nicht jede einzelne Ausformung der den Gemeinden durch Art. 28 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 6 GG garantierten Hoheitsrechte (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 7. Mai 2001 - 2 BvK 1/00 - BVerfGE 103, 332 <366> und vom 27. Januar 2010 a.a.O. juris Rn. 93; Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, 11. Aufl. 2008, Art. 28 Rn. 78). Der Kernbereich ist dann verletzt, wenn das Recht auf kommunale Selbstverwaltung beseitigt wird oder kein hinreichender Spielraum für seine Ausübung mehr übrig bleibt (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 7. Mai 2001 a.a.O. <366> und vom 27. Januar 2010 a.a.O. juris Rn. 93; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 10. Aufl. 2009, Art. 28 Rn. 22; Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz der kommunalen Selbstverwaltung, 1998, S. 59; Stern, Staatsrecht Bd. I, 2. Aufl. 1984, § 12 II 4, S. 416).
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Außerdem unterliegt der Gesetzgeber bei Beschränkungen der Gewährleistung der gemeindlichen Selbstverwaltung und der kommunalen Finanzhoheit dem verfassungsrechtlichen Gebot zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (BVerfG, Entscheidungen vom 24. Juni 1969 a.a.O. <241>, vom 7. Oktober 1980 - 2 BvR 584/76, 2 BvR 598/76, 2 BvR 599/76, 2 BvR 604/76 - BVerfGE 56, 298 <313>, vom 23. Juni 1987 - 2 BvR 826/83 - BVerfGE 76, 107 <121 ff.> sowie vom 27. Januar 2010 a.a.O. juris Rn. 94 m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 4. August 1983 - BVerwG 7 C 2.81 - BVerwGE 67, 321 = DVBl 1983, 1152 f. = juris Rn. 13 und 20; von Mutius, Kommunalrecht, 1996, Rn. 866; Knemeyer, JuS 2000, 521 <522>; Franz, JuS 2004, 937; Schmidt-Assmann, Kommunale Selbstverwaltung "nach Rastede", Festschrift für Horst Sendler, 1991, S. 121 <132>; Selmer/Hummel, NVwZ 2006, S. 14 <18 ff.>). Wie die Selbstverwaltungsgarantie im Allgemeinen und die Finanzhoheit als eines ihrer wesentlichen Elemente darf auch das in Art. 106 Abs. 6 Satz 2 GG und in Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG gewährleistete Hebesatzrecht nicht unverhältnismäßig beschränkt werden. Beschränkungen müssen danach zur Erreichung eines nach dem Grundgesetz zulässigen Zwecks geeignet sowie erforderlich und (im engeren Sinne) verhältnismäßig sein.
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Unter den in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 und Art. 106 Abs. 6 Satz 2 GG normierten Gesetzesvorbehalt fallen (auch) gesetzliche Regelungen des Landesrechts, wie sie nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in Nordrhein-Westfalen für den Bereich der kommunalen Haushaltswirtschaft in § 75 Abs. 3 und Abs. 4 Satz 2 GO NRW a.F. sowie für die staatliche Kommunalaufsicht in § 122 Abs. 1 Satz 2 GO NRW bestehen. Das ist bundesrechtlich nicht zu beanstanden. Die staatliche Rechtsaufsicht über die Gemeinden ist ein von Verfassungs wegen vorgesehenes Korrelat der kommunalen Selbstverwaltung. Nach der bundesstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes steht die staatliche Aufsicht über die Gemeinden ausschließlich dem jeweiligen Bundesland zu. Bei der Wahrnehmung der Aufgaben des eigenen Wirkungskreises der Gemeinden, zu denen jedenfalls freiwillige Selbstverwaltungsangelegenheiten sowie pflichtige, aber weisungsfreie Selbstverwaltungsaufgaben gehören, unterliegen die Kommunen nur der staatlichen Rechts-, jedoch keiner Fachaufsicht. Eine über die Rechtmäßigkeitskontrolle hinausgehende Zweckmäßigkeitskontrolle mit Weisungsrechten der staatlichen Kommunalaufsichtsbehörden wäre mit der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG und der kommunalen Finanzhoheit nicht zu vereinbaren. Dass die Staatsaufsicht in Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises der Kommunen auf die Kontrolle der Gesetzmäßigkeit (Rechtsaufsicht) beschränkt ist, ist in der Regel in den Landesverfassungen und in den Gemeindeordnungen der Bundesländer ausdrücklich angeordnet. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist dies in Nordrhein-Westfalen nach Maßgabe des Art. 78 Abs. 4 Satz 1 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen in § 122 Abs. 1 GO NRW angeordnet.
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Der aus der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Selbstverwaltungsrechts und der Finanzhoheit der Gemeinden resultierende Gestaltungsspielraum wird nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in Nordrhein-Westfalen durch die in § 75 Abs. 3 und 4 Satz 2 GO NRW a.F. geregelte Pflicht beschränkt, einen ausgeglichenen Haushalt aufzustellen und gegebenenfalls den Haushaltsausgleich zum nächstmöglichen Zeitpunkt wieder herbeizuführen. Die Annahme des Berufungsgerichts, dies schränke das Recht der Gemeinden zur Senkung der Hebesätze in Fällen einer schweren Haushaltsnotlage von unabsehbarer Dauer ein, ist weder verfassungsrechtlich zu beanstanden noch verstößt sie gegen sonstiges Bundesrecht.
