Verwaltungsgericht Düsseldorf Urteil, 19. Sept. 2014 - 7 K 8148/13
Tenor
Die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 4. Oktober 2013 wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger ist Facharzt für Augenheilkunde und betreibt in L. eine augenärztliche Praxis mit Zweigpraxis als niedergelassener Vertragsarzt, der auch privatärztlich tätig ist. In der Praxis sind derzeit drei weitere Ärzte angestellt.
3In der Ausgabe einer Regionalzeitung vom 11. Oktober 2012 bewarb er seine Praxis mit der Bezeichnung „Augenzentrum T. “ und ließ mitteilen, dass dort das nahezu vollständige Spektrum der Augenheilkunde und Augenchirurgie angeboten werde. Die Ausstattung des Zentrums sei mit der von Universitätskliniken vergleichbar. Das OP-Zentrum strebe eine Kooperation mit den „Hausaugenärzten“ an. Denen die vor- und nachbetreuende Arbeit nach seinen Vorstellungen obliege.
4Mit Schreiben vom 8. November 2012 forderte die Beklagte den Kläger auf zu erläutern, um was für eine Einrichtung es sich bei dem „Augenzentrum T. “ handele. Er sei bislang bei der Beklagten nur als in Einzelpraxis niedergelassener Arzt registriert. Eine Tätigkeit als ärztlicher Leiter eines Augenzentrums habe er nicht angezeigt.
5Mit anwaltlicher Hilfe stellte der Kläger dar, dass er bis zum 31. März 2012 mit Frau D. in Berufsausübungsgemeinschaft tätig gewesen sei, seit dem 1. April 2012 führe er die Praxis als Alleininhaber fort. Gleichzeitig habe er die Praxis von Frau Dr. M. -B. übernommen, die als Zweigpraxis von Frau D. am Standort „Herrenweg“ in L. fortgeführt werde. Frau Dr. M. -B. arbeite an dem Standort „P.--wall “ als angestellte Ärztin weiter.Im Hinblick auf die Rechtslage führte er aus, dass sich eine Mehr-Personen-Gemeinschaftspraxis zu Recht als „Zentrum“ bezeichnen dürfe. Dies müsse auch im Fall der Einzelpraxis mit angestellten Ärzten gelten.
6Unter dem 2. Januar 2013 wies die Beklagte auf die Entscheidungen des VG Minden (7 K 2540/10) und des BGH (I ZR 104/10) hin. Danach dürfe eine Einzelpraxis nicht unter der Bezeichnung „Zentrum“ angekündigt werden. Der Begriff „Zentrum“ unterliege auch nicht einem Bedeutungswandel, wie dies auf die Bezeichnung „Center“ festzustellen sei.
7Mit Schreiben vom 14. Januar 2013 wies der Kläger noch auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 7. März 2012 (1BvR 1209/11) hin, wonach durch die Legaldefinition des medizinischen Versorgungszentrums in § 95 Abs. 1a SGB V Rückwirkungen auf das Verständnis des allgemeinen Begriffs „Zentrum“ haben könne. Deshalb sei neben der Tätigkeit zweier Ärzte eine darüberhinausgehende Größe, Bedeutung oder gar eine Mittelpunktfunktion der Einrichtung nicht erforderlich.
8Mit Schreiben vom 29. Januar 2013 wies die Beklagte darauf hin, dass eine Einzelpraxis mit angestellten Ärzten sich nicht als Zentrum ankündigen dürfe und forderte den Kläger auf schriftlich zu bestätigen, dass er sich nicht mehr als „Augenzentrum T. “ ankündigen werde.
9Dies verweigerte der Kläger mit Schriftsatz vom 19. Februar 2013. Hierzu führte er aus, dass er als Vertragsarzt mit einer vollen vertragsärztlichen Angestelltenstelle, einer weiteren vollen vertragsärztlichen Angestelltenstelle in der Zweigpraxis sowie mit weiteren in Teilzeit tätigen Ärztinnen und Ärzten aktiv sei. Es werde ausschließlich Augenheilkunde angeboten. Es gebe nahezu keine augenärztliche Leistung, die nicht angeboten werde. Dem entspreche das Raumangebot mit über 400qm mit der Möglichkeit zur Nutzung weiterer 80 qm im Bereich einer kooperativ, praxisgemeinschaftsähnlich genutzten Fläche. Darüber hinaus machte er noch detaillierte Angaben zum Behandlungsangebot. So biete er die gesamte konservative Augenheilkunde, ein Sehschulangebot durch eine angestellte Orthoptistin, Angiographie, Ultraschall, OCT, HRT, Endothelzellmessung, Pachymetrie, Scheimpflugkamera, IOL-Master, YAG-Laser, SLT-Laser, Katarakt-OP, IVOM, Lid-OP, Laser-OP, Glaukom-OP, sowie diverse kosmetische Eingriffe an.
10Mit Schreiben vom 4. April 2014 führte die Beklagte aus, dass die Bezeichnung „Augenzentrum T. “ irreführend im Sinne des § 27 Abs. 3 BO sei. Dies treffe auf die fragliche Bezeichnung zu, da sie die Erwartung erwecke, dass die Einzelpraxis besondere Bedeutung und über den Durchschnitt vergleichbarer Arztpraxen hinausgehende Kompetenz, Ausstattung und Erfahrung vorweisen könne. Eine besondere Bedeutung und Größe der Einzelpraxis könne auch nicht unter Berücksichtigung der Anstellung von zwei Vertragsärztinnen festgestellt werden. Der Kläger möge erwägen, ob die Bezeichnung Praxisklinik für ihn in Frage komme.
11Mit Ordnungsverfügung vom 4. Oktober 2013 gab die Beklagte dem Kläger auf zu unterlassen, auf seinen Praxisschildern P.--wall und I.-----weg , auf seinen Briefköpfen, Stempeln, Visitenkarten und im sonstigen Schriftverkehr die Bezeichnung „Augenzentrum T. “ zu führen. Unter Fristsetzung bis zum 30. Oktober 2012 wurde ihm ein Zwangsgeld in Höhe von 1.500,- Euro für jeden Fall der Zuwiderhandlung angedroht. Die Ankündigung der Einzelpraxis mit zwei angestellten Vertragsärzten als „Augenzentrum T. “ verstoße gegen § 27 Abs. 3 BO. Hiernach sei berufswidrige Werbung untersagt. Berufswidrig sei insbesondere eine anpreisende, irreführende oder vergleichende Werbung.Die Ankündigung der Einzelpraxis mit zwei Standorten und zwei angestellten Fachärzten sei irreführend, da sie geeignet sei, bei einem erheblichen Teil der umworbenen Verkehrskreise die irrige Vorstellung über das Angebot der Praxis hervorzurufen und die zu treffende Marktentschließung in wettbewerbsrelevanter Weise zu beeinflussen. Für die Beurteilung der Frage, ob eine Werbeaussage irreführend ist, komme es nach der Rechtsprechung (Urteil des BGH vom 18.1.2012 – 1 ZR 104/10) maßgeblich darauf an, wie der angesprochene Verkehr die beanstandete Werbung versteht. Hierbei ist auf den Gesamteindruck abzustellen, den die werbliche Darstellung vermittelt.Der Begriff „Zentrum“ werde im Grundsatz als Charakteristik für ein Unternehmen besonderer Bedeutung und Größe verstanden oder jedenfalls vom Verkehr auf einen entsprechenden Tatsachenkern zurückgeführt. Durch die Bezeichnung „Augenzentrum T. “ werde der Eindruck erweckt, dass die Einzelpraxis besondere Bedeutung vorweisen könne, die über den Durchschnitt vergleichbarer Arztpraxen hinausgehe hinsichtlich Kompetenz, Ausstattung und Erfahrung. Das hier vorgehaltene Leistungsspektrum rechtfertige diese Bezeichnung nicht. Auch die Anstellung zweier Vertragsärzte führe zu keinem anderen Ergebnis. Die Anordnung der Unterlassung sei geeignet und erforderlich um den rechtmäßigen Zustand wiederherzustellen.
12Der Kläger hat am 21. Oktober 2013 Klage erhoben.Er macht geltend, die angebotenen Behandlungen gingen weit über die Leistungen einer durchschnittlichen Praxis für Augenheilkunde hinaus. Im Bereich der ambulanten Augenheilkunde sei eigentlich keine Leistung realistischer Weise denkbar, die abgesehen von LASIK und vitreoretinalen operativen Eingriffen, nicht angeboten würden.Auch teil-stationäre Behandlungen seien möglich. Durch einen Kooperationsvertrag zwischen ihm und der im gleichen Haus ansässigen N. -Klinik habe er die Möglichkeit, die von ihm operierten Patienten stationär zu betreuen. Das Haus biete auf 2.500 qm medizinische Dienstleistungen (Medi-Zentrum Hauptpost P.--wall ). Er nutze über 400 qm für Praxisräume, sowie eine weitere Fläche von 80 qm, die für eine kooperative, praxisgemeinschaftsähnliche Zusammenarbeit auch anderen Augenärzten zur Verfügung stehe.Wie die Rechtsprechung zeige, lege die Beklagte den Begriff des Zentrums zu eng aus. Es genüge die Tätigkeit zweier Ärzte. Deren zivilrechtliche Verbindung zur Berufsausübung sei nicht relevant.Die Beklagte habe nicht ermittelt, welche konkreten Umstände ein Werbeverbot begründen sollen, dies zeigt sich an den im Prozess angeregten Beweiserhebungen.Die Zwangsgeldandrohung sei wegen Unbestimmtheit rechtswidrig. Es sei nicht hinreichend klar, was ein Fall der Zuwiderhandlung darstelle.Seine besondere Kompetenz ergebe sich aus seinem beruflichen Lebenslauf und dem Leistungsangebot der Praxis, wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 38 – 41 der Gerichtsakte Bezug genommen.
13In der mündlichen Verhandlung führt er noch aus, dass die Praxis beabsichtige in Zukunft auch vitreoretinale operative Eingriffe durchzuführen. Mit der neu angestellten Ärztin Frau Dr. C. habe er eine Kollegin mit dem Ausbildungsschwerpunkt für netzhautspezifische Arbeiten gewinnen können. Nur den Bereich der LASIK werde in der Praxis auch in Zukunft nicht angeboten werden.In der Stadt L. , dem Standort seiner Praxis, gebe es nach seinen Informationen weitere fünf ärztliche Einrichtungen der Augenheilkunde, die mit dem Begriff „Zentrum“ angekündigt würden. Darunter befänden sich eine Einzelpraxis, eine Gemeinschaftspraxis, ein Zusammenschluss dreien Praxen, die I1. -Klinik und das vom W. -D1. Konzern betriebene Augenzentrum L. .Zur Veranschaulichung der tatsächlich durchgeführten Behandlungsarten legt der Kläger noch eine tabellarische Übersicht für die Jahre 2012 bis 2014 (bis zum 2. Quartal) vor, aus der sich die Anzahl der durchgeführten speziellen Diagnostik, laserchirurgischer und operativ-chirurgischer Eingriffe ergibt. Wegen der Einzelheiten wird hierauf Bezug genommen. Exemplarisch macht er in diesem Zusammenhang geltend, dass von den im Raum L. jährlich vorgenommenen ca. 3.000 Katarakt-Ops nahezu 1.000 durch ihn vorgenommen würden, ein weiteres Drittel entfiele auf die I1. -Klinik und ein weiteres Drittel verteile sich auf übrige Anbieter.
14Der Kläger beantragt,
15die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 4. Oktober 2013 aufzuheben.
16Die Beklagte beantragt,
17die Klage abzuweisen,
18und bezieht sich zur Begründung auf die Gründe der angefochtenen Ordnungsverfügung. Die angefochtene Maßnahme stütze sich auf § 6 Abs. 1 Nr. 6 HeilBerG NRW, wonach der Beklagten die Befugnis für Maßnahmen zur Beseitigung berufsrechtswidriger Zustände zustehe. Der Verstoß des Klägers gegen die Berufsordnung ergebe sich aus § 27 Abs. 3 Berufsordnung (BO), wonach berufswidrige Werbung durch Kammermitglieder weder veranlasst noch geduldet werden dürfe.Nach ihrer Auffassung gehe das Leistungsspektrum des Klägers nicht über das Spektrum einer vergleichbaren augenärztlichen Facharztpraxis in L. und Umgebung hinaus. Dies ergebe sich weder aus dem Kooperationsvertrag mit der N. Klinik noch aus der flächenmäßigen Größe der Praxis. Sie rege an, hierüber Beweis zu erheben durch Sachverständigengutachten.Ferner sei der Begriff des „Zentrums“ nicht in einer Weise im allgemeinen Sprachgebrauch geöffnet, nur weil es eine spezialgesetzliche Regelung zum Medizinischen Versorgungszentrum gebe.Der Bedeutungsgehalt des Begriffes könne nicht nur kontextabhängig sondern auch regional unterschiedlich sein. So müsse daher überprüft werden, ob sich andere vergleichbare Arztpraxen in L. und Umgebung mit dem gleichen Leistungsangebot ebenfalls als Zentrum ankündigen oder ob sich der Kläger zu Unrecht in der Region seiner Niederlassung mit der Bezeichnung besonders hervorhebt. Es sei zu bedenken, dass die Existenz einer größeren Anzahl von Arztpraxen innerhalb desselben Gebietes, die sich alle als Zentrum bezeichnen und damit für sich eine Mittelpunktfunktion beanspruchen, Konsequenzen für das Verständnis des Begriffs durch die Bevölkerung haben könnte. Es werde angeregt hierüber Beweis zu erheben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens.
19Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
20Entscheidungsgründe:
21Die zulässige Klage ist auch begründet.
22Die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 4. Oktober 2013 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO. Die Beklagte kann die streitgegenständliche Ordnungsverfügung, mit der sie dem Kläger aufgibt, die Bezeichnung seiner Praxis als „Augenzentrum T. “ zu unterlassen und für den Fall der Zuwiderhandlung Zwangsgelder androht, nicht auf die allein als Ermächtigungsgrundlage in Betracht kommenden Vorschriften der § 6 Abs. 1 Nr. 6 Heilberufsgesetz
23(HeilBerG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Mai 2000, GV.NRW S. 403, ber. S. 650, zuletzt geändert durch Art. 1 ÄndG. Vom 30. April 2013, GV.NRW S. 202;
24in Verbindung mit § 27 Abs. 3 Satz 1 und 2 der Berufsordnung (BO)
25für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte vom 14.11.1998 in der Fassung vom 19.11.2012 (MBl. NRW. 2012. S. 216; in Kraft getreten am 13.03.2013).
26stützen.
27Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Heilberufsgesetz NRW hat die Beklagte für die Erhaltung eines hochstehenden Berufsstandes zu sorgen und die Erfüllung der Berufspflichten der Kammerangehörigen zu überwachen sowie die notwendigen Maßnahmen zur Beseitigung berufswidriger Zustände zu treffen, insbesondere kann sie hierzu auch belastende Verwaltungsakte erlassen. Nach § 27 Abs. 3 BO ist berufswidrige Werbung Ärztinnen und Ärzten untersagt. Ärztinnen/Ärzte dürfen eine solche Werbung weder veranlassen noch dulden. Berufswidrig ist insbesondere eine anpreisende, irreführende oder vergleichende Werbung.
28Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind derartige Werbeverbote für Ärzte grundsätzlich gerechtfertigt, sie dürfen aber nicht in unverhältnismäßiger Weise in das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) eingreifen. So ist dem Arzt nicht jede, sondern lediglich die berufswidrige Werbung verboten. Für interessengerechte und sachangemessene Informationen, die keinen Irrtum erregen, muss im rechtlichen und geschäftlichen Verkehr Raum bleiben.
29Vgl. BVerfG, Beschluss vom 26.08.2003 - 1 BvR 1003/02 - juris.
30Dementsprechend ist anerkannt, dass das Schutzgut der Volksgesundheit es rechtfertigt, den Ärzten Werbebeschränkungen aufzuerlegen. Mit ihnen kann der gesundheitspolitisch unerwünschten Kommerzialisierung des Arztberufes vorgebeugt und eine Verfälschung des ärztlichen Berufsbildes verhindert werden. Berufswidrig ist insbesondere solche Werbung, die zu Irrtümern und damit zu einer Verunsicherung der Kranken führen würde, weil sie das Vertrauen in den Arztberuf untergraben und langfristig negative Rückwirkungen auf die medizinische Versorgung der Bevölkerung haben könnte.
31Vgl. BVerwG, Urteil vom 24.09.2009 - 3 C 4/09 -; OVG NRW, Beschluss vom 03.09.2008 ‑ 6 t E 429/08.T.
