Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 01. Okt. 2007 - 1 K 893/06

bei uns veröffentlicht am01.10.2007

Tenor

Das Verfahren wird eingestellt, soweit der Kläger die auf Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gerichtete Klage zurückgenommen hat.

Im Übrigen wird der Bescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 17.07.2007 aufgehoben.

Das beklagte Land wird verpflichtet, die Ausweisungsverfügung des Regierungspräsidiums Freiburg vom 22.01.1999 und seinen Widerspruchsbescheid vom 11.02.1999 zurückzunehmen.

Der Kläger trägt 1/4, das beklagte Land trägt 3/4 der Kosten des Verfahrens.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Verpflichtung des beklagten Landes zur Rücknahme seiner Ausweisung, deren Rechtswidrigkeit wegen Verstoßes gegen Art. 8 EMRK der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte festgestellt hat.
Der 1961 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Er reiste 1972 zu seinen Eltern ins Bundesgebiet nach, die sich dort seit 1970 als türkische Arbeitnehmer aufhielten. Ihm wurden Aufenthaltserlaubnisse erteilt. Zuletzt war er im Besitz einer ihm am 14.03.1988 erteilten unbefristeten Aufenthaltserlaubnis. 1984 hatte er eine türkische Staatsangehörige geheiratet, mit der er 1986 einen Sohn bekam. Sie folgte ihm mit dem Sohn 1989 nach Deutschland. In den Jahren 1990, 1991 und 1993 wurden in Deutschland drei weitere gemeinsame eheliche Söhne geboren. Alle Familienmitglieder sind türkische Staatsangehörige, die Ehefrau des Klägers besitzt ihrerseits eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis.
Nachdem der Kläger 1983 eine ausländerrechtliche Verwarnung im Hinblick auf frühere Verurteilungen erhalten hatte und in den Jahren 1989 bis 1996 wegen Beleidigung, Körperverletzung, Widerstand und mehrfacher Trunkenheit im Verkehr zu Geld- bzw. zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafen verurteilt worden war, wurde er vom Amtsgericht LXXXXX am 11.02.1998 zu einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt, die er nach seiner Festnahme am 17.09.1998 und nach dem Widerruf einer früheren auf Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von weiteren vier Monaten verbüßte.
Vor seiner Festnahme war er aufgrund eines am 27.09.1998 unbefristet geschlossenen Arbeitsvertrags bei einer Personalleasingfirma in XXXXX beschäftigt. Vor diesem Hintergrund wies ihn das Regierungspräsidium Freiburg mit Bescheid vom 22.01.1999 aus dem Bundesgebiet aus, ohne diese Ausweisung zugleich zu befristen. Sein dagegen erhobener Widerspruch wurde vom Regierungspräsidium mit Bescheid vom 11.02.1999 zurückgewiesen.
Nachdem das Verwaltungsgericht einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gegen die Ausweisung mit Beschluss vom 20.04.1999 (9 K 174/99) abgelehnt hatte, wurde der Kläger am 03.05.1999 in die Türkei abgeschoben. Bereits am 21.05.1999 reiste er wieder ins Bundesgebiet ein und stellte einen Asylantrag.
Mit Urteil vom 02.11.1999 (9 K 307/99) wies das Verwaltungsgericht Freiburg seine Klage gegen die Ausweisungsverfügung ab. Sein Antrag auf Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil wurde vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg mit Beschluss vom 28.05.2001 (11 S 2940/99) abgelehnt. Die beiden Gerichtsentscheidungen bestätigten die vom Regierungspräsidium mit der Ausweisungsverfügung getroffene Einschätzung, dass dem Kläger zwar ein besonderer Ausweisungsschutz zustehe und deshalb die Ausweisung nur nach Ermessen verfügt werden könne, dass jedoch im Rahmen der Ermessensabwägung das öffentliche Interesse an Abwehr der vom Kläger nach wie vor ausgehenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere im Straßenverkehr und deren Abwehr durch seine Ausweisung sein privates Interesse am weiteren Verbleib im Bundesgebiet, in dem er seit 27 Jahren legal lebte, überwiege. Art. 6 GG und Art. 8 EMRK seien nicht verletzt, da seine Frau und Kinder türkische Staatsangehörige seien, die die türkische Sprache sprechen und mit der türkischen Mentalität vertraut seien, so dass ihnen die Wiederherstellung der Familieneinheit mit ihm in der Türkei zumutbar sei. Im Übrigen bestehe die Möglichkeit, im Wege der nachträglichen Befristung die Wirkung der Ausweisung einzuschränken, wenn der Kläger durch längeren Aufenthalt außerhalb der Bundesrepublik bewiesen habe, dass er sich künftig rechtstreu verhalten werde. Da das Arbeitsverhältnis des Klägers durch seine Inhaftierung unterbrochen worden sei, gehöre er seit der Inhaftierung nicht mehr dem regulären Arbeitsmarkt der Bundesrepublik an und zwar aus allein von ihm zu vertretenden Gründen, so dass er sich nicht auf besonderen Ausweisungsschutz nach Art. 14 des ARB I/80 berufen könne. Selbst wenn sein Arbeitsverhältnis trotz der Inhaftierung weiter bestehen würde und er zum privilegierten Personenkreis nach Art. 6 Abs. 1 ARB I/80 zähle, wäre seine Ausweisung zulässig. Selbst wenn man im günstigsten Fall eine Möglichkeit des Klägers sehe, sich über Art. 14 ARB 1/80 auf die eine Ausweisung einschränkenden Bestimmungen des § 12 AufenthG/EWG zu berufen, lägen die hier für eine Ausweisung erforderlichen schwerwiegenden Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vor.
Das Bundesverfassungsgericht nahm mit Beschluss vom 15.02.2002 (2 BvR 1155/01) eine Verfassungsbeschwerde des Klägers gegen den Ausweisungsbescheid, den Widerspruchsbescheid und das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg sowie den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg nicht zur Entscheidung an (Die Verfassungsbeschwerde vom 04.07.2001 wurde am 05.07.2001 ans Bundesverfassungsgericht per Fax übermittelt, allerdings ohne die Seite 8 des Verfassungsbeschwerdeschriftsatzes. Diese fehlende Seite 8 wurde erst nach dem 06.07.2001, und damit nach Ablauf der einmonatigen Verfassungsbeschwerdeschrift per Post nachgereicht - siehe die Stellungnahme des Verfahrensbevollmächtigten der Bundesregierung vom 24.01.2005 gegenüber dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte - AS. 263 der den Befristungsantrag des Klägers betreffenden Akte des Regierungspräsidiums - vorgelegt im Verfahren 1 K 1672/07. Diese Darstellung der Bundesregierung, wonach der Schriftsatz unvollständig beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sein soll, hatte der Kläger aber bestritten und unter Vorlage des Sendeberichts dargelegt, dass die Beschwerde einschließlich der Seite 8 beim Bundesverfassungsgericht eingereicht worden ist. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat deshalb später in seiner Entscheidung vom 27.10.2005 festgestellt (Rdnr. 41), dass keine Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass die Beschwerde nicht formgerecht beim Bundesverfassungsgericht eingelegt worden sei.).
Am 16.05.2002 stellte der Kläger einen Antrag auf Befristung der Wirkungen seiner Ausweisung, der vom Regierungspräsidium allerdings bis zum Ende des vom Kläger eingeleiteten und noch nicht abgeschlossenen Asylverfahrens zurückgestellt wurde.
Nachdem das Asylverfahren des Klägers rechtskräftig negativ beendet worden war (vgl. Urt. v. 07.05.2002 - A 10 K 11012/00 -) wurde der Kläger am 12.08.2003 ein zweites Mal - diesmal endgültig - in die Türkei abgeschoben, wo er sich seither in Istanbul in einfachsten Verhältnissen lebend aufhält.
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Am 19.12.2003 erinnerte der Kläger-Vertreter das Regierungspräsidium an die noch ausstehende Bescheidung seines Antrags vom 16.05.2002 auf Befristung der Wirkungen der Ausweisung und stellte zugleich einen Antrag auf nachträgliche Befristung der Wirkung der Abschiebung. Zur Begründung führte er wie schon zuvor aus, das Grundrecht aus Art. 6 GG rechtfertige es, die Befristung auf einen möglichst nahen Zeitpunkt vorzunehmen. Wie schon im Antrag auf Befristung der Wirkungen der Ausweisung verwies er auch darauf, dass für eine Befristung nicht nur die familiäre Situation des Klägers spreche, sondern auch der Umstand, dass er im Alter von 11 Jahren ins Bundesgebiet eingereist sei und damit einen wesentlichen Teil seiner Kindheit und Jugend im Bundesgebiet verbracht habe und deshalb hier in Deutschland geprägt worden sei.
11 
Mit Urteil vom 27.10.2005 (Individualbeschwerde Nr. 32231/02) stellte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte auf eine Individualbeschwerde des Klägers hin fest, dass die Ausweisung des Klägers Regel 8 der EMRK verletze. In den Gründen der Entscheidung führt der Gerichtshof aus, die Ausweisung des Klägers an sich zwar möglich gewesen wäre, in Anbetracht der familiären Umstände, insbesondere der Art vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten, der Dauer seines rechtmäßigen Aufenthalts in Deutschland, der Tatsache, dass er eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis vor der Ausweisung besessen habe und der Schwierigkeiten, mit denen seine Kinder voraussichtlich konfrontiert wären, wenn sie ihm in die Türkei folgen würden, sei der Gerichtshof jedoch der Ansicht, dass eine "unbefristete Versagung der Wiedereinreise in das Bundesgebiet" die Rechte des Beschwerdeführers auf sein Privat- und Familienleben aus Art. 8 EMRK verletze.
12 
Mit Schriftsatz vom 23.12.2005 stellte daraufhin der Kläger-Vertreter beim Regierungspräsidium in Freiburg den Antrag, die Ausweisungsverfügung vom 22.01.1999 und den Widerspruchsbescheid vom 11.02.1999 aufzuheben und dem Kläger die unverzügliche Wiedereinreise ins Bundesgebiet zu gestatten, sowie ihm eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.
13 
Mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 28.03.2006 befristete das Regierungspräsidium daraufhin die Wirkungen der Ausweisung vom 22.01.1999 und der Abschiebungen der Klägers vom 03.05.1999 und 12.08.2003 jeweils auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Entscheidung. Dieser Bescheid wurde dem Kläger-Vertreter am 03.04.2006 zugestellt.
14 
Am 03.05.2006 erhob der Kläger beim Verwaltungsgericht Freiburg (Untätigkeits-)Klage, mit der Begründung, über seinen Antrag auf Aufhebung des Ausweisungsbescheids und des entsprechenden Widerspruchsbescheids vom 28.03.2006 sei ohne zureichenden Grund immer noch nicht entschieden.
15 
Mit dem hier angegriffenen Bescheid vom 17.07.2007 lehnte das Regierungspräsidium Freiburg sowohl eine Rücknahme, als auch einen Widerruf der Ausweisungsverfügung vom 22.01.1999 und des Widerspruchsbescheids vom 11.02.1999 sowie den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ab. Zur Begründung führte es aus, eine Rücknahme nach § 48 LVwVfG scheide aus, da die Ausweisung nicht rechtswidrig sei. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe in seiner Entscheidung lediglich festgestellt, dass die Ausweisung als solche möglich gewesen sei, jedoch im Hinblick auf eine fehlende Befristungsentscheidung deren Unverhältnismäßigkeit und damit Unvereinbarkeit mit Art. 8 EMRK festgestellt. Mittlerweile habe das Regierungspräsidium jedoch durch die nachträgliche Befristung die Sperrwirkung der Ausweisung beseitigt, so dass damit dem Urteil des Gerichtshofs genüge getan sei. Auch ein Widerruf nach § 49 LVwVfG scheide aus, denn ein Widerruf setze die noch andauernde Wirksamkeit des zu widerrufenden Verwaltungsakt vor. Daran fehle es jedoch hier, da der Ausweisungsbescheid in Folge seiner Befristung seine Wirksamkeit verloren habe und somit nicht widerrufen werden könne. Seit der Befristung der Ausweisungsverfügung durch den Bescheid vom 28.03.2006 auf den Zeitpunkt seiner Bekanntgabe enthalte die Ausweisung keine Wirkung mehr, da ein Widerruf ins Leere laufen würde. Schließlich sei auch die vom Kläger begehrte Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis durch das Regierungspräsidium abzulehnen, da das Regierungspräsidium für die Erteilung eines Visums oder einer Aufenthaltserlaubnis gar nicht zuständig sei.
16 
Im Schriftsatz vom 15.08.2007 hat der Kläger-Vertreter die Einbeziehung dieses Ablehnungsbescheids in das anhängige Untätigkeitsklageverfahren erklärt und die Aufhebung dieses Bescheids beantragt.
17 
Eine parallel dazu fünf Tage später gegen den Bescheid vom 17.07.2007 eigenständig erhobene Klage beim Verwaltungsgericht (1 K 1672/07) hat der Kläger nach Hinweis des Gerichts zurückgenommen. Die in diesem späteren Verfahren vom Regierungspräsidium vorgelegten Akten wurden zum hier vorliegenden Verfahren beigezogen.
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In der mündlichen Verhandlung am 26.09.2007 hat der Kläger seinen Antrag auf Aufhebung der Ziff. 3 des Bescheids vom 17.07.2007 und auf Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis mit Blick auf die fehlende Zuständigkeit des Regierungspräsidiums Freiburg für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zurückgenommen. Zur Begründung seiner im Übrigen aufrechterhaltenen Klage trägt er vor, nach Art. 46 EMRK gelte für die Bundesrepublik und damit für das Land Baden-Württemberg und seine Behörden eine Befolgungspflicht. Dem Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs hinsichtlich der Verletzung des Art. 8 EMRK durch die unbefristete Ausweisung des Klägers sei auch durch die nachträglich verfügte Befristung der Ausweisungswirkungen nicht ausreichend Rechnung getragen worden. Erforderlich sei vielmehr eine Rücknahme der vom Europäischen Menschenrechtsgerichtshof als rechtswidrig bezeichneten Ausweisungsverfügung. Durch die Ausweisung sei dem Kläger nämlich ab Wirksamkeit der Ausweisungsverfügung mit rechtsvernichtender Wirkung seine unbefristete Aufenthaltserlaubnis und damit sein Status genommen worden, den er als ARB 1/80-Arbeitnehmer vor der Ausweisung gehabt habe. Die bloße Befristung der Ausweisungswirkungen lasse diesen Status nach Ablauf der Frist nicht etwa wieder aufleben, sondern beseitige lediglich die Sperre für eine Neuerteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Insofern sei hier aber allenfalls eine Aufenthaltserlaubnis nach § 29 AufenthG zum Zwecke des Familiennachzugs zu dem hier nach wie vor im Bundesgebiet mit gesicherten Aufenthaltsstatus lebenden Familienangehörigen (Ehefrau und minderjährige Söhne) denkbar. Einen solchen Antrag auf Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Familienzusammenführung habe er schon vor mehr als einem Jahr gestellt. Die im zugehörigen Visumsverfahren für die Erteilung der Zustimmung zuständige Ausländerbehörde, nämlich die Stadt LXXXXX, habe jedoch bisher die Zustimmungserteilung unter Hinweis darauf verweigert, dass der Versagungsgrund der Sozialhilfebedürftigkeit des Klägers vorliege. Daran habe weder der Hinweis des Klägers darauf etwas ändern können, dass er erneut bei der Personalleasingfirma, bei der er vor seiner Ausreise gearbeitet habe, ein - diesmal allerdings nur befristetes Arbeitsverhältnis - eingehen könne, noch dass seine Ehefrau, die teilerwerbstätig sei und in diesem Zusammenhang 700,-- EUR brutto verdiene zuzüglich der früheren Kindergeldzahlungen, im Übrigen krankheitsbedingt teilerwerbsunfähig sei. Es genüge seiner Rechtsstellung und dem Schutz seines Privatlebens aus Art. 8 EMRK auch nicht, wenn er sich im Rahmen einer Wiedererteilung allein auf einen abhängigen Aufenthaltsanspruch zum Zwecke des Familiennachzugs verweisen lassen müsse. Immerhin habe er vor der Ausweisung 27 Jahre lang legal im Bundesgebiet gelebt und gearbeitet und dort seit seinem 11. Lebensjahr seine prägenden Jugend- und auch die anschließenden Erwachsenenjahre verbracht. Eine Gefahr gehe von ihm für die öffentliche Sicherheit nicht mehr aus.
19 
Der Kläger beantragt,
20 
den Bescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 17.07.2007 aufzuheben und das beklagte Land zu verpflichten, den Ausweisungsbescheid vom 22.01.1999 und den Widerspruchsbescheid vom 11.02.1999 aufzuheben.
21 
Das beklagte Land beantragt,
22 
die Klage abzuweisen.
23 
Es verweist darauf, dass der Entscheidung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs mit der nachträglichen Befristung der Wirkungen der Ausweisung des Klägers ausreichend Rechnung getragen worden sei. Einen darüber hinausgehenden Anspruch auf Rücknahme der Ausweisungsverfügung habe der Kläger nicht. Er müsse sich darauf verweisen lassen, im Wege des Familiennachzugs eine Wiedererteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu erlangen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe bei seiner Entscheidung ausweislich der Ziff. 65 der Entscheidungsgründe durchaus die Befristungsregelung des Deutschen Ausländerrechts (damals noch § 8 Abs. 2 AuslG, heute gleichlautend § 11 AufenthG) im Blick gehabt, als er auf die erforderliche Befristung der Ausweisung hingewiesen habe. Im Übrigen könne sich der Kläger auch nicht nach  Art. 8 EMRK ganz unabhängig von seinen familiären Bildungen allein auf den Schutz seines Privatlebens und einen daraus abgeleiteten Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zwecks Wiedereinreise und Wiederanknüpfung an sein vor der Ausweisung im Bundesgebiet begründetes Leben berufen. Er sei nämlich erst im Alter von 11 Jahren ins Bundesgebiet gekommen, habe also gerade die prägenden frühen Kindheitsjahre nicht im Bundesgebiet verbracht, spreche nach wie vor Türkisch und sei auch der türkischen Mentalität noch ausreichend verhaftet. Schließlich habe er immer wieder über Jahre hinweg erhebliche Verkehrsstraftaten und Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit begangen und auch nicht ununterbrochen gearbeitet. Zudem sei auch seine Familie ausweislich der Ausführungen des Urteils des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs nicht alleine in Deutschland verwurzelt, sondern habe durch die türkische Sprache und Kultur sowie den Bezug der Ehefrau, die erst später zum Kläger nachgereist sei und zeitweise von ihm getrennt gelebt habe ihre Wurzeln auch in der Türkei.
24 
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Behördenakten (5 Hefte Akten des Regierungspräsidiums Freiburg) und der Gerichtsakte (1 Heft) verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
25 
Das Gericht entscheidet durch den Berichterstatter, nachdem sich die Beteiligten übereinstimmend mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben (§ 87a Abs. 2 u. 3 VwGO).
26 
Soweit der Kläger seine Klage gegen das Land Baden-Württemberg - Regierungspräsidium Freiburg - hinsichtlich der Verpflichtung zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zurückgenommen hat, ist das Verfahren einzustellen (§ 92 Abs. 3 VwGO).
27 
Im Übrigen ist die Klage auf Aufhebung des Bescheids des Regierungspräsidiums Freiburg vom 17.07.2007 (Ziff. 1 u. 2 des Bescheids) und auf Verpflichtung des Regierungspräsidiums zur Aufhebung (Rücknahme) des Ausweisungsbescheids vom 22.01.1999 und (deklaratorisch) der Aufhebung des entsprechenden Widerspruchsbescheids vom 11.02.1999 zulässig und begründet.
28 
Der Bescheid vom 17.07.2007 (Ziff. 1 und 2) ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, denn er hat Anspruch auf die Verpflichtung des Regierungspräsidiums zu der von ihm begehrten Rücknahme des Ausweisungsbescheids und des diesen bestätigenden Widerspruchsbescheids (§ 113 Abs. 1 Satz 1 u. Abs. 5 Satz 1 VwGO).
29 
Nach § 48 Abs. 1 LVwVfG kann eine rechtswidrige aber bestandskräftige Ausweisung ganz oder teilsweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 07.12.1999, BVerwGE 110, 140 = InfAuslR 2000, 176; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 11.03.1999, InfAuslR 1999, 338).
30 
Im vorliegenden Fall steht aufgrund der zur Individualbeschwerde des Klägers ergangenen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte für die Beteiligten verbindlich fest, dass die Ausweisungsverfügung des Regierungspräsidiums Freiburg vom 22.01.1999 (und damit auch der sie bestätigende Widerspruchsbescheid vom 11.02.1999) entgegen der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts Freiburg und des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg, welche die Rechtmäßigkeit dieser Verfügungen in den vom Kläger zuvor angestrengten verwaltungsgerichtlichen Verfahren bestätigt hatten, tatsächlich rechtswidrig waren.
31 
Das Rücknahmeermessen des Regierungspräsidiums Freiburg (§ 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG) war damit eröffnet, ist aber vom Regierungspräsidium mit dem hier angegriffenen Bescheid vom 17.07.2007 nicht ermessensfehlerfrei (§ 40 LVwVfG und § 114 VwGO) ausgeübt wurden.
32 
Vielmehr hat der Kläger wegen einer Reduzierung dieses Rücknahmeermessens "auf Null" einen Rechtsanspruch auf die ihm bisher vom Regierungspräsidium versagte Rücknahme dieser Ausweisung und des Widerspruchsbescheids.
33 
Zwar steht nach einhelliger Rechtsprechung fest, dass eine solche Ermessensreduzierung auf Null hinsichtlich der Rücknahme eines rechtswidrigen bzw. auch gemeinschafts-rechtswidrigen, aber - wie im vorliegenden Fall - nach den nationalen Vorschriften bestandskräftig gewordenen Verwaltungsaktes nur dann anzunehmen ist, wenn die Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Verwaltungsaktes unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles und der Gewichtung der Einzelfallgerechtigkeit einerseits sowie dem verfassungsrechtlich verbürgten Prinzip der Bestandskraft andererseits "schlechthin unerträglich" ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 15.03.2005 - 3 B 86/04 -, DÖV 2005, 651 und Beschl. v. 07.07.2004 - 6 C 24/03 -, Urt. v. 17.01.2007 - 6 C 32.06 -juris, BVerwGE 121, 126 sowie VGH Bad.-Württ., Urt. v. 24.01.2007 - 13 S 451/06 -, InfAuslR 2007, 182 und Urt. v. 28.06.2007 - 13 S 1045/07 -, FamRZ 2007, 1555=VENSA; siehe dazu auch VG Freiburg, Urt. v. 24.07.2007 - 1 K 1505/06 -, VENSA und Urt. v. 28.03.2007 -1 K 505/06 -).
34 
Dieser Maßstab einer "unerträglichen Härte" als Voraussetzung für eine Ermessensreduzierung "auf Null" gilt jedoch im vorliegenden Fall deshalb nicht, weil es der Kläger nicht etwa dabei hat bewenden lassen, den nationalen Rechtsweg durch die Inanspruchnahme der Verwaltungsgerichte bzw. sogar die Erhebung einer Verfassungsbeschwerde mit dem Ziel der Aufhebung der Ausweisungsverfügung in Anspruch zu nehmen, sondern einen Schritt darüber hinausgegangen ist und den Rechtsschutz des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Rahmen der Individualbeschwerde in Anspruch genommen hat und zwar mit Erfolg. In einer solchen Konstellation aber kann seinem Begehren nach Aufhebung des vom Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs als rechtswidrig qualifizierten Ausweisungsbescheid nicht dessen Bestandskraft entgegengehalten werden, die hier lediglich deshalb nach wie vor vorliegt, weil selbst der stattgebenden Entscheidung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs als solcher hinsichtlich dieses Bescheids keine kassatorische Wirkung zukommt (vgl. dazu Mayer-Ladewig, Europäische Menschenrechtskonvention, Handkommentar, 2. Aufl., 2006, Rdnr. 21 zu Art. 46 EMRK). Das lediglich eine Verletzung der Konvention feststellende Urteil des Menschenrechtsgerichtshofs begründet allerdings unmittelbar nach Art. 46 Abs. 1 EMRK eine Befolgungspflicht der Vertragsparteien und ihrer Organe und Behörden, hier also des Regierungspräsidiums als Behörde des Landes Baden-Württemberg, das wiederum ein Gliedstaat der Vertragspartei Bundesrepublik Deutschland ist. Die Feststellung einer Konventionsverletzung begründet für den beklagten Staat die Verpflichtung, die Konventionsverletzung abzustellen und Ersatz für die Folgen zu leisten, wenn möglich im Wege der Naturalrestitution (der EGMR spricht hier von "restitutio in integrum"), nämlich die Lage vor der Verletzung soweit wie möglich wieder herzustellen (EGMR, Urt. v. 28.11.2002, 25701/94 Nr. 72=NJW 2003, 1721). Dabei hat der Vertragsstaat einen Beurteilungsspielraum, wie er seine Pflichten aus dem Urteil erfüllen will (vgl. dazu Mayer-Ladewig, Rdnr. 23, a.a.O.). Das Bundesverfassungsgericht hat sich in einer Grundsatzentscheidung ausführlich zu dieser Befolgungspflicht aus Art. 46 EMRK geäußert und ausgeführt, dass zu der Bindung an Gesetz und Recht, wie sie in Art. 20 Abs. 3 GG den deutschen Behörden und Gerichten vorgegeben ist, auch die Berücksichtigung der EMRK und der Entscheidungen des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs zählt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.10.2004 - 2 BvR 1481/04 -, BVerfGE 111, 307 = NJW 2004, 3407). Danach gilt, dass dann, wenn eine vom Europäischen Menschenrechtsgerichtshof festgestellte Verletzung noch andauert - etwa im Fall eines Eingriffs in das Privat- und Familienleben unter Verstoß gegen Art. 8 EMRK-, die Vertragspartei verpflichtet ist, diesen Zustand zu beenden. Dabei ist es Sache des beklagten Staates jedes Hindernis im innerstaatlichen Recht zu beseitigen, das einer Wiedergutmachung der Situation des Beschwerdeführers entgegensteht. Die EMRK als solche verhält sich dabei grundsätzlich indifferent zur innerstaatlichen Rechtsordnung und soll anders als das Recht einer supranationalen Organisation nicht unmittelbar in die staatliche Rechtsordnung eingreifen. Zur Bindung um Gesetz und Recht aus Art. 20 Abs. 3 GG zählt vor diesem Hintergrund aber insbesondere, dass die Entscheidungen des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs von nationalen Behörden und Gerichten im Rahmen methodisch vertretbarer Gesetzesauslegung zu berücksichtigen sind. Für das Strafprozessrecht ergibt sich beispielsweise aus dem speziellen Wiederaufnahmegrund des § 359 Nr. 6 StPO, dass dann, wenn der Europäische Menschenrechtsgerichtshof eine Verletzung der EMRK festgestellt hat und ein Urteil eines deutschen Strafgerichts in dieser Sache bereits rechtskräftig geworden ist, dieses Verfahren wieder aufzunehmen ist und das zuständige Gericht somit die Gelegenheit erhält, sich auf Antrag erneut mit dem an sich abgeschlossenen Fall zu befassen. In anderen Verfahrensordnungen ist die Frage, wie die Bundesrepublik Deutschland im Fall ihrer Verurteilung durch den Gerichtshof reagieren soll, wenn nationale Gerichtsverfahren rechtskräftig abgeschlossen sind, nicht abschließend beantwortet. Das Bundesverfassungsgericht verweist unter diesem Aspekt jedoch darauf, dass es Sachlagen geben kann, in denen deutsche Gerichte zwar nicht über die bereits entschiedene Rechtssache erneut entscheiden können, jedoch eine erneute Befassung aufgrund eines neuen Antrags oder veränderter Umstände vorgesehen ist oder in einer anderen Konstellation eine Befassung mit der Sache noch einmal nötig ist. Besteht eine solche Möglichkeit zu einer weiteren erneuten Entscheidung in einem Rahmen eines erneuten eigenen Verfahrens, so ist das einschlägige Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs zu berücksichtigen. Dabei trifft die deutschen Gerichte die Pflicht, solange im Rahmen geltender methodischer Standards Auslegungs- und Abwägungsspielräume eröffnet sind, der konventionsgemäßen Auslegung den Vorrang zu geben. Die Entscheidung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs ist zur Kenntnis zu nehmen und auf den Fall anzuwenden, soweit die Anwendung nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere gegen Verfassungsrecht verstößt. Die Bundesrepublik Deutschland ist dabei hinsichtlich der Wahl der Mittel, mit denen das Urteil innerstaatlich umgesetzt werden muss, frei, sofern diese Mittel mit den Schlussfolgerungen aus dem Urteil vereinbar sind (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.10.2004, a.a.O.).
35 
Im vorliegenden Fall ist eine solche Verfahrenskonstellation gegeben, in der für das Regierungspräsidium bzw. das Verwaltungsgericht als kontrollierende Instanz im Rahmen der Prüfung des vom Kläger durch seinen Antrag auf Rücknahme des Ausweisungsbescheids in Gang gesetzten neuerlichen Verwaltungs- und Prüfungsverfahrens eine erneute Befassung mit der Ausweisungsentscheidung möglich ist, die der Europäische Menschenrechtsgerichtshof als rechtswidrig, weil Art. 8 EMRK verletzend, eingestuft hat.
36 
In diesem Kontext ist im Rahmen der Ermessensausübung hinsichtlich der beantragten Rücknahme der Ausweisungsverfügung nach § 48 Abs. 1 LVwVfG nicht mehr zu prüfen, ob die Aufrechterhaltung dieser Ausweisung "unerträglich hart" im Sinne der oben genannten Rechtsprechung wäre, sondern lediglich zu prüfen, ob allein die begehrte Rücknahme der Ausweisung den Konventionsanstoß aus der Welt schaffen und den Kläger bislang in seine missachteten Rechte aus Art. 8 EMRK wieder einsetzen kann, oder aber ob dies mit der gleichen Wirkung im selben Umfang auch durch eine andere unterhalb der Schwelle der vollständigen Aufhebung des Ausweisungsbescheids durch dessen Rücknahme verbleibende Maßnahme geschehen kann. Im Grundsatz gilt dabei, dass dann, wenn der Konventionsverstoß im Erlass eines Verwaltungsaktes lag, dieser nach den Vorschriften des Verwaltungsverfahrensrechts aufgehoben werden muss (Mayer-Ladewig, a.a.O., Rdnr. 25). Allerdings kann diese Verpflichtung angesichts des bestehenden Spielraums des Vertragsstaats hinsichtlich der Frage, wie er die Konventionsverletzung nach seinen innerstaatlichen Rechtsvorschriften beseitigt, dann entfallen, wenn es eine ebenso wirksame andere Verwaltungsmaßnahme gibt.
37 
Im vorliegenden Fall liegt die Besonderheit darin, dass der Europäische Menschenrechtsgerichtshof ausweislich der Begründung seines Urteils zur Individualbeschwerde des Klägers nicht die Ausweisung "an sich", sondern nur deren unbefristeten Erlass als den eigentlichen Konventionsverstoß bezeichnet hat.
38 
Durch die vor diesem Hintergrund vom Regierungspräsidium verfügte nachträgliche Befristung der rechtskräftigen Ausweisung hat es jedoch den Konventionsverstoß gegen Art. 8 EMRK nicht in einer den Anforderungen dieses Artikels und der Rechtsprechung und des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs ausreichend Rechnung tragenden Weise beseitigt und damit der Befolgungspflicht nicht vollständig Genüge getan. Aus den nachfolgend dargestellten Gründen ist nach den jetzt geltenden Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes auch keine andere Möglichkeit als die vollständige rückwirkende Aufhebung der Ausweisungsverfügung des Widerspruchsbescheids durch Rücknahme ab dem Zeitpunkt ihres Erlasses möglich. Im vorliegenden Fall hat der Europäische Menschenrechtsgerichtshof die Verletzung des Klägers in seinem Recht auf Privat- und Familienleben aus Art. 8 EMRK nicht in der Ausweisung aus dem Bundesgebiet als solcher, sondern darin gesehen, dass diese Ausweisung unbefristet erfolgte. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass im Einzelfall aus der "unbegrenzten Dauer eines Aufenthaltsverbots" die Unverhältnismäßigkeit und damit die Rechtswidrigkeit eines Eingriffs in die Rechte eines Ausländers resultieren kann, der sich in Folge langjähriger Integration und Verwurzelung und/oder insbesondere familiärer Bindungen an das Aufnahmeland auf Art. 8 EMRK berufen kann (vgl. zuletzt EGMR, Urt. v. 22.03.2007 - 1638/03 -, Maslov -, InfAuslR 2007, 221 mit einer Übersicht über diese Rechtsprechung unter Rdnr. 44 dieses Urteils). Dabei geht der Gerichtshof ersichtlich davon aus, dass in den Fällen einer aus Gründen der Verhältnismäßigkeit erfolgenden Befristung der Ausweisung oder des Aufenthaltsverbots im Anschluss an das Ende der Frist eine Wiedereinreise des betreffenden Ausländers und damit eine Anknüpfung an die durch die Ausweisung bzw. des Aufenthaltsverbots unterbrochenen familiären aber auch sonstigen Lebenszusammenhänge im Aufnahmestaat stattfindet, so dass dann gerade keine dauerhafte, lebenslange Trennung von der Familie bzw. eine lebenslange Entfernung vom Territorium des Aufenthaltsstaates stattfindet. In der den Kläger selbst betreffenden Entscheidung vom 27.10.2005 hat dies der Gerichtshof unter Ziff. 66 der Urteilsgründe zum Ausdruck gebracht, in dem er hier ausführt, er sei der Ansicht, dass eine unbefristete "Versagung der Wiedereinreise in das Bundesgebiet" die Rechte des Beschwerdeführers auf sein Privat- und Familienleben aus Art. 8 EMRK verletze (siehe insoweit auch die Urteilsanmerkung zu dieser Entscheidung von Gutmann, InfAuslR 2006, 4, wonach der EGMR ersichtlich von einer "realen Rückkehrmöglichkeit ins Bundesgebiet" ausgehe; siehe insoweit auch Kloesel/Christ, Kommentar zum Ausländerrecht, 54. Lieferung, August 2004, Rdnr. 52.10 zu Art. 8 EMRK, wonach nach der Rechtsprechung des EGMR die Dauer der Ausweisung und deren Folgen "im Hinblick auf die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit einer erneuten Einreise" in den die Ausweisung verfügenden Mitgliedstaat nach dessen nationalen Vorschriften für die Frage der Verhältnismäßigkeit der Ausweisung im Hinblick auf Art. 8 EMRK relevant sei; ähnlich hat der Europäische Gerichtshof in seiner Rechtsprechung zur Verhältnismäßigkeit aufenthaltsbeschränkender Maßnahmen ausgeführt, die beschränkende Maßnahme müsse geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten und sie dürfe nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (vgl. dazu Hailbronner, AuslR, Kommentar, 51. Lieferung, Februar 2007, Rdnr. 9 zu Art. 14 ARB 1/80). Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof geht also offenkundig davon aus, dass es aus Gründen der Abwehr einer drohenden Gefahr, die von einem Ausländer ausgeht, in Einzelfällen nur verhältnismäßig ist, diesen Ausländer zeitweise vom Territorium des Aufenthaltsstaats fernzuhalten, was im Umkehrschluss impliziert, dass nach Ablauf der befristeten Dauer der Entfernung eine Wiedereinreise und Wiederanknüpfung an den bisher bestehenden, durch die zeitweise Entfernung unterbrochenen legalen Aufenthaltsstatus im Aufenthaltsstaat stattfindet (in diesem Sinne auch VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 25.09.2002 - 11 S 862/02 -, AUAS 2003, 75=NVwZ-RR 2003, 307, wonach im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung eine Ausweisung mit Blick auf Art. 8 EMRK z. B. auch relevant sei, ob es in Folge sonstiger Abschiebungshindernisse tatsächlich überhaupt zum Vollzug einer Abschiebung zwecks Beendigung des durch die Ausweisung unrechtmäßig gewordenen Aufenthalts ankomme und wonach bedeutsam sei, dass die Ausweisung in der Regel keine Maßnahme sei, die den Ausländer "auf Dauer aus dem Bundesgebiet ausschließt", sondern deren Wirkung auch befristet werden könne; siehe auch VGH Bad.-Württ., Urt. v. 26.07.2001 - 13 S 2401/99 -, InfAuslR 2002, 2=NVwZ 2002, Beilage I 4, 51, wonach ein Ausländer auf die Möglichkeit einer Befristung der Wirkung der Ausweisungen im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung allenfalls dann verwiesen werden kann, wenn die Gewährung eines Daueraufenthaltsrechts nach Ablauf der Frist voraussichtlich rechtlich in Betracht kommt und wonach es nicht genüge, wenn eine Befristung der Ausweisung zwar eine rechtliche Möglichkeit eröffne, zu Besuchszwecken ins Bundesgebiet einzureisen, wenn dies aber mangels erkennbaren Anspruchs auf Einräumung eines auf Dauer angelegten Aufenthaltsrechts nichts daran ändere, dass der Ausländer "unter Aufgabe seiner im Bundesgebiet erzielten Integration" gezwungen wäre, seinen Lebensmittelpunkt ins Ausland zu verlegen).
39 
Vor diesem Hintergrund hat das Bundesverfassungsgericht (Beschl. v. 10.05.2007 - 2 BvR 304/07 -) darauf hingewiesen, dass eine Ausweisung selbst im Falle ihrer Befristung unverhältnismäßig sein könne, wenn damit für den Betreffenden ein unwiderbringlicher Verlust seines Privat- oder Familienlebens verbunden sei, weil das Aufenthaltsrecht nach dem Wegfall der Bindungen an das Bundesgebiet eine Wiedereinreise grundsätzlich nicht vorsehe und deshalb der Wegfall des Aufenthaltsverbots gem. § 11 Abs. 1 AufenthG nach Ende der Sperrfrist "ohne praktische Wirkung" bleibe. Darauf, dass die Rechtsprechung des EGMR dahin zu verstehen sei, dass nur eine zeitweilige Fernhaltung vom Aufenthaltsgebiet für eine bestimmte Zeitdauer zulässig sei, im Anschluss daran, aber eine Wiederanknüpfung an die frühere aufenthaltsrechtliche Position im Rahmen eines Wiedereinreiseanspruchs aus Gründen der Verhältnismäßigkeit geboten sei, wird auch in der Literatur hingewiesen (vgl. Marx, InfAuslR 2003, 374, der darauf verweist, dass ungeklärt sei, ob Art. 8 Abs. 1 EMRK faktischen Inländern nach der Ausweisung einen Wiedereinreiseanspruch verschaffe, insbesondere in den Fällen, in denen das innerstaatlichen Recht einen solchen nicht gewähre, die Ausweisung aber nur wegen ihrer begrenzten Zeitdauer verhältnismäßig sei; so auch Discher, GK-AufenthG, Lieferung Januar 2007, Rdnr. 836 und 883 vor §§ 53 AufenthG ff.).
40 
Durch die bloße Befristung der Ausweisung ist dem Kläger im vorliegenden Fall keine solche Wiederanknüpfung möglich. Er hat durch die Ausweisung seine unbefristete Aufenthaltserlaubnis, die er zuletzt nach insgesamt 27jährigem legalem Aufenthalt als Kind türkischer Arbeitnehmer und auch selbst als Arbeitnehmer gem. Art. 6 und 7 ARB 1/80 erteilt bekommen hatte, endgültig verloren, denn in Folge einer Ausweisung erlischt die Aufenthaltsgenehmigung (§ 44 Abs. 1 Nr. 1 AuslG a.F. bzw. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG). Zugleich bewirkte die Ausweisung ein Einreise- und Aufenthaltsverbot sowie eine Sperre für die Wiedererteilung einer neuerlichen Aufenthaltserlaubnis (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 1 u. Satz 2 AuslG a.F. bzw. § 11 Abs. 1 Satz 1 u. Satz 2 AufenthG). Mit der bloßen Befristung dieser Wirkungen der Ausweisung (und der zudem erfolgten Abschiebung) auf den 03.04.2006 durch den Bescheid des Regierungspräsidiums vom 28.03.2006 ist hingegen ein Wiederaufleben der erloschenen unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nicht verbunden gewesen. Denn allein der Fortfall der Ausweisungs- und Abschiebungswirkungen begründet kein Einreise- und Aufenthaltsrecht. Vielmehr bedarf ein Ausländer in einem solchen Fall einer neuen Aufenthaltsgenehmigung, über deren Antrag nach den üblichen Grundsätzen zu entscheiden ist (vgl. Walter, NVwZ 2000, 274 <278> unter Verweis auf BVerwGE 60, 133 <138> = NJW 1981, 242).
41 
Im vorliegenden Fall hat dies für den Kläger zur Folge, dass er trotz der Befristung der Wirkungen seiner Ausweisung und seiner Abschiebung mangels Rechtsanspruch auf Erteilung einer neuerlichen Aufenthaltserlaubnis nicht wieder ins Bundesgebiet zurückkehren und dort an seine durch die Ausweisung und Abschiebung für einige Jahre unterbrochenen privaten und familiären Lebensverhältnisse wieder anknüpfen kann (siehe dazu im Einzelnen unten).
42 
Obwohl also nach der Entscheidung des EGMR der Ausschluss seines Aufenthalts auf deutschem Territorium aus Gründen der Abwehr der vom Kläger für die öffentliche Sicherheit ausgehenden Gefahren durch die vom EGMR geforderte Befristung der Ausweisung nur für einen vorübergehenden Zeitraum zulässig gewesen wäre, weil aus Verhältnismäßigkeitsgründen einem derart langjährig durch sein Privatleben und/oder seine familiären Bindungen im Bundesgebiet Verwurzelten nicht allein aus vorübergehenden Gründen der Gefahrenabwehr dauerhaft und für immer seine Heimat und seine gesamten Integrationsleistungen genommen werden sollen, ist der Kläger von der Wiedererlangung seines vor der Ausweisung innegehabten aufenthaltsrechtlichen Status hier gänzlich ausgeschlossen.
43 
Aus seiner assoziationsrechtlichen Rechtsstellung nach Art. 6 bzw. 7 ARB 1/80 kann er nämlich kein eigenständiges Einreise- und Aufenthaltsrecht ableiten, vielmehr ist er nach dem Ende der Wirkung der Ausweisung nach § 11 Abs. 1 AufenthG einem normalen türkischen Staatsangehörigen gleichgestellt, der in das Bundesgebiet erstmals einreisen will (vgl. Armbruster, in: HTK-AuslR/ARB 1/80 / Art. 1405/207 Nr. 2 und Nr. 9; so auch VG Freiburg, Urt. v. 24.07.2007 - 1 K 1505/06 -). Denn ein Freizügigkeitsrecht türkischer Staatsangehöriger in die Mitgliedsstaaten der Gemeinschaft besteht nicht (vgl. Hailbronner, AuslR, 51. Lieferung, Februar 2007, Rdnr. 22 Art. 4 ARB 1/80).
44 
Auch ein Anspruch auf Wiederkehr nach § 37 AufenthG scheidet hier aus, da der Kläger vor seiner Ausreise aus dem Bundesgebiet nicht mehr minderjährig war. Zudem könnte eine Aufenthaltserlaubnis nach § 37 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG auch schon deshalb versagt werden, weil der Kläger als Ausländer ausgewiesen war, als er das Bundesgebiet verließ (vgl. etwa zum Fall einer Versagung eines solchen Wiederkehrrechts für einen Jugendlichen wegen zuvor erfolgter Ausweisung: OVG Berlin, Beschl. v. 12.09.2002 - 8 N 142.01 -, AUAS 2003, 16=juris zu der vergleichbaren Vorgängervorschrift des § 16 AuslG; so zu § 37 Abs. 3 Nr. 1 auch Discher, GK-AufenthG, Lieferung Januar 2007, Rdnr. 154 vor  § 53 AufenthG).
45 
Ein Recht auf einen erneuten Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet kann ihm auch nicht etwa gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 AufenthG i.V.m. Art. 8 EMRK gewährt werden. Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 kann in begründeten Fällen eine Aufenthaltserlaubnis auch für einen von diesem Gesetz nicht vorgesehenen Aufenthaltszweck erteilt werden. Aus Art. 8 EMRK folgt jedoch nicht, dass hier dem Kläger zwingend nach dieser Vorschrift zur Vermeidung einer Verletzung des Art. 8 EMRK ein Aufenthaltsrecht erteilt werden müsste. Zwar hat der EGMR in der Sisojeva -Entscheidung (Urt. v. 16.06.2005 - Behörden-Nr. 60654/00 -, InfAuslR 2005, 349) ausgeführt, dass auch die Verweigerung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis einen Eingriff in Art. 8 EMRK darstellen kann. In der Sisojeva-II-Entscheidung hat der EGMR allerdings ausgeführt, dass es grundsätzlich Sache der Signatarstaaten ist, innerhalb der Regelungssystem ihre nationalen Aufenthalts-bestimmungen das angemessene Mittel zur Wahrung der Konvention zu wählen (Urt. v. 15.01.2007 - Beschwerde-Nr. 60654/00 -, InfAuslR 2007, 140). Dabei hat der EGMR in der Sisojeva-I-Entscheidung auf seine ständige Rechtsprechung verwiesen, dass aus Art. 8 EMRK selbst direkt kein Recht auf Einreise und Aufenthalt folgt. Bei § 7 Abs. 1 Satz 2 handelt es sich aber nur um eine Auffangregelung für unvorhergesehene Fälle, die obendrein nicht von den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5, wie unter anderem der Sicherung des Lebensunterhalts (§ 5 Abs. 1 AufenthG) entbindet (vgl. HTK-Ausländerrecht, 07/2004, Überblick zu § 7 AufenthG und vorläufige Anwendungshinweise (VAH) Ziff. 7.1.3 zu § 7 AufenthG). Diese Vorschrift lässt sich also nur dazu nutzen, etwa einem vermögenden ausländischen Rentner oder Zweitwohnungsbesitzer den Aufenthalt in Deutschland zu gewähren (vgl. Ziff. 7.1.3 der vorläufigen Anwendungshinweise), dient jedoch ersichtlich nicht dazu, als "unvorhergesehenen Fall" i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 2 AufenthG außerhalb des Systems des spezifische Vorschriften für einen Daueraufenthalt in Deutschland zu Erwerbszwecken enthaltenden Aufenthaltsgesetzes einem ausgewiesenen Ausländer nach Ablauf der Sperrwirkung der Ausweisung erneut eine unbefristete Daueraufenthaltserlaubnis zu erteilen, um ihm so - letztlich unmittelbar auf Art. 8 EMRK gestützt - eine Anknüpfung und Fortführung an seine persönlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen zu ermöglichen.
46 
Solche aufenthaltsrechtlichen Konstruktionen unter Einbeziehung der unmittelbaren Wirkungen des Art. 8 EMRK sind deshalb bisher auch von der Rechtsprechung lediglich im Zusammenhang mit § 25 Abs. 5 AufenthG in Betracht gezogen bzw. bejaht worden, der es ermöglicht, auch einem ausgewiesenen Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, allerdings voraussetzt, dass der Betreffende - anders als hier der Kläger - sich nach wie vor in Folge eines sich aus Art. 8 EMRK ergebenden unmittelbaren Abschiebungshindernisses und eines daraus resultierenden Vollzugshindernisses im Bundesgebiet befindet (vgl. zu dieser Konstruktion mit weiteren Nachweisen der Rechtsprechung zur sogenannten "Verwurzelung" Thym, InfAuslR 2007, 133 <136 ff.> und Bergmann, ZAR 2007, 128 sowie zuletzt z. B. VG Münster, Urt. v. 11.09.2007 -5 K 347/06- juris m.w.N.).
47 
Vor diesem Hintergrund ergibt sich auch kein Rechtsanspruch des Klägers auf (Wieder-) Erteilung einer (unbefristeten) Aufenthaltserlaubnis aus Art. 12 Abs. 4 des UN-Paktes über bürgerliche und politische Rechte (BGBl. 1973 II, Seite 1534) i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 2 AufenthG. Nach dieser Vorschrift des UN-Paktes darf niemandem willkürlich das Recht entzogen werden, in sein eigenes Land einzureisen. Auch wenn der Menschenrechts-ausschuss der Vereinten Nationen in seiner generellen Anmerkung Nr. 27 zum Recht aus Art. 12 des Paktes (UN.Doc. CCPR/C/21/Rev.1/Add.9 (1999)) unter Ziff. 20 ausführt, der Wortlaut dieser Vorschrift ermögliche eine weite Interpretation, die auch long-term residents, also dauerhaft aufenthaltsberechtigte Ausländer umfassen könnte, die enge und dauerhafte Beziehungen zu dem Land ihres Aufenthalts begründet haben, folgt daraus noch nicht, dass im Falle einer Ausweisung und Abschiebung nach Ende einer Sperrfrist ein zwingender Rechtsanspruch auf Ermöglichung der Wiedereinreise durch Erteilung eines Aufenthaltstitels begründet wäre. Nach Sinn und Zweck dieser Vorschrift soll nämlich insbesondere verhindert werden, dass ein Staat durch Ausbürgerung oder willkürliche Abschiebung eine Person grundlos von ihrem Land bzw. dem Land ihres dauernden Aufenthalts fernhält. Für  Fälle der Abschiebung aber sieht Art. 13 des UN-Paktes eine spezielle Regelung vor, die Ausländer, welche sich rechtmäßig in einem Aufenthaltsstaat aufhalten, davor schützt, ohne gesetzliche Grundlage und gerichtliche Kontrolle ausgewiesen und abgeschoben zu werden. Ein unmittelbares "Recht auf Heimat", wie es sich etwa bei weiter Auslegung des Art. 8 EMRK mit Blick auf eine langjährige Verwurzelung in einem Aufenthaltsstaat unter dem Aspekt des Schutzes des Privatlebens nach der Rechtsprechung des EGMR ergeben kann, folgt daraus jedoch nicht (in der Literatur wird ohnedies schon der Ansatz des Menschenrechtsausschusses der UN bezweifelt, Art. 12 Abs. 4 auch auf Ausländer mit Daueraufenthaltsrecht anzuwenden: siehe Hailbronner, Kommentar zum Ausländerrecht, § 11 AufenthG, Rdnr. 16).
48 
Für das vergleichbare Verbot in Art. 3 des 4. Zusatzprotokolls zur EMRK vom 16.09.1963 (Neubekanntmachung: BGBl. 2002, II, S. 1054) ergibt sich dies schon aus dem Wortlaut. Nach dieser Vorschrift darf niemandem das Recht entzogen werden, in das Hoheitsgebiet des Staates einzureisen, dessen Angehöriger er ist. Daraus folgt, dass Art. 3 für Ausländer nicht gilt (so die Europäische Menschenrechtskommission in ihrer Entscheidung vom 24.05.1974, DR 46, 202 im Verfahren I.B. und der EGMR in der Sisojeva-I-Entscheidung [s.o., a.a.O.]).
49 
Selbst ein nur abgeleiteter Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Familiennachzugs des Klägers zu seiner hier im Bundesgebiet mit einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis lebenden Ehefrau und seinen sich ebenfalls mit unbefristeter Aufenthaltserlaubnis hier aufhaltenden minderjährigen Kindern ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Nach § 27 Abs. 1 AufenthG wird zwar einem Ausländer zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft mit im Bundesgebiet lebenden Familienangehörigen zum Schutz von Ehe und Familie gem. Art. 6 GG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt und verlängert. Nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG ist einem Ehegatten eines Ausländers eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn dieser Ausländer eine Niederlassungserlaubnis besitzt. Von den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 (Sicherung des Lebensunterhaltes) entbinden diese Vorschriften jedoch nicht. Deshalb aber ist das vom Kläger vom Ausland aus betriebene Visumsverfahren zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bisher auch gescheitert, weil es ihm offenbar bislang nicht gelungen ist, entsprechende Nachweise der Sicherung des Lebensunterhalts bzw. der fehlenden Sozialhilfebedürftigkeit seiner Familienangehörigen (§ 27 Abs. 3 Satz 1 AufenthG) nachzuweisen.
50 
Im Ergebnis wird der Kläger also unter diesen Umständen dauerhaft vom Bundesgebiet ferngehalten, ohne dass es ihm erneut möglich ist, im Wege der Wiedereinreise und auf der Basis der Erteilung einer neuerlichen Aufenthaltserlaubnis sich wieder legal hier aufzuhalten und damit an seine durch die Ausweisung unterbrochenen privaten und auch familiären Beziehungen im Bundesgebiet anzuknüpfen, wie er sie während seines 27jährigen legalen Aufenthalts hier geknüpft hat.
51 
Das aber ist nach dem oben Gesagten mit der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 8 EMRK nicht zu vereinbaren. Die bloße Befristung der Wirkungen der Ausweisung geht hier vielmehr ins Leere. Dass der EGMR dies mit seiner Forderung nach einer befristeten Ausreise gebilligt hätte, lässt sich entgegen der Ansicht des Beklagten auch nicht daraus entnehmen, dass der EGMR in der stattgebenden Entscheidung zur Individualbeschwerde des Klägers die seinerzeit noch geltende Befristungsregelung nach § 8 Abs. 2 Satz 3 AuslG a.F. (bzw. heute § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG) gesehen und erwähnt hat. Denn allein aus diesem Umstand folgt noch nicht, dass der EGMR tatsächlich im Einzelnen die Auswirkungen dieser Regel geprüft und gebilligt hätte. Vielmehr ist der Rechtsprechung des EGMR an vielen Stellen zu entnehmen, dass es der EGMR allein den Signatarstaaten überlässt, im Einzelnen ihre nationalen Regelungen auszulegen und anzuwenden, ohne sich hier etwa durch eine eigene Auslegung und Anwendung in innerstaatliches Recht und dessen Vollzug "einzumischen" (vgl. zu dieser "Subsidiarität" zuletzt Thym, InfAuslR 2007, 133 <135 ff.>). Auch in der vorliegenden Entscheidung zur Individualbeschwerde des Klägers hat der EGMR ersichtlich nicht weiter die Einwände der Bundesregierung im damaligen Beschwerdeverfahren geprüft, der Kläger selbst habe in dem antragsgebundenen Befristungsverfahren selbst noch gar keinen wirksamen Befristungsantrag gestellt bzw. über diese sei noch nicht zu entscheiden gewesen (siehe dazu Rdnr. 65 des Urteils vom 27.10.2005 - 32231/02 -; auch in der Entscheidung Yilmaz - Urt. v. 17.04.2003 - 52853/99 = NJW 2004, 2147 - dort Ziff. 47 und 48 - hat der EGMR zwar das Argument der Bundesregierung gesehen, dass der erforderliche Befristungsantrag gar nicht wirksam gestellt worden war, hat sich jedoch dadurch nicht daran gehindert gesehen, im nächst folgenden Abschnitt - Rdnr. 48 - gleichwohl die Ausweisung wegen ihrer fehlenden Befristung als unverhältnismäßig und damit als Verstoß gegen Art. 8 EMRK einzustufen). Der EGMR vertritt nach allem ganz offenkundig den Standpunkt, dass es Sache der nationalen Behörden und Gerichte bzw. dann wenn es die nationalen Rechtsvorschriften mangels anderweitiger Ermessens- bzw. Auslegungsspielräume nicht hergeben, Sache des Gesetzgebers ist, durch entsprechende Auslegung und Anwendung der nationalen Vorschriften bzw. durch deren Ergänzung und Änderung dafür Sorge zu tragen, dass den Verpflichtungen aus der Konvention Genüge getan wird (vgl. zur Verpflichtung aus Art. 46 EMRK zur Abhilfe bei strukturellen Mängeln der nationalen Rechtsordnung und ggf. zu einer Änderung der nationalen Rechtsnormen Mayer-Ladewig, a.a.O., Rdnr. 23 und Rdnr. 33 und 34 zu Art. 46 EMRK).
52 
Da das nationale Recht nach dem oben Gesagten dem Kläger keinen Anspruch (mehr) auf (Wieder-)Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Begründung eines neuerlichen Daueraufenthalts im Bundesgebiet gewährt, kommt im vorliegenden Fall zur (Wieder-) Herstellung des vom Kläger vor der Ausweisung innegehabten Rechtsstatus, der durch die Ausweisung erloschen ist und nach dem Gesagten durch die bloße Befristung der Ausweisungswirkungen auch nicht wieder auflebt, nach allem lediglich eine Rücknahme der Ausweisungsentscheidung in Betracht, um der Rechtssprechung des EGMR und seiner Forderung nach einer lediglich befristeten Wirkung der Ausweisung im Sinne eines nur vorläufigen befristeten Entzugs des Aufenthaltsrechts, zu genügen. Nicht zu verfangen vermag im vorliegenden Kontext der Hinweis darauf, dass jedenfalls dem sekundären Gemeinschaftsrecht die Aufspaltung in den Verlust des Freizügigkeitsrechts einerseits und in die nachfolgende Befristung dieser Wirkung andererseits nicht fremd ist, weil z. B. Art. 32 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG [Freizügigkeitsrichtlinie] vorsieht, dass ein Unionsbürger, der sein Aufenthaltsrecht aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verloren hat, einen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbots unter Hinweis auf veränderte Umstände stellen und dann einen neuerlichen Anspruch auf Zuzug ins Bundesgebiet geltend machen kann (vgl. dazu VGH Bad.-Württ., Urt. v. 28.06.2007 - 13 S 1045/07 - VENSA). Denn dem Kläger, als lediglich Assoziationsberechtigtem, steht anders als einem freizügigkeitsberechtigten Unionsbürger ein solches Zuzugsrecht gerade nicht regelmäßig zu, weshalb es in seinem Fall durchaus eine Rolle spielt, dass er durch die Ausweisung sein Aufenthaltsrecht gänzlich verloren hat und es auch durch eine Befristung der Sperrwirkung für eine Wiedererteilung im Rahmen eines neuerlichen Antrags auf Aufenthaltserlaubnis nicht wieder erlangt, während dies bei einem grundsätzlich zuzugsberechtigten EU-Bürger nicht diese Folge hat.
53 
Der Kläger kann eine vollständige Rücknahme der Ausweisung ab dem Zeitpunkt ihres Erlasses verlangen.
54 
Geklärt ist in der Rechtsprechung, dass die rückwirkende Beseitigung einer bestandskräftigen Ausweisungsverfügung im Wege der Rücknahme gem. § 48 LVwVfG neben der Befristung der Ausweisungswirkungen nach § 8 Abs. 2 Satz 3 AuslG a.F. bzw. § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG zulässig ist, also anders als der Widerruf der Ausweisung nach § 49 LVwVfG nicht etwa durch die Befristungsregelungen im Wege der Spezialität verdrängt wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 07.12.1999 - 1 C 13.99 -, BVerwGE 110, 140 <143> = InfAuslR 2000, 176 und ebenso VGH Bad.-Württ., Urt. v. 10.03.1999 - 13 S 2208/97 - InfAuslR 1999, 338; siehe auch Discher, GK-AufenthG, Januar 2007, Rdnr. 155 ff. vor § 53 AufenthG).
55 
Grundsätzlich ist zwar nach § 48 Abs. 1 Satz 1 die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts auch nach Eintritt seiner Unanfechtbarkeit ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit möglich. Von daher wäre im Grundsatz denkbar, dass das beklagte Land die Ausweisungsverfügung gem. § 48 VwVfG rückwirkend, aber nicht bezogen auf den Zeitpunkt des Erlasses der Ausweisungsverfügung, sondern bezogen auf den Zeitpunkt der Befristung ihrer Wirkung (hier den 03.04.2006) zurücknimmt, um so der Forderung des EGMR nach einer nur befristeten Dauer der Wirkung dieser Ausweisung Rechnung zu tragen. Diese Möglichkeit scheidet jedoch im vorliegenden Fall aufgrund der Systematik des Aufenthaltsgesetzes aus, welches eindeutig der Ausweisung die Gestaltungswirkung eines vollständigen Entzugs des zuvor vom betroffenen Ausländer innegehabten Aufenthaltsrechts beimisst (vgl. § 44 Abs. 1 Nr. 1 AuslG a.F. bzw. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) und kein Wiederaufleben dieser einmal durch die Ausweisung entzogenen Aufenthaltserlaubnis, sondern lediglich die (Wieder-)Erteilung einer neuen eigenständigen Aufenthaltserlaubnis aufgrund eines neuen eigenen Antrags nach Ablauf der Sperrwirkung für eine solche Wiedererteilung in Folge einer entsprechenden Befristung dieser Sperrwirkung vorsieht (siehe etwa die vergleichbare Situation im Fall der Wiedererteilung einer Gewerbe- oder Fahrerlaubnis nach vorangegangenem Entzug einer solchen Erlaubnis und Ablauf einer entsprechenden Sperrfrist). Im vorliegenden Fall des Entzugs einer Aufenthaltserlaubnis durch eine Ausweisung verbleibt in Folge der Gestaltungswirkung dieses Entzugs von der damit vollständig zum Erlöschen gebrachten Aufenthaltserlaubnis also nicht etwa ein des erneuten Wirksamwerdens fähiger Restbestand, der nach einer nur teilweise, das heißt nicht vollständig bis zum Zeitpunkt des Erlasses der Ausweisungsverfügung rückwirkenden Rücknahme weiter besteht bzw. wieder auflebt (zur grundsätzlichen Zulässigkeit der Wahl eines jeden Zeitpunkts zwischen dem Rücknahmebescheid und dem Zeitpunkt des Erlasses des zurückgenommenen Bescheids im Rahmen des § 48 Abs. 1 ["Mit Wirkung für die Vergangenheit"]: Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, 6. Aufl. 2001, Rdnr. 113, § 48 unter Verweis auf Bayr. VGH, ZBR 1991, 380). Von daher ist es verfahrensrechtlich nach den Rücknahmeregeln ausgeschlossen, die Ausweisung nur für die Zeit ab Erlass des Befristungsbescheids zurückzunehmen und ihr somit bis dahin, aber auch nur bis dahin, die Wirkungen eines Entzugs der Aufenthaltserlaubnis zu belassen, um so die nach der Rechtsprechung des EGMR geforderte Befristung des Entzugs des Aufenthaltsrechts zu erzielen.
56 
Nach allem ist die Konstruktion eines lediglich zeitweise wirkenden Entzugs der Aufenthaltserlaubnis mit anschließendem Wiederaufleben derselben nach den Vorschriften des Deutschen Verwaltungsverfahrensrechts und des Aufenthaltsrecht nicht möglich. Deshalb bleibt hier als einzige Möglichkeit, der Rechtsprechung des EGMR im folgenden Fall Rechnung zu tragen, nur die vollständige Rücknahme der Ausweisung ab dem Zeitpunkt ihres Erlasses, womit die vom Kläger vor der Ausweisung innegehabte befristete Aufenthaltserlaubnis nahtlos weiter fortbesteht.
57 
Das führt im vorliegenden Fall zudem nicht zu einem unbilligen Ergebnis, da der Kläger in Folge des tatsächlichen Vollzugs der Ausweisung durch seine Abschiebung in die Türkei und durch den jahrelangen Aufenthalt dort tatsächlich längst für die durch die Befristung der Ausweisung vom Beklagten geforderte zulässige Übergangszeit vom Territorium des Bundesgebiets entfernt worden war, so dass der Gefahrenabwehrzweck der Ausweisung sich tatsächlich auch realisiert hat.
58 
Für zukünftige Fälle wird es zur Vermeidung unvertretbarer Ergebnisse erforderlich sein, dass der Gesetzgeber entweder ein ausdrückliches Wiederkehrrecht regelt oder eine Konstruktion der Ausweisungswirkungen dahin neu regelt, dass die Ausweisung, wenn sie - beispielsweise um den Anforderungen des Art. 8 EMRK zu genügen - nur befristet verfügt wird oder nachträglich befristet wird, dann auch nur zu einem zeitweiligen Entzug der Aufenthaltserlaubnis führt. Die aktuell gültige Konstruktion jedenfalls, die den betreffenden Ausländer nach seiner Ausweisung vollständig auf den Status eines sich neu und erstmals um die Einreise bewerbenden Ausländers zurückwirft wird, wie der vorliegende Fall augenfällig zeigt, Situationen offenkundig nicht gerecht, in denen der Ausländer sich jahrzehntelang legal im Bundesgebiet aufgehalten hat und dieser Aufenthalt aus Gefahrenabwehrgründen nur zeitweise ausgeschlossen werden darf ohne dass damit dem Betreffenden gänzlich oder gar bis ans Lebensende die in Deutschland gefundene Heimat, Verwurzelung oder gar die dort verbliebene Familie genommen werden, weil dies gemessen an dem bloßen Gefahrenabwehrzweck schlichtweg eine das Übermaßverbot verletzende Reaktion darstellen würde.
59 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwGO.
60 
Die Berufung wird nach §§ 124 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen. Es ist bislang obergerichtlich nicht geklärt, wie in Fällen eines fehlenden Wiedereinreiserechts der von der Rechtsprechung des EGMR geforderten Befristung einer Ausweisung Rechnung zu tragen ist.

Gründe

 
25 
Das Gericht entscheidet durch den Berichterstatter, nachdem sich die Beteiligten übereinstimmend mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben (§ 87a Abs. 2 u. 3 VwGO).
26 
Soweit der Kläger seine Klage gegen das Land Baden-Württemberg - Regierungspräsidium Freiburg - hinsichtlich der Verpflichtung zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zurückgenommen hat, ist das Verfahren einzustellen (§ 92 Abs. 3 VwGO).
27 
Im Übrigen ist die Klage auf Aufhebung des Bescheids des Regierungspräsidiums Freiburg vom 17.07.2007 (Ziff. 1 u. 2 des Bescheids) und auf Verpflichtung des Regierungspräsidiums zur Aufhebung (Rücknahme) des Ausweisungsbescheids vom 22.01.1999 und (deklaratorisch) der Aufhebung des entsprechenden Widerspruchsbescheids vom 11.02.1999 zulässig und begründet.
28 
Der Bescheid vom 17.07.2007 (Ziff. 1 und 2) ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, denn er hat Anspruch auf die Verpflichtung des Regierungspräsidiums zu der von ihm begehrten Rücknahme des Ausweisungsbescheids und des diesen bestätigenden Widerspruchsbescheids (§ 113 Abs. 1 Satz 1 u. Abs. 5 Satz 1 VwGO).
29 
Nach § 48 Abs. 1 LVwVfG kann eine rechtswidrige aber bestandskräftige Ausweisung ganz oder teilsweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 07.12.1999, BVerwGE 110, 140 = InfAuslR 2000, 176; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 11.03.1999, InfAuslR 1999, 338).
30 
Im vorliegenden Fall steht aufgrund der zur Individualbeschwerde des Klägers ergangenen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte für die Beteiligten verbindlich fest, dass die Ausweisungsverfügung des Regierungspräsidiums Freiburg vom 22.01.1999 (und damit auch der sie bestätigende Widerspruchsbescheid vom 11.02.1999) entgegen der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts Freiburg und des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg, welche die Rechtmäßigkeit dieser Verfügungen in den vom Kläger zuvor angestrengten verwaltungsgerichtlichen Verfahren bestätigt hatten, tatsächlich rechtswidrig waren.
31 
Das Rücknahmeermessen des Regierungspräsidiums Freiburg (§ 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG) war damit eröffnet, ist aber vom Regierungspräsidium mit dem hier angegriffenen Bescheid vom 17.07.2007 nicht ermessensfehlerfrei (§ 40 LVwVfG und § 114 VwGO) ausgeübt wurden.
32 
Vielmehr hat der Kläger wegen einer Reduzierung dieses Rücknahmeermessens "auf Null" einen Rechtsanspruch auf die ihm bisher vom Regierungspräsidium versagte Rücknahme dieser Ausweisung und des Widerspruchsbescheids.
33 
Zwar steht nach einhelliger Rechtsprechung fest, dass eine solche Ermessensreduzierung auf Null hinsichtlich der Rücknahme eines rechtswidrigen bzw. auch gemeinschafts-rechtswidrigen, aber - wie im vorliegenden Fall - nach den nationalen Vorschriften bestandskräftig gewordenen Verwaltungsaktes nur dann anzunehmen ist, wenn die Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Verwaltungsaktes unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles und der Gewichtung der Einzelfallgerechtigkeit einerseits sowie dem verfassungsrechtlich verbürgten Prinzip der Bestandskraft andererseits "schlechthin unerträglich" ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 15.03.2005 - 3 B 86/04 -, DÖV 2005, 651 und Beschl. v. 07.07.2004 - 6 C 24/03 -, Urt. v. 17.01.2007 - 6 C 32.06 -juris, BVerwGE 121, 126 sowie VGH Bad.-Württ., Urt. v. 24.01.2007 - 13 S 451/06 -, InfAuslR 2007, 182 und Urt. v. 28.06.2007 - 13 S 1045/07 -, FamRZ 2007, 1555=VENSA; siehe dazu auch VG Freiburg, Urt. v. 24.07.2007 - 1 K 1505/06 -, VENSA und Urt. v. 28.03.2007 -1 K 505/06 -).
34 
Dieser Maßstab einer "unerträglichen Härte" als Voraussetzung für eine Ermessensreduzierung "auf Null" gilt jedoch im vorliegenden Fall deshalb nicht, weil es der Kläger nicht etwa dabei hat bewenden lassen, den nationalen Rechtsweg durch die Inanspruchnahme der Verwaltungsgerichte bzw. sogar die Erhebung einer Verfassungsbeschwerde mit dem Ziel der Aufhebung der Ausweisungsverfügung in Anspruch zu nehmen, sondern einen Schritt darüber hinausgegangen ist und den Rechtsschutz des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Rahmen der Individualbeschwerde in Anspruch genommen hat und zwar mit Erfolg. In einer solchen Konstellation aber kann seinem Begehren nach Aufhebung des vom Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs als rechtswidrig qualifizierten Ausweisungsbescheid nicht dessen Bestandskraft entgegengehalten werden, die hier lediglich deshalb nach wie vor vorliegt, weil selbst der stattgebenden Entscheidung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs als solcher hinsichtlich dieses Bescheids keine kassatorische Wirkung zukommt (vgl. dazu Mayer-Ladewig, Europäische Menschenrechtskonvention, Handkommentar, 2. Aufl., 2006, Rdnr. 21 zu Art. 46 EMRK). Das lediglich eine Verletzung der Konvention feststellende Urteil des Menschenrechtsgerichtshofs begründet allerdings unmittelbar nach Art. 46 Abs. 1 EMRK eine Befolgungspflicht der Vertragsparteien und ihrer Organe und Behörden, hier also des Regierungspräsidiums als Behörde des Landes Baden-Württemberg, das wiederum ein Gliedstaat der Vertragspartei Bundesrepublik Deutschland ist. Die Feststellung einer Konventionsverletzung begründet für den beklagten Staat die Verpflichtung, die Konventionsverletzung abzustellen und Ersatz für die Folgen zu leisten, wenn möglich im Wege der Naturalrestitution (der EGMR spricht hier von "restitutio in integrum"), nämlich die Lage vor der Verletzung soweit wie möglich wieder herzustellen (EGMR, Urt. v. 28.11.2002, 25701/94 Nr. 72=NJW 2003, 1721). Dabei hat der Vertragsstaat einen Beurteilungsspielraum, wie er seine Pflichten aus dem Urteil erfüllen will (vgl. dazu Mayer-Ladewig, Rdnr. 23, a.a.O.). Das Bundesverfassungsgericht hat sich in einer Grundsatzentscheidung ausführlich zu dieser Befolgungspflicht aus Art. 46 EMRK geäußert und ausgeführt, dass zu der Bindung an Gesetz und Recht, wie sie in Art. 20 Abs. 3 GG den deutschen Behörden und Gerichten vorgegeben ist, auch die Berücksichtigung der EMRK und der Entscheidungen des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs zählt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.10.2004 - 2 BvR 1481/04 -, BVerfGE 111, 307 = NJW 2004, 3407). Danach gilt, dass dann, wenn eine vom Europäischen Menschenrechtsgerichtshof festgestellte Verletzung noch andauert - etwa im Fall eines Eingriffs in das Privat- und Familienleben unter Verstoß gegen Art. 8 EMRK-, die Vertragspartei verpflichtet ist, diesen Zustand zu beenden. Dabei ist es Sache des beklagten Staates jedes Hindernis im innerstaatlichen Recht zu beseitigen, das einer Wiedergutmachung der Situation des Beschwerdeführers entgegensteht. Die EMRK als solche verhält sich dabei grundsätzlich indifferent zur innerstaatlichen Rechtsordnung und soll anders als das Recht einer supranationalen Organisation nicht unmittelbar in die staatliche Rechtsordnung eingreifen. Zur Bindung um Gesetz und Recht aus Art. 20 Abs. 3 GG zählt vor diesem Hintergrund aber insbesondere, dass die Entscheidungen des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs von nationalen Behörden und Gerichten im Rahmen methodisch vertretbarer Gesetzesauslegung zu berücksichtigen sind. Für das Strafprozessrecht ergibt sich beispielsweise aus dem speziellen Wiederaufnahmegrund des § 359 Nr. 6 StPO, dass dann, wenn der Europäische Menschenrechtsgerichtshof eine Verletzung der EMRK festgestellt hat und ein Urteil eines deutschen Strafgerichts in dieser Sache bereits rechtskräftig geworden ist, dieses Verfahren wieder aufzunehmen ist und das zuständige Gericht somit die Gelegenheit erhält, sich auf Antrag erneut mit dem an sich abgeschlossenen Fall zu befassen. In anderen Verfahrensordnungen ist die Frage, wie die Bundesrepublik Deutschland im Fall ihrer Verurteilung durch den Gerichtshof reagieren soll, wenn nationale Gerichtsverfahren rechtskräftig abgeschlossen sind, nicht abschließend beantwortet. Das Bundesverfassungsgericht verweist unter diesem Aspekt jedoch darauf, dass es Sachlagen geben kann, in denen deutsche Gerichte zwar nicht über die bereits entschiedene Rechtssache erneut entscheiden können, jedoch eine erneute Befassung aufgrund eines neuen Antrags oder veränderter Umstände vorgesehen ist oder in einer anderen Konstellation eine Befassung mit der Sache noch einmal nötig ist. Besteht eine solche Möglichkeit zu einer weiteren erneuten Entscheidung in einem Rahmen eines erneuten eigenen Verfahrens, so ist das einschlägige Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs zu berücksichtigen. Dabei trifft die deutschen Gerichte die Pflicht, solange im Rahmen geltender methodischer Standards Auslegungs- und Abwägungsspielräume eröffnet sind, der konventionsgemäßen Auslegung den Vorrang zu geben. Die Entscheidung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs ist zur Kenntnis zu nehmen und auf den Fall anzuwenden, soweit die Anwendung nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere gegen Verfassungsrecht verstößt. Die Bundesrepublik Deutschland ist dabei hinsichtlich der Wahl der Mittel, mit denen das Urteil innerstaatlich umgesetzt werden muss, frei, sofern diese Mittel mit den Schlussfolgerungen aus dem Urteil vereinbar sind (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.10.2004, a.a.O.).
35 
Im vorliegenden Fall ist eine solche Verfahrenskonstellation gegeben, in der für das Regierungspräsidium bzw. das Verwaltungsgericht als kontrollierende Instanz im Rahmen der Prüfung des vom Kläger durch seinen Antrag auf Rücknahme des Ausweisungsbescheids in Gang gesetzten neuerlichen Verwaltungs- und Prüfungsverfahrens eine erneute Befassung mit der Ausweisungsentscheidung möglich ist, die der Europäische Menschenrechtsgerichtshof als rechtswidrig, weil Art. 8 EMRK verletzend, eingestuft hat.
36 
In diesem Kontext ist im Rahmen der Ermessensausübung hinsichtlich der beantragten Rücknahme der Ausweisungsverfügung nach § 48 Abs. 1 LVwVfG nicht mehr zu prüfen, ob die Aufrechterhaltung dieser Ausweisung "unerträglich hart" im Sinne der oben genannten Rechtsprechung wäre, sondern lediglich zu prüfen, ob allein die begehrte Rücknahme der Ausweisung den Konventionsanstoß aus der Welt schaffen und den Kläger bislang in seine missachteten Rechte aus Art. 8 EMRK wieder einsetzen kann, oder aber ob dies mit der gleichen Wirkung im selben Umfang auch durch eine andere unterhalb der Schwelle der vollständigen Aufhebung des Ausweisungsbescheids durch dessen Rücknahme verbleibende Maßnahme geschehen kann. Im Grundsatz gilt dabei, dass dann, wenn der Konventionsverstoß im Erlass eines Verwaltungsaktes lag, dieser nach den Vorschriften des Verwaltungsverfahrensrechts aufgehoben werden muss (Mayer-Ladewig, a.a.O., Rdnr. 25). Allerdings kann diese Verpflichtung angesichts des bestehenden Spielraums des Vertragsstaats hinsichtlich der Frage, wie er die Konventionsverletzung nach seinen innerstaatlichen Rechtsvorschriften beseitigt, dann entfallen, wenn es eine ebenso wirksame andere Verwaltungsmaßnahme gibt.
37 
Im vorliegenden Fall liegt die Besonderheit darin, dass der Europäische Menschenrechtsgerichtshof ausweislich der Begründung seines Urteils zur Individualbeschwerde des Klägers nicht die Ausweisung "an sich", sondern nur deren unbefristeten Erlass als den eigentlichen Konventionsverstoß bezeichnet hat.
38 
Durch die vor diesem Hintergrund vom Regierungspräsidium verfügte nachträgliche Befristung der rechtskräftigen Ausweisung hat es jedoch den Konventionsverstoß gegen Art. 8 EMRK nicht in einer den Anforderungen dieses Artikels und der Rechtsprechung und des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs ausreichend Rechnung tragenden Weise beseitigt und damit der Befolgungspflicht nicht vollständig Genüge getan. Aus den nachfolgend dargestellten Gründen ist nach den jetzt geltenden Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes auch keine andere Möglichkeit als die vollständige rückwirkende Aufhebung der Ausweisungsverfügung des Widerspruchsbescheids durch Rücknahme ab dem Zeitpunkt ihres Erlasses möglich. Im vorliegenden Fall hat der Europäische Menschenrechtsgerichtshof die Verletzung des Klägers in seinem Recht auf Privat- und Familienleben aus Art. 8 EMRK nicht in der Ausweisung aus dem Bundesgebiet als solcher, sondern darin gesehen, dass diese Ausweisung unbefristet erfolgte. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass im Einzelfall aus der "unbegrenzten Dauer eines Aufenthaltsverbots" die Unverhältnismäßigkeit und damit die Rechtswidrigkeit eines Eingriffs in die Rechte eines Ausländers resultieren kann, der sich in Folge langjähriger Integration und Verwurzelung und/oder insbesondere familiärer Bindungen an das Aufnahmeland auf Art. 8 EMRK berufen kann (vgl. zuletzt EGMR, Urt. v. 22.03.2007 - 1638/03 -, Maslov -, InfAuslR 2007, 221 mit einer Übersicht über diese Rechtsprechung unter Rdnr. 44 dieses Urteils). Dabei geht der Gerichtshof ersichtlich davon aus, dass in den Fällen einer aus Gründen der Verhältnismäßigkeit erfolgenden Befristung der Ausweisung oder des Aufenthaltsverbots im Anschluss an das Ende der Frist eine Wiedereinreise des betreffenden Ausländers und damit eine Anknüpfung an die durch die Ausweisung bzw. des Aufenthaltsverbots unterbrochenen familiären aber auch sonstigen Lebenszusammenhänge im Aufnahmestaat stattfindet, so dass dann gerade keine dauerhafte, lebenslange Trennung von der Familie bzw. eine lebenslange Entfernung vom Territorium des Aufenthaltsstaates stattfindet. In der den Kläger selbst betreffenden Entscheidung vom 27.10.2005 hat dies der Gerichtshof unter Ziff. 66 der Urteilsgründe zum Ausdruck gebracht, in dem er hier ausführt, er sei der Ansicht, dass eine unbefristete "Versagung der Wiedereinreise in das Bundesgebiet" die Rechte des Beschwerdeführers auf sein Privat- und Familienleben aus Art. 8 EMRK verletze (siehe insoweit auch die Urteilsanmerkung zu dieser Entscheidung von Gutmann, InfAuslR 2006, 4, wonach der EGMR ersichtlich von einer "realen Rückkehrmöglichkeit ins Bundesgebiet" ausgehe; siehe insoweit auch Kloesel/Christ, Kommentar zum Ausländerrecht, 54. Lieferung, August 2004, Rdnr. 52.10 zu Art. 8 EMRK, wonach nach der Rechtsprechung des EGMR die Dauer der Ausweisung und deren Folgen "im Hinblick auf die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit einer erneuten Einreise" in den die Ausweisung verfügenden Mitgliedstaat nach dessen nationalen Vorschriften für die Frage der Verhältnismäßigkeit der Ausweisung im Hinblick auf Art. 8 EMRK relevant sei; ähnlich hat der Europäische Gerichtshof in seiner Rechtsprechung zur Verhältnismäßigkeit aufenthaltsbeschränkender Maßnahmen ausgeführt, die beschränkende Maßnahme müsse geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten und sie dürfe nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (vgl. dazu Hailbronner, AuslR, Kommentar, 51. Lieferung, Februar 2007, Rdnr. 9 zu Art. 14 ARB 1/80). Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof geht also offenkundig davon aus, dass es aus Gründen der Abwehr einer drohenden Gefahr, die von einem Ausländer ausgeht, in Einzelfällen nur verhältnismäßig ist, diesen Ausländer zeitweise vom Territorium des Aufenthaltsstaats fernzuhalten, was im Umkehrschluss impliziert, dass nach Ablauf der befristeten Dauer der Entfernung eine Wiedereinreise und Wiederanknüpfung an den bisher bestehenden, durch die zeitweise Entfernung unterbrochenen legalen Aufenthaltsstatus im Aufenthaltsstaat stattfindet (in diesem Sinne auch VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 25.09.2002 - 11 S 862/02 -, AUAS 2003, 75=NVwZ-RR 2003, 307, wonach im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung eine Ausweisung mit Blick auf Art. 8 EMRK z. B. auch relevant sei, ob es in Folge sonstiger Abschiebungshindernisse tatsächlich überhaupt zum Vollzug einer Abschiebung zwecks Beendigung des durch die Ausweisung unrechtmäßig gewordenen Aufenthalts ankomme und wonach bedeutsam sei, dass die Ausweisung in der Regel keine Maßnahme sei, die den Ausländer "auf Dauer aus dem Bundesgebiet ausschließt", sondern deren Wirkung auch befristet werden könne; siehe auch VGH Bad.-Württ., Urt. v. 26.07.2001 - 13 S 2401/99 -, InfAuslR 2002, 2=NVwZ 2002, Beilage I 4, 51, wonach ein Ausländer auf die Möglichkeit einer Befristung der Wirkung der Ausweisungen im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung allenfalls dann verwiesen werden kann, wenn die Gewährung eines Daueraufenthaltsrechts nach Ablauf der Frist voraussichtlich rechtlich in Betracht kommt und wonach es nicht genüge, wenn eine Befristung der Ausweisung zwar eine rechtliche Möglichkeit eröffne, zu Besuchszwecken ins Bundesgebiet einzureisen, wenn dies aber mangels erkennbaren Anspruchs auf Einräumung eines auf Dauer angelegten Aufenthaltsrechts nichts daran ändere, dass der Ausländer "unter Aufgabe seiner im Bundesgebiet erzielten Integration" gezwungen wäre, seinen Lebensmittelpunkt ins Ausland zu verlegen).
39 
Vor diesem Hintergrund hat das Bundesverfassungsgericht (Beschl. v. 10.05.2007 - 2 BvR 304/07 -) darauf hingewiesen, dass eine Ausweisung selbst im Falle ihrer Befristung unverhältnismäßig sein könne, wenn damit für den Betreffenden ein unwiderbringlicher Verlust seines Privat- oder Familienlebens verbunden sei, weil das Aufenthaltsrecht nach dem Wegfall der Bindungen an das Bundesgebiet eine Wiedereinreise grundsätzlich nicht vorsehe und deshalb der Wegfall des Aufenthaltsverbots gem. § 11 Abs. 1 AufenthG nach Ende der Sperrfrist "ohne praktische Wirkung" bleibe. Darauf, dass die Rechtsprechung des EGMR dahin zu verstehen sei, dass nur eine zeitweilige Fernhaltung vom Aufenthaltsgebiet für eine bestimmte Zeitdauer zulässig sei, im Anschluss daran, aber eine Wiederanknüpfung an die frühere aufenthaltsrechtliche Position im Rahmen eines Wiedereinreiseanspruchs aus Gründen der Verhältnismäßigkeit geboten sei, wird auch in der Literatur hingewiesen (vgl. Marx, InfAuslR 2003, 374, der darauf verweist, dass ungeklärt sei, ob Art. 8 Abs. 1 EMRK faktischen Inländern nach der Ausweisung einen Wiedereinreiseanspruch verschaffe, insbesondere in den Fällen, in denen das innerstaatlichen Recht einen solchen nicht gewähre, die Ausweisung aber nur wegen ihrer begrenzten Zeitdauer verhältnismäßig sei; so auch Discher, GK-AufenthG, Lieferung Januar 2007, Rdnr. 836 und 883 vor §§ 53 AufenthG ff.).
40 
Durch die bloße Befristung der Ausweisung ist dem Kläger im vorliegenden Fall keine solche Wiederanknüpfung möglich. Er hat durch die Ausweisung seine unbefristete Aufenthaltserlaubnis, die er zuletzt nach insgesamt 27jährigem legalem Aufenthalt als Kind türkischer Arbeitnehmer und auch selbst als Arbeitnehmer gem. Art. 6 und 7 ARB 1/80 erteilt bekommen hatte, endgültig verloren, denn in Folge einer Ausweisung erlischt die Aufenthaltsgenehmigung (§ 44 Abs. 1 Nr. 1 AuslG a.F. bzw. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG). Zugleich bewirkte die Ausweisung ein Einreise- und Aufenthaltsverbot sowie eine Sperre für die Wiedererteilung einer neuerlichen Aufenthaltserlaubnis (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 1 u. Satz 2 AuslG a.F. bzw. § 11 Abs. 1 Satz 1 u. Satz 2 AufenthG). Mit der bloßen Befristung dieser Wirkungen der Ausweisung (und der zudem erfolgten Abschiebung) auf den 03.04.2006 durch den Bescheid des Regierungspräsidiums vom 28.03.2006 ist hingegen ein Wiederaufleben der erloschenen unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nicht verbunden gewesen. Denn allein der Fortfall der Ausweisungs- und Abschiebungswirkungen begründet kein Einreise- und Aufenthaltsrecht. Vielmehr bedarf ein Ausländer in einem solchen Fall einer neuen Aufenthaltsgenehmigung, über deren Antrag nach den üblichen Grundsätzen zu entscheiden ist (vgl. Walter, NVwZ 2000, 274 <278> unter Verweis auf BVerwGE 60, 133 <138> = NJW 1981, 242).
41 
Im vorliegenden Fall hat dies für den Kläger zur Folge, dass er trotz der Befristung der Wirkungen seiner Ausweisung und seiner Abschiebung mangels Rechtsanspruch auf Erteilung einer neuerlichen Aufenthaltserlaubnis nicht wieder ins Bundesgebiet zurückkehren und dort an seine durch die Ausweisung und Abschiebung für einige Jahre unterbrochenen privaten und familiären Lebensverhältnisse wieder anknüpfen kann (siehe dazu im Einzelnen unten).
42 
Obwohl also nach der Entscheidung des EGMR der Ausschluss seines Aufenthalts auf deutschem Territorium aus Gründen der Abwehr der vom Kläger für die öffentliche Sicherheit ausgehenden Gefahren durch die vom EGMR geforderte Befristung der Ausweisung nur für einen vorübergehenden Zeitraum zulässig gewesen wäre, weil aus Verhältnismäßigkeitsgründen einem derart langjährig durch sein Privatleben und/oder seine familiären Bindungen im Bundesgebiet Verwurzelten nicht allein aus vorübergehenden Gründen der Gefahrenabwehr dauerhaft und für immer seine Heimat und seine gesamten Integrationsleistungen genommen werden sollen, ist der Kläger von der Wiedererlangung seines vor der Ausweisung innegehabten aufenthaltsrechtlichen Status hier gänzlich ausgeschlossen.
43 
Aus seiner assoziationsrechtlichen Rechtsstellung nach Art. 6 bzw. 7 ARB 1/80 kann er nämlich kein eigenständiges Einreise- und Aufenthaltsrecht ableiten, vielmehr ist er nach dem Ende der Wirkung der Ausweisung nach § 11 Abs. 1 AufenthG einem normalen türkischen Staatsangehörigen gleichgestellt, der in das Bundesgebiet erstmals einreisen will (vgl. Armbruster, in: HTK-AuslR/ARB 1/80 / Art. 1405/207 Nr. 2 und Nr. 9; so auch VG Freiburg, Urt. v. 24.07.2007 - 1 K 1505/06 -). Denn ein Freizügigkeitsrecht türkischer Staatsangehöriger in die Mitgliedsstaaten der Gemeinschaft besteht nicht (vgl. Hailbronner, AuslR, 51. Lieferung, Februar 2007, Rdnr. 22 Art. 4 ARB 1/80).
44 
Auch ein Anspruch auf Wiederkehr nach § 37 AufenthG scheidet hier aus, da der Kläger vor seiner Ausreise aus dem Bundesgebiet nicht mehr minderjährig war. Zudem könnte eine Aufenthaltserlaubnis nach § 37 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG auch schon deshalb versagt werden, weil der Kläger als Ausländer ausgewiesen war, als er das Bundesgebiet verließ (vgl. etwa zum Fall einer Versagung eines solchen Wiederkehrrechts für einen Jugendlichen wegen zuvor erfolgter Ausweisung: OVG Berlin, Beschl. v. 12.09.2002 - 8 N 142.01 -, AUAS 2003, 16=juris zu der vergleichbaren Vorgängervorschrift des § 16 AuslG; so zu § 37 Abs. 3 Nr. 1 auch Discher, GK-AufenthG, Lieferung Januar 2007, Rdnr. 154 vor  § 53 AufenthG).
45 
Ein Recht auf einen erneuten Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet kann ihm auch nicht etwa gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 AufenthG i.V.m. Art. 8 EMRK gewährt werden. Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 kann in begründeten Fällen eine Aufenthaltserlaubnis auch für einen von diesem Gesetz nicht vorgesehenen Aufenthaltszweck erteilt werden. Aus Art. 8 EMRK folgt jedoch nicht, dass hier dem Kläger zwingend nach dieser Vorschrift zur Vermeidung einer Verletzung des Art. 8 EMRK ein Aufenthaltsrecht erteilt werden müsste. Zwar hat der EGMR in der Sisojeva -Entscheidung (Urt. v. 16.06.2005 - Behörden-Nr. 60654/00 -, InfAuslR 2005, 349) ausgeführt, dass auch die Verweigerung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis einen Eingriff in Art. 8 EMRK darstellen kann. In der Sisojeva-II-Entscheidung hat der EGMR allerdings ausgeführt, dass es grundsätzlich Sache der Signatarstaaten ist, innerhalb der Regelungssystem ihre nationalen Aufenthalts-bestimmungen das angemessene Mittel zur Wahrung der Konvention zu wählen (Urt. v. 15.01.2007 - Beschwerde-Nr. 60654/00 -, InfAuslR 2007, 140). Dabei hat der EGMR in der Sisojeva-I-Entscheidung auf seine ständige Rechtsprechung verwiesen, dass aus Art. 8 EMRK selbst direkt kein Recht auf Einreise und Aufenthalt folgt. Bei § 7 Abs. 1 Satz 2 handelt es sich aber nur um eine Auffangregelung für unvorhergesehene Fälle, die obendrein nicht von den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5, wie unter anderem der Sicherung des Lebensunterhalts (§ 5 Abs. 1 AufenthG) entbindet (vgl. HTK-Ausländerrecht, 07/2004, Überblick zu § 7 AufenthG und vorläufige Anwendungshinweise (VAH) Ziff. 7.1.3 zu § 7 AufenthG). Diese Vorschrift lässt sich also nur dazu nutzen, etwa einem vermögenden ausländischen Rentner oder Zweitwohnungsbesitzer den Aufenthalt in Deutschland zu gewähren (vgl. Ziff. 7.1.3 der vorläufigen Anwendungshinweise), dient jedoch ersichtlich nicht dazu, als "unvorhergesehenen Fall" i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 2 AufenthG außerhalb des Systems des spezifische Vorschriften für einen Daueraufenthalt in Deutschland zu Erwerbszwecken enthaltenden Aufenthaltsgesetzes einem ausgewiesenen Ausländer nach Ablauf der Sperrwirkung der Ausweisung erneut eine unbefristete Daueraufenthaltserlaubnis zu erteilen, um ihm so - letztlich unmittelbar auf Art. 8 EMRK gestützt - eine Anknüpfung und Fortführung an seine persönlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen zu ermöglichen.
46 
Solche aufenthaltsrechtlichen Konstruktionen unter Einbeziehung der unmittelbaren Wirkungen des Art. 8 EMRK sind deshalb bisher auch von der Rechtsprechung lediglich im Zusammenhang mit § 25 Abs. 5 AufenthG in Betracht gezogen bzw. bejaht worden, der es ermöglicht, auch einem ausgewiesenen Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, allerdings voraussetzt, dass der Betreffende - anders als hier der Kläger - sich nach wie vor in Folge eines sich aus Art. 8 EMRK ergebenden unmittelbaren Abschiebungshindernisses und eines daraus resultierenden Vollzugshindernisses im Bundesgebiet befindet (vgl. zu dieser Konstruktion mit weiteren Nachweisen der Rechtsprechung zur sogenannten "Verwurzelung" Thym, InfAuslR 2007, 133 <136 ff.> und Bergmann, ZAR 2007, 128 sowie zuletzt z. B. VG Münster, Urt. v. 11.09.2007 -5 K 347/06- juris m.w.N.).
47 
Vor diesem Hintergrund ergibt sich auch kein Rechtsanspruch des Klägers auf (Wieder-) Erteilung einer (unbefristeten) Aufenthaltserlaubnis aus Art. 12 Abs. 4 des UN-Paktes über bürgerliche und politische Rechte (BGBl. 1973 II, Seite 1534) i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 2 AufenthG. Nach dieser Vorschrift des UN-Paktes darf niemandem willkürlich das Recht entzogen werden, in sein eigenes Land einzureisen. Auch wenn der Menschenrechts-ausschuss der Vereinten Nationen in seiner generellen Anmerkung Nr. 27 zum Recht aus Art. 12 des Paktes (UN.Doc. CCPR/C/21/Rev.1/Add.9 (1999)) unter Ziff. 20 ausführt, der Wortlaut dieser Vorschrift ermögliche eine weite Interpretation, die auch long-term residents, also dauerhaft aufenthaltsberechtigte Ausländer umfassen könnte, die enge und dauerhafte Beziehungen zu dem Land ihres Aufenthalts begründet haben, folgt daraus noch nicht, dass im Falle einer Ausweisung und Abschiebung nach Ende einer Sperrfrist ein zwingender Rechtsanspruch auf Ermöglichung der Wiedereinreise durch Erteilung eines Aufenthaltstitels begründet wäre. Nach Sinn und Zweck dieser Vorschrift soll nämlich insbesondere verhindert werden, dass ein Staat durch Ausbürgerung oder willkürliche Abschiebung eine Person grundlos von ihrem Land bzw. dem Land ihres dauernden Aufenthalts fernhält. Für  Fälle der Abschiebung aber sieht Art. 13 des UN-Paktes eine spezielle Regelung vor, die Ausländer, welche sich rechtmäßig in einem Aufenthaltsstaat aufhalten, davor schützt, ohne gesetzliche Grundlage und gerichtliche Kontrolle ausgewiesen und abgeschoben zu werden. Ein unmittelbares "Recht auf Heimat", wie es sich etwa bei weiter Auslegung des Art. 8 EMRK mit Blick auf eine langjährige Verwurzelung in einem Aufenthaltsstaat unter dem Aspekt des Schutzes des Privatlebens nach der Rechtsprechung des EGMR ergeben kann, folgt daraus jedoch nicht (in der Literatur wird ohnedies schon der Ansatz des Menschenrechtsausschusses der UN bezweifelt, Art. 12 Abs. 4 auch auf Ausländer mit Daueraufenthaltsrecht anzuwenden: siehe Hailbronner, Kommentar zum Ausländerrecht, § 11 AufenthG, Rdnr. 16).
48 
Für das vergleichbare Verbot in Art. 3 des 4. Zusatzprotokolls zur EMRK vom 16.09.1963 (Neubekanntmachung: BGBl. 2002, II, S. 1054) ergibt sich dies schon aus dem Wortlaut. Nach dieser Vorschrift darf niemandem das Recht entzogen werden, in das Hoheitsgebiet des Staates einzureisen, dessen Angehöriger er ist. Daraus folgt, dass Art. 3 für Ausländer nicht gilt (so die Europäische Menschenrechtskommission in ihrer Entscheidung vom 24.05.1974, DR 46, 202 im Verfahren I.B. und der EGMR in der Sisojeva-I-Entscheidung [s.o., a.a.O.]).
49 
Selbst ein nur abgeleiteter Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Familiennachzugs des Klägers zu seiner hier im Bundesgebiet mit einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis lebenden Ehefrau und seinen sich ebenfalls mit unbefristeter Aufenthaltserlaubnis hier aufhaltenden minderjährigen Kindern ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Nach § 27 Abs. 1 AufenthG wird zwar einem Ausländer zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft mit im Bundesgebiet lebenden Familienangehörigen zum Schutz von Ehe und Familie gem. Art. 6 GG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt und verlängert. Nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG ist einem Ehegatten eines Ausländers eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn dieser Ausländer eine Niederlassungserlaubnis besitzt. Von den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 (Sicherung des Lebensunterhaltes) entbinden diese Vorschriften jedoch nicht. Deshalb aber ist das vom Kläger vom Ausland aus betriebene Visumsverfahren zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bisher auch gescheitert, weil es ihm offenbar bislang nicht gelungen ist, entsprechende Nachweise der Sicherung des Lebensunterhalts bzw. der fehlenden Sozialhilfebedürftigkeit seiner Familienangehörigen (§ 27 Abs. 3 Satz 1 AufenthG) nachzuweisen.
50 
Im Ergebnis wird der Kläger also unter diesen Umständen dauerhaft vom Bundesgebiet ferngehalten, ohne dass es ihm erneut möglich ist, im Wege der Wiedereinreise und auf der Basis der Erteilung einer neuerlichen Aufenthaltserlaubnis sich wieder legal hier aufzuhalten und damit an seine durch die Ausweisung unterbrochenen privaten und auch familiären Beziehungen im Bundesgebiet anzuknüpfen, wie er sie während seines 27jährigen legalen Aufenthalts hier geknüpft hat.
51 
Das aber ist nach dem oben Gesagten mit der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 8 EMRK nicht zu vereinbaren. Die bloße Befristung der Wirkungen der Ausweisung geht hier vielmehr ins Leere. Dass der EGMR dies mit seiner Forderung nach einer befristeten Ausreise gebilligt hätte, lässt sich entgegen der Ansicht des Beklagten auch nicht daraus entnehmen, dass der EGMR in der stattgebenden Entscheidung zur Individualbeschwerde des Klägers die seinerzeit noch geltende Befristungsregelung nach § 8 Abs. 2 Satz 3 AuslG a.F. (bzw. heute § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG) gesehen und erwähnt hat. Denn allein aus diesem Umstand folgt noch nicht, dass der EGMR tatsächlich im Einzelnen die Auswirkungen dieser Regel geprüft und gebilligt hätte. Vielmehr ist der Rechtsprechung des EGMR an vielen Stellen zu entnehmen, dass es der EGMR allein den Signatarstaaten überlässt, im Einzelnen ihre nationalen Regelungen auszulegen und anzuwenden, ohne sich hier etwa durch eine eigene Auslegung und Anwendung in innerstaatliches Recht und dessen Vollzug "einzumischen" (vgl. zu dieser "Subsidiarität" zuletzt Thym, InfAuslR 2007, 133 <135 ff.>). Auch in der vorliegenden Entscheidung zur Individualbeschwerde des Klägers hat der EGMR ersichtlich nicht weiter die Einwände der Bundesregierung im damaligen Beschwerdeverfahren geprüft, der Kläger selbst habe in dem antragsgebundenen Befristungsverfahren selbst noch gar keinen wirksamen Befristungsantrag gestellt bzw. über diese sei noch nicht zu entscheiden gewesen (siehe dazu Rdnr. 65 des Urteils vom 27.10.2005 - 32231/02 -; auch in der Entscheidung Yilmaz - Urt. v. 17.04.2003 - 52853/99 = NJW 2004, 2147 - dort Ziff. 47 und 48 - hat der EGMR zwar das Argument der Bundesregierung gesehen, dass der erforderliche Befristungsantrag gar nicht wirksam gestellt worden war, hat sich jedoch dadurch nicht daran gehindert gesehen, im nächst folgenden Abschnitt - Rdnr. 48 - gleichwohl die Ausweisung wegen ihrer fehlenden Befristung als unverhältnismäßig und damit als Verstoß gegen Art. 8 EMRK einzustufen). Der EGMR vertritt nach allem ganz offenkundig den Standpunkt, dass es Sache der nationalen Behörden und Gerichte bzw. dann wenn es die nationalen Rechtsvorschriften mangels anderweitiger Ermessens- bzw. Auslegungsspielräume nicht hergeben, Sache des Gesetzgebers ist, durch entsprechende Auslegung und Anwendung der nationalen Vorschriften bzw. durch deren Ergänzung und Änderung dafür Sorge zu tragen, dass den Verpflichtungen aus der Konvention Genüge getan wird (vgl. zur Verpflichtung aus Art. 46 EMRK zur Abhilfe bei strukturellen Mängeln der nationalen Rechtsordnung und ggf. zu einer Änderung der nationalen Rechtsnormen Mayer-Ladewig, a.a.O., Rdnr. 23 und Rdnr. 33 und 34 zu Art. 46 EMRK).
52 
Da das nationale Recht nach dem oben Gesagten dem Kläger keinen Anspruch (mehr) auf (Wieder-)Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Begründung eines neuerlichen Daueraufenthalts im Bundesgebiet gewährt, kommt im vorliegenden Fall zur (Wieder-) Herstellung des vom Kläger vor der Ausweisung innegehabten Rechtsstatus, der durch die Ausweisung erloschen ist und nach dem Gesagten durch die bloße Befristung der Ausweisungswirkungen auch nicht wieder auflebt, nach allem lediglich eine Rücknahme der Ausweisungsentscheidung in Betracht, um der Rechtssprechung des EGMR und seiner Forderung nach einer lediglich befristeten Wirkung der Ausweisung im Sinne eines nur vorläufigen befristeten Entzugs des Aufenthaltsrechts, zu genügen. Nicht zu verfangen vermag im vorliegenden Kontext der Hinweis darauf, dass jedenfalls dem sekundären Gemeinschaftsrecht die Aufspaltung in den Verlust des Freizügigkeitsrechts einerseits und in die nachfolgende Befristung dieser Wirkung andererseits nicht fremd ist, weil z. B. Art. 32 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG [Freizügigkeitsrichtlinie] vorsieht, dass ein Unionsbürger, der sein Aufenthaltsrecht aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verloren hat, einen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbots unter Hinweis auf veränderte Umstände stellen und dann einen neuerlichen Anspruch auf Zuzug ins Bundesgebiet geltend machen kann (vgl. dazu VGH Bad.-Württ., Urt. v. 28.06.2007 - 13 S 1045/07 - VENSA). Denn dem Kläger, als lediglich Assoziationsberechtigtem, steht anders als einem freizügigkeitsberechtigten Unionsbürger ein solches Zuzugsrecht gerade nicht regelmäßig zu, weshalb es in seinem Fall durchaus eine Rolle spielt, dass er durch die Ausweisung sein Aufenthaltsrecht gänzlich verloren hat und es auch durch eine Befristung der Sperrwirkung für eine Wiedererteilung im Rahmen eines neuerlichen Antrags auf Aufenthaltserlaubnis nicht wieder erlangt, während dies bei einem grundsätzlich zuzugsberechtigten EU-Bürger nicht diese Folge hat.
53 
Der Kläger kann eine vollständige Rücknahme der Ausweisung ab dem Zeitpunkt ihres Erlasses verlangen.
54 
Geklärt ist in der Rechtsprechung, dass die rückwirkende Beseitigung einer bestandskräftigen Ausweisungsverfügung im Wege der Rücknahme gem. § 48 LVwVfG neben der Befristung der Ausweisungswirkungen nach § 8 Abs. 2 Satz 3 AuslG a.F. bzw. § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG zulässig ist, also anders als der Widerruf der Ausweisung nach § 49 LVwVfG nicht etwa durch die Befristungsregelungen im Wege der Spezialität verdrängt wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 07.12.1999 - 1 C 13.99 -, BVerwGE 110, 140 <143> = InfAuslR 2000, 176 und ebenso VGH Bad.-Württ., Urt. v. 10.03.1999 - 13 S 2208/97 - InfAuslR 1999, 338; siehe auch Discher, GK-AufenthG, Januar 2007, Rdnr. 155 ff. vor § 53 AufenthG).
55 
Grundsätzlich ist zwar nach § 48 Abs. 1 Satz 1 die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts auch nach Eintritt seiner Unanfechtbarkeit ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit möglich. Von daher wäre im Grundsatz denkbar, dass das beklagte Land die Ausweisungsverfügung gem. § 48 VwVfG rückwirkend, aber nicht bezogen auf den Zeitpunkt des Erlasses der Ausweisungsverfügung, sondern bezogen auf den Zeitpunkt der Befristung ihrer Wirkung (hier den 03.04.2006) zurücknimmt, um so der Forderung des EGMR nach einer nur befristeten Dauer der Wirkung dieser Ausweisung Rechnung zu tragen. Diese Möglichkeit scheidet jedoch im vorliegenden Fall aufgrund der Systematik des Aufenthaltsgesetzes aus, welches eindeutig der Ausweisung die Gestaltungswirkung eines vollständigen Entzugs des zuvor vom betroffenen Ausländer innegehabten Aufenthaltsrechts beimisst (vgl. § 44 Abs. 1 Nr. 1 AuslG a.F. bzw. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) und kein Wiederaufleben dieser einmal durch die Ausweisung entzogenen Aufenthaltserlaubnis, sondern lediglich die (Wieder-)Erteilung einer neuen eigenständigen Aufenthaltserlaubnis aufgrund eines neuen eigenen Antrags nach Ablauf der Sperrwirkung für eine solche Wiedererteilung in Folge einer entsprechenden Befristung dieser Sperrwirkung vorsieht (siehe etwa die vergleichbare Situation im Fall der Wiedererteilung einer Gewerbe- oder Fahrerlaubnis nach vorangegangenem Entzug einer solchen Erlaubnis und Ablauf einer entsprechenden Sperrfrist). Im vorliegenden Fall des Entzugs einer Aufenthaltserlaubnis durch eine Ausweisung verbleibt in Folge der Gestaltungswirkung dieses Entzugs von der damit vollständig zum Erlöschen gebrachten Aufenthaltserlaubnis also nicht etwa ein des erneuten Wirksamwerdens fähiger Restbestand, der nach einer nur teilweise, das heißt nicht vollständig bis zum Zeitpunkt des Erlasses der Ausweisungsverfügung rückwirkenden Rücknahme weiter besteht bzw. wieder auflebt (zur grundsätzlichen Zulässigkeit der Wahl eines jeden Zeitpunkts zwischen dem Rücknahmebescheid und dem Zeitpunkt des Erlasses des zurückgenommenen Bescheids im Rahmen des § 48 Abs. 1 ["Mit Wirkung für die Vergangenheit"]: Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, 6. Aufl. 2001, Rdnr. 113, § 48 unter Verweis auf Bayr. VGH, ZBR 1991, 380). Von daher ist es verfahrensrechtlich nach den Rücknahmeregeln ausgeschlossen, die Ausweisung nur für die Zeit ab Erlass des Befristungsbescheids zurückzunehmen und ihr somit bis dahin, aber auch nur bis dahin, die Wirkungen eines Entzugs der Aufenthaltserlaubnis zu belassen, um so die nach der Rechtsprechung des EGMR geforderte Befristung des Entzugs des Aufenthaltsrechts zu erzielen.
56 
Nach allem ist die Konstruktion eines lediglich zeitweise wirkenden Entzugs der Aufenthaltserlaubnis mit anschließendem Wiederaufleben derselben nach den Vorschriften des Deutschen Verwaltungsverfahrensrechts und des Aufenthaltsrecht nicht möglich. Deshalb bleibt hier als einzige Möglichkeit, der Rechtsprechung des EGMR im folgenden Fall Rechnung zu tragen, nur die vollständige Rücknahme der Ausweisung ab dem Zeitpunkt ihres Erlasses, womit die vom Kläger vor der Ausweisung innegehabte befristete Aufenthaltserlaubnis nahtlos weiter fortbesteht.
57 
Das führt im vorliegenden Fall zudem nicht zu einem unbilligen Ergebnis, da der Kläger in Folge des tatsächlichen Vollzugs der Ausweisung durch seine Abschiebung in die Türkei und durch den jahrelangen Aufenthalt dort tatsächlich längst für die durch die Befristung der Ausweisung vom Beklagten geforderte zulässige Übergangszeit vom Territorium des Bundesgebiets entfernt worden war, so dass der Gefahrenabwehrzweck der Ausweisung sich tatsächlich auch realisiert hat.
58 
Für zukünftige Fälle wird es zur Vermeidung unvertretbarer Ergebnisse erforderlich sein, dass der Gesetzgeber entweder ein ausdrückliches Wiederkehrrecht regelt oder eine Konstruktion der Ausweisungswirkungen dahin neu regelt, dass die Ausweisung, wenn sie - beispielsweise um den Anforderungen des Art. 8 EMRK zu genügen - nur befristet verfügt wird oder nachträglich befristet wird, dann auch nur zu einem zeitweiligen Entzug der Aufenthaltserlaubnis führt. Die aktuell gültige Konstruktion jedenfalls, die den betreffenden Ausländer nach seiner Ausweisung vollständig auf den Status eines sich neu und erstmals um die Einreise bewerbenden Ausländers zurückwirft wird, wie der vorliegende Fall augenfällig zeigt, Situationen offenkundig nicht gerecht, in denen der Ausländer sich jahrzehntelang legal im Bundesgebiet aufgehalten hat und dieser Aufenthalt aus Gefahrenabwehrgründen nur zeitweise ausgeschlossen werden darf ohne dass damit dem Betreffenden gänzlich oder gar bis ans Lebensende die in Deutschland gefundene Heimat, Verwurzelung oder gar die dort verbliebene Familie genommen werden, weil dies gemessen an dem bloßen Gefahrenabwehrzweck schlichtweg eine das Übermaßverbot verletzende Reaktion darstellen würde.
59 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwGO.
60 
Die Berufung wird nach §§ 124 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen. Es ist bislang obergerichtlich nicht geklärt, wie in Fällen eines fehlenden Wiedereinreiserechts der von der Rechtsprechung des EGMR geforderten Befristung einer Ausweisung Rechnung zu tragen ist.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 01. Okt. 2007 - 1 K 893/06

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 01. Okt. 2007 - 1 K 893/06

Referenzen - Gesetze

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124a


(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nic

Gesetz


Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 11 Einreise- und Aufenthaltsverbot


(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen n
Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 01. Okt. 2007 - 1 K 893/06 zitiert 23 §§.