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Die Erfüllung der den Gemeinden nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in § 75 Abs. 4 Satz 2 GO NRW a.F. auferlegten rechtlichen Verpflichtung, im Falle eines unausgeglichenen Haushalts den Haushaltsausgleich zum nächstmöglichen Zeitpunkt wiederherzustellen, ist auf der Einnahmeseite nicht nur von Art und Höhe der Erhebung kommunaler Gebühren und Beiträge sowie der Gemeinde zustehender Steuern wie der Gewerbe- und Grundsteuer abhängig. Vielmehr wird diese Einnahmesituation entscheidend auch von den Finanzzuweisungen des Landes (Schlüsselzuweisungen, zweckgebundene Zuweisungen, Sonderbedarfszuweisungen) beeinflusst. Ebenso wird auch die kommunale Ausgabenseite in starkem Maße von den den Kommunen durch Bund und Land auferlegten (Pflicht-)Aufgaben mitgeprägt. Wegen der in Art. 28 Abs. 2 GG erfolgten verfassungsrechtlichen Gewährleistung der gemeindlichen Selbstverwaltung und kommunalen Finanzhoheit ist es daher grundsätzlich Aufgabe des Rates und der Verwaltung einer Gemeinde, alle notwendigen Maßnahmen - sowohl auf der Ertrags- als auch auf der Aufwandsseite - zu ergreifen, um den gesetzlich vorgegebenen Haushaltsausgleich zu erreichen. Innerhalb des den Gemeinden zustehenden Gestaltungsspielraums ist es der Kommunalaufsicht deshalb grundsätzlich untersagt, der Gemeinde im Falle eines unausgeglichenen Haushalts alternativlos vorzuschreiben, was sie zu tun hat. Auch wenn die Finanzlage der betreffenden Gemeinde sehr angespannt und unter Umständen selbst die Erfüllung der Pflichtaufgaben nicht mehr sichergestellt ist, liegt es innerhalb des Gestaltungsspielraums der Gemeinde, durch ihre demokratisch gewählten Organe zu entscheiden, wie die notwendige Reduzierung freiwilliger Leistungen und die Erzielung zusätzlicher Einnahmen (z.B. durch Abgaben und Steuern) erfolgen soll.
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Auf der Ausgabenseite ist die Aufsichtsbehörde grundsätzlich darauf beschränkt, eine Reduzierung der Mittel für freiwillige Leistungen der Gemeinde insgesamt anzumahnen, ohne ein konkretes Mittel oder einzelne geförderte Projekte für die gebotene Einsparung vorzuschreiben (BayVGH, Urteil vom 27. Mai 1992 - 4 B 91.190 - NVwZ-RR 1993, 373 <375> = juris Rn. 22; Brüning, DÖV 2010, 553 <557>). Entsprechendes muss angesichts der verfassungsrechtlichen Bedeutung der kommunalen Selbstverwaltung für Anordnungen der Kommunalaufsicht hinsichtlich der Einnahmeseite gelten, also für die Entscheidung über die zu ergreifenden Maßnahmen zur Erhöhung der kommunalen Einnahmen und Erträge.
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Die staatliche Kommunalaufsichtsbehörde ist jedoch - unabhängig von der Frage einer aufgabenadäquaten Finanzausstattung der Gemeinde durch das Land - bei sachgerechter Ausübung des ihr zustehenden Entschließungs- und Auswahlermessens im Rahmen der Rechtsaufsicht befugt, bei Nichterfüllung einer der Gemeinde obliegenden rechtlichen Verpflichtung einzugreifen und unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgebots eine gegen diese Verpflichtung verstoßende Maßnahme zu beanstanden und aufzuheben. Unter welchen Voraussetzungen im Rahmen der Rechtsaufsicht auch weitergehende Eingriffe der staatlichen Kommunalaufsichtsbehörden in die gemeindliche Selbstverwaltung und kommunale Finanzhoheit in Betracht kommen, bedarf hier keiner näheren Prüfung und Entscheidung.
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Weder Art. 28 Abs. 2 noch Art. 106 Abs. 6 Satz 2 GG i.V.m. § 6 Abs. 1 GewStG und § 25 Abs. 1 GrStG schließen eine Beanstandung der Senkung der Hebesätze für die Grund- und die Gewerbesteuer aus, wenn die betreffende Gemeinde sich in einer anhaltenden Haushaltsnotlage befindet und das von ihr vorgelegte - gesetzlich vorgeschriebene - Haushaltssicherungskonzept nicht erkennen lässt, wie der durch die Hebesatzabsenkung unmittelbar bewirkte Einnahmeverlust hinreichend verlässlich ausgeglichen werden soll. In einer solchen Situation darf die betroffene Gemeinde die Hebesätze nicht auf ein deutlich niedrigeres Niveau festsetzen, wenn ein Ausgleich des Einnahmeausfalls weder konkret in der Haushaltsplanung vorgesehen noch hinreichend konkret absehbar ist.
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Eine solche Beschränkung des Rechts zur Festsetzung der Hebesätze für die Grund- und für die Gewerbesteuer wahrt den Kernbereich des in Art. 28 Abs. 2 GG gewährleisteten gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts und der kommunalen Finanzhoheit. Denn es belässt weiterhin der Gemeinde die Entscheidung, wie der Haushaltsausgleich angestrebt und erreicht werden soll. Reichen die Einnahmen nicht aus, um die zur Erfüllung der Aufgaben der Gemeinde erforderlichen Ausgaben zu decken (sog. kameralistischer Rechnungsstil) oder deckt der Gesamtbetrag der Erträge nicht die Höhe des Gesamtbetrages der Aufwendungen (neues Rechnungswesen), ist zu prüfen, inwieweit der Ausgleich durch Beschränkung der Ausgaben bzw. der Aufwendungen oder Erhöhung der Einnahmen bzw. Erträge herbeigeführt werden kann. Die angefochtene kommunalaufsichtliche Verfügung des Beklagten belässt der Klägerin den notwendigen grundsätzlichen Gestaltungsspielraum, da keine konkreten Vorgaben für die Zurückführung bestimmter Ausgaben/Aufwendungen und die Erhöhung bestimmter Einnahmen/Erträge erteilt werden. Sie beanstandet allein, dass die von dem Rat der Klägerin beschlossene Senkung der Hebesätze für die Grund- und für die Gewerbesteuer in einer anhaltenden Haushaltsnotlage der Klägerin vorgenommen wurde, obwohl ein Ausgleich des damit bewirkten Einnahmeausfalls, der nach den unwidersprochen gebliebenen Angaben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung im Haushaltsjahr 2005 ca. 300 000 € betrug, weder konkret in die Haushaltsplanung eingestellt noch auf der Basis eines genehmigungsfähigen Haushaltssicherungskonzepts für die Folgejahre in nachvollziehbarer Weise hinreichend verlässlich absehbar war.