32Daher darf einem Arzt die Verwendung einer bestimmten Bezeichnung zur Beschreibung seiner beruflichen Tätigkeit nur verboten werden, wenn die Benutzung der Formulierung im konkreten Fall irreführend oder sachlich unangemessen ist, etwa weil sie das notwendige Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient gefährdet.
33BVerfG, Beschlüsse vom 14. Juli 2011 - 1 BvR 407/11 -, juris Rn. 21, und vom 7. März 2012, ‑ 1 BvR 1209/11 -, juris Rn. 21; BerufsG für Heilberufe beim VG Potsdam, Urteil vom 24. Februar 2014, - VG 19 K 2123/11.T -, in MedR 2014, 689ff zur Bezeichnung einer Einzelpraxis als „Ärzteforum“.
34Die Vorschrift des § 27 Abs. 3 Satz 1 und 2 der Berufsordnung der Beklagten in der Rechtsform der Satzung, auf Grundlage des § 32 Nr. 9 HeilBerG erlassen, begegnet vor diesem Hintergrund keinen Bedenken gegen ihre Gültigkeit.
35Die Ankündigung seiner Praxis als „Augenzentrum T. “ seitens des Klägers erfüllt indes nicht den Tatbestand der irreführenden Werbung, was hier allein zur Begründung der verfügten Rechtsfolge in Betracht kam.
36Eine Werbung ist irreführend, wenn sie geeignet ist, bei einem erheblichen Teil der umworbenen Verkehrskreise irrige Vorstellungen über das Angebot hervorzurufen und die zu treffende Marktentschließung in wettbewerblich relevanter Weise zu beeinflussen. Für die Beurteilung der Frage, ob eine Werbeaussage irreführend ist, kommt es maßgeblich darauf an, wie der angesprochene Verkehr die beanstandete Werbung versteht. Es ist auf den Gesamteindruck abzustellen, den die werbliche Darstellung vermittelt.
37BGH, Urteil vom 18. Januar 2012, - I ZR 104/10 -, juris Rn. 11ff zu § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG
38Die Beklagte führt zur Begründung ihrer Ordnungsverfügung aus, die von der Ankündigung des Klägers angesprochenen Verkehrskreise würden auf Grund der Bezeichnung „Augenzentrum T. “ davon ausgehen, dass die Einzelpraxis eine besondere Bedeutung vorweisen könne, die über den Durchschnitt vergleichbarer Arztpraxen hinausgehe im Hinblick auf Kompetenz, Ausstattung und Erfahrung. Das vom Kläger vorgehaltene Leistungsspektrum rechtfertige nicht die Ankündigung unter der Bezeichnung „Augenzentrum T. “. Auch die Tatsache, dass er zwei angestellte Vertragsärztinnen beschäftige, begründe nicht die besondere Bedeutung und Größe der Einzelpraxis, die über das Leistungsangebot vergleichbarer Facharztpraxen hinausgehe.
39Dies trägt die Subsumtion der Ankündigung (Werbung) mit der Bezeichnung „Augenzentrum T. “ als irreführend nicht. Denn zum Einen enthält diese Bezeichnung schon keine konkrete Tatsachenbehauptung oder ein Versprechen (I.), selbst wenn man ihr eine Aussage über ein über den Standard einer Augenarztpraxis hinausgehendes Leistungsangebot beimisst, wäre dies im Falle des Klägers nicht irreführend (II.)
40I. Eine konkrete Tatsachenbehauptung oder ein konkretes Versprechen, das gemessen an den tatsächlichen Verhältnissen der Praxis des Klägers, sich als irreführend erweisen könnte, enthält die Bezeichnung „Augenzentrum“ schon nicht.
41Vgl. hierzu LG Erfurt, Urteil vom 22. April 2008, - 1 HK O 221/07 -, juris, wonach die Bezeichnung „Rheumazentrum“ vom angesprochenen Verkehrskreis nicht als Angebot einer quantitativ und qualitativ deutlich überdurchschnittlichen Versorgung verstanden wird und somit auch zu keiner Irreführung führt. (Orientierungssatz 1.).
42Dabei ist der Beklagten durchaus zuzugestehen, dass die Bezeichnung „Augenzentrum“ in der Vorstellung der angesprochenen Verkehrskreise, zu denen sich auch der brillenpflichtige Einzelrichter zählt, die Erwartung erweckt werden kann, ein „Mehr“ an Augenheilkunde geboten zu bekommen, als der durchschnittliche Facharzt für Augenheilkunde erfahrungsgemäß anbietet.
43Vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 2012, - I ZR 104/10 -, juris zum Begriff des „Neurologisch/Vaskulären Zentrum“, der Begriff weise im Grundsatz nach wie vor auf eine besondere Bedeutung und Größe des Unternehmens hin oder werde jedenfalls vom Verkehr auf einen solchen Tatsachenkern zurückgeführt. (Leitsatz).
44Der Begriff des „Augenzentrums“ ist indes nicht legal definiert oder mit einer sonst feststehenden Bedeutung versehen. In der freien Enzyklopädie „wikipedia“
45http://de.wikipedia.org/w/index.php?search=Augenzentrum&title=Spezial%3ASuche&go=Artikel
46findet sich kein entsprechender Eintrag. Reduziert auf den Begriff „Zentrum“ findet sich in weiteren Wörterbüchern die Rückführung auf die Bedeutung „Mittelpunkt“ mit dem Zusatz, dass diese Bedeutung meist übertragen gebraucht wird, im Sinne von „innerster Bezirk; Brennpunkt; Innenstadt“.
47Vgl. Duden, Das Herkunftswörterbuch, Etymologie der deutschen Sprache, 4. Aufl., Mannh.; Duden, Das große Fremdwörterbuch, 2. Aufl. Mannh.; Brockhaus, Enzyklopädie, Bd. 30; Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm, Bd 31 1984 München; jeweils zum Begriff „Zentrum“.
48Von daher ließe sich dem Begriff „Augenzentrum“ entnehmen, die so bezeichnete Praxis liege in der Innenstadt oder einem sonstigen geographischen Mittelpunkt. Dass dies nicht recht weiterführt, leuchtet unmittelbar ein. Denn auch in einem Großstadtvorort oder in Klein-Kleckersdorf lässt sich ein beliebiger Standort zum Mittelpunkt erklären, wenn man die Peripherie darum herum entsprechend definiert.Überträgt man diese geographische Bedeutung auf den inhaltlichen Aspekt und leitet von der ursprünglichen Mittelpunktbedeutung her - etwa mit der in diesem Zusammenhang durchaus einschlägigen Linsenoptik - auf eine Bündelungsmetapher über, so ließe sich dem Begriff „Augenzentrum“ etwa das Versprechen entnehmen, dass die unterschiedlichsten augenärztlichen Leistungen hier gebündelt und angeboten würden. Allerdings fehlt auch dieser Begriffsauffüllung die nötige Schärfe, um hier einer Subsumtion zugänglich zu sein. Denn ob diese Vielfalt nun jede diagnostische Raffinesse und jede erdenkliche Therapieform enthalten muss, ist damit nicht geklärt. Reichte eine praktizierte Augenheilkunde, die über die rein konservative Behandlung (akuter Art - Fremdkörperentfernung - oder chronischer Art - bei Diabetikern und grünem Star -, nebst Brillenwertbestimmung und Brillenverordnung sowie Sehschule) nicht hinausgeht? Oder wäre jedenfalls auch operative Behandlung (laser und/oder chirurgisch) mit entsprechender bildgebender Diagnostik zu fordern, um das Bündel wirklich voll zu bekommen? Ließe sich etwa umgekehrt das „Augenzentrum“ nicht in Abgrenzung zu einem „Mehr“ an Leistungsangebot gegenüber dem „Haus-Augenarzt“, sondern im Vergleich und dem „Weniger“ zu den Fähigkeiten und dem Leistungsangebot einer Uni-Augenklinik etwa auf einer Skala von 1 (Hausaugenarzt) - 10 (Uni-Augenklinik) verorten und ab welcher Marke (ab größer/gleich 5?) wäre dann das „Augenzentrum“ anzusiedeln? Und welchen Einfluss hat das regionale Umfeld auf das Begriffsverständnis von „Augenzentrum“, wenn die Landbevölkerung zum Beispiel im Radius von 30km Entfernung nur ein Augenzentrum zur Verfügung hat, während sich dem Großstadtbewohner ein Dutzend „Augenzentren“ andienen?
49Vgl. hierzu etwa die Kritik des BVerfG, Beschluss vom 7. März 2012, - 1 BvR 1209/11 -, juris Rn. 28ff zum Begriff des „Zentrum für Zahnmedizin“.
50Vor diesem Hintergrund kann das Gericht dem Begriff des „Zentrums“ keine dem Bestimmtheitsgebot genügende inhaltliche Bedeutung entnehmen, aus der sich im Vergleich mit den Gegebenheiten der Praxis des Klägers deren Bezeichnung als „Augenzentrum T. “ als irreführend darstellte. Die rein geografische Bedeutung erfüllt die Praxis mit ihrer Hauptniederlassung am P.--wall in L. jedenfalls unproblematisch.
51Schließlich führt auch die von der Beklagten als maßgeblicher Aspekt bemühte Frage nach der personellen Ausstattung eines „Augenzentrums“ nicht weiter. Die Beklagte scheint davon auszugehen, dass der Begriff „Zentrum“ eine Gemeinschaftspraxis mit mindestens zwei niedergelassenen Ärzten verspreche. Dies folge auch aus der Legaldefinition des „Medizinischen Versorgungszentrums“ nach § 95 Abs. 1 Satz 2 SGB V.Der Wortlaut dieser Vorschrift stützt dieses Verständnis indes gerade nicht. Denn hiernach sind Medizinische Versorgungszentren fachübergreifend ärztlich geleitete Einrichtungen, in denen Ärzte als Angestellte oder Vertragsärzte tätig sind. Die privatrechtliche Verbindung der in diesem Zentrum tätigen Ärzte ist damit gerade nicht die der Praxisgemeinschaft, in der die zusammengeschlossenen Ärzte auf gleicher Augenhöhe zusammenarbeiten. Vielmehr ist die Mitarbeit angestellter Ärzte ausdrücklich vorgesehen. Aber auch abgesehen von dieser Legaldefinition lässt sich für den unbefangenen Marktteilnehmer dem Begriff des Zentrums nicht das Versprechen der als Praxisgemeinschaft dort tätigen Ärzte entnehmen. Die privatrechtliche Verbindung der dort tätigen Ärzte dürfte insoweit nicht von Belang sein. Eher noch könnte dem Begriff in inhaltlicher Hinsicht zu entnehmen sein, dass dort überhaupt mehrere Fachärzte tätig sind, von denen bestenfalls unterschiedliche fachliche Schwerpunkte abgedeckt sind.Auch einem solchen Verständnis des Begriffs Zentrum würde die Praxis des Klägers mit den weiteren drei angestellten Fachärzten unterschiedlicher Ausbildungsschwerpunkte voll gerecht.
52Vor diesem Hintergrund scheidet eine generalisierende Betrachtung eines etwaigen Verkehrsverständnisses des Begriffs „Zentrum“ aus, zumal ein Bedeutungswandel dieses Begriffs nicht nur - um im Bild zu bleiben - in Sicht ist, sondern sich stetig vollzieht. Eine abstrakte Umschreibung wäre nach dem Verständnis des Gerichts insoweit nur Augenwischerei.
53II. Letztlich kann die Frage nach dem Verkehrsverständnis des Begriffs „Augenzentrum“ hier offenbleiben, weil eine irreführende Werbung des Klägers für seine Praxis mit dieser Bezeichnung schon deshalb nicht festgestellt werden kann, weil die Praxis des Klägers tatsächlich ein deutliches „Mehr“ an Kompetenz und Leistungsangebot gegenüber dem durchschnittlichen Hausaugenarzt anbietet und dem einer Uni-Augenklinik zumindest nahekommt, wenn nicht teilweise übersteigt. Im Hinblick auf Lage und personelle Ausstattung ist insoweit auf die vorstehenden Ausführungen zu verweisen.Die Beklagte hat es weder in der angefochtenen Ordnungsverfügung noch mit ihrem Vorbringen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vermocht aufzuzeigen, welche weiteren Kompetenzen und Leistungsangebote sie in der Praxis des Klägers vermisst, um die Werbung mit der Bezeichnung „Augenzentrum“ als nicht mehr irreführend anzusehen. Die Beklagte hat sich mit den ausführlichen Darstellungen des Klägers zu seinem Leistungsangebot nicht ansatzweise auseinandergesetzt. Dass der Kläger mit den Leistungsangebot der gesamten konservativen Augenheilkunde, dem Sehschulangebot durch eine angestellte Orthoptistin, der Angiographie, dem Ultraschall, dem OCT, dem HRT, der Endothelzellmessung, der Pachymetrie, der Scheimpflugkamera, dem IOL-Master, dem YAG-Laser, dem SLT-Laser, der Katarakt-OP, der IVOM, der Lid-OP, dem Laser-OP, der Glaukom-OP, sowie diversen kosmetischen Eingriffen nahezu das gesamte augenheilkundliche Spektrum abdeckt, hat die Beklagte scheinbar nicht zur Kenntnis genommen. Der Kläger hat sein Leistungsangebot in der mündlichen Verhandlung auch plastisch und nachvollziehbar substantiiert dargestellt, sowie mit Zahlen zu tatsächlich vorgenommenen Eingriffen und Behandlungen exemplarisch belegt. Er hat dargelegt, dass er beabsichtige in Zukunft auch vitreoretinale operative Eingriffe durchzuführen und jüngst eine entsprechend qualifizierte Kollegin eingestellt hat.
54Das Gericht sieht sich nicht veranlasst, den Beweisanregungen der Beklagten in diesem Zusammenhang weiter nachzugehen. Wenn die Beklagte meint, es reiche aus pauschal zu behaupten, das Leistungsangebot der klägerischen Praxis gehe über das Spektrum einer augenfachärztlichen Praxis nicht hinaus und das Gericht möge hierzu durch Sachverständigengutachten Beweis erheben, unterliegt sie mehreren Missverständnissen. Zum Einen sind Beweisanträge, die „ins Blaue hinein“ gestellt werden schon unzulässig. Sie hätte insoweit schon im Einzelnen darlegen müssen, welche Leistungsangebote sie in seinem Katalog vermisst. Als Berufsvertretung der Ärztinnen und Ärzte in Nordrhein-Westfalen (§ 1 Satz 1 HeilBerG NRW) muss sie über ein Mindestmaß an Fachwissen verfügen, um hierzu vortragen zu können. Zum Anderen scheint der Beklagten nicht gegenwärtig zu sein, dass es ihre ureigenste Aufgabe ist, bei der Wahrnehmung quasi-ordnungsbehördlicher Aufgaben die Tatbestandsvoraussetzungen für den Erlass belastender Verwaltungsakte, die in die Rechte der Betroffenen eingreifen, darzulegen und nachzuweisen.Die Beklagte hat darüber hinaus nicht dargelegt, worin das Leistungsangebot und die Kompetenz der unstreitig mindestens fünf weiteren Augenarztpraxen im Stadtgebiet von L. , die von ihr unbeanstandet die Bezeichnung „Augenzentrum“ verwenden, die der klägerischen Praxis in entscheidungserheblicher Weise übertreffen.
55Vor dem Hintergrund der Rechtswidrigkeit der Unterlassungsverfügung können auch die Regelungen zur Zwangsvollstreckung keinen Bestand haben.
56Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, §§ 708, 711 ZPO.
57Beschluss:
58Der Streitwert wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.
59Gründe:
60Die Festsetzung des Streitwertes ist nach § 52 Abs. 2 GKG erfolgt.
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Düsseldorf Urteil, 19. Sept. 2014 - 7 K 8148/13
Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Düsseldorf Urteil, 19. Sept. 2014 - 7 K 8148/13
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Verwaltungsgericht Düsseldorf Urteil, 19. Sept. 2014 - 7 K 8148/13 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Parteien betreiben in Mecklenburg-Vorpommern Kliniken. Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen einer Werbung mit dem Begriff „Neurologisch/ Vaskuläres Zentrum“ auf Unterlassung in Anspruch.