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(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nic

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 20


(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 6


(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinsc

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 155


(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 114


Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens übersch

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 92


(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der münd

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 48 Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes


(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erhebliche

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 25 Aufenthalt aus humanitären Gründen


(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlau

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 5 Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen


(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass 1. der Lebensunterhalt gesichert ist,1a. die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt is

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 8


(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. (2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 53 Ausweisung


(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 27 Grundsatz des Familiennachzugs


(1) Die Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet für ausländische Familienangehörige (Familiennachzug) wird zum Schutz von Ehe und Familie gemäß Artikel 6 des Grundgesetzes erteilt und verläng

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 30 Ehegattennachzug


(1) Dem Ehegatten eines Ausländers ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn1.beide Ehegatten das 18. Lebensjahr vollendet haben,2.der Ehegatte sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann und3.der Ausländera)eine Nied

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 51 Beendigung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts; Fortgeltung von Beschränkungen


(1) Der Aufenthaltstitel erlischt in folgenden Fällen: 1. Ablauf seiner Geltungsdauer,2. Eintritt einer auflösenden Bedingung,3. Rücknahme des Aufenthaltstitels,4. Widerruf des Aufenthaltstitels,5. Ausweisung des Ausländers,5a. Bekanntgabe einer Absc

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 7 Aufenthaltserlaubnis


(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist ein befristeter Aufenthaltstitel. Sie wird zu den in den nachfolgenden Abschnitten genannten Aufenthaltszwecken erteilt. In begründeten Fällen kann eine Aufenthaltserlaubnis auch für einen von diesem Gesetz nicht vorg

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 29 Familiennachzug zu Ausländern


(1) Für den Familiennachzug zu einem Ausländer muss1.der Ausländer eine Niederlassungserlaubnis, Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU, Aufenthaltserlaubnis, eine Blaue Karte EU, eine ICT-Karte oder eine Mobiler-ICT-Karte besitzen oder sich gemäß § 18e

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 12 Geltungsbereich; Nebenbestimmungen


(1) Der Aufenthaltstitel wird für das Bundesgebiet erteilt. Seine Gültigkeit nach den Vorschriften des Schengener Durchführungsübereinkommens für den Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien bleibt unberührt. (2) Das Visum und die Aufenthalt

Strafprozeßordnung - StPO | § 359 Wiederaufnahme zugunsten des Verurteilten


Die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens zugunsten des Verurteilten ist zulässig, 1. wenn eine in der Hauptverhandlung zu seinen Ungunsten als echt vorgebrachte Urkunde unecht oder verfälscht war;2. wenn der Ze

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 37 Recht auf Wiederkehr


(1) Einem Ausländer, der als Minderjähriger rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hatte, ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn 1. der Ausländer sich vor seiner Ausreise acht Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten u

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Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 01. Okt. 2007 - 1 K 893/06 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 01. Okt. 2007 - 1 K 893/06 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 24. Juli 2007 - 1 K 1505/06

bei uns veröffentlicht am 24.07.2007

Tenor Ziffer 2 des Bescheids des RP Freiburg vom 4.8.2006 wird aufgehoben. Das beklagte Land - RP Freiburg - wird verpflichtet, die Sperrwirkung der Ausweisung vom 8.10.1999 mit sofortiger (d.h. ab Bekanntgabe des Bescheids eintretender) Wirkung zu

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 28. Juni 2007 - 13 S 1045/07

bei uns veröffentlicht am 28.06.2007

Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 29. September 2006 - 9 K 2997/05 - wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird zugelassen. Tatbestand

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 24. Jan. 2007 - 13 S 451/06

bei uns veröffentlicht am 24.01.2007

Tenor Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 12. Oktober 2005 - 6 K 3901/04 - abgeändert; der Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 29. September 2004 wird aufgehoben und der Beklagte wird verpfl
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 01. Okt. 2007 - 1 K 893/06.

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 04. Nov. 2009 - 11 S 2472/08

bei uns veröffentlicht am 04.11.2009

Tenor Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 13. Juni 2008 - 5 K 1766/06 - geändert. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des Regierungspräsidiums Freiburg vom 27. September 2006 verp

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 08. Feb. 2008 - 11 S 2915/07

bei uns veröffentlicht am 08.02.2008

Tenor Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 1. Oktober 2007 - 1 K 893/06 - wird verworfen. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugel

Referenzen

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Der Aufenthaltstitel wird für das Bundesgebiet erteilt. Seine Gültigkeit nach den Vorschriften des Schengener Durchführungsübereinkommens für den Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien bleibt unberührt.

(2) Das Visum und die Aufenthaltserlaubnis können mit Bedingungen erteilt und verlängert werden. Sie können, auch nachträglich, mit Auflagen, insbesondere einer räumlichen Beschränkung, verbunden werden. Insbesondere kann die Aufenthaltserlaubnis mit einer räumlichen Beschränkung versehen werden, wenn ein Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 oder 1a besteht und dies erforderlich ist, um den Ausländer aus einem Umfeld zu lösen, welches die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten begünstigt.

(3) Ein Ausländer hat den Teil des Bundesgebiets, in dem er sich ohne Erlaubnis der Ausländerbehörde einer räumlichen Beschränkung zuwider aufhält, unverzüglich zu verlassen.

(4) Der Aufenthalt eines Ausländers, der keines Aufenthaltstitels bedarf, kann zeitlich und räumlich beschränkt sowie von Bedingungen und Auflagen abhängig gemacht werden.

(5) Die Ausländerbehörde kann dem Ausländer das Verlassen des auf der Grundlage dieses Gesetzes beschränkten Aufenthaltsbereichs erlauben. Die Erlaubnis ist zu erteilen, wenn hieran ein dringendes öffentliches Interesse besteht, zwingende Gründe es erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Der Ausländer kann Termine bei Behörden und Gerichten, bei denen sein persönliches Erscheinen erforderlich ist, ohne Erlaubnis wahrnehmen.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Für den Familiennachzug zu einem Ausländer muss

1.
der Ausländer eine Niederlassungserlaubnis, Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU, Aufenthaltserlaubnis, eine Blaue Karte EU, eine ICT-Karte oder eine Mobiler-ICT-Karte besitzen oder sich gemäß § 18e berechtigt im Bundesgebiet aufhalten und
2.
ausreichender Wohnraum zur Verfügung stehen.

(2) Bei dem Ehegatten und dem minderjährigen ledigen Kind eines Ausländers, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, § 25 Absatz 1 oder 2, eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Absatz 3 oder nach Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Absatz 4 besitzt, kann von den Voraussetzungen des § 5 Absatz 1 Nummer 1 und des Absatzes 1 Nummer 2 abgesehen werden. In den Fällen des Satzes 1 ist von diesen Voraussetzungen abzusehen, wenn

1.
der im Zuge des Familiennachzugs erforderliche Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels innerhalb von drei Monaten nach unanfechtbarer Anerkennung als Asylberechtigter oder unanfechtbarer Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder subsidiären Schutzes oder nach Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4 gestellt wird und
2.
die Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft in einem Staat, der nicht Mitgliedstaat der Europäischen Union ist und zu dem der Ausländer oder seine Familienangehörigen eine besondere Bindung haben, nicht möglich ist.
Die in Satz 2 Nr. 1 genannte Frist wird auch durch die rechtzeitige Antragstellung des Ausländers gewahrt.

(3) Die Aufenthaltserlaubnis darf dem Ehegatten und dem minderjährigen Kind eines Ausländers, der eine Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 22, 23 Absatz 1 oder Absatz 2 oder § 25 Absatz 3 oder Absatz 4a Satz 1, § 25a Absatz 1 oder § 25b Absatz 1 besitzt, nur aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland erteilt werden. § 26 Abs. 4 gilt entsprechend. Ein Familiennachzug wird in den Fällen des § 25 Absatz 4, 4b und 5, § 25a Absatz 2, § 25b Absatz 4, § 104a Abs. 1 Satz 1, § 104b und § 104c nicht gewährt.

(4) Die Aufenthaltserlaubnis wird dem Ehegatten und dem minderjährigen ledigen Kind eines Ausländers oder dem minderjährigen ledigen Kind seines Ehegatten abweichend von § 5 Abs. 1 und § 27 Abs. 3 erteilt, wenn dem Ausländer vorübergehender Schutz nach § 24 Abs. 1 gewährt wurde und

1.
die familiäre Lebensgemeinschaft im Herkunftsland durch die Fluchtsituation aufgehoben wurde und
2.
der Familienangehörige aus einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union übernommen wird oder sich außerhalb der Europäischen Union befindet und schutzbedürftig ist.
Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an sonstige Familienangehörige eines Ausländers, dem vorübergehender Schutz nach § 24 Abs. 1 gewährt wurde, richtet sich nach § 36. Auf die nach diesem Absatz aufgenommenen Familienangehörigen findet § 24 Anwendung.

(5) (weggefallen)

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 12. Oktober 2005 - 6 K 3901/04 - abgeändert; der Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 29. September 2004 wird aufgehoben und der Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Rücknahme der Ausweisungsverfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 4. März 1998 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Im übrigen werden die Klage und die Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge trägt der Kläger 1/3 und der Beklagte 2/3.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger ist italienischer Staatsangehöriger und im Jahr 1973 in Deutschland geboren, wo auch seine italienische Mutter, der italienische Stiefvater und seine Halbschwester leben. Er hat einen Hauptschulabschluss, ist aber ohne Beruf; begonnene Lehren wurden nicht zu Ende geführt. 1993 bezog er mit seiner damaligen deutschen Freundin - die er später heiratete - eine Wohnung; aus der Beziehung sind zwei Kinder hervorgegangen (geboren 1990 und 1995), deren Vaterschaften er anerkannte. Die ihm zuletzt erteilte befristete Aufenthaltserlaubnis nach dem Ausländergesetz (nicht nach dem AufenthaltsG/EWG), erteilt von der Stadt Stuttgart am 22.4.1996, endete am 22.10.1997; eine Verlängerung wurde nicht beantragt.
Seit 1988 wurde der Kläger im Bundesgebiet mehrfach straffällig und verurteilt. Es handelt sich zunächst u.a. um zahlreiche Diebstahlsdelikte, Urkundenfälschungen, mehrfaches Fahren ohne Fahrerlaubnis, Körperverletzung und Betrugsversuche; später (ab 1992) kamen hinzu: gemeinschaftlicher schwerer Raub, unerlaubter Erwerb von Betäubungsmitteln, weitere Diebstähle und Fahren ohne Fahrerlaubnis, fahrlässige und vorsätzliche Straßenverkehrsgefährdung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und weitere Delikte (zuletzt Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 9 Monaten). Im Juli 1997 wurde der Kläger wegen gemeinschaftlichen Betrugs, gemeinschaftlicher Urkundenfälschung und zweier Diebstähle in besonders schwerem Fall zu einem Jahr und 3 Monaten Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Im Oktober 1996 wurde der Kläger festgenommen und war anschließend in Haft; er flüchtete im Juli 1997 aus der Haftanstalt und wurde im Oktober 1997 erneut in Haft genommen.
Im Juni 1998 wurde er aufgrund einer Ausweisungsverfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 4.3.1998 (Regelausweisung aus schwerwiegenden spezial- und generalpräventiven Gründen und Abschiebungsandrohung) nach Italien abgeschoben. Vor Erlass dieser Ausweisungsverfügung hatte der Kläger mit Schreiben vom 15.2.1998 erklärt:
„Im Schreiben vom 12.1.1998 sieht die Staatsanwaltschaft von der weiteren Vollstreckung der Strafe ab dem 13.6.1998 ab, wenn ich von der Grenzpolizei abgeschoben werde. Darum beantrage ich nun selber meine Abschiebung aus der BRD und ziehe hiermit meine Beschwerde vom 2.2.1997 zurück. Ich habe in der BRD nichts mehr zu suchen, da meine Freundin und meine beiden Kinder mit mir nach Italien gehen ...“
In der Begründung der Ausweisungsverfügung, gegen die der Kläger keinen Widerspruch erhob, war das Regierungspräsidium Stuttgart davon ausgegangen, dass der Kläger mangels Arbeitnehmereigenschaft, ausreichender Krankenversicherung und Existenzmitteln sowie aufgrund seiner Erklärung vom Februar 1998 nicht zu den freiheitsberechtigten Unionsbürgern gehöre. Eine atypische Fallgestaltung wurde verneint; Ermessen wurde nicht (auch nicht hilfsweise) ausgeübt.
Im November 1998 kam der Kläger nach Deutschland zurück; am 13.9.1999 wurde er erneut nach Italien abgeschoben. Im November 1999 reiste er wiederum in das Bundesgebiet ein; am 18.3.2000 kam er wieder in Haft. Er war erneut straffällig geworden (Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 4.8.2000: Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren wegen Diebstahls in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs und in zwei Fällen in Tateinheit mit vorsätzlicher Trunkenheit, wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort in zwei Fällen, wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs sowie wegen schwerer räuberischer Erpressung). Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB wurde angeordnet. Das Urteil wurde rechtskräftig. Der Maßregelvollzug (ab Juni 2001) in der ... in ... wurde abgebrochen, nachdem der Kläger im November 2001 mit zwei Mitpatienten von dort geflohen war; seit dem 19.12.2001 befindet er sich wieder in Strafhaft in der JVA Heilbronn.
Von 1993 bis ca. 2000 hatte der Kläger mit seinen Kindern und deren Mutter mit den oben genannten Unterbrechungen zusammengelebt; er heiratete die Mutter der Kinder im Jahr 1999 (19.8.1999) in der Strafhaft. Ab März 2000 bewohnte der Kläger mit zwei Mitbewohnern aus dem Drogenmilieu eine Zwei-Zimmer-Wohnung; er selbst war drogenabhängig und konsumierte Drogen aller Art, auch Heroin. Er ist mit HIV und Hepatitis C infiziert.
Der Sohn ... des Klägers (geb 1990) ist wegen Verhaltensauffälligkeit tagsüber in einem Heim untergebracht, die Tochter ... lebt bei der Mutter, zu der der Kläger keinen engen Kontakt mehr hat.
Der Kläger beantragte im April 2001 und erneut im Februar 2004, die Wirkungen seiner Ausweisung und Abschiebung zu befristen. Er machte geltend, er sei mit einer Deutschen verheiratet und habe auch zwei deutsche Kinder. Das Befristungsverfahren wurde im Einverständnis mit dem Kläger zunächst nicht betrieben, weil er erklärte, sich in Italien einer Drogentherapie unterziehen zu wollen. Im Mai 2004 beantragte der Kläger, die Ausweisungsverfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 4.3.1998 zurückzunehmen, hilfsweise die Wirkungen der Ausweisung und der Abschiebungen mit sofortiger Wirkung zu befristen.
10 
Mit Verfügung vom 29.9.2004 lehnte das Regierungspräsidium Stuttgart den Antrag auf Rücknahme der Ausweisungsverfügung vom 4.3.1998 und die weiteren Anträge auf Befristung der Wirkungen der Ausweisung und der Abschiebungen ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 48 LVwVfG für den Erlass einer die Ausweisungsverfügung betreffenden Rücknahmeverfügung lägen nicht vor. Die Ausweisung sei rechtmäßig erlassen worden. Ihr Widerruf scheide aus, weil die Widerrufsvorschrift durch die Befristungsregelung im Ausländergesetz verdrängt sei. Eine Befristung der Wirkungen komme derzeit nicht in Betracht, weil der von § 8 Abs. 2 Satz 2 AuslG vorausgesetzte Regelfall nicht gegeben sei. Der Fall des Klägers sei atypisch, und es sei gegenwärtig nicht absehbar, dass der spezialpräventive Zweck der Ausweisung überhaupt erreicht werden könne. Auch eine Befristung der Wirkungen der Abschiebung komme derzeit nicht in Betracht, zumal der Kläger die angefallenen Kosten noch nicht bezahlt und im übrigen seine früheren Abschiebungen missachtend schon zweimal illegal nach Deutschland gekommen sei.
11 
Die am 1.10.2004 beim Verwaltungsgericht Stuttgart erhobene Klage, mit der der Kläger beantragt hat,
12 
die Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 29.9.2004 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Ausweisungsverfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 4.3.1998 zurückzunehmen, hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, die Wirkungen der Ausweisung und Abschiebung zu befristen,
13 
ist durch Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 12.10.2005 - 16 K 3901/04 - abgewiesen worden. Das Verwaltungsgericht hat in den Gründen ausgeführt, die Ablehnungsverfügung vom 29.9.2004 verletze den Kläger nicht in seinen Rechten; eine Rücknahme komme nicht in Betracht, da die frühere Ausweisungsverfügung des Regierungspräsidiums vom 4.3.1998 rechtmäßig sei. Die neuere Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts ändere nichts daran, dass diese Verfügung rechtmäßig erlassen worden sei. Der Kläger sei zwar Unionsbürger, erfülle aber die Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 1 der RL 90/364/EWG vom 28.6.1990 nicht, da das Erfordernis der Krankenversicherung und ausreichender Existenzmittel nicht erfüllt sei. Außerdem habe der Kläger vor Erlass der Ausweisungsverfügung im Anhörungsverfahren wirksam auf ein Freizügigkeitsrecht verzichtet, als er erklärt habe, er habe in der Bundesrepublik Deutschland nichts mehr zu suchen und wolle deshalb mit seiner Freundin und seinen beiden Kindern nach Italien übersiedeln. Auch der Hilfsantrag habe keinen Erfolg, da auf den Kläger nunmehr aufgrund der Ausweisungsverfügung nicht mehr das Freizügigkeitsgesetz/EU, sondern vielmehr das allgemeine Ausländerrecht anzuwenden sei. Ein Regelfall, der die Befristung nahe legen könne, sei hier nicht gegeben; das Regierungspräsidium habe zu Recht angenommen, hier liege ein Sonderfall vor. Auf die Begründung der Behörde werde Bezug genommen.
14 
Auf den rechtzeitig gestellten und begründeten Zulassungsantrag des Klägers hin hat der Senat mit Beschluss vom 20.2.2006 (Zustellung am 27.2.2006) die Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen; mit dem am 2.3.2006 eingegangenen Berufungsbegründungsschriftsatz, der auf das Vorbringen im Zulassungsverfahren Bezug genommen hat, beantragt der Kläger,
15 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 12.10.2005 - 16 K 3901/04 - abzuändern und den Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 29.9.2004 aufzuheben sowie den Beklagten zu verpflichten, die Ausweisungsverfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 4.3.1998 zurückzunehmen,
hilfsweise:
den Beklagten zu verpflichten, unter Aufhebung der Verfügung vom 29.9.2004 die Wirkungen der Ausweisung und der Abschiebung zu befristen.
16 
Zur Begründung des Berufungsantrags trägt der Kläger vor, sein Freizügigkeitsrecht könne nicht bestritten werden. Es ergebe sich aus Art. 7 Abs. 2 der RL 68/360/EWG, und das Freizügigkeitsrecht sei auch nicht wegen Fehlens von Unterhaltsgewährung nach Art. 10 der Verordnung 1612/68 untergegangen. Ein Verzicht auf das Freizügigkeitsrecht sei unwirksam und liege auch inhaltlich nicht vor. Das Verwaltungsgericht habe außerdem verkannt, dass auch seine Kinder neben der deutschen Staatsangehörigkeit die italienische Staatsangehörigkeit hätten, so dass er als Vater dieser Kinder ebenfalls ein Aufenthaltsrecht habe. Dass die damalige Ausweisungsverfügung gemeinschaftsrechtswidrig gewesen sei, liege auf der Hand. Einmal habe die Behörde zu Unrecht das Freizügigkeitsrecht verneint und allgemeines Ausländerrecht angewandt. Dies sei bei EU-Bürgern unzulässig. Außerdem habe der Europäische Gerichtshof inzwischen sogar die entsprechende Regelung des AufenthaltsG/EWG für gemeinschaftswidrig erklärt. Rechtswidrig sei die Ausweisung auch deswegen gewesen, weil sie unbefristet erfolgt sei; dies widerspreche mehreren Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Allgemein sei zu bemerken, dass die Europäischen Institutionen die Voraussetzungen der Ausweisung ohnehin enger fassten als die deutschen Behörden und Gerichte. Das der Behörde zustehende Ermessen sei hier wegen der Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der Ausweisung auf die Rücknahme ex tunc reduziert; eine andere Lösung komme nicht in Betracht. Die Bestandskraft einer Verfügung sei geringer zu werten als die Rechtskraft, und der Europäische Gerichtshof habe mehrfach entschieden, dass bei gemeinschaftsrechtswidrigen Verfügungen entweder die Rechtsmittelfrist gehemmt sei oder eine Rücknahmepflicht bestehe. Teilweise werde auch angenommen, solche gemeinschaftsrechtswidrigen Verfügungen würden unwirksam. Jedenfalls sei die neuere Rechtsprechung der Europäischen Gerichte auch auf zurückliegende Sachverhalte anzuwenden. Da die Möglichkeit der Befristung einer Rücknahme ex nunc als Spezialregelung entgegenstehe, bleibe die Rücknahme ex tunc. Mindestens sei diese Rechtsfrage dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen.
17 
Der Beklagte beantragt,
18 
die Berufung zurückzuweisen.
19 
Er ist nach wie vor der Auffassung, dass der Kläger die Voraussetzungen des Freizügigkeitsrechts im Zeitpunkt der Ausweisung nicht mehr erfüllt habe und daher EU-Recht unbeachtlich sei. Seine Erklärung vom15.2.1998, er wolle mit Freundin und Kindern in Italien leben, belege dies ausreichend. Abgesehen davon seien aber die Voraussetzungen des § 12 AufenthG/EWG und des EU-Rechts für die Ausweisung gegeben gewesen, da der Kläger massiv strafrechtlich in Erscheinung getreten sei. Insofern handle es sich um einen Extremfall im Sinn des Urteils des EuGH vom 29.4.2004, und von einer unrichtigen Auslegung des Gemeinschaftsrechts durch die Behörden könne keine Rede sein. Die bestehende Wiederholungsgefahr habe der Kläger selbst nach seiner Rückkehr in das Bundesgebiet nachhaltig bestätigt. Auch der Vollzug der Strafhaft sei nicht beanstandungsfrei. Die vom Kläger zitierten Urteile des EGMR insbesondere zur Befristungsfrage änderten daran nichts; zumutbar und erforderlich sei jedenfalls, dass ein Befristungsantrag gestellt werde. Die Befristungsvorschriften belegten geradezu, dass die Ausweisung nicht gewissermaßen lebenslänglich sei. Die Ausweisung habe auch nicht gegen Art. 9 der RL 64/221/EWG verstoßen, da der Kläger nach Italien habe zurückkehren wollen. Er habe außerdem keine Klage erhoben, habe sich also gerade nicht verteidigen wollen. Ein Rücknahmeermessen sei damit nicht gegeben; erst recht nicht sei es auf die Rücknahme der Ausweisung reduziert. Auf die Bedeutung der Rechts- und Bestandskraft habe der Europäische Gerichtshof im Urteil vom 16.3.2006 hingewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht gehe außerdem davon aus, dass eine Ermessensentscheidung auch nachgeholt werden könne. Eine Rücknahme sei regelmäßig ausgeschlossen, wenn ein Verwaltungsakt mit gleichem Inhalt (hier: Feststellung des Verlusts des Rechts auf Einreise und Aufenthalt nach § 6 Freizügigkeitsgesetz/EU) neu erlassen werden müsse. Das sei hier der Fall. Neben dem nachhaltigen und massiven kriminellen Fehlverhalten sei darauf hinzuweisen, dass auch die Drogenproblematik nicht gelöst sei. Es sei daher nicht unverhältnismäßig, an der Ausweisung festzuhalten, sie als Verlust des Rechts auf Einreise und Aufenthalt anzusehen und dem Rücknahmeantrag nicht zu entsprechen. Es sei nicht ermessensfehlerhaft, den Kläger auf die Möglichkeit der Befristung zu verweisen für den Fall, dass die Wiederholungsgefahr nicht mehr gegeben sei. Mit den Kindern habe der Kläger im übrigen vor seiner Inhaftierung nicht in familiärer Lebensgemeinschaft zusammengewohnt. Möglicherweise werde er von ihnen und von seiner freizügigkeitsberechtigten Mutter noch regelmäßig besucht. Zur Mutter der Kinder habe er aber nur sporadischen und telefonischen Kontakt. Was Art. 8 EMRK angehe, so sei die hohe und konkrete Wiederholungsgefahr zu berücksichtigen; er sei nicht therapiert. Seine Erkrankung führe nicht dazu, dass sein Interesse an der Rücknahme der Ausweisung überwiege, da er erforderliche Medikamente auch in Italien bekommen könne. Für die ersten Tage nach einer Abschiebung nach Italien könnten ihm auch Medikamente mitgegeben werden. Jedenfalls habe der Kläger keinen Anspruch auf die beantragte Rücknahme, und eine am Zweck des § 48 LVwVfG orientierte Ermessensausübung ergebe, dass die Ablehnung des Antrags nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße. Soweit hilfsweise die Befristung beantragt werde, werde auf die angegriffene Verfügung vom 29.9.2004 (Fortbestand der Wiederholungsgefahr) verwiesen.
20 
Dem Senat liegen die den Kläger betreffenden Akten des Verwaltungsgerichts und der Behörden (jeweils 1 Heft Akten des RP Stuttgart und der Stadt Fellbach) vor; sie waren Gegenstand der Verhandlung und Beratung.

Entscheidungsgründe

 
21 
Die zulässige, insbesondere rechtzeitig begründete Berufung (§ 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO) hat Erfolg, soweit der Kläger neben der Aufhebung der angefochtenen Entscheidung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 29.9.2004 die Verpflichtung des beklagten Landes zur erneuten Entscheidung über den Antrag auf Rücknahme der Ausweisungsverfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 4.3.1998 begehrt (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO); die darüber hinausgehende Klage auf Verpflichtung des Beklagten zur Rücknahme dieser Verfügung war allerdings abzuweisen, da dem Kläger kein entsprechender Rücknahmeanspruch zusteht (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Da die Klage damit im Hauptantrag (teilweise) Erfolg hat und das erstinstanzliche Urteil insofern abzuändern war, braucht über den Hilfsantrag nicht entschieden zu werden (vgl. auch Sodan/Ziekow, VwGO, 2006, Rn 111 vor § 124).
22 
Gegenstand des mit der Berufung in erster Linie verfolgten Hauptantrags ist der mit der Klage geltend gemachte Anspruch auf Rücknahme der bestandskräftig gewordenen Ausweisungsverfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 4.3.1998 nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG; die damit verbundene Abschiebungsandrohung ist von dem sich auf die “Ausweisungsanordnung“ beschränkenden Berufungsantrag nicht umfasst, und auch eine (zusätzliche) Klage auf Wiederaufgreifen des Verfahrens im Sinn von § 51 VwVfG ist nicht erhoben, da der anwaltlich vertretene Kläger sowohl bei der Behörde als auch beim Verwaltungsgericht ausdrücklich einen Rücknahmeantrag gestellt hat. Dieser Antrag umfasst allerdings bei sachdienlicher Auslegung (§§ 86 Abs. 3, 88 VwGO) nicht nur einen denkbaren Rücknahmeanspruch nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG wegen Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, sondern es ist auf diesen Antrag hin auch zu prüfen, ob der Beklagte deswegen zur „Rücknahme“ der bestandskräftig gewordenen Ausweisungsverfügung verpflichtet ist, weil diese rechtlich unwirksam ist. Die Unwirksamkeit der Verfügung hat der Kläger in Anlehnung an die Rechtsprechung des Hess. VGH und des OVG Berlin (im einzelnen siehe dazu unten) in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich als Klagegrund geltend gemacht, und es ist anerkannt, dass bei einem unwirksamen - oder: wie hier allenfalls unwirksam gewordenen - Verwaltungsakt eine (klarstellende) behördliche Rücknahme des Verwaltungsakts möglich und aus Gründen der Beseitigung des Rechtsscheins gegebenenfalls auch erforderlich ist (siehe dazu Kopp/Ramsauer, VwVfG, 2003, Rn 19a zu § 48; siehe auch Bay. VGH, Urteil vom 12.10.1989 - 26 B 86.02944 -, NVwZ-RR 1991, 117; Hess. VGH, Urteil vom 29.3.2006 - 6 UE 2874/04 - juris und BSG, Urteil vom 23.2.1989 - NVwZ 1989, 902). Bei einer solchen Fallgestaltung ist der Kläger nicht darauf verwiesen, Feststellungsklage nach § 43 Abs. 2 VwGO zu erheben (siehe dazu Sodan/Ziekow, a.a.O., Rn 63 und 71 zu § 43; BSG a.a.O.), was im vorliegenden Fall als Klageänderung im Berufungsverfahren ohnehin prozessual nicht unproblematisch wäre.
23 
Der mit der Berufung verfolgte Anspruch des Klägers auf Rücknahme der bestandskräftigen Ausweisungsverfügung hat jedoch nur teilweise Erfolg. Da diese Verfügung rechtswidrig war, war das Rücknahmeermessen der Behörde nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG eröffnet (1); es wurde allerdings weder in der Ablehnungsverfügung vom 29.9.2004 noch zu einem späteren Zeitpunkt ausgeübt, so dass der Beklagte zu einer entsprechenden Bescheidung nach der Rechtsauffassung des Gerichts zu verpflichten war (2). Ein darüber hinaus gehender unbedingter Rücknahmeanspruch besteht dagegen nicht (3).
24 
1. Der Kläger ist nicht bereits deswegen rechtlich daran gehindert, die nach seiner Auffassung bei Ergehen der Ausweisungsverfügung bestehende Rechtswidrigkeit geltend zu machen, weil er zuvor der Behörde gegenüber am 15.2.1998 erklärt hatte, er beantrage seine Abschiebung und habe in der Bundesrepublik Deutschland nichts mehr zu suchen, weil er mit Freundin und Kindern nach Italien gehe. Dies ergibt sich bereits daraus, dass das Rücknahmeverlangen nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG nicht darauf abstellt, auf welche Weise der Verwaltungsakt bestandskräftig geworden ist; selbst ein Verzicht auf einen Widerspruch schließt damit ein späteres Rücknahmebegehren nicht aus. Erst recht gilt dies in einem Fall wie dem vorliegenden: Die Einverständniserklärung des Klägers vor Erlass des Verwaltungsakts steht nämlich einem Widerspruchsverzicht nicht gleich (siehe dazu BVerwG, Urteil vom 20.1.1967 - VII C 191.64 -, NJW 1967, 2027; Kopp/Schenke, VwGO, 2005, Rn 11 zu § 69 und Sodan/Ziekow, a.a.O., Rn 96 zu § 69 Fn 106). Die zur Bestandskraft des Verwaltungsakts führenden konkreten Umstände und insbesondere das Verhalten des Klägers der bevorstehenden Ausweisung gegenüber schließen eine Rücknahme also nicht aus; sie sind allenfalls Gesichtspunkte, die bei der Ausübung des Rücknahmeermessens von Bedeutung sind (siehe auch Senat, Beschluss vom 7.11.2005 - 13 S 1895/05 -; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 4.1.2006 - 11 S 1871/05 - und Kopp/Ramsauer, a.a.O., RN 52 f. zu § 48).
25 
Für die damit im Rahmen des § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG entscheidungserhebliche Frage der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der bestandskräftig gewordenen Ausweisung des Klägers stellt der Senat auf den Zeitpunkt des Erlasses der Ausweisungsverfügung ab; da der Kläger zu diesem Zeitpunkt freizügigkeitsberechtigt war, kann offen bleiben, inwieweit eine erst später eintretende Rechtswidrigkeit ein Rücknahmeverfahren eröffnen kann (siehe dazu BVerwG, Urteil vom 28.10.2004 - 1 C 13.03 -, NVwZ-RR 2005, 341; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24.9.2001 - 8 S 641/01 -, VBlBW 2002, 208, 209).
26 
Die Rechtswidrigkeit der bestandskräftig gewordenen Ausweisungsverfügung schon zum Zeitpunkt ihres Erlasses ergibt sich für den Senat allerdings nicht bereits aus den Vorschriften des damals geltenden Ausländergesetzes selbst - tatbestandlich lag ein Fall der Regelausweisung durchaus vor - und auch nicht aus den einfachrechtlichen Modifikationen der Ausweisung, die das damalige AufenthG/EWG insbesondere in § 12 enthielt; auch diese Vorschriften, insbesondere das Erfordernis einer Wiederholungsgefahr (§ 12 Abs. 3 und 4 AufenthG/EWG) sind eingehalten worden. Der Senat ist auch nicht der Auffassung, dass die Ausweisung des Klägers als eines Ausländers der sog. zweiten Generation aus Gründen des als Gesetzesrecht zu beachtenden Art. 8 Abs. 1 EMRK rechtswidrig war; angesichts der erheblichen Vorstrafen des Klägers und der jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt offen zu Tage liegenden Wiederholungsgefahr hinsichtlich gravierender Delikte war der mit der Ausweisung verbundene Eingriff in das Schutzgut „Familienleben“ im Sinn des Art. 8 Abs. 1 EMRK für die öffentliche Sicherheit bzw. zur Verhütung von Straftaten im Sinn des Art. 8 Abs. 2 EMRK notwendig und verhältnismäßig (s. dazu Breitenmoser/Riemer/Seitz, Praxis des Europarechts - Grundrechtsschutz, 2006, S. 66, 67 m.w.N. und die Nachweise bei Grote/Marauhn, EMRK/GG, Konkordanzkommentar, 2006, Kap. 16 Rn 94 m.w.N.) In Fällen wie dem vorliegenden hätte auch nicht notwendigerweise mit der Ausweisung selbst schon über eine Befristung der Wirkungen entschieden werden müssen. Eine solche zusätzliche Entscheidung lag im Fall des Klägers zum damaligen Zeitpunkt bereits wegen dessen vorangegangener Erklärung, er habe in der Bundesrepublik Deutschland nichts mehr zu suchen, nicht nahe; sie war aber auch nicht nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) geboten. Zwar hat der EGMR in mehreren Entscheidungen eine Ausweisung eines Ausländers also unverhältnismäßig beurteilt, die keine Befristungsentscheidung enthielt (siehe Urteile vom 17.4.2003 - Yilmaz -, NJW 2004, 2147, 2149; Urteil vom 22.4.2004 - Radovanovic -, InfAuslR 2004, 374 und Urteil vom 27.10.2005 - Keles -, InfAuslR 2006, 3); das deutsche Recht wird dem dieser Rechtsprechung zugrunde liegenden Gedanken der Verhältnismäßigkeit aber dadurch gerecht, dass es im Regelfall einen Befristungsanspruch gewährt (siehe damals § 8 Abs. 2 AuslG und heute § 11 Abs. 2 Satz 3 AufenthG und BVerwG, Beschluss vom 27.6.1997 - 1 B 126/97 -, Buchholz 402.240 § 8 AuslG 1990 Nr. 13).
27 
Letztlich kann diese Frage aber offen bleiben; ein im Rahmen des § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG beachtlicher Verstoß der Ausweisungsverfügung gegen Rechtsvorschriften ergibt sich nämlich daraus, dass der Kläger zum damaligen Zeitpunkt freizügigkeitsberechtigt war und dass entsprechende gemeinschaftsrechtliche Bindungen zu beachten waren (1.1). Insbesondere durfte der Kläger nicht nach den Vorschriften der Regelausweisung ausgewiesen werden, sondern es war Ermessen auszuüben (1.2). Auf das Vorliegen weiterer gemeinschaftsrechtlicher Bindungen und die Frage, ob sie eingehalten sind, kommt es danach nicht mehr an (1.3).
28 
1.1. Ob der Kläger zum Zeitpunkt der Ausweisungsverfügung aus eigenem Recht freizügigkeitsberechtigt war, ist zweifelhaft, kann letztlich aber offen bleiben. Mangels Arbeitnehmereigenschaft bzw. Arbeitssuche liegen die Voraussetzungen der Verordnungen Nr. 1612/68/EWG und 1251/70/EWG über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft nicht vor (siehe Art. 1 und Art. 2 VO 1612/68/EWG); daraus folgt auch das Fehlen eines Freizügigkeitsrechts entsprechend der RL 68/360/EWG (Art. 1 und Art. 4 Abs. 1). Unabhängig von der Frage der Arbeitnehmereigenschaft und Erwerbstätigkeit leitet der Europäische Gerichtshof (EuGH) allerdings ein allgemeines Freizügigkeitsrecht bereits aus der (bei dem Kläger als italienischem Staatsangehörigen bestehenden) Unionsbürgerschaft (Art. 18 EG) her; dies gilt jedenfalls seit der Entscheidung Baumbast (siehe EuGH, Urteil vom 17.9.2002 - C 413/99 -, InfAuslR 2002, 463, Rn 84/8Rn 84/85; zur früheren Rechtslage vgl. auch BVerwG, Vorlageentscheidung vom 18.9.2001 - 1 C 17/00 -, NVwZ 2002, 339 m.w.N.). In der Folgezeit hat der EuGH diese Rechtsprechung fortgeführt und bestärkt (siehe Urteil vom 29.4.2004 - Orfanopoulos und Oliveri -, - C 282/01 -, Rn 65, NVwZ 2004, 1099; Urteil vom 15.3.2005 - Bidar -, - C 209/03 -, Rn 36, NJW 2005, 2055; Urteil vom 23.3.2006 - Kommission -, - C 408/03 -, Rn 37, NVwZ 2006, 918), und Literatur und nationale Rechtsprechung sind dem weitgehend gefolgt (siehe Sander, DVBl. 2005, 1014 und Westphal/Stoppa, InfAuslR 2004, 133; Lenz/Borchardt, EU- und EGV, 2006, RN 2 zu Art. 18; siehe auch Hess. VGH, Beschluss vom 29.12.2004 - 12 TG 3212/04 -, AuAS 2005, 74). Allerdings hat der Europäische Gerichtshof in einer weiteren Entscheidung (Urteil vom 7.9.2004 - C 456/02 -, -Trojani-, Rn 36, InfAuslR 2004, 417) zu den „Beschränkungen und Bedingungen“ der Freizügigkeit im Sinn des Art. 18 Abs. 1 EG ausgeführt, bei Fehlen ausreichender Existenzmittel im Sinn der RL 90/364/EWG erwachse dem Unionsbürger kein Recht zum Aufenthalt; diese Formulierung legt den Schluss nahe, dass bei Nichterfüllung dieser Beschränkungen und Bedingungen die Unionsbürgerschaft allein zur Entstehung des Freizügigkeitsrechts noch nicht ausreicht. Dass im Fall des Klägers ausreichende Existenzmittel im Sinn der genannten Richtlinie im Zeitpunkt der Ausweisungsverfügung nicht vorhanden waren, liegt für den Senat angesichts des Fehlens gesicherter Einkünfte und seiner schweren Erkrankung mehr als nahe; selbst wenn er in gewissem Umfang von seiner damaligen Ehefrau und/oder seinen italienischen Eltern unterstützt worden sein mag, dürfte es jedenfalls an ausreichender Krankheitsvorsorge gefehlt haben (vgl. dazu auch EuGH, Urteil vom 19.10.2004 - C 200/02 -, - Chen -, InfAuslR 2004, 413 und vom 23.3.2006, a.a.O.). Hiervon abgesehen geht der EuGH jedenfalls dann vom Fehlen bzw. Erlöschen des Freizügigkeitsrechts aus, wenn die Nichterfüllung der „Beschränkungen und Bedingungen“ der Freizügigkeit (siehe Art. 18 Abs. 1 EG) dem Betroffenen „entgegengehalten“ worden ist (siehe EuGH, Bidar, a.a.O., Rn 36). Eine derartige behördliche Entscheidung - zum neuen Recht siehe § 7 Abs. 1 FreizügG/EU - kann hier durchaus in der Ausweisungsverfügung selbst gesehen werden, die dem Kläger ausdrücklich wegen fehlender Existenzmittel und wegen fehlenden Krankenversicherungsschutzes gemeinschaftsrechtliche Freizügigkeit abgesprochen hat (S. 6 f. der Ausweisungsverfügung) und die der Kläger ebenso wie die Ausweisung selbst akzeptiert hat.
29 
Letztlich kann der Senat jedoch offen lassen, ob der Kläger sich zum damaligen Zeitpunkt auf ein Freizügigkeitsrecht aus eigenem Recht berufen konnte; er war jedenfalls aus abgeleitetem Recht als Familienangehöriger freizügigkeitsberechtigt. Ein solches Recht scheidet nicht bereits deswegen aus, weil der Kläger bereits im Bundesgebiet geboren wurde und es damit „an sich“ an dem erforderlichen grenzüberschreitenden Element fehlt (siehe dazu EuGH - Chen -, a.a.O. Rn 19/20). Ob der Kläger als Familienangehöriger von seiner italienischen Mutter oder von seinem italienischen Stiefvater (siehe dazu EuGH , Urteil vom 30.9.2004 - C 275/02 -, - Ayaz -, InfAuslR 2004, 416 und Kloesel/Christ/Häußer, Deutsches Aufenthalts- und Ausländerrecht, Rn 17 zu § 3 FreizügG) ein Freizügigkeitsrecht ableiten konnte, obwohl er über 21 Jahre alt war, insbesondere ob ausreichende Unterhaltsleistungen der Stammberechtigten vorlagen (siehe dazu EuGH, Chen, a.a.O., und Kommission, a.a.O.), ist angesichts der Einstellung der Eltern des Klägers zu seiner Drogenabhängigkeit fragwürdig; der Senat braucht diese Fragen jedoch nicht zu entscheiden, weil der Kläger jedenfalls von seinen Kindern als Stammberechtigte ein entsprechendes Freizügigkeitsrecht herleiten konnte. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
30 
Die Kinder des Klägers sind (auch) italienische Staatsangehörige (siehe Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Bd. 8 (Italien), S. 6 mit Hinweis auf Art. 1 des italienischen Gesetzes 91/1992 vom 5.2.1992). Die Tatsache, dass sie daneben die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, ändert an ihrer Eignung als „Stammberechtigte“ nichts (siehe EuGH, Urteil vom 7.7.1992 - C 369/90 -, - Micheletti -, InfAuslR 1992, 2). Kraft ihrer Rechtsstellung als Unionsbürger konnten die Kinder des Klägers diesem trotz ihrer Geburt in Deutschland ein Freizügigkeitsrecht vermitteln (siehe dazu EuGH - Chen -, a.a.O.), und sie selbst waren nach der oben wiedergegebenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs unmittelbar aus Art. 18 Abs. 1 EG freizügigkeitsberechtigt. Dabei ist es ohne rechtliche Bedeutung, dass die maßgebende Rechtsprechung des EuGH sowohl zum Freizügigkeitsrecht unmittelbar aus Art. 18 EG als auch zur „Erstreckung“ des Freizügigkeitsrechts von Kindern auf Eltern (s. dazu unten) erst nach Erlass der Ausweisungsverfügung entwickelt worden ist; sie erfasst auch zurückliegende Tatbestände, die im Sinn der „geläuterten“ Rechtsprechung zu beurteilen sind (siehe dazu EuGH, Urteil vom 2.12.1997 - C 188/95 -, Fantask -, Slg I 06783, Rn 36,37; vgl. auch die Rechtsprechung des BVerwG zum Verständnis der RL 64/221/EWG, Urteile vom13.9.2005 - 1 C 7.04 -, InfAuslR 2006, 110, und vom 6.10.2005 - 1 C 5.04 -, InfAuslR 2006, 114 und Kopp/Ramsauer, a.a.O. Rn 35 zu § 48 m.w.N.). Dass die Kinder des Klägers ihrerseits die „Beschränkungen und Bedingungen“ der Freizügigkeit (siehe Art. 18 Abs. 1 EG) unter irgendeinem Gesichtspunkt (Existenzmittel, Krankheitsvorsorge) nicht erfüllt hätten, ist nicht ersichtlich; erst recht ist ihnen ein solcher Tatbestand im Sinn der Rechtsprechung des EuGH (Bidar, a.a.O.) auch nicht „entgegengehalten“ worden. Aus dieser Rechtsstellung folgt, dass nicht nur sie selbst im maßgebenden Zeitpunkt der Ausweisungsverfügung freizügigkeitsberechtigt waren, sondern dass zusätzlich eine Gefährdung ihres Freizügigkeitsrechts durch eine Ausweisung ihres Vaters gemeinschaftsrechtlich zu vermeiden war (siehe EuGH, Baumbast, a.a.O. Rn 72 f. und Chen, a.a.O. Rn 45). In den genannten Entscheidungen hat der Europäische Gerichtshof nämlich ein den Kindern zustehendes Freizügigkeitsrecht in bestimmten Fällen auf die Eltern erstreckt; er hat sich dabei an der Überlegung orientiert, dass das einem Kind nach der Gemeinschaftsgesetzgebung zustehende Recht verloren gehen könnte, wenn den Eltern die Möglichkeit versagt würde, während der Schulausbildung ihrer Kinder im Aufnahmemitgliedstaat zu verbleiben. Dies gilt nach Auffassung des EuGH jedenfalls für solche Eltern, die die Personensorge tatsächlich wahrnehmen und sich bei dem Kind aufhalten (siehe EuGH, Baumbast, a.a.O., Rn 71 und 73; siehe auch EuGH - Chen -, a.a.O. Rn 45). Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser „Erstreckung“ des gemeinschaftsrechtlichen Aufenthaltsrechts der Kinder auf die Eltern waren im Fall des Klägers auch gegeben:
31 
Zum Zeitpunkt der Ausweisungsverfügung lagen - bezogen auf den Kläger, seine damalige Noch-Ehefrau und die beiden Kinder - die ein „Familienleben“ im Sinn der (auf Art. 8 Abs. 1 EMRK Bezug nehmenden) Rechtsprechung des EuGH begründenden Umstände vor; der Kläger wohnte mit seinen Familienangehörigen zusammen, und es ist auch davon auszugehen, dass die in den genannten Urteilen für eine Erstreckung der Freizügigkeit vorausgesetzte tatsächliche Personensorge für die Kinder (auch) von ihm wahrgenommen wurde (zu den Anforderungen des Art. 8 EMRK siehe Grote/Marauhn, a.a.O. Kap. 16 Rn 41 und Breitenmoser/Riemer/Seitz, a.a.O., S. 59 und 60). Der tatsächliche Kontakt, auf den es in diesem Zusammenhang ankommt, endete auch nicht in den Zeiträumen, in denen der Kläger inhaftiert war; es bestand regelmäßiger Besuchskontakt (alle zwei Wochen) mit seiner damaligen Ehefrau und den Kindern (RP-Akten S. 26), und auch sonst hatte - wie aus den Ausländerakten der Stadt Fellbach hervorgeht - keine Seite die Absicht, die familiäre Lebensgemeinschaft zu beenden (siehe etwa Vermerke vom 25.11.1997 und 16. und 18.12.1997). Die Inhaftierungszeiten haben damit den der Rechtsprechung des EuGH zur Erstreckung des Freizügigkeitsrechts auf Eltern zugrunde liegenden familienrechtlichen Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 EMRK nicht berührt (vgl. dazu auch Grote/Maraun, a.a.O., Kap. 16 Rn 45 m.w.N.).
32 
Die dem Schutz des Freizügigkeitsrechts der Kinder dienende Erstreckung dieses Rechts auf ihren Vater scheitert im vorliegenden Fall auch nicht daran, dass die Kinder gleichzeitig deutsche Staatsangehörige sind. Zwar folgt hieraus, dass naturgemäß ihr Aufenthaltsrecht in Deutschland zu keinem Zeitpunkt in Frage stand; die gegen den Kläger ergangene Ausweisung setzte aber gleichwohl die Familienangehörigen dem mittelbaren Druck aus, dem Kläger nach Italien zu folgen. Dass es im vorliegenden Fall hierzu nicht kam, weil die Kinder und ihre Mutter sich für den weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet entschieden, ändert daran nichts, zumal der weitere Zusammenhalt der Familienangehörigen in der illegalen Wiedereinreise des Klägers und in seinen (heimlichen) Besuchen bei der Familie zum Ausdruck kommt. Es spricht mehr dafür, dass die Familienangehörigen des Klägers die bevorstehende Trennung nicht durch ihre Nachreise nach Italien, sondern durch weiteren Kontakt in der Illegalität verhindern bzw. entschärfen wollten. Da die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Entscheidungen Baumbast und Chen, jeweils a.a.O.) eine für Kinder bei Ausweisung eines Elternteils entstehende Zwangslage vermeiden will, ist sie auch auf Fallgestaltungen wie die hier vorliegende anwendbar.
33 
Auf das aus seinen Kindern abgeleitete Freizügigkeitsrecht hat der Kläger schließlich auch nicht durch seine Erklärung vom 15.2.1998 verzichtet. Wie bereits ausgeführt worden ist, betraf diese Erklärung nur die konkret bevorstehende Abschiebung; mit ihr wollte der Kläger für die Behörde erkennbar eine vorzeitige Haftbeendigung in Deutschland erreichen. In der mündlichen Verhandlung hat er dazu glaubhaft angegeben, es sei ihm darum gegangen, möglichst früh in Italien wieder an Drogen zu kommen. Als Verzicht auf ein Freizügigkeitsrecht, das ihn auch zur Wiedereinreise in die Bundesrepublik Deutschland berechtigen würde, ist diese Erklärung nicht aufzufassen, ganz abgesehen davon, dass es insofern offenbar an einem verbindlichen rechtlichen Erklärungswillen - sozusagen für alle Zukunft - fehlte und ein wesentliches Element der Erklärung - die Mitausreise der Familienangehörigen - nicht Realität wurde. Insofern sind strenge Anforderungen zu stellen; sogar bei einer Ausreise „zum Sterben in der Heimat“ hat die Rechtsprechung die Annahme eines Freizügigkeitsverzichts abgelehnt (siehe dazu und zu den Voraussetzungen eines solchen Verzichts OVG Koblenz, Beschluss vom 17.6.1996 - 11 B 11155/96 -, InfAuslR 1996, 337 m.w.N.). Verzichtserklärungen im europäischen Recht sind auf die konkrete Handlung beschränkt und nicht mit Zukunftswirkung verbunden (siehe dazu Umbach/Clemens, GG, 2002, Rn 8 zu Art. 18). Insofern gilt nichts anderes als bei grundgesetzlich gewährleisteten Rechten (siehe dazu im einzelnen Jarass/Pieroth, GG, 2004, Vorbem. vor Art. 1, Rn 36 und Dreier, GG, 1996, Vorbem. 83, je m.w.N.). Auch ist zu bedenken, dass zum damaligen Zeitpunkt ein aus dem Unionsbürgerrecht selbst fließendes Aufenthaltsrecht noch nicht durch den Europäischen Gerichtshof anerkannt war; 1997 hatte der Europäische Gerichtshof noch entschieden, dass die Unionsbürgerschaft keine Ausdehnung der Rechtsstellung bewirken wolle (siehe dazu Lenz/Borchardt, a.a.O., Rn 2 zu Art. 18). Für einen entsprechenden Verzichtswille fehlt es daher zum damaligen Zeitpunkt an einer Grundlage.
34 
1.2. Konsequenz des dem Kläger nach diesen Ausführungen bei Erlass der Ausweisungsverfügung zustehenden Freizügigkeitsrechts war, dass entsprechende gemeinschaftsrechtliche Ausweisungsschranken anzuwenden waren; insbesondere schied im Fall des Klägers eine (nach nationalem Recht zutreffende) Regelausweisung aus und es war Ausweisungsermessen auszuüben. Der Europäische Gerichtshof hat - allerdings erst im Jahr 2004, aber gleichwohl mit Wirkung auch für frühere Ausweisungsfälle (siehe dazu oben 1.1) -entschieden, dass bei freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern die Tatbestände der zwingenden und der Regelausweisung als Rechtsgrundlagen ausscheiden; solche Ausländer dürfen nur aufgrund einer ausländerbehördlichen Ermessensentscheidung ausgewiesen werden (siehe dazu EuGH, Urteil vom 29.4.2004 - Rs C 482/01 - und C 493/01 - Orfanopoulos und Oliveri, DVBl. 2004, 876), und das Bundesverwaltungsgericht hat sich dem angeschlossen (Urteil vom 3.8.2004 - 1 C 30.02 -, NVwZ 2004, 1099). Die frühere - abweichende - Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist damit aufgegeben worden. Im Licht dieser - allerdings neueren - Rechtsprechung könnte die gegen den Kläger ergangene Ausweisungsverfügung im Verfahren über den Rücknahmeantrag nur dann als rechtmäßig beurteilt werden, wenn die Behörde die Ausweisung des Klägers nicht nur auf den Tatbestand der Regelausweisung gestützt, sondern hilfsweise Ermessen ausgeübt hätte. Dies ist hier aber nicht geschehen. Die Behörde ging ausdrücklich von einer sog. Ist-Ausweisung nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 AuslG aus, die wegen der ausländerrechtlichen Privilegierung des Klägers als Vater zweier deutscher Kinder in eine Regelausweisung nach § 47 Abs. 2 AuslG herabgestuft wurde (§ 47 Abs. 3 Satz 1 AuslG); die Behörde hat danach lediglich noch geprüft, ob eine atypische Fallgestaltung vorliegt, die eine Ermessensausweisung gebietet (S. 9 ff. der Ausweisungsverfügung), und diese Frage verneint. Die Verfügung setzt sich zwar bei der Prüfung, ob eine atypischen Fallgestaltung gegeben ist, mit der bisherigen Lebensführung des Klägers im einzelnen auseinander; diese Gesichtspunkte können aber nicht in eine Ermessensausübung „umgedeutet“ werden, da Rechtserwägungen im Zusammenhang mit der Problematik der Atypik keine Ermessenserwägungen sind (so ausdrücklich BVerwG, Urteil vom 19.11.1996 - 1 C 25/94 -, InfAuslR 1997, 152). Die Tatsache, dass bei der Prüfung der Atypik alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind (siehe BVerwG, Urteil vom 26.2.2002 - 1 C 21/00 -, NVwZ 2002, 1512), begründet daher nicht die Annahme einer Ermessensentscheidung; die Atypik führt erst tatbestandsmäßig zur Ermessensausübung (siehe BVerwG, Urteil vom 31.8.2004 - 1 C 25/03 -, NVwZ 2005, 229).
35 
1.3. Der Senat kann offen lassen, ob die Ausweisungsverfügung gegen den Kläger nicht nur wegen unterbliebener Ermessensausübung, sondern auch wegen Verletzung des Art. 9 RL 64/221/EWG als rechtswidrig anzusehen ist (siehe dazu BVerwG, Urteil vom 13.9.2005, a.a.O. und vom 6.10.2005, a.a.O.), ob der in dieser Richtlinie gebotene verfahrensrechtliche Schutz wegen der Einwilligung des Klägers in seine Ausweisung bzw. Abschiebung entbehrlich war und ob ein gegebenenfalls vorliegender Rechtsverstoß durch den späteren Wegfall der Richtlinie gegenstandslos geworden ist (siehe dazu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 18.10.2006 - 13 S 192/06 -). Offensichtlich fehlerhaft wäre allerdings die Annahme, es hätten im Weg der sog. Vorwirkung bereits damals (1998) die materiellen Ausweisungsvoraussetzungen der weitaus späteren RL 2004/38/EG gegolten.
36 
2. Aus der wegen Ermessensunterschreitung vorliegenden Rechtswidrigkeit der Ausweisungsverfügung ergibt sich, dass entgegen der Auffassung der Behörde tatbestandsmäßig eine Rücknahme nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG in Betracht kam; die Behörde war dementsprechend verpflichtet, über den Rücknahmeantrag nach Ermessen zu entscheiden. Die Behörde hat jedoch in der Verfügung vom 29.9.2004 den Antrag auf Rücknahme der Ausweisung aus Rechtsgründen, d.h. wegen fehlender Rechtswidrigkeit der Verfügung, abgelehnt (S. 3 der Verfügung); (wenigstens) hilfsweise Ermessensausübung liegt auch insofern nicht vor, zumal die weiteren Ausführungen der Behörde im Zusammenhang mit dem Hilfsantrag auf Befristung der Wirkungen der Ausweisung bzw. Abschiebung nicht als Ermessensausführungen im Zusammenhang mit § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG aufgefasst werden können (siehe dazu auch oben). Das Rücknahme-Ermessen ist auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt worden; insbesondere liegt kein „Ergänzen“ im Sinn des § 114 Satz 2 VwGO vor. Im gerichtlichen Verfahren hat die Behörde an ihrer Auffassung zur Rechtmäßigkeit der Verfügung festgehalten. Sie hat zwar ausgeführt, ihr müsse noch die Möglichkeit der Nachholung des Ermessens gegeben werden, und sich insoweit auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 3.8.2004 (a.a.O.) bezogen; damit verkennt sie aber, dass diese Entscheidung die Anfechtungsklage gegen eine Ausweisungsverfügung und nicht - wie hier - eine Klage auf Rücknahme dieser Verfügung betrifft. Die Verweisung auf das Befristungsverfahren ist keine Ermessensbetätigung im Rücknahmeverfahren, und eine bestandskräftig gewordene „Alt-Ausweisung“ kann auch nicht in eine nach Voraussetzungen und Struktur unterschiedliche Feststellung nach § 6 FreizügG umgedeutet werden (siehe auch OLG Hamburg, Beschluss vom 21.11.2005 - 1 Ws 212/05 -, InfAuslR 2006, 118, 120). Im übrigen wäre wegen des ursprünglichen Fehlens von Ermessenserwägungen überhaupt eine bloße „Ergänzung“ im Sinn des § 114 Satz 2 VwGO nicht zulässig (siehe dazu BVerwG, Urteil vom 5.9.2006 - 1 C 20.05 -, juris und VGH Bad.-Württ., Urteil vom 29.11.2006 - 13 S 1566/06 -). Die aufgrund der aktuellen EuGH-Rechtsprechung (Entscheidung Orfanopoulos a.a.O.) vom Bundesverwaltungsgericht über § 114 Satz 2 VwGO hinaus eingeräumte generelle Nachholmöglichkeit ist hier nicht geboten, da die Rechtswidrigkeit der Ausweisungsverfügung hier nicht auf neuen Erkenntnissen während des Anfechtungsverfahrens beruhte, sondern auf der bereits 2002 eingeleiteten Rechtsprechung zu Art. 18 EG und zur Erstreckung der Freizügigkeit auf Kinder (siehe oben), die ohne weiteres (wenigstens hilfsweise) im Ablehnungsbescheid von 2004 hätte berücksichtigt werden können.
37 
3. Die danach vorliegende Ermessensunterschreitung führt allerdings nur zu einer entsprechenden Bescheidungsverpflichtung des beklagten Landes nach § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO; eine darüber hinausgehende Verpflichtung des Beklagten zur unmittelbaren Rücknahmeentscheidung kam nicht in Betracht, so dass die auf dieses Ziel gerichtete Klage (teilweise) abzuweisen war. Einen direkt auf Rücknahme der Ausweisungsverfügung gerichteten Anspruch kann der Kläger nicht unter dem Gesichtspunkt der sog. Ermessensreduzierung auf die Rücknahme als einzig rechtlich zutreffende Entscheidung verlangen (3.1), und eine Pflicht der Behörde zur (in diesem Fall: deklaratorischen) Rücknahme besteht auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Unwirksamkeit der Ausweisungsverfügung (3.2).
38 
3.1. Weder nationales Recht noch Gemeinschaftsrecht gebieten es im vorliegenden Fall dem beklagten Land, die gegen den Kläger ergangene Ausweisungsverfügung zurückzunehmen.
39 
Für das nationale Recht folgt dies daraus, dass im Rahmen des § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG im Hinblick auf das Gebot der materiellen Gerechtigkeit einerseits und das der Rechtssicherheit andererseits nur ausnahmsweise ein Rücknahmeanspruch besteht; die Aufrechterhaltung des Bescheides müsste dann „schlechthin unerträglich“ sein (siehe dazu z.B. BVerwG, Beschluss vom 15.3.2005 - 3 B 86/04 -, DÖV 2005, 651 m.w.N.). Eine solche Fallgestaltung ist hier nicht gegeben; einmal war der Kläger, was für die Ermessensausübung durchaus relevant sein kann, mit seiner Abschiebung zum damaligen Zeitpunkt einverstanden, und zum anderen erscheint die Aufrechterhaltung der Ausweisungsverfügung auch nicht deswegen im Sinn der oben angeführten Rechtsprechung „schlechthin unerträglich“, weil die zur Annahme der Rechtswidrigkeit führende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum abgeleiteten Freizügigkeitsrecht von Kindern und zum Unionsbürgerrecht erst Jahre nach dem Erlass der Ausweisungsverfügung entwickelt wurde. Auch ergibt sich eine Ermessensreduzierung nicht aus dem Verhalten der Behörde selbst oder daraus, dass das Rücknahmeinteresse des Betroffenen eindeutig und offensichtlich schwerer wiegen würde als das öffentliche Interesse an einer Rücknahme (zu diesen Kriterien siehe Kopp/Ramsauer, a.a.O., Rn 55 zu § 48). Im übrigen käme es in diesem Zusammenhang bei der Ermessensausübung auch auf die Frage an, ob der Kläger in der Tat zum Entscheidungszeitpunkt drogenfrei ist und wie die Rückfallprognose aussieht.
40 
Auch Gemeinschaftsrecht verpflichtet den Beklagten zur Rücknahme der Ausweisungsverfügung nicht. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
41 
Dass Gemeinschaftsrecht in Fällen der vorliegenden Art keinen unbedingten Rücknahmeanspruch begründet, hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in seiner bisherigen Rechtsprechung ausgeführt (siehe z.B. Beschluss vom 4.1.2006 - 11 S 1871/05 - und Beschluss vom 7.11.2005 - 13 S 1895/05 -), und dies entspricht auch der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 15.3.2005 - 3 B 86/04 - a.a.O.). Vom nationalen Recht vorgesehene Ausschlussfristen für die Rechtsverfolgung - mit der Folge der Bestandskraft bei Nichteinhaltung dieser Fristen - sind nämlich deswegen grundsätzlich mit Gemeinschaftsrecht vereinbar, weil sie ein Anwendungsfall des auch für das Gemeinschaftsrecht grundlegenden Prinzips der Rechtssicherheit sind (siehe EuGH, Urteil vom 2.12.1997 - C 188/95 -, Fantask, Slg I O6783, Rn 45; Urteil vom 13.1.2004 - C 453/00 -, Kühne und Heitz, DVBl. 2004, 373, Rn 24 und zuletzt Urteil vom 19.9.2006 - C 392/04 -und - C 422/0C 422/04 -, I 21, NVwZ 2006, 1277 Rn 51). Während die frühere Rechtsprechung des EuGH die Frage der Bestandskraft gemeinschaftsrechtswidriger Verwaltungsakte nicht problematisiert hatte (siehe dazu die Nachweise bei Gärditz, NWVBl. 2006, 442 Fn 34 f. und beispielhaft EuGH, Urteil vom 2.12.1997, a.a.O.), hat erstmals die Entscheidung Kühne und Heitz (a.a.O.) bestimmte Voraussetzungen für eine behördliche Pflicht zur Überprüfung bestandskräftiger gemeinschaftswidriger Verwaltungsakte formuliert (siehe dazu auch Epiney, NVwZ 2006, 410 f.). Diese Bedingungen sind im vorliegenden Fall nicht (kumulativ) erfüllt: Zwar ist die Behörde nach nationalem Recht (hier: § 48 VwVfG) zur Rücknahme befugt, die Bestandskraft der Entscheidung beruht aber nicht wie im Fall Kühne/Heitz auf einem nationalen Gerichtsurteil, das die Vorlagepflicht nach Art. 234 Abs. 3 EG verletzt hat, und der Betroffene hat sich auch nicht unmittelbar nach Kenntniserlangung von der Entwicklung der EuGH-Rechtsprechung (hier: Urteile Baumbast und Chen, jeweils a.a.O.) an die Behörde gewandt und Rücknahme beantragt. Ganz unabhängig hiervon ist darauf hinzuweisen, dass Gegenstand der Entscheidung Kühne/Heitz nicht explizit die Frage der Rücknahmepflicht, sondern nur die Frage der Prüfungspflicht war (siehe dazu im einzelnen Gärditz a.a.O. S. 448). Eine Pflicht zur Überprüfung des bestandskräftigen, aber gemeinschaftswidrigen Verwaltungsakts bedeutet noch nicht die Pflicht zur Aufhebung (Gärditz a.a.O. Rn 105 m.w.N.). Die anlässlich der Entscheidung Kühne/Heitz in Literatur und Rechtsprechung aufgetretenen Unklarheiten (siehe dazu, Epiney a.a.O. S. 410 und Pache/Bieletz, DVBl. 2006, S. 331) sind im übrigen durch die weitere Rechtsprechung des EuGH im wesentlichen beseitigt worden. Die Entscheidung vom 16.3.2006 (- C 234/04 - Kapferer, DVBl. 2006, 569), die allerdings nicht (nur) bestandskräftige, sondern rechtskräftige Entscheidungen betrifft, hat bereits das vorangegangene Urteil Kühne/Heitz relativiert, und der EuGH hat im Urteil vom 19.9.2006 (I 21, a.a.O.) schließlich ausdrücklich ausgeführt, dass - von der Anerkennung der Bestandskraft ausgehend - (Rn 51) eine Überprüfungspflicht der Behörde bei Nichtausschöpfung des Rechtsbehelfsverfahrens grundsätzlich nicht besteht (Rn 53) und dass es Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung ist, die Modalitäten einer Rücknahme bzw. einer erneuten Überprüfung festzulegen. Die Überprüfungs- und Rücknahmepflicht nach nationalem Recht (hier: § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG) wird damit mit der gemeinschaftsrechtlichen Überprüfungs- und Rücknahmepflicht parallelisiert (EuGH, I 21, a.a.O. Rn 63 f. und Gärditz a.a.O. S. 446 f.); wo das nationale Recht keine Rücknahmepflicht ergibt, lässt sie sich also nicht zusätzlich aus Gemeinschaftsrecht herleiten. Bereits oben ist ausgeführt worden, dass unter dem Gesichtspunkt des § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG die Aufrechterhaltung der gegen den Kläger ergangenen Ausweisung nicht „schlechthin unerträglich“ ist, eine Rücknahmepflicht insoweit also nicht besteht, und diese Überlegungen gelten auch im hier interessierenden Zusammenhang. Der Verzicht des Klägers auf Rechtsbehelfe und die Tatsache, dass der Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht keineswegs offensichtlich war - die die Freizügigkeit begründende Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs stammt wie ausgeführt aus einem Zeitraum nach Erlass der Ausweisungsverfügung - stehen auch hier der Annahme einer
Rechts verpflichtung entgegen. Von besonderer Gravität oder gar (zusätzlicher) Offensichtlichkeit eines Gemeinschaftsrechtsverstoßes kann unter diesen Gesichtspunkten ohnehin nicht ausgegangen werden. Nach den Grundsätzen der I 21-Entscheidung des EuGH (a.a.O.) ist es vielmehr auch gemeinschaftsrechtlich zu akzeptieren, wenn sich das nationale Recht (§ 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG) angesichts der hier widerstreitenden Interessen (Rechtssicherheit einerseits, materielle Rechtmäßigkeit andererseits) mit einer Ermessensentscheidung der Behörde begnügt.