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Die angefochtene kommunalaufsichtliche Verfügung des Beklagten schränkt die gemeindliche Finanzhoheit und das daraus fließende Hebesatzrecht auch nicht unverhältnismäßig ein.
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Sie ist ersichtlich auf das Ziel ausgerichtet, Einnahmeausfälle im Haushalt der Klägerin zu unterbinden, solange deren Ausgleich durch anderweitige Einnahmeerhöhungen und/oder Ausgabenminderungen nicht in hinreichendem Maße absehbar ist. Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen verfügt die Klägerin seit 1999 weder über einen ausgeglichenen Haushalt noch über ein genehmigtes Haushaltssicherungskonzept gemäß § 75 Abs. 4 Satz 1 GO NRW a.F. Sie befand sich im maßgeblichen Zeitpunkt des Ergehens der angegriffenen Verfügung des Beklagten seit Jahren im Zustand vorläufiger Haushaltsführung. Das vom Rat der Klägerin zusammen mit der Haushaltssatzung für das Haushaltsjahr 2005 am 31. Mai 2005 beschlossene und dem Beklagten vorgelegte Haushaltssicherungskonzept wurde lediglich für die Jahre 2004 bis 2008 erstellt. Bei der Beschlussfassung über die Senkung der Hebesätze am 5. Juli 2005 erfolgte insoweit keine Änderung. Das vorliegende Haushaltssicherungskonzept war nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen auch nicht genehmigungsfähig, weil aus ihm entgegen § 75 Abs. 4 GO NRW a.F bzw. § 76 GO NRW a.F. jedenfalls nicht hervorging, dass spätestens im auf das Haushaltsjahr 2005 folgenden vierten Jahr (= 2009) die Einnahmen die Ausgaben (ohne Abdeckung von Fehlbeträgen aus Vorjahren) decken werden. Auch der Bürgermeister der Klägerin hatte danach das vorgelegte Haushaltssicherungskonzept nicht für genehmigungsfähig gehalten. Wenn der Rat der Klägerin auf dieser gesetzwidrigen Grundlage eine Senkung der Hebesätze für die Grundsteuer B und für die Gewerbesteuer beschloss, ohne die sich daraus ergebenden Konsequenzen für ihre Einnahmesituation und den notwendigen Haushaltsausgleich hinreichend zu ermitteln und in das vom Gesetz vorgeschriebene Haushaltssicherungskonzept einzustellen, konnte das Berufungsgericht ohne Bundesrechtsverstoß die Rechtswidrigkeit dieses Handelns feststellen. Die Unterbindung eines solchen rechtswidrigen Verhaltens der Klägerin ist ein nach dem Grundgesetz zulässiges, ja gebotenes Ziel der staatlichen Kommunalaufsicht.
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Die angefochtene Verfügung des Beklagten war auch geeignet, zur Erreichung dieses Zieles beizutragen. Denn sie bewirkte jedenfalls, dass wenigstens die durch die Hebesatzsenkungen unmittelbar veranlassten Einnahmeausfälle, die sich nach den unwidersprochen gebliebenen Angaben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Haushaltsjahr 2005 in einer Größenordnung von etwa 300 000 € bewegten und deren Ausgleich nicht hinreichend verlässlich absehbar war, vermieden wurden.
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Eine gleichermaßen wirksame, die Klägerin weniger belastende Maßnahme ist nicht ersichtlich. Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen beruht die Annahme der Klägerin, die beschlossene Senkung der Realsteuerhebesätze werde wegen der damit bewirkten Steigerung der Standortattraktivität der Klägerin zu höheren Einnahmen führen, auf vagen Hoffnungen, deren tatsächliche Grundlage "dünn", also unzureichend ist. Die prognostischen Grundlagen der nach dem Vorbringen der Klägerin mit der beschlossenen Senkung der Hebesätze angestrebten Verbesserung ihrer Standortattraktivität und ihrer Haushaltsnotlage sind nach den Feststellungen des Berufungsgerichts weder dem Beklagten als Kommunalaufsichtsbehörde dargelegt worden noch sonst ersichtlich. Diese berufungsgerichtlichen Feststellungen hat die Klägerin im Revisionsverfahren nicht angegriffen.
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Eine Rüge mangelnder Sachaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) ist nicht ordnungsgemäß erhoben worden. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zudem auf Befragen bestätigt, dass nach seiner Kenntnis seitens der Klägerin keine näheren Untersuchungen oder Erhebungen über die konkreten Auswirkungen der für das Haushaltsjahr 2005 von ihrem Rat beschlossenen Senkung der Hebesätze auf den Haushaltsausgleich erstellt worden sind und vorliegen.
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Die auf § 122 Abs. 1 Satz 2 GO NRW gestützte Verfügung des Beklagten beschränkt das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht und die kommunale Finanzhoheit der Klägerin zudem ersichtlich weniger gravierend als eine Festsetzung der Hebesätze im Wege der Ersatzvornahme oder die Bestellung eines Beauftragten der Kommunalaufsicht nach § 123 Abs. 2 GO NRW. Denn sie hebt zwar die erfolgte Senkung der Hebesätze für das Haushaltsjahr 2005 auf, belässt jedoch im Übrigen der Klägerin die weitere Entscheidung darüber, mit welchen anderen Mitteln der Haushaltsausgleich zum nächstmöglichen Zeitpunkt wiederhergestellt werden soll. Anders als bei der Bestellung eines Beauftragten nach § 124 GO NRW durch die Kommunalaufsichtsbehörde verbleibt den zuständigen Organen der Klägerin weiterhin das Recht, die ihnen zustehenden gesetzlichen Befugnisse eigenverantwortlich auszuüben.