- 2
- Die von den Parteien betriebenen Kliniken, die ihre Dienstleistungen auf dem Gebiet der Krankenhausversorgung im Wesentlichen gegenüber demselben Personenkreis anbieten, liegen etwa 35 km voneinander entfernt. Sie werden mit verschiedenen Fachabteilungen im Krankenhausplan des Landes Mecklenburg-Vorpommern aufgeführt. Für die von der Beklagten betriebene Klinik ist eine neurologische Fachabteilung im Landeskrankenhausplan nicht verzeichnet. Die Beklagte richtete im Herbst 2008 als Unterabteilung der Fachabteilungen für innere Medizin und für Frührehabilitation ein „Neurologisch/ Vaskuläres Zentrum“ ein, das von einem Neurologen als Chefarzt geleitet wird. Darauf wies sie in ihrem Internetauftritt und in einem Newsletter vom 21. Januar 2009 hin.
- 3
- Die Klägerin hat die Werbung der Beklagten mit der in Rede stehenden Bezeichnung als wettbewerbswidrig beanstandet, weil der angesprochene Verkehr über den Zulassungs- und Befähigungsstatus der Beklagten getäuscht werde. Darüber hinaus entstehe der unzutreffende Eindruck, die Abteilung der Beklagten übertreffe in ihrer Größe, Bedeutung und besonderen Spezialisierung sonstige Krankenhäuser mit einer neurologischen Fachabteilung, weil der Begriff „Zentrum“ auf eine hochspezialisierte Abteilung hindeute, deren Fachkompetenz und Erfahrung erheblich über dem Durchschnitt liege.
- 4
- Die Beklagte hat demgegenüber vor allem geltend gemacht, der angesprochene Verkehr werde durch die Verwendung des Begriffs „Zentrum“ nicht irregeführt. Im Zusammenhang mit der Bezeichnung einer Dienstleistungslokalität habe der Begriff einen Bedeutungswandel erfahren. Er setze keine herausragende Qualität mehr voraus und unterscheide sich insoweit nicht von einer fachübergreifenden Gemeinschaftspraxis.
- 5
- Das Landgericht hat die Beklagte - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - unter Androhung von Ordnungsmitteln verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken mit dem Bestehen eines „Neurologisch/Vaskulären Zentrums“ an der Asklepios Klinik zu werben.
- 6
- Darüber hinaus hat es die Beklagte zur Auskunftserteilung verurteilt und die Schadensersatzverpflichtung der Beklagten festgestellt. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen.
- 7
- Mit der insoweit vom Senat zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des der Klage stattgebenden erstinstanzlichen Urteils. Die Beklagte beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
- 8
- I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die beanstandete Werbeaussage sei nicht im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG irreführend, da sie keine zur Täuschung geeigneten Angaben über die Person oder die Rechte der Beklagten als Unternehmerin enthalte. Der Begriff „Zentrum“ habe - ähnlich wie die mittlerweile modische Bezeichnung „Center“ - einen Bedeutungswandel erfahren. Der Sinn des Wortes beschränke sich nach heutigem Sprachgebrauch auf die namentliche Bezeichnung einer Einrichtung, ohne dass daraus auf deren Größe oder besondere Bedeutung geschlossen werden könne. Dies gelte auch, wenn das Wort „Zentrum“ im Zusammenhang mit der stationären Krankenhausversorgung gebraucht werde.
- 9
- II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Klägerin hat Erfolg. Sie führt zur teilweisen Aufhebung des Berufungsurteils und in diesem Umfang zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
- 10
- 1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts werden die angesprochenen Verkehrskreise durch die Verwendung der beanstandeten Bezeichnung „Neurologisch/Vaskuläres Zentrum“ gemäß §§ 3, 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG in erheblicher Weise irregeführt, weil die Beklagte damit eine für die Nachfrageentscheidung der Werbeadressaten relevante unzutreffende Vorstellung über die besondere Qualifikation ihrer Klinik hervorruft.
- 11
- a) Eine Werbung ist irreführend, wenn sie geeignet ist, bei einem erheblichen Teil der umworbenen Verkehrskreise irrige Vorstellungen über das Angebot hervorzurufen und die zu treffende Marktentschließung in wettbewerblich relevanter Weise zu beeinflussen. Die wettbewerbliche Erheblichkeit ist ein dem Irreführungstatbestand immanentes, spezifisches Relevanzerfordernis, das als eigenständige Bagatellschwelle eine zusätzliche Erheblichkeitsprüfung nach § 3 UWG überflüssig macht (BGH, Urteil vom 26. Februar 2009 - I ZR 219/06, GRUR 2009, 888 Rn. 18 = WRP 2009, 1080 - Thermoroll, mwN; Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl., § 5 Rn. 2.20 f., Rn. 2.169).
- 12
- Für die Beurteilung der Frage, ob eine Werbeaussage irreführend ist, kommt es maßgeblich darauf an, wie der angesprochene Verkehr die beanstandete Werbung versteht. Das vom Berufungsgericht festgestellte Verkehrsverständnis der Bezeichnung „Neurologisch/Vaskuläres Zentrum“ entspricht nicht der Lebenserfahrung, die im Revisionsverfahren uneingeschränkt über- prüft werden kann. Die Feststellung des Berufungsgerichts kann daher keinen Bestand haben (vgl. BGH, Urteil vom 3. Mai 2001 - I ZR 318/98, GRUR 2002, 182, 184 = WRP 2002, 74 - Das Beste jeden Morgen, mwN).
- 13
- b) Das Berufungsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass sich die beanstandete Werbung der Beklagten sowohl an Ärzte als auch an potentielle Patienten richtet. Ein unterschiedliches Verkehrsverständnis ist damit nicht verbunden, weil nicht ersichtlich ist, dass diese Kreise der Werbeaussage voneinander abweichende Sinngehalte beimessen. Es ist auch davon auszugehen, dass die fachliche Ausrichtung oder Spezialisierung zu den wesentlichen Entscheidungsgesichtspunkten bei der Wahl eines Krankenhauses gehören.
- 14
- c) Mit Erfolg wendet sich die Revision aber gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die angesprochenen Verkehrskreise verstünden den Begriff „Zentrum“ in der beanstandeten Bezeichnung nicht als Hinweis auf eine beson- dere Größe oder fachliche Qualifikation der von der Beklagten in ihrer Klinik betriebenen Unterabteilung.
- 15
- aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, in seinem ursprünglichen Sinn sei der Begriff „Zentrum“ zwar als Hinweis auf die besondere Größe und Bedeutung einer Einrichtung verstanden worden, die über den Durchschnitt gleichartiger Betriebe hinausrage. Das Wort „Zentrum“ habe jedoch einen Bedeutungswandel erfahren. Nach heutigem Sprachgebrauch werde der Begriff „Zentrum“ - insbesondere im Dienstleistungsbereich - für sich allein nicht mehr als Hinweis auf die Größe und besondere Bedeutung einer Einrichtung verstanden. Dass die stationäre Krankenhausversorgung von diesem Bedeutungswandel ausgenommen sei, sei nicht erkennbar; dies belege unter anderem auch die Verwendung des Begriffs „Medizinisches Versorgungszentrum“ in § 95 Abs. 1 Satz 2 SGB V. Auch hier werde mit dem Wort „Zentrum“ nicht auf eine besondere Größe oder eine überdurchschnittliche Fachkompetenz hingewiesen. Ein „Medizinisches Versorgungszentrum“ sei vielmehr lediglich eine fachübergrei- fende ärztlich geleitete Einrichtung, in der Ärzte als Angestellte oder Vertragsärzte tätig seien und die an der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung teilnehme. In einem vergleichbaren Sinn sei auch die beanstandete Bezeichnung „Neurologisch/Vaskuläres Zentrum“ zu verstehen. Damit sei nur die institutiona- lisierte Zusammenarbeit von Nervenärzten und Internisten gemeint.
- 16
- bb) Dieser Beurteilung vermag der Senat nicht beizutreten. Bei der Feststellung , wie der angesprochene Verkehr die Werbung mit der Bezeichnung „Neurologisch/Vaskuläres Zentrum“ versteht, ist auf den Gesamteindruck abzu- stellen, den die werbliche Darstellung vermittelt (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 2009 - I ZR 73/07, GRUR 2010, 352 Rn. 11 = WRP 2010, 636 - Hier spiegelt sich Erfahrung). Hiervon ist im Grundsatz auch das Berufungsgericht ausgegangen.
- 17
- Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts scheidet vor diesem Hintergrund jedoch eine generalisierende Betrachtung eines etwaigen Verkehrsverständnisses des Begriffs „Zentrum“ aus, zumal ein Bedeutungswandel dieses Begriffs jedenfalls nicht in demselben Maße festzustellen ist, wie er sich bei dem Begriff „Center“ vollzogen hat. Vielmehr wird der Begriff im Grundsatz als Charakterisierung für ein Unternehmen nach Bedeutung und Größe verstanden oder jedenfalls vom Verkehr auf einen entsprechenden Tatsachenkern zurückgeführt , wobei allerdings auf die jeweiligen Einzelfallumstände abzustellen ist (vgl. OLG München, GRUR-RR 2005, 59; OLG Köln, MD 2008, 807; Bornkamm in Köhler/Bornkamm aaO § 5 Rn. 5.46; MünchKomm.UWG/Busche, § 5 Rn. 672; Sosnitza in Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, 5. Aufl., § 5 Rn. 629; Fezer/ Peifer, UWG, 2. Aufl., § 5 Rn. 390; Harte/Henning/Dreyer, UWG, 2. Aufl., § 5 E Rn. 137, Stichwort „Zentrum“; A. Nordemann in Götting/Nordemann, UWG, § 5 Rn. 3.88; aA Lehmler, UWG, § 5 Rn. 265).
- 18
- cc) Die weitere Annahme des Berufungsgerichts, für die Verwendung des Begriffs „Zentrum“ im Zusammenhang mit der Einrichtung einer (Unter-)Abteilung in einem Krankenhaus ergebe sich nichts anderes, ist danach erfahrungswidrig und kann daher keinen Bestand haben. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil der Rechtsstreit zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Da sich die Werbung der Beklagten auch an potentielle Patienten richtet und das Berufungsgericht seine Würdigung unter Heranziehung der Lebenserfahrung vorgenommen hat, kann der Senat abschließend selbst beurteilen, wie die Werbung mit der Bezeichnung „Neurologisch/ Vaskuläres Zentrum“ von den in Betracht kommenden Verkehrskreisen aufgefasst wird (vgl. BGH, GRUR 2002, 182, 184 - Das Beste jeden Morgen, mwN).
- 19
- Die mit der Werbung angesprochenen Verkehrskreise werden aufgrund der verwendeten Bezeichnung „Neurologisch/Vaskuläres Zentrum“ annehmen, die von der Beklagten eingerichtete Unterabteilung habe besondere Bedeutung und damit auch eine jedenfalls über den Durchschnitt hinausgehende Kompetenz , Ausstattung und Erfahrung auf dem von der Beklagten genannten Gebiet. Es ist nicht ersichtlich, dass der Begriff „Zentrum“ von zahlreichen Krankenhäusern generell im Zusammenhang mit den darin vorhandenen Fachabteilungen verwendet wird.
- 20
- dd) Eine andere Beurteilung rechtfertigt sich entgegen der Annahme des Berufungsgerichts auch nicht aus dem Umstand, dass das Wort „Zentrum“ in § 95 SGB V als Bestandteil des zusammengesetzten Begriffs der „Medizinischen Versorgungszentren“ verwendet wird. Dabei handelt es sich um „fachübergreifende ärztlich geleitete Einrichtungen, in denen Ärzte … als Angestellte oder Vertragsärzte tätig sind“ (§ 95 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Vielmehr deutet die Verwendung des Wortes „Zentrum“ in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Leistungen eines medizinischen Zentrums über das Leistungsangebot eines von den Krankenkassen zugelassenen niedergelassenen Arztes hinausgehen müssen. Eine Einrichtung ist erst dann fachübergreifend, wenn in ihr Ärzte mit verschiedenen Facharzt- oder Schwerpunktbezeichnungen tätig sind (§ 95 Abs. 1 Satz 4 SGB V). Damit gehen die ärztlichen Leistungen eines Medizinischen Zentrums im Sinne von § 95 Abs. 1 Satz 2 SGB V erheblich über das Leistungsangebot hinaus, das ein einzelner niedergelassener (Fach-)Arzt erbringen kann. Die enge fachliche Kooperation unterschiedlicher ärztlicher Fachrichtungen bei niedergelassenen Ärzten untereinander sowie mit nichtärztlichen Leistungserbringern war gerade ein Grund für die Möglichkeit der Einrichtung von Medizinischen Versorgungszentren im Sinne des § 95 SGB V (vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung - GKV-Modernisierungsgesetz -, BT-Drucks. 15/ 1525, S. 108).
- 21
- ee) Entgegen der Auffassung der Beklagten verstehen die angesprochenen Verkehrskreise die Bezeichnung „Neurologisch/Vaskuläres Zentrum“ nicht nur als bloßen internen Behandlungsschwerpunkt. Denn die Beklagte stellt die aus ihrer Sicht besonderen Leistungen dieses „Zentrums“ im Rahmen eines eigenständigen Fachbereichs dar. Eine derartige Hervorhebung unterstreicht die besondere Bedeutung, die über eine einfache Organisationseinheit erheblich hinausgeht.
- 22
- Die Beklagte verfügt unstreitig nicht über eine überdurchschnittliche Ausstattung oder Erfahrung auf dem Gebiet der Behandlung neurologischer Erkrankungen.
- 23
- d) Die Werbung mit der unzutreffenden Bezeichnung „Neurologisch/ Vaskuläres Zentrum“ hat auch wettbewerbsrechtliche Relevanz, weil sie geeignet ist, das Marktverhalten der angesprochenen Verkehrskreise zu beeinflussen. Diese werden, sofern Behandlungsbedarf wegen einer neurologischen oder vaskulären Erkrankung besteht, aufgrund der Darstellung der Beklagten auf ihrer Internetseite veranlasst, die Klinik der Beklagten aufzusuchen, um dort eine Behandlung durchführen zu lassen.
- 24
- 2. Aus den vorstehenden Darlegungen ergibt sich zugleich, dass auch ein Anspruch auf Feststellung der Schadensersatzverpflichtung nach § 9 Satz 1 UWG und auf Erteilung der begehrten Auskunft gemäß § 242 BGB besteht, weil die Beklagte den Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG jedenfalls fahrlässig begangen hat.
- 25
- III. Danach ist das Berufungsurteil aufzuheben, soweit es den Klageantrag zu I 1 und die darauf rückbezogenen Anträge zu II und III auf Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht abgewiesen hat. In diesem Umfang ist die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen.
- 26
- Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
Bornkamm Pokrant Schaffert
Kirchhoff Koch
Vorinstanzen:
LG Rostock, Entscheidung vom 11.12.2009 - 8 O 86/09 -
OLG Rostock, Entscheidung vom 05.05.2010 - 2 U 2/10 -
(1) An der vertragsärztlichen Versorgung nehmen zugelassene Ärzte und zugelassene medizinische Versorgungszentren sowie ermächtigte Ärzte und ermächtigte Einrichtungen teil. Medizinische Versorgungszentren sind ärztlich geleitete Einrichtungen, in denen Ärzte, die in das Arztregister nach Absatz 2 Satz 3 eingetragen sind, als Angestellte oder Vertragsärzte tätig sind. Der ärztliche Leiter muss in dem medizinischen Versorgungszentrum selbst als angestellter Arzt oder als Vertragsarzt tätig sein; er ist in medizinischen Fragen weisungsfrei. Sind in einem medizinischen Versorgungszentrum Angehörige unterschiedlicher Berufsgruppen, die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, tätig, ist auch eine kooperative Leitung möglich. Die Zulassung erfolgt für den Ort der Niederlassung als Arzt oder den Ort der Niederlassung als medizinisches Versorgungszentrum (Vertragsarztsitz).
(1a) Medizinische Versorgungszentren können von zugelassenen Ärzten, von zugelassenen Krankenhäusern, von Erbringern nichtärztlicher Dialyseleistungen nach § 126 Absatz 3, von anerkannten Praxisnetzen nach § 87b Absatz 2 Satz 3, von gemeinnützigen Trägern, die aufgrund von Zulassung oder Ermächtigung an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, oder von Kommunen gegründet werden. Erbringer nichtärztlicher Dialyseleistungen nach § 126 Absatz 3 sind jedoch nur zur Gründung fachbezogener medizinischer Versorgungszentren berechtigt; ein Fachbezug besteht auch für die mit Dialyseleistungen zusammenhängenden ärztlichen Leistungen im Rahmen einer umfassenden Versorgung der Dialysepatienten. Die Gründung eines medizinischen Versorgungszentrums ist nur in der Rechtsform der Personengesellschaft, der eingetragenen Genossenschaft oder der Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder in einer öffentlich rechtlichen Rechtsform möglich. Die Zulassung von medizinischen Versorgungszentren, die am 1. Januar 2012 bereits zugelassen sind, gilt unabhängig von der Trägerschaft und der Rechtsform des medizinischen Versorgungszentrums unverändert fort; die Zulassung von medizinischen Versorgungszentren, die von Erbringern nichtärztlicher Dialyseleistungen nach § 126 Absatz 3 gegründet wurden und am 10. Mai 2019 bereits zugelassen sind, gilt unabhängig von ihrem Versorgungsangebot unverändert fort. Für die Gründung von medizinischen Versorgungszentren durch Kommunen findet § 105 Absatz 5 Satz 1 bis 4 keine Anwendung.