42 
3.2 Der Kläger kann die Rücknahme der gegen ihn ergangenen Ausweisungsverfügung auch nicht unter dem Gesichtspunkt der (deklaratorischen) Aufhebung einer unwirksamen oder unwirksam gewordenen Verfügung erreichen; die Voraussetzungen eines solchen „Rücknahme“-Anspruchs (zur Zulässigkeit einer solchen Rücknahme siehe oben vor 1.) sind nämlich nicht gegeben.
43 
Bei Erlass der Ausweisungsverfügung und auch in der Folgezeit bis zum Inkrafttreten des FreizügG/EU lag kein Grund für die Annahme von Unwirksamkeit (siehe § 43 Abs. 1 und 2 VwVfG) oder gar von Nichtigkeit (§ 43 Abs. 3 i.V.m. § 44 VwVfG) der Ausweisungsverfügung vor; dies liegt für den Senat auf der Hand und bedarf keiner näheren Ausführungen; sie folgt insbesondere nicht aus dem vom Kläger in diesem Zusammenhang für sich in Anspruch genommenen Urteil des EuGH vom 29.4.1999 (- C 224/97 -, Ciola), das sich lediglich mit strafrechtlichen Folgen des Verstoßes gegen gemeinschaftsrechtswidrige Verfügungen auseinandersetzt. Die Ausweisungsverfügung ist aber auch nicht durch Inkrafttreten des Freizügigkeitsgesetzes zum 1.1.2005 unwirksam geworden. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
44 
Soweit in der Rechtsprechung angenommen wird, mit dem Inkrafttreten des Freizügigkeitsgesetzes hätten die nach früherem Recht ergangenen Ausweisungsverfügungen gegenüber Unionsbürgern ihre Rechtsgrundlage verloren (so für nicht bestandskräftig gewordene Ausweisungsverfügungen Hess. VGH, Beschluss vom 29.12.2004 - 12 TG 3212/04 -, NVwZ 2005, 837; für bestandskräftige Verfügungen OVG Berlin, Beschluss vom 15.3.2006 - 8 S 823/05 -, NVwZ 2006, 953), ist diese Rechtsprechung teilweise nicht einschlägig, da im vorliegenden Fall Bestandskraft gegeben ist; teilweise kann der Senat ihr aus anderen Gründen nicht folgen. Er schließt sich vielmehr der Gegenmeinung an, die die (fortdauernde) Wirksamkeit bestandskräftig gewordener Ausweisungen bejaht (siehe dazu OVG Hamburg, Urteil vom 22.3.2005 - 3 Bf 294/04 -, EzAR; OVG Lüneburg, Beschluss vom 30.6.2006 - 11 LA 147.05 -, AuAS 2006, 185, ebenso schon VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 7.11.2005 - 13 S 1885/05 - und Beschluss vom 4.1.2006 - 11 S 1871/05 -). Das bloße Fehlen einer für Verfügungen nach dem damaligen AufenthG/EWG ergangenen Ausweisung geltenden Übergangsvorschrift bzw. das Fehlen einer Verweisung auf § 102 Abs. 1 AufenthG in § 11 Abs. 2 Satz 1 FreizügG/EU begründet fehlende Fortgeltung bereits deswegen nicht, weil sich im vorliegenden Fall die Fortdauer der Wirkungen der Ausweisung bereits unmittelbar aus § 102 Abs. 1 AufenthG ergibt. Die Vorschrift erfasst nämlich im Anwendungsbereich jedenfalls die auf das frühere Ausländergesetz gestützten Ausweisungsverfügungen, und um eine solche Verfügung handelt es sich im vorliegenden Fall, weil die Freizügigkeitsberechtigung und damit die Anwendung des AufenthG/EWG ausdrücklich verneint worden sind und Rechtsgrundlage der Ausweisung gerade das AuslG war. Außerdem ist der Anwendungsbereich des (späteren) FreizügG/EU und damit auch dessen § 11 Abs. 1 noch aus einem anderen Grund nicht gegeben; dieses Gesetz stellt durch die Bezugnahme auf § 1 FreizügG/EU auch in der Vorschrift des § 11 Abs. 1 auf die Freizügigkeitsberechtigung als Voraussetzung ab. Diese ist aber durch die Bestandskraft der auf das allgemeine Ausländergesetz gestützten Ausweisung entfallen (siehe auch Funke-Kaiser, Rn 2 zu § 102; OVG Hamburg, Beschluss vom 14.12.2005 - Bs 79/05 -, InfAuslR 2006, 305; Lüdke, InfAuslR 2005, S. 178; a.A. Gutmann, InfAuslR 2005, 125). Aus der fehlenden Verweisung auf § 102 AufenthG in § 11 Abs. 1 FreizügG/EU kann daher kein Argument zugunsten des Klägers hergeleitet werden. Im Übrigen hätte es wegen der bereits im Jahr 1998 eingetretenen Bestandskraft der Ausweisungsverfügung einer entsprechend klaren gesetzlichen Regelung bedurft, um die seit Bekanntgabe bestehende und durch die Bestandskraft verstärkte Wirksamkeit des Verwaltungsakts nach § 43 Abs. 2 VwVfG zu beseitigen; Die amtliche Begründung zum Entwurf des Freizügigkeitsgesetzes lässt eine so weitgehende Absicht nicht erkennen (BT-Drs. 15/420, S. 101 ff. S. 105 f.; siehe auch OVG Hamburg, Urteil vom 22.3.2005, a.a.O.).
45 
Die Bestandskraft und die damit eingetretene Wirkung der Ausweisungsverfügung ist auch nicht kraft Gemeinschaftsrechts entfallen; dies ergibt sich bereits daraus, dass das Gemeinschaftsrecht - wie oben ausgeführt - das Institut der Bestandskraft durchaus anerkennt und bei Gemeinschaftsrechtswidrigkeit eigene Instrumente - wie das Recht zur Überprüfung der Verfügung - entwickelt hat, um gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen gerecht zu werden. Dieser rechtlichen Instrumente hätte es nicht bedurft, wenn gemeinschaftsrechtlich sogar von der Unwirksamkeit (oder vom Unwirksamwerden) solcher Verfügungen auszugehen wäre. Dass in der Rechtsprechung der Strafgerichte bei Verstößen gegen solche Verfügungen unter Berufung auf den EuGH (Ciola a.a.O.) Strafbarkeit z.T. nicht mehr angenommen wird (siehe OLG Hamburg a.a.O. und OLG Karlsruhe, Beschluss vom 6.12.2006 3 Ws 346/05), steht dem nicht entgegen; insoweit handelt es sich um eine speziell strafrechtliche Fragestellung, die der Senat im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht zu beantworten braucht.
46 
4. Da der Kläger damit mit der Klage lediglich einen Teil seines mit dem Hauptantrag verfolgten Begehrens erreicht hat, waren ihm die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge teilweise aufzuerlegen (siehe § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO); der Senat geht dabei davon aus, dass der Kläger zu einem Drittel im Berufungsverfahren unterlegen ist.
47 
Die Revision war zuzulassen, da insbesondere die Frage der Wirksamkeit sog. altrechtlicher Ausweisungsverfügungen gegenüber Unionsbürgern in der obergerichtlichen Rechtsprechung strittig und noch nicht höchstrichterlich geklärt ist (siehe § 132 Abs. 2 Satz 1 VwGO).
48 
Beschluss
49 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
21 
Die zulässige, insbesondere rechtzeitig begründete Berufung (§ 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO) hat Erfolg, soweit der Kläger neben der Aufhebung der angefochtenen Entscheidung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 29.9.2004 die Verpflichtung des beklagten Landes zur erneuten Entscheidung über den Antrag auf Rücknahme der Ausweisungsverfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 4.3.1998 begehrt (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO); die darüber hinausgehende Klage auf Verpflichtung des Beklagten zur Rücknahme dieser Verfügung war allerdings abzuweisen, da dem Kläger kein entsprechender Rücknahmeanspruch zusteht (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Da die Klage damit im Hauptantrag (teilweise) Erfolg hat und das erstinstanzliche Urteil insofern abzuändern war, braucht über den Hilfsantrag nicht entschieden zu werden (vgl. auch Sodan/Ziekow, VwGO, 2006, Rn 111 vor § 124).
22 
Gegenstand des mit der Berufung in erster Linie verfolgten Hauptantrags ist der mit der Klage geltend gemachte Anspruch auf Rücknahme der bestandskräftig gewordenen Ausweisungsverfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 4.3.1998 nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG; die damit verbundene Abschiebungsandrohung ist von dem sich auf die “Ausweisungsanordnung“ beschränkenden Berufungsantrag nicht umfasst, und auch eine (zusätzliche) Klage auf Wiederaufgreifen des Verfahrens im Sinn von § 51 VwVfG ist nicht erhoben, da der anwaltlich vertretene Kläger sowohl bei der Behörde als auch beim Verwaltungsgericht ausdrücklich einen Rücknahmeantrag gestellt hat. Dieser Antrag umfasst allerdings bei sachdienlicher Auslegung (§§ 86 Abs. 3, 88 VwGO) nicht nur einen denkbaren Rücknahmeanspruch nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG wegen Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, sondern es ist auf diesen Antrag hin auch zu prüfen, ob der Beklagte deswegen zur „Rücknahme“ der bestandskräftig gewordenen Ausweisungsverfügung verpflichtet ist, weil diese rechtlich unwirksam ist. Die Unwirksamkeit der Verfügung hat der Kläger in Anlehnung an die Rechtsprechung des Hess. VGH und des OVG Berlin (im einzelnen siehe dazu unten) in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich als Klagegrund geltend gemacht, und es ist anerkannt, dass bei einem unwirksamen - oder: wie hier allenfalls unwirksam gewordenen - Verwaltungsakt eine (klarstellende) behördliche Rücknahme des Verwaltungsakts möglich und aus Gründen der Beseitigung des Rechtsscheins gegebenenfalls auch erforderlich ist (siehe dazu Kopp/Ramsauer, VwVfG, 2003, Rn 19a zu § 48; siehe auch Bay. VGH, Urteil vom 12.10.1989 - 26 B 86.02944 -, NVwZ-RR 1991, 117; Hess. VGH, Urteil vom 29.3.2006 - 6 UE 2874/04 - juris und BSG, Urteil vom 23.2.1989 - NVwZ 1989, 902). Bei einer solchen Fallgestaltung ist der Kläger nicht darauf verwiesen, Feststellungsklage nach § 43 Abs. 2 VwGO zu erheben (siehe dazu Sodan/Ziekow, a.a.O., Rn 63 und 71 zu § 43; BSG a.a.O.), was im vorliegenden Fall als Klageänderung im Berufungsverfahren ohnehin prozessual nicht unproblematisch wäre.
23 
Der mit der Berufung verfolgte Anspruch des Klägers auf Rücknahme der bestandskräftigen Ausweisungsverfügung hat jedoch nur teilweise Erfolg. Da diese Verfügung rechtswidrig war, war das Rücknahmeermessen der Behörde nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG eröffnet (1); es wurde allerdings weder in der Ablehnungsverfügung vom 29.9.2004 noch zu einem späteren Zeitpunkt ausgeübt, so dass der Beklagte zu einer entsprechenden Bescheidung nach der Rechtsauffassung des Gerichts zu verpflichten war (2). Ein darüber hinaus gehender unbedingter Rücknahmeanspruch besteht dagegen nicht (3).
24 
1. Der Kläger ist nicht bereits deswegen rechtlich daran gehindert, die nach seiner Auffassung bei Ergehen der Ausweisungsverfügung bestehende Rechtswidrigkeit geltend zu machen, weil er zuvor der Behörde gegenüber am 15.2.1998 erklärt hatte, er beantrage seine Abschiebung und habe in der Bundesrepublik Deutschland nichts mehr zu suchen, weil er mit Freundin und Kindern nach Italien gehe. Dies ergibt sich bereits daraus, dass das Rücknahmeverlangen nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG nicht darauf abstellt, auf welche Weise der Verwaltungsakt bestandskräftig geworden ist; selbst ein Verzicht auf einen Widerspruch schließt damit ein späteres Rücknahmebegehren nicht aus. Erst recht gilt dies in einem Fall wie dem vorliegenden: Die Einverständniserklärung des Klägers vor Erlass des Verwaltungsakts steht nämlich einem Widerspruchsverzicht nicht gleich (siehe dazu BVerwG, Urteil vom 20.1.1967 - VII C 191.64 -, NJW 1967, 2027; Kopp/Schenke, VwGO, 2005, Rn 11 zu § 69 und Sodan/Ziekow, a.a.O., Rn 96 zu § 69 Fn 106). Die zur Bestandskraft des Verwaltungsakts führenden konkreten Umstände und insbesondere das Verhalten des Klägers der bevorstehenden Ausweisung gegenüber schließen eine Rücknahme also nicht aus; sie sind allenfalls Gesichtspunkte, die bei der Ausübung des Rücknahmeermessens von Bedeutung sind (siehe auch Senat, Beschluss vom 7.11.2005 - 13 S 1895/05 -; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 4.1.2006 - 11 S 1871/05 - und Kopp/Ramsauer, a.a.O., RN 52 f. zu § 48).
25 
Für die damit im Rahmen des § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG entscheidungserhebliche Frage der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der bestandskräftig gewordenen Ausweisung des Klägers stellt der Senat auf den Zeitpunkt des Erlasses der Ausweisungsverfügung ab; da der Kläger zu diesem Zeitpunkt freizügigkeitsberechtigt war, kann offen bleiben, inwieweit eine erst später eintretende Rechtswidrigkeit ein Rücknahmeverfahren eröffnen kann (siehe dazu BVerwG, Urteil vom 28.10.2004 - 1 C 13.03 -, NVwZ-RR 2005, 341; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24.9.2001 - 8 S 641/01 -, VBlBW 2002, 208, 209).
26 
Die Rechtswidrigkeit der bestandskräftig gewordenen Ausweisungsverfügung schon zum Zeitpunkt ihres Erlasses ergibt sich für den Senat allerdings nicht bereits aus den Vorschriften des damals geltenden Ausländergesetzes selbst - tatbestandlich lag ein Fall der Regelausweisung durchaus vor - und auch nicht aus den einfachrechtlichen Modifikationen der Ausweisung, die das damalige AufenthG/EWG insbesondere in § 12 enthielt; auch diese Vorschriften, insbesondere das Erfordernis einer Wiederholungsgefahr (§ 12 Abs. 3 und 4 AufenthG/EWG) sind eingehalten worden. Der Senat ist auch nicht der Auffassung, dass die Ausweisung des Klägers als eines Ausländers der sog. zweiten Generation aus Gründen des als Gesetzesrecht zu beachtenden Art. 8 Abs. 1 EMRK rechtswidrig war; angesichts der erheblichen Vorstrafen des Klägers und der jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt offen zu Tage liegenden Wiederholungsgefahr hinsichtlich gravierender Delikte war der mit der Ausweisung verbundene Eingriff in das Schutzgut „Familienleben“ im Sinn des Art. 8 Abs. 1 EMRK für die öffentliche Sicherheit bzw. zur Verhütung von Straftaten im Sinn des Art. 8 Abs. 2 EMRK notwendig und verhältnismäßig (s. dazu Breitenmoser/Riemer/Seitz, Praxis des Europarechts - Grundrechtsschutz, 2006, S. 66, 67 m.w.N. und die Nachweise bei Grote/Marauhn, EMRK/GG, Konkordanzkommentar, 2006, Kap. 16 Rn 94 m.w.N.) In Fällen wie dem vorliegenden hätte auch nicht notwendigerweise mit der Ausweisung selbst schon über eine Befristung der Wirkungen entschieden werden müssen. Eine solche zusätzliche Entscheidung lag im Fall des Klägers zum damaligen Zeitpunkt bereits wegen dessen vorangegangener Erklärung, er habe in der Bundesrepublik Deutschland nichts mehr zu suchen, nicht nahe; sie war aber auch nicht nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) geboten. Zwar hat der EGMR in mehreren Entscheidungen eine Ausweisung eines Ausländers also unverhältnismäßig beurteilt, die keine Befristungsentscheidung enthielt (siehe Urteile vom 17.4.2003 - Yilmaz -, NJW 2004, 2147, 2149; Urteil vom 22.4.2004 - Radovanovic -, InfAuslR 2004, 374 und Urteil vom 27.10.2005 - Keles -, InfAuslR 2006, 3); das deutsche Recht wird dem dieser Rechtsprechung zugrunde liegenden Gedanken der Verhältnismäßigkeit aber dadurch gerecht, dass es im Regelfall einen Befristungsanspruch gewährt (siehe damals § 8 Abs. 2 AuslG und heute § 11 Abs. 2 Satz 3 AufenthG und BVerwG, Beschluss vom 27.6.1997 - 1 B 126/97 -, Buchholz 402.240 § 8 AuslG 1990 Nr. 13).
27 
Letztlich kann diese Frage aber offen bleiben; ein im Rahmen des § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG beachtlicher Verstoß der Ausweisungsverfügung gegen Rechtsvorschriften ergibt sich nämlich daraus, dass der Kläger zum damaligen Zeitpunkt freizügigkeitsberechtigt war und dass entsprechende gemeinschaftsrechtliche Bindungen zu beachten waren (1.1). Insbesondere durfte der Kläger nicht nach den Vorschriften der Regelausweisung ausgewiesen werden, sondern es war Ermessen auszuüben (1.2). Auf das Vorliegen weiterer gemeinschaftsrechtlicher Bindungen und die Frage, ob sie eingehalten sind, kommt es danach nicht mehr an (1.3).
28 
1.1. Ob der Kläger zum Zeitpunkt der Ausweisungsverfügung aus eigenem Recht freizügigkeitsberechtigt war, ist zweifelhaft, kann letztlich aber offen bleiben. Mangels Arbeitnehmereigenschaft bzw. Arbeitssuche liegen die Voraussetzungen der Verordnungen Nr. 1612/68/EWG und 1251/70/EWG über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft nicht vor (siehe Art. 1 und Art. 2 VO 1612/68/EWG); daraus folgt auch das Fehlen eines Freizügigkeitsrechts entsprechend der RL 68/360/EWG (Art. 1 und Art. 4 Abs. 1). Unabhängig von der Frage der Arbeitnehmereigenschaft und Erwerbstätigkeit leitet der Europäische Gerichtshof (EuGH) allerdings ein allgemeines Freizügigkeitsrecht bereits aus der (bei dem Kläger als italienischem Staatsangehörigen bestehenden) Unionsbürgerschaft (Art. 18 EG) her; dies gilt jedenfalls seit der Entscheidung Baumbast (siehe EuGH, Urteil vom 17.9.2002 - C 413/99 -, InfAuslR 2002, 463, Rn 84/8Rn 84/85; zur früheren Rechtslage vgl. auch BVerwG, Vorlageentscheidung vom 18.9.2001 - 1 C 17/00 -, NVwZ 2002, 339 m.w.N.). In der Folgezeit hat der EuGH diese Rechtsprechung fortgeführt und bestärkt (siehe Urteil vom 29.4.2004 - Orfanopoulos und Oliveri -, - C 282/01 -, Rn 65, NVwZ 2004, 1099; Urteil vom 15.3.2005 - Bidar -, - C 209/03 -, Rn 36, NJW 2005, 2055; Urteil vom 23.3.2006 - Kommission -, - C 408/03 -, Rn 37, NVwZ 2006, 918), und Literatur und nationale Rechtsprechung sind dem weitgehend gefolgt (siehe Sander, DVBl. 2005, 1014 und Westphal/Stoppa, InfAuslR 2004, 133; Lenz/Borchardt, EU- und EGV, 2006, RN 2 zu Art. 18; siehe auch Hess. VGH, Beschluss vom 29.12.2004 - 12 TG 3212/04 -, AuAS 2005, 74). Allerdings hat der Europäische Gerichtshof in einer weiteren Entscheidung (Urteil vom 7.9.2004 - C 456/02 -, -Trojani-, Rn 36, InfAuslR 2004, 417) zu den „Beschränkungen und Bedingungen“ der Freizügigkeit im Sinn des Art. 18 Abs. 1 EG ausgeführt, bei Fehlen ausreichender Existenzmittel im Sinn der RL 90/364/EWG erwachse dem Unionsbürger kein Recht zum Aufenthalt; diese Formulierung legt den Schluss nahe, dass bei Nichterfüllung dieser Beschränkungen und Bedingungen die Unionsbürgerschaft allein zur Entstehung des Freizügigkeitsrechts noch nicht ausreicht. Dass im Fall des Klägers ausreichende Existenzmittel im Sinn der genannten Richtlinie im Zeitpunkt der Ausweisungsverfügung nicht vorhanden waren, liegt für den Senat angesichts des Fehlens gesicherter Einkünfte und seiner schweren Erkrankung mehr als nahe; selbst wenn er in gewissem Umfang von seiner damaligen Ehefrau und/oder seinen italienischen Eltern unterstützt worden sein mag, dürfte es jedenfalls an ausreichender Krankheitsvorsorge gefehlt haben (vgl. dazu auch EuGH, Urteil vom 19.10.2004 - C 200/02 -, - Chen -, InfAuslR 2004, 413 und vom 23.3.2006, a.a.O.). Hiervon abgesehen geht der EuGH jedenfalls dann vom Fehlen bzw. Erlöschen des Freizügigkeitsrechts aus, wenn die Nichterfüllung der „Beschränkungen und Bedingungen“ der Freizügigkeit (siehe Art. 18 Abs. 1 EG) dem Betroffenen „entgegengehalten“ worden ist (siehe EuGH, Bidar, a.a.O., Rn 36). Eine derartige behördliche Entscheidung - zum neuen Recht siehe § 7 Abs. 1 FreizügG/EU - kann hier durchaus in der Ausweisungsverfügung selbst gesehen werden, die dem Kläger ausdrücklich wegen fehlender Existenzmittel und wegen fehlenden Krankenversicherungsschutzes gemeinschaftsrechtliche Freizügigkeit abgesprochen hat (S. 6 f. der Ausweisungsverfügung) und die der Kläger ebenso wie die Ausweisung selbst akzeptiert hat.
29 
Letztlich kann der Senat jedoch offen lassen, ob der Kläger sich zum damaligen Zeitpunkt auf ein Freizügigkeitsrecht aus eigenem Recht berufen konnte; er war jedenfalls aus abgeleitetem Recht als Familienangehöriger freizügigkeitsberechtigt. Ein solches Recht scheidet nicht bereits deswegen aus, weil der Kläger bereits im Bundesgebiet geboren wurde und es damit „an sich“ an dem erforderlichen grenzüberschreitenden Element fehlt (siehe dazu EuGH - Chen -, a.a.O. Rn 19/20). Ob der Kläger als Familienangehöriger von seiner italienischen Mutter oder von seinem italienischen Stiefvater (siehe dazu EuGH , Urteil vom 30.9.2004 - C 275/02 -, - Ayaz -, InfAuslR 2004, 416 und Kloesel/Christ/Häußer, Deutsches Aufenthalts- und Ausländerrecht, Rn 17 zu § 3 FreizügG) ein Freizügigkeitsrecht ableiten konnte, obwohl er über 21 Jahre alt war, insbesondere ob ausreichende Unterhaltsleistungen der Stammberechtigten vorlagen (siehe dazu EuGH, Chen, a.a.O., und Kommission, a.a.O.), ist angesichts der Einstellung der Eltern des Klägers zu seiner Drogenabhängigkeit fragwürdig; der Senat braucht diese Fragen jedoch nicht zu entscheiden, weil der Kläger jedenfalls von seinen Kindern als Stammberechtigte ein entsprechendes Freizügigkeitsrecht herleiten konnte. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
30 
Die Kinder des Klägers sind (auch) italienische Staatsangehörige (siehe Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Bd. 8 (Italien), S. 6 mit Hinweis auf Art. 1 des italienischen Gesetzes 91/1992 vom 5.2.1992). Die Tatsache, dass sie daneben die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, ändert an ihrer Eignung als „Stammberechtigte“ nichts (siehe EuGH, Urteil vom 7.7.1992 - C 369/90 -, - Micheletti -, InfAuslR 1992, 2). Kraft ihrer Rechtsstellung als Unionsbürger konnten die Kinder des Klägers diesem trotz ihrer Geburt in Deutschland ein Freizügigkeitsrecht vermitteln (siehe dazu EuGH - Chen -, a.a.O.), und sie selbst waren nach der oben wiedergegebenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs unmittelbar aus Art. 18 Abs. 1 EG freizügigkeitsberechtigt. Dabei ist es ohne rechtliche Bedeutung, dass die maßgebende Rechtsprechung des EuGH sowohl zum Freizügigkeitsrecht unmittelbar aus Art. 18 EG als auch zur „Erstreckung“ des Freizügigkeitsrechts von Kindern auf Eltern (s. dazu unten) erst nach Erlass der Ausweisungsverfügung entwickelt worden ist; sie erfasst auch zurückliegende Tatbestände, die im Sinn der „geläuterten“ Rechtsprechung zu beurteilen sind (siehe dazu EuGH, Urteil vom 2.12.1997 - C 188/95 -, Fantask -, Slg I 06783, Rn 36,37; vgl. auch die Rechtsprechung des BVerwG zum Verständnis der RL 64/221/EWG, Urteile vom13.9.2005 - 1 C 7.04 -, InfAuslR 2006, 110, und vom 6.10.2005 - 1 C 5.04 -, InfAuslR 2006, 114 und Kopp/Ramsauer, a.a.O. Rn 35 zu § 48 m.w.N.). Dass die Kinder des Klägers ihrerseits die „Beschränkungen und Bedingungen“ der Freizügigkeit (siehe Art. 18 Abs. 1 EG) unter irgendeinem Gesichtspunkt (Existenzmittel, Krankheitsvorsorge) nicht erfüllt hätten, ist nicht ersichtlich; erst recht ist ihnen ein solcher Tatbestand im Sinn der Rechtsprechung des EuGH (Bidar, a.a.O.) auch nicht „entgegengehalten“ worden. Aus dieser Rechtsstellung folgt, dass nicht nur sie selbst im maßgebenden Zeitpunkt der Ausweisungsverfügung freizügigkeitsberechtigt waren, sondern dass zusätzlich eine Gefährdung ihres Freizügigkeitsrechts durch eine Ausweisung ihres Vaters gemeinschaftsrechtlich zu vermeiden war (siehe EuGH, Baumbast, a.a.O. Rn 72 f. und Chen, a.a.O. Rn 45). In den genannten Entscheidungen hat der Europäische Gerichtshof nämlich ein den Kindern zustehendes Freizügigkeitsrecht in bestimmten Fällen auf die Eltern erstreckt; er hat sich dabei an der Überlegung orientiert, dass das einem Kind nach der Gemeinschaftsgesetzgebung zustehende Recht verloren gehen könnte, wenn den Eltern die Möglichkeit versagt würde, während der Schulausbildung ihrer Kinder im Aufnahmemitgliedstaat zu verbleiben. Dies gilt nach Auffassung des EuGH jedenfalls für solche Eltern, die die Personensorge tatsächlich wahrnehmen und sich bei dem Kind aufhalten (siehe EuGH, Baumbast, a.a.O., Rn 71 und 73; siehe auch EuGH - Chen -, a.a.O. Rn 45). Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser „Erstreckung“ des gemeinschaftsrechtlichen Aufenthaltsrechts der Kinder auf die Eltern waren im Fall des Klägers auch gegeben:
31 
Zum Zeitpunkt der Ausweisungsverfügung lagen - bezogen auf den Kläger, seine damalige Noch-Ehefrau und die beiden Kinder - die ein „Familienleben“ im Sinn der (auf Art. 8 Abs. 1 EMRK Bezug nehmenden) Rechtsprechung des EuGH begründenden Umstände vor; der Kläger wohnte mit seinen Familienangehörigen zusammen, und es ist auch davon auszugehen, dass die in den genannten Urteilen für eine Erstreckung der Freizügigkeit vorausgesetzte tatsächliche Personensorge für die Kinder (auch) von ihm wahrgenommen wurde (zu den Anforderungen des Art. 8 EMRK siehe Grote/Marauhn, a.a.O. Kap. 16 Rn 41 und Breitenmoser/Riemer/Seitz, a.a.O., S. 59 und 60). Der tatsächliche Kontakt, auf den es in diesem Zusammenhang ankommt, endete auch nicht in den Zeiträumen, in denen der Kläger inhaftiert war; es bestand regelmäßiger Besuchskontakt (alle zwei Wochen) mit seiner damaligen Ehefrau und den Kindern (RP-Akten S. 26), und auch sonst hatte - wie aus den Ausländerakten der Stadt Fellbach hervorgeht - keine Seite die Absicht, die familiäre Lebensgemeinschaft zu beenden (siehe etwa Vermerke vom 25.11.1997 und 16. und 18.12.1997). Die Inhaftierungszeiten haben damit den der Rechtsprechung des EuGH zur Erstreckung des Freizügigkeitsrechts auf Eltern zugrunde liegenden familienrechtlichen Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 EMRK nicht berührt (vgl. dazu auch Grote/Maraun, a.a.O., Kap. 16 Rn 45 m.w.N.).
32 
Die dem Schutz des Freizügigkeitsrechts der Kinder dienende Erstreckung dieses Rechts auf ihren Vater scheitert im vorliegenden Fall auch nicht daran, dass die Kinder gleichzeitig deutsche Staatsangehörige sind. Zwar folgt hieraus, dass naturgemäß ihr Aufenthaltsrecht in Deutschland zu keinem Zeitpunkt in Frage stand; die gegen den Kläger ergangene Ausweisung setzte aber gleichwohl die Familienangehörigen dem mittelbaren Druck aus, dem Kläger nach Italien zu folgen. Dass es im vorliegenden Fall hierzu nicht kam, weil die Kinder und ihre Mutter sich für den weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet entschieden, ändert daran nichts, zumal der weitere Zusammenhalt der Familienangehörigen in der illegalen Wiedereinreise des Klägers und in seinen (heimlichen) Besuchen bei der Familie zum Ausdruck kommt. Es spricht mehr dafür, dass die Familienangehörigen des Klägers die bevorstehende Trennung nicht durch ihre Nachreise nach Italien, sondern durch weiteren Kontakt in der Illegalität verhindern bzw. entschärfen wollten. Da die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Entscheidungen Baumbast und Chen, jeweils a.a.O.) eine für Kinder bei Ausweisung eines Elternteils entstehende Zwangslage vermeiden will, ist sie auch auf Fallgestaltungen wie die hier vorliegende anwendbar.
33 
Auf das aus seinen Kindern abgeleitete Freizügigkeitsrecht hat der Kläger schließlich auch nicht durch seine Erklärung vom 15.2.1998 verzichtet. Wie bereits ausgeführt worden ist, betraf diese Erklärung nur die konkret bevorstehende Abschiebung; mit ihr wollte der Kläger für die Behörde erkennbar eine vorzeitige Haftbeendigung in Deutschland erreichen. In der mündlichen Verhandlung hat er dazu glaubhaft angegeben, es sei ihm darum gegangen, möglichst früh in Italien wieder an Drogen zu kommen. Als Verzicht auf ein Freizügigkeitsrecht, das ihn auch zur Wiedereinreise in die Bundesrepublik Deutschland berechtigen würde, ist diese Erklärung nicht aufzufassen, ganz abgesehen davon, dass es insofern offenbar an einem verbindlichen rechtlichen Erklärungswillen - sozusagen für alle Zukunft - fehlte und ein wesentliches Element der Erklärung - die Mitausreise der Familienangehörigen - nicht Realität wurde. Insofern sind strenge Anforderungen zu stellen; sogar bei einer Ausreise „zum Sterben in der Heimat“ hat die Rechtsprechung die Annahme eines Freizügigkeitsverzichts abgelehnt (siehe dazu und zu den Voraussetzungen eines solchen Verzichts OVG Koblenz, Beschluss vom 17.6.1996 - 11 B 11155/96 -, InfAuslR 1996, 337 m.w.N.). Verzichtserklärungen im europäischen Recht sind auf die konkrete Handlung beschränkt und nicht mit Zukunftswirkung verbunden (siehe dazu Umbach/Clemens, GG, 2002, Rn 8 zu Art. 18). Insofern gilt nichts anderes als bei grundgesetzlich gewährleisteten Rechten (siehe dazu im einzelnen Jarass/Pieroth, GG, 2004, Vorbem. vor Art. 1, Rn 36 und Dreier, GG, 1996, Vorbem. 83, je m.w.N.). Auch ist zu bedenken, dass zum damaligen Zeitpunkt ein aus dem Unionsbürgerrecht selbst fließendes Aufenthaltsrecht noch nicht durch den Europäischen Gerichtshof anerkannt war; 1997 hatte der Europäische Gerichtshof noch entschieden, dass die Unionsbürgerschaft keine Ausdehnung der Rechtsstellung bewirken wolle (siehe dazu Lenz/Borchardt, a.a.O., Rn 2 zu Art. 18). Für einen entsprechenden Verzichtswille fehlt es daher zum damaligen Zeitpunkt an einer Grundlage.
34 
1.2. Konsequenz des dem Kläger nach diesen Ausführungen bei Erlass der Ausweisungsverfügung zustehenden Freizügigkeitsrechts war, dass entsprechende gemeinschaftsrechtliche Ausweisungsschranken anzuwenden waren; insbesondere schied im Fall des Klägers eine (nach nationalem Recht zutreffende) Regelausweisung aus und es war Ausweisungsermessen auszuüben. Der Europäische Gerichtshof hat - allerdings erst im Jahr 2004, aber gleichwohl mit Wirkung auch für frühere Ausweisungsfälle (siehe dazu oben 1.1) -entschieden, dass bei freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern die Tatbestände der zwingenden und der Regelausweisung als Rechtsgrundlagen ausscheiden; solche Ausländer dürfen nur aufgrund einer ausländerbehördlichen Ermessensentscheidung ausgewiesen werden (siehe dazu EuGH, Urteil vom 29.4.2004 - Rs C 482/01 - und C 493/01 - Orfanopoulos und Oliveri, DVBl. 2004, 876), und das Bundesverwaltungsgericht hat sich dem angeschlossen (Urteil vom 3.8.2004 - 1 C 30.02 -, NVwZ 2004, 1099). Die frühere - abweichende - Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist damit aufgegeben worden. Im Licht dieser - allerdings neueren - Rechtsprechung könnte die gegen den Kläger ergangene Ausweisungsverfügung im Verfahren über den Rücknahmeantrag nur dann als rechtmäßig beurteilt werden, wenn die Behörde die Ausweisung des Klägers nicht nur auf den Tatbestand der Regelausweisung gestützt, sondern hilfsweise Ermessen ausgeübt hätte. Dies ist hier aber nicht geschehen. Die Behörde ging ausdrücklich von einer sog. Ist-Ausweisung nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 AuslG aus, die wegen der ausländerrechtlichen Privilegierung des Klägers als Vater zweier deutscher Kinder in eine Regelausweisung nach § 47 Abs. 2 AuslG herabgestuft wurde (§ 47 Abs. 3 Satz 1 AuslG); die Behörde hat danach lediglich noch geprüft, ob eine atypische Fallgestaltung vorliegt, die eine Ermessensausweisung gebietet (S. 9 ff. der Ausweisungsverfügung), und diese Frage verneint. Die Verfügung setzt sich zwar bei der Prüfung, ob eine atypischen Fallgestaltung gegeben ist, mit der bisherigen Lebensführung des Klägers im einzelnen auseinander; diese Gesichtspunkte können aber nicht in eine Ermessensausübung „umgedeutet“ werden, da Rechtserwägungen im Zusammenhang mit der Problematik der Atypik keine Ermessenserwägungen sind (so ausdrücklich BVerwG, Urteil vom 19.11.1996 - 1 C 25/94 -, InfAuslR 1997, 152). Die Tatsache, dass bei der Prüfung der Atypik alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind (siehe BVerwG, Urteil vom 26.2.2002 - 1 C 21/00 -, NVwZ 2002, 1512), begründet daher nicht die Annahme einer Ermessensentscheidung; die Atypik führt erst tatbestandsmäßig zur Ermessensausübung (siehe BVerwG, Urteil vom 31.8.2004 - 1 C 25/03 -, NVwZ 2005, 229).
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1.3. Der Senat kann offen lassen, ob die Ausweisungsverfügung gegen den Kläger nicht nur wegen unterbliebener Ermessensausübung, sondern auch wegen Verletzung des Art. 9 RL 64/221/EWG als rechtswidrig anzusehen ist (siehe dazu BVerwG, Urteil vom 13.9.2005, a.a.O. und vom 6.10.2005, a.a.O.), ob der in dieser Richtlinie gebotene verfahrensrechtliche Schutz wegen der Einwilligung des Klägers in seine Ausweisung bzw. Abschiebung entbehrlich war und ob ein gegebenenfalls vorliegender Rechtsverstoß durch den späteren Wegfall der Richtlinie gegenstandslos geworden ist (siehe dazu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 18.10.2006 - 13 S 192/06 -). Offensichtlich fehlerhaft wäre allerdings die Annahme, es hätten im Weg der sog. Vorwirkung bereits damals (1998) die materiellen Ausweisungsvoraussetzungen der weitaus späteren RL 2004/38/EG gegolten.
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2. Aus der wegen Ermessensunterschreitung vorliegenden Rechtswidrigkeit der Ausweisungsverfügung ergibt sich, dass entgegen der Auffassung der Behörde tatbestandsmäßig eine Rücknahme nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG in Betracht kam; die Behörde war dementsprechend verpflichtet, über den Rücknahmeantrag nach Ermessen zu entscheiden. Die Behörde hat jedoch in der Verfügung vom 29.9.2004 den Antrag auf Rücknahme der Ausweisung aus Rechtsgründen, d.h. wegen fehlender Rechtswidrigkeit der Verfügung, abgelehnt (S. 3 der Verfügung); (wenigstens) hilfsweise Ermessensausübung liegt auch insofern nicht vor, zumal die weiteren Ausführungen der Behörde im Zusammenhang mit dem Hilfsantrag auf Befristung der Wirkungen der Ausweisung bzw. Abschiebung nicht als Ermessensausführungen im Zusammenhang mit § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG aufgefasst werden können (siehe dazu auch oben). Das Rücknahme-Ermessen ist auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt worden; insbesondere liegt kein „Ergänzen“ im Sinn des § 114 Satz 2 VwGO vor. Im gerichtlichen Verfahren hat die Behörde an ihrer Auffassung zur Rechtmäßigkeit der Verfügung festgehalten. Sie hat zwar ausgeführt, ihr müsse noch die Möglichkeit der Nachholung des Ermessens gegeben werden, und sich insoweit auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 3.8.2004 (a.a.O.) bezogen; damit verkennt sie aber, dass diese Entscheidung die Anfechtungsklage gegen eine Ausweisungsverfügung und nicht - wie hier - eine Klage auf Rücknahme dieser Verfügung betrifft. Die Verweisung auf das Befristungsverfahren ist keine Ermessensbetätigung im Rücknahmeverfahren, und eine bestandskräftig gewordene „Alt-Ausweisung“ kann auch nicht in eine nach Voraussetzungen und Struktur unterschiedliche Feststellung nach § 6 FreizügG umgedeutet werden (siehe auch OLG Hamburg, Beschluss vom 21.11.2005 - 1 Ws 212/05 -, InfAuslR 2006, 118, 120). Im übrigen wäre wegen des ursprünglichen Fehlens von Ermessenserwägungen überhaupt eine bloße „Ergänzung“ im Sinn des § 114 Satz 2 VwGO nicht zulässig (siehe dazu BVerwG, Urteil vom 5.9.2006 - 1 C 20.05 -, juris und VGH Bad.-Württ., Urteil vom 29.11.2006 - 13 S 1566/06 -). Die aufgrund der aktuellen EuGH-Rechtsprechung (Entscheidung Orfanopoulos a.a.O.) vom Bundesverwaltungsgericht über § 114 Satz 2 VwGO hinaus eingeräumte generelle Nachholmöglichkeit ist hier nicht geboten, da die Rechtswidrigkeit der Ausweisungsverfügung hier nicht auf neuen Erkenntnissen während des Anfechtungsverfahrens beruhte, sondern auf der bereits 2002 eingeleiteten Rechtsprechung zu Art. 18 EG und zur Erstreckung der Freizügigkeit auf Kinder (siehe oben), die ohne weiteres (wenigstens hilfsweise) im Ablehnungsbescheid von 2004 hätte berücksichtigt werden können.
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3. Die danach vorliegende Ermessensunterschreitung führt allerdings nur zu einer entsprechenden Bescheidungsverpflichtung des beklagten Landes nach § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO; eine darüber hinausgehende Verpflichtung des Beklagten zur unmittelbaren Rücknahmeentscheidung kam nicht in Betracht, so dass die auf dieses Ziel gerichtete Klage (teilweise) abzuweisen war. Einen direkt auf Rücknahme der Ausweisungsverfügung gerichteten Anspruch kann der Kläger nicht unter dem Gesichtspunkt der sog. Ermessensreduzierung auf die Rücknahme als einzig rechtlich zutreffende Entscheidung verlangen (3.1), und eine Pflicht der Behörde zur (in diesem Fall: deklaratorischen) Rücknahme besteht auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Unwirksamkeit der Ausweisungsverfügung (3.2).
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3.1. Weder nationales Recht noch Gemeinschaftsrecht gebieten es im vorliegenden Fall dem beklagten Land, die gegen den Kläger ergangene Ausweisungsverfügung zurückzunehmen.
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Für das nationale Recht folgt dies daraus, dass im Rahmen des § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG im Hinblick auf das Gebot der materiellen Gerechtigkeit einerseits und das der Rechtssicherheit andererseits nur ausnahmsweise ein Rücknahmeanspruch besteht; die Aufrechterhaltung des Bescheides müsste dann „schlechthin unerträglich“ sein (siehe dazu z.B. BVerwG, Beschluss vom 15.3.2005 - 3 B 86/04 -, DÖV 2005, 651 m.w.N.). Eine solche Fallgestaltung ist hier nicht gegeben; einmal war der Kläger, was für die Ermessensausübung durchaus relevant sein kann, mit seiner Abschiebung zum damaligen Zeitpunkt einverstanden, und zum anderen erscheint die Aufrechterhaltung der Ausweisungsverfügung auch nicht deswegen im Sinn der oben angeführten Rechtsprechung „schlechthin unerträglich“, weil die zur Annahme der Rechtswidrigkeit führende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum abgeleiteten Freizügigkeitsrecht von Kindern und zum Unionsbürgerrecht erst Jahre nach dem Erlass der Ausweisungsverfügung entwickelt wurde. Auch ergibt sich eine Ermessensreduzierung nicht aus dem Verhalten der Behörde selbst oder daraus, dass das Rücknahmeinteresse des Betroffenen eindeutig und offensichtlich schwerer wiegen würde als das öffentliche Interesse an einer Rücknahme (zu diesen Kriterien siehe Kopp/Ramsauer, a.a.O., Rn 55 zu § 48). Im übrigen käme es in diesem Zusammenhang bei der Ermessensausübung auch auf die Frage an, ob der Kläger in der Tat zum Entscheidungszeitpunkt drogenfrei ist und wie die Rückfallprognose aussieht.
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Auch Gemeinschaftsrecht verpflichtet den Beklagten zur Rücknahme der Ausweisungsverfügung nicht. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
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Dass Gemeinschaftsrecht in Fällen der vorliegenden Art keinen unbedingten Rücknahmeanspruch begründet, hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in seiner bisherigen Rechtsprechung ausgeführt (siehe z.B. Beschluss vom 4.1.2006 - 11 S 1871/05 - und Beschluss vom 7.11.2005 - 13 S 1895/05 -), und dies entspricht auch der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 15.3.2005 - 3 B 86/04 - a.a.O.). Vom nationalen Recht vorgesehene Ausschlussfristen für die Rechtsverfolgung - mit der Folge der Bestandskraft bei Nichteinhaltung dieser Fristen - sind nämlich deswegen grundsätzlich mit Gemeinschaftsrecht vereinbar, weil sie ein Anwendungsfall des auch für das Gemeinschaftsrecht grundlegenden Prinzips der Rechtssicherheit sind (siehe EuGH, Urteil vom 2.12.1997 - C 188/95 -, Fantask, Slg I O6783, Rn 45; Urteil vom 13.1.2004 - C 453/00 -, Kühne und Heitz, DVBl. 2004, 373, Rn 24 und zuletzt Urteil vom 19.9.2006 - C 392/04 -und - C 422/0C 422/04 -, I 21, NVwZ 2006, 1277 Rn 51). Während die frühere Rechtsprechung des EuGH die Frage der Bestandskraft gemeinschaftsrechtswidriger Verwaltungsakte nicht problematisiert hatte (siehe dazu die Nachweise bei Gärditz, NWVBl. 2006, 442 Fn 34 f. und beispielhaft EuGH, Urteil vom 2.12.1997, a.a.O.), hat erstmals die Entscheidung Kühne und Heitz (a.a.O.) bestimmte Voraussetzungen für eine behördliche Pflicht zur Überprüfung bestandskräftiger gemeinschaftswidriger Verwaltungsakte formuliert (siehe dazu auch Epiney, NVwZ 2006, 410 f.). Diese Bedingungen sind im vorliegenden Fall nicht (kumulativ) erfüllt: Zwar ist die Behörde nach nationalem Recht (hier: § 48 VwVfG) zur Rücknahme befugt, die Bestandskraft der Entscheidung beruht aber nicht wie im Fall Kühne/Heitz auf einem nationalen Gerichtsurteil, das die Vorlagepflicht nach Art. 234 Abs. 3 EG verletzt hat, und der Betroffene hat sich auch nicht unmittelbar nach Kenntniserlangung von der Entwicklung der EuGH-Rechtsprechung (hier: Urteile Baumbast und Chen, jeweils a.a.O.) an die Behörde gewandt und Rücknahme beantragt. Ganz unabhängig hiervon ist darauf hinzuweisen, dass Gegenstand der Entscheidung Kühne/Heitz nicht explizit die Frage der Rücknahmepflicht, sondern nur die Frage der Prüfungspflicht war (siehe dazu im einzelnen Gärditz a.a.O. S. 448). Eine Pflicht zur Überprüfung des bestandskräftigen, aber gemeinschaftswidrigen Verwaltungsakts bedeutet noch nicht die Pflicht zur Aufhebung (Gärditz a.a.O. Rn 105 m.w.N.). Die anlässlich der Entscheidung Kühne/Heitz in Literatur und Rechtsprechung aufgetretenen Unklarheiten (siehe dazu, Epiney a.a.O. S. 410 und Pache/Bieletz, DVBl. 2006, S. 331) sind im übrigen durch die weitere Rechtsprechung des EuGH im wesentlichen beseitigt worden. Die Entscheidung vom 16.3.2006 (- C 234/04 - Kapferer, DVBl. 2006, 569), die allerdings nicht (nur) bestandskräftige, sondern rechtskräftige Entscheidungen betrifft, hat bereits das vorangegangene Urteil Kühne/Heitz relativiert, und der EuGH hat im Urteil vom 19.9.2006 (I 21, a.a.O.) schließlich ausdrücklich ausgeführt, dass - von der Anerkennung der Bestandskraft ausgehend - (Rn 51) eine Überprüfungspflicht der Behörde bei Nichtausschöpfung des Rechtsbehelfsverfahrens grundsätzlich nicht besteht (Rn 53) und dass es Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung ist, die Modalitäten einer Rücknahme bzw. einer erneuten Überprüfung festzulegen. Die Überprüfungs- und Rücknahmepflicht nach nationalem Recht (hier: § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG) wird damit mit der gemeinschaftsrechtlichen Überprüfungs- und Rücknahmepflicht parallelisiert (EuGH, I 21, a.a.O. Rn 63 f. und Gärditz a.a.O. S. 446 f.); wo das nationale Recht keine Rücknahmepflicht ergibt, lässt sie sich also nicht zusätzlich aus Gemeinschaftsrecht herleiten. Bereits oben ist ausgeführt worden, dass unter dem Gesichtspunkt des § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG die Aufrechterhaltung der gegen den Kläger ergangenen Ausweisung nicht „schlechthin unerträglich“ ist, eine Rücknahmepflicht insoweit also nicht besteht, und diese Überlegungen gelten auch im hier interessierenden Zusammenhang. Der Verzicht des Klägers auf Rechtsbehelfe und die Tatsache, dass der Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht keineswegs offensichtlich war - die die Freizügigkeit begründende Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs stammt wie ausgeführt aus einem Zeitraum nach Erlass der Ausweisungsverfügung - stehen auch hier der Annahme einer
Rechts verpflichtung entgegen. Von besonderer Gravität oder gar (zusätzlicher) Offensichtlichkeit eines Gemeinschaftsrechtsverstoßes kann unter diesen Gesichtspunkten ohnehin nicht ausgegangen werden. Nach den Grundsätzen der I 21-Entscheidung des EuGH (a.a.O.) ist es vielmehr auch gemeinschaftsrechtlich zu akzeptieren, wenn sich das nationale Recht (§ 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG) angesichts der hier widerstreitenden Interessen (Rechtssicherheit einerseits, materielle Rechtmäßigkeit andererseits) mit einer Ermessensentscheidung der Behörde begnügt.

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3.2 Der Kläger kann die Rücknahme der gegen ihn ergangenen Ausweisungsverfügung auch nicht unter dem Gesichtspunkt der (deklaratorischen) Aufhebung einer unwirksamen oder unwirksam gewordenen Verfügung erreichen; die Voraussetzungen eines solchen „Rücknahme“-Anspruchs (zur Zulässigkeit einer solchen Rücknahme siehe oben vor 1.) sind nämlich nicht gegeben.
43 
Bei Erlass der Ausweisungsverfügung und auch in der Folgezeit bis zum Inkrafttreten des FreizügG/EU lag kein Grund für die Annahme von Unwirksamkeit (siehe § 43 Abs. 1 und 2 VwVfG) oder gar von Nichtigkeit (§ 43 Abs. 3 i.V.m. § 44 VwVfG) der Ausweisungsverfügung vor; dies liegt für den Senat auf der Hand und bedarf keiner näheren Ausführungen; sie folgt insbesondere nicht aus dem vom Kläger in diesem Zusammenhang für sich in Anspruch genommenen Urteil des EuGH vom 29.4.1999 (- C 224/97 -, Ciola), das sich lediglich mit strafrechtlichen Folgen des Verstoßes gegen gemeinschaftsrechtswidrige Verfügungen auseinandersetzt. Die Ausweisungsverfügung ist aber auch nicht durch Inkrafttreten des Freizügigkeitsgesetzes zum 1.1.2005 unwirksam geworden. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
44 
Soweit in der Rechtsprechung angenommen wird, mit dem Inkrafttreten des Freizügigkeitsgesetzes hätten die nach früherem Recht ergangenen Ausweisungsverfügungen gegenüber Unionsbürgern ihre Rechtsgrundlage verloren (so für nicht bestandskräftig gewordene Ausweisungsverfügungen Hess. VGH, Beschluss vom 29.12.2004 - 12 TG 3212/04 -, NVwZ 2005, 837; für bestandskräftige Verfügungen OVG Berlin, Beschluss vom 15.3.2006 - 8 S 823/05 -, NVwZ 2006, 953), ist diese Rechtsprechung teilweise nicht einschlägig, da im vorliegenden Fall Bestandskraft gegeben ist; teilweise kann der Senat ihr aus anderen Gründen nicht folgen. Er schließt sich vielmehr der Gegenmeinung an, die die (fortdauernde) Wirksamkeit bestandskräftig gewordener Ausweisungen bejaht (siehe dazu OVG Hamburg, Urteil vom 22.3.2005 - 3 Bf 294/04 -, EzAR; OVG Lüneburg, Beschluss vom 30.6.2006 - 11 LA 147.05 -, AuAS 2006, 185, ebenso schon VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 7.11.2005 - 13 S 1885/05 - und Beschluss vom 4.1.2006 - 11 S 1871/05 -). Das bloße Fehlen einer für Verfügungen nach dem damaligen AufenthG/EWG ergangenen Ausweisung geltenden Übergangsvorschrift bzw. das Fehlen einer Verweisung auf § 102 Abs. 1 AufenthG in § 11 Abs. 2 Satz 1 FreizügG/EU begründet fehlende Fortgeltung bereits deswegen nicht, weil sich im vorliegenden Fall die Fortdauer der Wirkungen der Ausweisung bereits unmittelbar aus § 102 Abs. 1 AufenthG ergibt. Die Vorschrift erfasst nämlich im Anwendungsbereich jedenfalls die auf das frühere Ausländergesetz gestützten Ausweisungsverfügungen, und um eine solche Verfügung handelt es sich im vorliegenden Fall, weil die Freizügigkeitsberechtigung und damit die Anwendung des AufenthG/EWG ausdrücklich verneint worden sind und Rechtsgrundlage der Ausweisung gerade das AuslG war. Außerdem ist der Anwendungsbereich des (späteren) FreizügG/EU und damit auch dessen § 11 Abs. 1 noch aus einem anderen Grund nicht gegeben; dieses Gesetz stellt durch die Bezugnahme auf § 1 FreizügG/EU auch in der Vorschrift des § 11 Abs. 1 auf die Freizügigkeitsberechtigung als Voraussetzung ab. Diese ist aber durch die Bestandskraft der auf das allgemeine Ausländergesetz gestützten Ausweisung entfallen (siehe auch Funke-Kaiser, Rn 2 zu § 102; OVG Hamburg, Beschluss vom 14.12.2005 - Bs 79/05 -, InfAuslR 2006, 305; Lüdke, InfAuslR 2005, S. 178; a.A. Gutmann, InfAuslR 2005, 125). Aus der fehlenden Verweisung auf § 102 AufenthG in § 11 Abs. 1 FreizügG/EU kann daher kein Argument zugunsten des Klägers hergeleitet werden. Im Übrigen hätte es wegen der bereits im Jahr 1998 eingetretenen Bestandskraft der Ausweisungsverfügung einer entsprechend klaren gesetzlichen Regelung bedurft, um die seit Bekanntgabe bestehende und durch die Bestandskraft verstärkte Wirksamkeit des Verwaltungsakts nach § 43 Abs. 2 VwVfG zu beseitigen; Die amtliche Begründung zum Entwurf des Freizügigkeitsgesetzes lässt eine so weitgehende Absicht nicht erkennen (BT-Drs. 15/420, S. 101 ff. S. 105 f.; siehe auch OVG Hamburg, Urteil vom 22.3.2005, a.a.O.).
45 
Die Bestandskraft und die damit eingetretene Wirkung der Ausweisungsverfügung ist auch nicht kraft Gemeinschaftsrechts entfallen; dies ergibt sich bereits daraus, dass das Gemeinschaftsrecht - wie oben ausgeführt - das Institut der Bestandskraft durchaus anerkennt und bei Gemeinschaftsrechtswidrigkeit eigene Instrumente - wie das Recht zur Überprüfung der Verfügung - entwickelt hat, um gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen gerecht zu werden. Dieser rechtlichen Instrumente hätte es nicht bedurft, wenn gemeinschaftsrechtlich sogar von der Unwirksamkeit (oder vom Unwirksamwerden) solcher Verfügungen auszugehen wäre. Dass in der Rechtsprechung der Strafgerichte bei Verstößen gegen solche Verfügungen unter Berufung auf den EuGH (Ciola a.a.O.) Strafbarkeit z.T. nicht mehr angenommen wird (siehe OLG Hamburg a.a.O. und OLG Karlsruhe, Beschluss vom 6.12.2006 3 Ws 346/05), steht dem nicht entgegen; insoweit handelt es sich um eine speziell strafrechtliche Fragestellung, die der Senat im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht zu beantworten braucht.
46 
4. Da der Kläger damit mit der Klage lediglich einen Teil seines mit dem Hauptantrag verfolgten Begehrens erreicht hat, waren ihm die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge teilweise aufzuerlegen (siehe § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO); der Senat geht dabei davon aus, dass der Kläger zu einem Drittel im Berufungsverfahren unterlegen ist.
47 
Die Revision war zuzulassen, da insbesondere die Frage der Wirksamkeit sog. altrechtlicher Ausweisungsverfügungen gegenüber Unionsbürgern in der obergerichtlichen Rechtsprechung strittig und noch nicht höchstrichterlich geklärt ist (siehe § 132 Abs. 2 Satz 1 VwGO).
48 
Beschluss
49 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 29. September 2006 - 9 K 2997/05 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger ist italienischer Staatsangehöriger und im Jahre 1942 in Italien geboren; er ist Vater von acht erwachsenen Kindern, von denen vier in der Bundesrepublik Deutschland leben. Er zog im Jahre 1967 zur Arbeitsaufnahme ohne seine Familie in die Bundesrepublik Deutschland, wo er sich bis zu seiner Ausweisung aufhielt. Während seines Aufenthalts in der Bundesrepublik ging der Kläger verschiedenen abhängigen Berufstätigkeiten nach, teilweise war er auch selbständig, u.a. als Eisverkäufer, tätig. Seit dem 1.6.2007 bezieht der Kläger eine Regelaltersrente in Höhe von monatlich 187,57 EUR. Für seinen Aufenthalt in der Bundesrepublik verfügte der Kläger ursprünglich über eine mehrmalig verlängerte befristete Aufenthaltserlaubnis, anschließend über eine befristete Aufenthaltserlaubnis-EG, welche zuletzt bis zum 8.9.1999 gültig war. Nach seiner Haftentlassung beantragte der Kläger am 12.4.2000 die Verlängerung der ihm zuletzt erteilten Aufenthaltserlaubnis-EG.
Seit dem Jahre 1974 wurde der Kläger im Bundesgebiet mehrfach straffällig und verurteilt. Es handelt sich u.a um mehrere Diebstahlsdelikte, Beleidigung, fahrlässige Körperverletzung, Verkehrsunfallflucht sowie um einen Verstoß gegen das Lebensmittelgesetz. Mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 21.10.1982 wurde der Kläger wegen versuchter beabsichtigter schwerer Körperverletzung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Diese Strafe verbüßte der Kläger ab dem 1.6.1982 bis zum 2/3-Zeitpunkt, danach wurde die Reststrafe zunächst zur Bewährung ausgesetzt und nach erfolgter Bewährung erlassen. Mit Urteil vom 21.12.1998 (rechtskräftig seit dem 29.12.1998) verurteilte das Amtsgericht Heilbronn den Kläger wegen vorsätzlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten, die Vollstreckung dieser Freiheitsstrafe wurde nicht zur Bewährung ausgesetzt. Der Kläger wurde zum 2/3-Zeitpunkt aus dem Strafvollzug entlassen, nachdem die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Tübingen mit Beschluss vom 21.12.1999 den Strafrest zur Bewährung aussetzte. Bereits nach der Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren wegen versuchter beabsichtigter schwerer Körperverletzung durch das Landgericht Stuttgart wies die Landeshauptstadt Stuttgart den Kläger mit Bescheid vom 6.8.1986 aus dem Bundesgebiet aus. Im Widerspruchsverfahren wurde ein Vergleich abgeschlossen, wonach er nicht abgeschoben und die Wirkung der Ausweisung befristet werde, soweit er Nachweise über ein straffreies Leben beibringen könne.
Mit Bescheid vom 29.5.2000 wies das Regierungspräsidium Stuttgart - Bezirksstelle für Asyl - den Kläger unter Anordnung des Sofortvollzugs aus dem Bundesgebiet aus, lehnte seinen Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis-EG bzw. auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung ebenfalls unter Anordnung des Sofortvollzugs ab und drohte ihm die Abschiebung aus der Haft heraus nach Italien an. Dabei ging das Regierungspräsidium davon aus, dass die von dem Kläger begangenen und rechtskräftig abgeurteilten Straftaten einen Grund der öffentlichen Ordnung im Sinne des damals geltenden § 12 Abs. 1 AufenthG/EWG darstellten, welcher die Ausweisung des Klägers rechtfertige. Die Ausweisung erfolge nicht allein wegen einer strafrechtlichen Verurteilung, sondern wegen der hohen Gefährlichkeit des Klägers, die sich an seinen bisherigen Straftaten, insbesondere seinen Gewaltstraftaten gezeigt habe. Der Ausweisung stehe die Schutzbestimmung des § 12 Abs. 4 AufenthG/EWG nicht entgegen, da sie wegen der Häufigkeit und zuletzt der Schwere der Straftaten sowie einer konkret festgestellten Wiederholungsgefahr verfügt werde. Deswegen seien die nationalen Ausweisungsvorschriften gemäß § 45 ff. AuslG anwendbar. Aufgrund der Verurteilung durch das Amtsgericht Heilbronn vom 21.12.1998 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten habe der Kläger den Regelausweisungstatbestand des § 47 Abs. 2 Nr. 1 AuslG verwirklicht. Der Kläger genieße weder nach § 48 Abs. 1 noch gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 AufenthG/EWG besonderen Ausweisungsschutz, da er insbesondere nicht über die erforderliche unbefristete Aufenthaltserlaubnis-EWG verfüge. Da kein besonderer Ausweisungsschutz gemäß § 48 Abs. 1 AuslG bestehe, werde die Regel-Ausweisung nach § 47 Abs. 2 Nr. 1 AuslG nicht gemäß § 47 Abs. 3 Satz 2 AuslG zu einer Ermessens-Ausweisung herabgestuft; es verbleibe bei der Regelwirkung des § 47 Abs. 2 AuslG. Eine atypische Sonderkonstellation, die ein Absehen von dieser Regelwirkung ermögliche, sei im Falle des Klägers nicht gegeben; insbesondere stelle die lange Dauer des Aufenthalts keine derartige atypische Situation dar. Selbst falls die Voraussetzungen für eine Regelausweisung nicht vorlägen, werde die Ausweisung nach Ermessen verfügt.
Nach Entlassung aus der Strafhaft und Erlass der Ausweisung, welche vom Kläger nicht angefochten wurde, reiste er nach seinen eigenen Angaben am 8.10.2000 nach Italien aus, kehrte jedoch im Frühjahr 2004 in die Bundesrepublik Deutschland zurück. Er wurde daraufhin festgenommen und am 22.9.2004 nach Italien abgeschoben, worauf er nach seinen eigenen Angaben am 1.4.2005 erneut in die Bundesrepublik Deutschland einreiste.
Der Kläger beantragte am 15.4.2005 die Rücknahme der Ausweisungsverfügung vom 29.5.2000 sowie die Bestätigung, dass diese Verfügung unwirksam sei. Er machte geltend, dass diese Ausweisungsverfügung entgegen der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs als Regelausweisung im Sinne von § 47 AuslG verfügt worden sei, so dass eine Rücknahmeverpflichtung bestehe.
Mit Bescheid vom 8.9.2005 lehnte das Regierungspräsidium Stuttgart den Antrag auf Rücknahme der Ausweisungsverfügung vom 29.5.2000 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 48 LVwVfG für den Erlass einer die Ausweisungsverfügung betreffenden Rücknahmeverfügung lägen nicht vor. Die Ausweisungsverfügung sei rechtmäßig ; sie sei in zulässiger Weise als rein spezialpräventiv begründete Maßnahme verfügt worden und habe den Anforderungen des Europäischen Gemeinschaftsrechts, insbesondere auch dem in § 12 AufenthG/EWG statuierten besonderen Ausweisungsschutz, genügt. Zwar sei die Ausweisungsverfügung auf der Grundlage des § 47 Abs. 2 AuslG als Regelausweisung verfügt worden, das Regierungspräsidium habe bei ihrem Erlass jedoch zumindest hilfsweise Ermessen ausgeübt, auch sei eine erhebliche konkrete Wiederholungsgefahr festgestellt worden. Mit Bescheid vom 26.9.2005 befristete das Regierungspräsidium Stuttgart die Sperrwirkungen der Ausweisung auf diesen Tag.
Auf die am 13.9.2005 beim Verwaltungsgericht erhobene Klage, mit der der Kläger beantragt hat,
den Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 8.9.2005 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Ausweisungsverfügung vom 29.5.2000 zurückzunehmen,
hat das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Urteil vom 29.9.2006 - 9 K 2997/05 -den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheids vom 8.9.2005 verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Rücknahme der Ausweisungsverfügung vom 29.5.2000 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. In den Entscheidungsgründen hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, der Beklagte sei in seinem versagenden Bescheid vom 8.9.2005 zu Unrecht von der Rechtmäßigkeit der Ausweisung des Klägers ausgegangen und habe deshalb unzutreffender Weise das Vorliegen einer Rücknahmemöglichkeit verneint. Das Gericht gehe mit dem Beklagten zwar davon aus, dass die Ausweisung nicht aus materiell-rechtlichen Gründen zu beanstanden sei. Insbesondere habe der Beklagte den Kläger nicht allein auf der Grundlage der Regelwirkung des § 47 Abs. 2 AuslG in Anknüpfung an die abgeurteilten Straftaten ausgewiesen. Vielmehr habe er hilfsweise eine reine Ermessensentscheidung getroffen, die nach Auffassung des Verwaltungsgerichts auch bei Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht zu beanstanden sei. Gegen das Ergebnis der Ermessensentscheidung wende der Kläger zu Unrecht ein, die Ausweisung verstoße gegen Art. 28 Abs. 3a der RL 2004/38/EG. Diese Richtlinie habe zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt, nämlich dem des Eintritts der Unanfechtbarkeit der Ausweisungsverfügung, noch gar nicht existiert, so dass sie keine Anwendung beanspruchen könne. Die Ausweisung sei auch nicht deshalb materiell-rechtlich zu beanstanden, weil der dort geprüfte § 12 AufenthG/EWG nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 27.4.2006 (Rs C-441/02, InfAuslR 2006, 295) gegen Gemeinschaftsrecht verstoße. Zwar habe der Gerichtshof in dieser Entscheidung tatsächlich einen Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht darin festgestellt, dass die Bundesrepublik Deutschland in § 12 AufenthG/EWG die vom Gemeinschaftsrecht für die Beschränkung der Freizügigkeit aufgestellten Voraussetzungen nicht hinreichend umgesetzt habe. Diese Feststellung habe entgegen der Meinung des Klägers aber nicht zur Folge, dass sämtliche unter Geltung der Vorschrift ergangenen Ausweisungen gegen Unionsbürger allein deshalb rechtswidrig wären, weil bei ihnen zwingend die Voraussetzungen des § 12 AufenthG/EWG zu prüfen gewesen seien. Die Ausweisung vom 29.5.2000 sei jedoch in formeller Hinsicht rechtswidrig, da sie gegen die gemeinschaftsrechtliche Verfahrennorm des Art. 9 Abs. 1 der RL 64/221/EWG verstoßen habe. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und der ihr folgenden Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteile vom 13.9.2005 - 1 C 7.04 - und vom 16.10.2005 - 1 C 5.04 -) werde in Ausweisungsverfahren gegen Unionsbürger und assoziationsrechtlich privilegierte türkische Staatsangehörige außer in dringenden Fällen gegen die Verfahrensgarantie des Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG verstoßen, wenn weder ein Widerspruchsverfahren stattfinde noch sonst eine unabhängige zweite zuständige Stelle im Sinne der Richtlinie im Verwaltungsverfahren eingeschaltet worden sei. Hieraus folge, dass nach der in Baden-Württemberg erfolgten Abschaffung des behördlichen Vorverfahrens bei von den Regierungspräsidien verfügten Ausweisungen die gemeinschaftsrechtlich geforderte Einschaltung einer unabhängigen zweiten Stelle neben der Ausländerbehörde nicht gewährleistet gewesen sei. Da ein dringender Fall im Sinne des Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie im Falle des Klägers zweifellos nicht vorgelegen habe, sei die Ausweisung wegen Verstoßes gegen diese Verfahrensvorschrift unheilbar nichtig.
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Dem Kläger stehe trotz der Rechtswidrigkeit der gegen ihn ergangenen Ausweisung vom 29.5.2000 lediglich ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über deren Rücknahme, nicht jedoch ein unbedingter Rücknahmeanspruch zu. Gemäß § 48 Abs. 1 LVwVfG stehe die Entscheidung über die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde, so dass ein gebundener Anspruch auf Rücknahme lediglich im Falle einer Ermessensreduzierung auf Null gegeben sei. Eine solche komme lediglich unter einschränkenden Voraussetzungen, etwa im Hinblick auf Art. 3 GG im Falle einer Selbstbindung der Behörde oder, wenn Europäisches Gemeinschaftsrecht betroffen sei, aus Gründen des gemeinschaftsrechtlichen Effizienzgebots in Betracht. Beide Voraussetzungen seien hier nicht erfüllt. Dadurch, dass der Beklagte die Wirkungen der Ausweisung mit Bescheid vom 26.9.2005 auf dieses Datum befristet habe, genieße der Kläger zum gegenwärtigen Zeitpunkt wieder volle Freizügigkeit, sodass weder von einer unzumutbaren Beeinträchtigung des Klägers auszugehen sei noch das gemeinschaftsrechtliche Effizienzgebot die Rücknahme der Ausweisung zwingend gebiete. Auch der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs lasse sich nichts für eine gebotene Ermessensreduzierung auf Null entnehmen.
11 
Mit Beschluss vom 3.5.2007 (Zustellung an den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 9.5.2007) hat der Senat dem Kläger gegen die Versäumung der Frist für den Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt und die Berufung zugelassen. Mit dem am 16.5.2007 eingegangenen Berufungsbegründungsschriftsatz, der auch auf das Vorbringen im Zulassungsverfahren Bezug genommen hat, beantragt der Kläger,
12 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 29.9.2006 abzuändern und den Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 8.9.2005 aufzuheben sowie den Beklagten zu verpflichten, die Ausweisungsverfügung vom 29.5.2000 zurückzunehmen.
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Zur Begründung des Berufungsantrags trägt der Kläger vor, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Ausweisungsverfügung vom 29.5.2000 lediglich gegen formelles Recht verstoße und habe deshalb den geltend gemachten unbedingten Rücknahmeanspruch abgelehnt. Die Ausweisung sei auf die Bestimmung des § 12 AufenthG/EWG gestützt worden, welche der Europäische Gerichtshof als gemeinschaftsrechtswidrig eingestuft habe. Diese Bestimmung überhöhe die Bedeutung formaler Kriterien für den Ausweisungsschutz und schenke der Aufenthaltsdauer zu geringe Bedeutung, was dazu geführt habe, dass in seinem Falle kein besonderer Ausweisungsschutz angenommen worden sei. Auch habe der Beklagte bei Erlass der Ausweisung dem Umstand, dass seine Verurteilung zur Bewährung ausgesetzt worden sei, nicht die nötige Beachtung geschenkt und in rechtswidriger Weise die Strafakten nicht beigezogen bzw. den Vollstreckungsverlauf nicht in seine Prognoseentscheidung einbezogen. Ferner habe die Ausweisung gegen die Schutzbestimmung des Art. 28 Abs. 3a der RL 2004/38/EWG verstoßen, wonach nach einem über zehnjährigen Inlandsaufenthalt die Ausweisung eines Unionsbürgers nur noch aus Gründen der Sicherheit des Staates zuzulassen sei. Die unbefristet verfügte Ausweisung verstoße gegen Art. 8 EMRK, da nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs eine Rechtspflicht bestehe, schon bei Erlass einer in Art. 8 EMRK eingreifenden Verfügung deren Befristung mit zu prüfen. Gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßende Verfügungen dürften nicht vollstreckt werden, insoweit gleiche der Sachverhalt demjenigen der Vollsteckung verfassungswidriger zivilrechtlicher Gerichtsentscheidungen. Die von dem Beklagten vorgenommene Befristung der Ausweisung stelle bereits deshalb keine Alternative zur zwingend gebotenen Rücknahme seiner Ausweisung dar, weil er aufgrund des zu niedrigen Rentenbezugs keinen gemeinschaftsrechtlichen Anspruch auf Zuzug in das Bundesgebiet habe.
14 
Der Beklagte beantragt,
15 
die Berufung zurückzuweisen.
16 
Zur Begründung trägt er vor, die von dem Kläger als grundsätzlich aufgeworfene Rechtsfrage, ob der formalrechtliche Verstoß gegen die Verfahrensgarantie des Art. 9 RL 64/221/EWG eine Rücknahme der Ausweisung gebiete, sei in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits entschieden worden. Auf gemeinschaftsrechtlicher Grundlage bestehe nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts lediglich dann ein unbedingter Anspruch auf Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts, wenn bei dessen Erlass die Rechtswidrigkeit offen zu Tage getreten sei, wovon im gegenständlichen Fall nicht ausgegangen werden könne. Zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Ausweisungsverfügung im Mai 2000 habe ein offensichtlicher Rechtsverstoß gegen Art. 9 RL 64/221/EWG nicht vorgelegen, da nach einhelliger Auffassung zu diesem Zeitpunkt von einem dringenden Fall im Sinne der Richtlinie auszugehen gewesen sei, wenn die Ausländerbehörde den Sofortvollzug der Maßnahme angeordnet habe.
17 
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
18 
Dem Senat liegen die den Kläger betreffenden Akten des Regierungspräsidiums Stuttgart sowie der unteren Ausländerbehörde (2 Band) vor. Auf diese Akten wird ebenso wie auf die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts verwiesen; diese Akten waren Gegenstand der Beratung.

Entscheidungsgründe

 
19 
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung über die Berufung des Klägers entscheiden, da beide Beteiligte auf mündliche Verhandlung verzichtet haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
20 
Die zulässige, insbesondere rechtzeitig begründete Berufung (§ 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO) hat in der Sache keinen Erfolg. Dem Kläger steht der geltend gemachte, über die vom Verwaltungsgericht Stuttgart bereits mit Urteil vom 29.9.2006 rechtskräftig ausgesprochene Bescheidungsverpflichtung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts hinausgehende unbedingte Rücknahmeanspruch nicht zu (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
21 
Dem Kläger steht nach wie vor ein Rechtsschutzbedürfnis für die von ihm begehrte Rücknahme der Ausweisungsverfügung mit ex-tunc-Wirkung zu, obwohl der Beklagte nunmehr die Sperrwirkungen der Ausweisung mit Bescheid vom 26.9.2005 auf diesen Tag befristet hat. Ein Interesse des Klägers an der rückwirkenden Aufhebung der Ausweisung ergibt sich bereits daraus, dass zahlreiche Vorschriften an den ununterbrochenen rechtmäßigen Aufenthalt eines Ausländers positive Rechtsfolgen anknüpfen, so etwa der in § 10 StAG statuierte Anspruch auf Einbürgerung oder die besonderen Ausweisungsschutz vermittelnde europarechtliche Bestimmung des Art. 28 Abs. 3a der RL 2004/38/EG.
22 
Zu Recht hat das Verwaltungsgericht für die im Rahmen des § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG entscheidungserhebliche Frage der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der mangels Klageerhebung bestandskräftig gewordenen Ausweisung des Klägers auf den Zeitpunkt des Erlasses der Ausweisungsverfügung am 29.5.2000 abgestellt; da der Kläger jedenfalls zu diesem Zeitpunkt freizügigkeitsberechtigt war, konnte offenbleiben, inwieweit eine erst später eintretende Rechtswidrigkeit ein Rücknahmeverfahren eröffnen kann (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 28.10.2004 - 1 C 13.03 -, NVwZ-RR 2005, 341; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24.9.2001 - 8 S 461/01 -, VBlBW 2002, 208, 209).
23 
 Der Senat kann ferner offenlassen, ob die Ausweisungsverfügung gegen den Kläger nicht nur - wie vom Verwaltungsgericht inzident angenommen - aus formellen Gründen wegen einem Verstoß gegen Art. 9 RL 64/221/EWG als rechtswidrig anzusehen ist, sondern ob auch ein Verstoß gegen materielles Gemeinschaftsrecht vorliegt. Nicht zu folgen vermag der Senat freilich der Annahme des Klägers, es hätten im Wege der sogenannten Vorwirkung bereits bei Erlass der Ausweisungsverfügung im Jahre 2000 die materiellen Voraussetzungen der weitaus später in Kraft getretenen RL 2004/38/EG gegolten. Die Umsetzungsfrist der erst am 29.4.2004 erlassenen Richtlinie lief gemäß deren Art. 28 Abs. 2 und Art. 40 Abs. 1 erst am 30.4.2006 ab, Rückwirkung kann ihr nicht beigemessen werden (vgl. hierzu ausführlich Beschluss des Niedersächsischen OVG vom 30.5.2006 - 11 LA 147/05 - NVwZ 2006, 1302). Unabhängig hiervon steht dem Kläger selbst in dem Fall, dass seine Ausweisung auch gegen materiell-rechtliche Bestimmungen des Europäischen Gemeinschaftsrechts verstoßen haben sollte, lediglich der vom Verwaltungsgericht zugesprochene Bescheidungsanspruch, nicht jedoch ein unbedingter Anspruch auf Rücknahme seiner Ausweisung zu. Weder nationales Recht (1.) noch Gemeinschaftsrecht (2.) oder sonstiges höherrangiges Recht (3.) gebieten es im vorliegenden Fall dem beklagten Land, die gegen den Kläger ergangene Ausweisungsverfügung zurückzunehmen; auch besteht kein zwingender Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens gemäß § 51 Abs. 1 LVwVfG (4.).
24 
1. Nach nationalem Recht räumt § 48 Abs. 1 LVwVfG dem Antragsteller lediglich ein subjektiv-öffentliches Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung hinsichtlich der Entscheidung über die Ausübung der Rücknahmebefugnis ein (vgl. hierzu ausführlich m.w.N. Urteil des Senats vom 24.1.2007 - 13 S 4516 - InfAuslR 2007,182). Ein Rechtsanspruch auf Rücknahme kommt nur dann in Betracht, wenn das Ermessen der Behörde angesichts der besonderen Umstände des konkreten Einzelfalles auf Null reduziert wäre. Eine derartige Reduktion des Ermessens ist regelmäßig nur dann zu bejahen, wenn ein Aufrechterhalten des ursprünglichen Verwaltungsakts unerträglich wäre bzw. für den Betroffenen unzumutbare Folgen hätte (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 15.3.2005 - 3 B 86/04 -, DÖV 2005, 651 m.w.N.). Insbesondere erscheint die Aufrechterhaltung der Ausweisungsverfügung auch nicht deswegen im Sinne der oben angeführten Rechtsprechung als „schlechthin unerträglich“, weil die zur Annahme der Rechtswidrigkeit führende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu den bei der Ausweisung von freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern zu beachtenden formellen Anforderungen, insbesondere gemäß Art. 9 der RL 64/221/EWG, erst Jahre nach dem Erlass der Ausweisungsverfügung entwickelt wurde. Auch erscheint es nicht schlechterdings unerträglich, den Kläger zur Beseitigung der Sperrwirkungen der Ausweisung gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf die - nunmehr erfolgte - nachträgliche Befristung zu verweisen. Ferner ergibt sich eine Ermessensreduzierung nicht aus dem Verhalten der Behörde selbst oder daraus, dass das Rücknahmeinteresse des Betroffenen eindeutig und offensichtlich schwerer wiegen würde als das öffentliche Interesse an einer Rücknahme. Im übrigen kann in diesem Zusammenhang nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Kläger die gegen ihn ergangene Ausweisungsverfügung mangels Klageerhebung bestandskräftig werden ließ.
25 
Der Kläger kann die Rücknahme der gegen ihn ergangenen Ausweisungsverfügung auch nicht unter dem Gesichtspunkt der (deklaratorischen) Aufhebung einer unwirksamen oder unwirksam gewordenen Verfügung erreichen. Zwar ist es in der Rechtsprechung anerkannt, dass bei einem unwirksamen - oder: wie hier allenfalls unwirksam gewordenen -Verwaltungsakt eine klarstellende behördliche Rücknahme des Verwaltungsakts möglich und aus Gründen der Beseitigung des Rechtsscheins gegebenenfalls auch erforderlich sein kann (vgl. hierzu Bay. VGH, Urteil vom 12.10.1989 - 26 B 86.02944 -, NVwZ-RR 1991, 117; Hess. VGH, Urteil vom 29.3.2006 - 6 UE 2874/04 - juris; Urteil des Senats vom 24.1.2007, a.a.O.). Dahingestellt kann bleiben, ob der Kläger bei der gebotenen sachdienlichen Auslegung (§§ 86 Abs. 3, 88 VwGO) nicht nur einen denkbaren Rücknahmeanspruch nach § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG wegen Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, sondern auch wegen etwaiger Unwirksamkeit der Ausweisung gestellt hat. Denn die Voraussetzungen eines solches „Rücknahme“-Anspruchs sind nämlich nicht gegeben.
26 
Bei Erlass der Ausweisungsverfügung und auch in der Folgezeit bis zum Inkrafttreten des Freizügigkeitsgesetzes/EU lag kein Grund für die Annahme von Unwirksamkeit (siehe § 43 Abs. 1 und 2 LVwVfG) oder gar von Nichtigkeit (§ 43 Abs. 3 i.V.m. § 44 LVwVfG) der Ausweisungsverfügung vor; dies liegt für den Senat auf der Hand und bedarf keiner näheren Ausführungen. Wie der Senat in seinem den Beteiligten bekannten Urteil vom 24.1.2007 (- 13 S 451/06 -; a.a.O.) im einzelnen näher dargelegt hat und worauf zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, sind jedenfalls bestandskräftig gewordene Ausweisungsverfügungen auch nicht durch Inkrafttreten des Freizügigkeitsgesetzes zum 1.1.2005 unwirksam geworden.
27 
2. Auch europäisches Gemeinschaftsrecht verpflichtet den Beklagten nicht zur Rücknahme der Ausweisungsverfügung. Wie der Senat in seinem den Beteiligten bekannten Urteil vom 24.1.2007 (13 S 451/06) unter ausführlicher Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des EuGH darstellt, begründet Gemeinschaftsrecht in Fällen der vorliegenden Art keinen unbedingten Rücknahmeanspruch. Vielmehr sind vom nationalen Recht vorgesehene Ausschlussfristen für die Rechtsverfolgung - mit der Folge der Bestandskraft bei Nichteinhaltung dieser Fristen - grundsätzlich auch mit Gemeinschaftsrecht vereinbar, weil sie ein Anwendungsfall des auch für das Gemeinschaftsrecht grundlegenden Prinzips der Rechtssicherheit sind. Selbst bei einem Verstoß gegen materielles Europarecht ist danach eine Rücknahme nicht schlechterdings geboten, vielmehr besteht lediglich eine gemeinschaftsrechtliche Prüfungs- oder Rücknahmepflicht in dem Rahmen, den auch das nationale Recht vorsieht (vgl. Urteil des Senats vom 24.1.2007, a.a.O.; umfassend Rennert, DVBl. 2004, 400; Ruffert, JZ 2007, 407). Bereits oben ist ausgeführt worden, dass unter dem Gesichtspunkt des § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG die Aufrechterhaltung der gegen den Kläger ergangenen Ausweisung nicht „schlechterdings unerträglich“ ist, eine Rücknahmepflicht insoweit also nicht besteht, und diese Überlegungen gelten auch im hier interessierenden Zusammenhang. Der Verzicht des Klägers auf Rechtsbehelfe und die Tatsache, dass der Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht keineswegs offensichtlich war, steht auch hier der der Annahme einer unbedingten Rechtsverpflichtung zur Rücknahme entgegen. Von besonderer Gravität oder gar (zusätzlicher) Offensichtlichkeit eines Gemeinschaftsrechtsverstoßes kann unter diesen Gesichtspunkten ohnehin nicht ausgegangen werden. Da der Kläger nach der Ausweisungsverfügung nicht mehr im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis war und das Bundesgebiet sogar vom Oktober 2000 bis zum August 2004 und erneut von September 2004 bis April 2005 für lange Zeit verlassen hatte, ist auch nicht ersichtlich, dass die Anwendung des nationalen Verfahrensrechts bei der Umsetzung des Gemeinschaftsrechts zu entscheidenden Wirkungsverlusten oder gar zur Umgehung des Gemeinschaftsrechts führen würde. Im übrigen ist jedenfalls dem sekundären Gemeinschaftsrecht die Aufspaltung in Verlust des Freizügigkeitsrechts einerseits und nachfolgende Befristung dieser Wirkung andererseits nicht fremd. So sieht Art. 32 Abs. 1 der RL 2004/38/EG vor, dass ein Unionsbürger, der sein Aufenthaltsrecht aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verloren hat, einen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbots unter Hinweis auf veränderte Umstände stellen kann. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob der Kläger - wie von ihm vorgetragen - zum derzeitigen Zeitpunkt aufgrund seines niedrigen Rentenbezugs einen gemeinschaftsrechtlichen Anspruch auf Zuzug in das Bundesgebiet hat oder nicht. Eine hieran etwa scheiternde Freizügigkeitsberechtigung des Klägers ist nicht Folge der Ausweisung, deren Sperrwirkungen gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG von der Beklagten wie dargestellt befristet worden sind. Wie der Europäischen Gerichtshof in seinem Urteil vom 7.9.2004 (C 456/02 - Trojani -, Rn 36, InfAuslR 2004, 417) zu den „Beschränkungen und Bedingungen“ der Freizügigkeit im Sinne des Art. 18 Abs. 1 EG ausgeführt hat, erwächst dem Unionsbürger bei Fehlen ausreichender Existenzmittel im Sinne der RL 90/364/EWG kein Recht zum Aufenthalt; diese Formulierung legt den Schluss zumindest nahe, dass bei Nichterfüllung dieser Beschränkungen und Bedingungen die Unionsbürgerschaft allein keine Freizügigkeitsberechtigung vermittelt.
28 
3. Entgegen der Annahme des Klägers begründen auch die Bestimmungen der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4.11.1950 (BGBl. 1952 II, 696, 953/19542, S. 14) keinen unbedingten Anspruch auf Rücknahme der gegen ihn ergangenen Ausweisungsverfügung. Zum einen verstößt die Ausweisung nicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (3.1), zum anderen begründet ein etwaiger Verstoß gegen die materiellen Schutzbestimmungen der EMRK nicht in jedem Falle ein entsprechendes Vollstreckungsverbot und vor allem nicht einen hiermit korrespondierenden unbedingten Rücknahmeanspruch (3.2).
29 
3.1. Nicht zu folgen vermag der Senat der Annahme des Klägers, wonach die Ausweisungsverfügung vom 29.5.2000 bereits deshalb gegen Art. 8 Abs. 1 EMRK verstößt, weil nicht zeitgleich bei ihrem Erlass über eine Befristung der Ausweisungswirkungen entschieden wurde. Der Senat hält an seiner - dem Prozessbevollmächtigten des Klägers bekannten -Rechtsprechung fest, dass das Aufenthaltsgesetzt, das eine Befristung der Wirkungen der Ausweisung nur auf Antrag vorsieht, weder zu Art. 8 EMRK noch zu der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Widerspruch steht und die Ausländerbehörde deshalb eine Ausweisungsverfügung erlassen darf, ohne zugleich von Amts wegen über eine Befristung zu entscheiden. Den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) lässt sich weder entnehmen, dass die Befristungsentscheidung stets zusammen mit der Ausweisungsentscheidung getroffen werden muss noch dass die Befristung nicht von einem entsprechenden Antrag abhängig gemacht werden darf. Eine - durch die Ausweisung mit zunächst unbefristeter Sperrwirkung möglicherweise ausgelöste - unverhältnismäßige Einschränkung der persönlichen Lebensführung des Ausländers wird dadurch verhindert, dass der Ausländer für den Regelfall einen Anspruch auf Befristung der Wirkungen der Ausweisung, insbesondere des Einreise- und Aufenthaltsverbots, hat. Denn der EGMR betont stets, dass es sich um eine Entscheidung im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen konkreten Umstände handelt (vgl. m.w.N. Beschluss des Senats vom 20.3.2007 - 13 S 850/06 -). Auch dem vom Kläger lediglich in englischer Sprache vorgelegten Urteil des EGMR vom 22.3.2007 - 1638/03 -(Maslov) lässt sich nichts Gegenteiliges entnehmen; vielmehr bestätigt der Gerichtshof in dieser Entscheidung seine bisherige Rechtsprechung, wonach eine umfassende Einzelfallbetrachtung und Abwägung geboten ist, wobei einer etwa erfolgten Befristung nicht unerhebliches Gewicht zukommt. Der Fall des Klägers unterscheidet sich dabei bereits in Anbetracht der zahlreichen von ihm begangenen Straftaten gegen unterschiedliche Rechtsgüter und vor allem auch der Tatsache, dass sich der Kläger weder durch die Verurteilung des Landgerichts Stuttgart vom 21.10.1998 zu einer vierjährigen Freiheitsstrafe noch durch deren nachfolgende teilweise Verbüßung von der Abhaltung weiterer, gegen die körperliche Unversehrtheit gerichteter Straftaten abhalten ließ, von den vom EGMR explizit beurteilten Fällen (13/10). Auch das Bundesverfassungsgericht geht im übrigen entgegen der Annahme des Klägers nicht davon aus, dass die Sperrwirkungen einer Ausweisung aufgrund der Bestimmung des Art. 8 Abs. 1 EMRK in jedem Falle zeitgleich mit deren Erlass befristet werden müssten. Vielmehr führt das Bundesverfassungsgericht in seinem den Beteiligten bekannten Beschluss vom 10.5.2007 (2 BvR 304/07) aus, dass die Befristung der Ausweisungswirkungen nur eines von mehreren Kriterien im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Ausweisung gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist (vgl. insbesondere S. 17 des Beschlussumdrucks). Auch die von dem Kläger angeführte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18.7.1979 (1 BvR 650/77) bestätigt seine Rechtsauffassung nicht. Die Entscheidung hebt lediglich auf die Bedeutung einer etwaigen Befristung für die Verhältnismäßigkeit der Ausweisungsverfügung ab, ohne dass sich ihr Anhaltshaltspunkte dafür entnehmen ließen, dass - wie vom Kläger angenommen - über die Befristung stets zeitgleich und unabhängig von einem Antrag mit der Verfügung der Ausweisung zu befinden wäre.
30 
3.2 Im übrigen begründet ein etwaiger Verstoß der Ausweisungsverfügung gegen materielle Bestimmungen der EMRK keinen unbedingten Rücknahmeanspruch, vielmehr stellt ein derartiger Verstoß lediglich einen Gesichtspunkt dar, welcher in die nach nationalen Recht zu treffende Ermessensentscheidung über die Rücknahme gemäß § 48 Abs. 1 LVwVfG einzustellen ist. Dem etwaigen Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention, die aufgrund der Zustimmung des Bundesgesetzgebers mit förmlichem Gesetz gemäß Art. 59 Abs. 2 GG innerstaatlich im Range eines Bundesgesetzes gilt (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 14.10.2004 - 2 BvR 1481/04 -, NJW 2004, 3407), kommt dabei keine weitergehende Wirkung zu als einem Verstoß gegen sonstiges materielles nationales Recht oder gar einem Grundrechtsverstoß. Vielmehr folgt aus dieser Rangzuweisung, dass die Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention und ihrer Zusatzprotokolle - soweit sie für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten sein -nach der Normenhierarchie keine gegenüber sonstigem Bundesrecht übergeordnete Wirkung entfalten. Nach dieser Rangzuweisung haben vielmehr deutsche Gerichte und Verwaltungsbehörden die Konvention wie anderes Gesetzesrecht des Bundes im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung zu beachten und anzuwenden. Aufgrund der weitgehenden Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes sind dabei sowohl dieses als auch das übrige staatliche Recht nach Möglichkeit so auszulegen, dass ein Konflikt mit völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands und damit auch mit den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention in der Gestalt, welche diese in der maßgeblichen Rechtsprechung des EGMR gefunden hat, vermieden wird (vgl. hierzu ausführlich BVerfG, Beschluss vom 14.10.2004, a.a.O. und vom 1.3.2004 - 2 BvR 1570/03 - NVwZ 2004, 852; Meyer-Ladewig, Europäische Menschenrechtskonvention, Handkommentar, 2. Aufl., Rn 20 ff. zu Art 46 m.w.N.). Die über das Zustimmungsgesetz ausgelöste Berücksichtigung der Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Entscheidungen des Gerichtshofs erfordert dabei zumindest, dass die entsprechenden Texte und Judikate zur Kenntnis genommen werden und in den Willensbildungsprozess des zu einer Entscheidung berufenen Gerichts, der zuständigen Behörde oder des Gesetzgebers einfließen. Liegt der Konventionsverstoß in dem Erlass eines bestimmten Verwaltungsakts, so hat die zuständige Behörde die Möglichkeit, diesen nach den Regelungen des nationalen Verwaltungsverfahrensrechts aufzuheben (vgl. § 48 LVwVfG), eine entsprechende unbedingte Verpflichtung der Behörde lässt sich weder den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention noch der hierzu ergangenen Rechtsprechung des EGMR entnehmen. Auch der von dem Kläger zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts lässt sich nichts Gegenteiliges entnehmen. Vielmehr führt das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 6.12.2005 (1 BvR 1905/02, DVBl. 2006, 267) ausdrücklich aus, dass sich aus dem Gesamtzusammenhang der Bestimmungen des § 79 Abs. 1, 2 BVerfGG und insbesondere aus Satz 4 von § 79 Abs. 2 BVerfGG der allgemeine Rechtsgedanke ableiten lasse, dass einerseits zwar unanfechtbar gewordene Akte der öffentlichen Gewalt, die auf verfassungswidriger Grundlage zustande gekommen sind, nicht rückwirkend aufgehoben und die nachteiligen Wirkungen, die in der Vergangenheit von ihnen ausgegangen sind, nicht beseitigt werden, andererseits jedoch zukünftige Folgen, die sich aus einer zwangsweisen Durchsetzung verfassungswidrig ergangener Entscheidungen ergeben würden, abgewendet werden sollen. Diesem § 79 Abs. 2 BVerfGG zugrundeliegenden Rechtsgedanken lässt sich allenfalls ein Vollstreckungsverbot von Maßnahmen, welche gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen, entnehmen, nicht jedoch ein unbedingter Normanwendungsbefehl zur Rücknahme bereits vollstreckter Maßnahmen, wie sie hier die vollzogene Ausweisung darstellt.
31 
4. Dem Kläger steht jedenfalls in der Sache kein Anspruch auf - unbedingtes - Wiederaufgreifen des Verfahrens im Sinne von § 51 Abs. 1 LVwVfG zu. Dahingestellt kann deshalb bleiben, ob dem anwaltlich vertretenen Kläger überhaupt das erforderliche allgemeine Rechtsschutzbedürfnis für dessen Durchsetzung zusteht, nachdem er sowohl bei der Behörde als auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ausdrücklich einen Rücknahmeantrag gestellt hat. Insbesondere liegen die Voraussetzungen eines Wiederaufgreifens nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG nicht vor. Danach ist das Verfahren u.a. wieder aufzugreifen, wenn sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat. Eine Änderung der Rechtslage im Sinne des Bestimmung ist nur dann anzunehmen, wenn es sich um eine Änderung im Bereich des materiellen Rechts, dem eine allgemein verbindliche Außenwirkung zukommt, handelt. Dementsprechend kann eine gerichtliche Spruchpraxis keine Änderung der Rechtslage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG bewirken (vgl. hierzu BVerwG, Vorlagebeschluss vom 7.7.2004 - 6 C 24/03 -, juris; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 9.11.2004 - 11 S 2771/03 -, juris). Mithin rechtfertigen die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 3.8.2004 (- 1 C 29.02 -, BVerwGE 121, 315 bzw. - 1 C 30.02 -, BVerwGE 121, 297) eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG nicht. Zwar kann die Behörde im Verwaltungsverfahren nach pflichtgemäßem Ermessen auch dann wieder aufgreifen und über einen durch unanfechtbaren Verwaltungsakt beschiedenen materiell-rechtlichen Anspruch erneut sachlich entscheiden, wenn die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen im engeren Sinne nach § 51 Abs. 1 LVwVfG nicht vorliegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.9.2005 - 2 C 5/99 -, DVBl. 2001, 726; vgl. § 51 Abs. 5 LVwVfG. Allerdings räumt diese Vorschrift dem Kläger lediglich ein subjektiv-öffentliches Recht auf fehlerfreie Ermessensentscheidung der Behörde über ein Wiederaufgreifen des Verfahrens ein; eine Ermessensreduzierung auf Null mit der Folge, dass die Behörde zur Rücknahme der Ausweisungsverfügung vom 29.5.2000 verpflichtet wäre, besteht aus den oben dargestellten Gründen nicht.
32 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
33 
Die Revision war zuzulassen, da insbesondere die Frage der Wirksamkeit sogenannter altrechtlicher Ausweisungsverfügungen gegen Unionsbürger in der obergerichtlichen Rechtsprechung strittig und noch nicht höchstrichterlich geklärt ist (siehe § 132 Abs. 2 Satz 1 VwGO).
34 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt (§ 152 Abs. 2 GKG).

Gründe

 
19 
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung über die Berufung des Klägers entscheiden, da beide Beteiligte auf mündliche Verhandlung verzichtet haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
20 
Die zulässige, insbesondere rechtzeitig begründete Berufung (§ 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO) hat in der Sache keinen Erfolg. Dem Kläger steht der geltend gemachte, über die vom Verwaltungsgericht Stuttgart bereits mit Urteil vom 29.9.2006 rechtskräftig ausgesprochene Bescheidungsverpflichtung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts hinausgehende unbedingte Rücknahmeanspruch nicht zu (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
21 
Dem Kläger steht nach wie vor ein Rechtsschutzbedürfnis für die von ihm begehrte Rücknahme der Ausweisungsverfügung mit ex-tunc-Wirkung zu, obwohl der Beklagte nunmehr die Sperrwirkungen der Ausweisung mit Bescheid vom 26.9.2005 auf diesen Tag befristet hat. Ein Interesse des Klägers an der rückwirkenden Aufhebung der Ausweisung ergibt sich bereits daraus, dass zahlreiche Vorschriften an den ununterbrochenen rechtmäßigen Aufenthalt eines Ausländers positive Rechtsfolgen anknüpfen, so etwa der in § 10 StAG statuierte Anspruch auf Einbürgerung oder die besonderen Ausweisungsschutz vermittelnde europarechtliche Bestimmung des Art. 28 Abs. 3a der RL 2004/38/EG.
22 
Zu Recht hat das Verwaltungsgericht für die im Rahmen des § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG entscheidungserhebliche Frage der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der mangels Klageerhebung bestandskräftig gewordenen Ausweisung des Klägers auf den Zeitpunkt des Erlasses der Ausweisungsverfügung am 29.5.2000 abgestellt; da der Kläger jedenfalls zu diesem Zeitpunkt freizügigkeitsberechtigt war, konnte offenbleiben, inwieweit eine erst später eintretende Rechtswidrigkeit ein Rücknahmeverfahren eröffnen kann (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 28.10.2004 - 1 C 13.03 -, NVwZ-RR 2005, 341; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24.9.2001 - 8 S 461/01 -, VBlBW 2002, 208, 209).
23 
 Der Senat kann ferner offenlassen, ob die Ausweisungsverfügung gegen den Kläger nicht nur - wie vom Verwaltungsgericht inzident angenommen - aus formellen Gründen wegen einem Verstoß gegen Art. 9 RL 64/221/EWG als rechtswidrig anzusehen ist, sondern ob auch ein Verstoß gegen materielles Gemeinschaftsrecht vorliegt. Nicht zu folgen vermag der Senat freilich der Annahme des Klägers, es hätten im Wege der sogenannten Vorwirkung bereits bei Erlass der Ausweisungsverfügung im Jahre 2000 die materiellen Voraussetzungen der weitaus später in Kraft getretenen RL 2004/38/EG gegolten. Die Umsetzungsfrist der erst am 29.4.2004 erlassenen Richtlinie lief gemäß deren Art. 28 Abs. 2 und Art. 40 Abs. 1 erst am 30.4.2006 ab, Rückwirkung kann ihr nicht beigemessen werden (vgl. hierzu ausführlich Beschluss des Niedersächsischen OVG vom 30.5.2006 - 11 LA 147/05 - NVwZ 2006, 1302). Unabhängig hiervon steht dem Kläger selbst in dem Fall, dass seine Ausweisung auch gegen materiell-rechtliche Bestimmungen des Europäischen Gemeinschaftsrechts verstoßen haben sollte, lediglich der vom Verwaltungsgericht zugesprochene Bescheidungsanspruch, nicht jedoch ein unbedingter Anspruch auf Rücknahme seiner Ausweisung zu. Weder nationales Recht (1.) noch Gemeinschaftsrecht (2.) oder sonstiges höherrangiges Recht (3.) gebieten es im vorliegenden Fall dem beklagten Land, die gegen den Kläger ergangene Ausweisungsverfügung zurückzunehmen; auch besteht kein zwingender Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens gemäß § 51 Abs. 1 LVwVfG (4.).
24 
1. Nach nationalem Recht räumt § 48 Abs. 1 LVwVfG dem Antragsteller lediglich ein subjektiv-öffentliches Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung hinsichtlich der Entscheidung über die Ausübung der Rücknahmebefugnis ein (vgl. hierzu ausführlich m.w.N. Urteil des Senats vom 24.1.2007 - 13 S 4516 - InfAuslR 2007,182). Ein Rechtsanspruch auf Rücknahme kommt nur dann in Betracht, wenn das Ermessen der Behörde angesichts der besonderen Umstände des konkreten Einzelfalles auf Null reduziert wäre. Eine derartige Reduktion des Ermessens ist regelmäßig nur dann zu bejahen, wenn ein Aufrechterhalten des ursprünglichen Verwaltungsakts unerträglich wäre bzw. für den Betroffenen unzumutbare Folgen hätte (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 15.3.2005 - 3 B 86/04 -, DÖV 2005, 651 m.w.N.). Insbesondere erscheint die Aufrechterhaltung der Ausweisungsverfügung auch nicht deswegen im Sinne der oben angeführten Rechtsprechung als „schlechthin unerträglich“, weil die zur Annahme der Rechtswidrigkeit führende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu den bei der Ausweisung von freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern zu beachtenden formellen Anforderungen, insbesondere gemäß Art. 9 der RL 64/221/EWG, erst Jahre nach dem Erlass der Ausweisungsverfügung entwickelt wurde. Auch erscheint es nicht schlechterdings unerträglich, den Kläger zur Beseitigung der Sperrwirkungen der Ausweisung gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf die - nunmehr erfolgte - nachträgliche Befristung zu verweisen. Ferner ergibt sich eine Ermessensreduzierung nicht aus dem Verhalten der Behörde selbst oder daraus, dass das Rücknahmeinteresse des Betroffenen eindeutig und offensichtlich schwerer wiegen würde als das öffentliche Interesse an einer Rücknahme. Im übrigen kann in diesem Zusammenhang nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Kläger die gegen ihn ergangene Ausweisungsverfügung mangels Klageerhebung bestandskräftig werden ließ.
25 
Der Kläger kann die Rücknahme der gegen ihn ergangenen Ausweisungsverfügung auch nicht unter dem Gesichtspunkt der (deklaratorischen) Aufhebung einer unwirksamen oder unwirksam gewordenen Verfügung erreichen. Zwar ist es in der Rechtsprechung anerkannt, dass bei einem unwirksamen - oder: wie hier allenfalls unwirksam gewordenen -Verwaltungsakt eine klarstellende behördliche Rücknahme des Verwaltungsakts möglich und aus Gründen der Beseitigung des Rechtsscheins gegebenenfalls auch erforderlich sein kann (vgl. hierzu Bay. VGH, Urteil vom 12.10.1989 - 26 B 86.02944 -, NVwZ-RR 1991, 117; Hess. VGH, Urteil vom 29.3.2006 - 6 UE 2874/04 - juris; Urteil des Senats vom 24.1.2007, a.a.O.). Dahingestellt kann bleiben, ob der Kläger bei der gebotenen sachdienlichen Auslegung (§§ 86 Abs. 3, 88 VwGO) nicht nur einen denkbaren Rücknahmeanspruch nach § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG wegen Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, sondern auch wegen etwaiger Unwirksamkeit der Ausweisung gestellt hat. Denn die Voraussetzungen eines solches „Rücknahme“-Anspruchs sind nämlich nicht gegeben.
26 
Bei Erlass der Ausweisungsverfügung und auch in der Folgezeit bis zum Inkrafttreten des Freizügigkeitsgesetzes/EU lag kein Grund für die Annahme von Unwirksamkeit (siehe § 43 Abs. 1 und 2 LVwVfG) oder gar von Nichtigkeit (§ 43 Abs. 3 i.V.m. § 44 LVwVfG) der Ausweisungsverfügung vor; dies liegt für den Senat auf der Hand und bedarf keiner näheren Ausführungen. Wie der Senat in seinem den Beteiligten bekannten Urteil vom 24.1.2007 (- 13 S 451/06 -; a.a.O.) im einzelnen näher dargelegt hat und worauf zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, sind jedenfalls bestandskräftig gewordene Ausweisungsverfügungen auch nicht durch Inkrafttreten des Freizügigkeitsgesetzes zum 1.1.2005 unwirksam geworden.
27 
2. Auch europäisches Gemeinschaftsrecht verpflichtet den Beklagten nicht zur Rücknahme der Ausweisungsverfügung. Wie der Senat in seinem den Beteiligten bekannten Urteil vom 24.1.2007 (13 S 451/06) unter ausführlicher Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des EuGH darstellt, begründet Gemeinschaftsrecht in Fällen der vorliegenden Art keinen unbedingten Rücknahmeanspruch. Vielmehr sind vom nationalen Recht vorgesehene Ausschlussfristen für die Rechtsverfolgung - mit der Folge der Bestandskraft bei Nichteinhaltung dieser Fristen - grundsätzlich auch mit Gemeinschaftsrecht vereinbar, weil sie ein Anwendungsfall des auch für das Gemeinschaftsrecht grundlegenden Prinzips der Rechtssicherheit sind. Selbst bei einem Verstoß gegen materielles Europarecht ist danach eine Rücknahme nicht schlechterdings geboten, vielmehr besteht lediglich eine gemeinschaftsrechtliche Prüfungs- oder Rücknahmepflicht in dem Rahmen, den auch das nationale Recht vorsieht (vgl. Urteil des Senats vom 24.1.2007, a.a.O.; umfassend Rennert, DVBl. 2004, 400; Ruffert, JZ 2007, 407). Bereits oben ist ausgeführt worden, dass unter dem Gesichtspunkt des § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG die Aufrechterhaltung der gegen den Kläger ergangenen Ausweisung nicht „schlechterdings unerträglich“ ist, eine Rücknahmepflicht insoweit also nicht besteht, und diese Überlegungen gelten auch im hier interessierenden Zusammenhang. Der Verzicht des Klägers auf Rechtsbehelfe und die Tatsache, dass der Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht keineswegs offensichtlich war, steht auch hier der der Annahme einer unbedingten Rechtsverpflichtung zur Rücknahme entgegen. Von besonderer Gravität oder gar (zusätzlicher) Offensichtlichkeit eines Gemeinschaftsrechtsverstoßes kann unter diesen Gesichtspunkten ohnehin nicht ausgegangen werden. Da der Kläger nach der Ausweisungsverfügung nicht mehr im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis war und das Bundesgebiet sogar vom Oktober 2000 bis zum August 2004 und erneut von September 2004 bis April 2005 für lange Zeit verlassen hatte, ist auch nicht ersichtlich, dass die Anwendung des nationalen Verfahrensrechts bei der Umsetzung des Gemeinschaftsrechts zu entscheidenden Wirkungsverlusten oder gar zur Umgehung des Gemeinschaftsrechts führen würde. Im übrigen ist jedenfalls dem sekundären Gemeinschaftsrecht die Aufspaltung in Verlust des Freizügigkeitsrechts einerseits und nachfolgende Befristung dieser Wirkung andererseits nicht fremd. So sieht Art. 32 Abs. 1 der RL 2004/38/EG vor, dass ein Unionsbürger, der sein Aufenthaltsrecht aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verloren hat, einen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbots unter Hinweis auf veränderte Umstände stellen kann. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob der Kläger - wie von ihm vorgetragen - zum derzeitigen Zeitpunkt aufgrund seines niedrigen Rentenbezugs einen gemeinschaftsrechtlichen Anspruch auf Zuzug in das Bundesgebiet hat oder nicht. Eine hieran etwa scheiternde Freizügigkeitsberechtigung des Klägers ist nicht Folge der Ausweisung, deren Sperrwirkungen gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG von der Beklagten wie dargestellt befristet worden sind. Wie der Europäischen Gerichtshof in seinem Urteil vom 7.9.2004 (C 456/02 - Trojani -, Rn 36, InfAuslR 2004, 417) zu den „Beschränkungen und Bedingungen“ der Freizügigkeit im Sinne des Art. 18 Abs. 1 EG ausgeführt hat, erwächst dem Unionsbürger bei Fehlen ausreichender Existenzmittel im Sinne der RL 90/364/EWG kein Recht zum Aufenthalt; diese Formulierung legt den Schluss zumindest nahe, dass bei Nichterfüllung dieser Beschränkungen und Bedingungen die Unionsbürgerschaft allein keine Freizügigkeitsberechtigung vermittelt.
28 
3. Entgegen der Annahme des Klägers begründen auch die Bestimmungen der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4.11.1950 (BGBl. 1952 II, 696, 953/19542, S. 14) keinen unbedingten Anspruch auf Rücknahme der gegen ihn ergangenen Ausweisungsverfügung. Zum einen verstößt die Ausweisung nicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (3.1), zum anderen begründet ein etwaiger Verstoß gegen die materiellen Schutzbestimmungen der EMRK nicht in jedem Falle ein entsprechendes Vollstreckungsverbot und vor allem nicht einen hiermit korrespondierenden unbedingten Rücknahmeanspruch (3.2).
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3.1. Nicht zu folgen vermag der Senat der Annahme des Klägers, wonach die Ausweisungsverfügung vom 29.5.2000 bereits deshalb gegen Art. 8 Abs. 1 EMRK verstößt, weil nicht zeitgleich bei ihrem Erlass über eine Befristung der Ausweisungswirkungen entschieden wurde. Der Senat hält an seiner - dem Prozessbevollmächtigten des Klägers bekannten -Rechtsprechung fest, dass das Aufenthaltsgesetzt, das eine Befristung der Wirkungen der Ausweisung nur auf Antrag vorsieht, weder zu Art. 8 EMRK noch zu der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Widerspruch steht und die Ausländerbehörde deshalb eine Ausweisungsverfügung erlassen darf, ohne zugleich von Amts wegen über eine Befristung zu entscheiden. Den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) lässt sich weder entnehmen, dass die Befristungsentscheidung stets zusammen mit der Ausweisungsentscheidung getroffen werden muss noch dass die Befristung nicht von einem entsprechenden Antrag abhängig gemacht werden darf. Eine - durch die Ausweisung mit zunächst unbefristeter Sperrwirkung möglicherweise ausgelöste - unverhältnismäßige Einschränkung der persönlichen Lebensführung des Ausländers wird dadurch verhindert, dass der Ausländer für den Regelfall einen Anspruch auf Befristung der Wirkungen der Ausweisung, insbesondere des Einreise- und Aufenthaltsverbots, hat. Denn der EGMR betont stets, dass es sich um eine Entscheidung im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen konkreten Umstände handelt (vgl. m.w.N. Beschluss des Senats vom 20.3.2007 - 13 S 850/06 -). Auch dem vom Kläger lediglich in englischer Sprache vorgelegten Urteil des EGMR vom 22.3.2007 - 1638/03 -(Maslov) lässt sich nichts Gegenteiliges entnehmen; vielmehr bestätigt der Gerichtshof in dieser Entscheidung seine bisherige Rechtsprechung, wonach eine umfassende Einzelfallbetrachtung und Abwägung geboten ist, wobei einer etwa erfolgten Befristung nicht unerhebliches Gewicht zukommt. Der Fall des Klägers unterscheidet sich dabei bereits in Anbetracht der zahlreichen von ihm begangenen Straftaten gegen unterschiedliche Rechtsgüter und vor allem auch der Tatsache, dass sich der Kläger weder durch die Verurteilung des Landgerichts Stuttgart vom 21.10.1998 zu einer vierjährigen Freiheitsstrafe noch durch deren nachfolgende teilweise Verbüßung von der Abhaltung weiterer, gegen die körperliche Unversehrtheit gerichteter Straftaten abhalten ließ, von den vom EGMR explizit beurteilten Fällen (13/10). Auch das Bundesverfassungsgericht geht im übrigen entgegen der Annahme des Klägers nicht davon aus, dass die Sperrwirkungen einer Ausweisung aufgrund der Bestimmung des Art. 8 Abs. 1 EMRK in jedem Falle zeitgleich mit deren Erlass befristet werden müssten. Vielmehr führt das Bundesverfassungsgericht in seinem den Beteiligten bekannten Beschluss vom 10.5.2007 (2 BvR 304/07) aus, dass die Befristung der Ausweisungswirkungen nur eines von mehreren Kriterien im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Ausweisung gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist (vgl. insbesondere S. 17 des Beschlussumdrucks). Auch die von dem Kläger angeführte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18.7.1979 (1 BvR 650/77) bestätigt seine Rechtsauffassung nicht. Die Entscheidung hebt lediglich auf die Bedeutung einer etwaigen Befristung für die Verhältnismäßigkeit der Ausweisungsverfügung ab, ohne dass sich ihr Anhaltshaltspunkte dafür entnehmen ließen, dass - wie vom Kläger angenommen - über die Befristung stets zeitgleich und unabhängig von einem Antrag mit der Verfügung der Ausweisung zu befinden wäre.
30 
3.2 Im übrigen begründet ein etwaiger Verstoß der Ausweisungsverfügung gegen materielle Bestimmungen der EMRK keinen unbedingten Rücknahmeanspruch, vielmehr stellt ein derartiger Verstoß lediglich einen Gesichtspunkt dar, welcher in die nach nationalen Recht zu treffende Ermessensentscheidung über die Rücknahme gemäß § 48 Abs. 1 LVwVfG einzustellen ist. Dem etwaigen Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention, die aufgrund der Zustimmung des Bundesgesetzgebers mit förmlichem Gesetz gemäß Art. 59 Abs. 2 GG innerstaatlich im Range eines Bundesgesetzes gilt (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 14.10.2004 - 2 BvR 1481/04 -, NJW 2004, 3407), kommt dabei keine weitergehende Wirkung zu als einem Verstoß gegen sonstiges materielles nationales Recht oder gar einem Grundrechtsverstoß. Vielmehr folgt aus dieser Rangzuweisung, dass die Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention und ihrer Zusatzprotokolle - soweit sie für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten sein -nach der Normenhierarchie keine gegenüber sonstigem Bundesrecht übergeordnete Wirkung entfalten. Nach dieser Rangzuweisung haben vielmehr deutsche Gerichte und Verwaltungsbehörden die Konvention wie anderes Gesetzesrecht des Bundes im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung zu beachten und anzuwenden. Aufgrund der weitgehenden Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes sind dabei sowohl dieses als auch das übrige staatliche Recht nach Möglichkeit so auszulegen, dass ein Konflikt mit völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands und damit auch mit den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention in der Gestalt, welche diese in der maßgeblichen Rechtsprechung des EGMR gefunden hat, vermieden wird (vgl. hierzu ausführlich BVerfG, Beschluss vom 14.10.2004, a.a.O. und vom 1.3.2004 - 2 BvR 1570/03 - NVwZ 2004, 852; Meyer-Ladewig, Europäische Menschenrechtskonvention, Handkommentar, 2. Aufl., Rn 20 ff. zu Art 46 m.w.N.). Die über das Zustimmungsgesetz ausgelöste Berücksichtigung der Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Entscheidungen des Gerichtshofs erfordert dabei zumindest, dass die entsprechenden Texte und Judikate zur Kenntnis genommen werden und in den Willensbildungsprozess des zu einer Entscheidung berufenen Gerichts, der zuständigen Behörde oder des Gesetzgebers einfließen. Liegt der Konventionsverstoß in dem Erlass eines bestimmten Verwaltungsakts, so hat die zuständige Behörde die Möglichkeit, diesen nach den Regelungen des nationalen Verwaltungsverfahrensrechts aufzuheben (vgl. § 48 LVwVfG), eine entsprechende unbedingte Verpflichtung der Behörde lässt sich weder den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention noch der hierzu ergangenen Rechtsprechung des EGMR entnehmen. Auch der von dem Kläger zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts lässt sich nichts Gegenteiliges entnehmen. Vielmehr führt das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 6.12.2005 (1 BvR 1905/02, DVBl. 2006, 267) ausdrücklich aus, dass sich aus dem Gesamtzusammenhang der Bestimmungen des § 79 Abs. 1, 2 BVerfGG und insbesondere aus Satz 4 von § 79 Abs. 2 BVerfGG der allgemeine Rechtsgedanke ableiten lasse, dass einerseits zwar unanfechtbar gewordene Akte der öffentlichen Gewalt, die auf verfassungswidriger Grundlage zustande gekommen sind, nicht rückwirkend aufgehoben und die nachteiligen Wirkungen, die in der Vergangenheit von ihnen ausgegangen sind, nicht beseitigt werden, andererseits jedoch zukünftige Folgen, die sich aus einer zwangsweisen Durchsetzung verfassungswidrig ergangener Entscheidungen ergeben würden, abgewendet werden sollen. Diesem § 79 Abs. 2 BVerfGG zugrundeliegenden Rechtsgedanken lässt sich allenfalls ein Vollstreckungsverbot von Maßnahmen, welche gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen, entnehmen, nicht jedoch ein unbedingter Normanwendungsbefehl zur Rücknahme bereits vollstreckter Maßnahmen, wie sie hier die vollzogene Ausweisung darstellt.
31 
4. Dem Kläger steht jedenfalls in der Sache kein Anspruch auf - unbedingtes - Wiederaufgreifen des Verfahrens im Sinne von § 51 Abs. 1 LVwVfG zu. Dahingestellt kann deshalb bleiben, ob dem anwaltlich vertretenen Kläger überhaupt das erforderliche allgemeine Rechtsschutzbedürfnis für dessen Durchsetzung zusteht, nachdem er sowohl bei der Behörde als auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ausdrücklich einen Rücknahmeantrag gestellt hat. Insbesondere liegen die Voraussetzungen eines Wiederaufgreifens nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG nicht vor. Danach ist das Verfahren u.a. wieder aufzugreifen, wenn sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat. Eine Änderung der Rechtslage im Sinne des Bestimmung ist nur dann anzunehmen, wenn es sich um eine Änderung im Bereich des materiellen Rechts, dem eine allgemein verbindliche Außenwirkung zukommt, handelt. Dementsprechend kann eine gerichtliche Spruchpraxis keine Änderung der Rechtslage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG bewirken (vgl. hierzu BVerwG, Vorlagebeschluss vom 7.7.2004 - 6 C 24/03 -, juris; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 9.11.2004 - 11 S 2771/03 -, juris). Mithin rechtfertigen die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 3.8.2004 (- 1 C 29.02 -, BVerwGE 121, 315 bzw. - 1 C 30.02 -, BVerwGE 121, 297) eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG nicht. Zwar kann die Behörde im Verwaltungsverfahren nach pflichtgemäßem Ermessen auch dann wieder aufgreifen und über einen durch unanfechtbaren Verwaltungsakt beschiedenen materiell-rechtlichen Anspruch erneut sachlich entscheiden, wenn die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen im engeren Sinne nach § 51 Abs. 1 LVwVfG nicht vorliegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.9.2005 - 2 C 5/99 -, DVBl. 2001, 726; vgl. § 51 Abs. 5 LVwVfG. Allerdings räumt diese Vorschrift dem Kläger lediglich ein subjektiv-öffentliches Recht auf fehlerfreie Ermessensentscheidung der Behörde über ein Wiederaufgreifen des Verfahrens ein; eine Ermessensreduzierung auf Null mit der Folge, dass die Behörde zur Rücknahme der Ausweisungsverfügung vom 29.5.2000 verpflichtet wäre, besteht aus den oben dargestellten Gründen nicht.
32 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
33 
Die Revision war zuzulassen, da insbesondere die Frage der Wirksamkeit sogenannter altrechtlicher Ausweisungsverfügungen gegen Unionsbürger in der obergerichtlichen Rechtsprechung strittig und noch nicht höchstrichterlich geklärt ist (siehe § 132 Abs. 2 Satz 1 VwGO).
34 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt (§ 152 Abs. 2 GKG).