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Die angefochtene Verfügung ist im Hinblick auf das angestrebte gesetzlich vorgegebene Ziel, zum Haushaltsausgleich der Klägerin zum nächstmöglichen Zeitpunkt beizutragen, auch nicht unverhältnismäßig im engeren Sinne. Es bleibt weiterhin der Klägerin überlassen, die - mit Ausnahme der aufgehobenen, für das Haushaltsjahr 2005 beschlossenen Senkung der Hebesätze - aus ihrer Sicht gebotenen Maßnahmen zum Haushaltsausgleich zu prüfen und zu treffen sowie in die Haushaltsplanung (Haushaltssicherungskonzept) einzustellen. Indem der Beklagte sich auf die Aufhebung des Beschlusses der Klägerin über die Senkung der Hebesätze beschränkt und gerade nicht angeordnet hat, welche konkrete(n) Maßnahme(n) zur Wiederherstellung des Haushaltsausgleichs getroffen werden sollen, hat er den Gestaltungsspielraum der Klägerin anerkannt und respektiert.
(1) Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist.
(2) Ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 ist ein Verwaltungsakt nichtig,
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der schriftlich oder elektronisch erlassen worden ist, die erlassende Behörde aber nicht erkennen lässt; - 2.
der nach einer Rechtsvorschrift nur durch die Aushändigung einer Urkunde erlassen werden kann, aber dieser Form nicht genügt; - 3.
den eine Behörde außerhalb ihrer durch § 3 Abs. 1 Nr. 1 begründeten Zuständigkeit erlassen hat, ohne dazu ermächtigt zu sein; - 4.
den aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen kann; - 5.
der die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht; - 6.
der gegen die guten Sitten verstößt.
(3) Ein Verwaltungsakt ist nicht schon deshalb nichtig, weil
- 1.
Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nicht eingehalten worden sind, außer wenn ein Fall des Absatzes 2 Nr. 3 vorliegt; - 2.
eine nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 6 ausgeschlossene Person mitgewirkt hat; - 3.
ein durch Rechtsvorschrift zur Mitwirkung berufener Ausschuss den für den Erlass des Verwaltungsaktes vorgeschriebenen Beschluss nicht gefasst hat oder nicht beschlussfähig war; - 4.
die nach einer Rechtsvorschrift erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde unterblieben ist.
(4) Betrifft die Nichtigkeit nur einen Teil des Verwaltungsaktes, so ist er im Ganzen nichtig, wenn der nichtige Teil so wesentlich ist, dass die Behörde den Verwaltungsakt ohne den nichtigen Teil nicht erlassen hätte.
(5) Die Behörde kann die Nichtigkeit jederzeit von Amts wegen feststellen; auf Antrag ist sie festzustellen, wenn der Antragsteller hieran ein berechtigtes Interesse hat.
(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.
(2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.
(3) Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.
Die Anträge werden abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
- 1
Die Antragstellerin wendet sich mit ihren Normenkontrollantrag gegen die Satzung der Antragsgegnerin über eine Veränderungssperre für das Bebauungsplangebiet „Gewerbepark an der A 61/B 262“, die am 26. August 2010 vom Stadtrat beschlossen und am 01. September 2010 ortsüblich bekannt gemacht worden ist.
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Diese Veränderungssperre dient der Sicherung des am gleichen Tage gefassten Aufstellungsbeschlusses über die 3. Änderung des Bebauungsplanes „Gewerbepark an der A 61/B 262“, in dessen räumlichen Geltungsbereich sich Grundstücke befinden, die im Eigentum der Antragstellerin stehen. Mit der 3. Änderung soll die Art der baulichen Nutzung im Planbereich eingeschränkt werden. Die Beschränkung betrifft Einzelhandelsbetriebe mit bestimmten, in einer Negativliste näher bezeichneten innenstadtrelevanten Sortimenten.
- 3
Auslöser für die Änderung des Bebauungsplanes und den Erlass der Veränderungssperre waren Bauvoranfragen privater Investoren zur Errichtung von insgesamt acht Einzelhandelsbetrieben mit unterschiedlichen innenstadtrelevanten Sortimenten auf den im räumlichen Geltungsbereich des Bebauungsplanes befindlichen Grundstücken der Antragstellerin. Dies hatte zu einer ausdrücklichen Aufforderung durch das Ministerium des Inneren und für Sport geführt, zur Vermeidung von landesplanerischen und städtebaulich unerwünschten Fehlentwicklungen, die oben genannten bauleitplanerischen Maßnahmen zu ergreifen.
- 4
Nachdem der Stadtrat der Antragsgegnerin dementsprechend den vorgenannten Aufstellungsbeschluss gefasst und die hier angegriffene Veränderungssperre beschlossen hatte, hob dieser die am 26. August 2010 gefassten Beschlüsse durch Beschlüsse vom 26. Oktober 2010 wieder auf.
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Die Kommunalaufsichtsbehörde bei der Kreisverwaltung Mayen-Koblenz ordnete daraufhin mit Bescheid vom 28. Oktober 2010 an, dass eine amtliche Bekanntmachung über die Beschlüsse vom 26. Oktober 2010 zu unterbleiben habe. Durch Bescheid vom 12. November 2010 wurden ferner die Beschlüsse des Stadtrates vom 26. Oktober 2010 gemäß § 121 GemO beanstandet und die Antragsgegnerin aufgefordert, die beanstandeten Beschlüsse bis zum 30. November 2010 aufzuheben.
- 6
Gegen beide kommunalaufsichtlichen Bescheide, die mit einer Sofortvollzugsanordnung versehen waren, legte die Antragsgegnerin jeweils Widerspruch ein und stellte beim Verwaltungsgericht Anträge auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, die sie jedoch später zurücknahm.
- 7
Da die Antragsgegnerin die beanstandeten Beschlüsse innerhalb der gesetzten Frist nicht aufhob, verfügte die Kommunalaufsichtsbehörde unter dem 01. Dezember 2010 die Aufhebung der beanstandeten Beschlüsse gemäß § 123 GemO. Auch hiergegen legte die Antragsgegnerin Widerspruch ein.