(1b) Ein zahnärztliches medizinisches Versorgungszentrum kann von einem Krankenhaus nur gegründet werden, soweit der Versorgungsanteil der vom Krankenhaus damit insgesamt gegründeten zahnärztlichen medizinischen Versorgungszentren an der vertragszahnärztlichen Versorgung in dem Planungsbereich der Kassenzahnärztlichen Vereinigung, in dem die Gründung des zahnärztlichen medizinischen Versorgungszentrums beabsichtigt ist, 10 Prozent nicht überschreitet. In Planungsbereichen, in denen der allgemeine bedarfsgerechte Versorgungsgrad um bis zu 50 Prozent unterschritten ist, umfasst die Gründungsbefugnis des Krankenhauses für zahnärztliche medizinische Versorgungszentren mindestens fünf Vertragszahnarztsitze oder Anstellungen. Abweichend von Satz 1 kann ein Krankenhaus ein zahnärztliches medizinisches Versorgungszentrum unter den folgenden Voraussetzungen gründen:
- 1.
in einem Planungsbereich, in dem der allgemeine bedarfsgerechte Versorgungsgrad um mehr als 50 Prozent unterschritten ist, sofern der Versorgungsanteil der vom Krankenhaus damit insgesamt gegründeten zahnärztlichen medizinischen Versorgungszentren an der vertragszahnärztlichen Versorgung in diesem Planungsbereich 20 Prozent nicht überschreitet, - 2.
in einem Planungsbereich, in dem der allgemeine bedarfsgerechte Versorgungsgrad um mehr als 10 Prozent überschritten ist, sofern der Versorgungsanteil der vom Krankenhaus gegründeten zahnärztlichen medizinischen Versorgungszentren an der vertragszahnärztlichen Versorgung in diesem Planungsbereich 5 Prozent nicht überschreitet.
(2) Um die Zulassung als Vertragsarzt kann sich jeder Arzt bewerben, der seine Eintragung in ein Arzt- oder Zahnarztregister (Arztregister) nachweist. Die Arztregister werden von den Kassenärztlichen Vereinigungen für jeden Zulassungsbezirk geführt. Die Eintragung in ein Arztregister erfolgt auf Antrag
- 1.
nach Erfüllung der Voraussetzungen nach § 95a für Vertragsärzte und nach § 95c für Psychotherapeuten, - 2.
nach Ableistung einer zweijährigen Vorbereitungszeit für Vertragszahnärzte.
(2a) (weggefallen)
(3) Die Zulassung bewirkt, daß der Vertragsarzt Mitglied der für seinen Kassenarztsitz zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung wird und zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung im Umfang seines aus der Zulassung folgenden Versorgungsauftrages berechtigt und verpflichtet ist. Die Zulassung des medizinischen Versorgungszentrums bewirkt, dass die in dem Versorgungszentrum angestellten Ärzte Mitglieder der für den Vertragsarztsitz des Versorgungszentrums zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung sind und dass das zugelassene medizinische Versorgungszentrum insoweit zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt und verpflichtet ist. Die vertraglichen Bestimmungen über die vertragsärztliche Versorgung sind verbindlich. Die Einhaltung der sich aus den Sätzen 1 und 2 ergebenden Versorgungsaufträge sind von der Kassenärztlichen Vereinigung bundeseinheitlich, insbesondere anhand der abgerechneten Fälle und anhand der Gebührenordnungspositionen mit den Angaben für den zur ärztlichen Leistungserbringung erforderlichen Zeitaufwand nach § 87 Absatz 2 Satz 1 zweiter Halbsatz, zu prüfen. Die Ergebnisse sowie eine Übersicht über die gegebenenfalls getroffenen Maßnahmen sind den Landes- und Zulassungsausschüssen sowie der für die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung zuständigen Aufsichtsbehörde jeweils zum 30. Juni des Jahres zu übermitteln.
(4) Die Ermächtigung bewirkt, daß der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt und verpflichtet ist. Die vertraglichen Bestimmungen über die vertragsärztliche Versorgung sind für sie verbindlich. Die Absätze 5 bis 7, § 75 Abs. 2 und § 81 Abs. 5 gelten entsprechend.
(5) Die Zulassung ruht auf Beschluß des Zulassungsausschusses, wenn der Vertragsarzt seine Tätigkeit nicht aufnimmt oder nicht ausübt, ihre Aufnahme aber in angemessener Frist zu erwarten ist, oder auf Antrag eines Vertragsarztes, der in den hauptamtlichen Vorstand nach § 79 Abs. 1 gewählt worden ist. Unter den gleichen Voraussetzungen kann bei vollem Versorgungsauftrag das Ruhen der Hälfte oder eines Viertels der Zulassung beschlossen werden; bei einem drei Viertel Versorgungsauftrag kann das Ruhen eines Viertels der Zulassung beschlossen werden.
(6) Die Zulassung ist zu entziehen, wenn ihre Voraussetzungen nicht oder nicht mehr vorliegen, der Vertragsarzt die vertragsärztliche Tätigkeit nicht aufnimmt oder nicht mehr ausübt oder seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt. Der Zulassungsausschuss kann in diesen Fällen statt einer vollständigen auch die Entziehung derHälfteoder eines Viertels der Zulassung beschließen. Einem medizinischen Versorgungszentrum ist die Zulassung auch dann zu entziehen, wenn die Gründungsvoraussetzungen des Absatzes 1a Satz 1 bis 3 länger als sechs Monate nicht mehr vorliegen. Die Gründereigenschaft nach Absatz 1a Satz 1 bleibt auch für die angestellten Ärzte bestehen, die auf ihre Zulassung zugunsten der Anstellung in einem medizinischen Versorgungszentrum verzichtet haben, solange sie in dem medizinischen Versorgungszentrum tätig sind und Gesellschafter des medizinischen Versorgungszentrums sind. Die Gründungsvoraussetzung nach Absatz 1a Satz 1 liegt weiterhin vor, sofern angestellte Ärzte die Gesellschafteranteile der Ärzte nach Absatz 1a Satz 1 oder der Ärzte nach Satz 4 übernehmen und solange sie in dem medizinischen Versorgungszentrum tätig sind; die Übernahme von Gesellschafteranteilen durch angestellte Ärzte ist jederzeit möglich. Medizinischen Versorgungszentren, die unter den in Absatz 1a Satz 4 erster Halbsatz geregelten Bestandsschutz fallen, ist die Zulassung zu entziehen, wenn die Gründungsvoraussetzungen des Absatzes 1 Satz 6 zweiter Halbsatz in der bis zum 31. Dezember 2011 geltenden Fassung seit mehr als sechs Monaten nicht mehr vorliegen oder das medizinische Versorgungszentrum gegenüber dem Zulassungsausschuss nicht bis zum 30. Juni 2012 nachweist, dass die ärztliche Leitung den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 3 entspricht.
(7) Die Zulassung endet, wenn die vertragsärztliche Tätigkeit in einem von Zulassungsbeschränkungen betroffenen Planungsbereich nicht innerhalb von drei Monaten nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung aufgenommen wird, mit dem Tod, mit dem Wirksamwerden eines Verzichts, mit dem Ablauf des Befristungszeitraumes oder mit dem Wegzug des Berechtigten aus dem Bezirk seines Kassenarztsitzes. Die Zulassung eines medizinischen Versorgungszentrums endet mit dem Wirksamwerden eines Verzichts, der Auflösung, dem Ablauf des Befristungszeitraumes oder mit dem Wegzug des zugelassenen medizinischen Versorgungszentrums aus dem Bezirk des Vertragsarztsitzes.
(8) (weggefallen)
(9) Der Vertragsarzt kann mit Genehmigung des Zulassungsausschusses Ärzte, die in das Arztregister eingetragen sind, anstellen, sofern für die Arztgruppe, der der anzustellende Arzt angehört, keine Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind und der Anstellung keine Festlegungen nach § 101 Absatz 1 Satz 8 entgegenstehen; hiervon abweichend ist eine Anstellungsgenehmigung trotz einer angeordneten Zulassungsbeschränkung zu erteilen, wenn mit der Anstellung Festlegungen nach § 101 Absatz 1 Satz 8 befolgt werden. Sind Zulassungsbeschränkungen angeordnet, gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass die Voraussetzungen des § 101 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 erfüllt sein müssen. Das Nähere zu der Anstellung von Ärzten bei Vertragsärzten bestimmen die Zulassungsverordnungen. Absatz 5 gilt entsprechend.
(9a) Der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmende Vertragsarzt kann mit Genehmigung des Zulassungsausschusses Ärzte, die von einer Hochschule mindestens halbtags als angestellte oder beamtete Hochschullehrer für Allgemeinmedizin oder als deren wissenschaftliche Mitarbeiter beschäftigt werden und in das Arztregister eingetragen sind, unabhängig von Zulassungsbeschränkungen anstellen. Bei der Ermittlung des Versorgungsgrades in einem Planungsbereich sind diese angestellten Ärzte nicht mitzurechnen.
(9b) Eine genehmigte Anstellung nach Absatz 9 Satz 1 ist auf Antrag des anstellenden Vertragsarztes vom Zulassungsausschuss in eine Zulassung umzuwandeln, sofern der Umfang der Tätigkeit des angestellten Arztes einem ganzen, einem halben oder einem drei Viertel Versorgungsauftrag entspricht; beantragt der anstellende Vertragsarzt nicht zugleich bei der Kassenärztlichen Vereinigung die Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens nach § 103 Absatz 3a, wird der bisher angestellte Arzt Inhaber der Zulassung.
(10) (weggefallen)
(11) (weggefallen)
(11a) (weggefallen)
(11b) (weggefallen)
(12) (weggefallen)
(13) In Zulassungssachen der Psychotherapeuten und der überwiegend oder ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzte (§ 101 Abs. 3 Satz 1) treten abweichend von § 96 Abs. 2 Satz 1 und § 97 Abs. 2 Satz 1 an die Stelle der Vertreter der Ärzte Vertreter der Psychotherapeuten und der Ärzte in gleicher Zahl; unter den Vertretern der Psychotherapeuten muß mindestens ein Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut oder ein Psychotherapeut mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen sein. Für die erstmalige Besetzung der Zulassungsausschüsse und der Berufungsausschüsse nach Satz 1 werden die Vertreter der Psychotherapeuten von der zuständigen Aufsichtsbehörde auf Vorschlag der für die beruflichen Interessen maßgeblichen Organisationen der Psychotherapeuten auf Landesebene berufen.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.
(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.
(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.
Tenor
-
1. Das Urteil des Bezirksberufsgerichts für Zahnärzte in Stuttgart vom 26. August 2009 - BG 1/09 - sowie das Urteil des Landesberufsgerichts für Zahnärzte in Stuttgart vom 23. Oktober 2010 - LNs 7/09 - verletzen die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Artikel 12 Absatz 1 des Grundgesetzes.
-
Das Urteil des Landesberufsgerichts für Zahnärzte in Stuttgart wird aufgehoben. Die Sache wird an das Landesberufsgericht für Zahnärzte zurückverwiesen.
-
2. ...
-
3. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 12.000 € (in Worten: zwölftausend Euro) festgesetzt.
Gründe
-
I.
- 1
-
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die berufsgerichtlichen Verurteilungen mehrerer Zahnärzte wegen der Verwendung der Bezeichnung "Zahnärztehaus".
- 2
-
1. Die §§ 29 ff. des baden-württembergischen Gesetzes über das Berufsrecht und die Kammern der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker, Psychologischen Psychotherapeuten sowie der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (Heilberufe-Kammergesetz
) vom 31. Mai 1976 in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. März 1995 (GBl S. 314 ff.) regeln die Berufspflichten der Angehörigen der aufgeführten Heilberufe und sehen zugleich vor, dass die weiteren Einzelheiten in den jeweiligen Berufsordnungen zu normieren sind.
- 3
-
Auf dieser Grundlage erließ die Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg in Form einer Satzung die Berufsordnung für Zahnärzte vom 21. Dezember 2005 (im Folgenden: BO a.F.). § 21 BO a.F. lautet auszugsweise:
- 4
-
(1) Dem Zahnarzt sind sachliche Informationen über seine Berufstätigkeit gestattet. Berufswidrige Werbung ist dem Zahnarzt untersagt. Berufswidrig ist insbesondere eine anpreisende, irreführende, herabsetzende oder vergleichende Werbung. ...
- 5
-
(2) und (3) ...
- 6
-
(4) Eine Einzelpraxis sowie eine Berufsausübungsgemeinschaft darf nicht als Akademie, Institut, Poliklinik, Zentrum, Ärztehaus oder als ein Unternehmen mit Bezug zu einem gewerblichen Betrieb bezeichnet werden.
- 7
-
Diese Berufsordnung wurde zwischenzeitlich durch die Berufsordnung vom 10. September 2010 abgelöst. Bei § 21 BO haben sich, abgesehen von einer veränderten Zählung wegen des Einschubs eines weiteren Absatzes - § 21 Abs. 4 ist nunmehr § 21 Abs. 5 - und der Herausnahme des Begriffs "Zentrum" aus der Aufzählung der verbotenen Bezeichnungen, keine inhaltlichen Änderungen ergeben.
- 8
-
2. a) Die Beschwerdeführer sind approbierte Zahnärzte, die Beschwerdeführerin zu 3) ist zusätzlich Fachzahnärztin für Kieferorthopädie. Die Beschwerdeführer zu 2), 3), 4) und 5) betreiben eine "Gemeinschaftspraxis für Zahnheilkunde und Kieferorthopädie", zu der bis zu seinem Ausscheiden im Sommer 2009 auch der Beschwerdeführer zu 1) gehörte. Die Beschwerdeführerin zu 6) betreibt eine "Privatpraxis für Endodontie" und nutzt hierbei dieselben Räumlichkeiten wie die Gemeinschaftspraxis. Die Beschwerdeführer beschäftigen zusammen mehr als 20 Mitarbeiter. In dem circa 450 qm großen Haus, in dem sie ihre Praxen betreiben, befindet sich noch ein zahnärztliches Labor, das ganz überwiegend für die Beschwerdeführer tätig ist. Das Gebäude liegt in einer Gemeinde mit circa 8.200 Einwohnern, in der es noch eine weitere, von einem einzelnen Zahnarzt betriebene Zahnarztpraxis gibt.
- 9
-
b) Bereits mit Urteil vom 7. Dezember 2006 verurteilte das Bezirksberufsgericht die Beschwerdeführer jeweils zu einer Geldbuße von 500 €, weil sie im Rahmen ihres Internetauftritts und bei einer im April 2006 veröffentlichten Zeitschriftenanzeige den Begriff "Zahnärztehaus I..." verwendet sowie als Internetadresse die Formulierung "www.daszahnaerztehaus.de" benutzt hatten. Der Gebrauch der Bezeichnungen sei berufsrechtswidrig, denn er verstoße gegen § 21 Abs. 4 BO a.F. Das Landesberufsgericht verwarf die Berufungen der Beschwerdeführer mit Urteil vom 13. Oktober 2007 als unbegründet.
- 10
-
3. a) Die Beschwerdeführer änderten trotz der berufsgerichtlichen Verurteilung ihre bisherige Internetadresse nicht und benutzten auch im Rahmen ihres Internetauftritts weiterhin die Bezeichnung "Zahnärztehaus I...". Dieser Begriff befand sich zudem im Briefkopf eines vom 1. Juli 2008 datierenden Schreibens des Beschwerdeführers zu 4) an die Bezirkszahnärztekammer. Auch im sonstigen Geschäftsverkehr verwendeten die Beschwerdeführer in dieser Weise gestaltetes Briefpapier.
- 11
-
b) Mit Urteil vom 26. August 2009 verurteilte das Berufsbezirksgericht die Beschwerdeführer daraufhin jeweils zu einer Geldbuße von 1.000 €, weil sie erneut gegen § 21 Abs. 4 BO a.F. und die §§ 29 und 55 Abs. 2 Satz 1 HBKG verstoßen hätten. Aus § 21 Abs. 4 BO a.F. ergebe sich eindeutig, dass eine Berufsausübungsgemeinschaft nicht als Ärzte- oder Zahnärztehaus bezeichnet werde dürfe.