Tenor

Ziffer 2 des Bescheids des RP Freiburg vom 4.8.2006 wird aufgehoben. Das beklagte Land - RP Freiburg - wird verpflichtet, die Sperrwirkung der Ausweisung vom 8.10.1999 mit sofortiger (d.h. ab Bekanntgabe des Bescheids eintretender) Wirkung zu befristen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin und das beklagte Land jeweils 1/2.

Tatbestand

 
Die Klägerin begehrt die Aufhebung einer unanfechtbaren Ausweisung, hilfsweise die Befristung deren Sperrwirkung.
Die am 14.3.1968 geborene Klägerin ist türkische Staatsangehörige. Ihren Nachnamen trägt sie seit einer am 24.8.2000 geschlossenen und am 22.1.2004 geschiedenen (kinderlosen) Ehe mit einem deutschen Staatsangehörigen. Sie hält sich seit Oktober 1973, als sie mit ihren Eltern einreiste, in Deutschland auf. Erstmals unter dem 24.4.1984 erhielt sie als damals 16-jährige eine Aufenthaltserlaubnis, die in der Folgezeit regelmäßig verlängert wurde und zuletzt bis zum 1.7.1999 befristet war. Die Klägerin ist Mutter von fünf Kindern. Die drei ältesten Kinder (Sohn S., geboren 1985, sowie Zwillingssöhne O. und L., geboren 1988) stammen aus einer am 21.6.1984 mit einem türkischen Landsmann geschlossenen und im März 1993 geschiedenen Ehe und leben beim Vater, der das Sorgerecht für sie hat. Zwei weitere Kinder, die ausschließlich in Deutschland aufgewachsen sind, entstammen einer (nicht-ehelichen) Beziehung zu einem anderen Landsmann und wurden am 17.12.1989 (Tochter Si.) bzw. am 8.12.1996 (Sohn A.) geboren. Die ursprünglich von der Klägerin für diese beiden Kinder ausgeübte elterliche Sorge wurde zunächst mit Beschluss des Amtsgerichts Villingen-Schwenningen vom 16.2.2004 auf die Mutter der Klägerin übertragen und später mit Beschluss des Amtsgerichts Singen vom 30.5.2006 auf sie zurückübertragen.
Strafrechtlich ist die Klägerin mehrfach in Erscheinung getreten, und zwar u.a. wie folgt:
Rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Konstanz vom 12.8.1999
Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten wegen Beihilfe zum Erwerb von Betäubungsmitteln (Heroin) in Tateinheit mit Handeltreiben, wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben, wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Handeltreiben in zwei Fällen, wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen, davon siebenmal in Tateinheit mit Handeltreiben, wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in acht Fällen, wegen Erwerbs von Betäubungsmitteln in drei Fällen, davon zweimal in Tateinheit mit Handeltreiben ( Tatzeitpunkte: Ende 1996 bis Mitte 1998 ). Die seit Sommer 1997 betäubungsmittelabhängige Klägerin befand sich wegen dieser Taten zunächst vom 4.8.1998 bis 14.10.1998 in U-Haft. Es folgte eine dreiwöchige Mutter-Kind-Kur, in deren Anschluss sie einen Drogenrückfall erlitt. Deshalb wurde sie am 23.4.1999 wieder in U-Haft genommen, ab 16.8.1999 in Strafhaft. Ab 25.8.1999 stellte die Staatsanwaltschaft Konstanz die Vollstreckung der Strafe zurück, damit die Klägerin sich in eine Therapieeinrichtung zur Behandlung ihrer Abhängigkeit begeben konnte. Die stationäre Behandlung erfolgte bis zum 24.2.2000
Rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Villingen-Schwenningen vom 15.11.2002
Freiheitsstrafe von 2 Monaten zur Bewährung wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln (Heroin); Tatzeitpunkt: März/April 2001.
Rechtskräftiges Urteil des Amtsgericht Villingen-Schwenningen vom 30.9.2004
Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren zur Bewährung wegen Besitzes von Betäubungsmitteln (Heroin) in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln sowie Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in sieben Fällen, in drei Fällen in Tateinheit mit Erwerb von Betäubungsmitteln, in vier Fällen in Tateinheit mit gewerbsmäßiger Hehlerei ( Tatzeitpunkt: 2003 ). Betreffend die Aussetzung der Strafvollstreckung führte das Strafgericht aus, diese sei „trotz erheblicher Bedenken“, die sich aus dem zweimaligen Bewährungsbruch ergäben, ausgesetzt worden.
10 
In weiteren Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz sah die Staatsanwaltschaft Konstanz von einer Verfolgung ab (Verfügung vom 28.1.2003) bzw. stellte das Verfahren gem. § 154 d Satz 3 StPO ein (Verfügung vom 14.12.2004).
11 
Am 29.6.2006 wurde die Klägerin unerlaubt in der Schweiz angetroffen. Ein Drug-Wipe-Test verlief positiv auf Opiate/Heroin. Die Klägerin ließ sich dahin ein, sie habe einmalig in Zürich Heroin im Wege einer Aufnahme durch die Nase konsumiert.
12 
Wegen der Straftaten, die dem vorgenannten Strafurteil vom 12.8.1999 zu Grunde lagen, wurde die Klägerin mit Verfügung des RP Freiburg vom 8.10.1999 - gestützt auf die Vorschriften der Ist-Ausweisung (§ 47 Abs. 1 AuslG) und unter Verneinung besonderen Ausweisungsschutzes - unbefristet ausgewiesen. Ferner wurde sie zur Ausreise aufgefordert und die Abschiebung in die Türkei angedroht. Vorläufiger Rechtsschutz gegen diese Entscheidung blieb ebenso erfolglos (Beschluss VG Freiburg vom 1.12.1999 - 9 K 2442/99), wie die Anfechtungsklage, die im März 2001 zurückgenommen wurde; ein weiterer Eilantrag, die Abschiebung auszusetzen, war davor erneut durch das VG Freiburg (Beschluss vom 29.6.2000 - 9 K 1230/00) abgelehnt worden. Gleichwohl kam es nicht zu einer - auf den 31.3.2000 vorgesehenen - Abschiebung der Klägerin und ihrer beiden jüngsten Kinder, weil diese nicht aufzufinden waren. Ein am 13.7.2000 für sich und die beiden Kinder gestellter Asylantrag blieb sowohl vor dem Bundesamt (ou-Ablehnung vom 20.7.2000) als auch im asylrechtlichen Eil- und Klageverfahren vor dem VG Freiburg erfolglos. Am 24.8.2000 erfolgte die Heirat des deutschen Staatsangehörigen H. M.. Die Klägerin erhielt in der Folgezeit - bedingt durch diese Verheiratung, durch Ablauf und erforderliche Verlängerung ihrer Personalpapiere, ferner spätere strafrechtliche Ermittlungen sowie einen Härtefallantrag - bis heute Duldungen.
13 
Einen Antrag, die Sperrwirkung der Ausweisung zu befristen, stellte die Klägerin am 11.3.2003. Das RP Freiburg stellte eine Entscheidung bis zum Nachweis über die freiwillige Ausreise zurück. Vom 7.9.2004 bis 7.6.2005 befand sich die Klägerin erneut in einer stationären Entwöhnungsbehandlung. Mit Schreiben vom 7.12.2005 kündigte das RP Freiburg der Klägerin, deren Härtefallantrag zuvor abgelehnt worden war, die Abschiebung an und gab ihr Gelegenheit, bis 23.12.2005 freiwillig auszureisen. Unter dem 11.1.2006 ließ die Klägerin anwaltlich erklären, sie sei zur freiwilligen Ausreise bereit, wenn ihr, in Verbindung mit einer Befristung der Ausweisungswirkungen, ein Recht auf spätere Familienzusammenführung zu ihren Kindern zugesichert werde. Am 26.1.2006 beantragte sie, mit Blick auf eine geänderte Rechtslage das Ausweisungsverfahren wiederaufzugreifen und die Ausweisung zurückzunehmen bzw. hilfsweise zu widerrufen. Zur Begründung gab sie an, im Anschluss an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts sei die Ausweisung aus dem Jahr 1999 rechtswidrig, weil sie nicht als Ermessensentscheidung ergangen sei und weil gegen die Verfahrensvorschrift des Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG verstoßen worden sei. Da in der Folgezeit keine Entscheidung getroffen wurde, erhob die Klägerin am 29.5.2006 Untätigkeitsklage (1 K 1026/06). Dieses Verfahren wurde auf Grund übereinstimmender Erledigungserklärungen mit Beschluss des Berichterstatters vom 30.8.2006 eingestellt.
14 
Mit vorliegend streitgegenständlichem (und Grund für die Erledigung der zuvor genannten Untätigkeitsklage bildenden) Bescheid vom 4.8.2006 (zugestellt am 10.8.2006) lehnte das RP Freiburg das Wiederaufgreifen des Verfahrens und eine Rücknahme der Ausweisungsentscheidung vom 8.10.1999 ab (Ziff. 1). Ferner wurden die Wirkungen der genannten Ausweisung nachträglich auf 5 Jahre und 6 Monate ab Ausreise der Klägerin befristet (Ziff. 2). Zur Begründung wurde angeführt, ein Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens im engeren Sinne gemäß § 51 LVwVfG bestehe nicht. Eine Änderung der Rechtsprechung stelle keine Änderung der Rechtslage dar. Über ein Wiederaufgreifen im weiteren Sinne sei nach Ermessen zu entscheiden. Eine Ermessensreduzierung auf Null liege im Fall der Klägerin nicht vor, weil die Aufrechterhaltung der Ausweisung nicht schlechthin unerträglich sei. Die Klägerin sei bis heute ihrer Ausreisepflicht nicht nachgekommen. Auch nach der Ausweisung sei sie erneut einschlägig straffällig geworden und wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz verurteilt worden. Ferner habe sie sich zweimal unerlaubt in der Schweiz aufgehalten. Dass sie ihre Drogensucht tatsächlich erfolgreich überwunden habe, sei nicht ersichtlich. Immer wieder sei sie rückfällig geworden, zuletzt habe sie nach eigenen Angaben am 28.6.2006 in Zürich Heroin konsumiert. Daraus ergebe sich aber, dass weitere schwere Straftaten konkret zu befürchten seien. Gegen eine Rücknahme spreche auch, dass die Klägerin es versäumt habe, die Ausweisungsverfügung gerichtlich überprüfen zu lassen. Ferner sei für den Fall eines Wegfalls der Wiederholungsgefahr das Befristungsverfahren spezialgesetzlich vorrangig vor demjenigen eines Widerrufs. Im Übrigen hätte auch damals angesichts der tatsächlichen Umstände eine Ermessensausweisung ergehen können. Im Hinblick auf das hohe Rechtsgut der Rechtssicherheit könne das Vorliegen eines formellen Fehlers nicht zur Durchbrechung der Bestandskraft führen. Auch die Entscheidung über eine Rücknahme liege im Ermessen und setze, solle ausnahmsweise eine Reduzierung auf Null erfolgen, voraus, dass die Aufrechterhaltung mit Blick auf die materielle Gerechtigkeit schlechthin unerträglich sei. Ferner verlange Gemeinschaftsrecht grundsätzlich nicht, eine bestandskräftige Verwaltungsentscheidung zurückzunehmen. Bei Berücksichtigung aller Einzelfallumstände sei bedeutsam, dass die Klägerin ihre Klage gegen die Ausweisung Entscheidung zurückgenommen habe. Ferner müsse, wie bereits dargelegt, auch weiterhin von einer Wiederholungsgefahr ausgegangen werden. Auch wegen weiterer Ermessenserwägungen könne auf obige Ausführungen verwiesen werden, sodass kein Anlass bestehe, die Ausweisungsentscheidung zurückzunehmen. Bei der Befristung der Sperrwirkung der Ausweisung sei die noch zu § 8 Abs. 2 AuslG ergangene Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums vom 25.1.2002 entsprechend heranzuziehen gewesen. Da die Klägerin nur im Rahmen einer Ermessensentscheidung hätte ausgewiesen werden dürfen, sei folglich Ziff. 1.3.1 einschlägig. Ausgehend von der verhängten Strafe von zwei Jahren und sechs Monaten liege ein Regelfall von fünf Jahren und sechs Monaten vor. Dabei sei berücksichtigt worden, dass die Ausweisung bereits längere Zeit zurückliege. Allerdings habe sich die Gefahrenprognose nicht zu Gunsten der Klägerin verändert, weil sie erneut einschlägig verurteilt worden und weitere Ermittlungsverfahren nur im Hinblick auf diese Verurteilungen eingestellt worden seien. Die Aussetzung der späteren Freiheitsstrafen zur Bewährung sei trotz erheblichen Bedenken ergangen und ohne die Stellung einer positiven Sozialprognose erfolgt. Absolvierte Drogentherapien seien angesichts von Rückfällen nicht erfolgreich gewesen. Auch der Umstand, dass die Klägerin im Mai 2006 das Sorgerecht für ihre beiden jüngsten Kinder wieder zurückerhalten habe, stehe nicht entgegen. Die Kinder seien türkische Staatsangehörige und könnten jederzeit mit zurückkehren. Da sie in einer türkischen Großfamilie aufgewachsen seien, müssten sie mit der türkischen Sprache vertraut sein. Andererseits gebe es auch keine Hinweise, dass die Kinder auf eine dauernde Anwesenheit der Klägerin in Deutschland angewiesen seien. Während ihrer Inhaftierung und Drogentherapie hätten sie nämlich nicht zusammengelebt. Vielmehr seien sie von Schwester bzw. Mutter der Klägerin aufgezogen worden. Auch während des unerlaubten Aufenthalts in der Schweiz seien die Kinder bei Verwandten zurückgelassen worden. Am 24.7.2006 habe die Klägerin noch erklärt, sie wolle nicht nach Singen zu ihren Kindern umverteilt werden, sondern im Raum Villingen-Schwenningen bleiben.
15 
Die Klägerin hat am 23.8.2006 Klage erhoben. Sie wiederholt ihren Vortrag zur formellen und materiellen Rechtswidrigkeit der Ausweisung und weist ergänzend darauf hin, gerade durch die Aufrechterhaltung der Ausweisung werde es ihr äußerst schwer gemacht, sich hier zur resozialisieren. Ohne Aufenthaltstitel und nur mit einer Duldung sei sie als Alleinerziehende mit zwei Kindern ungeheuer belastet. Das RP Freiburg verkenne gerade auch die assoziationsrechtlichen Maßgaben, wonach die Begünstigten nur aufgrund einer Ermessensentscheidung ausgewiesen werden dürften und ein deutliches Überwiegen öffentlicher Interessen zu verlangen sei. Betrachte man die Tatsache, dass bislang sieben Jahre vom Vollzug der Ausweisung abgesehen worden sei, und dass sie, die Klägerin, für zwei hier im Bundesgebiet geborene und aufgewachsene Kinder das alleinige Sorgerecht habe, so überwögen jedoch die privaten Interesse deutlich. Ferner würden die Rechte aus Art. 6 GG und Art. 8 EMRK verletzt, weil die beiden Kinder keinerlei Bezug zur Türkei hätten und einen Trennung unverhältnismäßig sei. Schließlich stelle auch die erfolgte Befristungsentscheidung aufgrund der langen Dauer eine unzumutbare Beeinträchtigung dar.
16 
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
17 
den Bescheid des RP Freiburg vom 4.8.2006 aufzuheben und das beklagte Land - RP Freiburg - zu verpflichten die unter dem 8.10.1999 verfügte Ausweisung aufzuheben;
 
18 
hilfsweise unter Aufhebung der Ziff. 2 des Bescheids des RP Freiburg vom 4.8.2006 das beklagte Land - RP Freiburg - zu verpflichten die Sperrwirkung der Ausweisung vom 8.10.1999 mit sofortiger Wirkung zu befristen.
19 
Das beklagte Land beantragt,
20 
die Klage abzuweisen.
21 
Es bezieht sich auf die angefochtene Entscheidung und fügt ergänzend hinzu, selbst wenn man die Anwendbarkeit der Richtlinie 2004/38/EG vom 29.4.2004 auf Assoziationsbegünstigte bejahe, so sei sie auf die Ausweisung der Klägerin mangels Rückwirkung nicht anzuwenden. Für geänderte materielle Anforderungen stelle folglich das Befristungsverfahren eine vorrangige Spezialregelung dar. Laut Mitteilung des Polizeipräsidiums Stuttgart vom 12.6.2007 sei derzeit ein Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin wegen Wechselfallenschwindels anhängig.
22 
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie den Akteninhalt (6 Hefte des RP Freiburg, ein Heft Gerichtsakten der erledigten Untätigkeitsklage 1 K 1026/06) Bezug genommen. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

 
23 
I. Der zulässige Hauptantrag, der auf eine Aufhebung der bestandskräftigen Ausweisung zielt (vgl. dazu, dass die Wirkungen von Ausweisungen, die vor diesem Zeitpunkt gegenüber nach dem ARB 1/80 privilegierten türkischen Staatsangehörigen verfügt und bestandskräftig geworden sind, mit dem Inkrafttreten des AufenthG am 1.1.2005 nicht entfallen sind: VGH Bad.-Württ., Urt. v. 24.1.2007 - 13 S 451/06 - InfAuslR 2007, 182; Beschl. v. 13.4.2006 - 1 S 734/06 - VENSA), ist unbegründet. Die Ziff. 1 der Entscheidung des RP Freiburg vom 4.8.2006 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).
24 
Einen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens im engeren Sinne gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG sowie eine daran anschließende (positive) Sachentscheidung (zur Verfahrens- und Entscheidungsstruktur im Rahmen des § 51 LVwVfG vgl. für die bundesrechtliche Regelung: Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Auflage 2001, § 51 Rnrn. 22 ff.: eigenständige Neubescheidung ohne Bezug zu §§ 48, 49 VwVfG) hat das RP Freiburg zu Recht abgelehnt. Die geltend gemachte Änderung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stellt keine neue Rechtslage dar. Wegen Einzelheiten kann insoweit auf den Beschluss des VGH Baden-Württemberg vom 29.3.2007 (11 S 2147/06 dort Entsch.-Seiten 5/6) im Beschwerdeverfahren, welches das PKH-Begehren der Klägerin im erledigten Verfahren 1 K 1026/06 betraf, Bezug genommen werden.
25 
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Rücknahme oder Widerruf der Ausweisung. Wie sich aus § 51 Abs. 5 LVwVfG ergibt, sind die Verfahren nach § 51 Abs. 1 bis 4 LVwVfG (sog. Wiederaufgreifen im engeren Sinne) und diejenigen der Rücknahme und des Widerrufs - sog. Wiederaufgreifen im weiteren Sinne - nicht identisch. § 51 Abs. 5 LVwVfG stellt - in Entsprechung zur bundesrechtlichen Rechtslage - klar, dass mit der Schaffung des § 51 Abs. 1 LVwVfG nichts daran geändert wird, dass auf Antrag des Betroffenen eine Ermessensentscheidung auf der Grundlage der §§ 48, 49 LVwVfG zu ergehen hat (vgl. zu §§ 51, 48, 49 VwVfG: Sachs, a.a.O., Rnr. 141 f.). Soweit dem RP Freiburg (zu dessen Zuständigkeit vgl. §§ 48 Abs. 5, 49 Abs. 5 LVwVfG i.V.m. § 12 Abs. 3 AAZuVO) folglich ein Ermessensspielraum bei der Frage der erneuten Überprüfung und Aufhebung der bestandskräftigen Ausweisung blieb, hat es in seinem Bescheid rechtsfehlerfrei entschieden, die Ausweisung nicht aufzuheben. Mit Blick auf einen Widerruf gemäß § 49 LVwVfG folgt dies bereits daraus, dass dieser spezialgesetzlich durch das Institut der Befristung i. S. v. § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG jedenfalls insoweit ausgeschlossen ist, als es um für den Fortbestand des Ausweisungszwecks erhebliche Sachverhaltsänderungen geht. Im übrigen ist nur die Rücknahme einschlägig, weil es sich bei der Ausweisung um einen (siehe sogleich) rechtswidrigen Verwaltungsakt handelt, für den § 49 LVwVfG nicht gilt.
26 
Eine Rücknahme hat das RP Freiburg rechtsfehlerfrei abgelehnt. Zutreffend ist die Behörde davon ausgegangen, dass grundsätzlich gemäß § 48 Abs. 1 LVwVfG in die Überprüfung, ob eine Rücknahme stattfinden soll, einzutreten war. Die Ausweisung vom 8.10.1999 ist nämlich rechtswidrig gewesen, weil der Klägerin eine assoziationsrechtliche Rechtsposition gemäß Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 zustand. Sie war 1973 zusammen mit ihren Eltern eingereist und hatte ihre erste Aufenthaltserlaubnis am 24.4.1984 zum Zweck der Familienzusammenführung, d.h. zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft mit einem dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehörenden türkischen Arbeitnehmer, ihren Eltern, erhalten. Mit diesen hatte sie auch die erforderliche Dauer von mindestens drei bzw. fünf Jahren - konkret bis zum 5.7.1984, als sie zu ihrem türkischen Ehemann nach Tuttlingen zog - zusammengelebt (vgl. zur Geltung des Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 entsprechend für ein Kind, das im Mitgliedstaat geboren ist und stets dort gewohnt hat: EuGH, Urt. v. 11.11.2004 - C-467/02 - [Cetinkaya] - NVwZ 2005, 198). Ihre Volljährigkeit im Zeitpunkt der Ausweisung änderte an der unmittelbar aus dem ARB 1/80 folgenden Rechtsposition ebenso wenig etwas, wie die ab 4.8.1998 erfolgte Verbüßung von U-Haft bzw. später Strafhaft im Zusammenhang mit dem Urteil des LG Konstanz vom 12.8.1999 (zu diesen Einzelheiten des Aufenthaltsrechts nach Art. 7 ARB 1/80 vgl. EuGH, Urt. v. 7.7.2005 - C-373/03 [Aydinli] - InfAuslR 2005,352; ferner EuGH, Urt. v. 16.1.2006 - C-502/04 [Torun] - InfAuslR 2006, 209). Ihre Ausweisung hätte folglich nicht, wie vom RP Freiburg damals verfügt, nach den Regelungen über die Ist-Ausweisung sondern nur nach denjenigen über die - in der Ausweisungsverfügung auch nicht hilfsweise herangezogene - Ermessensausweisung erfolgen dürfen (grundlegend: BVerwG, Urt. v. 13.9.2005 - 1 C 7/04 - BVerwGE 124, 217 = InfAuslR 2006, 110). Ferner wäre, woran es jedoch ebenfalls fehlte, formell-rechtlich zuvor eine zweite Stelle i.S.v. Art. 9 Abs. 1 RiL 64/221/EWG zu beteiligen gewesen (vgl. hierzu ebenfalls BVerwG, Urt. v. 13.9.2005, a.a.O.). Ein „dringender Fall“ i.S. der vorgenannten Vorschrift lag nicht vor, weil sich auf Grund der Strafhaft der Klägerin bzw. ihrer Drogentherapie eine von ihr ausgehende Gefahr nicht vor Abschluss eines gerichtlichen Hauptsacheverfahrens realisiert hätte und auch sonst eine Verzögerung der Ausweisungsentscheidung durch die Einschaltung einer zweiten Stelle hinnehmbar gewesen wäre (zum letztgenannten Gesichtspunkt vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 29.6.2006 - 11 S 2299/05 - VENSA).
27 
Hiervon ausgehend hat das RP Freiburg jedoch gleichwohl eine Rücknahme ablehnen dürfen und sein Ermessen insoweit rechtsfehlerfrei erkannt bzw. betätigt (zum gerichtlichen Prüfungsmaßstab vgl. § 114 VwGO).
28 
Umstände, nach denen sich das der Behörde von § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG eingeräumte Ermessen dahin verdichtet hätte, dass nur die Rücknahme des Bescheides ermessensfehlerfrei wäre, liegen nicht vor. Bei der Ausübung des Rücknahmeermessens ist in Rechnung zu stellen, dass dem Grundsatz der materiellen Gerechtigkeit prinzipiell kein größeres Gewicht zukommt als dem Grundsatz der Rechtssicherheit, sofern dem anzuwendenden Recht nicht ausnahmsweise eine andere Wertung zu entnehmen ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts besteht mit Blick auf das Gebot der materiellen Gerechtigkeit ausnahmsweise dann ein Anspruch auf Rücknahme eines bestandskräftigen Verwaltungsakts, wenn dessen Aufrechterhaltung „schlechthin unerträglich" ist, was von den Umständen des Einzelfalles und einer Gewichtung der einschlägigen Gesichtspunkte abhängt. Allein die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts begründet keinen Anspruch auf Rücknahme, da der Rechtsverstoß lediglich die Voraussetzung einer Ermessensentscheidung der Behörde ist. Das Festhalten an dem Verwaltungsakt ist insbesondere dann „schlechthin unerträglich", wenn die Behörde durch unterschiedliche Ausübung der Rücknahmebefugnis in gleichen oder ähnlich gelagerten Fällen gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstößt oder wenn Umstände gegeben sind, die die Berufung der Behörde auf die Unanfechtbarkeit als einen Verstoß gegen die guten Sitten oder Treu und Glauben erscheinen lassen. Die offensichtliche Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, dessen Rücknahme begehrt wird, kann ebenfalls die Annahme rechtfertigen, seine Aufrechterhaltung sei schlechthin unerträglich. Ferner kann in dem einschlägigen Fachrecht eine bestimmte Richtung der zu treffenden Entscheidung in der Weise vorgegeben sein, dass das Ermessen im Regelfall nur durch die Entscheidung für die Rücknahme des Verwaltungsakts rechtmäßig ausgeübt werden kann, so dass sich das Ermessen in diesem Sinne als intendiert erweist (vgl. zusammenfassend: BVerwG, Urteil v. 17.1.2007 - 6 C 32.06 - Juris).
29 
Umstände, die das Ermessen hin auf eine Rücknahme reduziert hätten oder die das RP Freiburg sonst - im Rahmen eines verbleibenden Spielraums - fehlerhaft unberücksichtigt gelassen oder falsch gewichtet hätte, liegen hier nicht vor. Von einer offensichtlichen Europa- bzw. Assoziationsrechtswidrigkeit kann angesichts des Zeitpunkts der Ausweisungsentscheidung im Jahr 1999 - über 5 Jahre vor Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung - nicht ausgegangen werden (vgl. in diesem Sinne sogar noch für eine unter dem 5.9.2005 verfügte Ausweisung durch das RP Freiburg: VG Freiburg, Urt. v. 28.3.2007 - 1 K 505/06). Ein Festhalten an der Ausweisung stellt auch keinen Verstoß gegen das gemeinschaftsrechtliche Effizienzgebot dar. Denn die Klägerin hat es durch die Zurücknahme ihrer damaligen Klage versäumt, die Ausweisung einer gerichtlichen Überprüfung auf eine Vereinbarkeit mit Gemeinschafts-/Assoziationsrecht zuzuführen. Wie der EuGH im Urteil vom 19.9.2006 (C-392/04 und C-422/04 [I 21] - InfAuslR 2006, 439) ausgeführt hat, verlangt das Gemeinschaftsrecht nicht, dass eine Verwaltungsbehörde grundsätzlich verpflichtet ist, eine Verwaltungsentscheidung zurückzunehmen, die nach Ablauf angemessener Fristen oder durch Erschöpfung des Rechtswegs bestandskräftig geworden ist. Durch die Beachtung dieses Grundsatzes lässt sich verhindern, dass Handlungen der Verwaltung, die Rechtswirkungen entfalten, unbegrenzt in Frage gestellt werden können. Nur in bestimmten Fällen kann jedoch eine Schranke für diesen Grundsatz bestehen, nämlich wenn vier Voraussetzungen erfüllt sind. Erstens, die Behörde ist nach nationalem Recht befugt, diese Entscheidung zurückzunehmen. Zweitens, die Entscheidung ist infolge eines Urteils eines in letzter Instanz entscheidenden nationalen Gerichts bestandskräftig geworden. Drittens, das Urteil beruht, wie eine nach seinem Erlass ergangene Entscheidung des Gerichtshofes zeigt, auf einer unrichtigen Auslegung des Gemeinschaftsrechts, die erfolgt ist, ohne dass der Gerichtshof um Vorabentscheidung ersucht wurde, obwohl der Tatbestand des Artikels 234 Absatz 3 EG erfüllt war. Viertens, der Betroffene hat sich, unmittelbar nachdem er Kenntnis von der besagten Entscheidung des Gerichtshofes erlangt hat, an die Verwaltungsbehörde gewandt. Maßgeblich ist also, dass der Betroffene sämtliche ihm zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe ausgeschöpft hat. Diese auf Assoziationsbegünstigte zu übertragenden Ausnahmevoraussetzungen liegen jedoch im Fall der Klägerin nicht vor (in diesem Sinne bereits konkret für den Fall der Klägerin auch VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 29.3.2007, a.a.O.).
30 
Zutreffend hat das RP Freiburg schließlich eine Abwägung von öffentlichen Belangen (Rechtssicherheit) und privatem Interesse (materielle Gerechtigkeit) auch unter dem Gesichtspunkt der Frage nach „schlechthin unerträglichen“ Auswirkungen für die Klägerin vorgenommen. Die Ausländerbehörde hat zutreffend darauf hingewiesen, dass gerade angesichts der den Ausweisungsanlass im Jahr 1999 bildenden Betäubungsmittelstraftaten eine konkrete Wiederholungsgefahr von der Klägerin ausging, die im damaligen Ausweisungszeitpunkt auch eine Ermessenausweisung in Betracht kommen lassen konnte (zu diesem Prüfungsgesichtspunkt und seiner Zulässigkeit im Rahmen des Rücknahmeermessens: Hamb. OVG, Beschl. v. 14.12.2005 - 3 Bs 79/05 - InfAuslR 2006, 305; OVG Niedersachsen, Beschluss v. 30.5.2006 - 11 LA 147/05 - NVwZ 2006, 1302). Nach ständiger Rechtsprechung ist die Ausweisung eines assoziationsbegünstigten Türken nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 zulässig, wenn die hinreichend konkrete Wahrscheinlichkeit erneuter Straftaten im Rahmen der Betäubungsmittelkriminalität steht. Der Handel mit und die Verwendung von gefährlichen Betäubungsmitteln - allen voran Heroin - stellt nämlich sowohl einen schweren Ausweisungsanlass i.S.d. nationalrechtlichen besonderen Ausweisungsschutzvorschriften (vgl. § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG) als auch einen EU-/assoziationsrechtlich relevanten Verstoß gegen Grundinteressen der Gesellschaft dar (vgl. etwa VGH Bad.-Württ., Urt. v. 10.9.2003 - 11 S 973/03 - VENSA, mit zahlreichen Nachweisen aus der Rspr. des BVerwG und des EuGH).
31 
Eine schlechthin unerträgliche Wirkung hat die Aufrechterhaltung der Ausweisung auch nicht vor dem Hintergrund des Art. 8 EMRK. Allerdings kann die Verhältnismäßigkeit einer Ausweisung im Fall des unwiederbringlichen Verlusts für das Privatleben konstitutiver Beziehungen nicht durch eine Befristung ihrer Wirkungen erreicht werden, so etwa, wenn das Aufenthaltsrecht nach dem Wegfall der Bindungen an das Bundesgebiet eine Wiedereinreise grundsätzlich nicht vorsieht, und der spätere (im Wege der Befristung der Sperrwirkungen eintretende) Wegfall des Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG daher ohne praktische Wirkung bleibt (BVerfG, Beschl. v. 10.5.2007 - 2 BvR 304/07 - soweit ersichtlich nur veröffentlicht auf der Internethomepage des Gerichts unter Entscheidungen > Rubrik Mai 2007 > Datum 10.5.; weniger streng: VGH Bad.-Württ., Urt. v. 13.6.2000 - 13 S 1378/98 - VBlBW 2001, 23 , der darauf abstellt, bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 30 Abs. 5 AuslG [jetzt § 25 Abs. 5 AufenthG] könne auch auf eine vorherige Ausreise des Ausländers verzichtet werden). Im Fall der Klägerin existiert jedoch eine bestandskräftige Ausweisung, die im Jahr 1999 auch nach Ermessen hätte ernsthaft in Betracht kommen können. Die Aufrechterhaltung dieser Ausweisung bedeutet zwar, dass damit endgültig der Verlust ihres Aufenthaltsrechts nach Art. 7 ARB 1/80 feststeht (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG). Dies hat ferner zur Folge, dass nach dem Ende der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 1 AufenthG sich ein türkischer Staatsangehöriger nicht (mehr) auf ein Aufenthaltsrecht aus dem ARB 1/80 berufen kann, also einem (normalem) türkischen Staatsangehörigen gleichgestellt ist, der in das Bundesgebiet einreisen will (Armbruster, in: HTK-AuslR / ARB 1/80 / Art. 14 05/2007 Nr. 2 und Nr. 9). Da sich die Klägerin jedoch wirksam und effektiv im Rahmen des Befristungsanspruchs nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG darauf berufen kann, eine Aufenthaltsbeendigung verstoße gegen Art. 8 EMRK (dazu sogleich unter II.), wird sie im Ergebnis durch eine Aufrechterhaltung der früheren Ausweisung nicht unerträglich belastet.
32 
II. Erfolgreich ist hingegen der zulässige Hilfsantrag der Klägerin. Seine Auslegung (§ 88 VwGO) anhand des maßgeblichen Anwaltsschriftsatzes vom 4.7.2007 ergibt, dass die Klägerin die Gründe, die eine Unerträglichkeit der Aufrechterhaltung ihrer Ausweisung darstellen, hilfsweise auch der Befristungsentscheidung entgegenhalten will. Damit macht sie aber im Ergebnis einen Anspruch auf Befristung mit sofortiger Wirkung geltend. Dieses Begehren hat in der Sache auch Erfolg. Ziffer 2 des RP-Bescheids ist nämlich rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, weil sie einen Anspruch auf sofortige Beseitigung der Sperrwirkung - mithin eine Befristung auf Null - hat (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
33 
Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG werden die in den vorangehenden Sätzen 1 und 2 bezeichneten (Sperr-)Wirkungen der Ausweisung auf Antrag in der Regel befristet. Diese Regelung ist eine wichtige Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und stellt als solche einen bedeutsamen Baustein im abgestuften Regelungsgefüge des deutschen Ausländerrechts zur Aufenthaltsbeendigung dar. Sie hat unmittelbar drittschützende Wirkung dahingehend, dass der Ausländer bei Vorliegen eines Regelfalles einen Anspruch auf Befristung überhaupt sowie einen Anspruch auf fehlerfreie Ausübung des der Ausländerbehörde hinsichtlich der Fristdauer eingeräumten Ermessens hat, der sich bei der Ermessensreduzierung „auf Null“ auf eine bestimmte Fristdauer/-modalität verengen kann. Für die bei der Fristbemessung maßgeblichen Grundsätze gilt, dass sie am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und am ordnungsrechtlichen Zweck - hier Spezialprävention - der zu befristenden Maßnahme zu orientieren ist. Bei der Prognose, ob bzw. wie lange der ordnungsrechtliche Zweck die Sperrwirkung weiterhin erfordert, sind alle - vor allem auch nachträglich eintretende - Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, soweit sie geltend gemacht (§ 82 AufenthG) oder sonst für die Behörde erkennbar sind. Schließlich sind - sei es als Element der eigentlichen Prognoseentscheidung selbst oder aber als selbstständiges fristverkürzendes Element - die aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen höherrangigen Rechts, vornehmlich die Wertentscheidungen des Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 und 2 EMRK sowie der im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) verankerte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten (vgl. grundlegend und mit zahlr. Nachweisen zur identischen Vorgängervorschrift des § 8 Abs. 2 Satz 3 AuslG: VGH Bad.-Württ., Urt. v. 26.3.2003 - 11 S 59/03 - InfAuslR 2003, 334). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage des mit der Verpflichtungsklage geltend gemachten Anspruchs auf Befristung der Wirkungen der Ausweisungsverfügung ist dabei der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. - wenn die Entscheidung, wie hier, ohne mündliche Verhandlung ergeht - der Zeitpunkt, in dem die Entscheidung gefällt wird (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 29.1.1997 - 11 S 2142/96 - InfAuslR 1997, 158; Armbruster, in HTK-AuslR, § 11 AufenthG / zu Abs. 1 Satz 3, 5 und 6 > Nr. 9 Rechtsschutz > Nr. 4).
34 
Vorliegend kommt der Schutz des Art. 8 EMRK der Klägerin zugute. Im Rahmen der Befristung der Ausweisung ist zwingend sicherzustellen, dass unzumutbare Auswirkungen, die eine Rückkehr in die Türkei für sie hätte, unterbleiben. Dies aber kann - mit der Folge einer Ermessensreduktion auf Null - nur dadurch geschehen, dass die Sperrwirkung sofort, d.h. noch während der Anwesenheit der Klägerin in Deutschland wegfällt. Sowohl die Klägerin als Migrantin der zweiten Generation als auch ihre beiden Kinder Sibel (17 Jahre alt - sie wird am 17.12.2007 18 Jahre) und Ali-Erdal (10 Jahre alt - er wird am 8.12.2007 11 Jahre) - sie sind Migranten der dritten Generation - können sich auf den Schutz des Familienlebens nach Art. 8 Abs. 1 EMRK berufen. Die mit einer längeren Befristung - und sei es auch nur von wenigen Monaten - verbundene Folge einer Rückkehr der Klägerin in Türkei hätte mehrfache, erheblich nachteilige Folgen, die diesen Eingriff im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK in einer demokratischen Gesellschaft nicht als notwendig bzw. nicht als zumutbar darstellen.
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An der Existenz und Schutzwürdigkeit eines Familienlebens kann kein Zweifel bestehen. Die beiden minderjährigen Kinder haben zwar eine nicht ganz unbeträchtliche Zeit bei Großmutter und Tante gelebt, das erfolgte erkennbar jedoch vor dem Hintergrund, dass sie für den Fall einer Abschiebung der Klägerin in die Türkei hier bleiben und versorgt sein sollten. Von Februar 2004 bis Mai 2006 hatte die Klägerin zwar das Sorgerecht für ihre beiden jüngsten Kinder auf ihre Mutter übertragen lassen. Seither besitzt sie es jedoch wieder und lebt auch mit den Kindern zusammen. Der Hinweis des RP Freiburg, die Klägerin habe am 24.7.2006 erklärt, keine Umverteilung zu ihren Kindern nach Singen zu wollen, geht von falschen Voraussetzungen aus. Zu keiner Zeit konnte dem entnommen werden, dass die Klägerin nicht mit ihren Kindern zusammenleben wollen. Vielmehr war diese Erklärung so gemeint, dass sie zwar in Villingen-Schwenningen bleiben, jedoch dort zusammen mit den Kindern wohnen wollte. Das wird auch dadurch bestätigt, dass die Klägerin mittlerweile mit ihren beiden minderjährigen Kindern sowie ihrem erwachsenen Sohn aus der ersten Ehe dort eine neue Wohnung bezogen hat.
36 
Eine Rückkehr der Klägerin in die Türkei würde entweder einen unzumutbaren Zwang auf die minderjährigen Kinder ausüben, ihr zu folgen, oder aber eine unzumutbare Trennung nach sich ziehen. Es ist davon auszugehen, dass Sibel und Ali-Erdal dauerhaft in Deutschland bleiben dürfen. Dies folgt entweder daraus, dass sie ihrerseits gemäß Art. 7 ARB 1/80 assoziationsbegünstigt begünstigt sind, oder jedenfalls daraus, dass ihnen i.V.m. Art. 8 Abs. 1 EMRK und den Vorschriften über die Aufenthaltserlaubnis ein nationales Recht zusteht. Die beiden Kinder sind nämlich hier geboren und haben Zeit ihres Lebens - das sind im heutigen Entscheidungszeitpunkt über 17 bzw. über 10 Jahre - in diesem Land und seinem kulturellen sprachlichen Umfeld gelebt und sind hier bislang zur Schule gegangen. Unabhängig davon, ob sie die türkische Sprache zumindest in Grundzügen beherrschen mögen, haben sie sonst offensichtlich keine Bindungen zur Türkei - alle nahen Familienangehörigen leben offensichtlich ebenfalls in Deutschland -, sodass ihnen als faktischen Inländern eine Rückkehr dorthin bzw. ein Leben dort unzumutbar wäre. Eine Trennung von ihrer Mutter wäre ihnen nicht zuzumuten. Sie können nicht darauf verwiesen werden, andere Verwandte - so wie in der Vergangenheit Großmutter und Tante - seien zur Betreuung fähig bzw. bereit. Sowohl der Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG als auch derjenige des Art. 8 EMRK beinhaltet nämlich auch die Befugnis zu entscheiden, welche Personen miteinander in Beistandsgemeinschaft leben wollen.
37 
Das Gericht ist schließlich auch davon überzeugt, dass die Kinder weder zusammen mit ihrer Mutter noch dass diese allein auch nur vorübergehend in der Türkei derart Fuß fassen könnten, dass eine reale Existenzmöglichkeit dort bestünde. Die Kinder sind für die Existenzsicherung auf die Mutter angewiesen. Die Klägerin jedoch ist, das darf trotz ihrer erheblichen Strafbarkeit nicht verkannt werden, krank, weil heroinsüchtig. Sie hat trotz zweier umfangreicher Therapien immer wieder einen Rückfall erlitten. Zwar muss (vgl. § 42 AsylvfG) auf Grund der unanfechtbaren Asylentscheidung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 20.7.2000 davon ausgegangen werden, dass die Heroinsucht der Klägerin in der Türkei im Fall einer Rückkehr behandelt werden kann. Im übrigen hätte wohl auch in der Sache nach nichts für ein Abschiebungshindernis gesprochen (vgl. etwa VGH Bad.-Württ., Urt. v. 24.2.2003 - A 12 S 939/02 - VENSA sowie VG Freiburg, Urt. v. 21.11.2003 - 1 K 205/02 - VENSA). Die negativen Auswirkungen auf die Familie sowie die mit dem Zwang zu einer auch nur vorübergehenden Integration in der Türkei einhergehende Überlastung der persönlichen und sozialen Kräfte der Klägerin sind damit jedoch nicht bindend verneint worden. Maßnahmen aber, die Familienmitglieder an einem Zusammenleben hindern bzw. auseinanderreißen, stellen einen sehr schwerwiegenden Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Recht dar (EGMR, Urt. v. 31.1.2006 - 50252/99 [Sezen] - InfAuslR 2006, 255). Das gilt umso mehr hier, wo die Klägerin und ihre Kinder sich in einer zweifellos problematischen Lebenssituation befinden, und gerade deshalb besonders aufeinander angewiesen sind, um ein Mindestmaß an Stabilität zu gewährleisten. Ausgehend von einem Aufenthaltsrecht der Kinder wird auch die Klägerin wieder einen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis geltend machen können. Insoweit liegt nämlich eine außergewöhnliche Härte i.S.v. § 36 AufenthG vor.
38 
Der Gesichtspunkt einer von der Klägerin angesichts späterer einschlägiger Betäubungsmittelstraftaten auch im heutigen Zeitpunkt ausgehenden Wiederholungsgefahr muss vor diesem gesamten Hintergrund zurücktreten. Begreift man, wie oben dargelegt, ihre gesamte persönliche und auch familiäre Situation als äußerst problematisch, so mag sogar zu ihren Gunsten berücksichtigt werden, dass die zuletzt erfolgte Verurteilung vom 30.9.2004 durch das Amtsgericht Villingen-Schwenningen eine Aussetzung der Strafvollstreckung zur Bewährung aussprach. Wenngleich ein solcher Umstand zwar tatsächliches Gewicht hat, gleichwohl aber im ordnungsrechtlichen Kontext nicht ausländerrechtliche Maßnahmen der Spezialprävention verhindern muss, so ist doch zu beachten, dass offensichtlich auch das Strafgericht der Möglichkeit einer Resozialisierung der Klägerin für ihre Person eine besonders wichtige Bedeutung zugemessen hat.
39 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO; das Gericht hat keinen Anlass, sie für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 167 Abs. 2 VwGO). Gründe für eine Zulassung der Berufung liegen nicht vor, weshalb hinsichtlich der Anfechtbarkeit dieses Urteils folgendes gilt: (Rechtsmittelbelehrung).

Gründe

 
23 
I. Der zulässige Hauptantrag, der auf eine Aufhebung der bestandskräftigen Ausweisung zielt (vgl. dazu, dass die Wirkungen von Ausweisungen, die vor diesem Zeitpunkt gegenüber nach dem ARB 1/80 privilegierten türkischen Staatsangehörigen verfügt und bestandskräftig geworden sind, mit dem Inkrafttreten des AufenthG am 1.1.2005 nicht entfallen sind: VGH Bad.-Württ., Urt. v. 24.1.2007 - 13 S 451/06 - InfAuslR 2007, 182; Beschl. v. 13.4.2006 - 1 S 734/06 - VENSA), ist unbegründet. Die Ziff. 1 der Entscheidung des RP Freiburg vom 4.8.2006 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).
24 
Einen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens im engeren Sinne gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG sowie eine daran anschließende (positive) Sachentscheidung (zur Verfahrens- und Entscheidungsstruktur im Rahmen des § 51 LVwVfG vgl. für die bundesrechtliche Regelung: Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Auflage 2001, § 51 Rnrn. 22 ff.: eigenständige Neubescheidung ohne Bezug zu §§ 48, 49 VwVfG) hat das RP Freiburg zu Recht abgelehnt. Die geltend gemachte Änderung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stellt keine neue Rechtslage dar. Wegen Einzelheiten kann insoweit auf den Beschluss des VGH Baden-Württemberg vom 29.3.2007 (11 S 2147/06 dort Entsch.-Seiten 5/6) im Beschwerdeverfahren, welches das PKH-Begehren der Klägerin im erledigten Verfahren 1 K 1026/06 betraf, Bezug genommen werden.
25 
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Rücknahme oder Widerruf der Ausweisung. Wie sich aus § 51 Abs. 5 LVwVfG ergibt, sind die Verfahren nach § 51 Abs. 1 bis 4 LVwVfG (sog. Wiederaufgreifen im engeren Sinne) und diejenigen der Rücknahme und des Widerrufs - sog. Wiederaufgreifen im weiteren Sinne - nicht identisch. § 51 Abs. 5 LVwVfG stellt - in Entsprechung zur bundesrechtlichen Rechtslage - klar, dass mit der Schaffung des § 51 Abs. 1 LVwVfG nichts daran geändert wird, dass auf Antrag des Betroffenen eine Ermessensentscheidung auf der Grundlage der §§ 48, 49 LVwVfG zu ergehen hat (vgl. zu §§ 51, 48, 49 VwVfG: Sachs, a.a.O., Rnr. 141 f.). Soweit dem RP Freiburg (zu dessen Zuständigkeit vgl. §§ 48 Abs. 5, 49 Abs. 5 LVwVfG i.V.m. § 12 Abs. 3 AAZuVO) folglich ein Ermessensspielraum bei der Frage der erneuten Überprüfung und Aufhebung der bestandskräftigen Ausweisung blieb, hat es in seinem Bescheid rechtsfehlerfrei entschieden, die Ausweisung nicht aufzuheben. Mit Blick auf einen Widerruf gemäß § 49 LVwVfG folgt dies bereits daraus, dass dieser spezialgesetzlich durch das Institut der Befristung i. S. v. § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG jedenfalls insoweit ausgeschlossen ist, als es um für den Fortbestand des Ausweisungszwecks erhebliche Sachverhaltsänderungen geht. Im übrigen ist nur die Rücknahme einschlägig, weil es sich bei der Ausweisung um einen (siehe sogleich) rechtswidrigen Verwaltungsakt handelt, für den § 49 LVwVfG nicht gilt.
26 
Eine Rücknahme hat das RP Freiburg rechtsfehlerfrei abgelehnt. Zutreffend ist die Behörde davon ausgegangen, dass grundsätzlich gemäß § 48 Abs. 1 LVwVfG in die Überprüfung, ob eine Rücknahme stattfinden soll, einzutreten war. Die Ausweisung vom 8.10.1999 ist nämlich rechtswidrig gewesen, weil der Klägerin eine assoziationsrechtliche Rechtsposition gemäß Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 zustand. Sie war 1973 zusammen mit ihren Eltern eingereist und hatte ihre erste Aufenthaltserlaubnis am 24.4.1984 zum Zweck der Familienzusammenführung, d.h. zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft mit einem dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehörenden türkischen Arbeitnehmer, ihren Eltern, erhalten. Mit diesen hatte sie auch die erforderliche Dauer von mindestens drei bzw. fünf Jahren - konkret bis zum 5.7.1984, als sie zu ihrem türkischen Ehemann nach Tuttlingen zog - zusammengelebt (vgl. zur Geltung des Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 entsprechend für ein Kind, das im Mitgliedstaat geboren ist und stets dort gewohnt hat: EuGH, Urt. v. 11.11.2004 - C-467/02 - [Cetinkaya] - NVwZ 2005, 198). Ihre Volljährigkeit im Zeitpunkt der Ausweisung änderte an der unmittelbar aus dem ARB 1/80 folgenden Rechtsposition ebenso wenig etwas, wie die ab 4.8.1998 erfolgte Verbüßung von U-Haft bzw. später Strafhaft im Zusammenhang mit dem Urteil des LG Konstanz vom 12.8.1999 (zu diesen Einzelheiten des Aufenthaltsrechts nach Art. 7 ARB 1/80 vgl. EuGH, Urt. v. 7.7.2005 - C-373/03 [Aydinli] - InfAuslR 2005,352; ferner EuGH, Urt. v. 16.1.2006 - C-502/04 [Torun] - InfAuslR 2006, 209). Ihre Ausweisung hätte folglich nicht, wie vom RP Freiburg damals verfügt, nach den Regelungen über die Ist-Ausweisung sondern nur nach denjenigen über die - in der Ausweisungsverfügung auch nicht hilfsweise herangezogene - Ermessensausweisung erfolgen dürfen (grundlegend: BVerwG, Urt. v. 13.9.2005 - 1 C 7/04 - BVerwGE 124, 217 = InfAuslR 2006, 110). Ferner wäre, woran es jedoch ebenfalls fehlte, formell-rechtlich zuvor eine zweite Stelle i.S.v. Art. 9 Abs. 1 RiL 64/221/EWG zu beteiligen gewesen (vgl. hierzu ebenfalls BVerwG, Urt. v. 13.9.2005, a.a.O.). Ein „dringender Fall“ i.S. der vorgenannten Vorschrift lag nicht vor, weil sich auf Grund der Strafhaft der Klägerin bzw. ihrer Drogentherapie eine von ihr ausgehende Gefahr nicht vor Abschluss eines gerichtlichen Hauptsacheverfahrens realisiert hätte und auch sonst eine Verzögerung der Ausweisungsentscheidung durch die Einschaltung einer zweiten Stelle hinnehmbar gewesen wäre (zum letztgenannten Gesichtspunkt vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 29.6.2006 - 11 S 2299/05 - VENSA).
27 
Hiervon ausgehend hat das RP Freiburg jedoch gleichwohl eine Rücknahme ablehnen dürfen und sein Ermessen insoweit rechtsfehlerfrei erkannt bzw. betätigt (zum gerichtlichen Prüfungsmaßstab vgl. § 114 VwGO).
28 
Umstände, nach denen sich das der Behörde von § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG eingeräumte Ermessen dahin verdichtet hätte, dass nur die Rücknahme des Bescheides ermessensfehlerfrei wäre, liegen nicht vor. Bei der Ausübung des Rücknahmeermessens ist in Rechnung zu stellen, dass dem Grundsatz der materiellen Gerechtigkeit prinzipiell kein größeres Gewicht zukommt als dem Grundsatz der Rechtssicherheit, sofern dem anzuwendenden Recht nicht ausnahmsweise eine andere Wertung zu entnehmen ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts besteht mit Blick auf das Gebot der materiellen Gerechtigkeit ausnahmsweise dann ein Anspruch auf Rücknahme eines bestandskräftigen Verwaltungsakts, wenn dessen Aufrechterhaltung „schlechthin unerträglich" ist, was von den Umständen des Einzelfalles und einer Gewichtung der einschlägigen Gesichtspunkte abhängt. Allein die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts begründet keinen Anspruch auf Rücknahme, da der Rechtsverstoß lediglich die Voraussetzung einer Ermessensentscheidung der Behörde ist. Das Festhalten an dem Verwaltungsakt ist insbesondere dann „schlechthin unerträglich", wenn die Behörde durch unterschiedliche Ausübung der Rücknahmebefugnis in gleichen oder ähnlich gelagerten Fällen gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstößt oder wenn Umstände gegeben sind, die die Berufung der Behörde auf die Unanfechtbarkeit als einen Verstoß gegen die guten Sitten oder Treu und Glauben erscheinen lassen. Die offensichtliche Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, dessen Rücknahme begehrt wird, kann ebenfalls die Annahme rechtfertigen, seine Aufrechterhaltung sei schlechthin unerträglich. Ferner kann in dem einschlägigen Fachrecht eine bestimmte Richtung der zu treffenden Entscheidung in der Weise vorgegeben sein, dass das Ermessen im Regelfall nur durch die Entscheidung für die Rücknahme des Verwaltungsakts rechtmäßig ausgeübt werden kann, so dass sich das Ermessen in diesem Sinne als intendiert erweist (vgl. zusammenfassend: BVerwG, Urteil v. 17.1.2007 - 6 C 32.06 - Juris).
29 
Umstände, die das Ermessen hin auf eine Rücknahme reduziert hätten oder die das RP Freiburg sonst - im Rahmen eines verbleibenden Spielraums - fehlerhaft unberücksichtigt gelassen oder falsch gewichtet hätte, liegen hier nicht vor. Von einer offensichtlichen Europa- bzw. Assoziationsrechtswidrigkeit kann angesichts des Zeitpunkts der Ausweisungsentscheidung im Jahr 1999 - über 5 Jahre vor Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung - nicht ausgegangen werden (vgl. in diesem Sinne sogar noch für eine unter dem 5.9.2005 verfügte Ausweisung durch das RP Freiburg: VG Freiburg, Urt. v. 28.3.2007 - 1 K 505/06). Ein Festhalten an der Ausweisung stellt auch keinen Verstoß gegen das gemeinschaftsrechtliche Effizienzgebot dar. Denn die Klägerin hat es durch die Zurücknahme ihrer damaligen Klage versäumt, die Ausweisung einer gerichtlichen Überprüfung auf eine Vereinbarkeit mit Gemeinschafts-/Assoziationsrecht zuzuführen. Wie der EuGH im Urteil vom 19.9.2006 (C-392/04 und C-422/04 [I 21] - InfAuslR 2006, 439) ausgeführt hat, verlangt das Gemeinschaftsrecht nicht, dass eine Verwaltungsbehörde grundsätzlich verpflichtet ist, eine Verwaltungsentscheidung zurückzunehmen, die nach Ablauf angemessener Fristen oder durch Erschöpfung des Rechtswegs bestandskräftig geworden ist. Durch die Beachtung dieses Grundsatzes lässt sich verhindern, dass Handlungen der Verwaltung, die Rechtswirkungen entfalten, unbegrenzt in Frage gestellt werden können. Nur in bestimmten Fällen kann jedoch eine Schranke für diesen Grundsatz bestehen, nämlich wenn vier Voraussetzungen erfüllt sind. Erstens, die Behörde ist nach nationalem Recht befugt, diese Entscheidung zurückzunehmen. Zweitens, die Entscheidung ist infolge eines Urteils eines in letzter Instanz entscheidenden nationalen Gerichts bestandskräftig geworden. Drittens, das Urteil beruht, wie eine nach seinem Erlass ergangene Entscheidung des Gerichtshofes zeigt, auf einer unrichtigen Auslegung des Gemeinschaftsrechts, die erfolgt ist, ohne dass der Gerichtshof um Vorabentscheidung ersucht wurde, obwohl der Tatbestand des Artikels 234 Absatz 3 EG erfüllt war. Viertens, der Betroffene hat sich, unmittelbar nachdem er Kenntnis von der besagten Entscheidung des Gerichtshofes erlangt hat, an die Verwaltungsbehörde gewandt. Maßgeblich ist also, dass der Betroffene sämtliche ihm zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe ausgeschöpft hat. Diese auf Assoziationsbegünstigte zu übertragenden Ausnahmevoraussetzungen liegen jedoch im Fall der Klägerin nicht vor (in diesem Sinne bereits konkret für den Fall der Klägerin auch VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 29.3.2007, a.a.O.).
30 
Zutreffend hat das RP Freiburg schließlich eine Abwägung von öffentlichen Belangen (Rechtssicherheit) und privatem Interesse (materielle Gerechtigkeit) auch unter dem Gesichtspunkt der Frage nach „schlechthin unerträglichen“ Auswirkungen für die Klägerin vorgenommen. Die Ausländerbehörde hat zutreffend darauf hingewiesen, dass gerade angesichts der den Ausweisungsanlass im Jahr 1999 bildenden Betäubungsmittelstraftaten eine konkrete Wiederholungsgefahr von der Klägerin ausging, die im damaligen Ausweisungszeitpunkt auch eine Ermessenausweisung in Betracht kommen lassen konnte (zu diesem Prüfungsgesichtspunkt und seiner Zulässigkeit im Rahmen des Rücknahmeermessens: Hamb. OVG, Beschl. v. 14.12.2005 - 3 Bs 79/05 - InfAuslR 2006, 305; OVG Niedersachsen, Beschluss v. 30.5.2006 - 11 LA 147/05 - NVwZ 2006, 1302). Nach ständiger Rechtsprechung ist die Ausweisung eines assoziationsbegünstigten Türken nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 zulässig, wenn die hinreichend konkrete Wahrscheinlichkeit erneuter Straftaten im Rahmen der Betäubungsmittelkriminalität steht. Der Handel mit und die Verwendung von gefährlichen Betäubungsmitteln - allen voran Heroin - stellt nämlich sowohl einen schweren Ausweisungsanlass i.S.d. nationalrechtlichen besonderen Ausweisungsschutzvorschriften (vgl. § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG) als auch einen EU-/assoziationsrechtlich relevanten Verstoß gegen Grundinteressen der Gesellschaft dar (vgl. etwa VGH Bad.-Württ., Urt. v. 10.9.2003 - 11 S 973/03 - VENSA, mit zahlreichen Nachweisen aus der Rspr. des BVerwG und des EuGH).
31 
Eine schlechthin unerträgliche Wirkung hat die Aufrechterhaltung der Ausweisung auch nicht vor dem Hintergrund des Art. 8 EMRK. Allerdings kann die Verhältnismäßigkeit einer Ausweisung im Fall des unwiederbringlichen Verlusts für das Privatleben konstitutiver Beziehungen nicht durch eine Befristung ihrer Wirkungen erreicht werden, so etwa, wenn das Aufenthaltsrecht nach dem Wegfall der Bindungen an das Bundesgebiet eine Wiedereinreise grundsätzlich nicht vorsieht, und der spätere (im Wege der Befristung der Sperrwirkungen eintretende) Wegfall des Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG daher ohne praktische Wirkung bleibt (BVerfG, Beschl. v. 10.5.2007 - 2 BvR 304/07 - soweit ersichtlich nur veröffentlicht auf der Internethomepage des Gerichts unter Entscheidungen > Rubrik Mai 2007 > Datum 10.5.; weniger streng: VGH Bad.-Württ., Urt. v. 13.6.2000 - 13 S 1378/98 - VBlBW 2001, 23 , der darauf abstellt, bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 30 Abs. 5 AuslG [jetzt § 25 Abs. 5 AufenthG] könne auch auf eine vorherige Ausreise des Ausländers verzichtet werden). Im Fall der Klägerin existiert jedoch eine bestandskräftige Ausweisung, die im Jahr 1999 auch nach Ermessen hätte ernsthaft in Betracht kommen können. Die Aufrechterhaltung dieser Ausweisung bedeutet zwar, dass damit endgültig der Verlust ihres Aufenthaltsrechts nach Art. 7 ARB 1/80 feststeht (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG). Dies hat ferner zur Folge, dass nach dem Ende der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 1 AufenthG sich ein türkischer Staatsangehöriger nicht (mehr) auf ein Aufenthaltsrecht aus dem ARB 1/80 berufen kann, also einem (normalem) türkischen Staatsangehörigen gleichgestellt ist, der in das Bundesgebiet einreisen will (Armbruster, in: HTK-AuslR / ARB 1/80 / Art. 14 05/2007 Nr. 2 und Nr. 9). Da sich die Klägerin jedoch wirksam und effektiv im Rahmen des Befristungsanspruchs nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG darauf berufen kann, eine Aufenthaltsbeendigung verstoße gegen Art. 8 EMRK (dazu sogleich unter II.), wird sie im Ergebnis durch eine Aufrechterhaltung der früheren Ausweisung nicht unerträglich belastet.
32 
II. Erfolgreich ist hingegen der zulässige Hilfsantrag der Klägerin. Seine Auslegung (§ 88 VwGO) anhand des maßgeblichen Anwaltsschriftsatzes vom 4.7.2007 ergibt, dass die Klägerin die Gründe, die eine Unerträglichkeit der Aufrechterhaltung ihrer Ausweisung darstellen, hilfsweise auch der Befristungsentscheidung entgegenhalten will. Damit macht sie aber im Ergebnis einen Anspruch auf Befristung mit sofortiger Wirkung geltend. Dieses Begehren hat in der Sache auch Erfolg. Ziffer 2 des RP-Bescheids ist nämlich rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, weil sie einen Anspruch auf sofortige Beseitigung der Sperrwirkung - mithin eine Befristung auf Null - hat (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
33 
Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG werden die in den vorangehenden Sätzen 1 und 2 bezeichneten (Sperr-)Wirkungen der Ausweisung auf Antrag in der Regel befristet. Diese Regelung ist eine wichtige Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und stellt als solche einen bedeutsamen Baustein im abgestuften Regelungsgefüge des deutschen Ausländerrechts zur Aufenthaltsbeendigung dar. Sie hat unmittelbar drittschützende Wirkung dahingehend, dass der Ausländer bei Vorliegen eines Regelfalles einen Anspruch auf Befristung überhaupt sowie einen Anspruch auf fehlerfreie Ausübung des der Ausländerbehörde hinsichtlich der Fristdauer eingeräumten Ermessens hat, der sich bei der Ermessensreduzierung „auf Null“ auf eine bestimmte Fristdauer/-modalität verengen kann. Für die bei der Fristbemessung maßgeblichen Grundsätze gilt, dass sie am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und am ordnungsrechtlichen Zweck - hier Spezialprävention - der zu befristenden Maßnahme zu orientieren ist. Bei der Prognose, ob bzw. wie lange der ordnungsrechtliche Zweck die Sperrwirkung weiterhin erfordert, sind alle - vor allem auch nachträglich eintretende - Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, soweit sie geltend gemacht (§ 82 AufenthG) oder sonst für die Behörde erkennbar sind. Schließlich sind - sei es als Element der eigentlichen Prognoseentscheidung selbst oder aber als selbstständiges fristverkürzendes Element - die aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen höherrangigen Rechts, vornehmlich die Wertentscheidungen des Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 und 2 EMRK sowie der im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) verankerte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten (vgl. grundlegend und mit zahlr. Nachweisen zur identischen Vorgängervorschrift des § 8 Abs. 2 Satz 3 AuslG: VGH Bad.-Württ., Urt. v. 26.3.2003 - 11 S 59/03 - InfAuslR 2003, 334). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage des mit der Verpflichtungsklage geltend gemachten Anspruchs auf Befristung der Wirkungen der Ausweisungsverfügung ist dabei der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. - wenn die Entscheidung, wie hier, ohne mündliche Verhandlung ergeht - der Zeitpunkt, in dem die Entscheidung gefällt wird (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 29.1.1997 - 11 S 2142/96 - InfAuslR 1997, 158; Armbruster, in HTK-AuslR, § 11 AufenthG / zu Abs. 1 Satz 3, 5 und 6 > Nr. 9 Rechtsschutz > Nr. 4).
34 
Vorliegend kommt der Schutz des Art. 8 EMRK der Klägerin zugute. Im Rahmen der Befristung der Ausweisung ist zwingend sicherzustellen, dass unzumutbare Auswirkungen, die eine Rückkehr in die Türkei für sie hätte, unterbleiben. Dies aber kann - mit der Folge einer Ermessensreduktion auf Null - nur dadurch geschehen, dass die Sperrwirkung sofort, d.h. noch während der Anwesenheit der Klägerin in Deutschland wegfällt. Sowohl die Klägerin als Migrantin der zweiten Generation als auch ihre beiden Kinder Sibel (17 Jahre alt - sie wird am 17.12.2007 18 Jahre) und Ali-Erdal (10 Jahre alt - er wird am 8.12.2007 11 Jahre) - sie sind Migranten der dritten Generation - können sich auf den Schutz des Familienlebens nach Art. 8 Abs. 1 EMRK berufen. Die mit einer längeren Befristung - und sei es auch nur von wenigen Monaten - verbundene Folge einer Rückkehr der Klägerin in Türkei hätte mehrfache, erheblich nachteilige Folgen, die diesen Eingriff im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK in einer demokratischen Gesellschaft nicht als notwendig bzw. nicht als zumutbar darstellen.
35 
An der Existenz und Schutzwürdigkeit eines Familienlebens kann kein Zweifel bestehen. Die beiden minderjährigen Kinder haben zwar eine nicht ganz unbeträchtliche Zeit bei Großmutter und Tante gelebt, das erfolgte erkennbar jedoch vor dem Hintergrund, dass sie für den Fall einer Abschiebung der Klägerin in die Türkei hier bleiben und versorgt sein sollten. Von Februar 2004 bis Mai 2006 hatte die Klägerin zwar das Sorgerecht für ihre beiden jüngsten Kinder auf ihre Mutter übertragen lassen. Seither besitzt sie es jedoch wieder und lebt auch mit den Kindern zusammen. Der Hinweis des RP Freiburg, die Klägerin habe am 24.7.2006 erklärt, keine Umverteilung zu ihren Kindern nach Singen zu wollen, geht von falschen Voraussetzungen aus. Zu keiner Zeit konnte dem entnommen werden, dass die Klägerin nicht mit ihren Kindern zusammenleben wollen. Vielmehr war diese Erklärung so gemeint, dass sie zwar in Villingen-Schwenningen bleiben, jedoch dort zusammen mit den Kindern wohnen wollte. Das wird auch dadurch bestätigt, dass die Klägerin mittlerweile mit ihren beiden minderjährigen Kindern sowie ihrem erwachsenen Sohn aus der ersten Ehe dort eine neue Wohnung bezogen hat.
36 
Eine Rückkehr der Klägerin in die Türkei würde entweder einen unzumutbaren Zwang auf die minderjährigen Kinder ausüben, ihr zu folgen, oder aber eine unzumutbare Trennung nach sich ziehen. Es ist davon auszugehen, dass Sibel und Ali-Erdal dauerhaft in Deutschland bleiben dürfen. Dies folgt entweder daraus, dass sie ihrerseits gemäß Art. 7 ARB 1/80 assoziationsbegünstigt begünstigt sind, oder jedenfalls daraus, dass ihnen i.V.m. Art. 8 Abs. 1 EMRK und den Vorschriften über die Aufenthaltserlaubnis ein nationales Recht zusteht. Die beiden Kinder sind nämlich hier geboren und haben Zeit ihres Lebens - das sind im heutigen Entscheidungszeitpunkt über 17 bzw. über 10 Jahre - in diesem Land und seinem kulturellen sprachlichen Umfeld gelebt und sind hier bislang zur Schule gegangen. Unabhängig davon, ob sie die türkische Sprache zumindest in Grundzügen beherrschen mögen, haben sie sonst offensichtlich keine Bindungen zur Türkei - alle nahen Familienangehörigen leben offensichtlich ebenfalls in Deutschland -, sodass ihnen als faktischen Inländern eine Rückkehr dorthin bzw. ein Leben dort unzumutbar wäre. Eine Trennung von ihrer Mutter wäre ihnen nicht zuzumuten. Sie können nicht darauf verwiesen werden, andere Verwandte - so wie in der Vergangenheit Großmutter und Tante - seien zur Betreuung fähig bzw. bereit. Sowohl der Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG als auch derjenige des Art. 8 EMRK beinhaltet nämlich auch die Befugnis zu entscheiden, welche Personen miteinander in Beistandsgemeinschaft leben wollen.
37 
Das Gericht ist schließlich auch davon überzeugt, dass die Kinder weder zusammen mit ihrer Mutter noch dass diese allein auch nur vorübergehend in der Türkei derart Fuß fassen könnten, dass eine reale Existenzmöglichkeit dort bestünde. Die Kinder sind für die Existenzsicherung auf die Mutter angewiesen. Die Klägerin jedoch ist, das darf trotz ihrer erheblichen Strafbarkeit nicht verkannt werden, krank, weil heroinsüchtig. Sie hat trotz zweier umfangreicher Therapien immer wieder einen Rückfall erlitten. Zwar muss (vgl. § 42 AsylvfG) auf Grund der unanfechtbaren Asylentscheidung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 20.7.2000 davon ausgegangen werden, dass die Heroinsucht der Klägerin in der Türkei im Fall einer Rückkehr behandelt werden kann. Im übrigen hätte wohl auch in der Sache nach nichts für ein Abschiebungshindernis gesprochen (vgl. etwa VGH Bad.-Württ., Urt. v. 24.2.2003 - A 12 S 939/02 - VENSA sowie VG Freiburg, Urt. v. 21.11.2003 - 1 K 205/02 - VENSA). Die negativen Auswirkungen auf die Familie sowie die mit dem Zwang zu einer auch nur vorübergehenden Integration in der Türkei einhergehende Überlastung der persönlichen und sozialen Kräfte der Klägerin sind damit jedoch nicht bindend verneint worden. Maßnahmen aber, die Familienmitglieder an einem Zusammenleben hindern bzw. auseinanderreißen, stellen einen sehr schwerwiegenden Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Recht dar (EGMR, Urt. v. 31.1.2006 - 50252/99 [Sezen] - InfAuslR 2006, 255). Das gilt umso mehr hier, wo die Klägerin und ihre Kinder sich in einer zweifellos problematischen Lebenssituation befinden, und gerade deshalb besonders aufeinander angewiesen sind, um ein Mindestmaß an Stabilität zu gewährleisten. Ausgehend von einem Aufenthaltsrecht der Kinder wird auch die Klägerin wieder einen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis geltend machen können. Insoweit liegt nämlich eine außergewöhnliche Härte i.S.v. § 36 AufenthG vor.
38 
Der Gesichtspunkt einer von der Klägerin angesichts späterer einschlägiger Betäubungsmittelstraftaten auch im heutigen Zeitpunkt ausgehenden Wiederholungsgefahr muss vor diesem gesamten Hintergrund zurücktreten. Begreift man, wie oben dargelegt, ihre gesamte persönliche und auch familiäre Situation als äußerst problematisch, so mag sogar zu ihren Gunsten berücksichtigt werden, dass die zuletzt erfolgte Verurteilung vom 30.9.2004 durch das Amtsgericht Villingen-Schwenningen eine Aussetzung der Strafvollstreckung zur Bewährung aussprach. Wenngleich ein solcher Umstand zwar tatsächliches Gewicht hat, gleichwohl aber im ordnungsrechtlichen Kontext nicht ausländerrechtliche Maßnahmen der Spezialprävention verhindern muss, so ist doch zu beachten, dass offensichtlich auch das Strafgericht der Möglichkeit einer Resozialisierung der Klägerin für ihre Person eine besonders wichtige Bedeutung zugemessen hat.
39 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO; das Gericht hat keinen Anlass, sie für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 167 Abs. 2 VwGO). Gründe für eine Zulassung der Berufung liegen nicht vor, weshalb hinsichtlich der Anfechtbarkeit dieses Urteils folgendes gilt: (Rechtsmittelbelehrung).

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens zugunsten des Verurteilten ist zulässig,

1.
wenn eine in der Hauptverhandlung zu seinen Ungunsten als echt vorgebrachte Urkunde unecht oder verfälscht war;
2.
wenn der Zeuge oder Sachverständige sich bei einem zuungunsten des Verurteilten abgelegten Zeugnis oder abgegebenen Gutachten einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht oder einer vorsätzlichen falschen uneidlichen Aussage schuldig gemacht hat;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf die Sache einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten schuldig gemacht hat, sofern die Verletzung nicht vom Verurteilten selbst veranlaßt ist;
4.
wenn ein zivilgerichtliches Urteil, auf welches das Strafurteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftig gewordenes Urteil aufgehoben ist;
5.
wenn neue Tatsachen oder Beweismittel beigebracht sind, die allein oder in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen die Freisprechung des Angeklagten oder in Anwendung eines milderen Strafgesetzes eine geringere Bestrafung oder eine wesentlich andere Entscheidung über eine Maßregel der Besserung und Sicherung zu begründen geeignet sind,
6.
wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder ihrer Protokolle festgestellt hat und das Urteil auf dieser Verletzung beruht.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Der Aufenthaltstitel erlischt in folgenden Fällen:

1.
Ablauf seiner Geltungsdauer,
2.
Eintritt einer auflösenden Bedingung,
3.
Rücknahme des Aufenthaltstitels,
4.
Widerruf des Aufenthaltstitels,
5.
Ausweisung des Ausländers,
5a.
Bekanntgabe einer Abschiebungsanordnung nach § 58a,
6.
wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach nicht vorübergehenden Grunde ausreist,
7.
wenn der Ausländer ausgereist und nicht innerhalb von sechs Monaten oder einer von der Ausländerbehörde bestimmten längeren Frist wieder eingereist ist,
8.
wenn ein Ausländer nach Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß der §§ 22, 23 oder § 25 Abs. 3 bis 5 einen Asylantrag stellt;
ein für mehrere Einreisen oder mit einer Geltungsdauer von mehr als 90 Tagen erteiltes Visum erlischt nicht nach den Nummern 6 und 7.

(1a) Die Gültigkeit einer nach § 19 erteilten ICT-Karte erlischt nicht nach Absatz 1 Nummer 6 und 7, wenn der Ausländer von der in der Richtlinie 2014/66/EU vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch macht, einen Teil des unternehmensinternen Transfers in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union durchzuführen. Die Gültigkeit einer nach § 16b oder § 18d erteilten Aufenthaltserlaubnis erlischt nicht nach Absatz 1 Nummer 6 und 7, wenn der Ausländer von der in der Richtlinie (EU) 2016/801 vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch macht, einen Teil des Studiums oder des Forschungsvorhabens in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union durchzuführen.

(2) Die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers, der sich mindestens 15 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat sowie die Niederlassungserlaubnis seines mit ihm in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ehegatten erlöschen nicht nach Absatz 1 Nr. 6 und 7, wenn deren Lebensunterhalt gesichert ist und kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder Absatz 2 Nummer 5 bis 7 besteht. Die Niederlassungserlaubnis eines mit einem Deutschen in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ausländers erlischt nicht nach Absatz 1 Nr. 6 und 7, wenn kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder Absatz 2 Nummer 5 bis 7 besteht. Zum Nachweis des Fortbestandes der Niederlassungserlaubnis stellt die Ausländerbehörde am Ort des letzten gewöhnlichen Aufenthalts auf Antrag eine Bescheinigung aus.

(3) Der Aufenthaltstitel erlischt nicht nach Absatz 1 Nr. 7, wenn die Frist lediglich wegen Erfüllung der gesetzlichen Wehrpflicht im Heimatstaat überschritten wird und der Ausländer innerhalb von drei Monaten nach der Entlassung aus dem Wehrdienst wieder einreist.

(4) Nach Absatz 1 Nr. 7 wird in der Regel eine längere Frist bestimmt, wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach vorübergehenden Grunde ausreisen will und eine Niederlassungserlaubnis besitzt oder wenn der Aufenthalt außerhalb des Bundesgebiets Interessen der Bundesrepublik Deutschland dient. Abweichend von Absatz 1 Nummer 6 und 7 erlischt der Aufenthaltstitel eines Ausländers nicht, wenn er die Voraussetzungen des § 37 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 erfüllt, rechtswidrig mit Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Eingehung der Ehe genötigt und von der Rückkehr nach Deutschland abgehalten wurde und innerhalb von drei Monaten nach Wegfall der Zwangslage, spätestens jedoch innerhalb von zehn Jahren seit der Ausreise, wieder einreist.

(5) Die Befreiung vom Erfordernis des Aufenthaltstitels entfällt, wenn der Ausländer ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben wird; § 11 Absatz 2 bis 5 findet entsprechende Anwendung.

(6) Räumliche und sonstige Beschränkungen und Auflagen nach diesem und nach anderen Gesetzen bleiben auch nach Wegfall des Aufenthaltstitels oder der Aussetzung der Abschiebung in Kraft, bis sie aufgehoben werden oder der Ausländer seiner Ausreisepflicht nachgekommen ist.

(7) Im Falle der Ausreise eines Asylberechtigten oder eines Ausländers, dem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unanfechtbar die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat, erlischt der Aufenthaltstitel nicht, solange er im Besitz eines gültigen, von einer deutschen Behörde ausgestellten Reiseausweises für Flüchtlinge ist. Der Ausländer hat auf Grund seiner Anerkennung als Asylberechtigter oder der unanfechtbaren Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge keinen Anspruch auf erneute Erteilung eines Aufenthaltstitels, wenn er das Bundesgebiet verlassen hat und die Zuständigkeit für die Ausstellung eines Reiseausweises für Flüchtlinge auf einen anderen Staat übergegangen ist.

(8) Vor der Aufhebung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 38a Abs. 1, vor einer Ausweisung eines Ausländers, der eine solche Aufenthaltserlaubnis besitzt und vor dem Erlass einer gegen ihn gerichteten Abschiebungsanordnung nach § 58a gibt die zuständige Behörde in dem Verfahren nach § 91c Absatz 2 über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dem Mitgliedstaat der Europäischen Union, in dem der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten besitzt, Gelegenheit zur Stellungnahme, wenn die Abschiebung in ein Gebiet erwogen wird, in dem diese Rechtsstellung nicht erworben werden kann. Geht die Stellungnahme des anderen Mitgliedstaates rechtzeitig ein, wird sie von der zuständigen Behörde berücksichtigt.

(8a) Soweit die Behörden anderer Schengen-Staaten über Entscheidungen nach Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009, die durch die Ausländerbehörden getroffen wurden, zu unterrichten sind, erfolgt dies über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden unterrichten die Behörden anderer Schengen-Staaten unmittelbar über ihre Entscheidungen nach Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009.

(9) Die Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU erlischt nur, wenn

1.
ihre Erteilung wegen Täuschung, Drohung oder Bestechung zurückgenommen wird,
2.
der Ausländer ausgewiesen oder ihm eine Abschiebungsanordnung nach § 58a bekannt gegeben wird,
3.
sich der Ausländer für einen Zeitraum von zwölf aufeinander folgenden Monaten außerhalb des Gebiets aufhält, in dem die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten erworben werden kann; der Zeitraum beträgt 24 aufeinanderfolgende Monate bei einem Ausländer, der zuvor im Besitz einer Blauen Karte EU war, und bei seinen Familienangehörigen, die zuvor im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 30, 32, 33 oder 36 waren,
4.
sich der Ausländer für einen Zeitraum von sechs Jahren außerhalb des Bundesgebiets aufhält oder
5.
der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erwirbt.
Auf die in Satz 1 Nr. 3 und 4 genannten Fälle sind die Absätze 2 bis 4 entsprechend anzuwenden.

(10) Abweichend von Absatz 1 Nummer 7 beträgt die Frist für die Blaue Karte EU und die Aufenthaltserlaubnisse nach den §§ 30, 32, 33 oder 36, die den Familienangehörigen eines Inhabers einer Blauen Karte EU erteilt worden sind, zwölf Monate. Gleiches gilt für die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers, der sich mindestens 15 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat sowie die Niederlassungserlaubnis eines mit ihm in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ehegatten, wenn sie das 60. Lebensjahr vollendet haben.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

Tenor

Ziffer 2 des Bescheids des RP Freiburg vom 4.8.2006 wird aufgehoben. Das beklagte Land - RP Freiburg - wird verpflichtet, die Sperrwirkung der Ausweisung vom 8.10.1999 mit sofortiger (d.h. ab Bekanntgabe des Bescheids eintretender) Wirkung zu befristen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin und das beklagte Land jeweils 1/2.