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Die Antragstellerin macht nunmehr zur Begründung ihres am 02. Februar 2011 bei Gericht eingegangenen Normenkontrollantrages im Wesentlichen geltend:
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Die Voraussetzungen für den Erlass einer Veränderungssperre lägen nicht vor. Erforderlich sei ein wirksam gefasster und ordnungsgemäß bekanntgegebener Aufstellungsbeschluss. Diesen habe zwar der Stadtrat der Antragsgegnerin am 26. August 2010 gefasst. Der Stadtrat habe aber zu diesem Zeitpunkt seine Planungshoheit nicht ausüben können, weil die Antragsgegnerin zu diesem Zeitpunkt bereits von der obersten Landesplanungsbehörde ultimativ aufgefordert worden sei, den Bebauungsplan zu ändern und im Hinblick auf die Vorgaben des LEP IV Einzelhandelsbetriebe mit innenstadtrelevanten Sortimenten auszuschließen.
- 10
Darüber hinaus könne die beschlossene Veränderungssperre nicht mehr die erforderliche Sicherungsfunktion bieten, da die Antragsgegnerin am 26. Oktober 2010 die Aufhebung des Änderungsbeschlusses sowie des Beschlusses über die Verhängung der Veränderungssperre vom 26. August 2010 beschlossen habe. Daraus folge, dass nachträglich das Sicherungsbedürfnis entfallen sei. Daran ändere auch nichts, dass aufgrund einer Anordnung nach § 122 GemO eine öffentliche Bekanntmachung dieser Beschlüsse bisher unterblieben sei. Auch belege die Tatsache, dass die Antragsgegnerin selbst die maßgeblichen Gewerbegrundstücke veräußert habe, dass die Antragsgegnerin zu keinem Zeitpunkt das Ziel verfolgt habe, welches durch den zwischenzeitlich aufgehobenen Änderungsbeschluss zum Ausdruck gekommen sei.
- 11
Falls der Senat in Anlehnung an das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. September 2003 dazu tendiere, eine durch eine Veränderungssperre sicherbare Verdichtung des Planungsermessens anzunehmen, müsse festgestellt werden, dass eine solche Planungspflicht hier nicht bestehe, da das im LEP IV enthaltene Ziel Z 61 rechtswidrig und damit unwirksam sei. Die Wirksamkeit dieses Ziels und letztlich die Rechtmäßigkeit der Weisung müsse der erkennende Senat inzident prüfen. Diese Prüfung werde ergeben, dass das Ziel Z 61 unwirksam sei und daher die kommunalaufsichtliche Verfügung hierauf nicht gestützt werden könne.
- 12
Die Antragstellerin beantragt,
- 13
die Antragsgegnerin entsprechend ihrem Anerkenntnis zu verurteilen,
- 14
hilfsweise,
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die am 26. August 2010 beschlossene Satzung der Antragsgegnerin über den Erlass einer Veränderungssperre für das Bebauungsplangebiet „Gewerbepark an der A 61/B 262“ für unwirksam zu erklären.
- 16
Die Antragsgegnerin, die ihr Anerkenntnis erklärt, darüber hinaus jedoch keinen Antrag stellt, trägt insbesondere vor:
- 17
Sie habe keinen echten planerischen Willen, an der Veränderungssperre festzuhalten, sondern werde dazu lediglich durch eine kommunalaufsichtliche Anordnung des Landkreises vom 12. November 2010 gezwungen. Diese Anordnung halte sie allerdings für rechtswidrig, da zum einen ein kommunalaufsichtliches Vorgehen wegen der Spezialität des Landesplanungsgesetzes unzulässig sei und zum anderen wegen Unwirksamkeit der raumordnerischen Zielvorgabe Z 61 des LEP IV kein Verstoß der beanstandeten Beschlüsse gegen dieses Ziel abgeleitet werden könne. Insoweit sei beim Verwaltungsgericht Koblenz ein Klageverfahren unter dem Aktenzeichen 1 K 265/11.KO anhängig.
- 18
Zwischenzeitlich ist die Klage gegen die kommunalaufsichtliche Anordnung vom 12. November 2010 durch Urteil des VG Koblenz (Az. 1 K 265/11.KO) abgewiesen worden.
- 19
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Satzungsaufstellungsunterlagen der Antragsgegnerin (1 Aktenordner). Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
- 20
Die Anträge der Antragstellerin haben keinen Erfolg.
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Hinsichtlich der Zulässigkeit der von der Antragstellerin verfolgten Normenkontrolle betreffend die am 28. August 2010 beschlossene Veränderungssperre bestehen keine Bedenken. Sie ist gemäß § 47 Abs. 2 VwGO antragsbefugt, da sie Eigentümerin von im Satzungsgebiet gelegener Grundstücke ist, die durch die Veränderungssperre betroffen sind.
- 22
Auch das Rechtsschutzinteresse liegt vor, da die Veränderungssperre wegen der fehlenden gemäß § 16 Abs. 2 BauGB erforderlichen öffentlichen Bekanntmachung des Aufhebungsbeschlusses vom 26. Oktober 2010 noch nicht wirksam aufgehoben ist.
- 23
In der Sache selbst vermag die Antragstellerin jedoch nicht durchzudringen.
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Soweit die Antragstellerin zunächst mit ihrem Hauptantrag ein Anerkenntnisurteil im vorliegenden anhängigen Normenkontrollverfahren erstrebt, muss dieses Begehren erfolglos bleiben. Zwar ist ein Anerkenntnisurteil im Verwaltungsprozess gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 307 ZPO möglich, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten der Verwaltungsgerichtsordnung und der Zivilprozessordnung dies nicht ausschließen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Februar 1981, BVerwGE 62, 18, wonach § 307 ZPO im Anfechtungsprozess nicht entsprechend anwendbar ist). Im Normenkontrollverfahren ist ein Anerkenntnisurteil aber schon vom Streitgegenstand her nicht möglich. Die Unwirksamkeit einer Satzung kann nach § 47 VwGO mit Allgemeinverbindlichkeit nur das Oberverwaltungsgericht, ggf. das BVerwG oder das BVerfG, feststellen, wenn es zu der Überzeugung gelangt, dass die Norm ungültig ist. Eine Verständigung über die Wirksamkeit der Satzung durch die Beteiligten eines Normenkontrollverfahrens ist daher nicht möglich. Solange die Satzung nicht durch förmliche Aufhebung oder durch die Entscheidung des Gerichts in einem Normenkontrollverfahren "beseitigt" ist, stellt sie geltendes Recht dar.