- 12
-
c) Das Landesberufsgericht verwarf die Berufungen der Beschwerdeführer mit Urteil vom 23. Oktober 2010 als unbegründet. § 21 Abs. 4 BO a.F. verbiete die Verwendung des Begriffs "Zahnärztehaus" zur Werbung für eine Einzelpraxis beziehungsweise für die Berufsausübungsgemeinschaft mehrerer Zahnärzte. Der Begriff "Ärztehaus" sei als "Zahnärztehaus" zu verstehen, denn die Benutzung der Bezeichnung "Ärztehaus" sei Zahnärzten auch schon ohne Regelung in der Berufsordnung verwehrt. Überdies ergebe sich diese Auslegung aus der Ausrichtung der Berufsordnung auf die Berufstätigkeit der Zahnärzte, durch die Begrenzung der Regelungsbefugnis der Zahnärztekammer sowie durch das allgemeine Verständnis der Berufsangehörigen für die zutreffende Bezeichnung von Ärzten und Zahnärzten. Darüber hinaus sei die Verwendung des Wortes "Zahnärztehaus" auch irreführende Werbung im Sinne von § 21 Abs. 1 BO. Die Beschwerdeführer bildeten eine Berufsausübungsgemeinschaft und seien daher nicht als voneinander unabhängige Zahnärzte tätig. Sie seien damit nicht anders einzuschätzen als ein einzelner Zahnarzt in seiner Praxis. Ein "Ärztehaus" beziehungsweise "Zahnärztehaus" sei im allgemeinen Sprachgebrauch ein Haus, in dem mehrere Ärzte oder Zahnärzte unabhängig voneinander ihre Praxis ausübten. Daneben könne ein Zahnärztehaus auch als ein Haus der Vertretung der Zahnärzte oder der zentralen Dienstleistungen für sie verstanden werden. Keinesfalls bezeichne der Begriff aber eine einzelne zahnärztliche Praxis, selbst wenn sie aus mehreren Zahnärzten bestehe. Die Beschwerdeführer erzeugten daher mit ihrer Formulierung bei einem Behandlung suchenden Interessenten einen Irrtum über die zu erwartenden Verhältnisse, denn er finde in dem genutzten Haus keine weitere Praxis vor. Überdies rufe der Gebrauch der Bezeichnung die Annahme hervor, es handele sich um eine Zusammenfassung der Zahnärzte des Ortes nach der Art einer Poliklinik. Dies vertiefe die Irreführung noch. Der Sachverhalt sei bereits in dem Urteil vom 13. Oktober 2007, auf das verwiesen werde, umfassend gewürdigt worden.
- 13
-
In der dortigen Entscheidung hatte das Gericht zusätzlich ausgeführt, als Ärzte- beziehungsweise Zahnärztehaus träten Ärzte beziehungsweise Zahnärzte in verschiedenen kleineren und größeren Städten auf. Auch Immobilienunternehmen verwendeten den Begriff häufig. Schon bei der Errichtung des Hauses werde mit der Bezeichnung um Mieter oder Käufer der vorgesehenen Praxisräume geworben. Verwaltungsunternehmen böten dazu verschiedene Dienstleistungen an, die den einzelnen Berufsausübenden Kostenersparnis oder gesteigerte Nutzungsmöglichkeiten bringen sollten. Für das Verständnis des Wortes stehe danach fest, dass es nicht eine einzelne zahnärztliche Praxis bezeichne. Eine Praxis, die sich als Zahnärztehaus bezeichne, erzeuge bei den interessierten Patienten demzufolge einen Irrtum über die zu erwartenden Sachverhalte, weil er keine Mehrzahl von Zahnärzten in voneinander unabhängiger Tätigkeit vorfinde. So finde er zum Beispiel keinen weiteren Zahnarzt, von dem er eine unabhängige Zweitmeinung zu der Behandlung eines anderen Zahnarztes einholen könne. Bei einer kleinen Gemeinde erwecke der Begriff zudem den Eindruck, es handele sich um das "Kompetenzzentrum" der Zahnheilkunde am Ort, was ebenfalls irreführend sei.
- 14
-
4. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 2, Art. 12 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 2 GG.
- 15
-
5. Dem Justizministerium des Landes Baden-Württemberg, der Bundeszahnärztekammer, der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg, dem Freien Verband Deutscher Zahnärzte e.V. und dem GKV-Spitzenverband der Krankenkassen wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Akten der Ausgangsverfahren waren beigezogen.
-
II.
- 16
-
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts der Beschwerdeführer aus Art. 12 Abs. 1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind durch das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt (vgl. BVerfGE 76, 171 <184 f.>; 85, 248 <256>; 94, 372 <389>; 111, 366 <373>). Die Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet.
- 17
-
1. Die angegriffenen berufsgerichtlichen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführer in ihrer durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit.
- 18
-
a) Die Auferlegung der Geldbußen greift in die Berufsausübungsfreiheit der Beschwerdeführer ein, denn durch sie wird ein der Berufsausübung zuzurechnendes Verhalten sanktioniert. Bei der Benutzung der Bezeichnung "Zahnärztehaus I..." auf Briefbögen im geschäftlichen Verkehr und im Rahmen des Internetauftritts sowie bei der Verwendung der Internetadresse "www.daszahnaerztehaus.de" handelt es sich um werbende Tätigkeiten, die mit der zahnärztlichen Betätigung der Beschwerdeführer eng zusammenhängen und dieser dienen. Solches Verhalten ist vom Schutzbereich der Berufsausübungsfreiheit umfasst (vgl. BVerfGE 85, 248 <256>; 111, 366 <373>).
- 19
-
b) Die Gründe, auf die die Berufsgerichte ihre Entscheidung stützen, sind nicht geeignet, den Grundrechtseingriff zu rechtfertigen.
- 20
-
aa) Ein Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit bedarf nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG einer gesetzlichen Grundlage, die ihrerseits den verfassungsrechtlichen Anforderungen an grundrechtseinschränkende Gesetze genügt (vgl. BVerfGE 94, 372 <389 f.>; 111, 366 <373>; stRspr). Darüber hinaus sind Beschränkungen der Berufsausübungsfreiheit nur dann mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn sie vernünftigen Zwecken des Gemeinwohls dienen und den Berufstätigen nicht übermäßig oder unzumutbar treffen (vgl. BVerfGE 7, 377 <405 f.>; 85, 248 <259>), also dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen.
- 21
-
bb) Werbebeschränkende Vorschriften in ärztlichen Berufsordnungen sind hiernach nur verfassungsgemäß, sofern sie nicht jede, sondern lediglich die berufswidrige Werbung untersagen (vgl. BVerfGE 71, 162 <174>; 85, 248 <257, 260 f.>). Für interessengerechte und sachangemessene, insbesondere das notwendige Vertrauensverhältnis zu Patienten nicht gefährdende Informationen, die keinen Irrtum erregen, muss dagegen im rechtlichen und geschäftlichen Verkehr Raum bleiben (vgl. BVerfGE 82, 18 <28>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 29. April 2004 - 1 BvR 649/04 -, NJW 2004, S. 2659; BVerfGK 6, 46 <49 f.>). Die Verwendung der Bezeichnung "Zahnärztehaus" für eine in einem Haus tätige zahnärztliche Gemeinschaftspraxis kann somit nicht als solche, sondern erst dann berufswidrig sein, wenn dies als irreführende oder als sachlich unangemessene Werbung einzustufen ist.
- 22
-
cc) Die Berufsgerichte haben in den angegriffenen Entscheidungen nicht in verfassungsrechtlich vertretbarer Weise dargelegt, dass das Verhalten der Beschwerdeführer die Grenzen einer interessengerechten und sachangemessenen Information überschreitet.
- 23
-
(1) Das Berufsgericht verkennt schon dadurch, dass es die Berufswidrigkeit alleine auf die Verwendung der Bezeichnung "Zahnärztehaus" stützt, ohne die Frage der Irreführung oder sachlichen Unangemessenheit zu erörtern, die zugrunde zu legenden verfassungsrechtlichen Maßstäbe. Auch seine begründungslose Gleichsetzung der Begriffe "Ärztehaus" und "Zahnärztehaus" bei der Subsumtion des Sachverhalts unter § 21 Abs. 4 BO a.F. genügt den grundrechtlichen Anforderungen nicht.
- 24
-
(2) Das Landesberufsgericht prüft zwar die Frage der Irreführung, bejaht diese aber nicht mit nachvollziehbaren und damit nicht mit verfassungsrechtlich tragfähigen Argumenten. Bedeutung und Tragweite der freien Berufsausübung erfordern die Nachvollziehbarkeit der fachgerichtlichen Bewertung einer Werbemaßnahme als berufswidrig (vgl. BVerfGE 111, 366 <380>).
- 25
-
(a) Bereits seine Annahme, ein "Zahnärztehaus" liege nach dem allgemeinen Sprachgebrauch nur vor bei einem Haus, in dem mehrere Zahnärzte "unabhängig voneinander" ihre Praxis ausübten, begründet das Gericht nicht in nachvollziehbarer Weise. Soweit es in dem Urteil vom 13. Oktober 2007, auf das es sich in den Gründen der angegriffenen Entscheidung bezieht, feststellt, bereits bei der Errichtung eines Gebäudes werde mit der Formulierung "Zahnärztehaus" um Mieter beziehungsweise Käufer geworben und Verwaltungsunternehmen böten zur Effizienzsteigerung verschiedene Dienstleistungen an, ergeben sich daraus gerade keinerlei Anhaltspunkte für die Art der gegenseitigen Rechtsbeziehungen der Zahnärzte, die dann später in einem solchen Haus tätig sind. Sonstige Belege dafür, dass üblicherweise lediglich ein Haus, in dem voneinander unabhängige Zahnärzte tätig sind, als Zahnärztehaus bezeichnet wird, nennt das Gericht nicht. Solche sind auch nicht zu erkennen.
- 26
-
(b) Auch, soweit sich das Landesberufsgericht auf den Begriff des "Ärztehauses" bezieht, genügt seine Begründung nicht den sich aus Art. 12 Abs. 1 GG ergebenden Anforderungen. Es fehlt schon eine hinreichende Auseinandersetzung mit der Frage, inwiefern das Vorhandensein mehrerer rechtlich unabhängiger Praxen überhaupt zum zwingenden Bedeutungsinhalt der Bezeichnung gehört. Im Übrigen wird nicht einmal ansatzweise erörtert, ob sämtliche Merkmale, die ein "Ärztehaus" ausmachen, auch für ein "Zahnärztehaus" begriffsbestimmend sind, obwohl eine undifferenzierte inhaltliche Gleichsetzung beider Bezeichnungen gerade nicht nahe liegend ist. Denn während es für einzelne Ärzte verschiedener Fachrichtungen durchaus Sinn macht, sich mit ihren unterschiedlichen Praxen in einem gemeinsamen Gebäude anzusiedeln, weil sie durch Nutzung gemeinsamer Einrichtungen (z.B. eines zentralen Empfangs) Kosten sparen können und die besondere Infrastruktur eines solchen Hauses (kurze Wege für den Patienten von einem Facharzt zum anderen) zudem Wettbewerbsvorteile bringen kann, dürfte eine solche räumliche Nähe bei rechtlich selbständigen Zahnarztpraxen in der Regel weit weniger vorteilhaft sein. Wie nämlich die Landeszahnärztekammer in ihrer Stellungnahme zu Recht angemerkt hat, sind Zahnärzte, selbst wenn sie eine Gebietsbezeichnung führen, von ihrer Ausbildung her Generalisten und damit typischerweise, anders als Fachärzte unterschiedlicher Fachrichtungen, in überschneidenden Bereichen tätig, so dass sie in viel stärkerem Maße miteinander konkurrieren. Bereits deswegen dürfte bei Zahnärzten, die an einem gemeinsamen Ort praktizieren - was die Konkurrenzsituation zwangsläufig verstärkt - die Organisation als Gemeinschaftspraxis mit ihren Synergieeffekten und besseren Abstimmungsmöglichkeiten weit eher den Bedürfnissen entsprechen, als dies bei Ärzten verschiedener Fachgebiete der Fall ist. Auf diese strukturellen Unterschiede geht das Gericht mit keinem Wort ein.
- 27
-
(c) Noch weniger ersichtlich ist, dass - wie das Landesberufsgericht meint - mit dem Begriff "Zahnärztehaus" im allgemeinen Sprachgebrauch die Vorstellung verbunden sein könnte, es handele sich um eine Zusammenfassung aller Zahnärzte des Ortes nach Art einer Poliklinik. Dass der Bezeichnung ein solcher weiterer Bedeutungsgehalt zukommt, ist weder erkennbar noch vertretbar dargelegt worden. Gleiches gilt für die noch in der Entscheidung vom 13. Oktober 2007 geäußerte Vorstellung des Gerichts, der Ausdruck "Zahnärztehaus" enthalte die Behauptung, dieses Haus sei das "Kompetenzzentrum" des Ortes.
- 28
-
(d) Dass sich daraus, dass die Beschwerdeführer die Formulierung "Zahnärztehaus" in Verbindung mit dem geographischen Zusatz "I..." verwenden, die Gefahr einer Irreführung ergeben könnte, ist ebenfalls weder ersichtlich noch in den angegriffenen Entscheidungen nachvollziehbar dargetan. Es bestehen schon Bedenken, ob sich die Kombination beider Begriffe dahingehend interpretieren lässt, dass die Beschwerdeführer mit der Anfügung der Ortsbezeichnung für sich in Anspruch nehmen, das einzige Zahnärztehaus in I... zu betreiben. Selbst wenn man aber eine entsprechende Aussage aus der Verbindung der Ausdrücke ableitet, ist diese Behauptung nicht irreführend, denn es gibt in I... neben dem von den Beschwerdeführern betriebenen kein weiteres "Zahnärztehaus" - im Sinne eines Hauses, in dem eine Mehrzahl von Zahnärzten praktizieren - sondern nur eine weitere, von einem einzelnen Zahnarzt betriebene Praxis. Dagegen ist nicht erkennbar, dass - wie der Freie Verband Deutscher Zahnärzte e.V. befürchtet - die Beschwerdeführer mit der Benutzung der verbundenen Bezeichnungen zugleich behaupten, ihnen komme eine "Spitzenstellung" unter den Zahnärzten innerhalb des Ortes zu, oder dass die Begriffe suggerieren könnten, in I... gebe es sonst keine Zahnärzte. Einen derartigen weitergehenden Inhalt haben die Wörter - auch in ihrer Verknüpfung - nicht.
- 29
-
(e) Im Übrigen wird auch die pauschale Betrachtungsweise, die das Landesberufsgericht bei der Prüfung, ob eine Irreführung gegeben ist, an den Tag legt, den Erfordernissen des Art. 12 Abs. 1 GG nicht gerecht. So fehlen jegliche Darlegungen dazu, inwiefern gerade das konkrete Verhalten der Beschwerdeführer, das Gegenstand des berufsgerichtlichen Verfahrens war (die Verwendung der Bezeichnung "Zahnärztehaus I..." im Rahmen des Internetauftritts und auf dem Briefkopf sowie die Nutzung der Internetadresse "www.zahnaerztehaus.de"), irreführend ist. Insbesondere geht das Gericht weder auf die spezifische Gestaltung der Internetseiten der Beschwerdeführer, auf denen die Begriffe "Zahnärztehaus" beziehungsweise "Zahnärztehaus I..." auftauchen, noch auf die Aufmachung des Briefkopfes ein. Die sich in diesem Zusammenhang aufdrängende Frage, wie ein durchschnittlicher Internetbenutzer über die rechtlichen Beziehungen der im "Zahnärztehaus I..." tätigen Zahnärzte getäuscht werden kann, wenn diese Beziehungen auf der gleichen Seite, auf der die Bezeichnung verwandt wird, im Einzelnen aufgeschlüsselt worden sind, bleibt damit unbeantwortet. Warum ein solcher Nutzer weiter annehmen sollte, über die auf der Internetseite genannten Personen hinaus praktizierten in dem Haus noch weitere Zahnärzte, erschließt sich ebenfalls nicht.