Tatbestand

 
Die Klägerin begehrt die Aufhebung einer unanfechtbaren Ausweisung, hilfsweise die Befristung deren Sperrwirkung.
Die am 14.3.1968 geborene Klägerin ist türkische Staatsangehörige. Ihren Nachnamen trägt sie seit einer am 24.8.2000 geschlossenen und am 22.1.2004 geschiedenen (kinderlosen) Ehe mit einem deutschen Staatsangehörigen. Sie hält sich seit Oktober 1973, als sie mit ihren Eltern einreiste, in Deutschland auf. Erstmals unter dem 24.4.1984 erhielt sie als damals 16-jährige eine Aufenthaltserlaubnis, die in der Folgezeit regelmäßig verlängert wurde und zuletzt bis zum 1.7.1999 befristet war. Die Klägerin ist Mutter von fünf Kindern. Die drei ältesten Kinder (Sohn S., geboren 1985, sowie Zwillingssöhne O. und L., geboren 1988) stammen aus einer am 21.6.1984 mit einem türkischen Landsmann geschlossenen und im März 1993 geschiedenen Ehe und leben beim Vater, der das Sorgerecht für sie hat. Zwei weitere Kinder, die ausschließlich in Deutschland aufgewachsen sind, entstammen einer (nicht-ehelichen) Beziehung zu einem anderen Landsmann und wurden am 17.12.1989 (Tochter Si.) bzw. am 8.12.1996 (Sohn A.) geboren. Die ursprünglich von der Klägerin für diese beiden Kinder ausgeübte elterliche Sorge wurde zunächst mit Beschluss des Amtsgerichts Villingen-Schwenningen vom 16.2.2004 auf die Mutter der Klägerin übertragen und später mit Beschluss des Amtsgerichts Singen vom 30.5.2006 auf sie zurückübertragen.
Strafrechtlich ist die Klägerin mehrfach in Erscheinung getreten, und zwar u.a. wie folgt:
Rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Konstanz vom 12.8.1999
Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten wegen Beihilfe zum Erwerb von Betäubungsmitteln (Heroin) in Tateinheit mit Handeltreiben, wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben, wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Handeltreiben in zwei Fällen, wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen, davon siebenmal in Tateinheit mit Handeltreiben, wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in acht Fällen, wegen Erwerbs von Betäubungsmitteln in drei Fällen, davon zweimal in Tateinheit mit Handeltreiben ( Tatzeitpunkte: Ende 1996 bis Mitte 1998 ). Die seit Sommer 1997 betäubungsmittelabhängige Klägerin befand sich wegen dieser Taten zunächst vom 4.8.1998 bis 14.10.1998 in U-Haft. Es folgte eine dreiwöchige Mutter-Kind-Kur, in deren Anschluss sie einen Drogenrückfall erlitt. Deshalb wurde sie am 23.4.1999 wieder in U-Haft genommen, ab 16.8.1999 in Strafhaft. Ab 25.8.1999 stellte die Staatsanwaltschaft Konstanz die Vollstreckung der Strafe zurück, damit die Klägerin sich in eine Therapieeinrichtung zur Behandlung ihrer Abhängigkeit begeben konnte. Die stationäre Behandlung erfolgte bis zum 24.2.2000
Rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Villingen-Schwenningen vom 15.11.2002
Freiheitsstrafe von 2 Monaten zur Bewährung wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln (Heroin); Tatzeitpunkt: März/April 2001.
Rechtskräftiges Urteil des Amtsgericht Villingen-Schwenningen vom 30.9.2004
Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren zur Bewährung wegen Besitzes von Betäubungsmitteln (Heroin) in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln sowie Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in sieben Fällen, in drei Fällen in Tateinheit mit Erwerb von Betäubungsmitteln, in vier Fällen in Tateinheit mit gewerbsmäßiger Hehlerei ( Tatzeitpunkt: 2003 ). Betreffend die Aussetzung der Strafvollstreckung führte das Strafgericht aus, diese sei „trotz erheblicher Bedenken“, die sich aus dem zweimaligen Bewährungsbruch ergäben, ausgesetzt worden.
10 
In weiteren Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz sah die Staatsanwaltschaft Konstanz von einer Verfolgung ab (Verfügung vom 28.1.2003) bzw. stellte das Verfahren gem. § 154 d Satz 3 StPO ein (Verfügung vom 14.12.2004).
11 
Am 29.6.2006 wurde die Klägerin unerlaubt in der Schweiz angetroffen. Ein Drug-Wipe-Test verlief positiv auf Opiate/Heroin. Die Klägerin ließ sich dahin ein, sie habe einmalig in Zürich Heroin im Wege einer Aufnahme durch die Nase konsumiert.
12 
Wegen der Straftaten, die dem vorgenannten Strafurteil vom 12.8.1999 zu Grunde lagen, wurde die Klägerin mit Verfügung des RP Freiburg vom 8.10.1999 - gestützt auf die Vorschriften der Ist-Ausweisung (§ 47 Abs. 1 AuslG) und unter Verneinung besonderen Ausweisungsschutzes - unbefristet ausgewiesen. Ferner wurde sie zur Ausreise aufgefordert und die Abschiebung in die Türkei angedroht. Vorläufiger Rechtsschutz gegen diese Entscheidung blieb ebenso erfolglos (Beschluss VG Freiburg vom 1.12.1999 - 9 K 2442/99), wie die Anfechtungsklage, die im März 2001 zurückgenommen wurde; ein weiterer Eilantrag, die Abschiebung auszusetzen, war davor erneut durch das VG Freiburg (Beschluss vom 29.6.2000 - 9 K 1230/00) abgelehnt worden. Gleichwohl kam es nicht zu einer - auf den 31.3.2000 vorgesehenen - Abschiebung der Klägerin und ihrer beiden jüngsten Kinder, weil diese nicht aufzufinden waren. Ein am 13.7.2000 für sich und die beiden Kinder gestellter Asylantrag blieb sowohl vor dem Bundesamt (ou-Ablehnung vom 20.7.2000) als auch im asylrechtlichen Eil- und Klageverfahren vor dem VG Freiburg erfolglos. Am 24.8.2000 erfolgte die Heirat des deutschen Staatsangehörigen H. M.. Die Klägerin erhielt in der Folgezeit - bedingt durch diese Verheiratung, durch Ablauf und erforderliche Verlängerung ihrer Personalpapiere, ferner spätere strafrechtliche Ermittlungen sowie einen Härtefallantrag - bis heute Duldungen.
13 
Einen Antrag, die Sperrwirkung der Ausweisung zu befristen, stellte die Klägerin am 11.3.2003. Das RP Freiburg stellte eine Entscheidung bis zum Nachweis über die freiwillige Ausreise zurück. Vom 7.9.2004 bis 7.6.2005 befand sich die Klägerin erneut in einer stationären Entwöhnungsbehandlung. Mit Schreiben vom 7.12.2005 kündigte das RP Freiburg der Klägerin, deren Härtefallantrag zuvor abgelehnt worden war, die Abschiebung an und gab ihr Gelegenheit, bis 23.12.2005 freiwillig auszureisen. Unter dem 11.1.2006 ließ die Klägerin anwaltlich erklären, sie sei zur freiwilligen Ausreise bereit, wenn ihr, in Verbindung mit einer Befristung der Ausweisungswirkungen, ein Recht auf spätere Familienzusammenführung zu ihren Kindern zugesichert werde. Am 26.1.2006 beantragte sie, mit Blick auf eine geänderte Rechtslage das Ausweisungsverfahren wiederaufzugreifen und die Ausweisung zurückzunehmen bzw. hilfsweise zu widerrufen. Zur Begründung gab sie an, im Anschluss an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts sei die Ausweisung aus dem Jahr 1999 rechtswidrig, weil sie nicht als Ermessensentscheidung ergangen sei und weil gegen die Verfahrensvorschrift des Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG verstoßen worden sei. Da in der Folgezeit keine Entscheidung getroffen wurde, erhob die Klägerin am 29.5.2006 Untätigkeitsklage (1 K 1026/06). Dieses Verfahren wurde auf Grund übereinstimmender Erledigungserklärungen mit Beschluss des Berichterstatters vom 30.8.2006 eingestellt.
14 
Mit vorliegend streitgegenständlichem (und Grund für die Erledigung der zuvor genannten Untätigkeitsklage bildenden) Bescheid vom 4.8.2006 (zugestellt am 10.8.2006) lehnte das RP Freiburg das Wiederaufgreifen des Verfahrens und eine Rücknahme der Ausweisungsentscheidung vom 8.10.1999 ab (Ziff. 1). Ferner wurden die Wirkungen der genannten Ausweisung nachträglich auf 5 Jahre und 6 Monate ab Ausreise der Klägerin befristet (Ziff. 2). Zur Begründung wurde angeführt, ein Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens im engeren Sinne gemäß § 51 LVwVfG bestehe nicht. Eine Änderung der Rechtsprechung stelle keine Änderung der Rechtslage dar. Über ein Wiederaufgreifen im weiteren Sinne sei nach Ermessen zu entscheiden. Eine Ermessensreduzierung auf Null liege im Fall der Klägerin nicht vor, weil die Aufrechterhaltung der Ausweisung nicht schlechthin unerträglich sei. Die Klägerin sei bis heute ihrer Ausreisepflicht nicht nachgekommen. Auch nach der Ausweisung sei sie erneut einschlägig straffällig geworden und wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz verurteilt worden. Ferner habe sie sich zweimal unerlaubt in der Schweiz aufgehalten. Dass sie ihre Drogensucht tatsächlich erfolgreich überwunden habe, sei nicht ersichtlich. Immer wieder sei sie rückfällig geworden, zuletzt habe sie nach eigenen Angaben am 28.6.2006 in Zürich Heroin konsumiert. Daraus ergebe sich aber, dass weitere schwere Straftaten konkret zu befürchten seien. Gegen eine Rücknahme spreche auch, dass die Klägerin es versäumt habe, die Ausweisungsverfügung gerichtlich überprüfen zu lassen. Ferner sei für den Fall eines Wegfalls der Wiederholungsgefahr das Befristungsverfahren spezialgesetzlich vorrangig vor demjenigen eines Widerrufs. Im Übrigen hätte auch damals angesichts der tatsächlichen Umstände eine Ermessensausweisung ergehen können. Im Hinblick auf das hohe Rechtsgut der Rechtssicherheit könne das Vorliegen eines formellen Fehlers nicht zur Durchbrechung der Bestandskraft führen. Auch die Entscheidung über eine Rücknahme liege im Ermessen und setze, solle ausnahmsweise eine Reduzierung auf Null erfolgen, voraus, dass die Aufrechterhaltung mit Blick auf die materielle Gerechtigkeit schlechthin unerträglich sei. Ferner verlange Gemeinschaftsrecht grundsätzlich nicht, eine bestandskräftige Verwaltungsentscheidung zurückzunehmen. Bei Berücksichtigung aller Einzelfallumstände sei bedeutsam, dass die Klägerin ihre Klage gegen die Ausweisung Entscheidung zurückgenommen habe. Ferner müsse, wie bereits dargelegt, auch weiterhin von einer Wiederholungsgefahr ausgegangen werden. Auch wegen weiterer Ermessenserwägungen könne auf obige Ausführungen verwiesen werden, sodass kein Anlass bestehe, die Ausweisungsentscheidung zurückzunehmen. Bei der Befristung der Sperrwirkung der Ausweisung sei die noch zu § 8 Abs. 2 AuslG ergangene Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums vom 25.1.2002 entsprechend heranzuziehen gewesen. Da die Klägerin nur im Rahmen einer Ermessensentscheidung hätte ausgewiesen werden dürfen, sei folglich Ziff. 1.3.1 einschlägig. Ausgehend von der verhängten Strafe von zwei Jahren und sechs Monaten liege ein Regelfall von fünf Jahren und sechs Monaten vor. Dabei sei berücksichtigt worden, dass die Ausweisung bereits längere Zeit zurückliege. Allerdings habe sich die Gefahrenprognose nicht zu Gunsten der Klägerin verändert, weil sie erneut einschlägig verurteilt worden und weitere Ermittlungsverfahren nur im Hinblick auf diese Verurteilungen eingestellt worden seien. Die Aussetzung der späteren Freiheitsstrafen zur Bewährung sei trotz erheblichen Bedenken ergangen und ohne die Stellung einer positiven Sozialprognose erfolgt. Absolvierte Drogentherapien seien angesichts von Rückfällen nicht erfolgreich gewesen. Auch der Umstand, dass die Klägerin im Mai 2006 das Sorgerecht für ihre beiden jüngsten Kinder wieder zurückerhalten habe, stehe nicht entgegen. Die Kinder seien türkische Staatsangehörige und könnten jederzeit mit zurückkehren. Da sie in einer türkischen Großfamilie aufgewachsen seien, müssten sie mit der türkischen Sprache vertraut sein. Andererseits gebe es auch keine Hinweise, dass die Kinder auf eine dauernde Anwesenheit der Klägerin in Deutschland angewiesen seien. Während ihrer Inhaftierung und Drogentherapie hätten sie nämlich nicht zusammengelebt. Vielmehr seien sie von Schwester bzw. Mutter der Klägerin aufgezogen worden. Auch während des unerlaubten Aufenthalts in der Schweiz seien die Kinder bei Verwandten zurückgelassen worden. Am 24.7.2006 habe die Klägerin noch erklärt, sie wolle nicht nach Singen zu ihren Kindern umverteilt werden, sondern im Raum Villingen-Schwenningen bleiben.
15 
Die Klägerin hat am 23.8.2006 Klage erhoben. Sie wiederholt ihren Vortrag zur formellen und materiellen Rechtswidrigkeit der Ausweisung und weist ergänzend darauf hin, gerade durch die Aufrechterhaltung der Ausweisung werde es ihr äußerst schwer gemacht, sich hier zur resozialisieren. Ohne Aufenthaltstitel und nur mit einer Duldung sei sie als Alleinerziehende mit zwei Kindern ungeheuer belastet. Das RP Freiburg verkenne gerade auch die assoziationsrechtlichen Maßgaben, wonach die Begünstigten nur aufgrund einer Ermessensentscheidung ausgewiesen werden dürften und ein deutliches Überwiegen öffentlicher Interessen zu verlangen sei. Betrachte man die Tatsache, dass bislang sieben Jahre vom Vollzug der Ausweisung abgesehen worden sei, und dass sie, die Klägerin, für zwei hier im Bundesgebiet geborene und aufgewachsene Kinder das alleinige Sorgerecht habe, so überwögen jedoch die privaten Interesse deutlich. Ferner würden die Rechte aus Art. 6 GG und Art. 8 EMRK verletzt, weil die beiden Kinder keinerlei Bezug zur Türkei hätten und einen Trennung unverhältnismäßig sei. Schließlich stelle auch die erfolgte Befristungsentscheidung aufgrund der langen Dauer eine unzumutbare Beeinträchtigung dar.
16 
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
17 
den Bescheid des RP Freiburg vom 4.8.2006 aufzuheben und das beklagte Land - RP Freiburg - zu verpflichten die unter dem 8.10.1999 verfügte Ausweisung aufzuheben;
 
18 
hilfsweise unter Aufhebung der Ziff. 2 des Bescheids des RP Freiburg vom 4.8.2006 das beklagte Land - RP Freiburg - zu verpflichten die Sperrwirkung der Ausweisung vom 8.10.1999 mit sofortiger Wirkung zu befristen.
19 
Das beklagte Land beantragt,
20 
die Klage abzuweisen.
21 
Es bezieht sich auf die angefochtene Entscheidung und fügt ergänzend hinzu, selbst wenn man die Anwendbarkeit der Richtlinie 2004/38/EG vom 29.4.2004 auf Assoziationsbegünstigte bejahe, so sei sie auf die Ausweisung der Klägerin mangels Rückwirkung nicht anzuwenden. Für geänderte materielle Anforderungen stelle folglich das Befristungsverfahren eine vorrangige Spezialregelung dar. Laut Mitteilung des Polizeipräsidiums Stuttgart vom 12.6.2007 sei derzeit ein Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin wegen Wechselfallenschwindels anhängig.
22 
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie den Akteninhalt (6 Hefte des RP Freiburg, ein Heft Gerichtsakten der erledigten Untätigkeitsklage 1 K 1026/06) Bezug genommen. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

 
23 
I. Der zulässige Hauptantrag, der auf eine Aufhebung der bestandskräftigen Ausweisung zielt (vgl. dazu, dass die Wirkungen von Ausweisungen, die vor diesem Zeitpunkt gegenüber nach dem ARB 1/80 privilegierten türkischen Staatsangehörigen verfügt und bestandskräftig geworden sind, mit dem Inkrafttreten des AufenthG am 1.1.2005 nicht entfallen sind: VGH Bad.-Württ., Urt. v. 24.1.2007 - 13 S 451/06 - InfAuslR 2007, 182; Beschl. v. 13.4.2006 - 1 S 734/06 - VENSA), ist unbegründet. Die Ziff. 1 der Entscheidung des RP Freiburg vom 4.8.2006 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).
24 
Einen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens im engeren Sinne gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG sowie eine daran anschließende (positive) Sachentscheidung (zur Verfahrens- und Entscheidungsstruktur im Rahmen des § 51 LVwVfG vgl. für die bundesrechtliche Regelung: Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Auflage 2001, § 51 Rnrn. 22 ff.: eigenständige Neubescheidung ohne Bezug zu §§ 48, 49 VwVfG) hat das RP Freiburg zu Recht abgelehnt. Die geltend gemachte Änderung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stellt keine neue Rechtslage dar. Wegen Einzelheiten kann insoweit auf den Beschluss des VGH Baden-Württemberg vom 29.3.2007 (11 S 2147/06 dort Entsch.-Seiten 5/6) im Beschwerdeverfahren, welches das PKH-Begehren der Klägerin im erledigten Verfahren 1 K 1026/06 betraf, Bezug genommen werden.
25 
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Rücknahme oder Widerruf der Ausweisung. Wie sich aus § 51 Abs. 5 LVwVfG ergibt, sind die Verfahren nach § 51 Abs. 1 bis 4 LVwVfG (sog. Wiederaufgreifen im engeren Sinne) und diejenigen der Rücknahme und des Widerrufs - sog. Wiederaufgreifen im weiteren Sinne - nicht identisch. § 51 Abs. 5 LVwVfG stellt - in Entsprechung zur bundesrechtlichen Rechtslage - klar, dass mit der Schaffung des § 51 Abs. 1 LVwVfG nichts daran geändert wird, dass auf Antrag des Betroffenen eine Ermessensentscheidung auf der Grundlage der §§ 48, 49 LVwVfG zu ergehen hat (vgl. zu §§ 51, 48, 49 VwVfG: Sachs, a.a.O., Rnr. 141 f.). Soweit dem RP Freiburg (zu dessen Zuständigkeit vgl. §§ 48 Abs. 5, 49 Abs. 5 LVwVfG i.V.m. § 12 Abs. 3 AAZuVO) folglich ein Ermessensspielraum bei der Frage der erneuten Überprüfung und Aufhebung der bestandskräftigen Ausweisung blieb, hat es in seinem Bescheid rechtsfehlerfrei entschieden, die Ausweisung nicht aufzuheben. Mit Blick auf einen Widerruf gemäß § 49 LVwVfG folgt dies bereits daraus, dass dieser spezialgesetzlich durch das Institut der Befristung i. S. v. § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG jedenfalls insoweit ausgeschlossen ist, als es um für den Fortbestand des Ausweisungszwecks erhebliche Sachverhaltsänderungen geht. Im übrigen ist nur die Rücknahme einschlägig, weil es sich bei der Ausweisung um einen (siehe sogleich) rechtswidrigen Verwaltungsakt handelt, für den § 49 LVwVfG nicht gilt.
26 
Eine Rücknahme hat das RP Freiburg rechtsfehlerfrei abgelehnt. Zutreffend ist die Behörde davon ausgegangen, dass grundsätzlich gemäß § 48 Abs. 1 LVwVfG in die Überprüfung, ob eine Rücknahme stattfinden soll, einzutreten war. Die Ausweisung vom 8.10.1999 ist nämlich rechtswidrig gewesen, weil der Klägerin eine assoziationsrechtliche Rechtsposition gemäß Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 zustand. Sie war 1973 zusammen mit ihren Eltern eingereist und hatte ihre erste Aufenthaltserlaubnis am 24.4.1984 zum Zweck der Familienzusammenführung, d.h. zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft mit einem dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehörenden türkischen Arbeitnehmer, ihren Eltern, erhalten. Mit diesen hatte sie auch die erforderliche Dauer von mindestens drei bzw. fünf Jahren - konkret bis zum 5.7.1984, als sie zu ihrem türkischen Ehemann nach Tuttlingen zog - zusammengelebt (vgl. zur Geltung des Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 entsprechend für ein Kind, das im Mitgliedstaat geboren ist und stets dort gewohnt hat: EuGH, Urt. v. 11.11.2004 - C-467/02 - [Cetinkaya] - NVwZ 2005, 198). Ihre Volljährigkeit im Zeitpunkt der Ausweisung änderte an der unmittelbar aus dem ARB 1/80 folgenden Rechtsposition ebenso wenig etwas, wie die ab 4.8.1998 erfolgte Verbüßung von U-Haft bzw. später Strafhaft im Zusammenhang mit dem Urteil des LG Konstanz vom 12.8.1999 (zu diesen Einzelheiten des Aufenthaltsrechts nach Art. 7 ARB 1/80 vgl. EuGH, Urt. v. 7.7.2005 - C-373/03 [Aydinli] - InfAuslR 2005,352; ferner EuGH, Urt. v. 16.1.2006 - C-502/04 [Torun] - InfAuslR 2006, 209). Ihre Ausweisung hätte folglich nicht, wie vom RP Freiburg damals verfügt, nach den Regelungen über die Ist-Ausweisung sondern nur nach denjenigen über die - in der Ausweisungsverfügung auch nicht hilfsweise herangezogene - Ermessensausweisung erfolgen dürfen (grundlegend: BVerwG, Urt. v. 13.9.2005 - 1 C 7/04 - BVerwGE 124, 217 = InfAuslR 2006, 110). Ferner wäre, woran es jedoch ebenfalls fehlte, formell-rechtlich zuvor eine zweite Stelle i.S.v. Art. 9 Abs. 1 RiL 64/221/EWG zu beteiligen gewesen (vgl. hierzu ebenfalls BVerwG, Urt. v. 13.9.2005, a.a.O.). Ein „dringender Fall“ i.S. der vorgenannten Vorschrift lag nicht vor, weil sich auf Grund der Strafhaft der Klägerin bzw. ihrer Drogentherapie eine von ihr ausgehende Gefahr nicht vor Abschluss eines gerichtlichen Hauptsacheverfahrens realisiert hätte und auch sonst eine Verzögerung der Ausweisungsentscheidung durch die Einschaltung einer zweiten Stelle hinnehmbar gewesen wäre (zum letztgenannten Gesichtspunkt vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 29.6.2006 - 11 S 2299/05 - VENSA).
27 
Hiervon ausgehend hat das RP Freiburg jedoch gleichwohl eine Rücknahme ablehnen dürfen und sein Ermessen insoweit rechtsfehlerfrei erkannt bzw. betätigt (zum gerichtlichen Prüfungsmaßstab vgl. § 114 VwGO).
28 
Umstände, nach denen sich das der Behörde von § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG eingeräumte Ermessen dahin verdichtet hätte, dass nur die Rücknahme des Bescheides ermessensfehlerfrei wäre, liegen nicht vor. Bei der Ausübung des Rücknahmeermessens ist in Rechnung zu stellen, dass dem Grundsatz der materiellen Gerechtigkeit prinzipiell kein größeres Gewicht zukommt als dem Grundsatz der Rechtssicherheit, sofern dem anzuwendenden Recht nicht ausnahmsweise eine andere Wertung zu entnehmen ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts besteht mit Blick auf das Gebot der materiellen Gerechtigkeit ausnahmsweise dann ein Anspruch auf Rücknahme eines bestandskräftigen Verwaltungsakts, wenn dessen Aufrechterhaltung „schlechthin unerträglich" ist, was von den Umständen des Einzelfalles und einer Gewichtung der einschlägigen Gesichtspunkte abhängt. Allein die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts begründet keinen Anspruch auf Rücknahme, da der Rechtsverstoß lediglich die Voraussetzung einer Ermessensentscheidung der Behörde ist. Das Festhalten an dem Verwaltungsakt ist insbesondere dann „schlechthin unerträglich", wenn die Behörde durch unterschiedliche Ausübung der Rücknahmebefugnis in gleichen oder ähnlich gelagerten Fällen gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstößt oder wenn Umstände gegeben sind, die die Berufung der Behörde auf die Unanfechtbarkeit als einen Verstoß gegen die guten Sitten oder Treu und Glauben erscheinen lassen. Die offensichtliche Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, dessen Rücknahme begehrt wird, kann ebenfalls die Annahme rechtfertigen, seine Aufrechterhaltung sei schlechthin unerträglich. Ferner kann in dem einschlägigen Fachrecht eine bestimmte Richtung der zu treffenden Entscheidung in der Weise vorgegeben sein, dass das Ermessen im Regelfall nur durch die Entscheidung für die Rücknahme des Verwaltungsakts rechtmäßig ausgeübt werden kann, so dass sich das Ermessen in diesem Sinne als intendiert erweist (vgl. zusammenfassend: BVerwG, Urteil v. 17.1.2007 - 6 C 32.06 - Juris).
29 
Umstände, die das Ermessen hin auf eine Rücknahme reduziert hätten oder die das RP Freiburg sonst - im Rahmen eines verbleibenden Spielraums - fehlerhaft unberücksichtigt gelassen oder falsch gewichtet hätte, liegen hier nicht vor. Von einer offensichtlichen Europa- bzw. Assoziationsrechtswidrigkeit kann angesichts des Zeitpunkts der Ausweisungsentscheidung im Jahr 1999 - über 5 Jahre vor Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung - nicht ausgegangen werden (vgl. in diesem Sinne sogar noch für eine unter dem 5.9.2005 verfügte Ausweisung durch das RP Freiburg: VG Freiburg, Urt. v. 28.3.2007 - 1 K 505/06). Ein Festhalten an der Ausweisung stellt auch keinen Verstoß gegen das gemeinschaftsrechtliche Effizienzgebot dar. Denn die Klägerin hat es durch die Zurücknahme ihrer damaligen Klage versäumt, die Ausweisung einer gerichtlichen Überprüfung auf eine Vereinbarkeit mit Gemeinschafts-/Assoziationsrecht zuzuführen. Wie der EuGH im Urteil vom 19.9.2006 (C-392/04 und C-422/04 [I 21] - InfAuslR 2006, 439) ausgeführt hat, verlangt das Gemeinschaftsrecht nicht, dass eine Verwaltungsbehörde grundsätzlich verpflichtet ist, eine Verwaltungsentscheidung zurückzunehmen, die nach Ablauf angemessener Fristen oder durch Erschöpfung des Rechtswegs bestandskräftig geworden ist. Durch die Beachtung dieses Grundsatzes lässt sich verhindern, dass Handlungen der Verwaltung, die Rechtswirkungen entfalten, unbegrenzt in Frage gestellt werden können. Nur in bestimmten Fällen kann jedoch eine Schranke für diesen Grundsatz bestehen, nämlich wenn vier Voraussetzungen erfüllt sind. Erstens, die Behörde ist nach nationalem Recht befugt, diese Entscheidung zurückzunehmen. Zweitens, die Entscheidung ist infolge eines Urteils eines in letzter Instanz entscheidenden nationalen Gerichts bestandskräftig geworden. Drittens, das Urteil beruht, wie eine nach seinem Erlass ergangene Entscheidung des Gerichtshofes zeigt, auf einer unrichtigen Auslegung des Gemeinschaftsrechts, die erfolgt ist, ohne dass der Gerichtshof um Vorabentscheidung ersucht wurde, obwohl der Tatbestand des Artikels 234 Absatz 3 EG erfüllt war. Viertens, der Betroffene hat sich, unmittelbar nachdem er Kenntnis von der besagten Entscheidung des Gerichtshofes erlangt hat, an die Verwaltungsbehörde gewandt. Maßgeblich ist also, dass der Betroffene sämtliche ihm zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe ausgeschöpft hat. Diese auf Assoziationsbegünstigte zu übertragenden Ausnahmevoraussetzungen liegen jedoch im Fall der Klägerin nicht vor (in diesem Sinne bereits konkret für den Fall der Klägerin auch VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 29.3.2007, a.a.O.).
30 
Zutreffend hat das RP Freiburg schließlich eine Abwägung von öffentlichen Belangen (Rechtssicherheit) und privatem Interesse (materielle Gerechtigkeit) auch unter dem Gesichtspunkt der Frage nach „schlechthin unerträglichen“ Auswirkungen für die Klägerin vorgenommen. Die Ausländerbehörde hat zutreffend darauf hingewiesen, dass gerade angesichts der den Ausweisungsanlass im Jahr 1999 bildenden Betäubungsmittelstraftaten eine konkrete Wiederholungsgefahr von der Klägerin ausging, die im damaligen Ausweisungszeitpunkt auch eine Ermessenausweisung in Betracht kommen lassen konnte (zu diesem Prüfungsgesichtspunkt und seiner Zulässigkeit im Rahmen des Rücknahmeermessens: Hamb. OVG, Beschl. v. 14.12.2005 - 3 Bs 79/05 - InfAuslR 2006, 305; OVG Niedersachsen, Beschluss v. 30.5.2006 - 11 LA 147/05 - NVwZ 2006, 1302). Nach ständiger Rechtsprechung ist die Ausweisung eines assoziationsbegünstigten Türken nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 zulässig, wenn die hinreichend konkrete Wahrscheinlichkeit erneuter Straftaten im Rahmen der Betäubungsmittelkriminalität steht. Der Handel mit und die Verwendung von gefährlichen Betäubungsmitteln - allen voran Heroin - stellt nämlich sowohl einen schweren Ausweisungsanlass i.S.d. nationalrechtlichen besonderen Ausweisungsschutzvorschriften (vgl. § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG) als auch einen EU-/assoziationsrechtlich relevanten Verstoß gegen Grundinteressen der Gesellschaft dar (vgl. etwa VGH Bad.-Württ., Urt. v. 10.9.2003 - 11 S 973/03 - VENSA, mit zahlreichen Nachweisen aus der Rspr. des BVerwG und des EuGH).
31 
Eine schlechthin unerträgliche Wirkung hat die Aufrechterhaltung der Ausweisung auch nicht vor dem Hintergrund des Art. 8 EMRK. Allerdings kann die Verhältnismäßigkeit einer Ausweisung im Fall des unwiederbringlichen Verlusts für das Privatleben konstitutiver Beziehungen nicht durch eine Befristung ihrer Wirkungen erreicht werden, so etwa, wenn das Aufenthaltsrecht nach dem Wegfall der Bindungen an das Bundesgebiet eine Wiedereinreise grundsätzlich nicht vorsieht, und der spätere (im Wege der Befristung der Sperrwirkungen eintretende) Wegfall des Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG daher ohne praktische Wirkung bleibt (BVerfG, Beschl. v. 10.5.2007 - 2 BvR 304/07 - soweit ersichtlich nur veröffentlicht auf der Internethomepage des Gerichts unter Entscheidungen > Rubrik Mai 2007 > Datum 10.5.; weniger streng: VGH Bad.-Württ., Urt. v. 13.6.2000 - 13 S 1378/98 - VBlBW 2001, 23 , der darauf abstellt, bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 30 Abs. 5 AuslG [jetzt § 25 Abs. 5 AufenthG] könne auch auf eine vorherige Ausreise des Ausländers verzichtet werden). Im Fall der Klägerin existiert jedoch eine bestandskräftige Ausweisung, die im Jahr 1999 auch nach Ermessen hätte ernsthaft in Betracht kommen können. Die Aufrechterhaltung dieser Ausweisung bedeutet zwar, dass damit endgültig der Verlust ihres Aufenthaltsrechts nach Art. 7 ARB 1/80 feststeht (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG). Dies hat ferner zur Folge, dass nach dem Ende der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 1 AufenthG sich ein türkischer Staatsangehöriger nicht (mehr) auf ein Aufenthaltsrecht aus dem ARB 1/80 berufen kann, also einem (normalem) türkischen Staatsangehörigen gleichgestellt ist, der in das Bundesgebiet einreisen will (Armbruster, in: HTK-AuslR / ARB 1/80 / Art. 14 05/2007 Nr. 2 und Nr. 9). Da sich die Klägerin jedoch wirksam und effektiv im Rahmen des Befristungsanspruchs nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG darauf berufen kann, eine Aufenthaltsbeendigung verstoße gegen Art. 8 EMRK (dazu sogleich unter II.), wird sie im Ergebnis durch eine Aufrechterhaltung der früheren Ausweisung nicht unerträglich belastet.
32 
II. Erfolgreich ist hingegen der zulässige Hilfsantrag der Klägerin. Seine Auslegung (§ 88 VwGO) anhand des maßgeblichen Anwaltsschriftsatzes vom 4.7.2007 ergibt, dass die Klägerin die Gründe, die eine Unerträglichkeit der Aufrechterhaltung ihrer Ausweisung darstellen, hilfsweise auch der Befristungsentscheidung entgegenhalten will. Damit macht sie aber im Ergebnis einen Anspruch auf Befristung mit sofortiger Wirkung geltend. Dieses Begehren hat in der Sache auch Erfolg. Ziffer 2 des RP-Bescheids ist nämlich rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, weil sie einen Anspruch auf sofortige Beseitigung der Sperrwirkung - mithin eine Befristung auf Null - hat (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
33 
Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG werden die in den vorangehenden Sätzen 1 und 2 bezeichneten (Sperr-)Wirkungen der Ausweisung auf Antrag in der Regel befristet. Diese Regelung ist eine wichtige Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und stellt als solche einen bedeutsamen Baustein im abgestuften Regelungsgefüge des deutschen Ausländerrechts zur Aufenthaltsbeendigung dar. Sie hat unmittelbar drittschützende Wirkung dahingehend, dass der Ausländer bei Vorliegen eines Regelfalles einen Anspruch auf Befristung überhaupt sowie einen Anspruch auf fehlerfreie Ausübung des der Ausländerbehörde hinsichtlich der Fristdauer eingeräumten Ermessens hat, der sich bei der Ermessensreduzierung „auf Null“ auf eine bestimmte Fristdauer/-modalität verengen kann. Für die bei der Fristbemessung maßgeblichen Grundsätze gilt, dass sie am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und am ordnungsrechtlichen Zweck - hier Spezialprävention - der zu befristenden Maßnahme zu orientieren ist. Bei der Prognose, ob bzw. wie lange der ordnungsrechtliche Zweck die Sperrwirkung weiterhin erfordert, sind alle - vor allem auch nachträglich eintretende - Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, soweit sie geltend gemacht (§ 82 AufenthG) oder sonst für die Behörde erkennbar sind. Schließlich sind - sei es als Element der eigentlichen Prognoseentscheidung selbst oder aber als selbstständiges fristverkürzendes Element - die aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen höherrangigen Rechts, vornehmlich die Wertentscheidungen des Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 und 2 EMRK sowie der im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) verankerte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten (vgl. grundlegend und mit zahlr. Nachweisen zur identischen Vorgängervorschrift des § 8 Abs. 2 Satz 3 AuslG: VGH Bad.-Württ., Urt. v. 26.3.2003 - 11 S 59/03 - InfAuslR 2003, 334). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage des mit der Verpflichtungsklage geltend gemachten Anspruchs auf Befristung der Wirkungen der Ausweisungsverfügung ist dabei der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. - wenn die Entscheidung, wie hier, ohne mündliche Verhandlung ergeht - der Zeitpunkt, in dem die Entscheidung gefällt wird (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 29.1.1997 - 11 S 2142/96 - InfAuslR 1997, 158; Armbruster, in HTK-AuslR, § 11 AufenthG / zu Abs. 1 Satz 3, 5 und 6 > Nr. 9 Rechtsschutz > Nr. 4).
34 
Vorliegend kommt der Schutz des Art. 8 EMRK der Klägerin zugute. Im Rahmen der Befristung der Ausweisung ist zwingend sicherzustellen, dass unzumutbare Auswirkungen, die eine Rückkehr in die Türkei für sie hätte, unterbleiben. Dies aber kann - mit der Folge einer Ermessensreduktion auf Null - nur dadurch geschehen, dass die Sperrwirkung sofort, d.h. noch während der Anwesenheit der Klägerin in Deutschland wegfällt. Sowohl die Klägerin als Migrantin der zweiten Generation als auch ihre beiden Kinder Sibel (17 Jahre alt - sie wird am 17.12.2007 18 Jahre) und Ali-Erdal (10 Jahre alt - er wird am 8.12.2007 11 Jahre) - sie sind Migranten der dritten Generation - können sich auf den Schutz des Familienlebens nach Art. 8 Abs. 1 EMRK berufen. Die mit einer längeren Befristung - und sei es auch nur von wenigen Monaten - verbundene Folge einer Rückkehr der Klägerin in Türkei hätte mehrfache, erheblich nachteilige Folgen, die diesen Eingriff im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK in einer demokratischen Gesellschaft nicht als notwendig bzw. nicht als zumutbar darstellen.
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An der Existenz und Schutzwürdigkeit eines Familienlebens kann kein Zweifel bestehen. Die beiden minderjährigen Kinder haben zwar eine nicht ganz unbeträchtliche Zeit bei Großmutter und Tante gelebt, das erfolgte erkennbar jedoch vor dem Hintergrund, dass sie für den Fall einer Abschiebung der Klägerin in die Türkei hier bleiben und versorgt sein sollten. Von Februar 2004 bis Mai 2006 hatte die Klägerin zwar das Sorgerecht für ihre beiden jüngsten Kinder auf ihre Mutter übertragen lassen. Seither besitzt sie es jedoch wieder und lebt auch mit den Kindern zusammen. Der Hinweis des RP Freiburg, die Klägerin habe am 24.7.2006 erklärt, keine Umverteilung zu ihren Kindern nach Singen zu wollen, geht von falschen Voraussetzungen aus. Zu keiner Zeit konnte dem entnommen werden, dass die Klägerin nicht mit ihren Kindern zusammenleben wollen. Vielmehr war diese Erklärung so gemeint, dass sie zwar in Villingen-Schwenningen bleiben, jedoch dort zusammen mit den Kindern wohnen wollte. Das wird auch dadurch bestätigt, dass die Klägerin mittlerweile mit ihren beiden minderjährigen Kindern sowie ihrem erwachsenen Sohn aus der ersten Ehe dort eine neue Wohnung bezogen hat.
36 
Eine Rückkehr der Klägerin in die Türkei würde entweder einen unzumutbaren Zwang auf die minderjährigen Kinder ausüben, ihr zu folgen, oder aber eine unzumutbare Trennung nach sich ziehen. Es ist davon auszugehen, dass Sibel und Ali-Erdal dauerhaft in Deutschland bleiben dürfen. Dies folgt entweder daraus, dass sie ihrerseits gemäß Art. 7 ARB 1/80 assoziationsbegünstigt begünstigt sind, oder jedenfalls daraus, dass ihnen i.V.m. Art. 8 Abs. 1 EMRK und den Vorschriften über die Aufenthaltserlaubnis ein nationales Recht zusteht. Die beiden Kinder sind nämlich hier geboren und haben Zeit ihres Lebens - das sind im heutigen Entscheidungszeitpunkt über 17 bzw. über 10 Jahre - in diesem Land und seinem kulturellen sprachlichen Umfeld gelebt und sind hier bislang zur Schule gegangen. Unabhängig davon, ob sie die türkische Sprache zumindest in Grundzügen beherrschen mögen, haben sie sonst offensichtlich keine Bindungen zur Türkei - alle nahen Familienangehörigen leben offensichtlich ebenfalls in Deutschland -, sodass ihnen als faktischen Inländern eine Rückkehr dorthin bzw. ein Leben dort unzumutbar wäre. Eine Trennung von ihrer Mutter wäre ihnen nicht zuzumuten. Sie können nicht darauf verwiesen werden, andere Verwandte - so wie in der Vergangenheit Großmutter und Tante - seien zur Betreuung fähig bzw. bereit. Sowohl der Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG als auch derjenige des Art. 8 EMRK beinhaltet nämlich auch die Befugnis zu entscheiden, welche Personen miteinander in Beistandsgemeinschaft leben wollen.
37 
Das Gericht ist schließlich auch davon überzeugt, dass die Kinder weder zusammen mit ihrer Mutter noch dass diese allein auch nur vorübergehend in der Türkei derart Fuß fassen könnten, dass eine reale Existenzmöglichkeit dort bestünde. Die Kinder sind für die Existenzsicherung auf die Mutter angewiesen. Die Klägerin jedoch ist, das darf trotz ihrer erheblichen Strafbarkeit nicht verkannt werden, krank, weil heroinsüchtig. Sie hat trotz zweier umfangreicher Therapien immer wieder einen Rückfall erlitten. Zwar muss (vgl. § 42 AsylvfG) auf Grund der unanfechtbaren Asylentscheidung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 20.7.2000 davon ausgegangen werden, dass die Heroinsucht der Klägerin in der Türkei im Fall einer Rückkehr behandelt werden kann. Im übrigen hätte wohl auch in der Sache nach nichts für ein Abschiebungshindernis gesprochen (vgl. etwa VGH Bad.-Württ., Urt. v. 24.2.2003 - A 12 S 939/02 - VENSA sowie VG Freiburg, Urt. v. 21.11.2003 - 1 K 205/02 - VENSA). Die negativen Auswirkungen auf die Familie sowie die mit dem Zwang zu einer auch nur vorübergehenden Integration in der Türkei einhergehende Überlastung der persönlichen und sozialen Kräfte der Klägerin sind damit jedoch nicht bindend verneint worden. Maßnahmen aber, die Familienmitglieder an einem Zusammenleben hindern bzw. auseinanderreißen, stellen einen sehr schwerwiegenden Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Recht dar (EGMR, Urt. v. 31.1.2006 - 50252/99 [Sezen] - InfAuslR 2006, 255). Das gilt umso mehr hier, wo die Klägerin und ihre Kinder sich in einer zweifellos problematischen Lebenssituation befinden, und gerade deshalb besonders aufeinander angewiesen sind, um ein Mindestmaß an Stabilität zu gewährleisten. Ausgehend von einem Aufenthaltsrecht der Kinder wird auch die Klägerin wieder einen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis geltend machen können. Insoweit liegt nämlich eine außergewöhnliche Härte i.S.v. § 36 AufenthG vor.
38 
Der Gesichtspunkt einer von der Klägerin angesichts späterer einschlägiger Betäubungsmittelstraftaten auch im heutigen Zeitpunkt ausgehenden Wiederholungsgefahr muss vor diesem gesamten Hintergrund zurücktreten. Begreift man, wie oben dargelegt, ihre gesamte persönliche und auch familiäre Situation als äußerst problematisch, so mag sogar zu ihren Gunsten berücksichtigt werden, dass die zuletzt erfolgte Verurteilung vom 30.9.2004 durch das Amtsgericht Villingen-Schwenningen eine Aussetzung der Strafvollstreckung zur Bewährung aussprach. Wenngleich ein solcher Umstand zwar tatsächliches Gewicht hat, gleichwohl aber im ordnungsrechtlichen Kontext nicht ausländerrechtliche Maßnahmen der Spezialprävention verhindern muss, so ist doch zu beachten, dass offensichtlich auch das Strafgericht der Möglichkeit einer Resozialisierung der Klägerin für ihre Person eine besonders wichtige Bedeutung zugemessen hat.
39 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO; das Gericht hat keinen Anlass, sie für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 167 Abs. 2 VwGO). Gründe für eine Zulassung der Berufung liegen nicht vor, weshalb hinsichtlich der Anfechtbarkeit dieses Urteils folgendes gilt: (Rechtsmittelbelehrung).

Gründe

 
23 
I. Der zulässige Hauptantrag, der auf eine Aufhebung der bestandskräftigen Ausweisung zielt (vgl. dazu, dass die Wirkungen von Ausweisungen, die vor diesem Zeitpunkt gegenüber nach dem ARB 1/80 privilegierten türkischen Staatsangehörigen verfügt und bestandskräftig geworden sind, mit dem Inkrafttreten des AufenthG am 1.1.2005 nicht entfallen sind: VGH Bad.-Württ., Urt. v. 24.1.2007 - 13 S 451/06 - InfAuslR 2007, 182; Beschl. v. 13.4.2006 - 1 S 734/06 - VENSA), ist unbegründet. Die Ziff. 1 der Entscheidung des RP Freiburg vom 4.8.2006 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).
24 
Einen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens im engeren Sinne gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG sowie eine daran anschließende (positive) Sachentscheidung (zur Verfahrens- und Entscheidungsstruktur im Rahmen des § 51 LVwVfG vgl. für die bundesrechtliche Regelung: Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Auflage 2001, § 51 Rnrn. 22 ff.: eigenständige Neubescheidung ohne Bezug zu §§ 48, 49 VwVfG) hat das RP Freiburg zu Recht abgelehnt. Die geltend gemachte Änderung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stellt keine neue Rechtslage dar. Wegen Einzelheiten kann insoweit auf den Beschluss des VGH Baden-Württemberg vom 29.3.2007 (11 S 2147/06 dort Entsch.-Seiten 5/6) im Beschwerdeverfahren, welches das PKH-Begehren der Klägerin im erledigten Verfahren 1 K 1026/06 betraf, Bezug genommen werden.
25 
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Rücknahme oder Widerruf der Ausweisung. Wie sich aus § 51 Abs. 5 LVwVfG ergibt, sind die Verfahren nach § 51 Abs. 1 bis 4 LVwVfG (sog. Wiederaufgreifen im engeren Sinne) und diejenigen der Rücknahme und des Widerrufs - sog. Wiederaufgreifen im weiteren Sinne - nicht identisch. § 51 Abs. 5 LVwVfG stellt - in Entsprechung zur bundesrechtlichen Rechtslage - klar, dass mit der Schaffung des § 51 Abs. 1 LVwVfG nichts daran geändert wird, dass auf Antrag des Betroffenen eine Ermessensentscheidung auf der Grundlage der §§ 48, 49 LVwVfG zu ergehen hat (vgl. zu §§ 51, 48, 49 VwVfG: Sachs, a.a.O., Rnr. 141 f.). Soweit dem RP Freiburg (zu dessen Zuständigkeit vgl. §§ 48 Abs. 5, 49 Abs. 5 LVwVfG i.V.m. § 12 Abs. 3 AAZuVO) folglich ein Ermessensspielraum bei der Frage der erneuten Überprüfung und Aufhebung der bestandskräftigen Ausweisung blieb, hat es in seinem Bescheid rechtsfehlerfrei entschieden, die Ausweisung nicht aufzuheben. Mit Blick auf einen Widerruf gemäß § 49 LVwVfG folgt dies bereits daraus, dass dieser spezialgesetzlich durch das Institut der Befristung i. S. v. § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG jedenfalls insoweit ausgeschlossen ist, als es um für den Fortbestand des Ausweisungszwecks erhebliche Sachverhaltsänderungen geht. Im übrigen ist nur die Rücknahme einschlägig, weil es sich bei der Ausweisung um einen (siehe sogleich) rechtswidrigen Verwaltungsakt handelt, für den § 49 LVwVfG nicht gilt.
26 
Eine Rücknahme hat das RP Freiburg rechtsfehlerfrei abgelehnt. Zutreffend ist die Behörde davon ausgegangen, dass grundsätzlich gemäß § 48 Abs. 1 LVwVfG in die Überprüfung, ob eine Rücknahme stattfinden soll, einzutreten war. Die Ausweisung vom 8.10.1999 ist nämlich rechtswidrig gewesen, weil der Klägerin eine assoziationsrechtliche Rechtsposition gemäß Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 zustand. Sie war 1973 zusammen mit ihren Eltern eingereist und hatte ihre erste Aufenthaltserlaubnis am 24.4.1984 zum Zweck der Familienzusammenführung, d.h. zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft mit einem dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehörenden türkischen Arbeitnehmer, ihren Eltern, erhalten. Mit diesen hatte sie auch die erforderliche Dauer von mindestens drei bzw. fünf Jahren - konkret bis zum 5.7.1984, als sie zu ihrem türkischen Ehemann nach Tuttlingen zog - zusammengelebt (vgl. zur Geltung des Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 entsprechend für ein Kind, das im Mitgliedstaat geboren ist und stets dort gewohnt hat: EuGH, Urt. v. 11.11.2004 - C-467/02 - [Cetinkaya] - NVwZ 2005, 198). Ihre Volljährigkeit im Zeitpunkt der Ausweisung änderte an der unmittelbar aus dem ARB 1/80 folgenden Rechtsposition ebenso wenig etwas, wie die ab 4.8.1998 erfolgte Verbüßung von U-Haft bzw. später Strafhaft im Zusammenhang mit dem Urteil des LG Konstanz vom 12.8.1999 (zu diesen Einzelheiten des Aufenthaltsrechts nach Art. 7 ARB 1/80 vgl. EuGH, Urt. v. 7.7.2005 - C-373/03 [Aydinli] - InfAuslR 2005,352; ferner EuGH, Urt. v. 16.1.2006 - C-502/04 [Torun] - InfAuslR 2006, 209). Ihre Ausweisung hätte folglich nicht, wie vom RP Freiburg damals verfügt, nach den Regelungen über die Ist-Ausweisung sondern nur nach denjenigen über die - in der Ausweisungsverfügung auch nicht hilfsweise herangezogene - Ermessensausweisung erfolgen dürfen (grundlegend: BVerwG, Urt. v. 13.9.2005 - 1 C 7/04 - BVerwGE 124, 217 = InfAuslR 2006, 110). Ferner wäre, woran es jedoch ebenfalls fehlte, formell-rechtlich zuvor eine zweite Stelle i.S.v. Art. 9 Abs. 1 RiL 64/221/EWG zu beteiligen gewesen (vgl. hierzu ebenfalls BVerwG, Urt. v. 13.9.2005, a.a.O.). Ein „dringender Fall“ i.S. der vorgenannten Vorschrift lag nicht vor, weil sich auf Grund der Strafhaft der Klägerin bzw. ihrer Drogentherapie eine von ihr ausgehende Gefahr nicht vor Abschluss eines gerichtlichen Hauptsacheverfahrens realisiert hätte und auch sonst eine Verzögerung der Ausweisungsentscheidung durch die Einschaltung einer zweiten Stelle hinnehmbar gewesen wäre (zum letztgenannten Gesichtspunkt vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 29.6.2006 - 11 S 2299/05 - VENSA).
27 
Hiervon ausgehend hat das RP Freiburg jedoch gleichwohl eine Rücknahme ablehnen dürfen und sein Ermessen insoweit rechtsfehlerfrei erkannt bzw. betätigt (zum gerichtlichen Prüfungsmaßstab vgl. § 114 VwGO).
28 
Umstände, nach denen sich das der Behörde von § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG eingeräumte Ermessen dahin verdichtet hätte, dass nur die Rücknahme des Bescheides ermessensfehlerfrei wäre, liegen nicht vor. Bei der Ausübung des Rücknahmeermessens ist in Rechnung zu stellen, dass dem Grundsatz der materiellen Gerechtigkeit prinzipiell kein größeres Gewicht zukommt als dem Grundsatz der Rechtssicherheit, sofern dem anzuwendenden Recht nicht ausnahmsweise eine andere Wertung zu entnehmen ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts besteht mit Blick auf das Gebot der materiellen Gerechtigkeit ausnahmsweise dann ein Anspruch auf Rücknahme eines bestandskräftigen Verwaltungsakts, wenn dessen Aufrechterhaltung „schlechthin unerträglich" ist, was von den Umständen des Einzelfalles und einer Gewichtung der einschlägigen Gesichtspunkte abhängt. Allein die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts begründet keinen Anspruch auf Rücknahme, da der Rechtsverstoß lediglich die Voraussetzung einer Ermessensentscheidung der Behörde ist. Das Festhalten an dem Verwaltungsakt ist insbesondere dann „schlechthin unerträglich", wenn die Behörde durch unterschiedliche Ausübung der Rücknahmebefugnis in gleichen oder ähnlich gelagerten Fällen gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstößt oder wenn Umstände gegeben sind, die die Berufung der Behörde auf die Unanfechtbarkeit als einen Verstoß gegen die guten Sitten oder Treu und Glauben erscheinen lassen. Die offensichtliche Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, dessen Rücknahme begehrt wird, kann ebenfalls die Annahme rechtfertigen, seine Aufrechterhaltung sei schlechthin unerträglich. Ferner kann in dem einschlägigen Fachrecht eine bestimmte Richtung der zu treffenden Entscheidung in der Weise vorgegeben sein, dass das Ermessen im Regelfall nur durch die Entscheidung für die Rücknahme des Verwaltungsakts rechtmäßig ausgeübt werden kann, so dass sich das Ermessen in diesem Sinne als intendiert erweist (vgl. zusammenfassend: BVerwG, Urteil v. 17.1.2007 - 6 C 32.06 - Juris).
29 
Umstände, die das Ermessen hin auf eine Rücknahme reduziert hätten oder die das RP Freiburg sonst - im Rahmen eines verbleibenden Spielraums - fehlerhaft unberücksichtigt gelassen oder falsch gewichtet hätte, liegen hier nicht vor. Von einer offensichtlichen Europa- bzw. Assoziationsrechtswidrigkeit kann angesichts des Zeitpunkts der Ausweisungsentscheidung im Jahr 1999 - über 5 Jahre vor Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung - nicht ausgegangen werden (vgl. in diesem Sinne sogar noch für eine unter dem 5.9.2005 verfügte Ausweisung durch das RP Freiburg: VG Freiburg, Urt. v. 28.3.2007 - 1 K 505/06). Ein Festhalten an der Ausweisung stellt auch keinen Verstoß gegen das gemeinschaftsrechtliche Effizienzgebot dar. Denn die Klägerin hat es durch die Zurücknahme ihrer damaligen Klage versäumt, die Ausweisung einer gerichtlichen Überprüfung auf eine Vereinbarkeit mit Gemeinschafts-/Assoziationsrecht zuzuführen. Wie der EuGH im Urteil vom 19.9.2006 (C-392/04 und C-422/04 [I 21] - InfAuslR 2006, 439) ausgeführt hat, verlangt das Gemeinschaftsrecht nicht, dass eine Verwaltungsbehörde grundsätzlich verpflichtet ist, eine Verwaltungsentscheidung zurückzunehmen, die nach Ablauf angemessener Fristen oder durch Erschöpfung des Rechtswegs bestandskräftig geworden ist. Durch die Beachtung dieses Grundsatzes lässt sich verhindern, dass Handlungen der Verwaltung, die Rechtswirkungen entfalten, unbegrenzt in Frage gestellt werden können. Nur in bestimmten Fällen kann jedoch eine Schranke für diesen Grundsatz bestehen, nämlich wenn vier Voraussetzungen erfüllt sind. Erstens, die Behörde ist nach nationalem Recht befugt, diese Entscheidung zurückzunehmen. Zweitens, die Entscheidung ist infolge eines Urteils eines in letzter Instanz entscheidenden nationalen Gerichts bestandskräftig geworden. Drittens, das Urteil beruht, wie eine nach seinem Erlass ergangene Entscheidung des Gerichtshofes zeigt, auf einer unrichtigen Auslegung des Gemeinschaftsrechts, die erfolgt ist, ohne dass der Gerichtshof um Vorabentscheidung ersucht wurde, obwohl der Tatbestand des Artikels 234 Absatz 3 EG erfüllt war. Viertens, der Betroffene hat sich, unmittelbar nachdem er Kenntnis von der besagten Entscheidung des Gerichtshofes erlangt hat, an die Verwaltungsbehörde gewandt. Maßgeblich ist also, dass der Betroffene sämtliche ihm zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe ausgeschöpft hat. Diese auf Assoziationsbegünstigte zu übertragenden Ausnahmevoraussetzungen liegen jedoch im Fall der Klägerin nicht vor (in diesem Sinne bereits konkret für den Fall der Klägerin auch VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 29.3.2007, a.a.O.).
30 
Zutreffend hat das RP Freiburg schließlich eine Abwägung von öffentlichen Belangen (Rechtssicherheit) und privatem Interesse (materielle Gerechtigkeit) auch unter dem Gesichtspunkt der Frage nach „schlechthin unerträglichen“ Auswirkungen für die Klägerin vorgenommen. Die Ausländerbehörde hat zutreffend darauf hingewiesen, dass gerade angesichts der den Ausweisungsanlass im Jahr 1999 bildenden Betäubungsmittelstraftaten eine konkrete Wiederholungsgefahr von der Klägerin ausging, die im damaligen Ausweisungszeitpunkt auch eine Ermessenausweisung in Betracht kommen lassen konnte (zu diesem Prüfungsgesichtspunkt und seiner Zulässigkeit im Rahmen des Rücknahmeermessens: Hamb. OVG, Beschl. v. 14.12.2005 - 3 Bs 79/05 - InfAuslR 2006, 305; OVG Niedersachsen, Beschluss v. 30.5.2006 - 11 LA 147/05 - NVwZ 2006, 1302). Nach ständiger Rechtsprechung ist die Ausweisung eines assoziationsbegünstigten Türken nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 zulässig, wenn die hinreichend konkrete Wahrscheinlichkeit erneuter Straftaten im Rahmen der Betäubungsmittelkriminalität steht. Der Handel mit und die Verwendung von gefährlichen Betäubungsmitteln - allen voran Heroin - stellt nämlich sowohl einen schweren Ausweisungsanlass i.S.d. nationalrechtlichen besonderen Ausweisungsschutzvorschriften (vgl. § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG) als auch einen EU-/assoziationsrechtlich relevanten Verstoß gegen Grundinteressen der Gesellschaft dar (vgl. etwa VGH Bad.-Württ., Urt. v. 10.9.2003 - 11 S 973/03 - VENSA, mit zahlreichen Nachweisen aus der Rspr. des BVerwG und des EuGH).
31 
Eine schlechthin unerträgliche Wirkung hat die Aufrechterhaltung der Ausweisung auch nicht vor dem Hintergrund des Art. 8 EMRK. Allerdings kann die Verhältnismäßigkeit einer Ausweisung im Fall des unwiederbringlichen Verlusts für das Privatleben konstitutiver Beziehungen nicht durch eine Befristung ihrer Wirkungen erreicht werden, so etwa, wenn das Aufenthaltsrecht nach dem Wegfall der Bindungen an das Bundesgebiet eine Wiedereinreise grundsätzlich nicht vorsieht, und der spätere (im Wege der Befristung der Sperrwirkungen eintretende) Wegfall des Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG daher ohne praktische Wirkung bleibt (BVerfG, Beschl. v. 10.5.2007 - 2 BvR 304/07 - soweit ersichtlich nur veröffentlicht auf der Internethomepage des Gerichts unter Entscheidungen > Rubrik Mai 2007 > Datum 10.5.; weniger streng: VGH Bad.-Württ., Urt. v. 13.6.2000 - 13 S 1378/98 - VBlBW 2001, 23 , der darauf abstellt, bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 30 Abs. 5 AuslG [jetzt § 25 Abs. 5 AufenthG] könne auch auf eine vorherige Ausreise des Ausländers verzichtet werden). Im Fall der Klägerin existiert jedoch eine bestandskräftige Ausweisung, die im Jahr 1999 auch nach Ermessen hätte ernsthaft in Betracht kommen können. Die Aufrechterhaltung dieser Ausweisung bedeutet zwar, dass damit endgültig der Verlust ihres Aufenthaltsrechts nach Art. 7 ARB 1/80 feststeht (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG). Dies hat ferner zur Folge, dass nach dem Ende der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 1 AufenthG sich ein türkischer Staatsangehöriger nicht (mehr) auf ein Aufenthaltsrecht aus dem ARB 1/80 berufen kann, also einem (normalem) türkischen Staatsangehörigen gleichgestellt ist, der in das Bundesgebiet einreisen will (Armbruster, in: HTK-AuslR / ARB 1/80 / Art. 14 05/2007 Nr. 2 und Nr. 9). Da sich die Klägerin jedoch wirksam und effektiv im Rahmen des Befristungsanspruchs nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG darauf berufen kann, eine Aufenthaltsbeendigung verstoße gegen Art. 8 EMRK (dazu sogleich unter II.), wird sie im Ergebnis durch eine Aufrechterhaltung der früheren Ausweisung nicht unerträglich belastet.
32 
II. Erfolgreich ist hingegen der zulässige Hilfsantrag der Klägerin. Seine Auslegung (§ 88 VwGO) anhand des maßgeblichen Anwaltsschriftsatzes vom 4.7.2007 ergibt, dass die Klägerin die Gründe, die eine Unerträglichkeit der Aufrechterhaltung ihrer Ausweisung darstellen, hilfsweise auch der Befristungsentscheidung entgegenhalten will. Damit macht sie aber im Ergebnis einen Anspruch auf Befristung mit sofortiger Wirkung geltend. Dieses Begehren hat in der Sache auch Erfolg. Ziffer 2 des RP-Bescheids ist nämlich rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, weil sie einen Anspruch auf sofortige Beseitigung der Sperrwirkung - mithin eine Befristung auf Null - hat (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
33 
Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG werden die in den vorangehenden Sätzen 1 und 2 bezeichneten (Sperr-)Wirkungen der Ausweisung auf Antrag in der Regel befristet. Diese Regelung ist eine wichtige Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und stellt als solche einen bedeutsamen Baustein im abgestuften Regelungsgefüge des deutschen Ausländerrechts zur Aufenthaltsbeendigung dar. Sie hat unmittelbar drittschützende Wirkung dahingehend, dass der Ausländer bei Vorliegen eines Regelfalles einen Anspruch auf Befristung überhaupt sowie einen Anspruch auf fehlerfreie Ausübung des der Ausländerbehörde hinsichtlich der Fristdauer eingeräumten Ermessens hat, der sich bei der Ermessensreduzierung „auf Null“ auf eine bestimmte Fristdauer/-modalität verengen kann. Für die bei der Fristbemessung maßgeblichen Grundsätze gilt, dass sie am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und am ordnungsrechtlichen Zweck - hier Spezialprävention - der zu befristenden Maßnahme zu orientieren ist. Bei der Prognose, ob bzw. wie lange der ordnungsrechtliche Zweck die Sperrwirkung weiterhin erfordert, sind alle - vor allem auch nachträglich eintretende - Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, soweit sie geltend gemacht (§ 82 AufenthG) oder sonst für die Behörde erkennbar sind. Schließlich sind - sei es als Element der eigentlichen Prognoseentscheidung selbst oder aber als selbstständiges fristverkürzendes Element - die aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen höherrangigen Rechts, vornehmlich die Wertentscheidungen des Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 und 2 EMRK sowie der im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) verankerte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten (vgl. grundlegend und mit zahlr. Nachweisen zur identischen Vorgängervorschrift des § 8 Abs. 2 Satz 3 AuslG: VGH Bad.-Württ., Urt. v. 26.3.2003 - 11 S 59/03 - InfAuslR 2003, 334). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage des mit der Verpflichtungsklage geltend gemachten Anspruchs auf Befristung der Wirkungen der Ausweisungsverfügung ist dabei der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. - wenn die Entscheidung, wie hier, ohne mündliche Verhandlung ergeht - der Zeitpunkt, in dem die Entscheidung gefällt wird (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 29.1.1997 - 11 S 2142/96 - InfAuslR 1997, 158; Armbruster, in HTK-AuslR, § 11 AufenthG / zu Abs. 1 Satz 3, 5 und 6 > Nr. 9 Rechtsschutz > Nr. 4).
34 
Vorliegend kommt der Schutz des Art. 8 EMRK der Klägerin zugute. Im Rahmen der Befristung der Ausweisung ist zwingend sicherzustellen, dass unzumutbare Auswirkungen, die eine Rückkehr in die Türkei für sie hätte, unterbleiben. Dies aber kann - mit der Folge einer Ermessensreduktion auf Null - nur dadurch geschehen, dass die Sperrwirkung sofort, d.h. noch während der Anwesenheit der Klägerin in Deutschland wegfällt. Sowohl die Klägerin als Migrantin der zweiten Generation als auch ihre beiden Kinder Sibel (17 Jahre alt - sie wird am 17.12.2007 18 Jahre) und Ali-Erdal (10 Jahre alt - er wird am 8.12.2007 11 Jahre) - sie sind Migranten der dritten Generation - können sich auf den Schutz des Familienlebens nach Art. 8 Abs. 1 EMRK berufen. Die mit einer längeren Befristung - und sei es auch nur von wenigen Monaten - verbundene Folge einer Rückkehr der Klägerin in Türkei hätte mehrfache, erheblich nachteilige Folgen, die diesen Eingriff im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK in einer demokratischen Gesellschaft nicht als notwendig bzw. nicht als zumutbar darstellen.
35 
An der Existenz und Schutzwürdigkeit eines Familienlebens kann kein Zweifel bestehen. Die beiden minderjährigen Kinder haben zwar eine nicht ganz unbeträchtliche Zeit bei Großmutter und Tante gelebt, das erfolgte erkennbar jedoch vor dem Hintergrund, dass sie für den Fall einer Abschiebung der Klägerin in die Türkei hier bleiben und versorgt sein sollten. Von Februar 2004 bis Mai 2006 hatte die Klägerin zwar das Sorgerecht für ihre beiden jüngsten Kinder auf ihre Mutter übertragen lassen. Seither besitzt sie es jedoch wieder und lebt auch mit den Kindern zusammen. Der Hinweis des RP Freiburg, die Klägerin habe am 24.7.2006 erklärt, keine Umverteilung zu ihren Kindern nach Singen zu wollen, geht von falschen Voraussetzungen aus. Zu keiner Zeit konnte dem entnommen werden, dass die Klägerin nicht mit ihren Kindern zusammenleben wollen. Vielmehr war diese Erklärung so gemeint, dass sie zwar in Villingen-Schwenningen bleiben, jedoch dort zusammen mit den Kindern wohnen wollte. Das wird auch dadurch bestätigt, dass die Klägerin mittlerweile mit ihren beiden minderjährigen Kindern sowie ihrem erwachsenen Sohn aus der ersten Ehe dort eine neue Wohnung bezogen hat.
36 
Eine Rückkehr der Klägerin in die Türkei würde entweder einen unzumutbaren Zwang auf die minderjährigen Kinder ausüben, ihr zu folgen, oder aber eine unzumutbare Trennung nach sich ziehen. Es ist davon auszugehen, dass Sibel und Ali-Erdal dauerhaft in Deutschland bleiben dürfen. Dies folgt entweder daraus, dass sie ihrerseits gemäß Art. 7 ARB 1/80 assoziationsbegünstigt begünstigt sind, oder jedenfalls daraus, dass ihnen i.V.m. Art. 8 Abs. 1 EMRK und den Vorschriften über die Aufenthaltserlaubnis ein nationales Recht zusteht. Die beiden Kinder sind nämlich hier geboren und haben Zeit ihres Lebens - das sind im heutigen Entscheidungszeitpunkt über 17 bzw. über 10 Jahre - in diesem Land und seinem kulturellen sprachlichen Umfeld gelebt und sind hier bislang zur Schule gegangen. Unabhängig davon, ob sie die türkische Sprache zumindest in Grundzügen beherrschen mögen, haben sie sonst offensichtlich keine Bindungen zur Türkei - alle nahen Familienangehörigen leben offensichtlich ebenfalls in Deutschland -, sodass ihnen als faktischen Inländern eine Rückkehr dorthin bzw. ein Leben dort unzumutbar wäre. Eine Trennung von ihrer Mutter wäre ihnen nicht zuzumuten. Sie können nicht darauf verwiesen werden, andere Verwandte - so wie in der Vergangenheit Großmutter und Tante - seien zur Betreuung fähig bzw. bereit. Sowohl der Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG als auch derjenige des Art. 8 EMRK beinhaltet nämlich auch die Befugnis zu entscheiden, welche Personen miteinander in Beistandsgemeinschaft leben wollen.
37 
Das Gericht ist schließlich auch davon überzeugt, dass die Kinder weder zusammen mit ihrer Mutter noch dass diese allein auch nur vorübergehend in der Türkei derart Fuß fassen könnten, dass eine reale Existenzmöglichkeit dort bestünde. Die Kinder sind für die Existenzsicherung auf die Mutter angewiesen. Die Klägerin jedoch ist, das darf trotz ihrer erheblichen Strafbarkeit nicht verkannt werden, krank, weil heroinsüchtig. Sie hat trotz zweier umfangreicher Therapien immer wieder einen Rückfall erlitten. Zwar muss (vgl. § 42 AsylvfG) auf Grund der unanfechtbaren Asylentscheidung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 20.7.2000 davon ausgegangen werden, dass die Heroinsucht der Klägerin in der Türkei im Fall einer Rückkehr behandelt werden kann. Im übrigen hätte wohl auch in der Sache nach nichts für ein Abschiebungshindernis gesprochen (vgl. etwa VGH Bad.-Württ., Urt. v. 24.2.2003 - A 12 S 939/02 - VENSA sowie VG Freiburg, Urt. v. 21.11.2003 - 1 K 205/02 - VENSA). Die negativen Auswirkungen auf die Familie sowie die mit dem Zwang zu einer auch nur vorübergehenden Integration in der Türkei einhergehende Überlastung der persönlichen und sozialen Kräfte der Klägerin sind damit jedoch nicht bindend verneint worden. Maßnahmen aber, die Familienmitglieder an einem Zusammenleben hindern bzw. auseinanderreißen, stellen einen sehr schwerwiegenden Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Recht dar (EGMR, Urt. v. 31.1.2006 - 50252/99 [Sezen] - InfAuslR 2006, 255). Das gilt umso mehr hier, wo die Klägerin und ihre Kinder sich in einer zweifellos problematischen Lebenssituation befinden, und gerade deshalb besonders aufeinander angewiesen sind, um ein Mindestmaß an Stabilität zu gewährleisten. Ausgehend von einem Aufenthaltsrecht der Kinder wird auch die Klägerin wieder einen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis geltend machen können. Insoweit liegt nämlich eine außergewöhnliche Härte i.S.v. § 36 AufenthG vor.
38 
Der Gesichtspunkt einer von der Klägerin angesichts späterer einschlägiger Betäubungsmittelstraftaten auch im heutigen Zeitpunkt ausgehenden Wiederholungsgefahr muss vor diesem gesamten Hintergrund zurücktreten. Begreift man, wie oben dargelegt, ihre gesamte persönliche und auch familiäre Situation als äußerst problematisch, so mag sogar zu ihren Gunsten berücksichtigt werden, dass die zuletzt erfolgte Verurteilung vom 30.9.2004 durch das Amtsgericht Villingen-Schwenningen eine Aussetzung der Strafvollstreckung zur Bewährung aussprach. Wenngleich ein solcher Umstand zwar tatsächliches Gewicht hat, gleichwohl aber im ordnungsrechtlichen Kontext nicht ausländerrechtliche Maßnahmen der Spezialprävention verhindern muss, so ist doch zu beachten, dass offensichtlich auch das Strafgericht der Möglichkeit einer Resozialisierung der Klägerin für ihre Person eine besonders wichtige Bedeutung zugemessen hat.
39 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO; das Gericht hat keinen Anlass, sie für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 167 Abs. 2 VwGO). Gründe für eine Zulassung der Berufung liegen nicht vor, weshalb hinsichtlich der Anfechtbarkeit dieses Urteils folgendes gilt: (Rechtsmittelbelehrung).

(1) Einem Ausländer, der als Minderjähriger rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hatte, ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn

1.
der Ausländer sich vor seiner Ausreise acht Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten und sechs Jahre im Bundesgebiet eine Schule besucht hat,
2.
sein Lebensunterhalt aus eigener Erwerbstätigkeit oder durch eine Unterhaltsverpflichtung gesichert ist, die ein Dritter für die Dauer von fünf Jahren übernommen hat, und
3.
der Antrag auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach Vollendung des 15. und vor Vollendung des 21. Lebensjahres sowie vor Ablauf von fünf Jahren seit der Ausreise gestellt wird.

(2) Zur Vermeidung einer besonderen Härte kann von den in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 bezeichneten Voraussetzungen abgewichen werden. Von den in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 bezeichneten Voraussetzungen kann abgesehen werden, wenn der Ausländer im Bundesgebiet einen anerkannten Schulabschluss erworben hat.

(2a) Von den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 bezeichneten Voraussetzungen kann abgewichen werden, wenn der Ausländer rechtswidrig mit Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Eingehung der Ehe genötigt und von der Rückkehr nach Deutschland abgehalten wurde, er den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis innerhalb von drei Monaten nach Wegfall der Zwangslage, spätestens jedoch vor Ablauf von fünf Jahren seit der Ausreise, stellt, und gewährleistet erscheint, dass er sich aufgrund seiner bisherigen Ausbildung und Lebensverhältnisse in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland einfügen kann. Erfüllt der Ausländer die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, soll ihm eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn er rechtswidrig mit Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Eingehung der Ehe genötigt und von der Rückkehr nach Deutschland abgehalten wurde und er den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis innerhalb von drei Monaten nach Wegfall der Zwangslage, spätestens jedoch vor Ablauf von zehn Jahren seit der Ausreise, stellt. Absatz 2 bleibt unberührt.

(3) Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis kann versagt werden,

1.
wenn der Ausländer ausgewiesen worden war oder ausgewiesen werden konnte, als er das Bundesgebiet verließ,
2.
wenn ein Ausweisungsinteresse besteht oder
3.
solange der Ausländer minderjährig und seine persönliche Betreuung im Bundesgebiet nicht gewährleistet ist.

(4) Der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis steht nicht entgegen, dass der Lebensunterhalt nicht mehr aus eigener Erwerbstätigkeit gesichert oder die Unterhaltsverpflichtung wegen Ablaufs der fünf Jahre entfallen ist.♦

(5) Einem Ausländer, der von einem Träger im Bundesgebiet Rente bezieht, wird in der Regel eine Aufenthaltserlaubnis erteilt, wenn er sich vor seiner Ausreise mindestens acht Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist ein befristeter Aufenthaltstitel. Sie wird zu den in den nachfolgenden Abschnitten genannten Aufenthaltszwecken erteilt. In begründeten Fällen kann eine Aufenthaltserlaubnis auch für einen von diesem Gesetz nicht vorgesehenen Aufenthaltszweck erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis nach Satz 3 berechtigt nicht zur Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(2) Die Aufenthaltserlaubnis ist unter Berücksichtigung des beabsichtigten Aufenthaltszwecks zu befristen. Ist eine für die Erteilung, die Verlängerung oder die Bestimmung der Geltungsdauer wesentliche Voraussetzung entfallen, so kann die Frist auch nachträglich verkürzt werden.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist ein befristeter Aufenthaltstitel. Sie wird zu den in den nachfolgenden Abschnitten genannten Aufenthaltszwecken erteilt. In begründeten Fällen kann eine Aufenthaltserlaubnis auch für einen von diesem Gesetz nicht vorgesehenen Aufenthaltszweck erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis nach Satz 3 berechtigt nicht zur Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(2) Die Aufenthaltserlaubnis ist unter Berücksichtigung des beabsichtigten Aufenthaltszwecks zu befristen. Ist eine für die Erteilung, die Verlängerung oder die Bestimmung der Geltungsdauer wesentliche Voraussetzung entfallen, so kann die Frist auch nachträglich verkürzt werden.

(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist ein befristeter Aufenthaltstitel. Sie wird zu den in den nachfolgenden Abschnitten genannten Aufenthaltszwecken erteilt. In begründeten Fällen kann eine Aufenthaltserlaubnis auch für einen von diesem Gesetz nicht vorgesehenen Aufenthaltszweck erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis nach Satz 3 berechtigt nicht zur Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(2) Die Aufenthaltserlaubnis ist unter Berücksichtigung des beabsichtigten Aufenthaltszwecks zu befristen. Ist eine für die Erteilung, die Verlängerung oder die Bestimmung der Geltungsdauer wesentliche Voraussetzung entfallen, so kann die Frist auch nachträglich verkürzt werden.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet für ausländische Familienangehörige (Familiennachzug) wird zum Schutz von Ehe und Familie gemäß Artikel 6 des Grundgesetzes erteilt und verlängert.

(1a) Ein Familiennachzug wird nicht zugelassen, wenn

1.
feststeht, dass die Ehe oder das Verwandtschaftsverhältnis ausschließlich zu dem Zweck geschlossen oder begründet wurde, dem Nachziehenden die Einreise in das und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen, oder
2.
tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme begründen, dass einer der Ehegatten zur Eingehung der Ehe genötigt wurde.

(2) Für die Herstellung und Wahrung einer lebenspartnerschaftlichen Gemeinschaft im Bundesgebiet finden die Absätze 1a und 3, § 9 Abs. 3, § 9c Satz 2, die §§ 28 bis 31, 36a, 51 Absatz 2 und 10 Satz 2 entsprechende Anwendung.

(3) Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs kann versagt werden, wenn derjenige, zu dem der Familiennachzug stattfindet, für den Unterhalt von anderen Familienangehörigen oder anderen Haushaltsangehörigen auf Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch angewiesen ist. Von § 5 Abs. 1 Nr. 2 kann abgesehen werden.

(3a) Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs ist zu versagen, wenn derjenige, zu dem der Familiennachzug stattfinden soll,

1.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuches bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuches vorbereitet oder vorbereitet hat,
2.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
3.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
4.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs darf längstens für den Gültigkeitszeitraum der Aufenthaltserlaubnis des Ausländers erteilt werden, zu dem der Familiennachzug stattfindet. Sie ist für diesen Zeitraum zu erteilen, wenn der Ausländer, zu dem der Familiennachzug stattfindet, eine Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 18d, 18f oder § 38a besitzt, eine Blaue Karte EU, eine ICT-Karte oder eine Mobiler-ICT-Karte besitzt oder sich gemäß § 18e berechtigt im Bundesgebiet aufhält. Im Übrigen ist die Aufenthaltserlaubnis erstmals für mindestens ein Jahr zu erteilen.

(5) (weggefallen)

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Dem Ehegatten eines Ausländers ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn

1.
beide Ehegatten das 18. Lebensjahr vollendet haben,
2.
der Ehegatte sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann und
3.
der Ausländer
a)
eine Niederlassungserlaubnis besitzt,
b)
eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt,
c)
eine Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 18d, 18f oder § 25 Absatz 1 oder Absatz 2 Satz 1 erste Alternative besitzt,
d)
seit zwei Jahren eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und die Aufenthaltserlaubnis nicht mit einer Nebenbestimmung nach § 8 Abs. 2 versehen oder die spätere Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nicht auf Grund einer Rechtsnorm ausgeschlossen ist; dies gilt nicht für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative,
e)
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 7 Absatz 1 Satz 3 oder nach den Abschnitten 3, 4, 5 oder 6 oder § 37 oder § 38 besitzt, die Ehe bei deren Erteilung bereits bestand und die Dauer seines Aufenthalts im Bundesgebiet voraussichtlich über ein Jahr betragen wird; dies gilt nicht für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative,
f)
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 38a besitzt und die eheliche Lebensgemeinschaft bereits in dem Mitgliedstaat der Europäischen Union bestand, in dem der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten innehat, oder
g)
eine Blaue Karte EU, eine ICT-Karte oder eine Mobiler-ICT-Karte besitzt.
Satz 1 Nummer 1 und 2 ist für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis unbeachtlich, wenn die Voraussetzungen des Satzes 1 Nummer 3 Buchstabe f vorliegen. Satz 1 Nummer 2 ist für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis unbeachtlich, wenn
1.
der Ausländer, der einen Aufenthaltstitel nach § 23 Absatz 4, § 25 Absatz 1 oder 2, § 26 Absatz 3 oder nach Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Absatz 4 besitzt und die Ehe bereits bestand, als der Ausländer seinen Lebensmittelpunkt in das Bundesgebiet verlegt hat,
2.
der Ehegatte wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht in der Lage ist, einfache Kenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen,
3.
bei dem Ehegatten ein erkennbar geringer Integrationsbedarf im Sinne einer nach § 43 Absatz 4 erlassenen Rechtsverordnung besteht oder dieser aus anderen Gründen nach der Einreise keinen Anspruch nach § 44 auf Teilnahme am Integrationskurs hätte,
4.
der Ausländer wegen seiner Staatsangehörigkeit auch für einen Aufenthalt, der kein Kurzaufenthalt ist, visumfrei in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten darf,
5.
der Ausländer im Besitz einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte oder eines Aufenthaltstitels nach den §§ 18a, 18b Absatz 1, § 18c Absatz 3, den §§ 18d, 18f, 19c Absatz 1 für eine Beschäftigung als leitender Angestellter, als Führungskraft, als Unternehmensspezialist, als Wissenschaftler, als Gastwissenschaftler, als Ingenieur oder Techniker im Forschungsteam eines Gastwissenschaftlers oder als Lehrkraft, § 19c Absatz 2 oder 4 Satz 1 oder § 21 ist,
6.
es dem Ehegatten auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalles nicht möglich oder nicht zumutbar ist, vor der Einreise Bemühungen zum Erwerb einfacher Kenntnisse der deutschen Sprache zu unternehmen, oder
7.
der Ausländer unmittelbar vor der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU Inhaber einer Blauen Karte EU oder einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 18a, 18b Absatz 1, den §§ 18d, 19c Absatz 1 für eine Beschäftigung als leitender Angestellter, als Führungskraft, als Unternehmensspezialist, als Wissenschaftler, als Gastwissenschaftler, als Ingenieur oder Techniker im Forschungsteam eines Gastwissenschaftlers oder als Lehrkraft, § 19c Absatz 2 oder 4 Satz 1 oder § 21 war.

(2) Die Aufenthaltserlaubnis kann zur Vermeidung einer besonderen Härte abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 erteilt werden. Besitzt der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis, kann von den anderen Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe e abgesehen werden; Gleiches gilt, wenn der Ausländer ein nationales Visum besitzt.

(3) Die Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 und § 29 Abs. 1 Nr. 2 verlängert werden, solange die eheliche Lebensgemeinschaft fortbesteht.

(4) Ist ein Ausländer gleichzeitig mit mehreren Ehegatten verheiratet und lebt er gemeinsam mit einem Ehegatten im Bundesgebiet, wird keinem weiteren Ehegatten eine Aufenthaltserlaubnis nach Absatz 1 oder Absatz 3 erteilt.

(5) Hält sich der Ausländer gemäß § 18e berechtigt im Bundesgebiet auf, so bedarf der Ehegatte keines Aufenthaltstitels, wenn nachgewiesen wird, dass sich der Ehegatte in dem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union rechtmäßig als Angehöriger des Ausländers aufgehalten hat. Die Voraussetzungen nach § 18e Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 3 und 4 und Absatz 6 Satz 1 und die Ablehnungsgründe nach § 19f gelten für den Ehegatten entsprechend.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet für ausländische Familienangehörige (Familiennachzug) wird zum Schutz von Ehe und Familie gemäß Artikel 6 des Grundgesetzes erteilt und verlängert.

(1a) Ein Familiennachzug wird nicht zugelassen, wenn

1.
feststeht, dass die Ehe oder das Verwandtschaftsverhältnis ausschließlich zu dem Zweck geschlossen oder begründet wurde, dem Nachziehenden die Einreise in das und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen, oder
2.
tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme begründen, dass einer der Ehegatten zur Eingehung der Ehe genötigt wurde.

(2) Für die Herstellung und Wahrung einer lebenspartnerschaftlichen Gemeinschaft im Bundesgebiet finden die Absätze 1a und 3, § 9 Abs. 3, § 9c Satz 2, die §§ 28 bis 31, 36a, 51 Absatz 2 und 10 Satz 2 entsprechende Anwendung.

(3) Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs kann versagt werden, wenn derjenige, zu dem der Familiennachzug stattfindet, für den Unterhalt von anderen Familienangehörigen oder anderen Haushaltsangehörigen auf Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch angewiesen ist. Von § 5 Abs. 1 Nr. 2 kann abgesehen werden.

(3a) Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs ist zu versagen, wenn derjenige, zu dem der Familiennachzug stattfinden soll,

1.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuches bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuches vorbereitet oder vorbereitet hat,
2.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
3.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
4.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs darf längstens für den Gültigkeitszeitraum der Aufenthaltserlaubnis des Ausländers erteilt werden, zu dem der Familiennachzug stattfindet. Sie ist für diesen Zeitraum zu erteilen, wenn der Ausländer, zu dem der Familiennachzug stattfindet, eine Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 18d, 18f oder § 38a besitzt, eine Blaue Karte EU, eine ICT-Karte oder eine Mobiler-ICT-Karte besitzt oder sich gemäß § 18e berechtigt im Bundesgebiet aufhält. Im Übrigen ist die Aufenthaltserlaubnis erstmals für mindestens ein Jahr zu erteilen.

(5) (weggefallen)

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 29. September 2006 - 9 K 2997/05 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger ist italienischer Staatsangehöriger und im Jahre 1942 in Italien geboren; er ist Vater von acht erwachsenen Kindern, von denen vier in der Bundesrepublik Deutschland leben. Er zog im Jahre 1967 zur Arbeitsaufnahme ohne seine Familie in die Bundesrepublik Deutschland, wo er sich bis zu seiner Ausweisung aufhielt. Während seines Aufenthalts in der Bundesrepublik ging der Kläger verschiedenen abhängigen Berufstätigkeiten nach, teilweise war er auch selbständig, u.a. als Eisverkäufer, tätig. Seit dem 1.6.2007 bezieht der Kläger eine Regelaltersrente in Höhe von monatlich 187,57 EUR. Für seinen Aufenthalt in der Bundesrepublik verfügte der Kläger ursprünglich über eine mehrmalig verlängerte befristete Aufenthaltserlaubnis, anschließend über eine befristete Aufenthaltserlaubnis-EG, welche zuletzt bis zum 8.9.1999 gültig war. Nach seiner Haftentlassung beantragte der Kläger am 12.4.2000 die Verlängerung der ihm zuletzt erteilten Aufenthaltserlaubnis-EG.
Seit dem Jahre 1974 wurde der Kläger im Bundesgebiet mehrfach straffällig und verurteilt. Es handelt sich u.a um mehrere Diebstahlsdelikte, Beleidigung, fahrlässige Körperverletzung, Verkehrsunfallflucht sowie um einen Verstoß gegen das Lebensmittelgesetz. Mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 21.10.1982 wurde der Kläger wegen versuchter beabsichtigter schwerer Körperverletzung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Diese Strafe verbüßte der Kläger ab dem 1.6.1982 bis zum 2/3-Zeitpunkt, danach wurde die Reststrafe zunächst zur Bewährung ausgesetzt und nach erfolgter Bewährung erlassen. Mit Urteil vom 21.12.1998 (rechtskräftig seit dem 29.12.1998) verurteilte das Amtsgericht Heilbronn den Kläger wegen vorsätzlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten, die Vollstreckung dieser Freiheitsstrafe wurde nicht zur Bewährung ausgesetzt. Der Kläger wurde zum 2/3-Zeitpunkt aus dem Strafvollzug entlassen, nachdem die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Tübingen mit Beschluss vom 21.12.1999 den Strafrest zur Bewährung aussetzte. Bereits nach der Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren wegen versuchter beabsichtigter schwerer Körperverletzung durch das Landgericht Stuttgart wies die Landeshauptstadt Stuttgart den Kläger mit Bescheid vom 6.8.1986 aus dem Bundesgebiet aus. Im Widerspruchsverfahren wurde ein Vergleich abgeschlossen, wonach er nicht abgeschoben und die Wirkung der Ausweisung befristet werde, soweit er Nachweise über ein straffreies Leben beibringen könne.
Mit Bescheid vom 29.5.2000 wies das Regierungspräsidium Stuttgart - Bezirksstelle für Asyl - den Kläger unter Anordnung des Sofortvollzugs aus dem Bundesgebiet aus, lehnte seinen Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis-EG bzw. auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung ebenfalls unter Anordnung des Sofortvollzugs ab und drohte ihm die Abschiebung aus der Haft heraus nach Italien an. Dabei ging das Regierungspräsidium davon aus, dass die von dem Kläger begangenen und rechtskräftig abgeurteilten Straftaten einen Grund der öffentlichen Ordnung im Sinne des damals geltenden § 12 Abs. 1 AufenthG/EWG darstellten, welcher die Ausweisung des Klägers rechtfertige. Die Ausweisung erfolge nicht allein wegen einer strafrechtlichen Verurteilung, sondern wegen der hohen Gefährlichkeit des Klägers, die sich an seinen bisherigen Straftaten, insbesondere seinen Gewaltstraftaten gezeigt habe. Der Ausweisung stehe die Schutzbestimmung des § 12 Abs. 4 AufenthG/EWG nicht entgegen, da sie wegen der Häufigkeit und zuletzt der Schwere der Straftaten sowie einer konkret festgestellten Wiederholungsgefahr verfügt werde. Deswegen seien die nationalen Ausweisungsvorschriften gemäß § 45 ff. AuslG anwendbar. Aufgrund der Verurteilung durch das Amtsgericht Heilbronn vom 21.12.1998 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten habe der Kläger den Regelausweisungstatbestand des § 47 Abs. 2 Nr. 1 AuslG verwirklicht. Der Kläger genieße weder nach § 48 Abs. 1 noch gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 AufenthG/EWG besonderen Ausweisungsschutz, da er insbesondere nicht über die erforderliche unbefristete Aufenthaltserlaubnis-EWG verfüge. Da kein besonderer Ausweisungsschutz gemäß § 48 Abs. 1 AuslG bestehe, werde die Regel-Ausweisung nach § 47 Abs. 2 Nr. 1 AuslG nicht gemäß § 47 Abs. 3 Satz 2 AuslG zu einer Ermessens-Ausweisung herabgestuft; es verbleibe bei der Regelwirkung des § 47 Abs. 2 AuslG. Eine atypische Sonderkonstellation, die ein Absehen von dieser Regelwirkung ermögliche, sei im Falle des Klägers nicht gegeben; insbesondere stelle die lange Dauer des Aufenthalts keine derartige atypische Situation dar. Selbst falls die Voraussetzungen für eine Regelausweisung nicht vorlägen, werde die Ausweisung nach Ermessen verfügt.
Nach Entlassung aus der Strafhaft und Erlass der Ausweisung, welche vom Kläger nicht angefochten wurde, reiste er nach seinen eigenen Angaben am 8.10.2000 nach Italien aus, kehrte jedoch im Frühjahr 2004 in die Bundesrepublik Deutschland zurück. Er wurde daraufhin festgenommen und am 22.9.2004 nach Italien abgeschoben, worauf er nach seinen eigenen Angaben am 1.4.2005 erneut in die Bundesrepublik Deutschland einreiste.
Der Kläger beantragte am 15.4.2005 die Rücknahme der Ausweisungsverfügung vom 29.5.2000 sowie die Bestätigung, dass diese Verfügung unwirksam sei. Er machte geltend, dass diese Ausweisungsverfügung entgegen der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs als Regelausweisung im Sinne von § 47 AuslG verfügt worden sei, so dass eine Rücknahmeverpflichtung bestehe.
Mit Bescheid vom 8.9.2005 lehnte das Regierungspräsidium Stuttgart den Antrag auf Rücknahme der Ausweisungsverfügung vom 29.5.2000 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 48 LVwVfG für den Erlass einer die Ausweisungsverfügung betreffenden Rücknahmeverfügung lägen nicht vor. Die Ausweisungsverfügung sei rechtmäßig ; sie sei in zulässiger Weise als rein spezialpräventiv begründete Maßnahme verfügt worden und habe den Anforderungen des Europäischen Gemeinschaftsrechts, insbesondere auch dem in § 12 AufenthG/EWG statuierten besonderen Ausweisungsschutz, genügt. Zwar sei die Ausweisungsverfügung auf der Grundlage des § 47 Abs. 2 AuslG als Regelausweisung verfügt worden, das Regierungspräsidium habe bei ihrem Erlass jedoch zumindest hilfsweise Ermessen ausgeübt, auch sei eine erhebliche konkrete Wiederholungsgefahr festgestellt worden. Mit Bescheid vom 26.9.2005 befristete das Regierungspräsidium Stuttgart die Sperrwirkungen der Ausweisung auf diesen Tag.
Auf die am 13.9.2005 beim Verwaltungsgericht erhobene Klage, mit der der Kläger beantragt hat,
den Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 8.9.2005 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Ausweisungsverfügung vom 29.5.2000 zurückzunehmen,
hat das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Urteil vom 29.9.2006 - 9 K 2997/05 -den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheids vom 8.9.2005 verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Rücknahme der Ausweisungsverfügung vom 29.5.2000 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. In den Entscheidungsgründen hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, der Beklagte sei in seinem versagenden Bescheid vom 8.9.2005 zu Unrecht von der Rechtmäßigkeit der Ausweisung des Klägers ausgegangen und habe deshalb unzutreffender Weise das Vorliegen einer Rücknahmemöglichkeit verneint. Das Gericht gehe mit dem Beklagten zwar davon aus, dass die Ausweisung nicht aus materiell-rechtlichen Gründen zu beanstanden sei. Insbesondere habe der Beklagte den Kläger nicht allein auf der Grundlage der Regelwirkung des § 47 Abs. 2 AuslG in Anknüpfung an die abgeurteilten Straftaten ausgewiesen. Vielmehr habe er hilfsweise eine reine Ermessensentscheidung getroffen, die nach Auffassung des Verwaltungsgerichts auch bei Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht zu beanstanden sei. Gegen das Ergebnis der Ermessensentscheidung wende der Kläger zu Unrecht ein, die Ausweisung verstoße gegen Art. 28 Abs. 3a der RL 2004/38/EG. Diese Richtlinie habe zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt, nämlich dem des Eintritts der Unanfechtbarkeit der Ausweisungsverfügung, noch gar nicht existiert, so dass sie keine Anwendung beanspruchen könne. Die Ausweisung sei auch nicht deshalb materiell-rechtlich zu beanstanden, weil der dort geprüfte § 12 AufenthG/EWG nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 27.4.2006 (Rs C-441/02, InfAuslR 2006, 295) gegen Gemeinschaftsrecht verstoße. Zwar habe der Gerichtshof in dieser Entscheidung tatsächlich einen Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht darin festgestellt, dass die Bundesrepublik Deutschland in § 12 AufenthG/EWG die vom Gemeinschaftsrecht für die Beschränkung der Freizügigkeit aufgestellten Voraussetzungen nicht hinreichend umgesetzt habe. Diese Feststellung habe entgegen der Meinung des Klägers aber nicht zur Folge, dass sämtliche unter Geltung der Vorschrift ergangenen Ausweisungen gegen Unionsbürger allein deshalb rechtswidrig wären, weil bei ihnen zwingend die Voraussetzungen des § 12 AufenthG/EWG zu prüfen gewesen seien. Die Ausweisung vom 29.5.2000 sei jedoch in formeller Hinsicht rechtswidrig, da sie gegen die gemeinschaftsrechtliche Verfahrennorm des Art. 9 Abs. 1 der RL 64/221/EWG verstoßen habe. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und der ihr folgenden Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteile vom 13.9.2005 - 1 C 7.04 - und vom 16.10.2005 - 1 C 5.04 -) werde in Ausweisungsverfahren gegen Unionsbürger und assoziationsrechtlich privilegierte türkische Staatsangehörige außer in dringenden Fällen gegen die Verfahrensgarantie des Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG verstoßen, wenn weder ein Widerspruchsverfahren stattfinde noch sonst eine unabhängige zweite zuständige Stelle im Sinne der Richtlinie im Verwaltungsverfahren eingeschaltet worden sei. Hieraus folge, dass nach der in Baden-Württemberg erfolgten Abschaffung des behördlichen Vorverfahrens bei von den Regierungspräsidien verfügten Ausweisungen die gemeinschaftsrechtlich geforderte Einschaltung einer unabhängigen zweiten Stelle neben der Ausländerbehörde nicht gewährleistet gewesen sei. Da ein dringender Fall im Sinne des Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie im Falle des Klägers zweifellos nicht vorgelegen habe, sei die Ausweisung wegen Verstoßes gegen diese Verfahrensvorschrift unheilbar nichtig.
10 
Dem Kläger stehe trotz der Rechtswidrigkeit der gegen ihn ergangenen Ausweisung vom 29.5.2000 lediglich ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über deren Rücknahme, nicht jedoch ein unbedingter Rücknahmeanspruch zu. Gemäß § 48 Abs. 1 LVwVfG stehe die Entscheidung über die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde, so dass ein gebundener Anspruch auf Rücknahme lediglich im Falle einer Ermessensreduzierung auf Null gegeben sei. Eine solche komme lediglich unter einschränkenden Voraussetzungen, etwa im Hinblick auf Art. 3 GG im Falle einer Selbstbindung der Behörde oder, wenn Europäisches Gemeinschaftsrecht betroffen sei, aus Gründen des gemeinschaftsrechtlichen Effizienzgebots in Betracht. Beide Voraussetzungen seien hier nicht erfüllt. Dadurch, dass der Beklagte die Wirkungen der Ausweisung mit Bescheid vom 26.9.2005 auf dieses Datum befristet habe, genieße der Kläger zum gegenwärtigen Zeitpunkt wieder volle Freizügigkeit, sodass weder von einer unzumutbaren Beeinträchtigung des Klägers auszugehen sei noch das gemeinschaftsrechtliche Effizienzgebot die Rücknahme der Ausweisung zwingend gebiete. Auch der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs lasse sich nichts für eine gebotene Ermessensreduzierung auf Null entnehmen.
11 
Mit Beschluss vom 3.5.2007 (Zustellung an den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 9.5.2007) hat der Senat dem Kläger gegen die Versäumung der Frist für den Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt und die Berufung zugelassen. Mit dem am 16.5.2007 eingegangenen Berufungsbegründungsschriftsatz, der auch auf das Vorbringen im Zulassungsverfahren Bezug genommen hat, beantragt der Kläger,
12 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 29.9.2006 abzuändern und den Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 8.9.2005 aufzuheben sowie den Beklagten zu verpflichten, die Ausweisungsverfügung vom 29.5.2000 zurückzunehmen.
13 
Zur Begründung des Berufungsantrags trägt der Kläger vor, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Ausweisungsverfügung vom 29.5.2000 lediglich gegen formelles Recht verstoße und habe deshalb den geltend gemachten unbedingten Rücknahmeanspruch abgelehnt. Die Ausweisung sei auf die Bestimmung des § 12 AufenthG/EWG gestützt worden, welche der Europäische Gerichtshof als gemeinschaftsrechtswidrig eingestuft habe. Diese Bestimmung überhöhe die Bedeutung formaler Kriterien für den Ausweisungsschutz und schenke der Aufenthaltsdauer zu geringe Bedeutung, was dazu geführt habe, dass in seinem Falle kein besonderer Ausweisungsschutz angenommen worden sei. Auch habe der Beklagte bei Erlass der Ausweisung dem Umstand, dass seine Verurteilung zur Bewährung ausgesetzt worden sei, nicht die nötige Beachtung geschenkt und in rechtswidriger Weise die Strafakten nicht beigezogen bzw. den Vollstreckungsverlauf nicht in seine Prognoseentscheidung einbezogen. Ferner habe die Ausweisung gegen die Schutzbestimmung des Art. 28 Abs. 3a der RL 2004/38/EWG verstoßen, wonach nach einem über zehnjährigen Inlandsaufenthalt die Ausweisung eines Unionsbürgers nur noch aus Gründen der Sicherheit des Staates zuzulassen sei. Die unbefristet verfügte Ausweisung verstoße gegen Art. 8 EMRK, da nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs eine Rechtspflicht bestehe, schon bei Erlass einer in Art. 8 EMRK eingreifenden Verfügung deren Befristung mit zu prüfen. Gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßende Verfügungen dürften nicht vollstreckt werden, insoweit gleiche der Sachverhalt demjenigen der Vollsteckung verfassungswidriger zivilrechtlicher Gerichtsentscheidungen. Die von dem Beklagten vorgenommene Befristung der Ausweisung stelle bereits deshalb keine Alternative zur zwingend gebotenen Rücknahme seiner Ausweisung dar, weil er aufgrund des zu niedrigen Rentenbezugs keinen gemeinschaftsrechtlichen Anspruch auf Zuzug in das Bundesgebiet habe.
14 
Der Beklagte beantragt,
15 
die Berufung zurückzuweisen.
16 
Zur Begründung trägt er vor, die von dem Kläger als grundsätzlich aufgeworfene Rechtsfrage, ob der formalrechtliche Verstoß gegen die Verfahrensgarantie des Art. 9 RL 64/221/EWG eine Rücknahme der Ausweisung gebiete, sei in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits entschieden worden. Auf gemeinschaftsrechtlicher Grundlage bestehe nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts lediglich dann ein unbedingter Anspruch auf Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts, wenn bei dessen Erlass die Rechtswidrigkeit offen zu Tage getreten sei, wovon im gegenständlichen Fall nicht ausgegangen werden könne. Zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Ausweisungsverfügung im Mai 2000 habe ein offensichtlicher Rechtsverstoß gegen Art. 9 RL 64/221/EWG nicht vorgelegen, da nach einhelliger Auffassung zu diesem Zeitpunkt von einem dringenden Fall im Sinne der Richtlinie auszugehen gewesen sei, wenn die Ausländerbehörde den Sofortvollzug der Maßnahme angeordnet habe.
17 
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
18 
Dem Senat liegen die den Kläger betreffenden Akten des Regierungspräsidiums Stuttgart sowie der unteren Ausländerbehörde (2 Band) vor. Auf diese Akten wird ebenso wie auf die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts verwiesen; diese Akten waren Gegenstand der Beratung.