- 25
Ein Anerkenntnisurteil kommt hier aber auch aus anderen Gründen nicht in Betracht:
- 26
Zum einen ist ein Anerkenntnis - wenn man die vorstehend aufgeführten Gründe außer Betracht ließe - nur möglich, soweit die Dispositionsbefugnis der Beteiligten reicht (BVerwGE 104, 27 f; BGH, NJW-RR 2010, 783f). Hier hatte aber die Kreisverwaltung Mayen-Koblenz als Kommunalaufsichtsbehörde den Beschluss vom 26. August 2010, mit dem die Veränderungssperre aufgehoben werden sollte, beanstandet und die Antragsgegnerin aufgefordert, diesen Beschluss bis zum 30. November 2010 aufzuheben. Da die Beanstandungsverfügung mit Sofortvollzug versehen ist, ist sie trotz des eingelegten Widerspruchs, solange die Beanstandungsverfügung nicht aufgehoben oder die aufschiebende Wirkung des dagegen gerichteten Widerspruchs wiederherstellt wird, wirksam. Die Wirksamkeit der Beanstandungsverfügung bezieht sich zwar nur auf das Verwaltungsrechtsverhältnis zwischen der Antragstellerin und der Kommunalaufsichtsbehörde. Darüber hinaus ist jedoch gemäß Art. 20 Abs. 3 GG die Tatbestandswirkung jeder nicht nichtigen Entscheidung von allen Staatsorganen zu beachten und ihren Entscheidungen als gegeben zugrunde zu legen. Die Überprüfung einer wirksamen Beanstandungsverfügung im Rahmen der Normenkontrolle einer Veränderungssperre scheidet angesichts der von dieser Entscheidung ausgehenden Bindungswirkung aus. Infolge der wirksamen Beanstandung ist die Antragsgegnerin an § 121 S. 3 GemO gebunden, wonach der Beschluss vom 26. Oktober 2010 über die Aufhebung der Veränderungssperre vom 26. August 2010 nicht ausgeführt werden darf. Sie ist daher nicht befugt, den Beschluss vom 26. Oktober 2010, in welcher Form auch immer, zur Wirksamkeit zu verhelfen. Daher fehlt der Antragsgegnerin auch die Befugnis, - soweit dies überhaupt möglich sein sollte - den beanstandeten Beschluss im Wege eines gerichtlichen Anerkenntnisses in Normenkontrollverfahren wirksam werden zu lassen. Selbst wenn man dem nicht folgen wollte, wäre die Erklärung der Anerkenntnis aber auch deshalb nicht möglich, weil hier die Antragsgegnerin und der Antragsteller durch kollusives Zusammenwirken versuchen, die kommunalaufsichtlichen Maßnahmen zu konterkarieren.
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Im Übrigen waren weder der Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin, noch der in der mündlichen Verhandlung anwesende Erste Beigeordnete befugt, über den Streitgegenstand, die Unwirksamkeit der Veränderungssperre vom 26. August 2010 zu verfügen. Sollte es möglich sein, dass eine Gemeinde eine von ihr erlassene Satzung, ohne einen actus contrarius, rückgängig machen oder deren Wirksamkeit beseitigen kann - wovon der Senat nicht ausgeht -, läge die Organkompetenz für eine solche Entscheidung ausschließlich beim Stadtrat. Ohne einen entsprechenden Beschluss des Stadtrates muss auch aus diesem Aspekt ein Anerkenntnis von vornherein ausscheiden.
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Kann mithin das begehrte Anerkenntnisurteil im vorliegenden Fall nicht ergehen, so scheitert der hilfsweise gestellte Antrag, die in Rede stehende Veränderungssperre für unwirksam zu erklären, an dem Umstand, dass die formellen Voraussetzungen des § 16 BauGB für den Erlass der Veränderungssperre beachtet worden sind und auch die materiellen Voraussetzungen der §§ 14 ff. BauGB gegeben sind.
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Dabei ist unstreitig, dass die von der Veränderungssperre zu sichernde Planung - wie sie sich aus dem Aufstellungsbeschluss zur 3. Änderung des Bebauungsplanes „Gewerbepark an der A 61/B 262“ vom gleichen Tage ergibt - im Zeitpunkt des Erlasses der Veränderungssperre bereits einen Stand erreicht hat, der ein Mindestmaß dessen erkennen ließ, was Inhalt des zukünftigen Bebauungsplanes sein sollte (zu diesen Voraussetzungen s. u.a. BVerwG, Urteil vom 10. September 1976, BverwGE 51, 121, 128 und Beschluss vom 10. Oktober 2007, BauR 2008, 228).
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Der Wirksamkeit des der Veränderungssperre zugrunde liegende Aufstellungsbeschlusses vom 26. August 2010 steht aber auch nicht entgegen, dass nach Ansicht der Antragstellerin der Stadtrat angeblich seine Planungshoheit nicht habe ausüben können, weil ihm diese durch die ultimative Aufforderung der obersten Planungsbehörde genommen worden sei. Dies ist offensichtlich unzutreffend, da der Stadtrat den in Rede stehenden Beschluss nicht hätte fassen müssen. Vielmehr hätte der Stadtrat auch ohne weiteres ohne Beschlussfassung das weitere Vorgehen der obersten Planungsbehörde bzw. der Kommunalaufsicht abwarten können. Dass der Stadtrat durchaus in der Lage war, seine Planungshoheit auch entgegen entsprechender Aufforderungen auszuüben, zeigt der Umstand, dass zwei Monate später unter Missachtung der Aufforderung der obersten Planungsbehörde und der Kommunalaufsicht der Stadtrat einen diesen Aufforderungen widersprechenden Aufhebungsbeschluss gefasst hat.