- 30
-
(f) Im konkreten Fall sind auf Grundlage des in den angefochtenen Entscheidungen festgestellten Sachverhalts auch keine Gründe des Gemeinwohls erkennbar, die es rechtfertigen könnten, zumindest der - außerhalb der Gemeinschaftspraxis stehenden - Beschwerdeführerin zu 6) die Benutzung der Formulierung "Zahnärztehaus" zu verbieten. Zwar ist eine solche Bezeichnung für eine Einzelpraxis in aller Regel irreführend, weil sie den - unzutreffenden - Eindruck erweckt, in dieser Praxis sei mehr als ein Zahnarzt tätig. Hinreichende Anzeichen dafür, dass die Beschwerdeführerin zu 6) den Ausdruck verwendet, um damit ihre Praxis allein zu bezeichnen, gibt es hier jedoch nicht. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sie den Begriff, zusammen mit den Beschwerdeführern zu 1) bis 5), für die gemeinsame Beschreibung aller in dem Haus tätigen Zahnärzte nutzt. Unter dieser Voraussetzung ist die Gefahr einer Irreführung nicht zu sehen und in den angegriffenen Entscheidungen auch nicht plausibel dargelegt worden.
- 31
-
(g) Inwieweit die Formulierung "Zahnärztehaus", über ihren reinen Wortlaut hinaus, bei einem durchschnittlich informierten und verständigen (potentiellen) Patienten zu der Annahme führt, es sei eine größere Anzahl an Zahnärzten mit besonderen Spezialisierungen vorhanden, bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung. Denn selbst wenn man dem Begriff eine solche weitere Bedeutung zumisst, ist für eine Irreführung hier nichts ersichtlich, weil die Beschwerdeführer sowohl von ihrer Anzahl her als auch unter Berücksichtigung der zahnärztlichen Gebiete, die sie mit ihren Leistungen abdecken, diese weiteren Anforderungen erfüllen.
- 32
-
dd) Die Formulierung "Zahnärztehaus" für eine Mehrzahl von Zahnärzten, die in der Art und Weise, wie dies bei den Beschwerdeführern der Fall ist, gemeinsam in einem Gebäude tätig sind, ist auch sachlich angemessen, insbesondere weder marktschreierisch noch übertrieben anpreisend. Dass die Verwendung des Ausdrucks sonstige Gemeinwohlbelange verletzten könnte, ist ebenfalls nicht zu sehen und wird in den berufsgerichtlichen Entscheidungen auch nicht nachvollziehbar behauptet.
- 33
-
ee) Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich zugleich, dass die berufsgerichtliche Verurteilung auch nicht in verfassungsrechtlich vertretbarer Weise mit einem Verstoß gegen das allgemeine Verbot berufswidriger Werbung in § 21 Abs. 1 BO a.F. begründet werden kann.
- 34
-
2. Die berufsgerichtlichen Entscheidungen beruhen auf den festgestellten Verstößen gegen Art. 12 Abs. 1 GG.
- 35
-
Es erscheint angezeigt, gemäß § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG lediglich das Urteil des Landesberufsgerichts aufzuheben und die Sache dorthin zurückzuverweisen. Das dient dem Interesse der Beschwerdeführer, möglichst rasch eine das Verfahren abschließende Entscheidung zu erhalten.
- 36
-
3. Da schon die Rüge des Art. 12 Abs. 1 GG durchgreift, kommt es auf die Frage, ob auch Verstöße gegen Art. 5 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 2 GG vorliegen, nicht mehr an. Insbesondere ergeben sich aus diesen Grundrechten im konkreten Fall keine weitergehenden verfassungsrechtlichen Gewährleistungen als aus Art. 12 Abs. 1 GG.
- 37
-
4. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG.
- 38
-
5. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Parteien betreiben in Mecklenburg-Vorpommern Kliniken. Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen einer Werbung mit dem Begriff „Neurologisch/ Vaskuläres Zentrum“ auf Unterlassung in Anspruch.
- 2
- Die von den Parteien betriebenen Kliniken, die ihre Dienstleistungen auf dem Gebiet der Krankenhausversorgung im Wesentlichen gegenüber demselben Personenkreis anbieten, liegen etwa 35 km voneinander entfernt. Sie werden mit verschiedenen Fachabteilungen im Krankenhausplan des Landes Mecklenburg-Vorpommern aufgeführt. Für die von der Beklagten betriebene Klinik ist eine neurologische Fachabteilung im Landeskrankenhausplan nicht verzeichnet. Die Beklagte richtete im Herbst 2008 als Unterabteilung der Fachabteilungen für innere Medizin und für Frührehabilitation ein „Neurologisch/ Vaskuläres Zentrum“ ein, das von einem Neurologen als Chefarzt geleitet wird. Darauf wies sie in ihrem Internetauftritt und in einem Newsletter vom 21. Januar 2009 hin.
- 3
- Die Klägerin hat die Werbung der Beklagten mit der in Rede stehenden Bezeichnung als wettbewerbswidrig beanstandet, weil der angesprochene Verkehr über den Zulassungs- und Befähigungsstatus der Beklagten getäuscht werde. Darüber hinaus entstehe der unzutreffende Eindruck, die Abteilung der Beklagten übertreffe in ihrer Größe, Bedeutung und besonderen Spezialisierung sonstige Krankenhäuser mit einer neurologischen Fachabteilung, weil der Begriff „Zentrum“ auf eine hochspezialisierte Abteilung hindeute, deren Fachkompetenz und Erfahrung erheblich über dem Durchschnitt liege.
- 4
- Die Beklagte hat demgegenüber vor allem geltend gemacht, der angesprochene Verkehr werde durch die Verwendung des Begriffs „Zentrum“ nicht irregeführt. Im Zusammenhang mit der Bezeichnung einer Dienstleistungslokalität habe der Begriff einen Bedeutungswandel erfahren. Er setze keine herausragende Qualität mehr voraus und unterscheide sich insoweit nicht von einer fachübergreifenden Gemeinschaftspraxis.
- 5
- Das Landgericht hat die Beklagte - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - unter Androhung von Ordnungsmitteln verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken mit dem Bestehen eines „Neurologisch/Vaskulären Zentrums“ an der Asklepios Klinik zu werben.
- 6
- Darüber hinaus hat es die Beklagte zur Auskunftserteilung verurteilt und die Schadensersatzverpflichtung der Beklagten festgestellt. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen.
- 7
- Mit der insoweit vom Senat zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des der Klage stattgebenden erstinstanzlichen Urteils. Die Beklagte beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
- 8
- I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die beanstandete Werbeaussage sei nicht im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG irreführend, da sie keine zur Täuschung geeigneten Angaben über die Person oder die Rechte der Beklagten als Unternehmerin enthalte. Der Begriff „Zentrum“ habe - ähnlich wie die mittlerweile modische Bezeichnung „Center“ - einen Bedeutungswandel erfahren. Der Sinn des Wortes beschränke sich nach heutigem Sprachgebrauch auf die namentliche Bezeichnung einer Einrichtung, ohne dass daraus auf deren Größe oder besondere Bedeutung geschlossen werden könne. Dies gelte auch, wenn das Wort „Zentrum“ im Zusammenhang mit der stationären Krankenhausversorgung gebraucht werde.
- 9
- II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Klägerin hat Erfolg. Sie führt zur teilweisen Aufhebung des Berufungsurteils und in diesem Umfang zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
- 10
- 1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts werden die angesprochenen Verkehrskreise durch die Verwendung der beanstandeten Bezeichnung „Neurologisch/Vaskuläres Zentrum“ gemäß §§ 3, 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG in erheblicher Weise irregeführt, weil die Beklagte damit eine für die Nachfrageentscheidung der Werbeadressaten relevante unzutreffende Vorstellung über die besondere Qualifikation ihrer Klinik hervorruft.
- 11
- a) Eine Werbung ist irreführend, wenn sie geeignet ist, bei einem erheblichen Teil der umworbenen Verkehrskreise irrige Vorstellungen über das Angebot hervorzurufen und die zu treffende Marktentschließung in wettbewerblich relevanter Weise zu beeinflussen. Die wettbewerbliche Erheblichkeit ist ein dem Irreführungstatbestand immanentes, spezifisches Relevanzerfordernis, das als eigenständige Bagatellschwelle eine zusätzliche Erheblichkeitsprüfung nach § 3 UWG überflüssig macht (BGH, Urteil vom 26. Februar 2009 - I ZR 219/06, GRUR 2009, 888 Rn. 18 = WRP 2009, 1080 - Thermoroll, mwN; Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl., § 5 Rn. 2.20 f., Rn. 2.169).
- 12
- Für die Beurteilung der Frage, ob eine Werbeaussage irreführend ist, kommt es maßgeblich darauf an, wie der angesprochene Verkehr die beanstandete Werbung versteht. Das vom Berufungsgericht festgestellte Verkehrsverständnis der Bezeichnung „Neurologisch/Vaskuläres Zentrum“ entspricht nicht der Lebenserfahrung, die im Revisionsverfahren uneingeschränkt über- prüft werden kann. Die Feststellung des Berufungsgerichts kann daher keinen Bestand haben (vgl. BGH, Urteil vom 3. Mai 2001 - I ZR 318/98, GRUR 2002, 182, 184 = WRP 2002, 74 - Das Beste jeden Morgen, mwN).
- 13
- b) Das Berufungsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass sich die beanstandete Werbung der Beklagten sowohl an Ärzte als auch an potentielle Patienten richtet. Ein unterschiedliches Verkehrsverständnis ist damit nicht verbunden, weil nicht ersichtlich ist, dass diese Kreise der Werbeaussage voneinander abweichende Sinngehalte beimessen. Es ist auch davon auszugehen, dass die fachliche Ausrichtung oder Spezialisierung zu den wesentlichen Entscheidungsgesichtspunkten bei der Wahl eines Krankenhauses gehören.
- 14
- c) Mit Erfolg wendet sich die Revision aber gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die angesprochenen Verkehrskreise verstünden den Begriff „Zentrum“ in der beanstandeten Bezeichnung nicht als Hinweis auf eine beson- dere Größe oder fachliche Qualifikation der von der Beklagten in ihrer Klinik betriebenen Unterabteilung.
- 15
- aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, in seinem ursprünglichen Sinn sei der Begriff „Zentrum“ zwar als Hinweis auf die besondere Größe und Bedeutung einer Einrichtung verstanden worden, die über den Durchschnitt gleichartiger Betriebe hinausrage. Das Wort „Zentrum“ habe jedoch einen Bedeutungswandel erfahren. Nach heutigem Sprachgebrauch werde der Begriff „Zentrum“ - insbesondere im Dienstleistungsbereich - für sich allein nicht mehr als Hinweis auf die Größe und besondere Bedeutung einer Einrichtung verstanden. Dass die stationäre Krankenhausversorgung von diesem Bedeutungswandel ausgenommen sei, sei nicht erkennbar; dies belege unter anderem auch die Verwendung des Begriffs „Medizinisches Versorgungszentrum“ in § 95 Abs. 1 Satz 2 SGB V. Auch hier werde mit dem Wort „Zentrum“ nicht auf eine besondere Größe oder eine überdurchschnittliche Fachkompetenz hingewiesen. Ein „Medizinisches Versorgungszentrum“ sei vielmehr lediglich eine fachübergrei- fende ärztlich geleitete Einrichtung, in der Ärzte als Angestellte oder Vertragsärzte tätig seien und die an der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung teilnehme. In einem vergleichbaren Sinn sei auch die beanstandete Bezeichnung „Neurologisch/Vaskuläres Zentrum“ zu verstehen. Damit sei nur die institutiona- lisierte Zusammenarbeit von Nervenärzten und Internisten gemeint.
- 16
- bb) Dieser Beurteilung vermag der Senat nicht beizutreten. Bei der Feststellung , wie der angesprochene Verkehr die Werbung mit der Bezeichnung „Neurologisch/Vaskuläres Zentrum“ versteht, ist auf den Gesamteindruck abzu- stellen, den die werbliche Darstellung vermittelt (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 2009 - I ZR 73/07, GRUR 2010, 352 Rn. 11 = WRP 2010, 636 - Hier spiegelt sich Erfahrung). Hiervon ist im Grundsatz auch das Berufungsgericht ausgegangen.
- 17
- Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts scheidet vor diesem Hintergrund jedoch eine generalisierende Betrachtung eines etwaigen Verkehrsverständnisses des Begriffs „Zentrum“ aus, zumal ein Bedeutungswandel dieses Begriffs jedenfalls nicht in demselben Maße festzustellen ist, wie er sich bei dem Begriff „Center“ vollzogen hat. Vielmehr wird der Begriff im Grundsatz als Charakterisierung für ein Unternehmen nach Bedeutung und Größe verstanden oder jedenfalls vom Verkehr auf einen entsprechenden Tatsachenkern zurückgeführt , wobei allerdings auf die jeweiligen Einzelfallumstände abzustellen ist (vgl. OLG München, GRUR-RR 2005, 59; OLG Köln, MD 2008, 807; Bornkamm in Köhler/Bornkamm aaO § 5 Rn. 5.46; MünchKomm.UWG/Busche, § 5 Rn. 672; Sosnitza in Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, 5. Aufl., § 5 Rn. 629; Fezer/ Peifer, UWG, 2. Aufl., § 5 Rn. 390; Harte/Henning/Dreyer, UWG, 2. Aufl., § 5 E Rn. 137, Stichwort „Zentrum“; A. Nordemann in Götting/Nordemann, UWG, § 5 Rn. 3.88; aA Lehmler, UWG, § 5 Rn. 265).
- 18
- cc) Die weitere Annahme des Berufungsgerichts, für die Verwendung des Begriffs „Zentrum“ im Zusammenhang mit der Einrichtung einer (Unter-)Abteilung in einem Krankenhaus ergebe sich nichts anderes, ist danach erfahrungswidrig und kann daher keinen Bestand haben. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil der Rechtsstreit zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Da sich die Werbung der Beklagten auch an potentielle Patienten richtet und das Berufungsgericht seine Würdigung unter Heranziehung der Lebenserfahrung vorgenommen hat, kann der Senat abschließend selbst beurteilen, wie die Werbung mit der Bezeichnung „Neurologisch/ Vaskuläres Zentrum“ von den in Betracht kommenden Verkehrskreisen aufgefasst wird (vgl. BGH, GRUR 2002, 182, 184 - Das Beste jeden Morgen, mwN).
- 19
- Die mit der Werbung angesprochenen Verkehrskreise werden aufgrund der verwendeten Bezeichnung „Neurologisch/Vaskuläres Zentrum“ annehmen, die von der Beklagten eingerichtete Unterabteilung habe besondere Bedeutung und damit auch eine jedenfalls über den Durchschnitt hinausgehende Kompetenz , Ausstattung und Erfahrung auf dem von der Beklagten genannten Gebiet. Es ist nicht ersichtlich, dass der Begriff „Zentrum“ von zahlreichen Krankenhäusern generell im Zusammenhang mit den darin vorhandenen Fachabteilungen verwendet wird.
- 20
- dd) Eine andere Beurteilung rechtfertigt sich entgegen der Annahme des Berufungsgerichts auch nicht aus dem Umstand, dass das Wort „Zentrum“ in § 95 SGB V als Bestandteil des zusammengesetzten Begriffs der „Medizinischen Versorgungszentren“ verwendet wird. Dabei handelt es sich um „fachübergreifende ärztlich geleitete Einrichtungen, in denen Ärzte … als Angestellte oder Vertragsärzte tätig sind“ (§ 95 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Vielmehr deutet die Verwendung des Wortes „Zentrum“ in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Leistungen eines medizinischen Zentrums über das Leistungsangebot eines von den Krankenkassen zugelassenen niedergelassenen Arztes hinausgehen müssen. Eine Einrichtung ist erst dann fachübergreifend, wenn in ihr Ärzte mit verschiedenen Facharzt- oder Schwerpunktbezeichnungen tätig sind (§ 95 Abs. 1 Satz 4 SGB V). Damit gehen die ärztlichen Leistungen eines Medizinischen Zentrums im Sinne von § 95 Abs. 1 Satz 2 SGB V erheblich über das Leistungsangebot hinaus, das ein einzelner niedergelassener (Fach-)Arzt erbringen kann. Die enge fachliche Kooperation unterschiedlicher ärztlicher Fachrichtungen bei niedergelassenen Ärzten untereinander sowie mit nichtärztlichen Leistungserbringern war gerade ein Grund für die Möglichkeit der Einrichtung von Medizinischen Versorgungszentren im Sinne des § 95 SGB V (vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung - GKV-Modernisierungsgesetz -, BT-Drucks. 15/ 1525, S. 108).
- 21
- ee) Entgegen der Auffassung der Beklagten verstehen die angesprochenen Verkehrskreise die Bezeichnung „Neurologisch/Vaskuläres Zentrum“ nicht nur als bloßen internen Behandlungsschwerpunkt. Denn die Beklagte stellt die aus ihrer Sicht besonderen Leistungen dieses „Zentrums“ im Rahmen eines eigenständigen Fachbereichs dar. Eine derartige Hervorhebung unterstreicht die besondere Bedeutung, die über eine einfache Organisationseinheit erheblich hinausgeht.