Entscheidungsgründe

 
19 
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung über die Berufung des Klägers entscheiden, da beide Beteiligte auf mündliche Verhandlung verzichtet haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
20 
Die zulässige, insbesondere rechtzeitig begründete Berufung (§ 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO) hat in der Sache keinen Erfolg. Dem Kläger steht der geltend gemachte, über die vom Verwaltungsgericht Stuttgart bereits mit Urteil vom 29.9.2006 rechtskräftig ausgesprochene Bescheidungsverpflichtung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts hinausgehende unbedingte Rücknahmeanspruch nicht zu (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
21 
Dem Kläger steht nach wie vor ein Rechtsschutzbedürfnis für die von ihm begehrte Rücknahme der Ausweisungsverfügung mit ex-tunc-Wirkung zu, obwohl der Beklagte nunmehr die Sperrwirkungen der Ausweisung mit Bescheid vom 26.9.2005 auf diesen Tag befristet hat. Ein Interesse des Klägers an der rückwirkenden Aufhebung der Ausweisung ergibt sich bereits daraus, dass zahlreiche Vorschriften an den ununterbrochenen rechtmäßigen Aufenthalt eines Ausländers positive Rechtsfolgen anknüpfen, so etwa der in § 10 StAG statuierte Anspruch auf Einbürgerung oder die besonderen Ausweisungsschutz vermittelnde europarechtliche Bestimmung des Art. 28 Abs. 3a der RL 2004/38/EG.
22 
Zu Recht hat das Verwaltungsgericht für die im Rahmen des § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG entscheidungserhebliche Frage der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der mangels Klageerhebung bestandskräftig gewordenen Ausweisung des Klägers auf den Zeitpunkt des Erlasses der Ausweisungsverfügung am 29.5.2000 abgestellt; da der Kläger jedenfalls zu diesem Zeitpunkt freizügigkeitsberechtigt war, konnte offenbleiben, inwieweit eine erst später eintretende Rechtswidrigkeit ein Rücknahmeverfahren eröffnen kann (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 28.10.2004 - 1 C 13.03 -, NVwZ-RR 2005, 341; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24.9.2001 - 8 S 461/01 -, VBlBW 2002, 208, 209).
23 
 Der Senat kann ferner offenlassen, ob die Ausweisungsverfügung gegen den Kläger nicht nur - wie vom Verwaltungsgericht inzident angenommen - aus formellen Gründen wegen einem Verstoß gegen Art. 9 RL 64/221/EWG als rechtswidrig anzusehen ist, sondern ob auch ein Verstoß gegen materielles Gemeinschaftsrecht vorliegt. Nicht zu folgen vermag der Senat freilich der Annahme des Klägers, es hätten im Wege der sogenannten Vorwirkung bereits bei Erlass der Ausweisungsverfügung im Jahre 2000 die materiellen Voraussetzungen der weitaus später in Kraft getretenen RL 2004/38/EG gegolten. Die Umsetzungsfrist der erst am 29.4.2004 erlassenen Richtlinie lief gemäß deren Art. 28 Abs. 2 und Art. 40 Abs. 1 erst am 30.4.2006 ab, Rückwirkung kann ihr nicht beigemessen werden (vgl. hierzu ausführlich Beschluss des Niedersächsischen OVG vom 30.5.2006 - 11 LA 147/05 - NVwZ 2006, 1302). Unabhängig hiervon steht dem Kläger selbst in dem Fall, dass seine Ausweisung auch gegen materiell-rechtliche Bestimmungen des Europäischen Gemeinschaftsrechts verstoßen haben sollte, lediglich der vom Verwaltungsgericht zugesprochene Bescheidungsanspruch, nicht jedoch ein unbedingter Anspruch auf Rücknahme seiner Ausweisung zu. Weder nationales Recht (1.) noch Gemeinschaftsrecht (2.) oder sonstiges höherrangiges Recht (3.) gebieten es im vorliegenden Fall dem beklagten Land, die gegen den Kläger ergangene Ausweisungsverfügung zurückzunehmen; auch besteht kein zwingender Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens gemäß § 51 Abs. 1 LVwVfG (4.).
24 
1. Nach nationalem Recht räumt § 48 Abs. 1 LVwVfG dem Antragsteller lediglich ein subjektiv-öffentliches Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung hinsichtlich der Entscheidung über die Ausübung der Rücknahmebefugnis ein (vgl. hierzu ausführlich m.w.N. Urteil des Senats vom 24.1.2007 - 13 S 4516 - InfAuslR 2007,182). Ein Rechtsanspruch auf Rücknahme kommt nur dann in Betracht, wenn das Ermessen der Behörde angesichts der besonderen Umstände des konkreten Einzelfalles auf Null reduziert wäre. Eine derartige Reduktion des Ermessens ist regelmäßig nur dann zu bejahen, wenn ein Aufrechterhalten des ursprünglichen Verwaltungsakts unerträglich wäre bzw. für den Betroffenen unzumutbare Folgen hätte (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 15.3.2005 - 3 B 86/04 -, DÖV 2005, 651 m.w.N.). Insbesondere erscheint die Aufrechterhaltung der Ausweisungsverfügung auch nicht deswegen im Sinne der oben angeführten Rechtsprechung als „schlechthin unerträglich“, weil die zur Annahme der Rechtswidrigkeit führende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu den bei der Ausweisung von freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern zu beachtenden formellen Anforderungen, insbesondere gemäß Art. 9 der RL 64/221/EWG, erst Jahre nach dem Erlass der Ausweisungsverfügung entwickelt wurde. Auch erscheint es nicht schlechterdings unerträglich, den Kläger zur Beseitigung der Sperrwirkungen der Ausweisung gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf die - nunmehr erfolgte - nachträgliche Befristung zu verweisen. Ferner ergibt sich eine Ermessensreduzierung nicht aus dem Verhalten der Behörde selbst oder daraus, dass das Rücknahmeinteresse des Betroffenen eindeutig und offensichtlich schwerer wiegen würde als das öffentliche Interesse an einer Rücknahme. Im übrigen kann in diesem Zusammenhang nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Kläger die gegen ihn ergangene Ausweisungsverfügung mangels Klageerhebung bestandskräftig werden ließ.
25 
Der Kläger kann die Rücknahme der gegen ihn ergangenen Ausweisungsverfügung auch nicht unter dem Gesichtspunkt der (deklaratorischen) Aufhebung einer unwirksamen oder unwirksam gewordenen Verfügung erreichen. Zwar ist es in der Rechtsprechung anerkannt, dass bei einem unwirksamen - oder: wie hier allenfalls unwirksam gewordenen -Verwaltungsakt eine klarstellende behördliche Rücknahme des Verwaltungsakts möglich und aus Gründen der Beseitigung des Rechtsscheins gegebenenfalls auch erforderlich sein kann (vgl. hierzu Bay. VGH, Urteil vom 12.10.1989 - 26 B 86.02944 -, NVwZ-RR 1991, 117; Hess. VGH, Urteil vom 29.3.2006 - 6 UE 2874/04 - juris; Urteil des Senats vom 24.1.2007, a.a.O.). Dahingestellt kann bleiben, ob der Kläger bei der gebotenen sachdienlichen Auslegung (§§ 86 Abs. 3, 88 VwGO) nicht nur einen denkbaren Rücknahmeanspruch nach § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG wegen Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, sondern auch wegen etwaiger Unwirksamkeit der Ausweisung gestellt hat. Denn die Voraussetzungen eines solches „Rücknahme“-Anspruchs sind nämlich nicht gegeben.
26 
Bei Erlass der Ausweisungsverfügung und auch in der Folgezeit bis zum Inkrafttreten des Freizügigkeitsgesetzes/EU lag kein Grund für die Annahme von Unwirksamkeit (siehe § 43 Abs. 1 und 2 LVwVfG) oder gar von Nichtigkeit (§ 43 Abs. 3 i.V.m. § 44 LVwVfG) der Ausweisungsverfügung vor; dies liegt für den Senat auf der Hand und bedarf keiner näheren Ausführungen. Wie der Senat in seinem den Beteiligten bekannten Urteil vom 24.1.2007 (- 13 S 451/06 -; a.a.O.) im einzelnen näher dargelegt hat und worauf zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, sind jedenfalls bestandskräftig gewordene Ausweisungsverfügungen auch nicht durch Inkrafttreten des Freizügigkeitsgesetzes zum 1.1.2005 unwirksam geworden.
27 
2. Auch europäisches Gemeinschaftsrecht verpflichtet den Beklagten nicht zur Rücknahme der Ausweisungsverfügung. Wie der Senat in seinem den Beteiligten bekannten Urteil vom 24.1.2007 (13 S 451/06) unter ausführlicher Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des EuGH darstellt, begründet Gemeinschaftsrecht in Fällen der vorliegenden Art keinen unbedingten Rücknahmeanspruch. Vielmehr sind vom nationalen Recht vorgesehene Ausschlussfristen für die Rechtsverfolgung - mit der Folge der Bestandskraft bei Nichteinhaltung dieser Fristen - grundsätzlich auch mit Gemeinschaftsrecht vereinbar, weil sie ein Anwendungsfall des auch für das Gemeinschaftsrecht grundlegenden Prinzips der Rechtssicherheit sind. Selbst bei einem Verstoß gegen materielles Europarecht ist danach eine Rücknahme nicht schlechterdings geboten, vielmehr besteht lediglich eine gemeinschaftsrechtliche Prüfungs- oder Rücknahmepflicht in dem Rahmen, den auch das nationale Recht vorsieht (vgl. Urteil des Senats vom 24.1.2007, a.a.O.; umfassend Rennert, DVBl. 2004, 400; Ruffert, JZ 2007, 407). Bereits oben ist ausgeführt worden, dass unter dem Gesichtspunkt des § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG die Aufrechterhaltung der gegen den Kläger ergangenen Ausweisung nicht „schlechterdings unerträglich“ ist, eine Rücknahmepflicht insoweit also nicht besteht, und diese Überlegungen gelten auch im hier interessierenden Zusammenhang. Der Verzicht des Klägers auf Rechtsbehelfe und die Tatsache, dass der Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht keineswegs offensichtlich war, steht auch hier der der Annahme einer unbedingten Rechtsverpflichtung zur Rücknahme entgegen. Von besonderer Gravität oder gar (zusätzlicher) Offensichtlichkeit eines Gemeinschaftsrechtsverstoßes kann unter diesen Gesichtspunkten ohnehin nicht ausgegangen werden. Da der Kläger nach der Ausweisungsverfügung nicht mehr im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis war und das Bundesgebiet sogar vom Oktober 2000 bis zum August 2004 und erneut von September 2004 bis April 2005 für lange Zeit verlassen hatte, ist auch nicht ersichtlich, dass die Anwendung des nationalen Verfahrensrechts bei der Umsetzung des Gemeinschaftsrechts zu entscheidenden Wirkungsverlusten oder gar zur Umgehung des Gemeinschaftsrechts führen würde. Im übrigen ist jedenfalls dem sekundären Gemeinschaftsrecht die Aufspaltung in Verlust des Freizügigkeitsrechts einerseits und nachfolgende Befristung dieser Wirkung andererseits nicht fremd. So sieht Art. 32 Abs. 1 der RL 2004/38/EG vor, dass ein Unionsbürger, der sein Aufenthaltsrecht aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verloren hat, einen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbots unter Hinweis auf veränderte Umstände stellen kann. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob der Kläger - wie von ihm vorgetragen - zum derzeitigen Zeitpunkt aufgrund seines niedrigen Rentenbezugs einen gemeinschaftsrechtlichen Anspruch auf Zuzug in das Bundesgebiet hat oder nicht. Eine hieran etwa scheiternde Freizügigkeitsberechtigung des Klägers ist nicht Folge der Ausweisung, deren Sperrwirkungen gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG von der Beklagten wie dargestellt befristet worden sind. Wie der Europäischen Gerichtshof in seinem Urteil vom 7.9.2004 (C 456/02 - Trojani -, Rn 36, InfAuslR 2004, 417) zu den „Beschränkungen und Bedingungen“ der Freizügigkeit im Sinne des Art. 18 Abs. 1 EG ausgeführt hat, erwächst dem Unionsbürger bei Fehlen ausreichender Existenzmittel im Sinne der RL 90/364/EWG kein Recht zum Aufenthalt; diese Formulierung legt den Schluss zumindest nahe, dass bei Nichterfüllung dieser Beschränkungen und Bedingungen die Unionsbürgerschaft allein keine Freizügigkeitsberechtigung vermittelt.
28 
3. Entgegen der Annahme des Klägers begründen auch die Bestimmungen der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4.11.1950 (BGBl. 1952 II, 696, 953/19542, S. 14) keinen unbedingten Anspruch auf Rücknahme der gegen ihn ergangenen Ausweisungsverfügung. Zum einen verstößt die Ausweisung nicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (3.1), zum anderen begründet ein etwaiger Verstoß gegen die materiellen Schutzbestimmungen der EMRK nicht in jedem Falle ein entsprechendes Vollstreckungsverbot und vor allem nicht einen hiermit korrespondierenden unbedingten Rücknahmeanspruch (3.2).
29 
3.1. Nicht zu folgen vermag der Senat der Annahme des Klägers, wonach die Ausweisungsverfügung vom 29.5.2000 bereits deshalb gegen Art. 8 Abs. 1 EMRK verstößt, weil nicht zeitgleich bei ihrem Erlass über eine Befristung der Ausweisungswirkungen entschieden wurde. Der Senat hält an seiner - dem Prozessbevollmächtigten des Klägers bekannten -Rechtsprechung fest, dass das Aufenthaltsgesetzt, das eine Befristung der Wirkungen der Ausweisung nur auf Antrag vorsieht, weder zu Art. 8 EMRK noch zu der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Widerspruch steht und die Ausländerbehörde deshalb eine Ausweisungsverfügung erlassen darf, ohne zugleich von Amts wegen über eine Befristung zu entscheiden. Den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) lässt sich weder entnehmen, dass die Befristungsentscheidung stets zusammen mit der Ausweisungsentscheidung getroffen werden muss noch dass die Befristung nicht von einem entsprechenden Antrag abhängig gemacht werden darf. Eine - durch die Ausweisung mit zunächst unbefristeter Sperrwirkung möglicherweise ausgelöste - unverhältnismäßige Einschränkung der persönlichen Lebensführung des Ausländers wird dadurch verhindert, dass der Ausländer für den Regelfall einen Anspruch auf Befristung der Wirkungen der Ausweisung, insbesondere des Einreise- und Aufenthaltsverbots, hat. Denn der EGMR betont stets, dass es sich um eine Entscheidung im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen konkreten Umstände handelt (vgl. m.w.N. Beschluss des Senats vom 20.3.2007 - 13 S 850/06 -). Auch dem vom Kläger lediglich in englischer Sprache vorgelegten Urteil des EGMR vom 22.3.2007 - 1638/03 -(Maslov) lässt sich nichts Gegenteiliges entnehmen; vielmehr bestätigt der Gerichtshof in dieser Entscheidung seine bisherige Rechtsprechung, wonach eine umfassende Einzelfallbetrachtung und Abwägung geboten ist, wobei einer etwa erfolgten Befristung nicht unerhebliches Gewicht zukommt. Der Fall des Klägers unterscheidet sich dabei bereits in Anbetracht der zahlreichen von ihm begangenen Straftaten gegen unterschiedliche Rechtsgüter und vor allem auch der Tatsache, dass sich der Kläger weder durch die Verurteilung des Landgerichts Stuttgart vom 21.10.1998 zu einer vierjährigen Freiheitsstrafe noch durch deren nachfolgende teilweise Verbüßung von der Abhaltung weiterer, gegen die körperliche Unversehrtheit gerichteter Straftaten abhalten ließ, von den vom EGMR explizit beurteilten Fällen (13/10). Auch das Bundesverfassungsgericht geht im übrigen entgegen der Annahme des Klägers nicht davon aus, dass die Sperrwirkungen einer Ausweisung aufgrund der Bestimmung des Art. 8 Abs. 1 EMRK in jedem Falle zeitgleich mit deren Erlass befristet werden müssten. Vielmehr führt das Bundesverfassungsgericht in seinem den Beteiligten bekannten Beschluss vom 10.5.2007 (2 BvR 304/07) aus, dass die Befristung der Ausweisungswirkungen nur eines von mehreren Kriterien im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Ausweisung gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist (vgl. insbesondere S. 17 des Beschlussumdrucks). Auch die von dem Kläger angeführte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18.7.1979 (1 BvR 650/77) bestätigt seine Rechtsauffassung nicht. Die Entscheidung hebt lediglich auf die Bedeutung einer etwaigen Befristung für die Verhältnismäßigkeit der Ausweisungsverfügung ab, ohne dass sich ihr Anhaltshaltspunkte dafür entnehmen ließen, dass - wie vom Kläger angenommen - über die Befristung stets zeitgleich und unabhängig von einem Antrag mit der Verfügung der Ausweisung zu befinden wäre.
30 
3.2 Im übrigen begründet ein etwaiger Verstoß der Ausweisungsverfügung gegen materielle Bestimmungen der EMRK keinen unbedingten Rücknahmeanspruch, vielmehr stellt ein derartiger Verstoß lediglich einen Gesichtspunkt dar, welcher in die nach nationalen Recht zu treffende Ermessensentscheidung über die Rücknahme gemäß § 48 Abs. 1 LVwVfG einzustellen ist. Dem etwaigen Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention, die aufgrund der Zustimmung des Bundesgesetzgebers mit förmlichem Gesetz gemäß Art. 59 Abs. 2 GG innerstaatlich im Range eines Bundesgesetzes gilt (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 14.10.2004 - 2 BvR 1481/04 -, NJW 2004, 3407), kommt dabei keine weitergehende Wirkung zu als einem Verstoß gegen sonstiges materielles nationales Recht oder gar einem Grundrechtsverstoß. Vielmehr folgt aus dieser Rangzuweisung, dass die Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention und ihrer Zusatzprotokolle - soweit sie für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten sein -nach der Normenhierarchie keine gegenüber sonstigem Bundesrecht übergeordnete Wirkung entfalten. Nach dieser Rangzuweisung haben vielmehr deutsche Gerichte und Verwaltungsbehörden die Konvention wie anderes Gesetzesrecht des Bundes im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung zu beachten und anzuwenden. Aufgrund der weitgehenden Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes sind dabei sowohl dieses als auch das übrige staatliche Recht nach Möglichkeit so auszulegen, dass ein Konflikt mit völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands und damit auch mit den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention in der Gestalt, welche diese in der maßgeblichen Rechtsprechung des EGMR gefunden hat, vermieden wird (vgl. hierzu ausführlich BVerfG, Beschluss vom 14.10.2004, a.a.O. und vom 1.3.2004 - 2 BvR 1570/03 - NVwZ 2004, 852; Meyer-Ladewig, Europäische Menschenrechtskonvention, Handkommentar, 2. Aufl., Rn 20 ff. zu Art 46 m.w.N.). Die über das Zustimmungsgesetz ausgelöste Berücksichtigung der Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Entscheidungen des Gerichtshofs erfordert dabei zumindest, dass die entsprechenden Texte und Judikate zur Kenntnis genommen werden und in den Willensbildungsprozess des zu einer Entscheidung berufenen Gerichts, der zuständigen Behörde oder des Gesetzgebers einfließen. Liegt der Konventionsverstoß in dem Erlass eines bestimmten Verwaltungsakts, so hat die zuständige Behörde die Möglichkeit, diesen nach den Regelungen des nationalen Verwaltungsverfahrensrechts aufzuheben (vgl. § 48 LVwVfG), eine entsprechende unbedingte Verpflichtung der Behörde lässt sich weder den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention noch der hierzu ergangenen Rechtsprechung des EGMR entnehmen. Auch der von dem Kläger zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts lässt sich nichts Gegenteiliges entnehmen. Vielmehr führt das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 6.12.2005 (1 BvR 1905/02, DVBl. 2006, 267) ausdrücklich aus, dass sich aus dem Gesamtzusammenhang der Bestimmungen des § 79 Abs. 1, 2 BVerfGG und insbesondere aus Satz 4 von § 79 Abs. 2 BVerfGG der allgemeine Rechtsgedanke ableiten lasse, dass einerseits zwar unanfechtbar gewordene Akte der öffentlichen Gewalt, die auf verfassungswidriger Grundlage zustande gekommen sind, nicht rückwirkend aufgehoben und die nachteiligen Wirkungen, die in der Vergangenheit von ihnen ausgegangen sind, nicht beseitigt werden, andererseits jedoch zukünftige Folgen, die sich aus einer zwangsweisen Durchsetzung verfassungswidrig ergangener Entscheidungen ergeben würden, abgewendet werden sollen. Diesem § 79 Abs. 2 BVerfGG zugrundeliegenden Rechtsgedanken lässt sich allenfalls ein Vollstreckungsverbot von Maßnahmen, welche gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen, entnehmen, nicht jedoch ein unbedingter Normanwendungsbefehl zur Rücknahme bereits vollstreckter Maßnahmen, wie sie hier die vollzogene Ausweisung darstellt.
31 
4. Dem Kläger steht jedenfalls in der Sache kein Anspruch auf - unbedingtes - Wiederaufgreifen des Verfahrens im Sinne von § 51 Abs. 1 LVwVfG zu. Dahingestellt kann deshalb bleiben, ob dem anwaltlich vertretenen Kläger überhaupt das erforderliche allgemeine Rechtsschutzbedürfnis für dessen Durchsetzung zusteht, nachdem er sowohl bei der Behörde als auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ausdrücklich einen Rücknahmeantrag gestellt hat. Insbesondere liegen die Voraussetzungen eines Wiederaufgreifens nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG nicht vor. Danach ist das Verfahren u.a. wieder aufzugreifen, wenn sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat. Eine Änderung der Rechtslage im Sinne des Bestimmung ist nur dann anzunehmen, wenn es sich um eine Änderung im Bereich des materiellen Rechts, dem eine allgemein verbindliche Außenwirkung zukommt, handelt. Dementsprechend kann eine gerichtliche Spruchpraxis keine Änderung der Rechtslage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG bewirken (vgl. hierzu BVerwG, Vorlagebeschluss vom 7.7.2004 - 6 C 24/03 -, juris; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 9.11.2004 - 11 S 2771/03 -, juris). Mithin rechtfertigen die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 3.8.2004 (- 1 C 29.02 -, BVerwGE 121, 315 bzw. - 1 C 30.02 -, BVerwGE 121, 297) eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG nicht. Zwar kann die Behörde im Verwaltungsverfahren nach pflichtgemäßem Ermessen auch dann wieder aufgreifen und über einen durch unanfechtbaren Verwaltungsakt beschiedenen materiell-rechtlichen Anspruch erneut sachlich entscheiden, wenn die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen im engeren Sinne nach § 51 Abs. 1 LVwVfG nicht vorliegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.9.2005 - 2 C 5/99 -, DVBl. 2001, 726; vgl. § 51 Abs. 5 LVwVfG. Allerdings räumt diese Vorschrift dem Kläger lediglich ein subjektiv-öffentliches Recht auf fehlerfreie Ermessensentscheidung der Behörde über ein Wiederaufgreifen des Verfahrens ein; eine Ermessensreduzierung auf Null mit der Folge, dass die Behörde zur Rücknahme der Ausweisungsverfügung vom 29.5.2000 verpflichtet wäre, besteht aus den oben dargestellten Gründen nicht.
32 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
33 
Die Revision war zuzulassen, da insbesondere die Frage der Wirksamkeit sogenannter altrechtlicher Ausweisungsverfügungen gegen Unionsbürger in der obergerichtlichen Rechtsprechung strittig und noch nicht höchstrichterlich geklärt ist (siehe § 132 Abs. 2 Satz 1 VwGO).
34 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt (§ 152 Abs. 2 GKG).

Gründe

 
19 
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung über die Berufung des Klägers entscheiden, da beide Beteiligte auf mündliche Verhandlung verzichtet haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
20 
Die zulässige, insbesondere rechtzeitig begründete Berufung (§ 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO) hat in der Sache keinen Erfolg. Dem Kläger steht der geltend gemachte, über die vom Verwaltungsgericht Stuttgart bereits mit Urteil vom 29.9.2006 rechtskräftig ausgesprochene Bescheidungsverpflichtung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts hinausgehende unbedingte Rücknahmeanspruch nicht zu (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
21 
Dem Kläger steht nach wie vor ein Rechtsschutzbedürfnis für die von ihm begehrte Rücknahme der Ausweisungsverfügung mit ex-tunc-Wirkung zu, obwohl der Beklagte nunmehr die Sperrwirkungen der Ausweisung mit Bescheid vom 26.9.2005 auf diesen Tag befristet hat. Ein Interesse des Klägers an der rückwirkenden Aufhebung der Ausweisung ergibt sich bereits daraus, dass zahlreiche Vorschriften an den ununterbrochenen rechtmäßigen Aufenthalt eines Ausländers positive Rechtsfolgen anknüpfen, so etwa der in § 10 StAG statuierte Anspruch auf Einbürgerung oder die besonderen Ausweisungsschutz vermittelnde europarechtliche Bestimmung des Art. 28 Abs. 3a der RL 2004/38/EG.
22 
Zu Recht hat das Verwaltungsgericht für die im Rahmen des § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG entscheidungserhebliche Frage der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der mangels Klageerhebung bestandskräftig gewordenen Ausweisung des Klägers auf den Zeitpunkt des Erlasses der Ausweisungsverfügung am 29.5.2000 abgestellt; da der Kläger jedenfalls zu diesem Zeitpunkt freizügigkeitsberechtigt war, konnte offenbleiben, inwieweit eine erst später eintretende Rechtswidrigkeit ein Rücknahmeverfahren eröffnen kann (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 28.10.2004 - 1 C 13.03 -, NVwZ-RR 2005, 341; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24.9.2001 - 8 S 461/01 -, VBlBW 2002, 208, 209).
23 
 Der Senat kann ferner offenlassen, ob die Ausweisungsverfügung gegen den Kläger nicht nur - wie vom Verwaltungsgericht inzident angenommen - aus formellen Gründen wegen einem Verstoß gegen Art. 9 RL 64/221/EWG als rechtswidrig anzusehen ist, sondern ob auch ein Verstoß gegen materielles Gemeinschaftsrecht vorliegt. Nicht zu folgen vermag der Senat freilich der Annahme des Klägers, es hätten im Wege der sogenannten Vorwirkung bereits bei Erlass der Ausweisungsverfügung im Jahre 2000 die materiellen Voraussetzungen der weitaus später in Kraft getretenen RL 2004/38/EG gegolten. Die Umsetzungsfrist der erst am 29.4.2004 erlassenen Richtlinie lief gemäß deren Art. 28 Abs. 2 und Art. 40 Abs. 1 erst am 30.4.2006 ab, Rückwirkung kann ihr nicht beigemessen werden (vgl. hierzu ausführlich Beschluss des Niedersächsischen OVG vom 30.5.2006 - 11 LA 147/05 - NVwZ 2006, 1302). Unabhängig hiervon steht dem Kläger selbst in dem Fall, dass seine Ausweisung auch gegen materiell-rechtliche Bestimmungen des Europäischen Gemeinschaftsrechts verstoßen haben sollte, lediglich der vom Verwaltungsgericht zugesprochene Bescheidungsanspruch, nicht jedoch ein unbedingter Anspruch auf Rücknahme seiner Ausweisung zu. Weder nationales Recht (1.) noch Gemeinschaftsrecht (2.) oder sonstiges höherrangiges Recht (3.) gebieten es im vorliegenden Fall dem beklagten Land, die gegen den Kläger ergangene Ausweisungsverfügung zurückzunehmen; auch besteht kein zwingender Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens gemäß § 51 Abs. 1 LVwVfG (4.).
24 
1. Nach nationalem Recht räumt § 48 Abs. 1 LVwVfG dem Antragsteller lediglich ein subjektiv-öffentliches Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung hinsichtlich der Entscheidung über die Ausübung der Rücknahmebefugnis ein (vgl. hierzu ausführlich m.w.N. Urteil des Senats vom 24.1.2007 - 13 S 4516 - InfAuslR 2007,182). Ein Rechtsanspruch auf Rücknahme kommt nur dann in Betracht, wenn das Ermessen der Behörde angesichts der besonderen Umstände des konkreten Einzelfalles auf Null reduziert wäre. Eine derartige Reduktion des Ermessens ist regelmäßig nur dann zu bejahen, wenn ein Aufrechterhalten des ursprünglichen Verwaltungsakts unerträglich wäre bzw. für den Betroffenen unzumutbare Folgen hätte (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 15.3.2005 - 3 B 86/04 -, DÖV 2005, 651 m.w.N.). Insbesondere erscheint die Aufrechterhaltung der Ausweisungsverfügung auch nicht deswegen im Sinne der oben angeführten Rechtsprechung als „schlechthin unerträglich“, weil die zur Annahme der Rechtswidrigkeit führende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu den bei der Ausweisung von freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern zu beachtenden formellen Anforderungen, insbesondere gemäß Art. 9 der RL 64/221/EWG, erst Jahre nach dem Erlass der Ausweisungsverfügung entwickelt wurde. Auch erscheint es nicht schlechterdings unerträglich, den Kläger zur Beseitigung der Sperrwirkungen der Ausweisung gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf die - nunmehr erfolgte - nachträgliche Befristung zu verweisen. Ferner ergibt sich eine Ermessensreduzierung nicht aus dem Verhalten der Behörde selbst oder daraus, dass das Rücknahmeinteresse des Betroffenen eindeutig und offensichtlich schwerer wiegen würde als das öffentliche Interesse an einer Rücknahme. Im übrigen kann in diesem Zusammenhang nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Kläger die gegen ihn ergangene Ausweisungsverfügung mangels Klageerhebung bestandskräftig werden ließ.
25 
Der Kläger kann die Rücknahme der gegen ihn ergangenen Ausweisungsverfügung auch nicht unter dem Gesichtspunkt der (deklaratorischen) Aufhebung einer unwirksamen oder unwirksam gewordenen Verfügung erreichen. Zwar ist es in der Rechtsprechung anerkannt, dass bei einem unwirksamen - oder: wie hier allenfalls unwirksam gewordenen -Verwaltungsakt eine klarstellende behördliche Rücknahme des Verwaltungsakts möglich und aus Gründen der Beseitigung des Rechtsscheins gegebenenfalls auch erforderlich sein kann (vgl. hierzu Bay. VGH, Urteil vom 12.10.1989 - 26 B 86.02944 -, NVwZ-RR 1991, 117; Hess. VGH, Urteil vom 29.3.2006 - 6 UE 2874/04 - juris; Urteil des Senats vom 24.1.2007, a.a.O.). Dahingestellt kann bleiben, ob der Kläger bei der gebotenen sachdienlichen Auslegung (§§ 86 Abs. 3, 88 VwGO) nicht nur einen denkbaren Rücknahmeanspruch nach § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG wegen Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, sondern auch wegen etwaiger Unwirksamkeit der Ausweisung gestellt hat. Denn die Voraussetzungen eines solches „Rücknahme“-Anspruchs sind nämlich nicht gegeben.
26 
Bei Erlass der Ausweisungsverfügung und auch in der Folgezeit bis zum Inkrafttreten des Freizügigkeitsgesetzes/EU lag kein Grund für die Annahme von Unwirksamkeit (siehe § 43 Abs. 1 und 2 LVwVfG) oder gar von Nichtigkeit (§ 43 Abs. 3 i.V.m. § 44 LVwVfG) der Ausweisungsverfügung vor; dies liegt für den Senat auf der Hand und bedarf keiner näheren Ausführungen. Wie der Senat in seinem den Beteiligten bekannten Urteil vom 24.1.2007 (- 13 S 451/06 -; a.a.O.) im einzelnen näher dargelegt hat und worauf zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, sind jedenfalls bestandskräftig gewordene Ausweisungsverfügungen auch nicht durch Inkrafttreten des Freizügigkeitsgesetzes zum 1.1.2005 unwirksam geworden.
27 
2. Auch europäisches Gemeinschaftsrecht verpflichtet den Beklagten nicht zur Rücknahme der Ausweisungsverfügung. Wie der Senat in seinem den Beteiligten bekannten Urteil vom 24.1.2007 (13 S 451/06) unter ausführlicher Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des EuGH darstellt, begründet Gemeinschaftsrecht in Fällen der vorliegenden Art keinen unbedingten Rücknahmeanspruch. Vielmehr sind vom nationalen Recht vorgesehene Ausschlussfristen für die Rechtsverfolgung - mit der Folge der Bestandskraft bei Nichteinhaltung dieser Fristen - grundsätzlich auch mit Gemeinschaftsrecht vereinbar, weil sie ein Anwendungsfall des auch für das Gemeinschaftsrecht grundlegenden Prinzips der Rechtssicherheit sind. Selbst bei einem Verstoß gegen materielles Europarecht ist danach eine Rücknahme nicht schlechterdings geboten, vielmehr besteht lediglich eine gemeinschaftsrechtliche Prüfungs- oder Rücknahmepflicht in dem Rahmen, den auch das nationale Recht vorsieht (vgl. Urteil des Senats vom 24.1.2007, a.a.O.; umfassend Rennert, DVBl. 2004, 400; Ruffert, JZ 2007, 407). Bereits oben ist ausgeführt worden, dass unter dem Gesichtspunkt des § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG die Aufrechterhaltung der gegen den Kläger ergangenen Ausweisung nicht „schlechterdings unerträglich“ ist, eine Rücknahmepflicht insoweit also nicht besteht, und diese Überlegungen gelten auch im hier interessierenden Zusammenhang. Der Verzicht des Klägers auf Rechtsbehelfe und die Tatsache, dass der Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht keineswegs offensichtlich war, steht auch hier der der Annahme einer unbedingten Rechtsverpflichtung zur Rücknahme entgegen. Von besonderer Gravität oder gar (zusätzlicher) Offensichtlichkeit eines Gemeinschaftsrechtsverstoßes kann unter diesen Gesichtspunkten ohnehin nicht ausgegangen werden. Da der Kläger nach der Ausweisungsverfügung nicht mehr im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis war und das Bundesgebiet sogar vom Oktober 2000 bis zum August 2004 und erneut von September 2004 bis April 2005 für lange Zeit verlassen hatte, ist auch nicht ersichtlich, dass die Anwendung des nationalen Verfahrensrechts bei der Umsetzung des Gemeinschaftsrechts zu entscheidenden Wirkungsverlusten oder gar zur Umgehung des Gemeinschaftsrechts führen würde. Im übrigen ist jedenfalls dem sekundären Gemeinschaftsrecht die Aufspaltung in Verlust des Freizügigkeitsrechts einerseits und nachfolgende Befristung dieser Wirkung andererseits nicht fremd. So sieht Art. 32 Abs. 1 der RL 2004/38/EG vor, dass ein Unionsbürger, der sein Aufenthaltsrecht aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verloren hat, einen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbots unter Hinweis auf veränderte Umstände stellen kann. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob der Kläger - wie von ihm vorgetragen - zum derzeitigen Zeitpunkt aufgrund seines niedrigen Rentenbezugs einen gemeinschaftsrechtlichen Anspruch auf Zuzug in das Bundesgebiet hat oder nicht. Eine hieran etwa scheiternde Freizügigkeitsberechtigung des Klägers ist nicht Folge der Ausweisung, deren Sperrwirkungen gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG von der Beklagten wie dargestellt befristet worden sind. Wie der Europäischen Gerichtshof in seinem Urteil vom 7.9.2004 (C 456/02 - Trojani -, Rn 36, InfAuslR 2004, 417) zu den „Beschränkungen und Bedingungen“ der Freizügigkeit im Sinne des Art. 18 Abs. 1 EG ausgeführt hat, erwächst dem Unionsbürger bei Fehlen ausreichender Existenzmittel im Sinne der RL 90/364/EWG kein Recht zum Aufenthalt; diese Formulierung legt den Schluss zumindest nahe, dass bei Nichterfüllung dieser Beschränkungen und Bedingungen die Unionsbürgerschaft allein keine Freizügigkeitsberechtigung vermittelt.
28 
3. Entgegen der Annahme des Klägers begründen auch die Bestimmungen der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4.11.1950 (BGBl. 1952 II, 696, 953/19542, S. 14) keinen unbedingten Anspruch auf Rücknahme der gegen ihn ergangenen Ausweisungsverfügung. Zum einen verstößt die Ausweisung nicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (3.1), zum anderen begründet ein etwaiger Verstoß gegen die materiellen Schutzbestimmungen der EMRK nicht in jedem Falle ein entsprechendes Vollstreckungsverbot und vor allem nicht einen hiermit korrespondierenden unbedingten Rücknahmeanspruch (3.2).
29 
3.1. Nicht zu folgen vermag der Senat der Annahme des Klägers, wonach die Ausweisungsverfügung vom 29.5.2000 bereits deshalb gegen Art. 8 Abs. 1 EMRK verstößt, weil nicht zeitgleich bei ihrem Erlass über eine Befristung der Ausweisungswirkungen entschieden wurde. Der Senat hält an seiner - dem Prozessbevollmächtigten des Klägers bekannten -Rechtsprechung fest, dass das Aufenthaltsgesetzt, das eine Befristung der Wirkungen der Ausweisung nur auf Antrag vorsieht, weder zu Art. 8 EMRK noch zu der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Widerspruch steht und die Ausländerbehörde deshalb eine Ausweisungsverfügung erlassen darf, ohne zugleich von Amts wegen über eine Befristung zu entscheiden. Den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) lässt sich weder entnehmen, dass die Befristungsentscheidung stets zusammen mit der Ausweisungsentscheidung getroffen werden muss noch dass die Befristung nicht von einem entsprechenden Antrag abhängig gemacht werden darf. Eine - durch die Ausweisung mit zunächst unbefristeter Sperrwirkung möglicherweise ausgelöste - unverhältnismäßige Einschränkung der persönlichen Lebensführung des Ausländers wird dadurch verhindert, dass der Ausländer für den Regelfall einen Anspruch auf Befristung der Wirkungen der Ausweisung, insbesondere des Einreise- und Aufenthaltsverbots, hat. Denn der EGMR betont stets, dass es sich um eine Entscheidung im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen konkreten Umstände handelt (vgl. m.w.N. Beschluss des Senats vom 20.3.2007 - 13 S 850/06 -). Auch dem vom Kläger lediglich in englischer Sprache vorgelegten Urteil des EGMR vom 22.3.2007 - 1638/03 -(Maslov) lässt sich nichts Gegenteiliges entnehmen; vielmehr bestätigt der Gerichtshof in dieser Entscheidung seine bisherige Rechtsprechung, wonach eine umfassende Einzelfallbetrachtung und Abwägung geboten ist, wobei einer etwa erfolgten Befristung nicht unerhebliches Gewicht zukommt. Der Fall des Klägers unterscheidet sich dabei bereits in Anbetracht der zahlreichen von ihm begangenen Straftaten gegen unterschiedliche Rechtsgüter und vor allem auch der Tatsache, dass sich der Kläger weder durch die Verurteilung des Landgerichts Stuttgart vom 21.10.1998 zu einer vierjährigen Freiheitsstrafe noch durch deren nachfolgende teilweise Verbüßung von der Abhaltung weiterer, gegen die körperliche Unversehrtheit gerichteter Straftaten abhalten ließ, von den vom EGMR explizit beurteilten Fällen (13/10). Auch das Bundesverfassungsgericht geht im übrigen entgegen der Annahme des Klägers nicht davon aus, dass die Sperrwirkungen einer Ausweisung aufgrund der Bestimmung des Art. 8 Abs. 1 EMRK in jedem Falle zeitgleich mit deren Erlass befristet werden müssten. Vielmehr führt das Bundesverfassungsgericht in seinem den Beteiligten bekannten Beschluss vom 10.5.2007 (2 BvR 304/07) aus, dass die Befristung der Ausweisungswirkungen nur eines von mehreren Kriterien im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Ausweisung gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist (vgl. insbesondere S. 17 des Beschlussumdrucks). Auch die von dem Kläger angeführte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18.7.1979 (1 BvR 650/77) bestätigt seine Rechtsauffassung nicht. Die Entscheidung hebt lediglich auf die Bedeutung einer etwaigen Befristung für die Verhältnismäßigkeit der Ausweisungsverfügung ab, ohne dass sich ihr Anhaltshaltspunkte dafür entnehmen ließen, dass - wie vom Kläger angenommen - über die Befristung stets zeitgleich und unabhängig von einem Antrag mit der Verfügung der Ausweisung zu befinden wäre.
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3.2 Im übrigen begründet ein etwaiger Verstoß der Ausweisungsverfügung gegen materielle Bestimmungen der EMRK keinen unbedingten Rücknahmeanspruch, vielmehr stellt ein derartiger Verstoß lediglich einen Gesichtspunkt dar, welcher in die nach nationalen Recht zu treffende Ermessensentscheidung über die Rücknahme gemäß § 48 Abs. 1 LVwVfG einzustellen ist. Dem etwaigen Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention, die aufgrund der Zustimmung des Bundesgesetzgebers mit förmlichem Gesetz gemäß Art. 59 Abs. 2 GG innerstaatlich im Range eines Bundesgesetzes gilt (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 14.10.2004 - 2 BvR 1481/04 -, NJW 2004, 3407), kommt dabei keine weitergehende Wirkung zu als einem Verstoß gegen sonstiges materielles nationales Recht oder gar einem Grundrechtsverstoß. Vielmehr folgt aus dieser Rangzuweisung, dass die Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention und ihrer Zusatzprotokolle - soweit sie für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten sein -nach der Normenhierarchie keine gegenüber sonstigem Bundesrecht übergeordnete Wirkung entfalten. Nach dieser Rangzuweisung haben vielmehr deutsche Gerichte und Verwaltungsbehörden die Konvention wie anderes Gesetzesrecht des Bundes im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung zu beachten und anzuwenden. Aufgrund der weitgehenden Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes sind dabei sowohl dieses als auch das übrige staatliche Recht nach Möglichkeit so auszulegen, dass ein Konflikt mit völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands und damit auch mit den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention in der Gestalt, welche diese in der maßgeblichen Rechtsprechung des EGMR gefunden hat, vermieden wird (vgl. hierzu ausführlich BVerfG, Beschluss vom 14.10.2004, a.a.O. und vom 1.3.2004 - 2 BvR 1570/03 - NVwZ 2004, 852; Meyer-Ladewig, Europäische Menschenrechtskonvention, Handkommentar, 2. Aufl., Rn 20 ff. zu Art 46 m.w.N.). Die über das Zustimmungsgesetz ausgelöste Berücksichtigung der Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Entscheidungen des Gerichtshofs erfordert dabei zumindest, dass die entsprechenden Texte und Judikate zur Kenntnis genommen werden und in den Willensbildungsprozess des zu einer Entscheidung berufenen Gerichts, der zuständigen Behörde oder des Gesetzgebers einfließen. Liegt der Konventionsverstoß in dem Erlass eines bestimmten Verwaltungsakts, so hat die zuständige Behörde die Möglichkeit, diesen nach den Regelungen des nationalen Verwaltungsverfahrensrechts aufzuheben (vgl. § 48 LVwVfG), eine entsprechende unbedingte Verpflichtung der Behörde lässt sich weder den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention noch der hierzu ergangenen Rechtsprechung des EGMR entnehmen. Auch der von dem Kläger zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts lässt sich nichts Gegenteiliges entnehmen. Vielmehr führt das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 6.12.2005 (1 BvR 1905/02, DVBl. 2006, 267) ausdrücklich aus, dass sich aus dem Gesamtzusammenhang der Bestimmungen des § 79 Abs. 1, 2 BVerfGG und insbesondere aus Satz 4 von § 79 Abs. 2 BVerfGG der allgemeine Rechtsgedanke ableiten lasse, dass einerseits zwar unanfechtbar gewordene Akte der öffentlichen Gewalt, die auf verfassungswidriger Grundlage zustande gekommen sind, nicht rückwirkend aufgehoben und die nachteiligen Wirkungen, die in der Vergangenheit von ihnen ausgegangen sind, nicht beseitigt werden, andererseits jedoch zukünftige Folgen, die sich aus einer zwangsweisen Durchsetzung verfassungswidrig ergangener Entscheidungen ergeben würden, abgewendet werden sollen. Diesem § 79 Abs. 2 BVerfGG zugrundeliegenden Rechtsgedanken lässt sich allenfalls ein Vollstreckungsverbot von Maßnahmen, welche gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen, entnehmen, nicht jedoch ein unbedingter Normanwendungsbefehl zur Rücknahme bereits vollstreckter Maßnahmen, wie sie hier die vollzogene Ausweisung darstellt.
31 
4. Dem Kläger steht jedenfalls in der Sache kein Anspruch auf - unbedingtes - Wiederaufgreifen des Verfahrens im Sinne von § 51 Abs. 1 LVwVfG zu. Dahingestellt kann deshalb bleiben, ob dem anwaltlich vertretenen Kläger überhaupt das erforderliche allgemeine Rechtsschutzbedürfnis für dessen Durchsetzung zusteht, nachdem er sowohl bei der Behörde als auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ausdrücklich einen Rücknahmeantrag gestellt hat. Insbesondere liegen die Voraussetzungen eines Wiederaufgreifens nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG nicht vor. Danach ist das Verfahren u.a. wieder aufzugreifen, wenn sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat. Eine Änderung der Rechtslage im Sinne des Bestimmung ist nur dann anzunehmen, wenn es sich um eine Änderung im Bereich des materiellen Rechts, dem eine allgemein verbindliche Außenwirkung zukommt, handelt. Dementsprechend kann eine gerichtliche Spruchpraxis keine Änderung der Rechtslage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG bewirken (vgl. hierzu BVerwG, Vorlagebeschluss vom 7.7.2004 - 6 C 24/03 -, juris; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 9.11.2004 - 11 S 2771/03 -, juris). Mithin rechtfertigen die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 3.8.2004 (- 1 C 29.02 -, BVerwGE 121, 315 bzw. - 1 C 30.02 -, BVerwGE 121, 297) eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG nicht. Zwar kann die Behörde im Verwaltungsverfahren nach pflichtgemäßem Ermessen auch dann wieder aufgreifen und über einen durch unanfechtbaren Verwaltungsakt beschiedenen materiell-rechtlichen Anspruch erneut sachlich entscheiden, wenn die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen im engeren Sinne nach § 51 Abs. 1 LVwVfG nicht vorliegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.9.2005 - 2 C 5/99 -, DVBl. 2001, 726; vgl. § 51 Abs. 5 LVwVfG. Allerdings räumt diese Vorschrift dem Kläger lediglich ein subjektiv-öffentliches Recht auf fehlerfreie Ermessensentscheidung der Behörde über ein Wiederaufgreifen des Verfahrens ein; eine Ermessensreduzierung auf Null mit der Folge, dass die Behörde zur Rücknahme der Ausweisungsverfügung vom 29.5.2000 verpflichtet wäre, besteht aus den oben dargestellten Gründen nicht.
32 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
33 
Die Revision war zuzulassen, da insbesondere die Frage der Wirksamkeit sogenannter altrechtlicher Ausweisungsverfügungen gegen Unionsbürger in der obergerichtlichen Rechtsprechung strittig und noch nicht höchstrichterlich geklärt ist (siehe § 132 Abs. 2 Satz 1 VwGO).
34 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt (§ 152 Abs. 2 GKG).

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er

1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat;
2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren;
3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen.

(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.

(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.

(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(1) Der Aufenthaltstitel erlischt in folgenden Fällen:

1.
Ablauf seiner Geltungsdauer,
2.
Eintritt einer auflösenden Bedingung,
3.
Rücknahme des Aufenthaltstitels,
4.
Widerruf des Aufenthaltstitels,
5.
Ausweisung des Ausländers,
5a.
Bekanntgabe einer Abschiebungsanordnung nach § 58a,
6.
wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach nicht vorübergehenden Grunde ausreist,
7.
wenn der Ausländer ausgereist und nicht innerhalb von sechs Monaten oder einer von der Ausländerbehörde bestimmten längeren Frist wieder eingereist ist,
8.
wenn ein Ausländer nach Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß der §§ 22, 23 oder § 25 Abs. 3 bis 5 einen Asylantrag stellt;
ein für mehrere Einreisen oder mit einer Geltungsdauer von mehr als 90 Tagen erteiltes Visum erlischt nicht nach den Nummern 6 und 7.

(1a) Die Gültigkeit einer nach § 19 erteilten ICT-Karte erlischt nicht nach Absatz 1 Nummer 6 und 7, wenn der Ausländer von der in der Richtlinie 2014/66/EU vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch macht, einen Teil des unternehmensinternen Transfers in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union durchzuführen. Die Gültigkeit einer nach § 16b oder § 18d erteilten Aufenthaltserlaubnis erlischt nicht nach Absatz 1 Nummer 6 und 7, wenn der Ausländer von der in der Richtlinie (EU) 2016/801 vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch macht, einen Teil des Studiums oder des Forschungsvorhabens in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union durchzuführen.

(2) Die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers, der sich mindestens 15 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat sowie die Niederlassungserlaubnis seines mit ihm in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ehegatten erlöschen nicht nach Absatz 1 Nr. 6 und 7, wenn deren Lebensunterhalt gesichert ist und kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder Absatz 2 Nummer 5 bis 7 besteht. Die Niederlassungserlaubnis eines mit einem Deutschen in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ausländers erlischt nicht nach Absatz 1 Nr. 6 und 7, wenn kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder Absatz 2 Nummer 5 bis 7 besteht. Zum Nachweis des Fortbestandes der Niederlassungserlaubnis stellt die Ausländerbehörde am Ort des letzten gewöhnlichen Aufenthalts auf Antrag eine Bescheinigung aus.

(3) Der Aufenthaltstitel erlischt nicht nach Absatz 1 Nr. 7, wenn die Frist lediglich wegen Erfüllung der gesetzlichen Wehrpflicht im Heimatstaat überschritten wird und der Ausländer innerhalb von drei Monaten nach der Entlassung aus dem Wehrdienst wieder einreist.

(4) Nach Absatz 1 Nr. 7 wird in der Regel eine längere Frist bestimmt, wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach vorübergehenden Grunde ausreisen will und eine Niederlassungserlaubnis besitzt oder wenn der Aufenthalt außerhalb des Bundesgebiets Interessen der Bundesrepublik Deutschland dient. Abweichend von Absatz 1 Nummer 6 und 7 erlischt der Aufenthaltstitel eines Ausländers nicht, wenn er die Voraussetzungen des § 37 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 erfüllt, rechtswidrig mit Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Eingehung der Ehe genötigt und von der Rückkehr nach Deutschland abgehalten wurde und innerhalb von drei Monaten nach Wegfall der Zwangslage, spätestens jedoch innerhalb von zehn Jahren seit der Ausreise, wieder einreist.

(5) Die Befreiung vom Erfordernis des Aufenthaltstitels entfällt, wenn der Ausländer ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben wird; § 11 Absatz 2 bis 5 findet entsprechende Anwendung.

(6) Räumliche und sonstige Beschränkungen und Auflagen nach diesem und nach anderen Gesetzen bleiben auch nach Wegfall des Aufenthaltstitels oder der Aussetzung der Abschiebung in Kraft, bis sie aufgehoben werden oder der Ausländer seiner Ausreisepflicht nachgekommen ist.

(7) Im Falle der Ausreise eines Asylberechtigten oder eines Ausländers, dem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unanfechtbar die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat, erlischt der Aufenthaltstitel nicht, solange er im Besitz eines gültigen, von einer deutschen Behörde ausgestellten Reiseausweises für Flüchtlinge ist. Der Ausländer hat auf Grund seiner Anerkennung als Asylberechtigter oder der unanfechtbaren Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge keinen Anspruch auf erneute Erteilung eines Aufenthaltstitels, wenn er das Bundesgebiet verlassen hat und die Zuständigkeit für die Ausstellung eines Reiseausweises für Flüchtlinge auf einen anderen Staat übergegangen ist.

(8) Vor der Aufhebung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 38a Abs. 1, vor einer Ausweisung eines Ausländers, der eine solche Aufenthaltserlaubnis besitzt und vor dem Erlass einer gegen ihn gerichteten Abschiebungsanordnung nach § 58a gibt die zuständige Behörde in dem Verfahren nach § 91c Absatz 2 über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dem Mitgliedstaat der Europäischen Union, in dem der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten besitzt, Gelegenheit zur Stellungnahme, wenn die Abschiebung in ein Gebiet erwogen wird, in dem diese Rechtsstellung nicht erworben werden kann. Geht die Stellungnahme des anderen Mitgliedstaates rechtzeitig ein, wird sie von der zuständigen Behörde berücksichtigt.

(8a) Soweit die Behörden anderer Schengen-Staaten über Entscheidungen nach Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009, die durch die Ausländerbehörden getroffen wurden, zu unterrichten sind, erfolgt dies über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden unterrichten die Behörden anderer Schengen-Staaten unmittelbar über ihre Entscheidungen nach Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009.

(9) Die Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU erlischt nur, wenn

1.
ihre Erteilung wegen Täuschung, Drohung oder Bestechung zurückgenommen wird,
2.
der Ausländer ausgewiesen oder ihm eine Abschiebungsanordnung nach § 58a bekannt gegeben wird,
3.
sich der Ausländer für einen Zeitraum von zwölf aufeinander folgenden Monaten außerhalb des Gebiets aufhält, in dem die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten erworben werden kann; der Zeitraum beträgt 24 aufeinanderfolgende Monate bei einem Ausländer, der zuvor im Besitz einer Blauen Karte EU war, und bei seinen Familienangehörigen, die zuvor im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 30, 32, 33 oder 36 waren,
4.
sich der Ausländer für einen Zeitraum von sechs Jahren außerhalb des Bundesgebiets aufhält oder
5.
der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erwirbt.
Auf die in Satz 1 Nr. 3 und 4 genannten Fälle sind die Absätze 2 bis 4 entsprechend anzuwenden.

(10) Abweichend von Absatz 1 Nummer 7 beträgt die Frist für die Blaue Karte EU und die Aufenthaltserlaubnisse nach den §§ 30, 32, 33 oder 36, die den Familienangehörigen eines Inhabers einer Blauen Karte EU erteilt worden sind, zwölf Monate. Gleiches gilt für die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers, der sich mindestens 15 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat sowie die Niederlassungserlaubnis eines mit ihm in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ehegatten, wenn sie das 60. Lebensjahr vollendet haben.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 12. Oktober 2005 - 6 K 3901/04 - abgeändert; der Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 29. September 2004 wird aufgehoben und der Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Rücknahme der Ausweisungsverfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 4. März 1998 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Im übrigen werden die Klage und die Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge trägt der Kläger 1/3 und der Beklagte 2/3.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger ist italienischer Staatsangehöriger und im Jahr 1973 in Deutschland geboren, wo auch seine italienische Mutter, der italienische Stiefvater und seine Halbschwester leben. Er hat einen Hauptschulabschluss, ist aber ohne Beruf; begonnene Lehren wurden nicht zu Ende geführt. 1993 bezog er mit seiner damaligen deutschen Freundin - die er später heiratete - eine Wohnung; aus der Beziehung sind zwei Kinder hervorgegangen (geboren 1990 und 1995), deren Vaterschaften er anerkannte. Die ihm zuletzt erteilte befristete Aufenthaltserlaubnis nach dem Ausländergesetz (nicht nach dem AufenthaltsG/EWG), erteilt von der Stadt Stuttgart am 22.4.1996, endete am 22.10.1997; eine Verlängerung wurde nicht beantragt.
Seit 1988 wurde der Kläger im Bundesgebiet mehrfach straffällig und verurteilt. Es handelt sich zunächst u.a. um zahlreiche Diebstahlsdelikte, Urkundenfälschungen, mehrfaches Fahren ohne Fahrerlaubnis, Körperverletzung und Betrugsversuche; später (ab 1992) kamen hinzu: gemeinschaftlicher schwerer Raub, unerlaubter Erwerb von Betäubungsmitteln, weitere Diebstähle und Fahren ohne Fahrerlaubnis, fahrlässige und vorsätzliche Straßenverkehrsgefährdung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und weitere Delikte (zuletzt Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 9 Monaten). Im Juli 1997 wurde der Kläger wegen gemeinschaftlichen Betrugs, gemeinschaftlicher Urkundenfälschung und zweier Diebstähle in besonders schwerem Fall zu einem Jahr und 3 Monaten Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Im Oktober 1996 wurde der Kläger festgenommen und war anschließend in Haft; er flüchtete im Juli 1997 aus der Haftanstalt und wurde im Oktober 1997 erneut in Haft genommen.
Im Juni 1998 wurde er aufgrund einer Ausweisungsverfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 4.3.1998 (Regelausweisung aus schwerwiegenden spezial- und generalpräventiven Gründen und Abschiebungsandrohung) nach Italien abgeschoben. Vor Erlass dieser Ausweisungsverfügung hatte der Kläger mit Schreiben vom 15.2.1998 erklärt:
„Im Schreiben vom 12.1.1998 sieht die Staatsanwaltschaft von der weiteren Vollstreckung der Strafe ab dem 13.6.1998 ab, wenn ich von der Grenzpolizei abgeschoben werde. Darum beantrage ich nun selber meine Abschiebung aus der BRD und ziehe hiermit meine Beschwerde vom 2.2.1997 zurück. Ich habe in der BRD nichts mehr zu suchen, da meine Freundin und meine beiden Kinder mit mir nach Italien gehen ...“
In der Begründung der Ausweisungsverfügung, gegen die der Kläger keinen Widerspruch erhob, war das Regierungspräsidium Stuttgart davon ausgegangen, dass der Kläger mangels Arbeitnehmereigenschaft, ausreichender Krankenversicherung und Existenzmitteln sowie aufgrund seiner Erklärung vom Februar 1998 nicht zu den freiheitsberechtigten Unionsbürgern gehöre. Eine atypische Fallgestaltung wurde verneint; Ermessen wurde nicht (auch nicht hilfsweise) ausgeübt.
Im November 1998 kam der Kläger nach Deutschland zurück; am 13.9.1999 wurde er erneut nach Italien abgeschoben. Im November 1999 reiste er wiederum in das Bundesgebiet ein; am 18.3.2000 kam er wieder in Haft. Er war erneut straffällig geworden (Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 4.8.2000: Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren wegen Diebstahls in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs und in zwei Fällen in Tateinheit mit vorsätzlicher Trunkenheit, wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort in zwei Fällen, wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs sowie wegen schwerer räuberischer Erpressung). Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB wurde angeordnet. Das Urteil wurde rechtskräftig. Der Maßregelvollzug (ab Juni 2001) in der ... in ... wurde abgebrochen, nachdem der Kläger im November 2001 mit zwei Mitpatienten von dort geflohen war; seit dem 19.12.2001 befindet er sich wieder in Strafhaft in der JVA Heilbronn.
Von 1993 bis ca. 2000 hatte der Kläger mit seinen Kindern und deren Mutter mit den oben genannten Unterbrechungen zusammengelebt; er heiratete die Mutter der Kinder im Jahr 1999 (19.8.1999) in der Strafhaft. Ab März 2000 bewohnte der Kläger mit zwei Mitbewohnern aus dem Drogenmilieu eine Zwei-Zimmer-Wohnung; er selbst war drogenabhängig und konsumierte Drogen aller Art, auch Heroin. Er ist mit HIV und Hepatitis C infiziert.
Der Sohn ... des Klägers (geb 1990) ist wegen Verhaltensauffälligkeit tagsüber in einem Heim untergebracht, die Tochter ... lebt bei der Mutter, zu der der Kläger keinen engen Kontakt mehr hat.
Der Kläger beantragte im April 2001 und erneut im Februar 2004, die Wirkungen seiner Ausweisung und Abschiebung zu befristen. Er machte geltend, er sei mit einer Deutschen verheiratet und habe auch zwei deutsche Kinder. Das Befristungsverfahren wurde im Einverständnis mit dem Kläger zunächst nicht betrieben, weil er erklärte, sich in Italien einer Drogentherapie unterziehen zu wollen. Im Mai 2004 beantragte der Kläger, die Ausweisungsverfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 4.3.1998 zurückzunehmen, hilfsweise die Wirkungen der Ausweisung und der Abschiebungen mit sofortiger Wirkung zu befristen.
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Mit Verfügung vom 29.9.2004 lehnte das Regierungspräsidium Stuttgart den Antrag auf Rücknahme der Ausweisungsverfügung vom 4.3.1998 und die weiteren Anträge auf Befristung der Wirkungen der Ausweisung und der Abschiebungen ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 48 LVwVfG für den Erlass einer die Ausweisungsverfügung betreffenden Rücknahmeverfügung lägen nicht vor. Die Ausweisung sei rechtmäßig erlassen worden. Ihr Widerruf scheide aus, weil die Widerrufsvorschrift durch die Befristungsregelung im Ausländergesetz verdrängt sei. Eine Befristung der Wirkungen komme derzeit nicht in Betracht, weil der von § 8 Abs. 2 Satz 2 AuslG vorausgesetzte Regelfall nicht gegeben sei. Der Fall des Klägers sei atypisch, und es sei gegenwärtig nicht absehbar, dass der spezialpräventive Zweck der Ausweisung überhaupt erreicht werden könne. Auch eine Befristung der Wirkungen der Abschiebung komme derzeit nicht in Betracht, zumal der Kläger die angefallenen Kosten noch nicht bezahlt und im übrigen seine früheren Abschiebungen missachtend schon zweimal illegal nach Deutschland gekommen sei.
11 
Die am 1.10.2004 beim Verwaltungsgericht Stuttgart erhobene Klage, mit der der Kläger beantragt hat,
12 
die Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 29.9.2004 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Ausweisungsverfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 4.3.1998 zurückzunehmen, hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, die Wirkungen der Ausweisung und Abschiebung zu befristen,
13 
ist durch Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 12.10.2005 - 16 K 3901/04 - abgewiesen worden. Das Verwaltungsgericht hat in den Gründen ausgeführt, die Ablehnungsverfügung vom 29.9.2004 verletze den Kläger nicht in seinen Rechten; eine Rücknahme komme nicht in Betracht, da die frühere Ausweisungsverfügung des Regierungspräsidiums vom 4.3.1998 rechtmäßig sei. Die neuere Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts ändere nichts daran, dass diese Verfügung rechtmäßig erlassen worden sei. Der Kläger sei zwar Unionsbürger, erfülle aber die Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 1 der RL 90/364/EWG vom 28.6.1990 nicht, da das Erfordernis der Krankenversicherung und ausreichender Existenzmittel nicht erfüllt sei. Außerdem habe der Kläger vor Erlass der Ausweisungsverfügung im Anhörungsverfahren wirksam auf ein Freizügigkeitsrecht verzichtet, als er erklärt habe, er habe in der Bundesrepublik Deutschland nichts mehr zu suchen und wolle deshalb mit seiner Freundin und seinen beiden Kindern nach Italien übersiedeln. Auch der Hilfsantrag habe keinen Erfolg, da auf den Kläger nunmehr aufgrund der Ausweisungsverfügung nicht mehr das Freizügigkeitsgesetz/EU, sondern vielmehr das allgemeine Ausländerrecht anzuwenden sei. Ein Regelfall, der die Befristung nahe legen könne, sei hier nicht gegeben; das Regierungspräsidium habe zu Recht angenommen, hier liege ein Sonderfall vor. Auf die Begründung der Behörde werde Bezug genommen.
14 
Auf den rechtzeitig gestellten und begründeten Zulassungsantrag des Klägers hin hat der Senat mit Beschluss vom 20.2.2006 (Zustellung am 27.2.2006) die Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen; mit dem am 2.3.2006 eingegangenen Berufungsbegründungsschriftsatz, der auf das Vorbringen im Zulassungsverfahren Bezug genommen hat, beantragt der Kläger,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 12.10.2005 - 16 K 3901/04 - abzuändern und den Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 29.9.2004 aufzuheben sowie den Beklagten zu verpflichten, die Ausweisungsverfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 4.3.1998 zurückzunehmen,
hilfsweise:
den Beklagten zu verpflichten, unter Aufhebung der Verfügung vom 29.9.2004 die Wirkungen der Ausweisung und der Abschiebung zu befristen.
16 
Zur Begründung des Berufungsantrags trägt der Kläger vor, sein Freizügigkeitsrecht könne nicht bestritten werden. Es ergebe sich aus Art. 7 Abs. 2 der RL 68/360/EWG, und das Freizügigkeitsrecht sei auch nicht wegen Fehlens von Unterhaltsgewährung nach Art. 10 der Verordnung 1612/68 untergegangen. Ein Verzicht auf das Freizügigkeitsrecht sei unwirksam und liege auch inhaltlich nicht vor. Das Verwaltungsgericht habe außerdem verkannt, dass auch seine Kinder neben der deutschen Staatsangehörigkeit die italienische Staatsangehörigkeit hätten, so dass er als Vater dieser Kinder ebenfalls ein Aufenthaltsrecht habe. Dass die damalige Ausweisungsverfügung gemeinschaftsrechtswidrig gewesen sei, liege auf der Hand. Einmal habe die Behörde zu Unrecht das Freizügigkeitsrecht verneint und allgemeines Ausländerrecht angewandt. Dies sei bei EU-Bürgern unzulässig. Außerdem habe der Europäische Gerichtshof inzwischen sogar die entsprechende Regelung des AufenthaltsG/EWG für gemeinschaftswidrig erklärt. Rechtswidrig sei die Ausweisung auch deswegen gewesen, weil sie unbefristet erfolgt sei; dies widerspreche mehreren Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Allgemein sei zu bemerken, dass die Europäischen Institutionen die Voraussetzungen der Ausweisung ohnehin enger fassten als die deutschen Behörden und Gerichte. Das der Behörde zustehende Ermessen sei hier wegen der Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der Ausweisung auf die Rücknahme ex tunc reduziert; eine andere Lösung komme nicht in Betracht. Die Bestandskraft einer Verfügung sei geringer zu werten als die Rechtskraft, und der Europäische Gerichtshof habe mehrfach entschieden, dass bei gemeinschaftsrechtswidrigen Verfügungen entweder die Rechtsmittelfrist gehemmt sei oder eine Rücknahmepflicht bestehe. Teilweise werde auch angenommen, solche gemeinschaftsrechtswidrigen Verfügungen würden unwirksam. Jedenfalls sei die neuere Rechtsprechung der Europäischen Gerichte auch auf zurückliegende Sachverhalte anzuwenden. Da die Möglichkeit der Befristung einer Rücknahme ex nunc als Spezialregelung entgegenstehe, bleibe die Rücknahme ex tunc. Mindestens sei diese Rechtsfrage dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen.
17 
Der Beklagte beantragt,
18 
die Berufung zurückzuweisen.
19 
Er ist nach wie vor der Auffassung, dass der Kläger die Voraussetzungen des Freizügigkeitsrechts im Zeitpunkt der Ausweisung nicht mehr erfüllt habe und daher EU-Recht unbeachtlich sei. Seine Erklärung vom15.2.1998, er wolle mit Freundin und Kindern in Italien leben, belege dies ausreichend. Abgesehen davon seien aber die Voraussetzungen des § 12 AufenthG/EWG und des EU-Rechts für die Ausweisung gegeben gewesen, da der Kläger massiv strafrechtlich in Erscheinung getreten sei. Insofern handle es sich um einen Extremfall im Sinn des Urteils des EuGH vom 29.4.2004, und von einer unrichtigen Auslegung des Gemeinschaftsrechts durch die Behörden könne keine Rede sein. Die bestehende Wiederholungsgefahr habe der Kläger selbst nach seiner Rückkehr in das Bundesgebiet nachhaltig bestätigt. Auch der Vollzug der Strafhaft sei nicht beanstandungsfrei. Die vom Kläger zitierten Urteile des EGMR insbesondere zur Befristungsfrage änderten daran nichts; zumutbar und erforderlich sei jedenfalls, dass ein Befristungsantrag gestellt werde. Die Befristungsvorschriften belegten geradezu, dass die Ausweisung nicht gewissermaßen lebenslänglich sei. Die Ausweisung habe auch nicht gegen Art. 9 der RL 64/221/EWG verstoßen, da der Kläger nach Italien habe zurückkehren wollen. Er habe außerdem keine Klage erhoben, habe sich also gerade nicht verteidigen wollen. Ein Rücknahmeermessen sei damit nicht gegeben; erst recht nicht sei es auf die Rücknahme der Ausweisung reduziert. Auf die Bedeutung der Rechts- und Bestandskraft habe der Europäische Gerichtshof im Urteil vom 16.3.2006 hingewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht gehe außerdem davon aus, dass eine Ermessensentscheidung auch nachgeholt werden könne. Eine Rücknahme sei regelmäßig ausgeschlossen, wenn ein Verwaltungsakt mit gleichem Inhalt (hier: Feststellung des Verlusts des Rechts auf Einreise und Aufenthalt nach § 6 Freizügigkeitsgesetz/EU) neu erlassen werden müsse. Das sei hier der Fall. Neben dem nachhaltigen und massiven kriminellen Fehlverhalten sei darauf hinzuweisen, dass auch die Drogenproblematik nicht gelöst sei. Es sei daher nicht unverhältnismäßig, an der Ausweisung festzuhalten, sie als Verlust des Rechts auf Einreise und Aufenthalt anzusehen und dem Rücknahmeantrag nicht zu entsprechen. Es sei nicht ermessensfehlerhaft, den Kläger auf die Möglichkeit der Befristung zu verweisen für den Fall, dass die Wiederholungsgefahr nicht mehr gegeben sei. Mit den Kindern habe der Kläger im übrigen vor seiner Inhaftierung nicht in familiärer Lebensgemeinschaft zusammengewohnt. Möglicherweise werde er von ihnen und von seiner freizügigkeitsberechtigten Mutter noch regelmäßig besucht. Zur Mutter der Kinder habe er aber nur sporadischen und telefonischen Kontakt. Was Art. 8 EMRK angehe, so sei die hohe und konkrete Wiederholungsgefahr zu berücksichtigen; er sei nicht therapiert. Seine Erkrankung führe nicht dazu, dass sein Interesse an der Rücknahme der Ausweisung überwiege, da er erforderliche Medikamente auch in Italien bekommen könne. Für die ersten Tage nach einer Abschiebung nach Italien könnten ihm auch Medikamente mitgegeben werden. Jedenfalls habe der Kläger keinen Anspruch auf die beantragte Rücknahme, und eine am Zweck des § 48 LVwVfG orientierte Ermessensausübung ergebe, dass die Ablehnung des Antrags nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße. Soweit hilfsweise die Befristung beantragt werde, werde auf die angegriffene Verfügung vom 29.9.2004 (Fortbestand der Wiederholungsgefahr) verwiesen.
20 
Dem Senat liegen die den Kläger betreffenden Akten des Verwaltungsgerichts und der Behörden (jeweils 1 Heft Akten des RP Stuttgart und der Stadt Fellbach) vor; sie waren Gegenstand der Verhandlung und Beratung.

Entscheidungsgründe

 
21 
Die zulässige, insbesondere rechtzeitig begründete Berufung (§ 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO) hat Erfolg, soweit der Kläger neben der Aufhebung der angefochtenen Entscheidung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 29.9.2004 die Verpflichtung des beklagten Landes zur erneuten Entscheidung über den Antrag auf Rücknahme der Ausweisungsverfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 4.3.1998 begehrt (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO); die darüber hinausgehende Klage auf Verpflichtung des Beklagten zur Rücknahme dieser Verfügung war allerdings abzuweisen, da dem Kläger kein entsprechender Rücknahmeanspruch zusteht (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Da die Klage damit im Hauptantrag (teilweise) Erfolg hat und das erstinstanzliche Urteil insofern abzuändern war, braucht über den Hilfsantrag nicht entschieden zu werden (vgl. auch Sodan/Ziekow, VwGO, 2006, Rn 111 vor § 124).
22 
Gegenstand des mit der Berufung in erster Linie verfolgten Hauptantrags ist der mit der Klage geltend gemachte Anspruch auf Rücknahme der bestandskräftig gewordenen Ausweisungsverfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 4.3.1998 nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG; die damit verbundene Abschiebungsandrohung ist von dem sich auf die “Ausweisungsanordnung“ beschränkenden Berufungsantrag nicht umfasst, und auch eine (zusätzliche) Klage auf Wiederaufgreifen des Verfahrens im Sinn von § 51 VwVfG ist nicht erhoben, da der anwaltlich vertretene Kläger sowohl bei der Behörde als auch beim Verwaltungsgericht ausdrücklich einen Rücknahmeantrag gestellt hat. Dieser Antrag umfasst allerdings bei sachdienlicher Auslegung (§§ 86 Abs. 3, 88 VwGO) nicht nur einen denkbaren Rücknahmeanspruch nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG wegen Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, sondern es ist auf diesen Antrag hin auch zu prüfen, ob der Beklagte deswegen zur „Rücknahme“ der bestandskräftig gewordenen Ausweisungsverfügung verpflichtet ist, weil diese rechtlich unwirksam ist. Die Unwirksamkeit der Verfügung hat der Kläger in Anlehnung an die Rechtsprechung des Hess. VGH und des OVG Berlin (im einzelnen siehe dazu unten) in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich als Klagegrund geltend gemacht, und es ist anerkannt, dass bei einem unwirksamen - oder: wie hier allenfalls unwirksam gewordenen - Verwaltungsakt eine (klarstellende) behördliche Rücknahme des Verwaltungsakts möglich und aus Gründen der Beseitigung des Rechtsscheins gegebenenfalls auch erforderlich ist (siehe dazu Kopp/Ramsauer, VwVfG, 2003, Rn 19a zu § 48; siehe auch Bay. VGH, Urteil vom 12.10.1989 - 26 B 86.02944 -, NVwZ-RR 1991, 117; Hess. VGH, Urteil vom 29.3.2006 - 6 UE 2874/04 - juris und BSG, Urteil vom 23.2.1989 - NVwZ 1989, 902). Bei einer solchen Fallgestaltung ist der Kläger nicht darauf verwiesen, Feststellungsklage nach § 43 Abs. 2 VwGO zu erheben (siehe dazu Sodan/Ziekow, a.a.O., Rn 63 und 71 zu § 43; BSG a.a.O.), was im vorliegenden Fall als Klageänderung im Berufungsverfahren ohnehin prozessual nicht unproblematisch wäre.
23 
Der mit der Berufung verfolgte Anspruch des Klägers auf Rücknahme der bestandskräftigen Ausweisungsverfügung hat jedoch nur teilweise Erfolg. Da diese Verfügung rechtswidrig war, war das Rücknahmeermessen der Behörde nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG eröffnet (1); es wurde allerdings weder in der Ablehnungsverfügung vom 29.9.2004 noch zu einem späteren Zeitpunkt ausgeübt, so dass der Beklagte zu einer entsprechenden Bescheidung nach der Rechtsauffassung des Gerichts zu verpflichten war (2). Ein darüber hinaus gehender unbedingter Rücknahmeanspruch besteht dagegen nicht (3).
24 
1. Der Kläger ist nicht bereits deswegen rechtlich daran gehindert, die nach seiner Auffassung bei Ergehen der Ausweisungsverfügung bestehende Rechtswidrigkeit geltend zu machen, weil er zuvor der Behörde gegenüber am 15.2.1998 erklärt hatte, er beantrage seine Abschiebung und habe in der Bundesrepublik Deutschland nichts mehr zu suchen, weil er mit Freundin und Kindern nach Italien gehe. Dies ergibt sich bereits daraus, dass das Rücknahmeverlangen nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG nicht darauf abstellt, auf welche Weise der Verwaltungsakt bestandskräftig geworden ist; selbst ein Verzicht auf einen Widerspruch schließt damit ein späteres Rücknahmebegehren nicht aus. Erst recht gilt dies in einem Fall wie dem vorliegenden: Die Einverständniserklärung des Klägers vor Erlass des Verwaltungsakts steht nämlich einem Widerspruchsverzicht nicht gleich (siehe dazu BVerwG, Urteil vom 20.1.1967 - VII C 191.64 -, NJW 1967, 2027; Kopp/Schenke, VwGO, 2005, Rn 11 zu § 69 und Sodan/Ziekow, a.a.O., Rn 96 zu § 69 Fn 106). Die zur Bestandskraft des Verwaltungsakts führenden konkreten Umstände und insbesondere das Verhalten des Klägers der bevorstehenden Ausweisung gegenüber schließen eine Rücknahme also nicht aus; sie sind allenfalls Gesichtspunkte, die bei der Ausübung des Rücknahmeermessens von Bedeutung sind (siehe auch Senat, Beschluss vom 7.11.2005 - 13 S 1895/05 -; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 4.1.2006 - 11 S 1871/05 - und Kopp/Ramsauer, a.a.O., RN 52 f. zu § 48).
25 
Für die damit im Rahmen des § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG entscheidungserhebliche Frage der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der bestandskräftig gewordenen Ausweisung des Klägers stellt der Senat auf den Zeitpunkt des Erlasses der Ausweisungsverfügung ab; da der Kläger zu diesem Zeitpunkt freizügigkeitsberechtigt war, kann offen bleiben, inwieweit eine erst später eintretende Rechtswidrigkeit ein Rücknahmeverfahren eröffnen kann (siehe dazu BVerwG, Urteil vom 28.10.2004 - 1 C 13.03 -, NVwZ-RR 2005, 341; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24.9.2001 - 8 S 641/01 -, VBlBW 2002, 208, 209).
26 
Die Rechtswidrigkeit der bestandskräftig gewordenen Ausweisungsverfügung schon zum Zeitpunkt ihres Erlasses ergibt sich für den Senat allerdings nicht bereits aus den Vorschriften des damals geltenden Ausländergesetzes selbst - tatbestandlich lag ein Fall der Regelausweisung durchaus vor - und auch nicht aus den einfachrechtlichen Modifikationen der Ausweisung, die das damalige AufenthG/EWG insbesondere in § 12 enthielt; auch diese Vorschriften, insbesondere das Erfordernis einer Wiederholungsgefahr (§ 12 Abs. 3 und 4 AufenthG/EWG) sind eingehalten worden. Der Senat ist auch nicht der Auffassung, dass die Ausweisung des Klägers als eines Ausländers der sog. zweiten Generation aus Gründen des als Gesetzesrecht zu beachtenden Art. 8 Abs. 1 EMRK rechtswidrig war; angesichts der erheblichen Vorstrafen des Klägers und der jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt offen zu Tage liegenden Wiederholungsgefahr hinsichtlich gravierender Delikte war der mit der Ausweisung verbundene Eingriff in das Schutzgut „Familienleben“ im Sinn des Art. 8 Abs. 1 EMRK für die öffentliche Sicherheit bzw. zur Verhütung von Straftaten im Sinn des Art. 8 Abs. 2 EMRK notwendig und verhältnismäßig (s. dazu Breitenmoser/Riemer/Seitz, Praxis des Europarechts - Grundrechtsschutz, 2006, S. 66, 67 m.w.N. und die Nachweise bei Grote/Marauhn, EMRK/GG, Konkordanzkommentar, 2006, Kap. 16 Rn 94 m.w.N.) In Fällen wie dem vorliegenden hätte auch nicht notwendigerweise mit der Ausweisung selbst schon über eine Befristung der Wirkungen entschieden werden müssen. Eine solche zusätzliche Entscheidung lag im Fall des Klägers zum damaligen Zeitpunkt bereits wegen dessen vorangegangener Erklärung, er habe in der Bundesrepublik Deutschland nichts mehr zu suchen, nicht nahe; sie war aber auch nicht nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) geboten. Zwar hat der EGMR in mehreren Entscheidungen eine Ausweisung eines Ausländers also unverhältnismäßig beurteilt, die keine Befristungsentscheidung enthielt (siehe Urteile vom 17.4.2003 - Yilmaz -, NJW 2004, 2147, 2149; Urteil vom 22.4.2004 - Radovanovic -, InfAuslR 2004, 374 und Urteil vom 27.10.2005 - Keles -, InfAuslR 2006, 3); das deutsche Recht wird dem dieser Rechtsprechung zugrunde liegenden Gedanken der Verhältnismäßigkeit aber dadurch gerecht, dass es im Regelfall einen Befristungsanspruch gewährt (siehe damals § 8 Abs. 2 AuslG und heute § 11 Abs. 2 Satz 3 AufenthG und BVerwG, Beschluss vom 27.6.1997 - 1 B 126/97 -, Buchholz 402.240 § 8 AuslG 1990 Nr. 13).
27 
Letztlich kann diese Frage aber offen bleiben; ein im Rahmen des § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG beachtlicher Verstoß der Ausweisungsverfügung gegen Rechtsvorschriften ergibt sich nämlich daraus, dass der Kläger zum damaligen Zeitpunkt freizügigkeitsberechtigt war und dass entsprechende gemeinschaftsrechtliche Bindungen zu beachten waren (1.1). Insbesondere durfte der Kläger nicht nach den Vorschriften der Regelausweisung ausgewiesen werden, sondern es war Ermessen auszuüben (1.2). Auf das Vorliegen weiterer gemeinschaftsrechtlicher Bindungen und die Frage, ob sie eingehalten sind, kommt es danach nicht mehr an (1.3).
28 
1.1. Ob der Kläger zum Zeitpunkt der Ausweisungsverfügung aus eigenem Recht freizügigkeitsberechtigt war, ist zweifelhaft, kann letztlich aber offen bleiben. Mangels Arbeitnehmereigenschaft bzw. Arbeitssuche liegen die Voraussetzungen der Verordnungen Nr. 1612/68/EWG und 1251/70/EWG über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft nicht vor (siehe Art. 1 und Art. 2 VO 1612/68/EWG); daraus folgt auch das Fehlen eines Freizügigkeitsrechts entsprechend der RL 68/360/EWG (Art. 1 und Art. 4 Abs. 1). Unabhängig von der Frage der Arbeitnehmereigenschaft und Erwerbstätigkeit leitet der Europäische Gerichtshof (EuGH) allerdings ein allgemeines Freizügigkeitsrecht bereits aus der (bei dem Kläger als italienischem Staatsangehörigen bestehenden) Unionsbürgerschaft (Art. 18 EG) her; dies gilt jedenfalls seit der Entscheidung Baumbast (siehe EuGH, Urteil vom 17.9.2002 - C 413/99 -, InfAuslR 2002, 463, Rn 84/8Rn 84/85; zur früheren Rechtslage vgl. auch BVerwG, Vorlageentscheidung vom 18.9.2001 - 1 C 17/00 -, NVwZ 2002, 339 m.w.N.). In der Folgezeit hat der EuGH diese Rechtsprechung fortgeführt und bestärkt (siehe Urteil vom 29.4.2004 - Orfanopoulos und Oliveri -, - C 282/01 -, Rn 65, NVwZ 2004, 1099; Urteil vom 15.3.2005 - Bidar -, - C 209/03 -, Rn 36, NJW 2005, 2055; Urteil vom 23.3.2006 - Kommission -, - C 408/03 -, Rn 37, NVwZ 2006, 918), und Literatur und nationale Rechtsprechung sind dem weitgehend gefolgt (siehe Sander, DVBl. 2005, 1014 und Westphal/Stoppa, InfAuslR 2004, 133; Lenz/Borchardt, EU- und EGV, 2006, RN 2 zu Art. 18; siehe auch Hess. VGH, Beschluss vom 29.12.2004 - 12 TG 3212/04 -, AuAS 2005, 74). Allerdings hat der Europäische Gerichtshof in einer weiteren Entscheidung (Urteil vom 7.9.2004 - C 456/02 -, -Trojani-, Rn 36, InfAuslR 2004, 417) zu den „Beschränkungen und Bedingungen“ der Freizügigkeit im Sinn des Art. 18 Abs. 1 EG ausgeführt, bei Fehlen ausreichender Existenzmittel im Sinn der RL 90/364/EWG erwachse dem Unionsbürger kein Recht zum Aufenthalt; diese Formulierung legt den Schluss nahe, dass bei Nichterfüllung dieser Beschränkungen und Bedingungen die Unionsbürgerschaft allein zur Entstehung des Freizügigkeitsrechts noch nicht ausreicht. Dass im Fall des Klägers ausreichende Existenzmittel im Sinn der genannten Richtlinie im Zeitpunkt der Ausweisungsverfügung nicht vorhanden waren, liegt für den Senat angesichts des Fehlens gesicherter Einkünfte und seiner schweren Erkrankung mehr als nahe; selbst wenn er in gewissem Umfang von seiner damaligen Ehefrau und/oder seinen italienischen Eltern unterstützt worden sein mag, dürfte es jedenfalls an ausreichender Krankheitsvorsorge gefehlt haben (vgl. dazu auch EuGH, Urteil vom 19.10.2004 - C 200/02 -, - Chen -, InfAuslR 2004, 413 und vom 23.3.2006, a.a.O.). Hiervon abgesehen geht der EuGH jedenfalls dann vom Fehlen bzw. Erlöschen des Freizügigkeitsrechts aus, wenn die Nichterfüllung der „Beschränkungen und Bedingungen“ der Freizügigkeit (siehe Art. 18 Abs. 1 EG) dem Betroffenen „entgegengehalten“ worden ist (siehe EuGH, Bidar, a.a.O., Rn 36). Eine derartige behördliche Entscheidung - zum neuen Recht siehe § 7 Abs. 1 FreizügG/EU - kann hier durchaus in der Ausweisungsverfügung selbst gesehen werden, die dem Kläger ausdrücklich wegen fehlender Existenzmittel und wegen fehlenden Krankenversicherungsschutzes gemeinschaftsrechtliche Freizügigkeit abgesprochen hat (S. 6 f. der Ausweisungsverfügung) und die der Kläger ebenso wie die Ausweisung selbst akzeptiert hat.
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Letztlich kann der Senat jedoch offen lassen, ob der Kläger sich zum damaligen Zeitpunkt auf ein Freizügigkeitsrecht aus eigenem Recht berufen konnte; er war jedenfalls aus abgeleitetem Recht als Familienangehöriger freizügigkeitsberechtigt. Ein solches Recht scheidet nicht bereits deswegen aus, weil der Kläger bereits im Bundesgebiet geboren wurde und es damit „an sich“ an dem erforderlichen grenzüberschreitenden Element fehlt (siehe dazu EuGH - Chen -, a.a.O. Rn 19/20). Ob der Kläger als Familienangehöriger von seiner italienischen Mutter oder von seinem italienischen Stiefvater (siehe dazu EuGH , Urteil vom 30.9.2004 - C 275/02 -, - Ayaz -, InfAuslR 2004, 416 und Kloesel/Christ/Häußer, Deutsches Aufenthalts- und Ausländerrecht, Rn 17 zu § 3 FreizügG) ein Freizügigkeitsrecht ableiten konnte, obwohl er über 21 Jahre alt war, insbesondere ob ausreichende Unterhaltsleistungen der Stammberechtigten vorlagen (siehe dazu EuGH, Chen, a.a.O., und Kommission, a.a.O.), ist angesichts der Einstellung der Eltern des Klägers zu seiner Drogenabhängigkeit fragwürdig; der Senat braucht diese Fragen jedoch nicht zu entscheiden, weil der Kläger jedenfalls von seinen Kindern als Stammberechtigte ein entsprechendes Freizügigkeitsrecht herleiten konnte. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
30 
Die Kinder des Klägers sind (auch) italienische Staatsangehörige (siehe Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Bd. 8 (Italien), S. 6 mit Hinweis auf Art. 1 des italienischen Gesetzes 91/1992 vom 5.2.1992). Die Tatsache, dass sie daneben die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, ändert an ihrer Eignung als „Stammberechtigte“ nichts (siehe EuGH, Urteil vom 7.7.1992 - C 369/90 -, - Micheletti -, InfAuslR 1992, 2). Kraft ihrer Rechtsstellung als Unionsbürger konnten die Kinder des Klägers diesem trotz ihrer Geburt in Deutschland ein Freizügigkeitsrecht vermitteln (siehe dazu EuGH - Chen -, a.a.O.), und sie selbst waren nach der oben wiedergegebenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs unmittelbar aus Art. 18 Abs. 1 EG freizügigkeitsberechtigt. Dabei ist es ohne rechtliche Bedeutung, dass die maßgebende Rechtsprechung des EuGH sowohl zum Freizügigkeitsrecht unmittelbar aus Art. 18 EG als auch zur „Erstreckung“ des Freizügigkeitsrechts von Kindern auf Eltern (s. dazu unten) erst nach Erlass der Ausweisungsverfügung entwickelt worden ist; sie erfasst auch zurückliegende Tatbestände, die im Sinn der „geläuterten“ Rechtsprechung zu beurteilen sind (siehe dazu EuGH, Urteil vom 2.12.1997 - C 188/95 -, Fantask -, Slg I 06783, Rn 36,37; vgl. auch die Rechtsprechung des BVerwG zum Verständnis der RL 64/221/EWG, Urteile vom13.9.2005 - 1 C 7.04 -, InfAuslR 2006, 110, und vom 6.10.2005 - 1 C 5.04 -, InfAuslR 2006, 114 und Kopp/Ramsauer, a.a.O. Rn 35 zu § 48 m.w.N.). Dass die Kinder des Klägers ihrerseits die „Beschränkungen und Bedingungen“ der Freizügigkeit (siehe Art. 18 Abs. 1 EG) unter irgendeinem Gesichtspunkt (Existenzmittel, Krankheitsvorsorge) nicht erfüllt hätten, ist nicht ersichtlich; erst recht ist ihnen ein solcher Tatbestand im Sinn der Rechtsprechung des EuGH (Bidar, a.a.O.) auch nicht „entgegengehalten“ worden. Aus dieser Rechtsstellung folgt, dass nicht nur sie selbst im maßgebenden Zeitpunkt der Ausweisungsverfügung freizügigkeitsberechtigt waren, sondern dass zusätzlich eine Gefährdung ihres Freizügigkeitsrechts durch eine Ausweisung ihres Vaters gemeinschaftsrechtlich zu vermeiden war (siehe EuGH, Baumbast, a.a.O. Rn 72 f. und Chen, a.a.O. Rn 45). In den genannten Entscheidungen hat der Europäische Gerichtshof nämlich ein den Kindern zustehendes Freizügigkeitsrecht in bestimmten Fällen auf die Eltern erstreckt; er hat sich dabei an der Überlegung orientiert, dass das einem Kind nach der Gemeinschaftsgesetzgebung zustehende Recht verloren gehen könnte, wenn den Eltern die Möglichkeit versagt würde, während der Schulausbildung ihrer Kinder im Aufnahmemitgliedstaat zu verbleiben. Dies gilt nach Auffassung des EuGH jedenfalls für solche Eltern, die die Personensorge tatsächlich wahrnehmen und sich bei dem Kind aufhalten (siehe EuGH, Baumbast, a.a.O., Rn 71 und 73; siehe auch EuGH - Chen -, a.a.O. Rn 45). Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser „Erstreckung“ des gemeinschaftsrechtlichen Aufenthaltsrechts der Kinder auf die Eltern waren im Fall des Klägers auch gegeben:
31 
Zum Zeitpunkt der Ausweisungsverfügung lagen - bezogen auf den Kläger, seine damalige Noch-Ehefrau und die beiden Kinder - die ein „Familienleben“ im Sinn der (auf Art. 8 Abs. 1 EMRK Bezug nehmenden) Rechtsprechung des EuGH begründenden Umstände vor; der Kläger wohnte mit seinen Familienangehörigen zusammen, und es ist auch davon auszugehen, dass die in den genannten Urteilen für eine Erstreckung der Freizügigkeit vorausgesetzte tatsächliche Personensorge für die Kinder (auch) von ihm wahrgenommen wurde (zu den Anforderungen des Art. 8 EMRK siehe Grote/Marauhn, a.a.O. Kap. 16 Rn 41 und Breitenmoser/Riemer/Seitz, a.a.O., S. 59 und 60). Der tatsächliche Kontakt, auf den es in diesem Zusammenhang ankommt, endete auch nicht in den Zeiträumen, in denen der Kläger inhaftiert war; es bestand regelmäßiger Besuchskontakt (alle zwei Wochen) mit seiner damaligen Ehefrau und den Kindern (RP-Akten S. 26), und auch sonst hatte - wie aus den Ausländerakten der Stadt Fellbach hervorgeht - keine Seite die Absicht, die familiäre Lebensgemeinschaft zu beenden (siehe etwa Vermerke vom 25.11.1997 und 16. und 18.12.1997). Die Inhaftierungszeiten haben damit den der Rechtsprechung des EuGH zur Erstreckung des Freizügigkeitsrechts auf Eltern zugrunde liegenden familienrechtlichen Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 EMRK nicht berührt (vgl. dazu auch Grote/Maraun, a.a.O., Kap. 16 Rn 45 m.w.N.).
32 
Die dem Schutz des Freizügigkeitsrechts der Kinder dienende Erstreckung dieses Rechts auf ihren Vater scheitert im vorliegenden Fall auch nicht daran, dass die Kinder gleichzeitig deutsche Staatsangehörige sind. Zwar folgt hieraus, dass naturgemäß ihr Aufenthaltsrecht in Deutschland zu keinem Zeitpunkt in Frage stand; die gegen den Kläger ergangene Ausweisung setzte aber gleichwohl die Familienangehörigen dem mittelbaren Druck aus, dem Kläger nach Italien zu folgen. Dass es im vorliegenden Fall hierzu nicht kam, weil die Kinder und ihre Mutter sich für den weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet entschieden, ändert daran nichts, zumal der weitere Zusammenhalt der Familienangehörigen in der illegalen Wiedereinreise des Klägers und in seinen (heimlichen) Besuchen bei der Familie zum Ausdruck kommt. Es spricht mehr dafür, dass die Familienangehörigen des Klägers die bevorstehende Trennung nicht durch ihre Nachreise nach Italien, sondern durch weiteren Kontakt in der Illegalität verhindern bzw. entschärfen wollten. Da die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Entscheidungen Baumbast und Chen, jeweils a.a.O.) eine für Kinder bei Ausweisung eines Elternteils entstehende Zwangslage vermeiden will, ist sie auch auf Fallgestaltungen wie die hier vorliegende anwendbar.
33 
Auf das aus seinen Kindern abgeleitete Freizügigkeitsrecht hat der Kläger schließlich auch nicht durch seine Erklärung vom 15.2.1998 verzichtet. Wie bereits ausgeführt worden ist, betraf diese Erklärung nur die konkret bevorstehende Abschiebung; mit ihr wollte der Kläger für die Behörde erkennbar eine vorzeitige Haftbeendigung in Deutschland erreichen. In der mündlichen Verhandlung hat er dazu glaubhaft angegeben, es sei ihm darum gegangen, möglichst früh in Italien wieder an Drogen zu kommen. Als Verzicht auf ein Freizügigkeitsrecht, das ihn auch zur Wiedereinreise in die Bundesrepublik Deutschland berechtigen würde, ist diese Erklärung nicht aufzufassen, ganz abgesehen davon, dass es insofern offenbar an einem verbindlichen rechtlichen Erklärungswillen - sozusagen für alle Zukunft - fehlte und ein wesentliches Element der Erklärung - die Mitausreise der Familienangehörigen - nicht Realität wurde. Insofern sind strenge Anforderungen zu stellen; sogar bei einer Ausreise „zum Sterben in der Heimat“ hat die Rechtsprechung die Annahme eines Freizügigkeitsverzichts abgelehnt (siehe dazu und zu den Voraussetzungen eines solchen Verzichts OVG Koblenz, Beschluss vom 17.6.1996 - 11 B 11155/96 -, InfAuslR 1996, 337 m.w.N.). Verzichtserklärungen im europäischen Recht sind auf die konkrete Handlung beschränkt und nicht mit Zukunftswirkung verbunden (siehe dazu Umbach/Clemens, GG, 2002, Rn 8 zu Art. 18). Insofern gilt nichts anderes als bei grundgesetzlich gewährleisteten Rechten (siehe dazu im einzelnen Jarass/Pieroth, GG, 2004, Vorbem. vor Art. 1, Rn 36 und Dreier, GG, 1996, Vorbem. 83, je m.w.N.). Auch ist zu bedenken, dass zum damaligen Zeitpunkt ein aus dem Unionsbürgerrecht selbst fließendes Aufenthaltsrecht noch nicht durch den Europäischen Gerichtshof anerkannt war; 1997 hatte der Europäische Gerichtshof noch entschieden, dass die Unionsbürgerschaft keine Ausdehnung der Rechtsstellung bewirken wolle (siehe dazu Lenz/Borchardt, a.a.O., Rn 2 zu Art. 18). Für einen entsprechenden Verzichtswille fehlt es daher zum damaligen Zeitpunkt an einer Grundlage.
34 
1.2. Konsequenz des dem Kläger nach diesen Ausführungen bei Erlass der Ausweisungsverfügung zustehenden Freizügigkeitsrechts war, dass entsprechende gemeinschaftsrechtliche Ausweisungsschranken anzuwenden waren; insbesondere schied im Fall des Klägers eine (nach nationalem Recht zutreffende) Regelausweisung aus und es war Ausweisungsermessen auszuüben. Der Europäische Gerichtshof hat - allerdings erst im Jahr 2004, aber gleichwohl mit Wirkung auch für frühere Ausweisungsfälle (siehe dazu oben 1.1) -entschieden, dass bei freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern die Tatbestände der zwingenden und der Regelausweisung als Rechtsgrundlagen ausscheiden; solche Ausländer dürfen nur aufgrund einer ausländerbehördlichen Ermessensentscheidung ausgewiesen werden (siehe dazu EuGH, Urteil vom 29.4.2004 - Rs C 482/01 - und C 493/01 - Orfanopoulos und Oliveri, DVBl. 2004, 876), und das Bundesverwaltungsgericht hat sich dem angeschlossen (Urteil vom 3.8.2004 - 1 C 30.02 -, NVwZ 2004, 1099). Die frühere - abweichende - Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist damit aufgegeben worden. Im Licht dieser - allerdings neueren - Rechtsprechung könnte die gegen den Kläger ergangene Ausweisungsverfügung im Verfahren über den Rücknahmeantrag nur dann als rechtmäßig beurteilt werden, wenn die Behörde die Ausweisung des Klägers nicht nur auf den Tatbestand der Regelausweisung gestützt, sondern hilfsweise Ermessen ausgeübt hätte. Dies ist hier aber nicht geschehen. Die Behörde ging ausdrücklich von einer sog. Ist-Ausweisung nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 AuslG aus, die wegen der ausländerrechtlichen Privilegierung des Klägers als Vater zweier deutscher Kinder in eine Regelausweisung nach § 47 Abs. 2 AuslG herabgestuft wurde (§ 47 Abs. 3 Satz 1 AuslG); die Behörde hat danach lediglich noch geprüft, ob eine atypische Fallgestaltung vorliegt, die eine Ermessensausweisung gebietet (S. 9 ff. der Ausweisungsverfügung), und diese Frage verneint. Die Verfügung setzt sich zwar bei der Prüfung, ob eine atypischen Fallgestaltung gegeben ist, mit der bisherigen Lebensführung des Klägers im einzelnen auseinander; diese Gesichtspunkte können aber nicht in eine Ermessensausübung „umgedeutet“ werden, da Rechtserwägungen im Zusammenhang mit der Problematik der Atypik keine Ermessenserwägungen sind (so ausdrücklich BVerwG, Urteil vom 19.11.1996 - 1 C 25/94 -, InfAuslR 1997, 152). Die Tatsache, dass bei der Prüfung der Atypik alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind (siehe BVerwG, Urteil vom 26.2.2002 - 1 C 21/00 -, NVwZ 2002, 1512), begründet daher nicht die Annahme einer Ermessensentscheidung; die Atypik führt erst tatbestandsmäßig zur Ermessensausübung (siehe BVerwG, Urteil vom 31.8.2004 - 1 C 25/03 -, NVwZ 2005, 229).
35 
1.3. Der Senat kann offen lassen, ob die Ausweisungsverfügung gegen den Kläger nicht nur wegen unterbliebener Ermessensausübung, sondern auch wegen Verletzung des Art. 9 RL 64/221/EWG als rechtswidrig anzusehen ist (siehe dazu BVerwG, Urteil vom 13.9.2005, a.a.O. und vom 6.10.2005, a.a.O.), ob der in dieser Richtlinie gebotene verfahrensrechtliche Schutz wegen der Einwilligung des Klägers in seine Ausweisung bzw. Abschiebung entbehrlich war und ob ein gegebenenfalls vorliegender Rechtsverstoß durch den späteren Wegfall der Richtlinie gegenstandslos geworden ist (siehe dazu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 18.10.2006 - 13 S 192/06 -). Offensichtlich fehlerhaft wäre allerdings die Annahme, es hätten im Weg der sog. Vorwirkung bereits damals (1998) die materiellen Ausweisungsvoraussetzungen der weitaus späteren RL 2004/38/EG gegolten.
36 
2. Aus der wegen Ermessensunterschreitung vorliegenden Rechtswidrigkeit der Ausweisungsverfügung ergibt sich, dass entgegen der Auffassung der Behörde tatbestandsmäßig eine Rücknahme nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG in Betracht kam; die Behörde war dementsprechend verpflichtet, über den Rücknahmeantrag nach Ermessen zu entscheiden. Die Behörde hat jedoch in der Verfügung vom 29.9.2004 den Antrag auf Rücknahme der Ausweisung aus Rechtsgründen, d.h. wegen fehlender Rechtswidrigkeit der Verfügung, abgelehnt (S. 3 der Verfügung); (wenigstens) hilfsweise Ermessensausübung liegt auch insofern nicht vor, zumal die weiteren Ausführungen der Behörde im Zusammenhang mit dem Hilfsantrag auf Befristung der Wirkungen der Ausweisung bzw. Abschiebung nicht als Ermessensausführungen im Zusammenhang mit § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG aufgefasst werden können (siehe dazu auch oben). Das Rücknahme-Ermessen ist auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt worden; insbesondere liegt kein „Ergänzen“ im Sinn des § 114 Satz 2 VwGO vor. Im gerichtlichen Verfahren hat die Behörde an ihrer Auffassung zur Rechtmäßigkeit der Verfügung festgehalten. Sie hat zwar ausgeführt, ihr müsse noch die Möglichkeit der Nachholung des Ermessens gegeben werden, und sich insoweit auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 3.8.2004 (a.a.O.) bezogen; damit verkennt sie aber, dass diese Entscheidung die Anfechtungsklage gegen eine Ausweisungsverfügung und nicht - wie hier - eine Klage auf Rücknahme dieser Verfügung betrifft. Die Verweisung auf das Befristungsverfahren ist keine Ermessensbetätigung im Rücknahmeverfahren, und eine bestandskräftig gewordene „Alt-Ausweisung“ kann auch nicht in eine nach Voraussetzungen und Struktur unterschiedliche Feststellung nach § 6 FreizügG umgedeutet werden (siehe auch OLG Hamburg, Beschluss vom 21.11.2005 - 1 Ws 212/05 -, InfAuslR 2006, 118, 120). Im übrigen wäre wegen des ursprünglichen Fehlens von Ermessenserwägungen überhaupt eine bloße „Ergänzung“ im Sinn des § 114 Satz 2 VwGO nicht zulässig (siehe dazu BVerwG, Urteil vom 5.9.2006 - 1 C 20.05 -, juris und VGH Bad.-Württ., Urteil vom 29.11.2006 - 13 S 1566/06 -). Die aufgrund der aktuellen EuGH-Rechtsprechung (Entscheidung Orfanopoulos a.a.O.) vom Bundesverwaltungsgericht über § 114 Satz 2 VwGO hinaus eingeräumte generelle Nachholmöglichkeit ist hier nicht geboten, da die Rechtswidrigkeit der Ausweisungsverfügung hier nicht auf neuen Erkenntnissen während des Anfechtungsverfahrens beruhte, sondern auf der bereits 2002 eingeleiteten Rechtsprechung zu Art. 18 EG und zur Erstreckung der Freizügigkeit auf Kinder (siehe oben), die ohne weiteres (wenigstens hilfsweise) im Ablehnungsbescheid von 2004 hätte berücksichtigt werden können.
37 
3. Die danach vorliegende Ermessensunterschreitung führt allerdings nur zu einer entsprechenden Bescheidungsverpflichtung des beklagten Landes nach § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO; eine darüber hinausgehende Verpflichtung des Beklagten zur unmittelbaren Rücknahmeentscheidung kam nicht in Betracht, so dass die auf dieses Ziel gerichtete Klage (teilweise) abzuweisen war. Einen direkt auf Rücknahme der Ausweisungsverfügung gerichteten Anspruch kann der Kläger nicht unter dem Gesichtspunkt der sog. Ermessensreduzierung auf die Rücknahme als einzig rechtlich zutreffende Entscheidung verlangen (3.1), und eine Pflicht der Behörde zur (in diesem Fall: deklaratorischen) Rücknahme besteht auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Unwirksamkeit der Ausweisungsverfügung (3.2).
38 
3.1. Weder nationales Recht noch Gemeinschaftsrecht gebieten es im vorliegenden Fall dem beklagten Land, die gegen den Kläger ergangene Ausweisungsverfügung zurückzunehmen.
39 
Für das nationale Recht folgt dies daraus, dass im Rahmen des § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG im Hinblick auf das Gebot der materiellen Gerechtigkeit einerseits und das der Rechtssicherheit andererseits nur ausnahmsweise ein Rücknahmeanspruch besteht; die Aufrechterhaltung des Bescheides müsste dann „schlechthin unerträglich“ sein (siehe dazu z.B. BVerwG, Beschluss vom 15.3.2005 - 3 B 86/04 -, DÖV 2005, 651 m.w.N.). Eine solche Fallgestaltung ist hier nicht gegeben; einmal war der Kläger, was für die Ermessensausübung durchaus relevant sein kann, mit seiner Abschiebung zum damaligen Zeitpunkt einverstanden, und zum anderen erscheint die Aufrechterhaltung der Ausweisungsverfügung auch nicht deswegen im Sinn der oben angeführten Rechtsprechung „schlechthin unerträglich“, weil die zur Annahme der Rechtswidrigkeit führende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum abgeleiteten Freizügigkeitsrecht von Kindern und zum Unionsbürgerrecht erst Jahre nach dem Erlass der Ausweisungsverfügung entwickelt wurde. Auch ergibt sich eine Ermessensreduzierung nicht aus dem Verhalten der Behörde selbst oder daraus, dass das Rücknahmeinteresse des Betroffenen eindeutig und offensichtlich schwerer wiegen würde als das öffentliche Interesse an einer Rücknahme (zu diesen Kriterien siehe Kopp/Ramsauer, a.a.O., Rn 55 zu § 48). Im übrigen käme es in diesem Zusammenhang bei der Ermessensausübung auch auf die Frage an, ob der Kläger in der Tat zum Entscheidungszeitpunkt drogenfrei ist und wie die Rückfallprognose aussieht.
40 
Auch Gemeinschaftsrecht verpflichtet den Beklagten zur Rücknahme der Ausweisungsverfügung nicht. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
41 
Dass Gemeinschaftsrecht in Fällen der vorliegenden Art keinen unbedingten Rücknahmeanspruch begründet, hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in seiner bisherigen Rechtsprechung ausgeführt (siehe z.B. Beschluss vom 4.1.2006 - 11 S 1871/05 - und Beschluss vom 7.11.2005 - 13 S 1895/05 -), und dies entspricht auch der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 15.3.2005 - 3 B 86/04 - a.a.O.). Vom nationalen Recht vorgesehene Ausschlussfristen für die Rechtsverfolgung - mit der Folge der Bestandskraft bei Nichteinhaltung dieser Fristen - sind nämlich deswegen grundsätzlich mit Gemeinschaftsrecht vereinbar, weil sie ein Anwendungsfall des auch für das Gemeinschaftsrecht grundlegenden Prinzips der Rechtssicherheit sind (siehe EuGH, Urteil vom 2.12.1997 - C 188/95 -, Fantask, Slg I O6783, Rn 45; Urteil vom 13.1.2004 - C 453/00 -, Kühne und Heitz, DVBl. 2004, 373, Rn 24 und zuletzt Urteil vom 19.9.2006 - C 392/04 -und - C 422/0C 422/04 -, I 21, NVwZ 2006, 1277 Rn 51). Während die frühere Rechtsprechung des EuGH die Frage der Bestandskraft gemeinschaftsrechtswidriger Verwaltungsakte nicht problematisiert hatte (siehe dazu die Nachweise bei Gärditz, NWVBl. 2006, 442 Fn 34 f. und beispielhaft EuGH, Urteil vom 2.12.1997, a.a.O.), hat erstmals die Entscheidung Kühne und Heitz (a.a.O.) bestimmte Voraussetzungen für eine behördliche Pflicht zur Überprüfung bestandskräftiger gemeinschaftswidriger Verwaltungsakte formuliert (siehe dazu auch Epiney, NVwZ 2006, 410 f.). Diese Bedingungen sind im vorliegenden Fall nicht (kumulativ) erfüllt: Zwar ist die Behörde nach nationalem Recht (hier: § 48 VwVfG) zur Rücknahme befugt, die Bestandskraft der Entscheidung beruht aber nicht wie im Fall Kühne/Heitz auf einem nationalen Gerichtsurteil, das die Vorlagepflicht nach Art. 234 Abs. 3 EG verletzt hat, und der Betroffene hat sich auch nicht unmittelbar nach Kenntniserlangung von der Entwicklung der EuGH-Rechtsprechung (hier: Urteile Baumbast und Chen, jeweils a.a.O.) an die Behörde gewandt und Rücknahme beantragt. Ganz unabhängig hiervon ist darauf hinzuweisen, dass Gegenstand der Entscheidung Kühne/Heitz nicht explizit die Frage der Rücknahmepflicht, sondern nur die Frage der Prüfungspflicht war (siehe dazu im einzelnen Gärditz a.a.O. S. 448). Eine Pflicht zur Überprüfung des bestandskräftigen, aber gemeinschaftswidrigen Verwaltungsakts bedeutet noch nicht die Pflicht zur Aufhebung (Gärditz a.a.O. Rn 105 m.w.N.). Die anlässlich der Entscheidung Kühne/Heitz in Literatur und Rechtsprechung aufgetretenen Unklarheiten (siehe dazu, Epiney a.a.O. S. 410 und Pache/Bieletz, DVBl. 2006, S. 331) sind im übrigen durch die weitere Rechtsprechung des EuGH im wesentlichen beseitigt worden. Die Entscheidung vom 16.3.2006 (- C 234/04 - Kapferer, DVBl. 2006, 569), die allerdings nicht (nur) bestandskräftige, sondern rechtskräftige Entscheidungen betrifft, hat bereits das vorangegangene Urteil Kühne/Heitz relativiert, und der EuGH hat im Urteil vom 19.9.2006 (I 21, a.a.O.) schließlich ausdrücklich ausgeführt, dass - von der Anerkennung der Bestandskraft ausgehend - (Rn 51) eine Überprüfungspflicht der Behörde bei Nichtausschöpfung des Rechtsbehelfsverfahrens grundsätzlich nicht besteht (Rn 53) und dass es Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung ist, die Modalitäten einer Rücknahme bzw. einer erneuten Überprüfung festzulegen. Die Überprüfungs- und Rücknahmepflicht nach nationalem Recht (hier: § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG) wird damit mit der gemeinschaftsrechtlichen Überprüfungs- und Rücknahmepflicht parallelisiert (EuGH, I 21, a.a.O. Rn 63 f. und Gärditz a.a.O. S. 446 f.); wo das nationale Recht keine Rücknahmepflicht ergibt, lässt sie sich also nicht zusätzlich aus Gemeinschaftsrecht herleiten. Bereits oben ist ausgeführt worden, dass unter dem Gesichtspunkt des § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG die Aufrechterhaltung der gegen den Kläger ergangenen Ausweisung nicht „schlechthin unerträglich“ ist, eine Rücknahmepflicht insoweit also nicht besteht, und diese Überlegungen gelten auch im hier interessierenden Zusammenhang. Der Verzicht des Klägers auf Rechtsbehelfe und die Tatsache, dass der Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht keineswegs offensichtlich war - die die Freizügigkeit begründende Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs stammt wie ausgeführt aus einem Zeitraum nach Erlass der Ausweisungsverfügung - stehen auch hier der Annahme einer
Rechts verpflichtung entgegen. Von besonderer Gravität oder gar (zusätzlicher) Offensichtlichkeit eines Gemeinschaftsrechtsverstoßes kann unter diesen Gesichtspunkten ohnehin nicht ausgegangen werden. Nach den Grundsätzen der I 21-Entscheidung des EuGH (a.a.O.) ist es vielmehr auch gemeinschaftsrechtlich zu akzeptieren, wenn sich das nationale Recht (§ 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG) angesichts der hier widerstreitenden Interessen (Rechtssicherheit einerseits, materielle Rechtmäßigkeit andererseits) mit einer Ermessensentscheidung der Behörde begnügt.