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War daher im Zeitpunkt der Beschlussfassung vom 26. August 2010 hinsichtlich der Veränderungssperre eine zusichernde Planungsabsicht vorhanden, so ist diese nicht durch den späteren Aufhebungsbeschluss bezüglich des Aufstellungsbeschlusses vom 26. August 2010 weggefallen. Denn dieser Aufhebungsbeschluss wurde von der Kommunalaufsichtsbehörde unter Anordnung des Sofortvollzuges beanstandet und daher ist eine Bekanntmachung des Aufhebungsbeschlusses unterblieben, sodass letzterer nicht förmlich wirksam werden konnte.
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Eine andere Bewertung lässt sich entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht aus dem Umstand herleiten, dass es zwar derzeit an einem wirksamen Aufhebungsbeschluss fehlt, indes der Aufhebungsbeschluss zu erkennen gibt, dass an der Planungsabsicht vom August 2010 (Einzelhandelsbeschränkung) nicht mehr festgehalten, sondern diese vielmehr rückgängig gemacht werden soll. Allerdings hat die Antragstellerin in diesem Zusammenhang auf eine Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes hingewiesen, wonach eine Veränderungssperre ex nunc auch ohne förmlichen Aufhebungsakt unwirksam werden kann, wenn die Voraussetzungen für den Erlass einer Veränderungssperre während ihrer Geltungsdauer endgültig entfallen (s. BVerwG, Beschluss vom 10. Oktober 2007 – 4 BN 36/07 – juris). Unter welchen Voraussetzungen davon auszugehen ist, dass die Kommune ihre ursprünglichen Planungsabsichten endgültig aufgegeben hat, bestimmt sich jedoch nach den jeweiligen Gegebenheiten des Einzelfalles (BVerwG, Beschlüsse vom 9. April 2003 – 4 B 75.02 – und vom 26. Mai 2008 – 4 B 31.08 – beide in juris). Im vorliegenden Fall kann ohne Aufhebung der Beanstandungsanordnung nicht angenommen werden, dass die Planungsabsichten (Einzelhandelsbeschränkung) endgültig aufgegeben worden sind. Davon kann erst dann ausgegangen werden, wenn die Rechtsmittel der Antragstellerin gegen die kommunalaufsichtlichen Verfügungen Erfolg haben und diese rechtskräftig aufgehoben worden sind. Denn solange die Verfügungen bestehen, vermag die Antragstellerin ihre nunmehr anderweitigen Planungsvorstellungen nicht durchzusetzen. Von daher kann bei der hier zu beurteilenden Situation nicht von einer endgültigen Aufgabe der ursprünglichen Veränderungssperre zugrunde liegende Planungsabsichten die Rede sein. Eine andere Bewertung würde der in § 117 ff. GemO normierten kommunalaufsichtlichen Rechtsaufsicht und damit der Rechtsordnung widersprechen.
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In diesem Zusammenhang kann die Antragstellerin auch nicht mit ihrem Einwand gehört werden, für die Beurteilung der endgültigen Aufgabe der Planungsabsichten könne nicht allein auf das Vorhandensein von entsprechenden Beanstandungsverfügungen abgestellt werden, sondern deren Rechtmäßigkeit müsse im vorliegenden Normenkontrollverfahren betreffend die Veränderungssperre inzident geprüft werden. Solange nämlich die kommunalaufsichtlichen Anordnungen nicht rechtskräftig aufgehoben worden sind, ist die Antragsgegnerin gehindert, ihre durch Beschluss vom 26. Oktober 2010 manifestierten Planungsabsichten (endgültige Aufgabe der Durchführung der am 26. August 2010 beschlossenen 3. Planänderung) zu verwirklichen. Dies ist unabhängig von der Frage, ob die oben genannten Verfügungen der Kommunalaufsicht rechtswidrig sind oder nicht. Nur wenn diese Anordnungen nichtig wären, könnte etwas anderes gelten. Dies ist aber hier weder ersichtlich noch von der Antragstellerin geltend gemacht worden. Gegen das Vorliegen eines offenkundigen und besonders schweren Fehlers im Sinne von § 44 VwVfG spricht im Übrigen auch der Umstand, dass das Verwaltungsgericht inzwischen die Anfechtungsklage gegen die Anordnungen der Kommunalaufsicht im Verfahren 1 K 265/11.KO abgewiesen hat.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
- 35
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.
- 36
Die Revision ist nicht zuzulassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.
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Beschluss
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Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Verfahren auf 10.000,00 € festgesetzt (§§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 GKG).
(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.
(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.
(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.
(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.
(2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.
(3) Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.
(1) Die Gemeinde bestimmt, mit welchem Hundertsatz des Steuermeßbetrags oder des Zerlegungsanteils die Grundsteuer zu erheben ist (Hebesatz).
(2) Der Hebesatz ist für ein oder mehrere Kalenderjahre, höchstens jedoch für den Hauptveranlagungszeitraum der Steuermeßbeträge festzusetzen.
(3) Der Beschluß über die Festsetzung oder Änderung des Hebesatzes ist bis zum 30. Juni eines Kalenderjahres mit Wirkung vom Beginn dieses Kalenderjahres zu fassen. Nach diesem Zeitpunkt kann der Beschluß über die Festsetzung des Hebesatzes gefaßt werden, wenn der Hebesatz die Höhe der letzten Festsetzung nicht überschreitet.
(4) Der Hebesatz muß jeweils einheitlich sein
Wird das Gebiet von Gemeinden geändert, so kann die Landesregierung oder die von ihr bestimmte Stelle für die von der Änderung betroffenen Gebietsteile auf eine bestimmte Zeit verschiedene Hebesätze zulassen.(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
(1) Der Ertrag der Finanzmonopole und das Aufkommen der folgenden Steuern stehen dem Bund zu:
- 1.
die Zölle, - 2.
die Verbrauchsteuern, soweit sie nicht nach Absatz 2 den Ländern, nach Absatz 3 Bund und Ländern gemeinsam oder nach Absatz 6 den Gemeinden zustehen, - 3.
die Straßengüterverkehrsteuer, die Kraftfahrzeugsteuer und sonstige auf motorisierte Verkehrsmittel bezogene Verkehrsteuern, - 4.
die Kapitalverkehrsteuern, die Versicherungsteuer und die Wechselsteuer, - 5.
die einmaligen Vermögensabgaben und die zur Durchführung des Lastenausgleichs erhobenen Ausgleichsabgaben, - 6.
die Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer, - 7.