- 22
- Die Beklagte verfügt unstreitig nicht über eine überdurchschnittliche Ausstattung oder Erfahrung auf dem Gebiet der Behandlung neurologischer Erkrankungen.
- 23
- d) Die Werbung mit der unzutreffenden Bezeichnung „Neurologisch/ Vaskuläres Zentrum“ hat auch wettbewerbsrechtliche Relevanz, weil sie geeignet ist, das Marktverhalten der angesprochenen Verkehrskreise zu beeinflussen. Diese werden, sofern Behandlungsbedarf wegen einer neurologischen oder vaskulären Erkrankung besteht, aufgrund der Darstellung der Beklagten auf ihrer Internetseite veranlasst, die Klinik der Beklagten aufzusuchen, um dort eine Behandlung durchführen zu lassen.
- 24
- 2. Aus den vorstehenden Darlegungen ergibt sich zugleich, dass auch ein Anspruch auf Feststellung der Schadensersatzverpflichtung nach § 9 Satz 1 UWG und auf Erteilung der begehrten Auskunft gemäß § 242 BGB besteht, weil die Beklagte den Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG jedenfalls fahrlässig begangen hat.
- 25
- III. Danach ist das Berufungsurteil aufzuheben, soweit es den Klageantrag zu I 1 und die darauf rückbezogenen Anträge zu II und III auf Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht abgewiesen hat. In diesem Umfang ist die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen.
- 26
- Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
Bornkamm Pokrant Schaffert
Kirchhoff Koch
Vorinstanzen:
LG Rostock, Entscheidung vom 11.12.2009 - 8 O 86/09 -
OLG Rostock, Entscheidung vom 05.05.2010 - 2 U 2/10 -
(1) Unlauter handelt, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
(2) Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie unwahre Angaben enthält oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über folgende Umstände enthält:
- 1.
die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung wie Verfügbarkeit, Art, Ausführung, Vorteile, Risiken, Zusammensetzung, Zubehör, Verfahren oder Zeitpunkt der Herstellung, Lieferung oder Erbringung, Zwecktauglichkeit, Verwendungsmöglichkeit, Menge, Beschaffenheit, Kundendienst und Beschwerdeverfahren, geographische oder betriebliche Herkunft, von der Verwendung zu erwartende Ergebnisse oder die Ergebnisse oder wesentlichen Bestandteile von Tests der Waren oder Dienstleistungen; - 2.
den Anlass des Verkaufs wie das Vorhandensein eines besonderen Preisvorteils, den Preis oder die Art und Weise, in der er berechnet wird, oder die Bedingungen, unter denen die Ware geliefert oder die Dienstleistung erbracht wird; - 3.
die Person, Eigenschaften oder Rechte des Unternehmers wie Identität, Vermögen einschließlich der Rechte des geistigen Eigentums, den Umfang von Verpflichtungen, Befähigung, Status, Zulassung, Mitgliedschaften oder Beziehungen, Auszeichnungen oder Ehrungen, Beweggründe für die geschäftliche Handlung oder die Art des Vertriebs; - 4.
Aussagen oder Symbole, die im Zusammenhang mit direktem oder indirektem Sponsoring stehen oder sich auf eine Zulassung des Unternehmers oder der Waren oder Dienstleistungen beziehen; - 5.
die Notwendigkeit einer Leistung, eines Ersatzteils, eines Austauschs oder einer Reparatur; - 6.
die Einhaltung eines Verhaltenskodexes, auf den sich der Unternehmer verbindlich verpflichtet hat, wenn er auf diese Bindung hinweist, oder - 7.
Rechte des Verbrauchers, insbesondere solche auf Grund von Garantieversprechen oder Gewährleistungsrechte bei Leistungsstörungen.
(3) Eine geschäftliche Handlung ist auch irreführend, wenn
- 1.
sie im Zusammenhang mit der Vermarktung von Waren oder Dienstleistungen einschließlich vergleichender Werbung eine Verwechslungsgefahr mit einer anderen Ware oder Dienstleistung oder mit der Marke oder einem anderen Kennzeichen eines Mitbewerbers hervorruft oder - 2.
mit ihr eine Ware in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union als identisch mit einer in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf dem Markt bereitgestellten Ware vermarktet wird, obwohl sich diese Waren in ihrer Zusammensetzung oder in ihren Merkmalen wesentlich voneinander unterscheiden, sofern dies nicht durch legitime und objektive Faktoren gerechtfertigt ist.
(4) Angaben im Sinne von Absatz 1 Satz 2 sind auch Angaben im Rahmen vergleichender Werbung sowie bildliche Darstellungen und sonstige Veranstaltungen, die darauf zielen und geeignet sind, solche Angaben zu ersetzen.
(5) Es wird vermutet, dass es irreführend ist, mit der Herabsetzung eines Preises zu werben, sofern der Preis nur für eine unangemessen kurze Zeit gefordert worden ist. Ist streitig, ob und in welchem Zeitraum der Preis gefordert worden ist, so trifft die Beweislast denjenigen, der mit der Preisherabsetzung geworben hat.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Parteien betreiben in Mecklenburg-Vorpommern Kliniken. Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen einer Werbung mit dem Begriff „Neurologisch/ Vaskuläres Zentrum“ auf Unterlassung in Anspruch.
- 2
- Die von den Parteien betriebenen Kliniken, die ihre Dienstleistungen auf dem Gebiet der Krankenhausversorgung im Wesentlichen gegenüber demselben Personenkreis anbieten, liegen etwa 35 km voneinander entfernt. Sie werden mit verschiedenen Fachabteilungen im Krankenhausplan des Landes Mecklenburg-Vorpommern aufgeführt. Für die von der Beklagten betriebene Klinik ist eine neurologische Fachabteilung im Landeskrankenhausplan nicht verzeichnet. Die Beklagte richtete im Herbst 2008 als Unterabteilung der Fachabteilungen für innere Medizin und für Frührehabilitation ein „Neurologisch/ Vaskuläres Zentrum“ ein, das von einem Neurologen als Chefarzt geleitet wird. Darauf wies sie in ihrem Internetauftritt und in einem Newsletter vom 21. Januar 2009 hin.
- 3
- Die Klägerin hat die Werbung der Beklagten mit der in Rede stehenden Bezeichnung als wettbewerbswidrig beanstandet, weil der angesprochene Verkehr über den Zulassungs- und Befähigungsstatus der Beklagten getäuscht werde. Darüber hinaus entstehe der unzutreffende Eindruck, die Abteilung der Beklagten übertreffe in ihrer Größe, Bedeutung und besonderen Spezialisierung sonstige Krankenhäuser mit einer neurologischen Fachabteilung, weil der Begriff „Zentrum“ auf eine hochspezialisierte Abteilung hindeute, deren Fachkompetenz und Erfahrung erheblich über dem Durchschnitt liege.
- 4
- Die Beklagte hat demgegenüber vor allem geltend gemacht, der angesprochene Verkehr werde durch die Verwendung des Begriffs „Zentrum“ nicht irregeführt. Im Zusammenhang mit der Bezeichnung einer Dienstleistungslokalität habe der Begriff einen Bedeutungswandel erfahren. Er setze keine herausragende Qualität mehr voraus und unterscheide sich insoweit nicht von einer fachübergreifenden Gemeinschaftspraxis.
- 5
- Das Landgericht hat die Beklagte - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - unter Androhung von Ordnungsmitteln verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken mit dem Bestehen eines „Neurologisch/Vaskulären Zentrums“ an der Asklepios Klinik zu werben.
- 6
- Darüber hinaus hat es die Beklagte zur Auskunftserteilung verurteilt und die Schadensersatzverpflichtung der Beklagten festgestellt. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen.
- 7
- Mit der insoweit vom Senat zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des der Klage stattgebenden erstinstanzlichen Urteils. Die Beklagte beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
- 8
- I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die beanstandete Werbeaussage sei nicht im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG irreführend, da sie keine zur Täuschung geeigneten Angaben über die Person oder die Rechte der Beklagten als Unternehmerin enthalte. Der Begriff „Zentrum“ habe - ähnlich wie die mittlerweile modische Bezeichnung „Center“ - einen Bedeutungswandel erfahren. Der Sinn des Wortes beschränke sich nach heutigem Sprachgebrauch auf die namentliche Bezeichnung einer Einrichtung, ohne dass daraus auf deren Größe oder besondere Bedeutung geschlossen werden könne. Dies gelte auch, wenn das Wort „Zentrum“ im Zusammenhang mit der stationären Krankenhausversorgung gebraucht werde.
- 9
- II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Klägerin hat Erfolg. Sie führt zur teilweisen Aufhebung des Berufungsurteils und in diesem Umfang zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
- 10
- 1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts werden die angesprochenen Verkehrskreise durch die Verwendung der beanstandeten Bezeichnung „Neurologisch/Vaskuläres Zentrum“ gemäß §§ 3, 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG in erheblicher Weise irregeführt, weil die Beklagte damit eine für die Nachfrageentscheidung der Werbeadressaten relevante unzutreffende Vorstellung über die besondere Qualifikation ihrer Klinik hervorruft.
- 11
- a) Eine Werbung ist irreführend, wenn sie geeignet ist, bei einem erheblichen Teil der umworbenen Verkehrskreise irrige Vorstellungen über das Angebot hervorzurufen und die zu treffende Marktentschließung in wettbewerblich relevanter Weise zu beeinflussen. Die wettbewerbliche Erheblichkeit ist ein dem Irreführungstatbestand immanentes, spezifisches Relevanzerfordernis, das als eigenständige Bagatellschwelle eine zusätzliche Erheblichkeitsprüfung nach § 3 UWG überflüssig macht (BGH, Urteil vom 26. Februar 2009 - I ZR 219/06, GRUR 2009, 888 Rn. 18 = WRP 2009, 1080 - Thermoroll, mwN; Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl., § 5 Rn. 2.20 f., Rn. 2.169).
- 12
- Für die Beurteilung der Frage, ob eine Werbeaussage irreführend ist, kommt es maßgeblich darauf an, wie der angesprochene Verkehr die beanstandete Werbung versteht. Das vom Berufungsgericht festgestellte Verkehrsverständnis der Bezeichnung „Neurologisch/Vaskuläres Zentrum“ entspricht nicht der Lebenserfahrung, die im Revisionsverfahren uneingeschränkt über- prüft werden kann. Die Feststellung des Berufungsgerichts kann daher keinen Bestand haben (vgl. BGH, Urteil vom 3. Mai 2001 - I ZR 318/98, GRUR 2002, 182, 184 = WRP 2002, 74 - Das Beste jeden Morgen, mwN).
- 13
- b) Das Berufungsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass sich die beanstandete Werbung der Beklagten sowohl an Ärzte als auch an potentielle Patienten richtet. Ein unterschiedliches Verkehrsverständnis ist damit nicht verbunden, weil nicht ersichtlich ist, dass diese Kreise der Werbeaussage voneinander abweichende Sinngehalte beimessen. Es ist auch davon auszugehen, dass die fachliche Ausrichtung oder Spezialisierung zu den wesentlichen Entscheidungsgesichtspunkten bei der Wahl eines Krankenhauses gehören.
- 14
- c) Mit Erfolg wendet sich die Revision aber gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die angesprochenen Verkehrskreise verstünden den Begriff „Zentrum“ in der beanstandeten Bezeichnung nicht als Hinweis auf eine beson- dere Größe oder fachliche Qualifikation der von der Beklagten in ihrer Klinik betriebenen Unterabteilung.
- 15
- aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, in seinem ursprünglichen Sinn sei der Begriff „Zentrum“ zwar als Hinweis auf die besondere Größe und Bedeutung einer Einrichtung verstanden worden, die über den Durchschnitt gleichartiger Betriebe hinausrage. Das Wort „Zentrum“ habe jedoch einen Bedeutungswandel erfahren. Nach heutigem Sprachgebrauch werde der Begriff „Zentrum“ - insbesondere im Dienstleistungsbereich - für sich allein nicht mehr als Hinweis auf die Größe und besondere Bedeutung einer Einrichtung verstanden. Dass die stationäre Krankenhausversorgung von diesem Bedeutungswandel ausgenommen sei, sei nicht erkennbar; dies belege unter anderem auch die Verwendung des Begriffs „Medizinisches Versorgungszentrum“ in § 95 Abs. 1 Satz 2 SGB V. Auch hier werde mit dem Wort „Zentrum“ nicht auf eine besondere Größe oder eine überdurchschnittliche Fachkompetenz hingewiesen. Ein „Medizinisches Versorgungszentrum“ sei vielmehr lediglich eine fachübergrei- fende ärztlich geleitete Einrichtung, in der Ärzte als Angestellte oder Vertragsärzte tätig seien und die an der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung teilnehme. In einem vergleichbaren Sinn sei auch die beanstandete Bezeichnung „Neurologisch/Vaskuläres Zentrum“ zu verstehen. Damit sei nur die institutiona- lisierte Zusammenarbeit von Nervenärzten und Internisten gemeint.
- 16
- bb) Dieser Beurteilung vermag der Senat nicht beizutreten. Bei der Feststellung , wie der angesprochene Verkehr die Werbung mit der Bezeichnung „Neurologisch/Vaskuläres Zentrum“ versteht, ist auf den Gesamteindruck abzu- stellen, den die werbliche Darstellung vermittelt (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 2009 - I ZR 73/07, GRUR 2010, 352 Rn. 11 = WRP 2010, 636 - Hier spiegelt sich Erfahrung). Hiervon ist im Grundsatz auch das Berufungsgericht ausgegangen.
- 17
- Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts scheidet vor diesem Hintergrund jedoch eine generalisierende Betrachtung eines etwaigen Verkehrsverständnisses des Begriffs „Zentrum“ aus, zumal ein Bedeutungswandel dieses Begriffs jedenfalls nicht in demselben Maße festzustellen ist, wie er sich bei dem Begriff „Center“ vollzogen hat. Vielmehr wird der Begriff im Grundsatz als Charakterisierung für ein Unternehmen nach Bedeutung und Größe verstanden oder jedenfalls vom Verkehr auf einen entsprechenden Tatsachenkern zurückgeführt , wobei allerdings auf die jeweiligen Einzelfallumstände abzustellen ist (vgl. OLG München, GRUR-RR 2005, 59; OLG Köln, MD 2008, 807; Bornkamm in Köhler/Bornkamm aaO § 5 Rn. 5.46; MünchKomm.UWG/Busche, § 5 Rn. 672; Sosnitza in Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, 5. Aufl., § 5 Rn. 629; Fezer/ Peifer, UWG, 2. Aufl., § 5 Rn. 390; Harte/Henning/Dreyer, UWG, 2. Aufl., § 5 E Rn. 137, Stichwort „Zentrum“; A. Nordemann in Götting/Nordemann, UWG, § 5 Rn. 3.88; aA Lehmler, UWG, § 5 Rn. 265).
- 18
- cc) Die weitere Annahme des Berufungsgerichts, für die Verwendung des Begriffs „Zentrum“ im Zusammenhang mit der Einrichtung einer (Unter-)Abteilung in einem Krankenhaus ergebe sich nichts anderes, ist danach erfahrungswidrig und kann daher keinen Bestand haben. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil der Rechtsstreit zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Da sich die Werbung der Beklagten auch an potentielle Patienten richtet und das Berufungsgericht seine Würdigung unter Heranziehung der Lebenserfahrung vorgenommen hat, kann der Senat abschließend selbst beurteilen, wie die Werbung mit der Bezeichnung „Neurologisch/ Vaskuläres Zentrum“ von den in Betracht kommenden Verkehrskreisen aufgefasst wird (vgl. BGH, GRUR 2002, 182, 184 - Das Beste jeden Morgen, mwN).
- 19
- Die mit der Werbung angesprochenen Verkehrskreise werden aufgrund der verwendeten Bezeichnung „Neurologisch/Vaskuläres Zentrum“ annehmen, die von der Beklagten eingerichtete Unterabteilung habe besondere Bedeutung und damit auch eine jedenfalls über den Durchschnitt hinausgehende Kompetenz , Ausstattung und Erfahrung auf dem von der Beklagten genannten Gebiet. Es ist nicht ersichtlich, dass der Begriff „Zentrum“ von zahlreichen Krankenhäusern generell im Zusammenhang mit den darin vorhandenen Fachabteilungen verwendet wird.