42 
3.2 Der Kläger kann die Rücknahme der gegen ihn ergangenen Ausweisungsverfügung auch nicht unter dem Gesichtspunkt der (deklaratorischen) Aufhebung einer unwirksamen oder unwirksam gewordenen Verfügung erreichen; die Voraussetzungen eines solchen „Rücknahme“-Anspruchs (zur Zulässigkeit einer solchen Rücknahme siehe oben vor 1.) sind nämlich nicht gegeben.
43 
Bei Erlass der Ausweisungsverfügung und auch in der Folgezeit bis zum Inkrafttreten des FreizügG/EU lag kein Grund für die Annahme von Unwirksamkeit (siehe § 43 Abs. 1 und 2 VwVfG) oder gar von Nichtigkeit (§ 43 Abs. 3 i.V.m. § 44 VwVfG) der Ausweisungsverfügung vor; dies liegt für den Senat auf der Hand und bedarf keiner näheren Ausführungen; sie folgt insbesondere nicht aus dem vom Kläger in diesem Zusammenhang für sich in Anspruch genommenen Urteil des EuGH vom 29.4.1999 (- C 224/97 -, Ciola), das sich lediglich mit strafrechtlichen Folgen des Verstoßes gegen gemeinschaftsrechtswidrige Verfügungen auseinandersetzt. Die Ausweisungsverfügung ist aber auch nicht durch Inkrafttreten des Freizügigkeitsgesetzes zum 1.1.2005 unwirksam geworden. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
44 
Soweit in der Rechtsprechung angenommen wird, mit dem Inkrafttreten des Freizügigkeitsgesetzes hätten die nach früherem Recht ergangenen Ausweisungsverfügungen gegenüber Unionsbürgern ihre Rechtsgrundlage verloren (so für nicht bestandskräftig gewordene Ausweisungsverfügungen Hess. VGH, Beschluss vom 29.12.2004 - 12 TG 3212/04 -, NVwZ 2005, 837; für bestandskräftige Verfügungen OVG Berlin, Beschluss vom 15.3.2006 - 8 S 823/05 -, NVwZ 2006, 953), ist diese Rechtsprechung teilweise nicht einschlägig, da im vorliegenden Fall Bestandskraft gegeben ist; teilweise kann der Senat ihr aus anderen Gründen nicht folgen. Er schließt sich vielmehr der Gegenmeinung an, die die (fortdauernde) Wirksamkeit bestandskräftig gewordener Ausweisungen bejaht (siehe dazu OVG Hamburg, Urteil vom 22.3.2005 - 3 Bf 294/04 -, EzAR; OVG Lüneburg, Beschluss vom 30.6.2006 - 11 LA 147.05 -, AuAS 2006, 185, ebenso schon VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 7.11.2005 - 13 S 1885/05 - und Beschluss vom 4.1.2006 - 11 S 1871/05 -). Das bloße Fehlen einer für Verfügungen nach dem damaligen AufenthG/EWG ergangenen Ausweisung geltenden Übergangsvorschrift bzw. das Fehlen einer Verweisung auf § 102 Abs. 1 AufenthG in § 11 Abs. 2 Satz 1 FreizügG/EU begründet fehlende Fortgeltung bereits deswegen nicht, weil sich im vorliegenden Fall die Fortdauer der Wirkungen der Ausweisung bereits unmittelbar aus § 102 Abs. 1 AufenthG ergibt. Die Vorschrift erfasst nämlich im Anwendungsbereich jedenfalls die auf das frühere Ausländergesetz gestützten Ausweisungsverfügungen, und um eine solche Verfügung handelt es sich im vorliegenden Fall, weil die Freizügigkeitsberechtigung und damit die Anwendung des AufenthG/EWG ausdrücklich verneint worden sind und Rechtsgrundlage der Ausweisung gerade das AuslG war. Außerdem ist der Anwendungsbereich des (späteren) FreizügG/EU und damit auch dessen § 11 Abs. 1 noch aus einem anderen Grund nicht gegeben; dieses Gesetz stellt durch die Bezugnahme auf § 1 FreizügG/EU auch in der Vorschrift des § 11 Abs. 1 auf die Freizügigkeitsberechtigung als Voraussetzung ab. Diese ist aber durch die Bestandskraft der auf das allgemeine Ausländergesetz gestützten Ausweisung entfallen (siehe auch Funke-Kaiser, Rn 2 zu § 102; OVG Hamburg, Beschluss vom 14.12.2005 - Bs 79/05 -, InfAuslR 2006, 305; Lüdke, InfAuslR 2005, S. 178; a.A. Gutmann, InfAuslR 2005, 125). Aus der fehlenden Verweisung auf § 102 AufenthG in § 11 Abs. 1 FreizügG/EU kann daher kein Argument zugunsten des Klägers hergeleitet werden. Im Übrigen hätte es wegen der bereits im Jahr 1998 eingetretenen Bestandskraft der Ausweisungsverfügung einer entsprechend klaren gesetzlichen Regelung bedurft, um die seit Bekanntgabe bestehende und durch die Bestandskraft verstärkte Wirksamkeit des Verwaltungsakts nach § 43 Abs. 2 VwVfG zu beseitigen; Die amtliche Begründung zum Entwurf des Freizügigkeitsgesetzes lässt eine so weitgehende Absicht nicht erkennen (BT-Drs. 15/420, S. 101 ff. S. 105 f.; siehe auch OVG Hamburg, Urteil vom 22.3.2005, a.a.O.).
45 
Die Bestandskraft und die damit eingetretene Wirkung der Ausweisungsverfügung ist auch nicht kraft Gemeinschaftsrechts entfallen; dies ergibt sich bereits daraus, dass das Gemeinschaftsrecht - wie oben ausgeführt - das Institut der Bestandskraft durchaus anerkennt und bei Gemeinschaftsrechtswidrigkeit eigene Instrumente - wie das Recht zur Überprüfung der Verfügung - entwickelt hat, um gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen gerecht zu werden. Dieser rechtlichen Instrumente hätte es nicht bedurft, wenn gemeinschaftsrechtlich sogar von der Unwirksamkeit (oder vom Unwirksamwerden) solcher Verfügungen auszugehen wäre. Dass in der Rechtsprechung der Strafgerichte bei Verstößen gegen solche Verfügungen unter Berufung auf den EuGH (Ciola a.a.O.) Strafbarkeit z.T. nicht mehr angenommen wird (siehe OLG Hamburg a.a.O. und OLG Karlsruhe, Beschluss vom 6.12.2006 3 Ws 346/05), steht dem nicht entgegen; insoweit handelt es sich um eine speziell strafrechtliche Fragestellung, die der Senat im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht zu beantworten braucht.
46 
4. Da der Kläger damit mit der Klage lediglich einen Teil seines mit dem Hauptantrag verfolgten Begehrens erreicht hat, waren ihm die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge teilweise aufzuerlegen (siehe § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO); der Senat geht dabei davon aus, dass der Kläger zu einem Drittel im Berufungsverfahren unterlegen ist.
47 
Die Revision war zuzulassen, da insbesondere die Frage der Wirksamkeit sog. altrechtlicher Ausweisungsverfügungen gegenüber Unionsbürgern in der obergerichtlichen Rechtsprechung strittig und noch nicht höchstrichterlich geklärt ist (siehe § 132 Abs. 2 Satz 1 VwGO).
48 
Beschluss
49 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
21 
Die zulässige, insbesondere rechtzeitig begründete Berufung (§ 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO) hat Erfolg, soweit der Kläger neben der Aufhebung der angefochtenen Entscheidung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 29.9.2004 die Verpflichtung des beklagten Landes zur erneuten Entscheidung über den Antrag auf Rücknahme der Ausweisungsverfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 4.3.1998 begehrt (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO); die darüber hinausgehende Klage auf Verpflichtung des Beklagten zur Rücknahme dieser Verfügung war allerdings abzuweisen, da dem Kläger kein entsprechender Rücknahmeanspruch zusteht (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Da die Klage damit im Hauptantrag (teilweise) Erfolg hat und das erstinstanzliche Urteil insofern abzuändern war, braucht über den Hilfsantrag nicht entschieden zu werden (vgl. auch Sodan/Ziekow, VwGO, 2006, Rn 111 vor § 124).
22 
Gegenstand des mit der Berufung in erster Linie verfolgten Hauptantrags ist der mit der Klage geltend gemachte Anspruch auf Rücknahme der bestandskräftig gewordenen Ausweisungsverfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 4.3.1998 nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG; die damit verbundene Abschiebungsandrohung ist von dem sich auf die “Ausweisungsanordnung“ beschränkenden Berufungsantrag nicht umfasst, und auch eine (zusätzliche) Klage auf Wiederaufgreifen des Verfahrens im Sinn von § 51 VwVfG ist nicht erhoben, da der anwaltlich vertretene Kläger sowohl bei der Behörde als auch beim Verwaltungsgericht ausdrücklich einen Rücknahmeantrag gestellt hat. Dieser Antrag umfasst allerdings bei sachdienlicher Auslegung (§§ 86 Abs. 3, 88 VwGO) nicht nur einen denkbaren Rücknahmeanspruch nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG wegen Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, sondern es ist auf diesen Antrag hin auch zu prüfen, ob der Beklagte deswegen zur „Rücknahme“ der bestandskräftig gewordenen Ausweisungsverfügung verpflichtet ist, weil diese rechtlich unwirksam ist. Die Unwirksamkeit der Verfügung hat der Kläger in Anlehnung an die Rechtsprechung des Hess. VGH und des OVG Berlin (im einzelnen siehe dazu unten) in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich als Klagegrund geltend gemacht, und es ist anerkannt, dass bei einem unwirksamen - oder: wie hier allenfalls unwirksam gewordenen - Verwaltungsakt eine (klarstellende) behördliche Rücknahme des Verwaltungsakts möglich und aus Gründen der Beseitigung des Rechtsscheins gegebenenfalls auch erforderlich ist (siehe dazu Kopp/Ramsauer, VwVfG, 2003, Rn 19a zu § 48; siehe auch Bay. VGH, Urteil vom 12.10.1989 - 26 B 86.02944 -, NVwZ-RR 1991, 117; Hess. VGH, Urteil vom 29.3.2006 - 6 UE 2874/04 - juris und BSG, Urteil vom 23.2.1989 - NVwZ 1989, 902). Bei einer solchen Fallgestaltung ist der Kläger nicht darauf verwiesen, Feststellungsklage nach § 43 Abs. 2 VwGO zu erheben (siehe dazu Sodan/Ziekow, a.a.O., Rn 63 und 71 zu § 43; BSG a.a.O.), was im vorliegenden Fall als Klageänderung im Berufungsverfahren ohnehin prozessual nicht unproblematisch wäre.
23 
Der mit der Berufung verfolgte Anspruch des Klägers auf Rücknahme der bestandskräftigen Ausweisungsverfügung hat jedoch nur teilweise Erfolg. Da diese Verfügung rechtswidrig war, war das Rücknahmeermessen der Behörde nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG eröffnet (1); es wurde allerdings weder in der Ablehnungsverfügung vom 29.9.2004 noch zu einem späteren Zeitpunkt ausgeübt, so dass der Beklagte zu einer entsprechenden Bescheidung nach der Rechtsauffassung des Gerichts zu verpflichten war (2). Ein darüber hinaus gehender unbedingter Rücknahmeanspruch besteht dagegen nicht (3).
24 
1. Der Kläger ist nicht bereits deswegen rechtlich daran gehindert, die nach seiner Auffassung bei Ergehen der Ausweisungsverfügung bestehende Rechtswidrigkeit geltend zu machen, weil er zuvor der Behörde gegenüber am 15.2.1998 erklärt hatte, er beantrage seine Abschiebung und habe in der Bundesrepublik Deutschland nichts mehr zu suchen, weil er mit Freundin und Kindern nach Italien gehe. Dies ergibt sich bereits daraus, dass das Rücknahmeverlangen nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG nicht darauf abstellt, auf welche Weise der Verwaltungsakt bestandskräftig geworden ist; selbst ein Verzicht auf einen Widerspruch schließt damit ein späteres Rücknahmebegehren nicht aus. Erst recht gilt dies in einem Fall wie dem vorliegenden: Die Einverständniserklärung des Klägers vor Erlass des Verwaltungsakts steht nämlich einem Widerspruchsverzicht nicht gleich (siehe dazu BVerwG, Urteil vom 20.1.1967 - VII C 191.64 -, NJW 1967, 2027; Kopp/Schenke, VwGO, 2005, Rn 11 zu § 69 und Sodan/Ziekow, a.a.O., Rn 96 zu § 69 Fn 106). Die zur Bestandskraft des Verwaltungsakts führenden konkreten Umstände und insbesondere das Verhalten des Klägers der bevorstehenden Ausweisung gegenüber schließen eine Rücknahme also nicht aus; sie sind allenfalls Gesichtspunkte, die bei der Ausübung des Rücknahmeermessens von Bedeutung sind (siehe auch Senat, Beschluss vom 7.11.2005 - 13 S 1895/05 -; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 4.1.2006 - 11 S 1871/05 - und Kopp/Ramsauer, a.a.O., RN 52 f. zu § 48).
25 
Für die damit im Rahmen des § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG entscheidungserhebliche Frage der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der bestandskräftig gewordenen Ausweisung des Klägers stellt der Senat auf den Zeitpunkt des Erlasses der Ausweisungsverfügung ab; da der Kläger zu diesem Zeitpunkt freizügigkeitsberechtigt war, kann offen bleiben, inwieweit eine erst später eintretende Rechtswidrigkeit ein Rücknahmeverfahren eröffnen kann (siehe dazu BVerwG, Urteil vom 28.10.2004 - 1 C 13.03 -, NVwZ-RR 2005, 341; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24.9.2001 - 8 S 641/01 -, VBlBW 2002, 208, 209).
26 
Die Rechtswidrigkeit der bestandskräftig gewordenen Ausweisungsverfügung schon zum Zeitpunkt ihres Erlasses ergibt sich für den Senat allerdings nicht bereits aus den Vorschriften des damals geltenden Ausländergesetzes selbst - tatbestandlich lag ein Fall der Regelausweisung durchaus vor - und auch nicht aus den einfachrechtlichen Modifikationen der Ausweisung, die das damalige AufenthG/EWG insbesondere in § 12 enthielt; auch diese Vorschriften, insbesondere das Erfordernis einer Wiederholungsgefahr (§ 12 Abs. 3 und 4 AufenthG/EWG) sind eingehalten worden. Der Senat ist auch nicht der Auffassung, dass die Ausweisung des Klägers als eines Ausländers der sog. zweiten Generation aus Gründen des als Gesetzesrecht zu beachtenden Art. 8 Abs. 1 EMRK rechtswidrig war; angesichts der erheblichen Vorstrafen des Klägers und der jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt offen zu Tage liegenden Wiederholungsgefahr hinsichtlich gravierender Delikte war der mit der Ausweisung verbundene Eingriff in das Schutzgut „Familienleben“ im Sinn des Art. 8 Abs. 1 EMRK für die öffentliche Sicherheit bzw. zur Verhütung von Straftaten im Sinn des Art. 8 Abs. 2 EMRK notwendig und verhältnismäßig (s. dazu Breitenmoser/Riemer/Seitz, Praxis des Europarechts - Grundrechtsschutz, 2006, S. 66, 67 m.w.N. und die Nachweise bei Grote/Marauhn, EMRK/GG, Konkordanzkommentar, 2006, Kap. 16 Rn 94 m.w.N.) In Fällen wie dem vorliegenden hätte auch nicht notwendigerweise mit der Ausweisung selbst schon über eine Befristung der Wirkungen entschieden werden müssen. Eine solche zusätzliche Entscheidung lag im Fall des Klägers zum damaligen Zeitpunkt bereits wegen dessen vorangegangener Erklärung, er habe in der Bundesrepublik Deutschland nichts mehr zu suchen, nicht nahe; sie war aber auch nicht nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) geboten. Zwar hat der EGMR in mehreren Entscheidungen eine Ausweisung eines Ausländers also unverhältnismäßig beurteilt, die keine Befristungsentscheidung enthielt (siehe Urteile vom 17.4.2003 - Yilmaz -, NJW 2004, 2147, 2149; Urteil vom 22.4.2004 - Radovanovic -, InfAuslR 2004, 374 und Urteil vom 27.10.2005 - Keles -, InfAuslR 2006, 3); das deutsche Recht wird dem dieser Rechtsprechung zugrunde liegenden Gedanken der Verhältnismäßigkeit aber dadurch gerecht, dass es im Regelfall einen Befristungsanspruch gewährt (siehe damals § 8 Abs. 2 AuslG und heute § 11 Abs. 2 Satz 3 AufenthG und BVerwG, Beschluss vom 27.6.1997 - 1 B 126/97 -, Buchholz 402.240 § 8 AuslG 1990 Nr. 13).
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Letztlich kann diese Frage aber offen bleiben; ein im Rahmen des § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG beachtlicher Verstoß der Ausweisungsverfügung gegen Rechtsvorschriften ergibt sich nämlich daraus, dass der Kläger zum damaligen Zeitpunkt freizügigkeitsberechtigt war und dass entsprechende gemeinschaftsrechtliche Bindungen zu beachten waren (1.1). Insbesondere durfte der Kläger nicht nach den Vorschriften der Regelausweisung ausgewiesen werden, sondern es war Ermessen auszuüben (1.2). Auf das Vorliegen weiterer gemeinschaftsrechtlicher Bindungen und die Frage, ob sie eingehalten sind, kommt es danach nicht mehr an (1.3).
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1.1. Ob der Kläger zum Zeitpunkt der Ausweisungsverfügung aus eigenem Recht freizügigkeitsberechtigt war, ist zweifelhaft, kann letztlich aber offen bleiben. Mangels Arbeitnehmereigenschaft bzw. Arbeitssuche liegen die Voraussetzungen der Verordnungen Nr. 1612/68/EWG und 1251/70/EWG über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft nicht vor (siehe Art. 1 und Art. 2 VO 1612/68/EWG); daraus folgt auch das Fehlen eines Freizügigkeitsrechts entsprechend der RL 68/360/EWG (Art. 1 und Art. 4 Abs. 1). Unabhängig von der Frage der Arbeitnehmereigenschaft und Erwerbstätigkeit leitet der Europäische Gerichtshof (EuGH) allerdings ein allgemeines Freizügigkeitsrecht bereits aus der (bei dem Kläger als italienischem Staatsangehörigen bestehenden) Unionsbürgerschaft (Art. 18 EG) her; dies gilt jedenfalls seit der Entscheidung Baumbast (siehe EuGH, Urteil vom 17.9.2002 - C 413/99 -, InfAuslR 2002, 463, Rn 84/8Rn 84/85; zur früheren Rechtslage vgl. auch BVerwG, Vorlageentscheidung vom 18.9.2001 - 1 C 17/00 -, NVwZ 2002, 339 m.w.N.). In der Folgezeit hat der EuGH diese Rechtsprechung fortgeführt und bestärkt (siehe Urteil vom 29.4.2004 - Orfanopoulos und Oliveri -, - C 282/01 -, Rn 65, NVwZ 2004, 1099; Urteil vom 15.3.2005 - Bidar -, - C 209/03 -, Rn 36, NJW 2005, 2055; Urteil vom 23.3.2006 - Kommission -, - C 408/03 -, Rn 37, NVwZ 2006, 918), und Literatur und nationale Rechtsprechung sind dem weitgehend gefolgt (siehe Sander, DVBl. 2005, 1014 und Westphal/Stoppa, InfAuslR 2004, 133; Lenz/Borchardt, EU- und EGV, 2006, RN 2 zu Art. 18; siehe auch Hess. VGH, Beschluss vom 29.12.2004 - 12 TG 3212/04 -, AuAS 2005, 74). Allerdings hat der Europäische Gerichtshof in einer weiteren Entscheidung (Urteil vom 7.9.2004 - C 456/02 -, -Trojani-, Rn 36, InfAuslR 2004, 417) zu den „Beschränkungen und Bedingungen“ der Freizügigkeit im Sinn des Art. 18 Abs. 1 EG ausgeführt, bei Fehlen ausreichender Existenzmittel im Sinn der RL 90/364/EWG erwachse dem Unionsbürger kein Recht zum Aufenthalt; diese Formulierung legt den Schluss nahe, dass bei Nichterfüllung dieser Beschränkungen und Bedingungen die Unionsbürgerschaft allein zur Entstehung des Freizügigkeitsrechts noch nicht ausreicht. Dass im Fall des Klägers ausreichende Existenzmittel im Sinn der genannten Richtlinie im Zeitpunkt der Ausweisungsverfügung nicht vorhanden waren, liegt für den Senat angesichts des Fehlens gesicherter Einkünfte und seiner schweren Erkrankung mehr als nahe; selbst wenn er in gewissem Umfang von seiner damaligen Ehefrau und/oder seinen italienischen Eltern unterstützt worden sein mag, dürfte es jedenfalls an ausreichender Krankheitsvorsorge gefehlt haben (vgl. dazu auch EuGH, Urteil vom 19.10.2004 - C 200/02 -, - Chen -, InfAuslR 2004, 413 und vom 23.3.2006, a.a.O.). Hiervon abgesehen geht der EuGH jedenfalls dann vom Fehlen bzw. Erlöschen des Freizügigkeitsrechts aus, wenn die Nichterfüllung der „Beschränkungen und Bedingungen“ der Freizügigkeit (siehe Art. 18 Abs. 1 EG) dem Betroffenen „entgegengehalten“ worden ist (siehe EuGH, Bidar, a.a.O., Rn 36). Eine derartige behördliche Entscheidung - zum neuen Recht siehe § 7 Abs. 1 FreizügG/EU - kann hier durchaus in der Ausweisungsverfügung selbst gesehen werden, die dem Kläger ausdrücklich wegen fehlender Existenzmittel und wegen fehlenden Krankenversicherungsschutzes gemeinschaftsrechtliche Freizügigkeit abgesprochen hat (S. 6 f. der Ausweisungsverfügung) und die der Kläger ebenso wie die Ausweisung selbst akzeptiert hat.
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Letztlich kann der Senat jedoch offen lassen, ob der Kläger sich zum damaligen Zeitpunkt auf ein Freizügigkeitsrecht aus eigenem Recht berufen konnte; er war jedenfalls aus abgeleitetem Recht als Familienangehöriger freizügigkeitsberechtigt. Ein solches Recht scheidet nicht bereits deswegen aus, weil der Kläger bereits im Bundesgebiet geboren wurde und es damit „an sich“ an dem erforderlichen grenzüberschreitenden Element fehlt (siehe dazu EuGH - Chen -, a.a.O. Rn 19/20). Ob der Kläger als Familienangehöriger von seiner italienischen Mutter oder von seinem italienischen Stiefvater (siehe dazu EuGH , Urteil vom 30.9.2004 - C 275/02 -, - Ayaz -, InfAuslR 2004, 416 und Kloesel/Christ/Häußer, Deutsches Aufenthalts- und Ausländerrecht, Rn 17 zu § 3 FreizügG) ein Freizügigkeitsrecht ableiten konnte, obwohl er über 21 Jahre alt war, insbesondere ob ausreichende Unterhaltsleistungen der Stammberechtigten vorlagen (siehe dazu EuGH, Chen, a.a.O., und Kommission, a.a.O.), ist angesichts der Einstellung der Eltern des Klägers zu seiner Drogenabhängigkeit fragwürdig; der Senat braucht diese Fragen jedoch nicht zu entscheiden, weil der Kläger jedenfalls von seinen Kindern als Stammberechtigte ein entsprechendes Freizügigkeitsrecht herleiten konnte. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
30 
Die Kinder des Klägers sind (auch) italienische Staatsangehörige (siehe Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Bd. 8 (Italien), S. 6 mit Hinweis auf Art. 1 des italienischen Gesetzes 91/1992 vom 5.2.1992). Die Tatsache, dass sie daneben die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, ändert an ihrer Eignung als „Stammberechtigte“ nichts (siehe EuGH, Urteil vom 7.7.1992 - C 369/90 -, - Micheletti -, InfAuslR 1992, 2). Kraft ihrer Rechtsstellung als Unionsbürger konnten die Kinder des Klägers diesem trotz ihrer Geburt in Deutschland ein Freizügigkeitsrecht vermitteln (siehe dazu EuGH - Chen -, a.a.O.), und sie selbst waren nach der oben wiedergegebenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs unmittelbar aus Art. 18 Abs. 1 EG freizügigkeitsberechtigt. Dabei ist es ohne rechtliche Bedeutung, dass die maßgebende Rechtsprechung des EuGH sowohl zum Freizügigkeitsrecht unmittelbar aus Art. 18 EG als auch zur „Erstreckung“ des Freizügigkeitsrechts von Kindern auf Eltern (s. dazu unten) erst nach Erlass der Ausweisungsverfügung entwickelt worden ist; sie erfasst auch zurückliegende Tatbestände, die im Sinn der „geläuterten“ Rechtsprechung zu beurteilen sind (siehe dazu EuGH, Urteil vom 2.12.1997 - C 188/95 -, Fantask -, Slg I 06783, Rn 36,37; vgl. auch die Rechtsprechung des BVerwG zum Verständnis der RL 64/221/EWG, Urteile vom13.9.2005 - 1 C 7.04 -, InfAuslR 2006, 110, und vom 6.10.2005 - 1 C 5.04 -, InfAuslR 2006, 114 und Kopp/Ramsauer, a.a.O. Rn 35 zu § 48 m.w.N.). Dass die Kinder des Klägers ihrerseits die „Beschränkungen und Bedingungen“ der Freizügigkeit (siehe Art. 18 Abs. 1 EG) unter irgendeinem Gesichtspunkt (Existenzmittel, Krankheitsvorsorge) nicht erfüllt hätten, ist nicht ersichtlich; erst recht ist ihnen ein solcher Tatbestand im Sinn der Rechtsprechung des EuGH (Bidar, a.a.O.) auch nicht „entgegengehalten“ worden. Aus dieser Rechtsstellung folgt, dass nicht nur sie selbst im maßgebenden Zeitpunkt der Ausweisungsverfügung freizügigkeitsberechtigt waren, sondern dass zusätzlich eine Gefährdung ihres Freizügigkeitsrechts durch eine Ausweisung ihres Vaters gemeinschaftsrechtlich zu vermeiden war (siehe EuGH, Baumbast, a.a.O. Rn 72 f. und Chen, a.a.O. Rn 45). In den genannten Entscheidungen hat der Europäische Gerichtshof nämlich ein den Kindern zustehendes Freizügigkeitsrecht in bestimmten Fällen auf die Eltern erstreckt; er hat sich dabei an der Überlegung orientiert, dass das einem Kind nach der Gemeinschaftsgesetzgebung zustehende Recht verloren gehen könnte, wenn den Eltern die Möglichkeit versagt würde, während der Schulausbildung ihrer Kinder im Aufnahmemitgliedstaat zu verbleiben. Dies gilt nach Auffassung des EuGH jedenfalls für solche Eltern, die die Personensorge tatsächlich wahrnehmen und sich bei dem Kind aufhalten (siehe EuGH, Baumbast, a.a.O., Rn 71 und 73; siehe auch EuGH - Chen -, a.a.O. Rn 45). Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser „Erstreckung“ des gemeinschaftsrechtlichen Aufenthaltsrechts der Kinder auf die Eltern waren im Fall des Klägers auch gegeben:
31 
Zum Zeitpunkt der Ausweisungsverfügung lagen - bezogen auf den Kläger, seine damalige Noch-Ehefrau und die beiden Kinder - die ein „Familienleben“ im Sinn der (auf Art. 8 Abs. 1 EMRK Bezug nehmenden) Rechtsprechung des EuGH begründenden Umstände vor; der Kläger wohnte mit seinen Familienangehörigen zusammen, und es ist auch davon auszugehen, dass die in den genannten Urteilen für eine Erstreckung der Freizügigkeit vorausgesetzte tatsächliche Personensorge für die Kinder (auch) von ihm wahrgenommen wurde (zu den Anforderungen des Art. 8 EMRK siehe Grote/Marauhn, a.a.O. Kap. 16 Rn 41 und Breitenmoser/Riemer/Seitz, a.a.O., S. 59 und 60). Der tatsächliche Kontakt, auf den es in diesem Zusammenhang ankommt, endete auch nicht in den Zeiträumen, in denen der Kläger inhaftiert war; es bestand regelmäßiger Besuchskontakt (alle zwei Wochen) mit seiner damaligen Ehefrau und den Kindern (RP-Akten S. 26), und auch sonst hatte - wie aus den Ausländerakten der Stadt Fellbach hervorgeht - keine Seite die Absicht, die familiäre Lebensgemeinschaft zu beenden (siehe etwa Vermerke vom 25.11.1997 und 16. und 18.12.1997). Die Inhaftierungszeiten haben damit den der Rechtsprechung des EuGH zur Erstreckung des Freizügigkeitsrechts auf Eltern zugrunde liegenden familienrechtlichen Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 EMRK nicht berührt (vgl. dazu auch Grote/Maraun, a.a.O., Kap. 16 Rn 45 m.w.N.).
32 
Die dem Schutz des Freizügigkeitsrechts der Kinder dienende Erstreckung dieses Rechts auf ihren Vater scheitert im vorliegenden Fall auch nicht daran, dass die Kinder gleichzeitig deutsche Staatsangehörige sind. Zwar folgt hieraus, dass naturgemäß ihr Aufenthaltsrecht in Deutschland zu keinem Zeitpunkt in Frage stand; die gegen den Kläger ergangene Ausweisung setzte aber gleichwohl die Familienangehörigen dem mittelbaren Druck aus, dem Kläger nach Italien zu folgen. Dass es im vorliegenden Fall hierzu nicht kam, weil die Kinder und ihre Mutter sich für den weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet entschieden, ändert daran nichts, zumal der weitere Zusammenhalt der Familienangehörigen in der illegalen Wiedereinreise des Klägers und in seinen (heimlichen) Besuchen bei der Familie zum Ausdruck kommt. Es spricht mehr dafür, dass die Familienangehörigen des Klägers die bevorstehende Trennung nicht durch ihre Nachreise nach Italien, sondern durch weiteren Kontakt in der Illegalität verhindern bzw. entschärfen wollten. Da die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Entscheidungen Baumbast und Chen, jeweils a.a.O.) eine für Kinder bei Ausweisung eines Elternteils entstehende Zwangslage vermeiden will, ist sie auch auf Fallgestaltungen wie die hier vorliegende anwendbar.
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Auf das aus seinen Kindern abgeleitete Freizügigkeitsrecht hat der Kläger schließlich auch nicht durch seine Erklärung vom 15.2.1998 verzichtet. Wie bereits ausgeführt worden ist, betraf diese Erklärung nur die konkret bevorstehende Abschiebung; mit ihr wollte der Kläger für die Behörde erkennbar eine vorzeitige Haftbeendigung in Deutschland erreichen. In der mündlichen Verhandlung hat er dazu glaubhaft angegeben, es sei ihm darum gegangen, möglichst früh in Italien wieder an Drogen zu kommen. Als Verzicht auf ein Freizügigkeitsrecht, das ihn auch zur Wiedereinreise in die Bundesrepublik Deutschland berechtigen würde, ist diese Erklärung nicht aufzufassen, ganz abgesehen davon, dass es insofern offenbar an einem verbindlichen rechtlichen Erklärungswillen - sozusagen für alle Zukunft - fehlte und ein wesentliches Element der Erklärung - die Mitausreise der Familienangehörigen - nicht Realität wurde. Insofern sind strenge Anforderungen zu stellen; sogar bei einer Ausreise „zum Sterben in der Heimat“ hat die Rechtsprechung die Annahme eines Freizügigkeitsverzichts abgelehnt (siehe dazu und zu den Voraussetzungen eines solchen Verzichts OVG Koblenz, Beschluss vom 17.6.1996 - 11 B 11155/96 -, InfAuslR 1996, 337 m.w.N.). Verzichtserklärungen im europäischen Recht sind auf die konkrete Handlung beschränkt und nicht mit Zukunftswirkung verbunden (siehe dazu Umbach/Clemens, GG, 2002, Rn 8 zu Art. 18). Insofern gilt nichts anderes als bei grundgesetzlich gewährleisteten Rechten (siehe dazu im einzelnen Jarass/Pieroth, GG, 2004, Vorbem. vor Art. 1, Rn 36 und Dreier, GG, 1996, Vorbem. 83, je m.w.N.). Auch ist zu bedenken, dass zum damaligen Zeitpunkt ein aus dem Unionsbürgerrecht selbst fließendes Aufenthaltsrecht noch nicht durch den Europäischen Gerichtshof anerkannt war; 1997 hatte der Europäische Gerichtshof noch entschieden, dass die Unionsbürgerschaft keine Ausdehnung der Rechtsstellung bewirken wolle (siehe dazu Lenz/Borchardt, a.a.O., Rn 2 zu Art. 18). Für einen entsprechenden Verzichtswille fehlt es daher zum damaligen Zeitpunkt an einer Grundlage.
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1.2. Konsequenz des dem Kläger nach diesen Ausführungen bei Erlass der Ausweisungsverfügung zustehenden Freizügigkeitsrechts war, dass entsprechende gemeinschaftsrechtliche Ausweisungsschranken anzuwenden waren; insbesondere schied im Fall des Klägers eine (nach nationalem Recht zutreffende) Regelausweisung aus und es war Ausweisungsermessen auszuüben. Der Europäische Gerichtshof hat - allerdings erst im Jahr 2004, aber gleichwohl mit Wirkung auch für frühere Ausweisungsfälle (siehe dazu oben 1.1) -entschieden, dass bei freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern die Tatbestände der zwingenden und der Regelausweisung als Rechtsgrundlagen ausscheiden; solche Ausländer dürfen nur aufgrund einer ausländerbehördlichen Ermessensentscheidung ausgewiesen werden (siehe dazu EuGH, Urteil vom 29.4.2004 - Rs C 482/01 - und C 493/01 - Orfanopoulos und Oliveri, DVBl. 2004, 876), und das Bundesverwaltungsgericht hat sich dem angeschlossen (Urteil vom 3.8.2004 - 1 C 30.02 -, NVwZ 2004, 1099). Die frühere - abweichende - Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist damit aufgegeben worden. Im Licht dieser - allerdings neueren - Rechtsprechung könnte die gegen den Kläger ergangene Ausweisungsverfügung im Verfahren über den Rücknahmeantrag nur dann als rechtmäßig beurteilt werden, wenn die Behörde die Ausweisung des Klägers nicht nur auf den Tatbestand der Regelausweisung gestützt, sondern hilfsweise Ermessen ausgeübt hätte. Dies ist hier aber nicht geschehen. Die Behörde ging ausdrücklich von einer sog. Ist-Ausweisung nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 AuslG aus, die wegen der ausländerrechtlichen Privilegierung des Klägers als Vater zweier deutscher Kinder in eine Regelausweisung nach § 47 Abs. 2 AuslG herabgestuft wurde (§ 47 Abs. 3 Satz 1 AuslG); die Behörde hat danach lediglich noch geprüft, ob eine atypische Fallgestaltung vorliegt, die eine Ermessensausweisung gebietet (S. 9 ff. der Ausweisungsverfügung), und diese Frage verneint. Die Verfügung setzt sich zwar bei der Prüfung, ob eine atypischen Fallgestaltung gegeben ist, mit der bisherigen Lebensführung des Klägers im einzelnen auseinander; diese Gesichtspunkte können aber nicht in eine Ermessensausübung „umgedeutet“ werden, da Rechtserwägungen im Zusammenhang mit der Problematik der Atypik keine Ermessenserwägungen sind (so ausdrücklich BVerwG, Urteil vom 19.11.1996 - 1 C 25/94 -, InfAuslR 1997, 152). Die Tatsache, dass bei der Prüfung der Atypik alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind (siehe BVerwG, Urteil vom 26.2.2002 - 1 C 21/00 -, NVwZ 2002, 1512), begründet daher nicht die Annahme einer Ermessensentscheidung; die Atypik führt erst tatbestandsmäßig zur Ermessensausübung (siehe BVerwG, Urteil vom 31.8.2004 - 1 C 25/03 -, NVwZ 2005, 229).
35 
1.3. Der Senat kann offen lassen, ob die Ausweisungsverfügung gegen den Kläger nicht nur wegen unterbliebener Ermessensausübung, sondern auch wegen Verletzung des Art. 9 RL 64/221/EWG als rechtswidrig anzusehen ist (siehe dazu BVerwG, Urteil vom 13.9.2005, a.a.O. und vom 6.10.2005, a.a.O.), ob der in dieser Richtlinie gebotene verfahrensrechtliche Schutz wegen der Einwilligung des Klägers in seine Ausweisung bzw. Abschiebung entbehrlich war und ob ein gegebenenfalls vorliegender Rechtsverstoß durch den späteren Wegfall der Richtlinie gegenstandslos geworden ist (siehe dazu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 18.10.2006 - 13 S 192/06 -). Offensichtlich fehlerhaft wäre allerdings die Annahme, es hätten im Weg der sog. Vorwirkung bereits damals (1998) die materiellen Ausweisungsvoraussetzungen der weitaus späteren RL 2004/38/EG gegolten.
36 
2. Aus der wegen Ermessensunterschreitung vorliegenden Rechtswidrigkeit der Ausweisungsverfügung ergibt sich, dass entgegen der Auffassung der Behörde tatbestandsmäßig eine Rücknahme nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG in Betracht kam; die Behörde war dementsprechend verpflichtet, über den Rücknahmeantrag nach Ermessen zu entscheiden. Die Behörde hat jedoch in der Verfügung vom 29.9.2004 den Antrag auf Rücknahme der Ausweisung aus Rechtsgründen, d.h. wegen fehlender Rechtswidrigkeit der Verfügung, abgelehnt (S. 3 der Verfügung); (wenigstens) hilfsweise Ermessensausübung liegt auch insofern nicht vor, zumal die weiteren Ausführungen der Behörde im Zusammenhang mit dem Hilfsantrag auf Befristung der Wirkungen der Ausweisung bzw. Abschiebung nicht als Ermessensausführungen im Zusammenhang mit § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG aufgefasst werden können (siehe dazu auch oben). Das Rücknahme-Ermessen ist auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt worden; insbesondere liegt kein „Ergänzen“ im Sinn des § 114 Satz 2 VwGO vor. Im gerichtlichen Verfahren hat die Behörde an ihrer Auffassung zur Rechtmäßigkeit der Verfügung festgehalten. Sie hat zwar ausgeführt, ihr müsse noch die Möglichkeit der Nachholung des Ermessens gegeben werden, und sich insoweit auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 3.8.2004 (a.a.O.) bezogen; damit verkennt sie aber, dass diese Entscheidung die Anfechtungsklage gegen eine Ausweisungsverfügung und nicht - wie hier - eine Klage auf Rücknahme dieser Verfügung betrifft. Die Verweisung auf das Befristungsverfahren ist keine Ermessensbetätigung im Rücknahmeverfahren, und eine bestandskräftig gewordene „Alt-Ausweisung“ kann auch nicht in eine nach Voraussetzungen und Struktur unterschiedliche Feststellung nach § 6 FreizügG umgedeutet werden (siehe auch OLG Hamburg, Beschluss vom 21.11.2005 - 1 Ws 212/05 -, InfAuslR 2006, 118, 120). Im übrigen wäre wegen des ursprünglichen Fehlens von Ermessenserwägungen überhaupt eine bloße „Ergänzung“ im Sinn des § 114 Satz 2 VwGO nicht zulässig (siehe dazu BVerwG, Urteil vom 5.9.2006 - 1 C 20.05 -, juris und VGH Bad.-Württ., Urteil vom 29.11.2006 - 13 S 1566/06 -). Die aufgrund der aktuellen EuGH-Rechtsprechung (Entscheidung Orfanopoulos a.a.O.) vom Bundesverwaltungsgericht über § 114 Satz 2 VwGO hinaus eingeräumte generelle Nachholmöglichkeit ist hier nicht geboten, da die Rechtswidrigkeit der Ausweisungsverfügung hier nicht auf neuen Erkenntnissen während des Anfechtungsverfahrens beruhte, sondern auf der bereits 2002 eingeleiteten Rechtsprechung zu Art. 18 EG und zur Erstreckung der Freizügigkeit auf Kinder (siehe oben), die ohne weiteres (wenigstens hilfsweise) im Ablehnungsbescheid von 2004 hätte berücksichtigt werden können.
37 
3. Die danach vorliegende Ermessensunterschreitung führt allerdings nur zu einer entsprechenden Bescheidungsverpflichtung des beklagten Landes nach § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO; eine darüber hinausgehende Verpflichtung des Beklagten zur unmittelbaren Rücknahmeentscheidung kam nicht in Betracht, so dass die auf dieses Ziel gerichtete Klage (teilweise) abzuweisen war. Einen direkt auf Rücknahme der Ausweisungsverfügung gerichteten Anspruch kann der Kläger nicht unter dem Gesichtspunkt der sog. Ermessensreduzierung auf die Rücknahme als einzig rechtlich zutreffende Entscheidung verlangen (3.1), und eine Pflicht der Behörde zur (in diesem Fall: deklaratorischen) Rücknahme besteht auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Unwirksamkeit der Ausweisungsverfügung (3.2).
38 
3.1. Weder nationales Recht noch Gemeinschaftsrecht gebieten es im vorliegenden Fall dem beklagten Land, die gegen den Kläger ergangene Ausweisungsverfügung zurückzunehmen.
39 
Für das nationale Recht folgt dies daraus, dass im Rahmen des § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG im Hinblick auf das Gebot der materiellen Gerechtigkeit einerseits und das der Rechtssicherheit andererseits nur ausnahmsweise ein Rücknahmeanspruch besteht; die Aufrechterhaltung des Bescheides müsste dann „schlechthin unerträglich“ sein (siehe dazu z.B. BVerwG, Beschluss vom 15.3.2005 - 3 B 86/04 -, DÖV 2005, 651 m.w.N.). Eine solche Fallgestaltung ist hier nicht gegeben; einmal war der Kläger, was für die Ermessensausübung durchaus relevant sein kann, mit seiner Abschiebung zum damaligen Zeitpunkt einverstanden, und zum anderen erscheint die Aufrechterhaltung der Ausweisungsverfügung auch nicht deswegen im Sinn der oben angeführten Rechtsprechung „schlechthin unerträglich“, weil die zur Annahme der Rechtswidrigkeit führende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum abgeleiteten Freizügigkeitsrecht von Kindern und zum Unionsbürgerrecht erst Jahre nach dem Erlass der Ausweisungsverfügung entwickelt wurde. Auch ergibt sich eine Ermessensreduzierung nicht aus dem Verhalten der Behörde selbst oder daraus, dass das Rücknahmeinteresse des Betroffenen eindeutig und offensichtlich schwerer wiegen würde als das öffentliche Interesse an einer Rücknahme (zu diesen Kriterien siehe Kopp/Ramsauer, a.a.O., Rn 55 zu § 48). Im übrigen käme es in diesem Zusammenhang bei der Ermessensausübung auch auf die Frage an, ob der Kläger in der Tat zum Entscheidungszeitpunkt drogenfrei ist und wie die Rückfallprognose aussieht.
40 
Auch Gemeinschaftsrecht verpflichtet den Beklagten zur Rücknahme der Ausweisungsverfügung nicht. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
41 
Dass Gemeinschaftsrecht in Fällen der vorliegenden Art keinen unbedingten Rücknahmeanspruch begründet, hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in seiner bisherigen Rechtsprechung ausgeführt (siehe z.B. Beschluss vom 4.1.2006 - 11 S 1871/05 - und Beschluss vom 7.11.2005 - 13 S 1895/05 -), und dies entspricht auch der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 15.3.2005 - 3 B 86/04 - a.a.O.). Vom nationalen Recht vorgesehene Ausschlussfristen für die Rechtsverfolgung - mit der Folge der Bestandskraft bei Nichteinhaltung dieser Fristen - sind nämlich deswegen grundsätzlich mit Gemeinschaftsrecht vereinbar, weil sie ein Anwendungsfall des auch für das Gemeinschaftsrecht grundlegenden Prinzips der Rechtssicherheit sind (siehe EuGH, Urteil vom 2.12.1997 - C 188/95 -, Fantask, Slg I O6783, Rn 45; Urteil vom 13.1.2004 - C 453/00 -, Kühne und Heitz, DVBl. 2004, 373, Rn 24 und zuletzt Urteil vom 19.9.2006 - C 392/04 -und - C 422/0C 422/04 -, I 21, NVwZ 2006, 1277 Rn 51). Während die frühere Rechtsprechung des EuGH die Frage der Bestandskraft gemeinschaftsrechtswidriger Verwaltungsakte nicht problematisiert hatte (siehe dazu die Nachweise bei Gärditz, NWVBl. 2006, 442 Fn 34 f. und beispielhaft EuGH, Urteil vom 2.12.1997, a.a.O.), hat erstmals die Entscheidung Kühne und Heitz (a.a.O.) bestimmte Voraussetzungen für eine behördliche Pflicht zur Überprüfung bestandskräftiger gemeinschaftswidriger Verwaltungsakte formuliert (siehe dazu auch Epiney, NVwZ 2006, 410 f.). Diese Bedingungen sind im vorliegenden Fall nicht (kumulativ) erfüllt: Zwar ist die Behörde nach nationalem Recht (hier: § 48 VwVfG) zur Rücknahme befugt, die Bestandskraft der Entscheidung beruht aber nicht wie im Fall Kühne/Heitz auf einem nationalen Gerichtsurteil, das die Vorlagepflicht nach Art. 234 Abs. 3 EG verletzt hat, und der Betroffene hat sich auch nicht unmittelbar nach Kenntniserlangung von der Entwicklung der EuGH-Rechtsprechung (hier: Urteile Baumbast und Chen, jeweils a.a.O.) an die Behörde gewandt und Rücknahme beantragt. Ganz unabhängig hiervon ist darauf hinzuweisen, dass Gegenstand der Entscheidung Kühne/Heitz nicht explizit die Frage der Rücknahmepflicht, sondern nur die Frage der Prüfungspflicht war (siehe dazu im einzelnen Gärditz a.a.O. S. 448). Eine Pflicht zur Überprüfung des bestandskräftigen, aber gemeinschaftswidrigen Verwaltungsakts bedeutet noch nicht die Pflicht zur Aufhebung (Gärditz a.a.O. Rn 105 m.w.N.). Die anlässlich der Entscheidung Kühne/Heitz in Literatur und Rechtsprechung aufgetretenen Unklarheiten (siehe dazu, Epiney a.a.O. S. 410 und Pache/Bieletz, DVBl. 2006, S. 331) sind im übrigen durch die weitere Rechtsprechung des EuGH im wesentlichen beseitigt worden. Die Entscheidung vom 16.3.2006 (- C 234/04 - Kapferer, DVBl. 2006, 569), die allerdings nicht (nur) bestandskräftige, sondern rechtskräftige Entscheidungen betrifft, hat bereits das vorangegangene Urteil Kühne/Heitz relativiert, und der EuGH hat im Urteil vom 19.9.2006 (I 21, a.a.O.) schließlich ausdrücklich ausgeführt, dass - von der Anerkennung der Bestandskraft ausgehend - (Rn 51) eine Überprüfungspflicht der Behörde bei Nichtausschöpfung des Rechtsbehelfsverfahrens grundsätzlich nicht besteht (Rn 53) und dass es Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung ist, die Modalitäten einer Rücknahme bzw. einer erneuten Überprüfung festzulegen. Die Überprüfungs- und Rücknahmepflicht nach nationalem Recht (hier: § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG) wird damit mit der gemeinschaftsrechtlichen Überprüfungs- und Rücknahmepflicht parallelisiert (EuGH, I 21, a.a.O. Rn 63 f. und Gärditz a.a.O. S. 446 f.); wo das nationale Recht keine Rücknahmepflicht ergibt, lässt sie sich also nicht zusätzlich aus Gemeinschaftsrecht herleiten. Bereits oben ist ausgeführt worden, dass unter dem Gesichtspunkt des § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG die Aufrechterhaltung der gegen den Kläger ergangenen Ausweisung nicht „schlechthin unerträglich“ ist, eine Rücknahmepflicht insoweit also nicht besteht, und diese Überlegungen gelten auch im hier interessierenden Zusammenhang. Der Verzicht des Klägers auf Rechtsbehelfe und die Tatsache, dass der Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht keineswegs offensichtlich war - die die Freizügigkeit begründende Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs stammt wie ausgeführt aus einem Zeitraum nach Erlass der Ausweisungsverfügung - stehen auch hier der Annahme einer
Rechts verpflichtung entgegen. Von besonderer Gravität oder gar (zusätzlicher) Offensichtlichkeit eines Gemeinschaftsrechtsverstoßes kann unter diesen Gesichtspunkten ohnehin nicht ausgegangen werden. Nach den Grundsätzen der I 21-Entscheidung des EuGH (a.a.O.) ist es vielmehr auch gemeinschaftsrechtlich zu akzeptieren, wenn sich das nationale Recht (§ 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG) angesichts der hier widerstreitenden Interessen (Rechtssicherheit einerseits, materielle Rechtmäßigkeit andererseits) mit einer Ermessensentscheidung der Behörde begnügt.

42 
3.2 Der Kläger kann die Rücknahme der gegen ihn ergangenen Ausweisungsverfügung auch nicht unter dem Gesichtspunkt der (deklaratorischen) Aufhebung einer unwirksamen oder unwirksam gewordenen Verfügung erreichen; die Voraussetzungen eines solchen „Rücknahme“-Anspruchs (zur Zulässigkeit einer solchen Rücknahme siehe oben vor 1.) sind nämlich nicht gegeben.
43 
Bei Erlass der Ausweisungsverfügung und auch in der Folgezeit bis zum Inkrafttreten des FreizügG/EU lag kein Grund für die Annahme von Unwirksamkeit (siehe § 43 Abs. 1 und 2 VwVfG) oder gar von Nichtigkeit (§ 43 Abs. 3 i.V.m. § 44 VwVfG) der Ausweisungsverfügung vor; dies liegt für den Senat auf der Hand und bedarf keiner näheren Ausführungen; sie folgt insbesondere nicht aus dem vom Kläger in diesem Zusammenhang für sich in Anspruch genommenen Urteil des EuGH vom 29.4.1999 (- C 224/97 -, Ciola), das sich lediglich mit strafrechtlichen Folgen des Verstoßes gegen gemeinschaftsrechtswidrige Verfügungen auseinandersetzt. Die Ausweisungsverfügung ist aber auch nicht durch Inkrafttreten des Freizügigkeitsgesetzes zum 1.1.2005 unwirksam geworden. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
44 
Soweit in der Rechtsprechung angenommen wird, mit dem Inkrafttreten des Freizügigkeitsgesetzes hätten die nach früherem Recht ergangenen Ausweisungsverfügungen gegenüber Unionsbürgern ihre Rechtsgrundlage verloren (so für nicht bestandskräftig gewordene Ausweisungsverfügungen Hess. VGH, Beschluss vom 29.12.2004 - 12 TG 3212/04 -, NVwZ 2005, 837; für bestandskräftige Verfügungen OVG Berlin, Beschluss vom 15.3.2006 - 8 S 823/05 -, NVwZ 2006, 953), ist diese Rechtsprechung teilweise nicht einschlägig, da im vorliegenden Fall Bestandskraft gegeben ist; teilweise kann der Senat ihr aus anderen Gründen nicht folgen. Er schließt sich vielmehr der Gegenmeinung an, die die (fortdauernde) Wirksamkeit bestandskräftig gewordener Ausweisungen bejaht (siehe dazu OVG Hamburg, Urteil vom 22.3.2005 - 3 Bf 294/04 -, EzAR; OVG Lüneburg, Beschluss vom 30.6.2006 - 11 LA 147.05 -, AuAS 2006, 185, ebenso schon VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 7.11.2005 - 13 S 1885/05 - und Beschluss vom 4.1.2006 - 11 S 1871/05 -). Das bloße Fehlen einer für Verfügungen nach dem damaligen AufenthG/EWG ergangenen Ausweisung geltenden Übergangsvorschrift bzw. das Fehlen einer Verweisung auf § 102 Abs. 1 AufenthG in § 11 Abs. 2 Satz 1 FreizügG/EU begründet fehlende Fortgeltung bereits deswegen nicht, weil sich im vorliegenden Fall die Fortdauer der Wirkungen der Ausweisung bereits unmittelbar aus § 102 Abs. 1 AufenthG ergibt. Die Vorschrift erfasst nämlich im Anwendungsbereich jedenfalls die auf das frühere Ausländergesetz gestützten Ausweisungsverfügungen, und um eine solche Verfügung handelt es sich im vorliegenden Fall, weil die Freizügigkeitsberechtigung und damit die Anwendung des AufenthG/EWG ausdrücklich verneint worden sind und Rechtsgrundlage der Ausweisung gerade das AuslG war. Außerdem ist der Anwendungsbereich des (späteren) FreizügG/EU und damit auch dessen § 11 Abs. 1 noch aus einem anderen Grund nicht gegeben; dieses Gesetz stellt durch die Bezugnahme auf § 1 FreizügG/EU auch in der Vorschrift des § 11 Abs. 1 auf die Freizügigkeitsberechtigung als Voraussetzung ab. Diese ist aber durch die Bestandskraft der auf das allgemeine Ausländergesetz gestützten Ausweisung entfallen (siehe auch Funke-Kaiser, Rn 2 zu § 102; OVG Hamburg, Beschluss vom 14.12.2005 - Bs 79/05 -, InfAuslR 2006, 305; Lüdke, InfAuslR 2005, S. 178; a.A. Gutmann, InfAuslR 2005, 125). Aus der fehlenden Verweisung auf § 102 AufenthG in § 11 Abs. 1 FreizügG/EU kann daher kein Argument zugunsten des Klägers hergeleitet werden. Im Übrigen hätte es wegen der bereits im Jahr 1998 eingetretenen Bestandskraft der Ausweisungsverfügung einer entsprechend klaren gesetzlichen Regelung bedurft, um die seit Bekanntgabe bestehende und durch die Bestandskraft verstärkte Wirksamkeit des Verwaltungsakts nach § 43 Abs. 2 VwVfG zu beseitigen; Die amtliche Begründung zum Entwurf des Freizügigkeitsgesetzes lässt eine so weitgehende Absicht nicht erkennen (BT-Drs. 15/420, S. 101 ff. S. 105 f.; siehe auch OVG Hamburg, Urteil vom 22.3.2005, a.a.O.).
45 
Die Bestandskraft und die damit eingetretene Wirkung der Ausweisungsverfügung ist auch nicht kraft Gemeinschaftsrechts entfallen; dies ergibt sich bereits daraus, dass das Gemeinschaftsrecht - wie oben ausgeführt - das Institut der Bestandskraft durchaus anerkennt und bei Gemeinschaftsrechtswidrigkeit eigene Instrumente - wie das Recht zur Überprüfung der Verfügung - entwickelt hat, um gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen gerecht zu werden. Dieser rechtlichen Instrumente hätte es nicht bedurft, wenn gemeinschaftsrechtlich sogar von der Unwirksamkeit (oder vom Unwirksamwerden) solcher Verfügungen auszugehen wäre. Dass in der Rechtsprechung der Strafgerichte bei Verstößen gegen solche Verfügungen unter Berufung auf den EuGH (Ciola a.a.O.) Strafbarkeit z.T. nicht mehr angenommen wird (siehe OLG Hamburg a.a.O. und OLG Karlsruhe, Beschluss vom 6.12.2006 3 Ws 346/05), steht dem nicht entgegen; insoweit handelt es sich um eine speziell strafrechtliche Fragestellung, die der Senat im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht zu beantworten braucht.
46 
4. Da der Kläger damit mit der Klage lediglich einen Teil seines mit dem Hauptantrag verfolgten Begehrens erreicht hat, waren ihm die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge teilweise aufzuerlegen (siehe § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO); der Senat geht dabei davon aus, dass der Kläger zu einem Drittel im Berufungsverfahren unterlegen ist.
47 
Die Revision war zuzulassen, da insbesondere die Frage der Wirksamkeit sog. altrechtlicher Ausweisungsverfügungen gegenüber Unionsbürgern in der obergerichtlichen Rechtsprechung strittig und noch nicht höchstrichterlich geklärt ist (siehe § 132 Abs. 2 Satz 1 VwGO).
48 
Beschluss
49 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 29. September 2006 - 9 K 2997/05 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger ist italienischer Staatsangehöriger und im Jahre 1942 in Italien geboren; er ist Vater von acht erwachsenen Kindern, von denen vier in der Bundesrepublik Deutschland leben. Er zog im Jahre 1967 zur Arbeitsaufnahme ohne seine Familie in die Bundesrepublik Deutschland, wo er sich bis zu seiner Ausweisung aufhielt. Während seines Aufenthalts in der Bundesrepublik ging der Kläger verschiedenen abhängigen Berufstätigkeiten nach, teilweise war er auch selbständig, u.a. als Eisverkäufer, tätig. Seit dem 1.6.2007 bezieht der Kläger eine Regelaltersrente in Höhe von monatlich 187,57 EUR. Für seinen Aufenthalt in der Bundesrepublik verfügte der Kläger ursprünglich über eine mehrmalig verlängerte befristete Aufenthaltserlaubnis, anschließend über eine befristete Aufenthaltserlaubnis-EG, welche zuletzt bis zum 8.9.1999 gültig war. Nach seiner Haftentlassung beantragte der Kläger am 12.4.2000 die Verlängerung der ihm zuletzt erteilten Aufenthaltserlaubnis-EG.
Seit dem Jahre 1974 wurde der Kläger im Bundesgebiet mehrfach straffällig und verurteilt. Es handelt sich u.a um mehrere Diebstahlsdelikte, Beleidigung, fahrlässige Körperverletzung, Verkehrsunfallflucht sowie um einen Verstoß gegen das Lebensmittelgesetz. Mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 21.10.1982 wurde der Kläger wegen versuchter beabsichtigter schwerer Körperverletzung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Diese Strafe verbüßte der Kläger ab dem 1.6.1982 bis zum 2/3-Zeitpunkt, danach wurde die Reststrafe zunächst zur Bewährung ausgesetzt und nach erfolgter Bewährung erlassen. Mit Urteil vom 21.12.1998 (rechtskräftig seit dem 29.12.1998) verurteilte das Amtsgericht Heilbronn den Kläger wegen vorsätzlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten, die Vollstreckung dieser Freiheitsstrafe wurde nicht zur Bewährung ausgesetzt. Der Kläger wurde zum 2/3-Zeitpunkt aus dem Strafvollzug entlassen, nachdem die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Tübingen mit Beschluss vom 21.12.1999 den Strafrest zur Bewährung aussetzte. Bereits nach der Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren wegen versuchter beabsichtigter schwerer Körperverletzung durch das Landgericht Stuttgart wies die Landeshauptstadt Stuttgart den Kläger mit Bescheid vom 6.8.1986 aus dem Bundesgebiet aus. Im Widerspruchsverfahren wurde ein Vergleich abgeschlossen, wonach er nicht abgeschoben und die Wirkung der Ausweisung befristet werde, soweit er Nachweise über ein straffreies Leben beibringen könne.
Mit Bescheid vom 29.5.2000 wies das Regierungspräsidium Stuttgart - Bezirksstelle für Asyl - den Kläger unter Anordnung des Sofortvollzugs aus dem Bundesgebiet aus, lehnte seinen Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis-EG bzw. auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung ebenfalls unter Anordnung des Sofortvollzugs ab und drohte ihm die Abschiebung aus der Haft heraus nach Italien an. Dabei ging das Regierungspräsidium davon aus, dass die von dem Kläger begangenen und rechtskräftig abgeurteilten Straftaten einen Grund der öffentlichen Ordnung im Sinne des damals geltenden § 12 Abs. 1 AufenthG/EWG darstellten, welcher die Ausweisung des Klägers rechtfertige. Die Ausweisung erfolge nicht allein wegen einer strafrechtlichen Verurteilung, sondern wegen der hohen Gefährlichkeit des Klägers, die sich an seinen bisherigen Straftaten, insbesondere seinen Gewaltstraftaten gezeigt habe. Der Ausweisung stehe die Schutzbestimmung des § 12 Abs. 4 AufenthG/EWG nicht entgegen, da sie wegen der Häufigkeit und zuletzt der Schwere der Straftaten sowie einer konkret festgestellten Wiederholungsgefahr verfügt werde. Deswegen seien die nationalen Ausweisungsvorschriften gemäß § 45 ff. AuslG anwendbar. Aufgrund der Verurteilung durch das Amtsgericht Heilbronn vom 21.12.1998 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten habe der Kläger den Regelausweisungstatbestand des § 47 Abs. 2 Nr. 1 AuslG verwirklicht. Der Kläger genieße weder nach § 48 Abs. 1 noch gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 AufenthG/EWG besonderen Ausweisungsschutz, da er insbesondere nicht über die erforderliche unbefristete Aufenthaltserlaubnis-EWG verfüge. Da kein besonderer Ausweisungsschutz gemäß § 48 Abs. 1 AuslG bestehe, werde die Regel-Ausweisung nach § 47 Abs. 2 Nr. 1 AuslG nicht gemäß § 47 Abs. 3 Satz 2 AuslG zu einer Ermessens-Ausweisung herabgestuft; es verbleibe bei der Regelwirkung des § 47 Abs. 2 AuslG. Eine atypische Sonderkonstellation, die ein Absehen von dieser Regelwirkung ermögliche, sei im Falle des Klägers nicht gegeben; insbesondere stelle die lange Dauer des Aufenthalts keine derartige atypische Situation dar. Selbst falls die Voraussetzungen für eine Regelausweisung nicht vorlägen, werde die Ausweisung nach Ermessen verfügt.
Nach Entlassung aus der Strafhaft und Erlass der Ausweisung, welche vom Kläger nicht angefochten wurde, reiste er nach seinen eigenen Angaben am 8.10.2000 nach Italien aus, kehrte jedoch im Frühjahr 2004 in die Bundesrepublik Deutschland zurück. Er wurde daraufhin festgenommen und am 22.9.2004 nach Italien abgeschoben, worauf er nach seinen eigenen Angaben am 1.4.2005 erneut in die Bundesrepublik Deutschland einreiste.
Der Kläger beantragte am 15.4.2005 die Rücknahme der Ausweisungsverfügung vom 29.5.2000 sowie die Bestätigung, dass diese Verfügung unwirksam sei. Er machte geltend, dass diese Ausweisungsverfügung entgegen der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs als Regelausweisung im Sinne von § 47 AuslG verfügt worden sei, so dass eine Rücknahmeverpflichtung bestehe.
Mit Bescheid vom 8.9.2005 lehnte das Regierungspräsidium Stuttgart den Antrag auf Rücknahme der Ausweisungsverfügung vom 29.5.2000 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 48 LVwVfG für den Erlass einer die Ausweisungsverfügung betreffenden Rücknahmeverfügung lägen nicht vor. Die Ausweisungsverfügung sei rechtmäßig ; sie sei in zulässiger Weise als rein spezialpräventiv begründete Maßnahme verfügt worden und habe den Anforderungen des Europäischen Gemeinschaftsrechts, insbesondere auch dem in § 12 AufenthG/EWG statuierten besonderen Ausweisungsschutz, genügt. Zwar sei die Ausweisungsverfügung auf der Grundlage des § 47 Abs. 2 AuslG als Regelausweisung verfügt worden, das Regierungspräsidium habe bei ihrem Erlass jedoch zumindest hilfsweise Ermessen ausgeübt, auch sei eine erhebliche konkrete Wiederholungsgefahr festgestellt worden. Mit Bescheid vom 26.9.2005 befristete das Regierungspräsidium Stuttgart die Sperrwirkungen der Ausweisung auf diesen Tag.
Auf die am 13.9.2005 beim Verwaltungsgericht erhobene Klage, mit der der Kläger beantragt hat,
den Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 8.9.2005 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Ausweisungsverfügung vom 29.5.2000 zurückzunehmen,
hat das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Urteil vom 29.9.2006 - 9 K 2997/05 -den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheids vom 8.9.2005 verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Rücknahme der Ausweisungsverfügung vom 29.5.2000 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. In den Entscheidungsgründen hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, der Beklagte sei in seinem versagenden Bescheid vom 8.9.2005 zu Unrecht von der Rechtmäßigkeit der Ausweisung des Klägers ausgegangen und habe deshalb unzutreffender Weise das Vorliegen einer Rücknahmemöglichkeit verneint. Das Gericht gehe mit dem Beklagten zwar davon aus, dass die Ausweisung nicht aus materiell-rechtlichen Gründen zu beanstanden sei. Insbesondere habe der Beklagte den Kläger nicht allein auf der Grundlage der Regelwirkung des § 47 Abs. 2 AuslG in Anknüpfung an die abgeurteilten Straftaten ausgewiesen. Vielmehr habe er hilfsweise eine reine Ermessensentscheidung getroffen, die nach Auffassung des Verwaltungsgerichts auch bei Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht zu beanstanden sei. Gegen das Ergebnis der Ermessensentscheidung wende der Kläger zu Unrecht ein, die Ausweisung verstoße gegen Art. 28 Abs. 3a der RL 2004/38/EG. Diese Richtlinie habe zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt, nämlich dem des Eintritts der Unanfechtbarkeit der Ausweisungsverfügung, noch gar nicht existiert, so dass sie keine Anwendung beanspruchen könne. Die Ausweisung sei auch nicht deshalb materiell-rechtlich zu beanstanden, weil der dort geprüfte § 12 AufenthG/EWG nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 27.4.2006 (Rs C-441/02, InfAuslR 2006, 295) gegen Gemeinschaftsrecht verstoße. Zwar habe der Gerichtshof in dieser Entscheidung tatsächlich einen Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht darin festgestellt, dass die Bundesrepublik Deutschland in § 12 AufenthG/EWG die vom Gemeinschaftsrecht für die Beschränkung der Freizügigkeit aufgestellten Voraussetzungen nicht hinreichend umgesetzt habe. Diese Feststellung habe entgegen der Meinung des Klägers aber nicht zur Folge, dass sämtliche unter Geltung der Vorschrift ergangenen Ausweisungen gegen Unionsbürger allein deshalb rechtswidrig wären, weil bei ihnen zwingend die Voraussetzungen des § 12 AufenthG/EWG zu prüfen gewesen seien. Die Ausweisung vom 29.5.2000 sei jedoch in formeller Hinsicht rechtswidrig, da sie gegen die gemeinschaftsrechtliche Verfahrennorm des Art. 9 Abs. 1 der RL 64/221/EWG verstoßen habe. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und der ihr folgenden Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteile vom 13.9.2005 - 1 C 7.04 - und vom 16.10.2005 - 1 C 5.04 -) werde in Ausweisungsverfahren gegen Unionsbürger und assoziationsrechtlich privilegierte türkische Staatsangehörige außer in dringenden Fällen gegen die Verfahrensgarantie des Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG verstoßen, wenn weder ein Widerspruchsverfahren stattfinde noch sonst eine unabhängige zweite zuständige Stelle im Sinne der Richtlinie im Verwaltungsverfahren eingeschaltet worden sei. Hieraus folge, dass nach der in Baden-Württemberg erfolgten Abschaffung des behördlichen Vorverfahrens bei von den Regierungspräsidien verfügten Ausweisungen die gemeinschaftsrechtlich geforderte Einschaltung einer unabhängigen zweiten Stelle neben der Ausländerbehörde nicht gewährleistet gewesen sei. Da ein dringender Fall im Sinne des Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie im Falle des Klägers zweifellos nicht vorgelegen habe, sei die Ausweisung wegen Verstoßes gegen diese Verfahrensvorschrift unheilbar nichtig.
10 
Dem Kläger stehe trotz der Rechtswidrigkeit der gegen ihn ergangenen Ausweisung vom 29.5.2000 lediglich ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über deren Rücknahme, nicht jedoch ein unbedingter Rücknahmeanspruch zu. Gemäß § 48 Abs. 1 LVwVfG stehe die Entscheidung über die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde, so dass ein gebundener Anspruch auf Rücknahme lediglich im Falle einer Ermessensreduzierung auf Null gegeben sei. Eine solche komme lediglich unter einschränkenden Voraussetzungen, etwa im Hinblick auf Art. 3 GG im Falle einer Selbstbindung der Behörde oder, wenn Europäisches Gemeinschaftsrecht betroffen sei, aus Gründen des gemeinschaftsrechtlichen Effizienzgebots in Betracht. Beide Voraussetzungen seien hier nicht erfüllt. Dadurch, dass der Beklagte die Wirkungen der Ausweisung mit Bescheid vom 26.9.2005 auf dieses Datum befristet habe, genieße der Kläger zum gegenwärtigen Zeitpunkt wieder volle Freizügigkeit, sodass weder von einer unzumutbaren Beeinträchtigung des Klägers auszugehen sei noch das gemeinschaftsrechtliche Effizienzgebot die Rücknahme der Ausweisung zwingend gebiete. Auch der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs lasse sich nichts für eine gebotene Ermessensreduzierung auf Null entnehmen.
11 
Mit Beschluss vom 3.5.2007 (Zustellung an den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 9.5.2007) hat der Senat dem Kläger gegen die Versäumung der Frist für den Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt und die Berufung zugelassen. Mit dem am 16.5.2007 eingegangenen Berufungsbegründungsschriftsatz, der auch auf das Vorbringen im Zulassungsverfahren Bezug genommen hat, beantragt der Kläger,
12 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 29.9.2006 abzuändern und den Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 8.9.2005 aufzuheben sowie den Beklagten zu verpflichten, die Ausweisungsverfügung vom 29.5.2000 zurückzunehmen.
13 
Zur Begründung des Berufungsantrags trägt der Kläger vor, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Ausweisungsverfügung vom 29.5.2000 lediglich gegen formelles Recht verstoße und habe deshalb den geltend gemachten unbedingten Rücknahmeanspruch abgelehnt. Die Ausweisung sei auf die Bestimmung des § 12 AufenthG/EWG gestützt worden, welche der Europäische Gerichtshof als gemeinschaftsrechtswidrig eingestuft habe. Diese Bestimmung überhöhe die Bedeutung formaler Kriterien für den Ausweisungsschutz und schenke der Aufenthaltsdauer zu geringe Bedeutung, was dazu geführt habe, dass in seinem Falle kein besonderer Ausweisungsschutz angenommen worden sei. Auch habe der Beklagte bei Erlass der Ausweisung dem Umstand, dass seine Verurteilung zur Bewährung ausgesetzt worden sei, nicht die nötige Beachtung geschenkt und in rechtswidriger Weise die Strafakten nicht beigezogen bzw. den Vollstreckungsverlauf nicht in seine Prognoseentscheidung einbezogen. Ferner habe die Ausweisung gegen die Schutzbestimmung des Art. 28 Abs. 3a der RL 2004/38/EWG verstoßen, wonach nach einem über zehnjährigen Inlandsaufenthalt die Ausweisung eines Unionsbürgers nur noch aus Gründen der Sicherheit des Staates zuzulassen sei. Die unbefristet verfügte Ausweisung verstoße gegen Art. 8 EMRK, da nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs eine Rechtspflicht bestehe, schon bei Erlass einer in Art. 8 EMRK eingreifenden Verfügung deren Befristung mit zu prüfen. Gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßende Verfügungen dürften nicht vollstreckt werden, insoweit gleiche der Sachverhalt demjenigen der Vollsteckung verfassungswidriger zivilrechtlicher Gerichtsentscheidungen. Die von dem Beklagten vorgenommene Befristung der Ausweisung stelle bereits deshalb keine Alternative zur zwingend gebotenen Rücknahme seiner Ausweisung dar, weil er aufgrund des zu niedrigen Rentenbezugs keinen gemeinschaftsrechtlichen Anspruch auf Zuzug in das Bundesgebiet habe.
14 
Der Beklagte beantragt,
15 
die Berufung zurückzuweisen.
16 
Zur Begründung trägt er vor, die von dem Kläger als grundsätzlich aufgeworfene Rechtsfrage, ob der formalrechtliche Verstoß gegen die Verfahrensgarantie des Art. 9 RL 64/221/EWG eine Rücknahme der Ausweisung gebiete, sei in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits entschieden worden. Auf gemeinschaftsrechtlicher Grundlage bestehe nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts lediglich dann ein unbedingter Anspruch auf Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts, wenn bei dessen Erlass die Rechtswidrigkeit offen zu Tage getreten sei, wovon im gegenständlichen Fall nicht ausgegangen werden könne. Zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Ausweisungsverfügung im Mai 2000 habe ein offensichtlicher Rechtsverstoß gegen Art. 9 RL 64/221/EWG nicht vorgelegen, da nach einhelliger Auffassung zu diesem Zeitpunkt von einem dringenden Fall im Sinne der Richtlinie auszugehen gewesen sei, wenn die Ausländerbehörde den Sofortvollzug der Maßnahme angeordnet habe.
17 
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
18 
Dem Senat liegen die den Kläger betreffenden Akten des Regierungspräsidiums Stuttgart sowie der unteren Ausländerbehörde (2 Band) vor. Auf diese Akten wird ebenso wie auf die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts verwiesen; diese Akten waren Gegenstand der Beratung.

Entscheidungsgründe

 
19 
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung über die Berufung des Klägers entscheiden, da beide Beteiligte auf mündliche Verhandlung verzichtet haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
20 
Die zulässige, insbesondere rechtzeitig begründete Berufung (§ 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO) hat in der Sache keinen Erfolg. Dem Kläger steht der geltend gemachte, über die vom Verwaltungsgericht Stuttgart bereits mit Urteil vom 29.9.2006 rechtskräftig ausgesprochene Bescheidungsverpflichtung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts hinausgehende unbedingte Rücknahmeanspruch nicht zu (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
21 
Dem Kläger steht nach wie vor ein Rechtsschutzbedürfnis für die von ihm begehrte Rücknahme der Ausweisungsverfügung mit ex-tunc-Wirkung zu, obwohl der Beklagte nunmehr die Sperrwirkungen der Ausweisung mit Bescheid vom 26.9.2005 auf diesen Tag befristet hat. Ein Interesse des Klägers an der rückwirkenden Aufhebung der Ausweisung ergibt sich bereits daraus, dass zahlreiche Vorschriften an den ununterbrochenen rechtmäßigen Aufenthalt eines Ausländers positive Rechtsfolgen anknüpfen, so etwa der in § 10 StAG statuierte Anspruch auf Einbürgerung oder die besonderen Ausweisungsschutz vermittelnde europarechtliche Bestimmung des Art. 28 Abs. 3a der RL 2004/38/EG.
22 
Zu Recht hat das Verwaltungsgericht für die im Rahmen des § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG entscheidungserhebliche Frage der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der mangels Klageerhebung bestandskräftig gewordenen Ausweisung des Klägers auf den Zeitpunkt des Erlasses der Ausweisungsverfügung am 29.5.2000 abgestellt; da der Kläger jedenfalls zu diesem Zeitpunkt freizügigkeitsberechtigt war, konnte offenbleiben, inwieweit eine erst später eintretende Rechtswidrigkeit ein Rücknahmeverfahren eröffnen kann (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 28.10.2004 - 1 C 13.03 -, NVwZ-RR 2005, 341; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24.9.2001 - 8 S 461/01 -, VBlBW 2002, 208, 209).
23 
 Der Senat kann ferner offenlassen, ob die Ausweisungsverfügung gegen den Kläger nicht nur - wie vom Verwaltungsgericht inzident angenommen - aus formellen Gründen wegen einem Verstoß gegen Art. 9 RL 64/221/EWG als rechtswidrig anzusehen ist, sondern ob auch ein Verstoß gegen materielles Gemeinschaftsrecht vorliegt. Nicht zu folgen vermag der Senat freilich der Annahme des Klägers, es hätten im Wege der sogenannten Vorwirkung bereits bei Erlass der Ausweisungsverfügung im Jahre 2000 die materiellen Voraussetzungen der weitaus später in Kraft getretenen RL 2004/38/EG gegolten. Die Umsetzungsfrist der erst am 29.4.2004 erlassenen Richtlinie lief gemäß deren Art. 28 Abs. 2 und Art. 40 Abs. 1 erst am 30.4.2006 ab, Rückwirkung kann ihr nicht beigemessen werden (vgl. hierzu ausführlich Beschluss des Niedersächsischen OVG vom 30.5.2006 - 11 LA 147/05 - NVwZ 2006, 1302). Unabhängig hiervon steht dem Kläger selbst in dem Fall, dass seine Ausweisung auch gegen materiell-rechtliche Bestimmungen des Europäischen Gemeinschaftsrechts verstoßen haben sollte, lediglich der vom Verwaltungsgericht zugesprochene Bescheidungsanspruch, nicht jedoch ein unbedingter Anspruch auf Rücknahme seiner Ausweisung zu. Weder nationales Recht (1.) noch Gemeinschaftsrecht (2.) oder sonstiges höherrangiges Recht (3.) gebieten es im vorliegenden Fall dem beklagten Land, die gegen den Kläger ergangene Ausweisungsverfügung zurückzunehmen; auch besteht kein zwingender Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens gemäß § 51 Abs. 1 LVwVfG (4.).
24 
1. Nach nationalem Recht räumt § 48 Abs. 1 LVwVfG dem Antragsteller lediglich ein subjektiv-öffentliches Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung hinsichtlich der Entscheidung über die Ausübung der Rücknahmebefugnis ein (vgl. hierzu ausführlich m.w.N. Urteil des Senats vom 24.1.2007 - 13 S 4516 - InfAuslR 2007,182). Ein Rechtsanspruch auf Rücknahme kommt nur dann in Betracht, wenn das Ermessen der Behörde angesichts der besonderen Umstände des konkreten Einzelfalles auf Null reduziert wäre. Eine derartige Reduktion des Ermessens ist regelmäßig nur dann zu bejahen, wenn ein Aufrechterhalten des ursprünglichen Verwaltungsakts unerträglich wäre bzw. für den Betroffenen unzumutbare Folgen hätte (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 15.3.2005 - 3 B 86/04 -, DÖV 2005, 651 m.w.N.). Insbesondere erscheint die Aufrechterhaltung der Ausweisungsverfügung auch nicht deswegen im Sinne der oben angeführten Rechtsprechung als „schlechthin unerträglich“, weil die zur Annahme der Rechtswidrigkeit führende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu den bei der Ausweisung von freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern zu beachtenden formellen Anforderungen, insbesondere gemäß Art. 9 der RL 64/221/EWG, erst Jahre nach dem Erlass der Ausweisungsverfügung entwickelt wurde. Auch erscheint es nicht schlechterdings unerträglich, den Kläger zur Beseitigung der Sperrwirkungen der Ausweisung gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf die - nunmehr erfolgte - nachträgliche Befristung zu verweisen. Ferner ergibt sich eine Ermessensreduzierung nicht aus dem Verhalten der Behörde selbst oder daraus, dass das Rücknahmeinteresse des Betroffenen eindeutig und offensichtlich schwerer wiegen würde als das öffentliche Interesse an einer Rücknahme. Im übrigen kann in diesem Zusammenhang nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Kläger die gegen ihn ergangene Ausweisungsverfügung mangels Klageerhebung bestandskräftig werden ließ.
25 
Der Kläger kann die Rücknahme der gegen ihn ergangenen Ausweisungsverfügung auch nicht unter dem Gesichtspunkt der (deklaratorischen) Aufhebung einer unwirksamen oder unwirksam gewordenen Verfügung erreichen. Zwar ist es in der Rechtsprechung anerkannt, dass bei einem unwirksamen - oder: wie hier allenfalls unwirksam gewordenen -Verwaltungsakt eine klarstellende behördliche Rücknahme des Verwaltungsakts möglich und aus Gründen der Beseitigung des Rechtsscheins gegebenenfalls auch erforderlich sein kann (vgl. hierzu Bay. VGH, Urteil vom 12.10.1989 - 26 B 86.02944 -, NVwZ-RR 1991, 117; Hess. VGH, Urteil vom 29.3.2006 - 6 UE 2874/04 - juris; Urteil des Senats vom 24.1.2007, a.a.O.). Dahingestellt kann bleiben, ob der Kläger bei der gebotenen sachdienlichen Auslegung (§§ 86 Abs. 3, 88 VwGO) nicht nur einen denkbaren Rücknahmeanspruch nach § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG wegen Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, sondern auch wegen etwaiger Unwirksamkeit der Ausweisung gestellt hat. Denn die Voraussetzungen eines solches „Rücknahme“-Anspruchs sind nämlich nicht gegeben.
26 
Bei Erlass der Ausweisungsverfügung und auch in der Folgezeit bis zum Inkrafttreten des Freizügigkeitsgesetzes/EU lag kein Grund für die Annahme von Unwirksamkeit (siehe § 43 Abs. 1 und 2 LVwVfG) oder gar von Nichtigkeit (§ 43 Abs. 3 i.V.m. § 44 LVwVfG) der Ausweisungsverfügung vor; dies liegt für den Senat auf der Hand und bedarf keiner näheren Ausführungen. Wie der Senat in seinem den Beteiligten bekannten Urteil vom 24.1.2007 (- 13 S 451/06 -; a.a.O.) im einzelnen näher dargelegt hat und worauf zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, sind jedenfalls bestandskräftig gewordene Ausweisungsverfügungen auch nicht durch Inkrafttreten des Freizügigkeitsgesetzes zum 1.1.2005 unwirksam geworden.
27 
2. Auch europäisches Gemeinschaftsrecht verpflichtet den Beklagten nicht zur Rücknahme der Ausweisungsverfügung. Wie der Senat in seinem den Beteiligten bekannten Urteil vom 24.1.2007 (13 S 451/06) unter ausführlicher Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des EuGH darstellt, begründet Gemeinschaftsrecht in Fällen der vorliegenden Art keinen unbedingten Rücknahmeanspruch. Vielmehr sind vom nationalen Recht vorgesehene Ausschlussfristen für die Rechtsverfolgung - mit der Folge der Bestandskraft bei Nichteinhaltung dieser Fristen - grundsätzlich auch mit Gemeinschaftsrecht vereinbar, weil sie ein Anwendungsfall des auch für das Gemeinschaftsrecht grundlegenden Prinzips der Rechtssicherheit sind. Selbst bei einem Verstoß gegen materielles Europarecht ist danach eine Rücknahme nicht schlechterdings geboten, vielmehr besteht lediglich eine gemeinschaftsrechtliche Prüfungs- oder Rücknahmepflicht in dem Rahmen, den auch das nationale Recht vorsieht (vgl. Urteil des Senats vom 24.1.2007, a.a.O.; umfassend Rennert, DVBl. 2004, 400; Ruffert, JZ 2007, 407). Bereits oben ist ausgeführt worden, dass unter dem Gesichtspunkt des § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG die Aufrechterhaltung der gegen den Kläger ergangenen Ausweisung nicht „schlechterdings unerträglich“ ist, eine Rücknahmepflicht insoweit also nicht besteht, und diese Überlegungen gelten auch im hier interessierenden Zusammenhang. Der Verzicht des Klägers auf Rechtsbehelfe und die Tatsache, dass der Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht keineswegs offensichtlich war, steht auch hier der der Annahme einer unbedingten Rechtsverpflichtung zur Rücknahme entgegen. Von besonderer Gravität oder gar (zusätzlicher) Offensichtlichkeit eines Gemeinschaftsrechtsverstoßes kann unter diesen Gesichtspunkten ohnehin nicht ausgegangen werden. Da der Kläger nach der Ausweisungsverfügung nicht mehr im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis war und das Bundesgebiet sogar vom Oktober 2000 bis zum August 2004 und erneut von September 2004 bis April 2005 für lange Zeit verlassen hatte, ist auch nicht ersichtlich, dass die Anwendung des nationalen Verfahrensrechts bei der Umsetzung des Gemeinschaftsrechts zu entscheidenden Wirkungsverlusten oder gar zur Umgehung des Gemeinschaftsrechts führen würde. Im übrigen ist jedenfalls dem sekundären Gemeinschaftsrecht die Aufspaltung in Verlust des Freizügigkeitsrechts einerseits und nachfolgende Befristung dieser Wirkung andererseits nicht fremd. So sieht Art. 32 Abs. 1 der RL 2004/38/EG vor, dass ein Unionsbürger, der sein Aufenthaltsrecht aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verloren hat, einen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbots unter Hinweis auf veränderte Umstände stellen kann. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob der Kläger - wie von ihm vorgetragen - zum derzeitigen Zeitpunkt aufgrund seines niedrigen Rentenbezugs einen gemeinschaftsrechtlichen Anspruch auf Zuzug in das Bundesgebiet hat oder nicht. Eine hieran etwa scheiternde Freizügigkeitsberechtigung des Klägers ist nicht Folge der Ausweisung, deren Sperrwirkungen gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG von der Beklagten wie dargestellt befristet worden sind. Wie der Europäischen Gerichtshof in seinem Urteil vom 7.9.2004 (C 456/02 - Trojani -, Rn 36, InfAuslR 2004, 417) zu den „Beschränkungen und Bedingungen“ der Freizügigkeit im Sinne des Art. 18 Abs. 1 EG ausgeführt hat, erwächst dem Unionsbürger bei Fehlen ausreichender Existenzmittel im Sinne der RL 90/364/EWG kein Recht zum Aufenthalt; diese Formulierung legt den Schluss zumindest nahe, dass bei Nichterfüllung dieser Beschränkungen und Bedingungen die Unionsbürgerschaft allein keine Freizügigkeitsberechtigung vermittelt.
28 
3. Entgegen der Annahme des Klägers begründen auch die Bestimmungen der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4.11.1950 (BGBl. 1952 II, 696, 953/19542, S. 14) keinen unbedingten Anspruch auf Rücknahme der gegen ihn ergangenen Ausweisungsverfügung. Zum einen verstößt die Ausweisung nicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (3.1), zum anderen begründet ein etwaiger Verstoß gegen die materiellen Schutzbestimmungen der EMRK nicht in jedem Falle ein entsprechendes Vollstreckungsverbot und vor allem nicht einen hiermit korrespondierenden unbedingten Rücknahmeanspruch (3.2).
29 
3.1. Nicht zu folgen vermag der Senat der Annahme des Klägers, wonach die Ausweisungsverfügung vom 29.5.2000 bereits deshalb gegen Art. 8 Abs. 1 EMRK verstößt, weil nicht zeitgleich bei ihrem Erlass über eine Befristung der Ausweisungswirkungen entschieden wurde. Der Senat hält an seiner - dem Prozessbevollmächtigten des Klägers bekannten -Rechtsprechung fest, dass das Aufenthaltsgesetzt, das eine Befristung der Wirkungen der Ausweisung nur auf Antrag vorsieht, weder zu Art. 8 EMRK noch zu der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Widerspruch steht und die Ausländerbehörde deshalb eine Ausweisungsverfügung erlassen darf, ohne zugleich von Amts wegen über eine Befristung zu entscheiden. Den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) lässt sich weder entnehmen, dass die Befristungsentscheidung stets zusammen mit der Ausweisungsentscheidung getroffen werden muss noch dass die Befristung nicht von einem entsprechenden Antrag abhängig gemacht werden darf. Eine - durch die Ausweisung mit zunächst unbefristeter Sperrwirkung möglicherweise ausgelöste - unverhältnismäßige Einschränkung der persönlichen Lebensführung des Ausländers wird dadurch verhindert, dass der Ausländer für den Regelfall einen Anspruch auf Befristung der Wirkungen der Ausweisung, insbesondere des Einreise- und Aufenthaltsverbots, hat. Denn der EGMR betont stets, dass es sich um eine Entscheidung im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen konkreten Umstände handelt (vgl. m.w.N. Beschluss des Senats vom 20.3.2007 - 13 S 850/06 -). Auch dem vom Kläger lediglich in englischer Sprache vorgelegten Urteil des EGMR vom 22.3.2007 - 1638/03 -(Maslov) lässt sich nichts Gegenteiliges entnehmen; vielmehr bestätigt der Gerichtshof in dieser Entscheidung seine bisherige Rechtsprechung, wonach eine umfassende Einzelfallbetrachtung und Abwägung geboten ist, wobei einer etwa erfolgten Befristung nicht unerhebliches Gewicht zukommt. Der Fall des Klägers unterscheidet sich dabei bereits in Anbetracht der zahlreichen von ihm begangenen Straftaten gegen unterschiedliche Rechtsgüter und vor allem auch der Tatsache, dass sich der Kläger weder durch die Verurteilung des Landgerichts Stuttgart vom 21.10.1998 zu einer vierjährigen Freiheitsstrafe noch durch deren nachfolgende teilweise Verbüßung von der Abhaltung weiterer, gegen die körperliche Unversehrtheit gerichteter Straftaten abhalten ließ, von den vom EGMR explizit beurteilten Fällen (13/10). Auch das Bundesverfassungsgericht geht im übrigen entgegen der Annahme des Klägers nicht davon aus, dass die Sperrwirkungen einer Ausweisung aufgrund der Bestimmung des Art. 8 Abs. 1 EMRK in jedem Falle zeitgleich mit deren Erlass befristet werden müssten. Vielmehr führt das Bundesverfassungsgericht in seinem den Beteiligten bekannten Beschluss vom 10.5.2007 (2 BvR 304/07) aus, dass die Befristung der Ausweisungswirkungen nur eines von mehreren Kriterien im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Ausweisung gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist (vgl. insbesondere S. 17 des Beschlussumdrucks). Auch die von dem Kläger angeführte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18.7.1979 (1 BvR 650/77) bestätigt seine Rechtsauffassung nicht. Die Entscheidung hebt lediglich auf die Bedeutung einer etwaigen Befristung für die Verhältnismäßigkeit der Ausweisungsverfügung ab, ohne dass sich ihr Anhaltshaltspunkte dafür entnehmen ließen, dass - wie vom Kläger angenommen - über die Befristung stets zeitgleich und unabhängig von einem Antrag mit der Verfügung der Ausweisung zu befinden wäre.
30 
3.2 Im übrigen begründet ein etwaiger Verstoß der Ausweisungsverfügung gegen materielle Bestimmungen der EMRK keinen unbedingten Rücknahmeanspruch, vielmehr stellt ein derartiger Verstoß lediglich einen Gesichtspunkt dar, welcher in die nach nationalen Recht zu treffende Ermessensentscheidung über die Rücknahme gemäß § 48 Abs. 1 LVwVfG einzustellen ist. Dem etwaigen Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention, die aufgrund der Zustimmung des Bundesgesetzgebers mit förmlichem Gesetz gemäß Art. 59 Abs. 2 GG innerstaatlich im Range eines Bundesgesetzes gilt (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 14.10.2004 - 2 BvR 1481/04 -, NJW 2004, 3407), kommt dabei keine weitergehende Wirkung zu als einem Verstoß gegen sonstiges materielles nationales Recht oder gar einem Grundrechtsverstoß. Vielmehr folgt aus dieser Rangzuweisung, dass die Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention und ihrer Zusatzprotokolle - soweit sie für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten sein -nach der Normenhierarchie keine gegenüber sonstigem Bundesrecht übergeordnete Wirkung entfalten. Nach dieser Rangzuweisung haben vielmehr deutsche Gerichte und Verwaltungsbehörden die Konvention wie anderes Gesetzesrecht des Bundes im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung zu beachten und anzuwenden. Aufgrund der weitgehenden Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes sind dabei sowohl dieses als auch das übrige staatliche Recht nach Möglichkeit so auszulegen, dass ein Konflikt mit völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands und damit auch mit den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention in der Gestalt, welche diese in der maßgeblichen Rechtsprechung des EGMR gefunden hat, vermieden wird (vgl. hierzu ausführlich BVerfG, Beschluss vom 14.10.2004, a.a.O. und vom 1.3.2004 - 2 BvR 1570/03 - NVwZ 2004, 852; Meyer-Ladewig, Europäische Menschenrechtskonvention, Handkommentar, 2. Aufl., Rn 20 ff. zu Art 46 m.w.N.). Die über das Zustimmungsgesetz ausgelöste Berücksichtigung der Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Entscheidungen des Gerichtshofs erfordert dabei zumindest, dass die entsprechenden Texte und Judikate zur Kenntnis genommen werden und in den Willensbildungsprozess des zu einer Entscheidung berufenen Gerichts, der zuständigen Behörde oder des Gesetzgebers einfließen. Liegt der Konventionsverstoß in dem Erlass eines bestimmten Verwaltungsakts, so hat die zuständige Behörde die Möglichkeit, diesen nach den Regelungen des nationalen Verwaltungsverfahrensrechts aufzuheben (vgl. § 48 LVwVfG), eine entsprechende unbedingte Verpflichtung der Behörde lässt sich weder den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention noch der hierzu ergangenen Rechtsprechung des EGMR entnehmen. Auch der von dem Kläger zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts lässt sich nichts Gegenteiliges entnehmen. Vielmehr führt das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 6.12.2005 (1 BvR 1905/02, DVBl. 2006, 267) ausdrücklich aus, dass sich aus dem Gesamtzusammenhang der Bestimmungen des § 79 Abs. 1, 2 BVerfGG und insbesondere aus Satz 4 von § 79 Abs. 2 BVerfGG der allgemeine Rechtsgedanke ableiten lasse, dass einerseits zwar unanfechtbar gewordene Akte der öffentlichen Gewalt, die auf verfassungswidriger Grundlage zustande gekommen sind, nicht rückwirkend aufgehoben und die nachteiligen Wirkungen, die in der Vergangenheit von ihnen ausgegangen sind, nicht beseitigt werden, andererseits jedoch zukünftige Folgen, die sich aus einer zwangsweisen Durchsetzung verfassungswidrig ergangener Entscheidungen ergeben würden, abgewendet werden sollen. Diesem § 79 Abs. 2 BVerfGG zugrundeliegenden Rechtsgedanken lässt sich allenfalls ein Vollstreckungsverbot von Maßnahmen, welche gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen, entnehmen, nicht jedoch ein unbedingter Normanwendungsbefehl zur Rücknahme bereits vollstreckter Maßnahmen, wie sie hier die vollzogene Ausweisung darstellt.
31 
4. Dem Kläger steht jedenfalls in der Sache kein Anspruch auf - unbedingtes - Wiederaufgreifen des Verfahrens im Sinne von § 51 Abs. 1 LVwVfG zu. Dahingestellt kann deshalb bleiben, ob dem anwaltlich vertretenen Kläger überhaupt das erforderliche allgemeine Rechtsschutzbedürfnis für dessen Durchsetzung zusteht, nachdem er sowohl bei der Behörde als auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ausdrücklich einen Rücknahmeantrag gestellt hat. Insbesondere liegen die Voraussetzungen eines Wiederaufgreifens nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG nicht vor. Danach ist das Verfahren u.a. wieder aufzugreifen, wenn sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat. Eine Änderung der Rechtslage im Sinne des Bestimmung ist nur dann anzunehmen, wenn es sich um eine Änderung im Bereich des materiellen Rechts, dem eine allgemein verbindliche Außenwirkung zukommt, handelt. Dementsprechend kann eine gerichtliche Spruchpraxis keine Änderung der Rechtslage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG bewirken (vgl. hierzu BVerwG, Vorlagebeschluss vom 7.7.2004 - 6 C 24/03 -, juris; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 9.11.2004 - 11 S 2771/03 -, juris). Mithin rechtfertigen die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 3.8.2004 (- 1 C 29.02 -, BVerwGE 121, 315 bzw. - 1 C 30.02 -, BVerwGE 121, 297) eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG nicht. Zwar kann die Behörde im Verwaltungsverfahren nach pflichtgemäßem Ermessen auch dann wieder aufgreifen und über einen durch unanfechtbaren Verwaltungsakt beschiedenen materiell-rechtlichen Anspruch erneut sachlich entscheiden, wenn die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen im engeren Sinne nach § 51 Abs. 1 LVwVfG nicht vorliegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.9.2005 - 2 C 5/99 -, DVBl. 2001, 726; vgl. § 51 Abs. 5 LVwVfG. Allerdings räumt diese Vorschrift dem Kläger lediglich ein subjektiv-öffentliches Recht auf fehlerfreie Ermessensentscheidung der Behörde über ein Wiederaufgreifen des Verfahrens ein; eine Ermessensreduzierung auf Null mit der Folge, dass die Behörde zur Rücknahme der Ausweisungsverfügung vom 29.5.2000 verpflichtet wäre, besteht aus den oben dargestellten Gründen nicht.
32 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
33 
Die Revision war zuzulassen, da insbesondere die Frage der Wirksamkeit sogenannter altrechtlicher Ausweisungsverfügungen gegen Unionsbürger in der obergerichtlichen Rechtsprechung strittig und noch nicht höchstrichterlich geklärt ist (siehe § 132 Abs. 2 Satz 1 VwGO).
34 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt (§ 152 Abs. 2 GKG).