Abgaben im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften.
(2) Das Aufkommen der folgenden Steuern steht den Ländern zu:
- 1.
die Vermögensteuer, - 2.
die Erbschaftsteuer, - 3.
die Verkehrsteuern, soweit sie nicht nach Absatz 1 dem Bund oder nach Absatz 3 Bund und Ländern gemeinsam zustehen, - 4.
die Biersteuer, - 5.
die Abgabe von Spielbanken.
(3) Das Aufkommen der Einkommensteuer, der Körperschaftsteuer und der Umsatzsteuer steht dem Bund und den Ländern gemeinsam zu (Gemeinschaftsteuern), soweit das Aufkommen der Einkommensteuer nicht nach Absatz 5 und das Aufkommen der Umsatzsteuer nicht nach Absatz 5a den Gemeinden zugewiesen wird. Am Aufkommen der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer sind der Bund und die Länder je zur Hälfte beteiligt. Die Anteile von Bund und Ländern an der Umsatzsteuer werden durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, festgesetzt. Bei der Festsetzung ist von folgenden Grundsätzen auszugehen:
- 1.
Im Rahmen der laufenden Einnahmen haben der Bund und die Länder gleichmäßig Anspruch auf Deckung ihrer notwendigen Ausgaben. Dabei ist der Umfang der Ausgaben unter Berücksichtigung einer mehrjährigen Finanzplanung zu ermitteln. - 2.
Die Deckungsbedürfnisse des Bundes und der Länder sind so aufeinander abzustimmen, daß ein billiger Ausgleich erzielt, eine Überbelastung der Steuerpflichtigen vermieden und die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet gewahrt wird.
(4) Die Anteile von Bund und Ländern an der Umsatzsteuer sind neu festzusetzen, wenn sich das Verhältnis zwischen den Einnahmen und Ausgaben des Bundes und der Länder wesentlich anders entwickelt; Steuermindereinnahmen, die nach Absatz 3 Satz 5 in die Festsetzung der Umsatzsteueranteile zusätzlich einbezogen werden, bleiben hierbei unberücksichtigt. Werden den Ländern durch Bundesgesetz zusätzliche Ausgaben auferlegt oder Einnahmen entzogen, so kann die Mehrbelastung durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, auch mit Finanzzuweisungen des Bundes ausgeglichen werden, wenn sie auf einen kurzen Zeitraum begrenzt ist. In dem Gesetz sind die Grundsätze für die Bemessung dieser Finanzzuweisungen und für ihre Verteilung auf die Länder zu bestimmen.
(5) Die Gemeinden erhalten einen Anteil an dem Aufkommen der Einkommensteuer, der von den Ländern an ihre Gemeinden auf der Grundlage der Einkommensteuerleistungen ihrer Einwohner weiterzuleiten ist. Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Es kann bestimmen, daß die Gemeinden Hebesätze für den Gemeindeanteil festsetzen.
(5a) Die Gemeinden erhalten ab dem 1. Januar 1998 einen Anteil an dem Aufkommen der Umsatzsteuer. Er wird von den Ländern auf der Grundlage eines orts- und wirtschaftsbezogenen Schlüssels an ihre Gemeinden weitergeleitet. Das Nähere wird durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt.
(6) Das Aufkommen der Grundsteuer und Gewerbesteuer steht den Gemeinden, das Aufkommen der örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern steht den Gemeinden oder nach Maßgabe der Landesgesetzgebung den Gemeindeverbänden zu. Den Gemeinden ist das Recht einzuräumen, die Hebesätze der Grundsteuer und Gewerbesteuer im Rahmen der Gesetze festzusetzen. Bestehen in einem Land keine Gemeinden, so steht das Aufkommen der Grundsteuer und Gewerbesteuer sowie der örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern dem Land zu. Bund und Länder können durch eine Umlage an dem Aufkommen der Gewerbesteuer beteiligt werden. Das Nähere über die Umlage bestimmt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Nach Maßgabe der Landesgesetzgebung können die Grundsteuer und Gewerbesteuer sowie der Gemeindeanteil vom Aufkommen der Einkommensteuer und der Umsatzsteuer als Bemessungsgrundlagen für Umlagen zugrunde gelegt werden.
(7) Von dem Länderanteil am Gesamtaufkommen der Gemeinschaftsteuern fließt den Gemeinden und Gemeindeverbänden insgesamt ein von der Landesgesetzgebung zu bestimmender Hundertsatz zu. Im übrigen bestimmt die Landesgesetzgebung, ob und inwieweit das Aufkommen der Landessteuern den Gemeinden (Gemeindeverbänden) zufließt.
(8) Veranlaßt der Bund in einzelnen Ländern oder Gemeinden (Gemeindeverbänden) besondere Einrichtungen, die diesen Ländern oder Gemeinden (Gemeindeverbänden) unmittelbar Mehrausgaben oder Mindereinnahmen (Sonderbelastungen) verursachen, gewährt der Bund den erforderlichen Ausgleich, wenn und soweit den Ländern oder Gemeinden (Gemeindeverbänden) nicht zugemutet werden kann, die Sonderbelastungen zu tragen. Entschädigungsleistungen Dritter und finanzielle Vorteile, die diesen Ländern oder Gemeinden (Gemeindeverbänden) als Folge der Einrichtungen erwachsen, werden bei dem Ausgleich berücksichtigt.
(9) Als Einnahmen und Ausgaben der Länder im Sinne dieses Artikels gelten auch die Einnahmen und Ausgaben der Gemeinden (Gemeindeverbände).
(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.