- 20
- dd) Eine andere Beurteilung rechtfertigt sich entgegen der Annahme des Berufungsgerichts auch nicht aus dem Umstand, dass das Wort „Zentrum“ in § 95 SGB V als Bestandteil des zusammengesetzten Begriffs der „Medizinischen Versorgungszentren“ verwendet wird. Dabei handelt es sich um „fachübergreifende ärztlich geleitete Einrichtungen, in denen Ärzte … als Angestellte oder Vertragsärzte tätig sind“ (§ 95 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Vielmehr deutet die Verwendung des Wortes „Zentrum“ in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Leistungen eines medizinischen Zentrums über das Leistungsangebot eines von den Krankenkassen zugelassenen niedergelassenen Arztes hinausgehen müssen. Eine Einrichtung ist erst dann fachübergreifend, wenn in ihr Ärzte mit verschiedenen Facharzt- oder Schwerpunktbezeichnungen tätig sind (§ 95 Abs. 1 Satz 4 SGB V). Damit gehen die ärztlichen Leistungen eines Medizinischen Zentrums im Sinne von § 95 Abs. 1 Satz 2 SGB V erheblich über das Leistungsangebot hinaus, das ein einzelner niedergelassener (Fach-)Arzt erbringen kann. Die enge fachliche Kooperation unterschiedlicher ärztlicher Fachrichtungen bei niedergelassenen Ärzten untereinander sowie mit nichtärztlichen Leistungserbringern war gerade ein Grund für die Möglichkeit der Einrichtung von Medizinischen Versorgungszentren im Sinne des § 95 SGB V (vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung - GKV-Modernisierungsgesetz -, BT-Drucks. 15/ 1525, S. 108).
- 21
- ee) Entgegen der Auffassung der Beklagten verstehen die angesprochenen Verkehrskreise die Bezeichnung „Neurologisch/Vaskuläres Zentrum“ nicht nur als bloßen internen Behandlungsschwerpunkt. Denn die Beklagte stellt die aus ihrer Sicht besonderen Leistungen dieses „Zentrums“ im Rahmen eines eigenständigen Fachbereichs dar. Eine derartige Hervorhebung unterstreicht die besondere Bedeutung, die über eine einfache Organisationseinheit erheblich hinausgeht.
- 22
- Die Beklagte verfügt unstreitig nicht über eine überdurchschnittliche Ausstattung oder Erfahrung auf dem Gebiet der Behandlung neurologischer Erkrankungen.
- 23
- d) Die Werbung mit der unzutreffenden Bezeichnung „Neurologisch/ Vaskuläres Zentrum“ hat auch wettbewerbsrechtliche Relevanz, weil sie geeignet ist, das Marktverhalten der angesprochenen Verkehrskreise zu beeinflussen. Diese werden, sofern Behandlungsbedarf wegen einer neurologischen oder vaskulären Erkrankung besteht, aufgrund der Darstellung der Beklagten auf ihrer Internetseite veranlasst, die Klinik der Beklagten aufzusuchen, um dort eine Behandlung durchführen zu lassen.
- 24
- 2. Aus den vorstehenden Darlegungen ergibt sich zugleich, dass auch ein Anspruch auf Feststellung der Schadensersatzverpflichtung nach § 9 Satz 1 UWG und auf Erteilung der begehrten Auskunft gemäß § 242 BGB besteht, weil die Beklagte den Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG jedenfalls fahrlässig begangen hat.
- 25
- III. Danach ist das Berufungsurteil aufzuheben, soweit es den Klageantrag zu I 1 und die darauf rückbezogenen Anträge zu II und III auf Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzpflicht abgewiesen hat. In diesem Umfang ist die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen.
- 26
- Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
Bornkamm Pokrant Schaffert
Kirchhoff Koch
Vorinstanzen:
LG Rostock, Entscheidung vom 11.12.2009 - 8 O 86/09 -
OLG Rostock, Entscheidung vom 05.05.2010 - 2 U 2/10 -
(1) An der vertragsärztlichen Versorgung nehmen zugelassene Ärzte und zugelassene medizinische Versorgungszentren sowie ermächtigte Ärzte und ermächtigte Einrichtungen teil. Medizinische Versorgungszentren sind ärztlich geleitete Einrichtungen, in denen Ärzte, die in das Arztregister nach Absatz 2 Satz 3 eingetragen sind, als Angestellte oder Vertragsärzte tätig sind. Der ärztliche Leiter muss in dem medizinischen Versorgungszentrum selbst als angestellter Arzt oder als Vertragsarzt tätig sein; er ist in medizinischen Fragen weisungsfrei. Sind in einem medizinischen Versorgungszentrum Angehörige unterschiedlicher Berufsgruppen, die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, tätig, ist auch eine kooperative Leitung möglich. Die Zulassung erfolgt für den Ort der Niederlassung als Arzt oder den Ort der Niederlassung als medizinisches Versorgungszentrum (Vertragsarztsitz).
(1a) Medizinische Versorgungszentren können von zugelassenen Ärzten, von zugelassenen Krankenhäusern, von Erbringern nichtärztlicher Dialyseleistungen nach § 126 Absatz 3, von anerkannten Praxisnetzen nach § 87b Absatz 2 Satz 3, von gemeinnützigen Trägern, die aufgrund von Zulassung oder Ermächtigung an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, oder von Kommunen gegründet werden. Erbringer nichtärztlicher Dialyseleistungen nach § 126 Absatz 3 sind jedoch nur zur Gründung fachbezogener medizinischer Versorgungszentren berechtigt; ein Fachbezug besteht auch für die mit Dialyseleistungen zusammenhängenden ärztlichen Leistungen im Rahmen einer umfassenden Versorgung der Dialysepatienten. Die Gründung eines medizinischen Versorgungszentrums ist nur in der Rechtsform der Personengesellschaft, der eingetragenen Genossenschaft oder der Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder in einer öffentlich rechtlichen Rechtsform möglich. Die Zulassung von medizinischen Versorgungszentren, die am 1. Januar 2012 bereits zugelassen sind, gilt unabhängig von der Trägerschaft und der Rechtsform des medizinischen Versorgungszentrums unverändert fort; die Zulassung von medizinischen Versorgungszentren, die von Erbringern nichtärztlicher Dialyseleistungen nach § 126 Absatz 3 gegründet wurden und am 10. Mai 2019 bereits zugelassen sind, gilt unabhängig von ihrem Versorgungsangebot unverändert fort. Für die Gründung von medizinischen Versorgungszentren durch Kommunen findet § 105 Absatz 5 Satz 1 bis 4 keine Anwendung.
(1b) Ein zahnärztliches medizinisches Versorgungszentrum kann von einem Krankenhaus nur gegründet werden, soweit der Versorgungsanteil der vom Krankenhaus damit insgesamt gegründeten zahnärztlichen medizinischen Versorgungszentren an der vertragszahnärztlichen Versorgung in dem Planungsbereich der Kassenzahnärztlichen Vereinigung, in dem die Gründung des zahnärztlichen medizinischen Versorgungszentrums beabsichtigt ist, 10 Prozent nicht überschreitet. In Planungsbereichen, in denen der allgemeine bedarfsgerechte Versorgungsgrad um bis zu 50 Prozent unterschritten ist, umfasst die Gründungsbefugnis des Krankenhauses für zahnärztliche medizinische Versorgungszentren mindestens fünf Vertragszahnarztsitze oder Anstellungen. Abweichend von Satz 1 kann ein Krankenhaus ein zahnärztliches medizinisches Versorgungszentrum unter den folgenden Voraussetzungen gründen:
- 1.
in einem Planungsbereich, in dem der allgemeine bedarfsgerechte Versorgungsgrad um mehr als 50 Prozent unterschritten ist, sofern der Versorgungsanteil der vom Krankenhaus damit insgesamt gegründeten zahnärztlichen medizinischen Versorgungszentren an der vertragszahnärztlichen Versorgung in diesem Planungsbereich 20 Prozent nicht überschreitet, - 2.
in einem Planungsbereich, in dem der allgemeine bedarfsgerechte Versorgungsgrad um mehr als 10 Prozent überschritten ist, sofern der Versorgungsanteil der vom Krankenhaus gegründeten zahnärztlichen medizinischen Versorgungszentren an der vertragszahnärztlichen Versorgung in diesem Planungsbereich 5 Prozent nicht überschreitet.
(2) Um die Zulassung als Vertragsarzt kann sich jeder Arzt bewerben, der seine Eintragung in ein Arzt- oder Zahnarztregister (Arztregister) nachweist. Die Arztregister werden von den Kassenärztlichen Vereinigungen für jeden Zulassungsbezirk geführt. Die Eintragung in ein Arztregister erfolgt auf Antrag
- 1.
nach Erfüllung der Voraussetzungen nach § 95a für Vertragsärzte und nach § 95c für Psychotherapeuten, - 2.
nach Ableistung einer zweijährigen Vorbereitungszeit für Vertragszahnärzte.
(2a) (weggefallen)
(3) Die Zulassung bewirkt, daß der Vertragsarzt Mitglied der für seinen Kassenarztsitz zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung wird und zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung im Umfang seines aus der Zulassung folgenden Versorgungsauftrages berechtigt und verpflichtet ist. Die Zulassung des medizinischen Versorgungszentrums bewirkt, dass die in dem Versorgungszentrum angestellten Ärzte Mitglieder der für den Vertragsarztsitz des Versorgungszentrums zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung sind und dass das zugelassene medizinische Versorgungszentrum insoweit zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt und verpflichtet ist. Die vertraglichen Bestimmungen über die vertragsärztliche Versorgung sind verbindlich. Die Einhaltung der sich aus den Sätzen 1 und 2 ergebenden Versorgungsaufträge sind von der Kassenärztlichen Vereinigung bundeseinheitlich, insbesondere anhand der abgerechneten Fälle und anhand der Gebührenordnungspositionen mit den Angaben für den zur ärztlichen Leistungserbringung erforderlichen Zeitaufwand nach § 87 Absatz 2 Satz 1 zweiter Halbsatz, zu prüfen. Die Ergebnisse sowie eine Übersicht über die gegebenenfalls getroffenen Maßnahmen sind den Landes- und Zulassungsausschüssen sowie der für die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung zuständigen Aufsichtsbehörde jeweils zum 30. Juni des Jahres zu übermitteln.
(4) Die Ermächtigung bewirkt, daß der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt und verpflichtet ist. Die vertraglichen Bestimmungen über die vertragsärztliche Versorgung sind für sie verbindlich. Die Absätze 5 bis 7, § 75 Abs. 2 und § 81 Abs. 5 gelten entsprechend.
(5) Die Zulassung ruht auf Beschluß des Zulassungsausschusses, wenn der Vertragsarzt seine Tätigkeit nicht aufnimmt oder nicht ausübt, ihre Aufnahme aber in angemessener Frist zu erwarten ist, oder auf Antrag eines Vertragsarztes, der in den hauptamtlichen Vorstand nach § 79 Abs. 1 gewählt worden ist. Unter den gleichen Voraussetzungen kann bei vollem Versorgungsauftrag das Ruhen der Hälfte oder eines Viertels der Zulassung beschlossen werden; bei einem drei Viertel Versorgungsauftrag kann das Ruhen eines Viertels der Zulassung beschlossen werden.
(6) Die Zulassung ist zu entziehen, wenn ihre Voraussetzungen nicht oder nicht mehr vorliegen, der Vertragsarzt die vertragsärztliche Tätigkeit nicht aufnimmt oder nicht mehr ausübt oder seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt. Der Zulassungsausschuss kann in diesen Fällen statt einer vollständigen auch die Entziehung derHälfteoder eines Viertels der Zulassung beschließen. Einem medizinischen Versorgungszentrum ist die Zulassung auch dann zu entziehen, wenn die Gründungsvoraussetzungen des Absatzes 1a Satz 1 bis 3 länger als sechs Monate nicht mehr vorliegen. Die Gründereigenschaft nach Absatz 1a Satz 1 bleibt auch für die angestellten Ärzte bestehen, die auf ihre Zulassung zugunsten der Anstellung in einem medizinischen Versorgungszentrum verzichtet haben, solange sie in dem medizinischen Versorgungszentrum tätig sind und Gesellschafter des medizinischen Versorgungszentrums sind. Die Gründungsvoraussetzung nach Absatz 1a Satz 1 liegt weiterhin vor, sofern angestellte Ärzte die Gesellschafteranteile der Ärzte nach Absatz 1a Satz 1 oder der Ärzte nach Satz 4 übernehmen und solange sie in dem medizinischen Versorgungszentrum tätig sind; die Übernahme von Gesellschafteranteilen durch angestellte Ärzte ist jederzeit möglich. Medizinischen Versorgungszentren, die unter den in Absatz 1a Satz 4 erster Halbsatz geregelten Bestandsschutz fallen, ist die Zulassung zu entziehen, wenn die Gründungsvoraussetzungen des Absatzes 1 Satz 6 zweiter Halbsatz in der bis zum 31. Dezember 2011 geltenden Fassung seit mehr als sechs Monaten nicht mehr vorliegen oder das medizinische Versorgungszentrum gegenüber dem Zulassungsausschuss nicht bis zum 30. Juni 2012 nachweist, dass die ärztliche Leitung den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 3 entspricht.
(7) Die Zulassung endet, wenn die vertragsärztliche Tätigkeit in einem von Zulassungsbeschränkungen betroffenen Planungsbereich nicht innerhalb von drei Monaten nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung aufgenommen wird, mit dem Tod, mit dem Wirksamwerden eines Verzichts, mit dem Ablauf des Befristungszeitraumes oder mit dem Wegzug des Berechtigten aus dem Bezirk seines Kassenarztsitzes. Die Zulassung eines medizinischen Versorgungszentrums endet mit dem Wirksamwerden eines Verzichts, der Auflösung, dem Ablauf des Befristungszeitraumes oder mit dem Wegzug des zugelassenen medizinischen Versorgungszentrums aus dem Bezirk des Vertragsarztsitzes.
(8) (weggefallen)
(9) Der Vertragsarzt kann mit Genehmigung des Zulassungsausschusses Ärzte, die in das Arztregister eingetragen sind, anstellen, sofern für die Arztgruppe, der der anzustellende Arzt angehört, keine Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind und der Anstellung keine Festlegungen nach § 101 Absatz 1 Satz 8 entgegenstehen; hiervon abweichend ist eine Anstellungsgenehmigung trotz einer angeordneten Zulassungsbeschränkung zu erteilen, wenn mit der Anstellung Festlegungen nach § 101 Absatz 1 Satz 8 befolgt werden. Sind Zulassungsbeschränkungen angeordnet, gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass die Voraussetzungen des § 101 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 erfüllt sein müssen. Das Nähere zu der Anstellung von Ärzten bei Vertragsärzten bestimmen die Zulassungsverordnungen. Absatz 5 gilt entsprechend.
(9a) Der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmende Vertragsarzt kann mit Genehmigung des Zulassungsausschusses Ärzte, die von einer Hochschule mindestens halbtags als angestellte oder beamtete Hochschullehrer für Allgemeinmedizin oder als deren wissenschaftliche Mitarbeiter beschäftigt werden und in das Arztregister eingetragen sind, unabhängig von Zulassungsbeschränkungen anstellen. Bei der Ermittlung des Versorgungsgrades in einem Planungsbereich sind diese angestellten Ärzte nicht mitzurechnen.
(9b) Eine genehmigte Anstellung nach Absatz 9 Satz 1 ist auf Antrag des anstellenden Vertragsarztes vom Zulassungsausschuss in eine Zulassung umzuwandeln, sofern der Umfang der Tätigkeit des angestellten Arztes einem ganzen, einem halben oder einem drei Viertel Versorgungsauftrag entspricht; beantragt der anstellende Vertragsarzt nicht zugleich bei der Kassenärztlichen Vereinigung die Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens nach § 103 Absatz 3a, wird der bisher angestellte Arzt Inhaber der Zulassung.
(10) (weggefallen)
(11) (weggefallen)
(11a) (weggefallen)
(11b) (weggefallen)
(12) (weggefallen)
(13) In Zulassungssachen der Psychotherapeuten und der überwiegend oder ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzte (§ 101 Abs. 3 Satz 1) treten abweichend von § 96 Abs. 2 Satz 1 und § 97 Abs. 2 Satz 1 an die Stelle der Vertreter der Ärzte Vertreter der Psychotherapeuten und der Ärzte in gleicher Zahl; unter den Vertretern der Psychotherapeuten muß mindestens ein Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut oder ein Psychotherapeut mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen sein. Für die erstmalige Besetzung der Zulassungsausschüsse und der Berufungsausschüsse nach Satz 1 werden die Vertreter der Psychotherapeuten von der zuständigen Aufsichtsbehörde auf Vorschlag der für die beruflichen Interessen maßgeblichen Organisationen der Psychotherapeuten auf Landesebene berufen.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.