Gründe

 
19 
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung über die Berufung des Klägers entscheiden, da beide Beteiligte auf mündliche Verhandlung verzichtet haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
20 
Die zulässige, insbesondere rechtzeitig begründete Berufung (§ 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO) hat in der Sache keinen Erfolg. Dem Kläger steht der geltend gemachte, über die vom Verwaltungsgericht Stuttgart bereits mit Urteil vom 29.9.2006 rechtskräftig ausgesprochene Bescheidungsverpflichtung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts hinausgehende unbedingte Rücknahmeanspruch nicht zu (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
21 
Dem Kläger steht nach wie vor ein Rechtsschutzbedürfnis für die von ihm begehrte Rücknahme der Ausweisungsverfügung mit ex-tunc-Wirkung zu, obwohl der Beklagte nunmehr die Sperrwirkungen der Ausweisung mit Bescheid vom 26.9.2005 auf diesen Tag befristet hat. Ein Interesse des Klägers an der rückwirkenden Aufhebung der Ausweisung ergibt sich bereits daraus, dass zahlreiche Vorschriften an den ununterbrochenen rechtmäßigen Aufenthalt eines Ausländers positive Rechtsfolgen anknüpfen, so etwa der in § 10 StAG statuierte Anspruch auf Einbürgerung oder die besonderen Ausweisungsschutz vermittelnde europarechtliche Bestimmung des Art. 28 Abs. 3a der RL 2004/38/EG.
22 
Zu Recht hat das Verwaltungsgericht für die im Rahmen des § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG entscheidungserhebliche Frage der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der mangels Klageerhebung bestandskräftig gewordenen Ausweisung des Klägers auf den Zeitpunkt des Erlasses der Ausweisungsverfügung am 29.5.2000 abgestellt; da der Kläger jedenfalls zu diesem Zeitpunkt freizügigkeitsberechtigt war, konnte offenbleiben, inwieweit eine erst später eintretende Rechtswidrigkeit ein Rücknahmeverfahren eröffnen kann (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 28.10.2004 - 1 C 13.03 -, NVwZ-RR 2005, 341; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24.9.2001 - 8 S 461/01 -, VBlBW 2002, 208, 209).
23 
 Der Senat kann ferner offenlassen, ob die Ausweisungsverfügung gegen den Kläger nicht nur - wie vom Verwaltungsgericht inzident angenommen - aus formellen Gründen wegen einem Verstoß gegen Art. 9 RL 64/221/EWG als rechtswidrig anzusehen ist, sondern ob auch ein Verstoß gegen materielles Gemeinschaftsrecht vorliegt. Nicht zu folgen vermag der Senat freilich der Annahme des Klägers, es hätten im Wege der sogenannten Vorwirkung bereits bei Erlass der Ausweisungsverfügung im Jahre 2000 die materiellen Voraussetzungen der weitaus später in Kraft getretenen RL 2004/38/EG gegolten. Die Umsetzungsfrist der erst am 29.4.2004 erlassenen Richtlinie lief gemäß deren Art. 28 Abs. 2 und Art. 40 Abs. 1 erst am 30.4.2006 ab, Rückwirkung kann ihr nicht beigemessen werden (vgl. hierzu ausführlich Beschluss des Niedersächsischen OVG vom 30.5.2006 - 11 LA 147/05 - NVwZ 2006, 1302). Unabhängig hiervon steht dem Kläger selbst in dem Fall, dass seine Ausweisung auch gegen materiell-rechtliche Bestimmungen des Europäischen Gemeinschaftsrechts verstoßen haben sollte, lediglich der vom Verwaltungsgericht zugesprochene Bescheidungsanspruch, nicht jedoch ein unbedingter Anspruch auf Rücknahme seiner Ausweisung zu. Weder nationales Recht (1.) noch Gemeinschaftsrecht (2.) oder sonstiges höherrangiges Recht (3.) gebieten es im vorliegenden Fall dem beklagten Land, die gegen den Kläger ergangene Ausweisungsverfügung zurückzunehmen; auch besteht kein zwingender Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens gemäß § 51 Abs. 1 LVwVfG (4.).
24 
1. Nach nationalem Recht räumt § 48 Abs. 1 LVwVfG dem Antragsteller lediglich ein subjektiv-öffentliches Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung hinsichtlich der Entscheidung über die Ausübung der Rücknahmebefugnis ein (vgl. hierzu ausführlich m.w.N. Urteil des Senats vom 24.1.2007 - 13 S 4516 - InfAuslR 2007,182). Ein Rechtsanspruch auf Rücknahme kommt nur dann in Betracht, wenn das Ermessen der Behörde angesichts der besonderen Umstände des konkreten Einzelfalles auf Null reduziert wäre. Eine derartige Reduktion des Ermessens ist regelmäßig nur dann zu bejahen, wenn ein Aufrechterhalten des ursprünglichen Verwaltungsakts unerträglich wäre bzw. für den Betroffenen unzumutbare Folgen hätte (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 15.3.2005 - 3 B 86/04 -, DÖV 2005, 651 m.w.N.). Insbesondere erscheint die Aufrechterhaltung der Ausweisungsverfügung auch nicht deswegen im Sinne der oben angeführten Rechtsprechung als „schlechthin unerträglich“, weil die zur Annahme der Rechtswidrigkeit führende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu den bei der Ausweisung von freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern zu beachtenden formellen Anforderungen, insbesondere gemäß Art. 9 der RL 64/221/EWG, erst Jahre nach dem Erlass der Ausweisungsverfügung entwickelt wurde. Auch erscheint es nicht schlechterdings unerträglich, den Kläger zur Beseitigung der Sperrwirkungen der Ausweisung gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf die - nunmehr erfolgte - nachträgliche Befristung zu verweisen. Ferner ergibt sich eine Ermessensreduzierung nicht aus dem Verhalten der Behörde selbst oder daraus, dass das Rücknahmeinteresse des Betroffenen eindeutig und offensichtlich schwerer wiegen würde als das öffentliche Interesse an einer Rücknahme. Im übrigen kann in diesem Zusammenhang nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Kläger die gegen ihn ergangene Ausweisungsverfügung mangels Klageerhebung bestandskräftig werden ließ.
25 
Der Kläger kann die Rücknahme der gegen ihn ergangenen Ausweisungsverfügung auch nicht unter dem Gesichtspunkt der (deklaratorischen) Aufhebung einer unwirksamen oder unwirksam gewordenen Verfügung erreichen. Zwar ist es in der Rechtsprechung anerkannt, dass bei einem unwirksamen - oder: wie hier allenfalls unwirksam gewordenen -Verwaltungsakt eine klarstellende behördliche Rücknahme des Verwaltungsakts möglich und aus Gründen der Beseitigung des Rechtsscheins gegebenenfalls auch erforderlich sein kann (vgl. hierzu Bay. VGH, Urteil vom 12.10.1989 - 26 B 86.02944 -, NVwZ-RR 1991, 117; Hess. VGH, Urteil vom 29.3.2006 - 6 UE 2874/04 - juris; Urteil des Senats vom 24.1.2007, a.a.O.). Dahingestellt kann bleiben, ob der Kläger bei der gebotenen sachdienlichen Auslegung (§§ 86 Abs. 3, 88 VwGO) nicht nur einen denkbaren Rücknahmeanspruch nach § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG wegen Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, sondern auch wegen etwaiger Unwirksamkeit der Ausweisung gestellt hat. Denn die Voraussetzungen eines solches „Rücknahme“-Anspruchs sind nämlich nicht gegeben.
26 
Bei Erlass der Ausweisungsverfügung und auch in der Folgezeit bis zum Inkrafttreten des Freizügigkeitsgesetzes/EU lag kein Grund für die Annahme von Unwirksamkeit (siehe § 43 Abs. 1 und 2 LVwVfG) oder gar von Nichtigkeit (§ 43 Abs. 3 i.V.m. § 44 LVwVfG) der Ausweisungsverfügung vor; dies liegt für den Senat auf der Hand und bedarf keiner näheren Ausführungen. Wie der Senat in seinem den Beteiligten bekannten Urteil vom 24.1.2007 (- 13 S 451/06 -; a.a.O.) im einzelnen näher dargelegt hat und worauf zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, sind jedenfalls bestandskräftig gewordene Ausweisungsverfügungen auch nicht durch Inkrafttreten des Freizügigkeitsgesetzes zum 1.1.2005 unwirksam geworden.
27 
2. Auch europäisches Gemeinschaftsrecht verpflichtet den Beklagten nicht zur Rücknahme der Ausweisungsverfügung. Wie der Senat in seinem den Beteiligten bekannten Urteil vom 24.1.2007 (13 S 451/06) unter ausführlicher Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des EuGH darstellt, begründet Gemeinschaftsrecht in Fällen der vorliegenden Art keinen unbedingten Rücknahmeanspruch. Vielmehr sind vom nationalen Recht vorgesehene Ausschlussfristen für die Rechtsverfolgung - mit der Folge der Bestandskraft bei Nichteinhaltung dieser Fristen - grundsätzlich auch mit Gemeinschaftsrecht vereinbar, weil sie ein Anwendungsfall des auch für das Gemeinschaftsrecht grundlegenden Prinzips der Rechtssicherheit sind. Selbst bei einem Verstoß gegen materielles Europarecht ist danach eine Rücknahme nicht schlechterdings geboten, vielmehr besteht lediglich eine gemeinschaftsrechtliche Prüfungs- oder Rücknahmepflicht in dem Rahmen, den auch das nationale Recht vorsieht (vgl. Urteil des Senats vom 24.1.2007, a.a.O.; umfassend Rennert, DVBl. 2004, 400; Ruffert, JZ 2007, 407). Bereits oben ist ausgeführt worden, dass unter dem Gesichtspunkt des § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG die Aufrechterhaltung der gegen den Kläger ergangenen Ausweisung nicht „schlechterdings unerträglich“ ist, eine Rücknahmepflicht insoweit also nicht besteht, und diese Überlegungen gelten auch im hier interessierenden Zusammenhang. Der Verzicht des Klägers auf Rechtsbehelfe und die Tatsache, dass der Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht keineswegs offensichtlich war, steht auch hier der der Annahme einer unbedingten Rechtsverpflichtung zur Rücknahme entgegen. Von besonderer Gravität oder gar (zusätzlicher) Offensichtlichkeit eines Gemeinschaftsrechtsverstoßes kann unter diesen Gesichtspunkten ohnehin nicht ausgegangen werden. Da der Kläger nach der Ausweisungsverfügung nicht mehr im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis war und das Bundesgebiet sogar vom Oktober 2000 bis zum August 2004 und erneut von September 2004 bis April 2005 für lange Zeit verlassen hatte, ist auch nicht ersichtlich, dass die Anwendung des nationalen Verfahrensrechts bei der Umsetzung des Gemeinschaftsrechts zu entscheidenden Wirkungsverlusten oder gar zur Umgehung des Gemeinschaftsrechts führen würde. Im übrigen ist jedenfalls dem sekundären Gemeinschaftsrecht die Aufspaltung in Verlust des Freizügigkeitsrechts einerseits und nachfolgende Befristung dieser Wirkung andererseits nicht fremd. So sieht Art. 32 Abs. 1 der RL 2004/38/EG vor, dass ein Unionsbürger, der sein Aufenthaltsrecht aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verloren hat, einen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbots unter Hinweis auf veränderte Umstände stellen kann. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob der Kläger - wie von ihm vorgetragen - zum derzeitigen Zeitpunkt aufgrund seines niedrigen Rentenbezugs einen gemeinschaftsrechtlichen Anspruch auf Zuzug in das Bundesgebiet hat oder nicht. Eine hieran etwa scheiternde Freizügigkeitsberechtigung des Klägers ist nicht Folge der Ausweisung, deren Sperrwirkungen gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG von der Beklagten wie dargestellt befristet worden sind. Wie der Europäischen Gerichtshof in seinem Urteil vom 7.9.2004 (C 456/02 - Trojani -, Rn 36, InfAuslR 2004, 417) zu den „Beschränkungen und Bedingungen“ der Freizügigkeit im Sinne des Art. 18 Abs. 1 EG ausgeführt hat, erwächst dem Unionsbürger bei Fehlen ausreichender Existenzmittel im Sinne der RL 90/364/EWG kein Recht zum Aufenthalt; diese Formulierung legt den Schluss zumindest nahe, dass bei Nichterfüllung dieser Beschränkungen und Bedingungen die Unionsbürgerschaft allein keine Freizügigkeitsberechtigung vermittelt.
28 
3. Entgegen der Annahme des Klägers begründen auch die Bestimmungen der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4.11.1950 (BGBl. 1952 II, 696, 953/19542, S. 14) keinen unbedingten Anspruch auf Rücknahme der gegen ihn ergangenen Ausweisungsverfügung. Zum einen verstößt die Ausweisung nicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (3.1), zum anderen begründet ein etwaiger Verstoß gegen die materiellen Schutzbestimmungen der EMRK nicht in jedem Falle ein entsprechendes Vollstreckungsverbot und vor allem nicht einen hiermit korrespondierenden unbedingten Rücknahmeanspruch (3.2).
29 
3.1. Nicht zu folgen vermag der Senat der Annahme des Klägers, wonach die Ausweisungsverfügung vom 29.5.2000 bereits deshalb gegen Art. 8 Abs. 1 EMRK verstößt, weil nicht zeitgleich bei ihrem Erlass über eine Befristung der Ausweisungswirkungen entschieden wurde. Der Senat hält an seiner - dem Prozessbevollmächtigten des Klägers bekannten -Rechtsprechung fest, dass das Aufenthaltsgesetzt, das eine Befristung der Wirkungen der Ausweisung nur auf Antrag vorsieht, weder zu Art. 8 EMRK noch zu der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Widerspruch steht und die Ausländerbehörde deshalb eine Ausweisungsverfügung erlassen darf, ohne zugleich von Amts wegen über eine Befristung zu entscheiden. Den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) lässt sich weder entnehmen, dass die Befristungsentscheidung stets zusammen mit der Ausweisungsentscheidung getroffen werden muss noch dass die Befristung nicht von einem entsprechenden Antrag abhängig gemacht werden darf. Eine - durch die Ausweisung mit zunächst unbefristeter Sperrwirkung möglicherweise ausgelöste - unverhältnismäßige Einschränkung der persönlichen Lebensführung des Ausländers wird dadurch verhindert, dass der Ausländer für den Regelfall einen Anspruch auf Befristung der Wirkungen der Ausweisung, insbesondere des Einreise- und Aufenthaltsverbots, hat. Denn der EGMR betont stets, dass es sich um eine Entscheidung im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen konkreten Umstände handelt (vgl. m.w.N. Beschluss des Senats vom 20.3.2007 - 13 S 850/06 -). Auch dem vom Kläger lediglich in englischer Sprache vorgelegten Urteil des EGMR vom 22.3.2007 - 1638/03 -(Maslov) lässt sich nichts Gegenteiliges entnehmen; vielmehr bestätigt der Gerichtshof in dieser Entscheidung seine bisherige Rechtsprechung, wonach eine umfassende Einzelfallbetrachtung und Abwägung geboten ist, wobei einer etwa erfolgten Befristung nicht unerhebliches Gewicht zukommt. Der Fall des Klägers unterscheidet sich dabei bereits in Anbetracht der zahlreichen von ihm begangenen Straftaten gegen unterschiedliche Rechtsgüter und vor allem auch der Tatsache, dass sich der Kläger weder durch die Verurteilung des Landgerichts Stuttgart vom 21.10.1998 zu einer vierjährigen Freiheitsstrafe noch durch deren nachfolgende teilweise Verbüßung von der Abhaltung weiterer, gegen die körperliche Unversehrtheit gerichteter Straftaten abhalten ließ, von den vom EGMR explizit beurteilten Fällen (13/10). Auch das Bundesverfassungsgericht geht im übrigen entgegen der Annahme des Klägers nicht davon aus, dass die Sperrwirkungen einer Ausweisung aufgrund der Bestimmung des Art. 8 Abs. 1 EMRK in jedem Falle zeitgleich mit deren Erlass befristet werden müssten. Vielmehr führt das Bundesverfassungsgericht in seinem den Beteiligten bekannten Beschluss vom 10.5.2007 (2 BvR 304/07) aus, dass die Befristung der Ausweisungswirkungen nur eines von mehreren Kriterien im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Ausweisung gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist (vgl. insbesondere S. 17 des Beschlussumdrucks). Auch die von dem Kläger angeführte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18.7.1979 (1 BvR 650/77) bestätigt seine Rechtsauffassung nicht. Die Entscheidung hebt lediglich auf die Bedeutung einer etwaigen Befristung für die Verhältnismäßigkeit der Ausweisungsverfügung ab, ohne dass sich ihr Anhaltshaltspunkte dafür entnehmen ließen, dass - wie vom Kläger angenommen - über die Befristung stets zeitgleich und unabhängig von einem Antrag mit der Verfügung der Ausweisung zu befinden wäre.
30 
3.2 Im übrigen begründet ein etwaiger Verstoß der Ausweisungsverfügung gegen materielle Bestimmungen der EMRK keinen unbedingten Rücknahmeanspruch, vielmehr stellt ein derartiger Verstoß lediglich einen Gesichtspunkt dar, welcher in die nach nationalen Recht zu treffende Ermessensentscheidung über die Rücknahme gemäß § 48 Abs. 1 LVwVfG einzustellen ist. Dem etwaigen Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention, die aufgrund der Zustimmung des Bundesgesetzgebers mit förmlichem Gesetz gemäß Art. 59 Abs. 2 GG innerstaatlich im Range eines Bundesgesetzes gilt (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 14.10.2004 - 2 BvR 1481/04 -, NJW 2004, 3407), kommt dabei keine weitergehende Wirkung zu als einem Verstoß gegen sonstiges materielles nationales Recht oder gar einem Grundrechtsverstoß. Vielmehr folgt aus dieser Rangzuweisung, dass die Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention und ihrer Zusatzprotokolle - soweit sie für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten sein -nach der Normenhierarchie keine gegenüber sonstigem Bundesrecht übergeordnete Wirkung entfalten. Nach dieser Rangzuweisung haben vielmehr deutsche Gerichte und Verwaltungsbehörden die Konvention wie anderes Gesetzesrecht des Bundes im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung zu beachten und anzuwenden. Aufgrund der weitgehenden Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes sind dabei sowohl dieses als auch das übrige staatliche Recht nach Möglichkeit so auszulegen, dass ein Konflikt mit völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands und damit auch mit den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention in der Gestalt, welche diese in der maßgeblichen Rechtsprechung des EGMR gefunden hat, vermieden wird (vgl. hierzu ausführlich BVerfG, Beschluss vom 14.10.2004, a.a.O. und vom 1.3.2004 - 2 BvR 1570/03 - NVwZ 2004, 852; Meyer-Ladewig, Europäische Menschenrechtskonvention, Handkommentar, 2. Aufl., Rn 20 ff. zu Art 46 m.w.N.). Die über das Zustimmungsgesetz ausgelöste Berücksichtigung der Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Entscheidungen des Gerichtshofs erfordert dabei zumindest, dass die entsprechenden Texte und Judikate zur Kenntnis genommen werden und in den Willensbildungsprozess des zu einer Entscheidung berufenen Gerichts, der zuständigen Behörde oder des Gesetzgebers einfließen. Liegt der Konventionsverstoß in dem Erlass eines bestimmten Verwaltungsakts, so hat die zuständige Behörde die Möglichkeit, diesen nach den Regelungen des nationalen Verwaltungsverfahrensrechts aufzuheben (vgl. § 48 LVwVfG), eine entsprechende unbedingte Verpflichtung der Behörde lässt sich weder den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention noch der hierzu ergangenen Rechtsprechung des EGMR entnehmen. Auch der von dem Kläger zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts lässt sich nichts Gegenteiliges entnehmen. Vielmehr führt das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 6.12.2005 (1 BvR 1905/02, DVBl. 2006, 267) ausdrücklich aus, dass sich aus dem Gesamtzusammenhang der Bestimmungen des § 79 Abs. 1, 2 BVerfGG und insbesondere aus Satz 4 von § 79 Abs. 2 BVerfGG der allgemeine Rechtsgedanke ableiten lasse, dass einerseits zwar unanfechtbar gewordene Akte der öffentlichen Gewalt, die auf verfassungswidriger Grundlage zustande gekommen sind, nicht rückwirkend aufgehoben und die nachteiligen Wirkungen, die in der Vergangenheit von ihnen ausgegangen sind, nicht beseitigt werden, andererseits jedoch zukünftige Folgen, die sich aus einer zwangsweisen Durchsetzung verfassungswidrig ergangener Entscheidungen ergeben würden, abgewendet werden sollen. Diesem § 79 Abs. 2 BVerfGG zugrundeliegenden Rechtsgedanken lässt sich allenfalls ein Vollstreckungsverbot von Maßnahmen, welche gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen, entnehmen, nicht jedoch ein unbedingter Normanwendungsbefehl zur Rücknahme bereits vollstreckter Maßnahmen, wie sie hier die vollzogene Ausweisung darstellt.
31 
4. Dem Kläger steht jedenfalls in der Sache kein Anspruch auf - unbedingtes - Wiederaufgreifen des Verfahrens im Sinne von § 51 Abs. 1 LVwVfG zu. Dahingestellt kann deshalb bleiben, ob dem anwaltlich vertretenen Kläger überhaupt das erforderliche allgemeine Rechtsschutzbedürfnis für dessen Durchsetzung zusteht, nachdem er sowohl bei der Behörde als auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ausdrücklich einen Rücknahmeantrag gestellt hat. Insbesondere liegen die Voraussetzungen eines Wiederaufgreifens nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG nicht vor. Danach ist das Verfahren u.a. wieder aufzugreifen, wenn sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat. Eine Änderung der Rechtslage im Sinne des Bestimmung ist nur dann anzunehmen, wenn es sich um eine Änderung im Bereich des materiellen Rechts, dem eine allgemein verbindliche Außenwirkung zukommt, handelt. Dementsprechend kann eine gerichtliche Spruchpraxis keine Änderung der Rechtslage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG bewirken (vgl. hierzu BVerwG, Vorlagebeschluss vom 7.7.2004 - 6 C 24/03 -, juris; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 9.11.2004 - 11 S 2771/03 -, juris). Mithin rechtfertigen die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 3.8.2004 (- 1 C 29.02 -, BVerwGE 121, 315 bzw. - 1 C 30.02 -, BVerwGE 121, 297) eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG nicht. Zwar kann die Behörde im Verwaltungsverfahren nach pflichtgemäßem Ermessen auch dann wieder aufgreifen und über einen durch unanfechtbaren Verwaltungsakt beschiedenen materiell-rechtlichen Anspruch erneut sachlich entscheiden, wenn die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen im engeren Sinne nach § 51 Abs. 1 LVwVfG nicht vorliegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.9.2005 - 2 C 5/99 -, DVBl. 2001, 726; vgl. § 51 Abs. 5 LVwVfG. Allerdings räumt diese Vorschrift dem Kläger lediglich ein subjektiv-öffentliches Recht auf fehlerfreie Ermessensentscheidung der Behörde über ein Wiederaufgreifen des Verfahrens ein; eine Ermessensreduzierung auf Null mit der Folge, dass die Behörde zur Rücknahme der Ausweisungsverfügung vom 29.5.2000 verpflichtet wäre, besteht aus den oben dargestellten Gründen nicht.
32 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
33 
Die Revision war zuzulassen, da insbesondere die Frage der Wirksamkeit sogenannter altrechtlicher Ausweisungsverfügungen gegen Unionsbürger in der obergerichtlichen Rechtsprechung strittig und noch nicht höchstrichterlich geklärt ist (siehe § 132 Abs. 2 Satz 1 VwGO).
34 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt (§ 152 Abs. 2 GKG).

Tenor

Ziffer 2 des Bescheids des RP Freiburg vom 4.8.2006 wird aufgehoben. Das beklagte Land - RP Freiburg - wird verpflichtet, die Sperrwirkung der Ausweisung vom 8.10.1999 mit sofortiger (d.h. ab Bekanntgabe des Bescheids eintretender) Wirkung zu befristen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin und das beklagte Land jeweils 1/2.

Tatbestand

 
Die Klägerin begehrt die Aufhebung einer unanfechtbaren Ausweisung, hilfsweise die Befristung deren Sperrwirkung.
Die am 14.3.1968 geborene Klägerin ist türkische Staatsangehörige. Ihren Nachnamen trägt sie seit einer am 24.8.2000 geschlossenen und am 22.1.2004 geschiedenen (kinderlosen) Ehe mit einem deutschen Staatsangehörigen. Sie hält sich seit Oktober 1973, als sie mit ihren Eltern einreiste, in Deutschland auf. Erstmals unter dem 24.4.1984 erhielt sie als damals 16-jährige eine Aufenthaltserlaubnis, die in der Folgezeit regelmäßig verlängert wurde und zuletzt bis zum 1.7.1999 befristet war. Die Klägerin ist Mutter von fünf Kindern. Die drei ältesten Kinder (Sohn S., geboren 1985, sowie Zwillingssöhne O. und L., geboren 1988) stammen aus einer am 21.6.1984 mit einem türkischen Landsmann geschlossenen und im März 1993 geschiedenen Ehe und leben beim Vater, der das Sorgerecht für sie hat. Zwei weitere Kinder, die ausschließlich in Deutschland aufgewachsen sind, entstammen einer (nicht-ehelichen) Beziehung zu einem anderen Landsmann und wurden am 17.12.1989 (Tochter Si.) bzw. am 8.12.1996 (Sohn A.) geboren. Die ursprünglich von der Klägerin für diese beiden Kinder ausgeübte elterliche Sorge wurde zunächst mit Beschluss des Amtsgerichts Villingen-Schwenningen vom 16.2.2004 auf die Mutter der Klägerin übertragen und später mit Beschluss des Amtsgerichts Singen vom 30.5.2006 auf sie zurückübertragen.
Strafrechtlich ist die Klägerin mehrfach in Erscheinung getreten, und zwar u.a. wie folgt:
Rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Konstanz vom 12.8.1999
Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten wegen Beihilfe zum Erwerb von Betäubungsmitteln (Heroin) in Tateinheit mit Handeltreiben, wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben, wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Handeltreiben in zwei Fällen, wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen, davon siebenmal in Tateinheit mit Handeltreiben, wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in acht Fällen, wegen Erwerbs von Betäubungsmitteln in drei Fällen, davon zweimal in Tateinheit mit Handeltreiben ( Tatzeitpunkte: Ende 1996 bis Mitte 1998 ). Die seit Sommer 1997 betäubungsmittelabhängige Klägerin befand sich wegen dieser Taten zunächst vom 4.8.1998 bis 14.10.1998 in U-Haft. Es folgte eine dreiwöchige Mutter-Kind-Kur, in deren Anschluss sie einen Drogenrückfall erlitt. Deshalb wurde sie am 23.4.1999 wieder in U-Haft genommen, ab 16.8.1999 in Strafhaft. Ab 25.8.1999 stellte die Staatsanwaltschaft Konstanz die Vollstreckung der Strafe zurück, damit die Klägerin sich in eine Therapieeinrichtung zur Behandlung ihrer Abhängigkeit begeben konnte. Die stationäre Behandlung erfolgte bis zum 24.2.2000
Rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Villingen-Schwenningen vom 15.11.2002
Freiheitsstrafe von 2 Monaten zur Bewährung wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln (Heroin); Tatzeitpunkt: März/April 2001.
Rechtskräftiges Urteil des Amtsgericht Villingen-Schwenningen vom 30.9.2004
Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren zur Bewährung wegen Besitzes von Betäubungsmitteln (Heroin) in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln sowie Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in sieben Fällen, in drei Fällen in Tateinheit mit Erwerb von Betäubungsmitteln, in vier Fällen in Tateinheit mit gewerbsmäßiger Hehlerei ( Tatzeitpunkt: 2003 ). Betreffend die Aussetzung der Strafvollstreckung führte das Strafgericht aus, diese sei „trotz erheblicher Bedenken“, die sich aus dem zweimaligen Bewährungsbruch ergäben, ausgesetzt worden.
10 
In weiteren Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz sah die Staatsanwaltschaft Konstanz von einer Verfolgung ab (Verfügung vom 28.1.2003) bzw. stellte das Verfahren gem. § 154 d Satz 3 StPO ein (Verfügung vom 14.12.2004).
11 
Am 29.6.2006 wurde die Klägerin unerlaubt in der Schweiz angetroffen. Ein Drug-Wipe-Test verlief positiv auf Opiate/Heroin. Die Klägerin ließ sich dahin ein, sie habe einmalig in Zürich Heroin im Wege einer Aufnahme durch die Nase konsumiert.
12 
Wegen der Straftaten, die dem vorgenannten Strafurteil vom 12.8.1999 zu Grunde lagen, wurde die Klägerin mit Verfügung des RP Freiburg vom 8.10.1999 - gestützt auf die Vorschriften der Ist-Ausweisung (§ 47 Abs. 1 AuslG) und unter Verneinung besonderen Ausweisungsschutzes - unbefristet ausgewiesen. Ferner wurde sie zur Ausreise aufgefordert und die Abschiebung in die Türkei angedroht. Vorläufiger Rechtsschutz gegen diese Entscheidung blieb ebenso erfolglos (Beschluss VG Freiburg vom 1.12.1999 - 9 K 2442/99), wie die Anfechtungsklage, die im März 2001 zurückgenommen wurde; ein weiterer Eilantrag, die Abschiebung auszusetzen, war davor erneut durch das VG Freiburg (Beschluss vom 29.6.2000 - 9 K 1230/00) abgelehnt worden. Gleichwohl kam es nicht zu einer - auf den 31.3.2000 vorgesehenen - Abschiebung der Klägerin und ihrer beiden jüngsten Kinder, weil diese nicht aufzufinden waren. Ein am 13.7.2000 für sich und die beiden Kinder gestellter Asylantrag blieb sowohl vor dem Bundesamt (ou-Ablehnung vom 20.7.2000) als auch im asylrechtlichen Eil- und Klageverfahren vor dem VG Freiburg erfolglos. Am 24.8.2000 erfolgte die Heirat des deutschen Staatsangehörigen H. M.. Die Klägerin erhielt in der Folgezeit - bedingt durch diese Verheiratung, durch Ablauf und erforderliche Verlängerung ihrer Personalpapiere, ferner spätere strafrechtliche Ermittlungen sowie einen Härtefallantrag - bis heute Duldungen.
13 
Einen Antrag, die Sperrwirkung der Ausweisung zu befristen, stellte die Klägerin am 11.3.2003. Das RP Freiburg stellte eine Entscheidung bis zum Nachweis über die freiwillige Ausreise zurück. Vom 7.9.2004 bis 7.6.2005 befand sich die Klägerin erneut in einer stationären Entwöhnungsbehandlung. Mit Schreiben vom 7.12.2005 kündigte das RP Freiburg der Klägerin, deren Härtefallantrag zuvor abgelehnt worden war, die Abschiebung an und gab ihr Gelegenheit, bis 23.12.2005 freiwillig auszureisen. Unter dem 11.1.2006 ließ die Klägerin anwaltlich erklären, sie sei zur freiwilligen Ausreise bereit, wenn ihr, in Verbindung mit einer Befristung der Ausweisungswirkungen, ein Recht auf spätere Familienzusammenführung zu ihren Kindern zugesichert werde. Am 26.1.2006 beantragte sie, mit Blick auf eine geänderte Rechtslage das Ausweisungsverfahren wiederaufzugreifen und die Ausweisung zurückzunehmen bzw. hilfsweise zu widerrufen. Zur Begründung gab sie an, im Anschluss an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts sei die Ausweisung aus dem Jahr 1999 rechtswidrig, weil sie nicht als Ermessensentscheidung ergangen sei und weil gegen die Verfahrensvorschrift des Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG verstoßen worden sei. Da in der Folgezeit keine Entscheidung getroffen wurde, erhob die Klägerin am 29.5.2006 Untätigkeitsklage (1 K 1026/06). Dieses Verfahren wurde auf Grund übereinstimmender Erledigungserklärungen mit Beschluss des Berichterstatters vom 30.8.2006 eingestellt.
14 
Mit vorliegend streitgegenständlichem (und Grund für die Erledigung der zuvor genannten Untätigkeitsklage bildenden) Bescheid vom 4.8.2006 (zugestellt am 10.8.2006) lehnte das RP Freiburg das Wiederaufgreifen des Verfahrens und eine Rücknahme der Ausweisungsentscheidung vom 8.10.1999 ab (Ziff. 1). Ferner wurden die Wirkungen der genannten Ausweisung nachträglich auf 5 Jahre und 6 Monate ab Ausreise der Klägerin befristet (Ziff. 2). Zur Begründung wurde angeführt, ein Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens im engeren Sinne gemäß § 51 LVwVfG bestehe nicht. Eine Änderung der Rechtsprechung stelle keine Änderung der Rechtslage dar. Über ein Wiederaufgreifen im weiteren Sinne sei nach Ermessen zu entscheiden. Eine Ermessensreduzierung auf Null liege im Fall der Klägerin nicht vor, weil die Aufrechterhaltung der Ausweisung nicht schlechthin unerträglich sei. Die Klägerin sei bis heute ihrer Ausreisepflicht nicht nachgekommen. Auch nach der Ausweisung sei sie erneut einschlägig straffällig geworden und wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz verurteilt worden. Ferner habe sie sich zweimal unerlaubt in der Schweiz aufgehalten. Dass sie ihre Drogensucht tatsächlich erfolgreich überwunden habe, sei nicht ersichtlich. Immer wieder sei sie rückfällig geworden, zuletzt habe sie nach eigenen Angaben am 28.6.2006 in Zürich Heroin konsumiert. Daraus ergebe sich aber, dass weitere schwere Straftaten konkret zu befürchten seien. Gegen eine Rücknahme spreche auch, dass die Klägerin es versäumt habe, die Ausweisungsverfügung gerichtlich überprüfen zu lassen. Ferner sei für den Fall eines Wegfalls der Wiederholungsgefahr das Befristungsverfahren spezialgesetzlich vorrangig vor demjenigen eines Widerrufs. Im Übrigen hätte auch damals angesichts der tatsächlichen Umstände eine Ermessensausweisung ergehen können. Im Hinblick auf das hohe Rechtsgut der Rechtssicherheit könne das Vorliegen eines formellen Fehlers nicht zur Durchbrechung der Bestandskraft führen. Auch die Entscheidung über eine Rücknahme liege im Ermessen und setze, solle ausnahmsweise eine Reduzierung auf Null erfolgen, voraus, dass die Aufrechterhaltung mit Blick auf die materielle Gerechtigkeit schlechthin unerträglich sei. Ferner verlange Gemeinschaftsrecht grundsätzlich nicht, eine bestandskräftige Verwaltungsentscheidung zurückzunehmen. Bei Berücksichtigung aller Einzelfallumstände sei bedeutsam, dass die Klägerin ihre Klage gegen die Ausweisung Entscheidung zurückgenommen habe. Ferner müsse, wie bereits dargelegt, auch weiterhin von einer Wiederholungsgefahr ausgegangen werden. Auch wegen weiterer Ermessenserwägungen könne auf obige Ausführungen verwiesen werden, sodass kein Anlass bestehe, die Ausweisungsentscheidung zurückzunehmen. Bei der Befristung der Sperrwirkung der Ausweisung sei die noch zu § 8 Abs. 2 AuslG ergangene Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums vom 25.1.2002 entsprechend heranzuziehen gewesen. Da die Klägerin nur im Rahmen einer Ermessensentscheidung hätte ausgewiesen werden dürfen, sei folglich Ziff. 1.3.1 einschlägig. Ausgehend von der verhängten Strafe von zwei Jahren und sechs Monaten liege ein Regelfall von fünf Jahren und sechs Monaten vor. Dabei sei berücksichtigt worden, dass die Ausweisung bereits längere Zeit zurückliege. Allerdings habe sich die Gefahrenprognose nicht zu Gunsten der Klägerin verändert, weil sie erneut einschlägig verurteilt worden und weitere Ermittlungsverfahren nur im Hinblick auf diese Verurteilungen eingestellt worden seien. Die Aussetzung der späteren Freiheitsstrafen zur Bewährung sei trotz erheblichen Bedenken ergangen und ohne die Stellung einer positiven Sozialprognose erfolgt. Absolvierte Drogentherapien seien angesichts von Rückfällen nicht erfolgreich gewesen. Auch der Umstand, dass die Klägerin im Mai 2006 das Sorgerecht für ihre beiden jüngsten Kinder wieder zurückerhalten habe, stehe nicht entgegen. Die Kinder seien türkische Staatsangehörige und könnten jederzeit mit zurückkehren. Da sie in einer türkischen Großfamilie aufgewachsen seien, müssten sie mit der türkischen Sprache vertraut sein. Andererseits gebe es auch keine Hinweise, dass die Kinder auf eine dauernde Anwesenheit der Klägerin in Deutschland angewiesen seien. Während ihrer Inhaftierung und Drogentherapie hätten sie nämlich nicht zusammengelebt. Vielmehr seien sie von Schwester bzw. Mutter der Klägerin aufgezogen worden. Auch während des unerlaubten Aufenthalts in der Schweiz seien die Kinder bei Verwandten zurückgelassen worden. Am 24.7.2006 habe die Klägerin noch erklärt, sie wolle nicht nach Singen zu ihren Kindern umverteilt werden, sondern im Raum Villingen-Schwenningen bleiben.
15 
Die Klägerin hat am 23.8.2006 Klage erhoben. Sie wiederholt ihren Vortrag zur formellen und materiellen Rechtswidrigkeit der Ausweisung und weist ergänzend darauf hin, gerade durch die Aufrechterhaltung der Ausweisung werde es ihr äußerst schwer gemacht, sich hier zur resozialisieren. Ohne Aufenthaltstitel und nur mit einer Duldung sei sie als Alleinerziehende mit zwei Kindern ungeheuer belastet. Das RP Freiburg verkenne gerade auch die assoziationsrechtlichen Maßgaben, wonach die Begünstigten nur aufgrund einer Ermessensentscheidung ausgewiesen werden dürften und ein deutliches Überwiegen öffentlicher Interessen zu verlangen sei. Betrachte man die Tatsache, dass bislang sieben Jahre vom Vollzug der Ausweisung abgesehen worden sei, und dass sie, die Klägerin, für zwei hier im Bundesgebiet geborene und aufgewachsene Kinder das alleinige Sorgerecht habe, so überwögen jedoch die privaten Interesse deutlich. Ferner würden die Rechte aus Art. 6 GG und Art. 8 EMRK verletzt, weil die beiden Kinder keinerlei Bezug zur Türkei hätten und einen Trennung unverhältnismäßig sei. Schließlich stelle auch die erfolgte Befristungsentscheidung aufgrund der langen Dauer eine unzumutbare Beeinträchtigung dar.
16 
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
17 
den Bescheid des RP Freiburg vom 4.8.2006 aufzuheben und das beklagte Land - RP Freiburg - zu verpflichten die unter dem 8.10.1999 verfügte Ausweisung aufzuheben;
 
18 
hilfsweise unter Aufhebung der Ziff. 2 des Bescheids des RP Freiburg vom 4.8.2006 das beklagte Land - RP Freiburg - zu verpflichten die Sperrwirkung der Ausweisung vom 8.10.1999 mit sofortiger Wirkung zu befristen.
19 
Das beklagte Land beantragt,
20 
die Klage abzuweisen.
21 
Es bezieht sich auf die angefochtene Entscheidung und fügt ergänzend hinzu, selbst wenn man die Anwendbarkeit der Richtlinie 2004/38/EG vom 29.4.2004 auf Assoziationsbegünstigte bejahe, so sei sie auf die Ausweisung der Klägerin mangels Rückwirkung nicht anzuwenden. Für geänderte materielle Anforderungen stelle folglich das Befristungsverfahren eine vorrangige Spezialregelung dar. Laut Mitteilung des Polizeipräsidiums Stuttgart vom 12.6.2007 sei derzeit ein Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin wegen Wechselfallenschwindels anhängig.
22 
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie den Akteninhalt (6 Hefte des RP Freiburg, ein Heft Gerichtsakten der erledigten Untätigkeitsklage 1 K 1026/06) Bezug genommen. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

 
23 
I. Der zulässige Hauptantrag, der auf eine Aufhebung der bestandskräftigen Ausweisung zielt (vgl. dazu, dass die Wirkungen von Ausweisungen, die vor diesem Zeitpunkt gegenüber nach dem ARB 1/80 privilegierten türkischen Staatsangehörigen verfügt und bestandskräftig geworden sind, mit dem Inkrafttreten des AufenthG am 1.1.2005 nicht entfallen sind: VGH Bad.-Württ., Urt. v. 24.1.2007 - 13 S 451/06 - InfAuslR 2007, 182; Beschl. v. 13.4.2006 - 1 S 734/06 - VENSA), ist unbegründet. Die Ziff. 1 der Entscheidung des RP Freiburg vom 4.8.2006 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).
24 
Einen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens im engeren Sinne gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG sowie eine daran anschließende (positive) Sachentscheidung (zur Verfahrens- und Entscheidungsstruktur im Rahmen des § 51 LVwVfG vgl. für die bundesrechtliche Regelung: Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Auflage 2001, § 51 Rnrn. 22 ff.: eigenständige Neubescheidung ohne Bezug zu §§ 48, 49 VwVfG) hat das RP Freiburg zu Recht abgelehnt. Die geltend gemachte Änderung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stellt keine neue Rechtslage dar. Wegen Einzelheiten kann insoweit auf den Beschluss des VGH Baden-Württemberg vom 29.3.2007 (11 S 2147/06 dort Entsch.-Seiten 5/6) im Beschwerdeverfahren, welches das PKH-Begehren der Klägerin im erledigten Verfahren 1 K 1026/06 betraf, Bezug genommen werden.
25 
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Rücknahme oder Widerruf der Ausweisung. Wie sich aus § 51 Abs. 5 LVwVfG ergibt, sind die Verfahren nach § 51 Abs. 1 bis 4 LVwVfG (sog. Wiederaufgreifen im engeren Sinne) und diejenigen der Rücknahme und des Widerrufs - sog. Wiederaufgreifen im weiteren Sinne - nicht identisch. § 51 Abs. 5 LVwVfG stellt - in Entsprechung zur bundesrechtlichen Rechtslage - klar, dass mit der Schaffung des § 51 Abs. 1 LVwVfG nichts daran geändert wird, dass auf Antrag des Betroffenen eine Ermessensentscheidung auf der Grundlage der §§ 48, 49 LVwVfG zu ergehen hat (vgl. zu §§ 51, 48, 49 VwVfG: Sachs, a.a.O., Rnr. 141 f.). Soweit dem RP Freiburg (zu dessen Zuständigkeit vgl. §§ 48 Abs. 5, 49 Abs. 5 LVwVfG i.V.m. § 12 Abs. 3 AAZuVO) folglich ein Ermessensspielraum bei der Frage der erneuten Überprüfung und Aufhebung der bestandskräftigen Ausweisung blieb, hat es in seinem Bescheid rechtsfehlerfrei entschieden, die Ausweisung nicht aufzuheben. Mit Blick auf einen Widerruf gemäß § 49 LVwVfG folgt dies bereits daraus, dass dieser spezialgesetzlich durch das Institut der Befristung i. S. v. § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG jedenfalls insoweit ausgeschlossen ist, als es um für den Fortbestand des Ausweisungszwecks erhebliche Sachverhaltsänderungen geht. Im übrigen ist nur die Rücknahme einschlägig, weil es sich bei der Ausweisung um einen (siehe sogleich) rechtswidrigen Verwaltungsakt handelt, für den § 49 LVwVfG nicht gilt.
26 
Eine Rücknahme hat das RP Freiburg rechtsfehlerfrei abgelehnt. Zutreffend ist die Behörde davon ausgegangen, dass grundsätzlich gemäß § 48 Abs. 1 LVwVfG in die Überprüfung, ob eine Rücknahme stattfinden soll, einzutreten war. Die Ausweisung vom 8.10.1999 ist nämlich rechtswidrig gewesen, weil der Klägerin eine assoziationsrechtliche Rechtsposition gemäß Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 zustand. Sie war 1973 zusammen mit ihren Eltern eingereist und hatte ihre erste Aufenthaltserlaubnis am 24.4.1984 zum Zweck der Familienzusammenführung, d.h. zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft mit einem dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehörenden türkischen Arbeitnehmer, ihren Eltern, erhalten. Mit diesen hatte sie auch die erforderliche Dauer von mindestens drei bzw. fünf Jahren - konkret bis zum 5.7.1984, als sie zu ihrem türkischen Ehemann nach Tuttlingen zog - zusammengelebt (vgl. zur Geltung des Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 entsprechend für ein Kind, das im Mitgliedstaat geboren ist und stets dort gewohnt hat: EuGH, Urt. v. 11.11.2004 - C-467/02 - [Cetinkaya] - NVwZ 2005, 198). Ihre Volljährigkeit im Zeitpunkt der Ausweisung änderte an der unmittelbar aus dem ARB 1/80 folgenden Rechtsposition ebenso wenig etwas, wie die ab 4.8.1998 erfolgte Verbüßung von U-Haft bzw. später Strafhaft im Zusammenhang mit dem Urteil des LG Konstanz vom 12.8.1999 (zu diesen Einzelheiten des Aufenthaltsrechts nach Art. 7 ARB 1/80 vgl. EuGH, Urt. v. 7.7.2005 - C-373/03 [Aydinli] - InfAuslR 2005,352; ferner EuGH, Urt. v. 16.1.2006 - C-502/04 [Torun] - InfAuslR 2006, 209). Ihre Ausweisung hätte folglich nicht, wie vom RP Freiburg damals verfügt, nach den Regelungen über die Ist-Ausweisung sondern nur nach denjenigen über die - in der Ausweisungsverfügung auch nicht hilfsweise herangezogene - Ermessensausweisung erfolgen dürfen (grundlegend: BVerwG, Urt. v. 13.9.2005 - 1 C 7/04 - BVerwGE 124, 217 = InfAuslR 2006, 110). Ferner wäre, woran es jedoch ebenfalls fehlte, formell-rechtlich zuvor eine zweite Stelle i.S.v. Art. 9 Abs. 1 RiL 64/221/EWG zu beteiligen gewesen (vgl. hierzu ebenfalls BVerwG, Urt. v. 13.9.2005, a.a.O.). Ein „dringender Fall“ i.S. der vorgenannten Vorschrift lag nicht vor, weil sich auf Grund der Strafhaft der Klägerin bzw. ihrer Drogentherapie eine von ihr ausgehende Gefahr nicht vor Abschluss eines gerichtlichen Hauptsacheverfahrens realisiert hätte und auch sonst eine Verzögerung der Ausweisungsentscheidung durch die Einschaltung einer zweiten Stelle hinnehmbar gewesen wäre (zum letztgenannten Gesichtspunkt vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 29.6.2006 - 11 S 2299/05 - VENSA).
27 
Hiervon ausgehend hat das RP Freiburg jedoch gleichwohl eine Rücknahme ablehnen dürfen und sein Ermessen insoweit rechtsfehlerfrei erkannt bzw. betätigt (zum gerichtlichen Prüfungsmaßstab vgl. § 114 VwGO).
28 
Umstände, nach denen sich das der Behörde von § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG eingeräumte Ermessen dahin verdichtet hätte, dass nur die Rücknahme des Bescheides ermessensfehlerfrei wäre, liegen nicht vor. Bei der Ausübung des Rücknahmeermessens ist in Rechnung zu stellen, dass dem Grundsatz der materiellen Gerechtigkeit prinzipiell kein größeres Gewicht zukommt als dem Grundsatz der Rechtssicherheit, sofern dem anzuwendenden Recht nicht ausnahmsweise eine andere Wertung zu entnehmen ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts besteht mit Blick auf das Gebot der materiellen Gerechtigkeit ausnahmsweise dann ein Anspruch auf Rücknahme eines bestandskräftigen Verwaltungsakts, wenn dessen Aufrechterhaltung „schlechthin unerträglich" ist, was von den Umständen des Einzelfalles und einer Gewichtung der einschlägigen Gesichtspunkte abhängt. Allein die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts begründet keinen Anspruch auf Rücknahme, da der Rechtsverstoß lediglich die Voraussetzung einer Ermessensentscheidung der Behörde ist. Das Festhalten an dem Verwaltungsakt ist insbesondere dann „schlechthin unerträglich", wenn die Behörde durch unterschiedliche Ausübung der Rücknahmebefugnis in gleichen oder ähnlich gelagerten Fällen gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstößt oder wenn Umstände gegeben sind, die die Berufung der Behörde auf die Unanfechtbarkeit als einen Verstoß gegen die guten Sitten oder Treu und Glauben erscheinen lassen. Die offensichtliche Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, dessen Rücknahme begehrt wird, kann ebenfalls die Annahme rechtfertigen, seine Aufrechterhaltung sei schlechthin unerträglich. Ferner kann in dem einschlägigen Fachrecht eine bestimmte Richtung der zu treffenden Entscheidung in der Weise vorgegeben sein, dass das Ermessen im Regelfall nur durch die Entscheidung für die Rücknahme des Verwaltungsakts rechtmäßig ausgeübt werden kann, so dass sich das Ermessen in diesem Sinne als intendiert erweist (vgl. zusammenfassend: BVerwG, Urteil v. 17.1.2007 - 6 C 32.06 - Juris).
29 
Umstände, die das Ermessen hin auf eine Rücknahme reduziert hätten oder die das RP Freiburg sonst - im Rahmen eines verbleibenden Spielraums - fehlerhaft unberücksichtigt gelassen oder falsch gewichtet hätte, liegen hier nicht vor. Von einer offensichtlichen Europa- bzw. Assoziationsrechtswidrigkeit kann angesichts des Zeitpunkts der Ausweisungsentscheidung im Jahr 1999 - über 5 Jahre vor Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung - nicht ausgegangen werden (vgl. in diesem Sinne sogar noch für eine unter dem 5.9.2005 verfügte Ausweisung durch das RP Freiburg: VG Freiburg, Urt. v. 28.3.2007 - 1 K 505/06). Ein Festhalten an der Ausweisung stellt auch keinen Verstoß gegen das gemeinschaftsrechtliche Effizienzgebot dar. Denn die Klägerin hat es durch die Zurücknahme ihrer damaligen Klage versäumt, die Ausweisung einer gerichtlichen Überprüfung auf eine Vereinbarkeit mit Gemeinschafts-/Assoziationsrecht zuzuführen. Wie der EuGH im Urteil vom 19.9.2006 (C-392/04 und C-422/04 [I 21] - InfAuslR 2006, 439) ausgeführt hat, verlangt das Gemeinschaftsrecht nicht, dass eine Verwaltungsbehörde grundsätzlich verpflichtet ist, eine Verwaltungsentscheidung zurückzunehmen, die nach Ablauf angemessener Fristen oder durch Erschöpfung des Rechtswegs bestandskräftig geworden ist. Durch die Beachtung dieses Grundsatzes lässt sich verhindern, dass Handlungen der Verwaltung, die Rechtswirkungen entfalten, unbegrenzt in Frage gestellt werden können. Nur in bestimmten Fällen kann jedoch eine Schranke für diesen Grundsatz bestehen, nämlich wenn vier Voraussetzungen erfüllt sind. Erstens, die Behörde ist nach nationalem Recht befugt, diese Entscheidung zurückzunehmen. Zweitens, die Entscheidung ist infolge eines Urteils eines in letzter Instanz entscheidenden nationalen Gerichts bestandskräftig geworden. Drittens, das Urteil beruht, wie eine nach seinem Erlass ergangene Entscheidung des Gerichtshofes zeigt, auf einer unrichtigen Auslegung des Gemeinschaftsrechts, die erfolgt ist, ohne dass der Gerichtshof um Vorabentscheidung ersucht wurde, obwohl der Tatbestand des Artikels 234 Absatz 3 EG erfüllt war. Viertens, der Betroffene hat sich, unmittelbar nachdem er Kenntnis von der besagten Entscheidung des Gerichtshofes erlangt hat, an die Verwaltungsbehörde gewandt. Maßgeblich ist also, dass der Betroffene sämtliche ihm zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe ausgeschöpft hat. Diese auf Assoziationsbegünstigte zu übertragenden Ausnahmevoraussetzungen liegen jedoch im Fall der Klägerin nicht vor (in diesem Sinne bereits konkret für den Fall der Klägerin auch VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 29.3.2007, a.a.O.).
30 
Zutreffend hat das RP Freiburg schließlich eine Abwägung von öffentlichen Belangen (Rechtssicherheit) und privatem Interesse (materielle Gerechtigkeit) auch unter dem Gesichtspunkt der Frage nach „schlechthin unerträglichen“ Auswirkungen für die Klägerin vorgenommen. Die Ausländerbehörde hat zutreffend darauf hingewiesen, dass gerade angesichts der den Ausweisungsanlass im Jahr 1999 bildenden Betäubungsmittelstraftaten eine konkrete Wiederholungsgefahr von der Klägerin ausging, die im damaligen Ausweisungszeitpunkt auch eine Ermessenausweisung in Betracht kommen lassen konnte (zu diesem Prüfungsgesichtspunkt und seiner Zulässigkeit im Rahmen des Rücknahmeermessens: Hamb. OVG, Beschl. v. 14.12.2005 - 3 Bs 79/05 - InfAuslR 2006, 305; OVG Niedersachsen, Beschluss v. 30.5.2006 - 11 LA 147/05 - NVwZ 2006, 1302). Nach ständiger Rechtsprechung ist die Ausweisung eines assoziationsbegünstigten Türken nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 zulässig, wenn die hinreichend konkrete Wahrscheinlichkeit erneuter Straftaten im Rahmen der Betäubungsmittelkriminalität steht. Der Handel mit und die Verwendung von gefährlichen Betäubungsmitteln - allen voran Heroin - stellt nämlich sowohl einen schweren Ausweisungsanlass i.S.d. nationalrechtlichen besonderen Ausweisungsschutzvorschriften (vgl. § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG) als auch einen EU-/assoziationsrechtlich relevanten Verstoß gegen Grundinteressen der Gesellschaft dar (vgl. etwa VGH Bad.-Württ., Urt. v. 10.9.2003 - 11 S 973/03 - VENSA, mit zahlreichen Nachweisen aus der Rspr. des BVerwG und des EuGH).
31 
Eine schlechthin unerträgliche Wirkung hat die Aufrechterhaltung der Ausweisung auch nicht vor dem Hintergrund des Art. 8 EMRK. Allerdings kann die Verhältnismäßigkeit einer Ausweisung im Fall des unwiederbringlichen Verlusts für das Privatleben konstitutiver Beziehungen nicht durch eine Befristung ihrer Wirkungen erreicht werden, so etwa, wenn das Aufenthaltsrecht nach dem Wegfall der Bindungen an das Bundesgebiet eine Wiedereinreise grundsätzlich nicht vorsieht, und der spätere (im Wege der Befristung der Sperrwirkungen eintretende) Wegfall des Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG daher ohne praktische Wirkung bleibt (BVerfG, Beschl. v. 10.5.2007 - 2 BvR 304/07 - soweit ersichtlich nur veröffentlicht auf der Internethomepage des Gerichts unter Entscheidungen > Rubrik Mai 2007 > Datum 10.5.; weniger streng: VGH Bad.-Württ., Urt. v. 13.6.2000 - 13 S 1378/98 - VBlBW 2001, 23 , der darauf abstellt, bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 30 Abs. 5 AuslG [jetzt § 25 Abs. 5 AufenthG] könne auch auf eine vorherige Ausreise des Ausländers verzichtet werden). Im Fall der Klägerin existiert jedoch eine bestandskräftige Ausweisung, die im Jahr 1999 auch nach Ermessen hätte ernsthaft in Betracht kommen können. Die Aufrechterhaltung dieser Ausweisung bedeutet zwar, dass damit endgültig der Verlust ihres Aufenthaltsrechts nach Art. 7 ARB 1/80 feststeht (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG). Dies hat ferner zur Folge, dass nach dem Ende der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 1 AufenthG sich ein türkischer Staatsangehöriger nicht (mehr) auf ein Aufenthaltsrecht aus dem ARB 1/80 berufen kann, also einem (normalem) türkischen Staatsangehörigen gleichgestellt ist, der in das Bundesgebiet einreisen will (Armbruster, in: HTK-AuslR / ARB 1/80 / Art. 14 05/2007 Nr. 2 und Nr. 9). Da sich die Klägerin jedoch wirksam und effektiv im Rahmen des Befristungsanspruchs nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG darauf berufen kann, eine Aufenthaltsbeendigung verstoße gegen Art. 8 EMRK (dazu sogleich unter II.), wird sie im Ergebnis durch eine Aufrechterhaltung der früheren Ausweisung nicht unerträglich belastet.
32 
II. Erfolgreich ist hingegen der zulässige Hilfsantrag der Klägerin. Seine Auslegung (§ 88 VwGO) anhand des maßgeblichen Anwaltsschriftsatzes vom 4.7.2007 ergibt, dass die Klägerin die Gründe, die eine Unerträglichkeit der Aufrechterhaltung ihrer Ausweisung darstellen, hilfsweise auch der Befristungsentscheidung entgegenhalten will. Damit macht sie aber im Ergebnis einen Anspruch auf Befristung mit sofortiger Wirkung geltend. Dieses Begehren hat in der Sache auch Erfolg. Ziffer 2 des RP-Bescheids ist nämlich rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, weil sie einen Anspruch auf sofortige Beseitigung der Sperrwirkung - mithin eine Befristung auf Null - hat (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
33 
Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG werden die in den vorangehenden Sätzen 1 und 2 bezeichneten (Sperr-)Wirkungen der Ausweisung auf Antrag in der Regel befristet. Diese Regelung ist eine wichtige Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und stellt als solche einen bedeutsamen Baustein im abgestuften Regelungsgefüge des deutschen Ausländerrechts zur Aufenthaltsbeendigung dar. Sie hat unmittelbar drittschützende Wirkung dahingehend, dass der Ausländer bei Vorliegen eines Regelfalles einen Anspruch auf Befristung überhaupt sowie einen Anspruch auf fehlerfreie Ausübung des der Ausländerbehörde hinsichtlich der Fristdauer eingeräumten Ermessens hat, der sich bei der Ermessensreduzierung „auf Null“ auf eine bestimmte Fristdauer/-modalität verengen kann. Für die bei der Fristbemessung maßgeblichen Grundsätze gilt, dass sie am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und am ordnungsrechtlichen Zweck - hier Spezialprävention - der zu befristenden Maßnahme zu orientieren ist. Bei der Prognose, ob bzw. wie lange der ordnungsrechtliche Zweck die Sperrwirkung weiterhin erfordert, sind alle - vor allem auch nachträglich eintretende - Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, soweit sie geltend gemacht (§ 82 AufenthG) oder sonst für die Behörde erkennbar sind. Schließlich sind - sei es als Element der eigentlichen Prognoseentscheidung selbst oder aber als selbstständiges fristverkürzendes Element - die aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen höherrangigen Rechts, vornehmlich die Wertentscheidungen des Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 und 2 EMRK sowie der im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) verankerte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten (vgl. grundlegend und mit zahlr. Nachweisen zur identischen Vorgängervorschrift des § 8 Abs. 2 Satz 3 AuslG: VGH Bad.-Württ., Urt. v. 26.3.2003 - 11 S 59/03 - InfAuslR 2003, 334). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage des mit der Verpflichtungsklage geltend gemachten Anspruchs auf Befristung der Wirkungen der Ausweisungsverfügung ist dabei der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. - wenn die Entscheidung, wie hier, ohne mündliche Verhandlung ergeht - der Zeitpunkt, in dem die Entscheidung gefällt wird (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 29.1.1997 - 11 S 2142/96 - InfAuslR 1997, 158; Armbruster, in HTK-AuslR, § 11 AufenthG / zu Abs. 1 Satz 3, 5 und 6 > Nr. 9 Rechtsschutz > Nr. 4).
34 
Vorliegend kommt der Schutz des Art. 8 EMRK der Klägerin zugute. Im Rahmen der Befristung der Ausweisung ist zwingend sicherzustellen, dass unzumutbare Auswirkungen, die eine Rückkehr in die Türkei für sie hätte, unterbleiben. Dies aber kann - mit der Folge einer Ermessensreduktion auf Null - nur dadurch geschehen, dass die Sperrwirkung sofort, d.h. noch während der Anwesenheit der Klägerin in Deutschland wegfällt. Sowohl die Klägerin als Migrantin der zweiten Generation als auch ihre beiden Kinder Sibel (17 Jahre alt - sie wird am 17.12.2007 18 Jahre) und Ali-Erdal (10 Jahre alt - er wird am 8.12.2007 11 Jahre) - sie sind Migranten der dritten Generation - können sich auf den Schutz des Familienlebens nach Art. 8 Abs. 1 EMRK berufen. Die mit einer längeren Befristung - und sei es auch nur von wenigen Monaten - verbundene Folge einer Rückkehr der Klägerin in Türkei hätte mehrfache, erheblich nachteilige Folgen, die diesen Eingriff im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK in einer demokratischen Gesellschaft nicht als notwendig bzw. nicht als zumutbar darstellen.
35 
An der Existenz und Schutzwürdigkeit eines Familienlebens kann kein Zweifel bestehen. Die beiden minderjährigen Kinder haben zwar eine nicht ganz unbeträchtliche Zeit bei Großmutter und Tante gelebt, das erfolgte erkennbar jedoch vor dem Hintergrund, dass sie für den Fall einer Abschiebung der Klägerin in die Türkei hier bleiben und versorgt sein sollten. Von Februar 2004 bis Mai 2006 hatte die Klägerin zwar das Sorgerecht für ihre beiden jüngsten Kinder auf ihre Mutter übertragen lassen. Seither besitzt sie es jedoch wieder und lebt auch mit den Kindern zusammen. Der Hinweis des RP Freiburg, die Klägerin habe am 24.7.2006 erklärt, keine Umverteilung zu ihren Kindern nach Singen zu wollen, geht von falschen Voraussetzungen aus. Zu keiner Zeit konnte dem entnommen werden, dass die Klägerin nicht mit ihren Kindern zusammenleben wollen. Vielmehr war diese Erklärung so gemeint, dass sie zwar in Villingen-Schwenningen bleiben, jedoch dort zusammen mit den Kindern wohnen wollte. Das wird auch dadurch bestätigt, dass die Klägerin mittlerweile mit ihren beiden minderjährigen Kindern sowie ihrem erwachsenen Sohn aus der ersten Ehe dort eine neue Wohnung bezogen hat.
36 
Eine Rückkehr der Klägerin in die Türkei würde entweder einen unzumutbaren Zwang auf die minderjährigen Kinder ausüben, ihr zu folgen, oder aber eine unzumutbare Trennung nach sich ziehen. Es ist davon auszugehen, dass Sibel und Ali-Erdal dauerhaft in Deutschland bleiben dürfen. Dies folgt entweder daraus, dass sie ihrerseits gemäß Art. 7 ARB 1/80 assoziationsbegünstigt begünstigt sind, oder jedenfalls daraus, dass ihnen i.V.m. Art. 8 Abs. 1 EMRK und den Vorschriften über die Aufenthaltserlaubnis ein nationales Recht zusteht. Die beiden Kinder sind nämlich hier geboren und haben Zeit ihres Lebens - das sind im heutigen Entscheidungszeitpunkt über 17 bzw. über 10 Jahre - in diesem Land und seinem kulturellen sprachlichen Umfeld gelebt und sind hier bislang zur Schule gegangen. Unabhängig davon, ob sie die türkische Sprache zumindest in Grundzügen beherrschen mögen, haben sie sonst offensichtlich keine Bindungen zur Türkei - alle nahen Familienangehörigen leben offensichtlich ebenfalls in Deutschland -, sodass ihnen als faktischen Inländern eine Rückkehr dorthin bzw. ein Leben dort unzumutbar wäre. Eine Trennung von ihrer Mutter wäre ihnen nicht zuzumuten. Sie können nicht darauf verwiesen werden, andere Verwandte - so wie in der Vergangenheit Großmutter und Tante - seien zur Betreuung fähig bzw. bereit. Sowohl der Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG als auch derjenige des Art. 8 EMRK beinhaltet nämlich auch die Befugnis zu entscheiden, welche Personen miteinander in Beistandsgemeinschaft leben wollen.
37 
Das Gericht ist schließlich auch davon überzeugt, dass die Kinder weder zusammen mit ihrer Mutter noch dass diese allein auch nur vorübergehend in der Türkei derart Fuß fassen könnten, dass eine reale Existenzmöglichkeit dort bestünde. Die Kinder sind für die Existenzsicherung auf die Mutter angewiesen. Die Klägerin jedoch ist, das darf trotz ihrer erheblichen Strafbarkeit nicht verkannt werden, krank, weil heroinsüchtig. Sie hat trotz zweier umfangreicher Therapien immer wieder einen Rückfall erlitten. Zwar muss (vgl. § 42 AsylvfG) auf Grund der unanfechtbaren Asylentscheidung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 20.7.2000 davon ausgegangen werden, dass die Heroinsucht der Klägerin in der Türkei im Fall einer Rückkehr behandelt werden kann. Im übrigen hätte wohl auch in der Sache nach nichts für ein Abschiebungshindernis gesprochen (vgl. etwa VGH Bad.-Württ., Urt. v. 24.2.2003 - A 12 S 939/02 - VENSA sowie VG Freiburg, Urt. v. 21.11.2003 - 1 K 205/02 - VENSA). Die negativen Auswirkungen auf die Familie sowie die mit dem Zwang zu einer auch nur vorübergehenden Integration in der Türkei einhergehende Überlastung der persönlichen und sozialen Kräfte der Klägerin sind damit jedoch nicht bindend verneint worden. Maßnahmen aber, die Familienmitglieder an einem Zusammenleben hindern bzw. auseinanderreißen, stellen einen sehr schwerwiegenden Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Recht dar (EGMR, Urt. v. 31.1.2006 - 50252/99 [Sezen] - InfAuslR 2006, 255). Das gilt umso mehr hier, wo die Klägerin und ihre Kinder sich in einer zweifellos problematischen Lebenssituation befinden, und gerade deshalb besonders aufeinander angewiesen sind, um ein Mindestmaß an Stabilität zu gewährleisten. Ausgehend von einem Aufenthaltsrecht der Kinder wird auch die Klägerin wieder einen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis geltend machen können. Insoweit liegt nämlich eine außergewöhnliche Härte i.S.v. § 36 AufenthG vor.
38 
Der Gesichtspunkt einer von der Klägerin angesichts späterer einschlägiger Betäubungsmittelstraftaten auch im heutigen Zeitpunkt ausgehenden Wiederholungsgefahr muss vor diesem gesamten Hintergrund zurücktreten. Begreift man, wie oben dargelegt, ihre gesamte persönliche und auch familiäre Situation als äußerst problematisch, so mag sogar zu ihren Gunsten berücksichtigt werden, dass die zuletzt erfolgte Verurteilung vom 30.9.2004 durch das Amtsgericht Villingen-Schwenningen eine Aussetzung der Strafvollstreckung zur Bewährung aussprach. Wenngleich ein solcher Umstand zwar tatsächliches Gewicht hat, gleichwohl aber im ordnungsrechtlichen Kontext nicht ausländerrechtliche Maßnahmen der Spezialprävention verhindern muss, so ist doch zu beachten, dass offensichtlich auch das Strafgericht der Möglichkeit einer Resozialisierung der Klägerin für ihre Person eine besonders wichtige Bedeutung zugemessen hat.
39 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO; das Gericht hat keinen Anlass, sie für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 167 Abs. 2 VwGO). Gründe für eine Zulassung der Berufung liegen nicht vor, weshalb hinsichtlich der Anfechtbarkeit dieses Urteils folgendes gilt: (Rechtsmittelbelehrung).

Gründe

 
23 
I. Der zulässige Hauptantrag, der auf eine Aufhebung der bestandskräftigen Ausweisung zielt (vgl. dazu, dass die Wirkungen von Ausweisungen, die vor diesem Zeitpunkt gegenüber nach dem ARB 1/80 privilegierten türkischen Staatsangehörigen verfügt und bestandskräftig geworden sind, mit dem Inkrafttreten des AufenthG am 1.1.2005 nicht entfallen sind: VGH Bad.-Württ., Urt. v. 24.1.2007 - 13 S 451/06 - InfAuslR 2007, 182; Beschl. v. 13.4.2006 - 1 S 734/06 - VENSA), ist unbegründet. Die Ziff. 1 der Entscheidung des RP Freiburg vom 4.8.2006 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).
24 
Einen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens im engeren Sinne gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG sowie eine daran anschließende (positive) Sachentscheidung (zur Verfahrens- und Entscheidungsstruktur im Rahmen des § 51 LVwVfG vgl. für die bundesrechtliche Regelung: Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Auflage 2001, § 51 Rnrn. 22 ff.: eigenständige Neubescheidung ohne Bezug zu §§ 48, 49 VwVfG) hat das RP Freiburg zu Recht abgelehnt. Die geltend gemachte Änderung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stellt keine neue Rechtslage dar. Wegen Einzelheiten kann insoweit auf den Beschluss des VGH Baden-Württemberg vom 29.3.2007 (11 S 2147/06 dort Entsch.-Seiten 5/6) im Beschwerdeverfahren, welches das PKH-Begehren der Klägerin im erledigten Verfahren 1 K 1026/06 betraf, Bezug genommen werden.
25 
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Rücknahme oder Widerruf der Ausweisung. Wie sich aus § 51 Abs. 5 LVwVfG ergibt, sind die Verfahren nach § 51 Abs. 1 bis 4 LVwVfG (sog. Wiederaufgreifen im engeren Sinne) und diejenigen der Rücknahme und des Widerrufs - sog. Wiederaufgreifen im weiteren Sinne - nicht identisch. § 51 Abs. 5 LVwVfG stellt - in Entsprechung zur bundesrechtlichen Rechtslage - klar, dass mit der Schaffung des § 51 Abs. 1 LVwVfG nichts daran geändert wird, dass auf Antrag des Betroffenen eine Ermessensentscheidung auf der Grundlage der §§ 48, 49 LVwVfG zu ergehen hat (vgl. zu §§ 51, 48, 49 VwVfG: Sachs, a.a.O., Rnr. 141 f.). Soweit dem RP Freiburg (zu dessen Zuständigkeit vgl. §§ 48 Abs. 5, 49 Abs. 5 LVwVfG i.V.m. § 12 Abs. 3 AAZuVO) folglich ein Ermessensspielraum bei der Frage der erneuten Überprüfung und Aufhebung der bestandskräftigen Ausweisung blieb, hat es in seinem Bescheid rechtsfehlerfrei entschieden, die Ausweisung nicht aufzuheben. Mit Blick auf einen Widerruf gemäß § 49 LVwVfG folgt dies bereits daraus, dass dieser spezialgesetzlich durch das Institut der Befristung i. S. v. § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG jedenfalls insoweit ausgeschlossen ist, als es um für den Fortbestand des Ausweisungszwecks erhebliche Sachverhaltsänderungen geht. Im übrigen ist nur die Rücknahme einschlägig, weil es sich bei der Ausweisung um einen (siehe sogleich) rechtswidrigen Verwaltungsakt handelt, für den § 49 LVwVfG nicht gilt.
26 
Eine Rücknahme hat das RP Freiburg rechtsfehlerfrei abgelehnt. Zutreffend ist die Behörde davon ausgegangen, dass grundsätzlich gemäß § 48 Abs. 1 LVwVfG in die Überprüfung, ob eine Rücknahme stattfinden soll, einzutreten war. Die Ausweisung vom 8.10.1999 ist nämlich rechtswidrig gewesen, weil der Klägerin eine assoziationsrechtliche Rechtsposition gemäß Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 zustand. Sie war 1973 zusammen mit ihren Eltern eingereist und hatte ihre erste Aufenthaltserlaubnis am 24.4.1984 zum Zweck der Familienzusammenführung, d.h. zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft mit einem dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehörenden türkischen Arbeitnehmer, ihren Eltern, erhalten. Mit diesen hatte sie auch die erforderliche Dauer von mindestens drei bzw. fünf Jahren - konkret bis zum 5.7.1984, als sie zu ihrem türkischen Ehemann nach Tuttlingen zog - zusammengelebt (vgl. zur Geltung des Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 entsprechend für ein Kind, das im Mitgliedstaat geboren ist und stets dort gewohnt hat: EuGH, Urt. v. 11.11.2004 - C-467/02 - [Cetinkaya] - NVwZ 2005, 198). Ihre Volljährigkeit im Zeitpunkt der Ausweisung änderte an der unmittelbar aus dem ARB 1/80 folgenden Rechtsposition ebenso wenig etwas, wie die ab 4.8.1998 erfolgte Verbüßung von U-Haft bzw. später Strafhaft im Zusammenhang mit dem Urteil des LG Konstanz vom 12.8.1999 (zu diesen Einzelheiten des Aufenthaltsrechts nach Art. 7 ARB 1/80 vgl. EuGH, Urt. v. 7.7.2005 - C-373/03 [Aydinli] - InfAuslR 2005,352; ferner EuGH, Urt. v. 16.1.2006 - C-502/04 [Torun] - InfAuslR 2006, 209). Ihre Ausweisung hätte folglich nicht, wie vom RP Freiburg damals verfügt, nach den Regelungen über die Ist-Ausweisung sondern nur nach denjenigen über die - in der Ausweisungsverfügung auch nicht hilfsweise herangezogene - Ermessensausweisung erfolgen dürfen (grundlegend: BVerwG, Urt. v. 13.9.2005 - 1 C 7/04 - BVerwGE 124, 217 = InfAuslR 2006, 110). Ferner wäre, woran es jedoch ebenfalls fehlte, formell-rechtlich zuvor eine zweite Stelle i.S.v. Art. 9 Abs. 1 RiL 64/221/EWG zu beteiligen gewesen (vgl. hierzu ebenfalls BVerwG, Urt. v. 13.9.2005, a.a.O.). Ein „dringender Fall“ i.S. der vorgenannten Vorschrift lag nicht vor, weil sich auf Grund der Strafhaft der Klägerin bzw. ihrer Drogentherapie eine von ihr ausgehende Gefahr nicht vor Abschluss eines gerichtlichen Hauptsacheverfahrens realisiert hätte und auch sonst eine Verzögerung der Ausweisungsentscheidung durch die Einschaltung einer zweiten Stelle hinnehmbar gewesen wäre (zum letztgenannten Gesichtspunkt vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 29.6.2006 - 11 S 2299/05 - VENSA).
27 
Hiervon ausgehend hat das RP Freiburg jedoch gleichwohl eine Rücknahme ablehnen dürfen und sein Ermessen insoweit rechtsfehlerfrei erkannt bzw. betätigt (zum gerichtlichen Prüfungsmaßstab vgl. § 114 VwGO).
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Umstände, nach denen sich das der Behörde von § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG eingeräumte Ermessen dahin verdichtet hätte, dass nur die Rücknahme des Bescheides ermessensfehlerfrei wäre, liegen nicht vor. Bei der Ausübung des Rücknahmeermessens ist in Rechnung zu stellen, dass dem Grundsatz der materiellen Gerechtigkeit prinzipiell kein größeres Gewicht zukommt als dem Grundsatz der Rechtssicherheit, sofern dem anzuwendenden Recht nicht ausnahmsweise eine andere Wertung zu entnehmen ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts besteht mit Blick auf das Gebot der materiellen Gerechtigkeit ausnahmsweise dann ein Anspruch auf Rücknahme eines bestandskräftigen Verwaltungsakts, wenn dessen Aufrechterhaltung „schlechthin unerträglich" ist, was von den Umständen des Einzelfalles und einer Gewichtung der einschlägigen Gesichtspunkte abhängt. Allein die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts begründet keinen Anspruch auf Rücknahme, da der Rechtsverstoß lediglich die Voraussetzung einer Ermessensentscheidung der Behörde ist. Das Festhalten an dem Verwaltungsakt ist insbesondere dann „schlechthin unerträglich", wenn die Behörde durch unterschiedliche Ausübung der Rücknahmebefugnis in gleichen oder ähnlich gelagerten Fällen gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstößt oder wenn Umstände gegeben sind, die die Berufung der Behörde auf die Unanfechtbarkeit als einen Verstoß gegen die guten Sitten oder Treu und Glauben erscheinen lassen. Die offensichtliche Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, dessen Rücknahme begehrt wird, kann ebenfalls die Annahme rechtfertigen, seine Aufrechterhaltung sei schlechthin unerträglich. Ferner kann in dem einschlägigen Fachrecht eine bestimmte Richtung der zu treffenden Entscheidung in der Weise vorgegeben sein, dass das Ermessen im Regelfall nur durch die Entscheidung für die Rücknahme des Verwaltungsakts rechtmäßig ausgeübt werden kann, so dass sich das Ermessen in diesem Sinne als intendiert erweist (vgl. zusammenfassend: BVerwG, Urteil v. 17.1.2007 - 6 C 32.06 - Juris).
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Umstände, die das Ermessen hin auf eine Rücknahme reduziert hätten oder die das RP Freiburg sonst - im Rahmen eines verbleibenden Spielraums - fehlerhaft unberücksichtigt gelassen oder falsch gewichtet hätte, liegen hier nicht vor. Von einer offensichtlichen Europa- bzw. Assoziationsrechtswidrigkeit kann angesichts des Zeitpunkts der Ausweisungsentscheidung im Jahr 1999 - über 5 Jahre vor Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung - nicht ausgegangen werden (vgl. in diesem Sinne sogar noch für eine unter dem 5.9.2005 verfügte Ausweisung durch das RP Freiburg: VG Freiburg, Urt. v. 28.3.2007 - 1 K 505/06). Ein Festhalten an der Ausweisung stellt auch keinen Verstoß gegen das gemeinschaftsrechtliche Effizienzgebot dar. Denn die Klägerin hat es durch die Zurücknahme ihrer damaligen Klage versäumt, die Ausweisung einer gerichtlichen Überprüfung auf eine Vereinbarkeit mit Gemeinschafts-/Assoziationsrecht zuzuführen. Wie der EuGH im Urteil vom 19.9.2006 (C-392/04 und C-422/04 [I 21] - InfAuslR 2006, 439) ausgeführt hat, verlangt das Gemeinschaftsrecht nicht, dass eine Verwaltungsbehörde grundsätzlich verpflichtet ist, eine Verwaltungsentscheidung zurückzunehmen, die nach Ablauf angemessener Fristen oder durch Erschöpfung des Rechtswegs bestandskräftig geworden ist. Durch die Beachtung dieses Grundsatzes lässt sich verhindern, dass Handlungen der Verwaltung, die Rechtswirkungen entfalten, unbegrenzt in Frage gestellt werden können. Nur in bestimmten Fällen kann jedoch eine Schranke für diesen Grundsatz bestehen, nämlich wenn vier Voraussetzungen erfüllt sind. Erstens, die Behörde ist nach nationalem Recht befugt, diese Entscheidung zurückzunehmen. Zweitens, die Entscheidung ist infolge eines Urteils eines in letzter Instanz entscheidenden nationalen Gerichts bestandskräftig geworden. Drittens, das Urteil beruht, wie eine nach seinem Erlass ergangene Entscheidung des Gerichtshofes zeigt, auf einer unrichtigen Auslegung des Gemeinschaftsrechts, die erfolgt ist, ohne dass der Gerichtshof um Vorabentscheidung ersucht wurde, obwohl der Tatbestand des Artikels 234 Absatz 3 EG erfüllt war. Viertens, der Betroffene hat sich, unmittelbar nachdem er Kenntnis von der besagten Entscheidung des Gerichtshofes erlangt hat, an die Verwaltungsbehörde gewandt. Maßgeblich ist also, dass der Betroffene sämtliche ihm zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe ausgeschöpft hat. Diese auf Assoziationsbegünstigte zu übertragenden Ausnahmevoraussetzungen liegen jedoch im Fall der Klägerin nicht vor (in diesem Sinne bereits konkret für den Fall der Klägerin auch VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 29.3.2007, a.a.O.).
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Zutreffend hat das RP Freiburg schließlich eine Abwägung von öffentlichen Belangen (Rechtssicherheit) und privatem Interesse (materielle Gerechtigkeit) auch unter dem Gesichtspunkt der Frage nach „schlechthin unerträglichen“ Auswirkungen für die Klägerin vorgenommen. Die Ausländerbehörde hat zutreffend darauf hingewiesen, dass gerade angesichts der den Ausweisungsanlass im Jahr 1999 bildenden Betäubungsmittelstraftaten eine konkrete Wiederholungsgefahr von der Klägerin ausging, die im damaligen Ausweisungszeitpunkt auch eine Ermessenausweisung in Betracht kommen lassen konnte (zu diesem Prüfungsgesichtspunkt und seiner Zulässigkeit im Rahmen des Rücknahmeermessens: Hamb. OVG, Beschl. v. 14.12.2005 - 3 Bs 79/05 - InfAuslR 2006, 305; OVG Niedersachsen, Beschluss v. 30.5.2006 - 11 LA 147/05 - NVwZ 2006, 1302). Nach ständiger Rechtsprechung ist die Ausweisung eines assoziationsbegünstigten Türken nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 zulässig, wenn die hinreichend konkrete Wahrscheinlichkeit erneuter Straftaten im Rahmen der Betäubungsmittelkriminalität steht. Der Handel mit und die Verwendung von gefährlichen Betäubungsmitteln - allen voran Heroin - stellt nämlich sowohl einen schweren Ausweisungsanlass i.S.d. nationalrechtlichen besonderen Ausweisungsschutzvorschriften (vgl. § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG) als auch einen EU-/assoziationsrechtlich relevanten Verstoß gegen Grundinteressen der Gesellschaft dar (vgl. etwa VGH Bad.-Württ., Urt. v. 10.9.2003 - 11 S 973/03 - VENSA, mit zahlreichen Nachweisen aus der Rspr. des BVerwG und des EuGH).
31 
Eine schlechthin unerträgliche Wirkung hat die Aufrechterhaltung der Ausweisung auch nicht vor dem Hintergrund des Art. 8 EMRK. Allerdings kann die Verhältnismäßigkeit einer Ausweisung im Fall des unwiederbringlichen Verlusts für das Privatleben konstitutiver Beziehungen nicht durch eine Befristung ihrer Wirkungen erreicht werden, so etwa, wenn das Aufenthaltsrecht nach dem Wegfall der Bindungen an das Bundesgebiet eine Wiedereinreise grundsätzlich nicht vorsieht, und der spätere (im Wege der Befristung der Sperrwirkungen eintretende) Wegfall des Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG daher ohne praktische Wirkung bleibt (BVerfG, Beschl. v. 10.5.2007 - 2 BvR 304/07 - soweit ersichtlich nur veröffentlicht auf der Internethomepage des Gerichts unter Entscheidungen > Rubrik Mai 2007 > Datum 10.5.; weniger streng: VGH Bad.-Württ., Urt. v. 13.6.2000 - 13 S 1378/98 - VBlBW 2001, 23 , der darauf abstellt, bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 30 Abs. 5 AuslG [jetzt § 25 Abs. 5 AufenthG] könne auch auf eine vorherige Ausreise des Ausländers verzichtet werden). Im Fall der Klägerin existiert jedoch eine bestandskräftige Ausweisung, die im Jahr 1999 auch nach Ermessen hätte ernsthaft in Betracht kommen können. Die Aufrechterhaltung dieser Ausweisung bedeutet zwar, dass damit endgültig der Verlust ihres Aufenthaltsrechts nach Art. 7 ARB 1/80 feststeht (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG). Dies hat ferner zur Folge, dass nach dem Ende der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 1 AufenthG sich ein türkischer Staatsangehöriger nicht (mehr) auf ein Aufenthaltsrecht aus dem ARB 1/80 berufen kann, also einem (normalem) türkischen Staatsangehörigen gleichgestellt ist, der in das Bundesgebiet einreisen will (Armbruster, in: HTK-AuslR / ARB 1/80 / Art. 14 05/2007 Nr. 2 und Nr. 9). Da sich die Klägerin jedoch wirksam und effektiv im Rahmen des Befristungsanspruchs nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG darauf berufen kann, eine Aufenthaltsbeendigung verstoße gegen Art. 8 EMRK (dazu sogleich unter II.), wird sie im Ergebnis durch eine Aufrechterhaltung der früheren Ausweisung nicht unerträglich belastet.
32 
II. Erfolgreich ist hingegen der zulässige Hilfsantrag der Klägerin. Seine Auslegung (§ 88 VwGO) anhand des maßgeblichen Anwaltsschriftsatzes vom 4.7.2007 ergibt, dass die Klägerin die Gründe, die eine Unerträglichkeit der Aufrechterhaltung ihrer Ausweisung darstellen, hilfsweise auch der Befristungsentscheidung entgegenhalten will. Damit macht sie aber im Ergebnis einen Anspruch auf Befristung mit sofortiger Wirkung geltend. Dieses Begehren hat in der Sache auch Erfolg. Ziffer 2 des RP-Bescheids ist nämlich rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, weil sie einen Anspruch auf sofortige Beseitigung der Sperrwirkung - mithin eine Befristung auf Null - hat (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
33 
Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG werden die in den vorangehenden Sätzen 1 und 2 bezeichneten (Sperr-)Wirkungen der Ausweisung auf Antrag in der Regel befristet. Diese Regelung ist eine wichtige Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und stellt als solche einen bedeutsamen Baustein im abgestuften Regelungsgefüge des deutschen Ausländerrechts zur Aufenthaltsbeendigung dar. Sie hat unmittelbar drittschützende Wirkung dahingehend, dass der Ausländer bei Vorliegen eines Regelfalles einen Anspruch auf Befristung überhaupt sowie einen Anspruch auf fehlerfreie Ausübung des der Ausländerbehörde hinsichtlich der Fristdauer eingeräumten Ermessens hat, der sich bei der Ermessensreduzierung „auf Null“ auf eine bestimmte Fristdauer/-modalität verengen kann. Für die bei der Fristbemessung maßgeblichen Grundsätze gilt, dass sie am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und am ordnungsrechtlichen Zweck - hier Spezialprävention - der zu befristenden Maßnahme zu orientieren ist. Bei der Prognose, ob bzw. wie lange der ordnungsrechtliche Zweck die Sperrwirkung weiterhin erfordert, sind alle - vor allem auch nachträglich eintretende - Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, soweit sie geltend gemacht (§ 82 AufenthG) oder sonst für die Behörde erkennbar sind. Schließlich sind - sei es als Element der eigentlichen Prognoseentscheidung selbst oder aber als selbstständiges fristverkürzendes Element - die aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen höherrangigen Rechts, vornehmlich die Wertentscheidungen des Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 und 2 EMRK sowie der im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) verankerte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten (vgl. grundlegend und mit zahlr. Nachweisen zur identischen Vorgängervorschrift des § 8 Abs. 2 Satz 3 AuslG: VGH Bad.-Württ., Urt. v. 26.3.2003 - 11 S 59/03 - InfAuslR 2003, 334). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage des mit der Verpflichtungsklage geltend gemachten Anspruchs auf Befristung der Wirkungen der Ausweisungsverfügung ist dabei der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. - wenn die Entscheidung, wie hier, ohne mündliche Verhandlung ergeht - der Zeitpunkt, in dem die Entscheidung gefällt wird (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 29.1.1997 - 11 S 2142/96 - InfAuslR 1997, 158; Armbruster, in HTK-AuslR, § 11 AufenthG / zu Abs. 1 Satz 3, 5 und 6 > Nr. 9 Rechtsschutz > Nr. 4).
34 
Vorliegend kommt der Schutz des Art. 8 EMRK der Klägerin zugute. Im Rahmen der Befristung der Ausweisung ist zwingend sicherzustellen, dass unzumutbare Auswirkungen, die eine Rückkehr in die Türkei für sie hätte, unterbleiben. Dies aber kann - mit der Folge einer Ermessensreduktion auf Null - nur dadurch geschehen, dass die Sperrwirkung sofort, d.h. noch während der Anwesenheit der Klägerin in Deutschland wegfällt. Sowohl die Klägerin als Migrantin der zweiten Generation als auch ihre beiden Kinder Sibel (17 Jahre alt - sie wird am 17.12.2007 18 Jahre) und Ali-Erdal (10 Jahre alt - er wird am 8.12.2007 11 Jahre) - sie sind Migranten der dritten Generation - können sich auf den Schutz des Familienlebens nach Art. 8 Abs. 1 EMRK berufen. Die mit einer längeren Befristung - und sei es auch nur von wenigen Monaten - verbundene Folge einer Rückkehr der Klägerin in Türkei hätte mehrfache, erheblich nachteilige Folgen, die diesen Eingriff im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK in einer demokratischen Gesellschaft nicht als notwendig bzw. nicht als zumutbar darstellen.
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An der Existenz und Schutzwürdigkeit eines Familienlebens kann kein Zweifel bestehen. Die beiden minderjährigen Kinder haben zwar eine nicht ganz unbeträchtliche Zeit bei Großmutter und Tante gelebt, das erfolgte erkennbar jedoch vor dem Hintergrund, dass sie für den Fall einer Abschiebung der Klägerin in die Türkei hier bleiben und versorgt sein sollten. Von Februar 2004 bis Mai 2006 hatte die Klägerin zwar das Sorgerecht für ihre beiden jüngsten Kinder auf ihre Mutter übertragen lassen. Seither besitzt sie es jedoch wieder und lebt auch mit den Kindern zusammen. Der Hinweis des RP Freiburg, die Klägerin habe am 24.7.2006 erklärt, keine Umverteilung zu ihren Kindern nach Singen zu wollen, geht von falschen Voraussetzungen aus. Zu keiner Zeit konnte dem entnommen werden, dass die Klägerin nicht mit ihren Kindern zusammenleben wollen. Vielmehr war diese Erklärung so gemeint, dass sie zwar in Villingen-Schwenningen bleiben, jedoch dort zusammen mit den Kindern wohnen wollte. Das wird auch dadurch bestätigt, dass die Klägerin mittlerweile mit ihren beiden minderjährigen Kindern sowie ihrem erwachsenen Sohn aus der ersten Ehe dort eine neue Wohnung bezogen hat.
36 
Eine Rückkehr der Klägerin in die Türkei würde entweder einen unzumutbaren Zwang auf die minderjährigen Kinder ausüben, ihr zu folgen, oder aber eine unzumutbare Trennung nach sich ziehen. Es ist davon auszugehen, dass Sibel und Ali-Erdal dauerhaft in Deutschland bleiben dürfen. Dies folgt entweder daraus, dass sie ihrerseits gemäß Art. 7 ARB 1/80 assoziationsbegünstigt begünstigt sind, oder jedenfalls daraus, dass ihnen i.V.m. Art. 8 Abs. 1 EMRK und den Vorschriften über die Aufenthaltserlaubnis ein nationales Recht zusteht. Die beiden Kinder sind nämlich hier geboren und haben Zeit ihres Lebens - das sind im heutigen Entscheidungszeitpunkt über 17 bzw. über 10 Jahre - in diesem Land und seinem kulturellen sprachlichen Umfeld gelebt und sind hier bislang zur Schule gegangen. Unabhängig davon, ob sie die türkische Sprache zumindest in Grundzügen beherrschen mögen, haben sie sonst offensichtlich keine Bindungen zur Türkei - alle nahen Familienangehörigen leben offensichtlich ebenfalls in Deutschland -, sodass ihnen als faktischen Inländern eine Rückkehr dorthin bzw. ein Leben dort unzumutbar wäre. Eine Trennung von ihrer Mutter wäre ihnen nicht zuzumuten. Sie können nicht darauf verwiesen werden, andere Verwandte - so wie in der Vergangenheit Großmutter und Tante - seien zur Betreuung fähig bzw. bereit. Sowohl der Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG als auch derjenige des Art. 8 EMRK beinhaltet nämlich auch die Befugnis zu entscheiden, welche Personen miteinander in Beistandsgemeinschaft leben wollen.
37 
Das Gericht ist schließlich auch davon überzeugt, dass die Kinder weder zusammen mit ihrer Mutter noch dass diese allein auch nur vorübergehend in der Türkei derart Fuß fassen könnten, dass eine reale Existenzmöglichkeit dort bestünde. Die Kinder sind für die Existenzsicherung auf die Mutter angewiesen. Die Klägerin jedoch ist, das darf trotz ihrer erheblichen Strafbarkeit nicht verkannt werden, krank, weil heroinsüchtig. Sie hat trotz zweier umfangreicher Therapien immer wieder einen Rückfall erlitten. Zwar muss (vgl. § 42 AsylvfG) auf Grund der unanfechtbaren Asylentscheidung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 20.7.2000 davon ausgegangen werden, dass die Heroinsucht der Klägerin in der Türkei im Fall einer Rückkehr behandelt werden kann. Im übrigen hätte wohl auch in der Sache nach nichts für ein Abschiebungshindernis gesprochen (vgl. etwa VGH Bad.-Württ., Urt. v. 24.2.2003 - A 12 S 939/02 - VENSA sowie VG Freiburg, Urt. v. 21.11.2003 - 1 K 205/02 - VENSA). Die negativen Auswirkungen auf die Familie sowie die mit dem Zwang zu einer auch nur vorübergehenden Integration in der Türkei einhergehende Überlastung der persönlichen und sozialen Kräfte der Klägerin sind damit jedoch nicht bindend verneint worden. Maßnahmen aber, die Familienmitglieder an einem Zusammenleben hindern bzw. auseinanderreißen, stellen einen sehr schwerwiegenden Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Recht dar (EGMR, Urt. v. 31.1.2006 - 50252/99 [Sezen] - InfAuslR 2006, 255). Das gilt umso mehr hier, wo die Klägerin und ihre Kinder sich in einer zweifellos problematischen Lebenssituation befinden, und gerade deshalb besonders aufeinander angewiesen sind, um ein Mindestmaß an Stabilität zu gewährleisten. Ausgehend von einem Aufenthaltsrecht der Kinder wird auch die Klägerin wieder einen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis geltend machen können. Insoweit liegt nämlich eine außergewöhnliche Härte i.S.v. § 36 AufenthG vor.
38 
Der Gesichtspunkt einer von der Klägerin angesichts späterer einschlägiger Betäubungsmittelstraftaten auch im heutigen Zeitpunkt ausgehenden Wiederholungsgefahr muss vor diesem gesamten Hintergrund zurücktreten. Begreift man, wie oben dargelegt, ihre gesamte persönliche und auch familiäre Situation als äußerst problematisch, so mag sogar zu ihren Gunsten berücksichtigt werden, dass die zuletzt erfolgte Verurteilung vom 30.9.2004 durch das Amtsgericht Villingen-Schwenningen eine Aussetzung der Strafvollstreckung zur Bewährung aussprach. Wenngleich ein solcher Umstand zwar tatsächliches Gewicht hat, gleichwohl aber im ordnungsrechtlichen Kontext nicht ausländerrechtliche Maßnahmen der Spezialprävention verhindern muss, so ist doch zu beachten, dass offensichtlich auch das Strafgericht der Möglichkeit einer Resozialisierung der Klägerin für ihre Person eine besonders wichtige Bedeutung zugemessen hat.
39 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO; das Gericht hat keinen Anlass, sie für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 167 Abs. 2 VwGO). Gründe für eine Zulassung der Berufung liegen nicht vor, weshalb hinsichtlich der Anfechtbarkeit dieses Urteils folgendes gilt: (Rechtsmittelbelehrung).

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens zugunsten des Verurteilten ist zulässig,

1.
wenn eine in der Hauptverhandlung zu seinen Ungunsten als echt vorgebrachte Urkunde unecht oder verfälscht war;
2.
wenn der Zeuge oder Sachverständige sich bei einem zuungunsten des Verurteilten abgelegten Zeugnis oder abgegebenen Gutachten einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht oder einer vorsätzlichen falschen uneidlichen Aussage schuldig gemacht hat;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf die Sache einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten schuldig gemacht hat, sofern die Verletzung nicht vom Verurteilten selbst veranlaßt ist;
4.
wenn ein zivilgerichtliches Urteil, auf welches das Strafurteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftig gewordenes Urteil aufgehoben ist;
5.
wenn neue Tatsachen oder Beweismittel beigebracht sind, die allein oder in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen die Freisprechung des Angeklagten oder in Anwendung eines milderen Strafgesetzes eine geringere Bestrafung oder eine wesentlich andere Entscheidung über eine Maßregel der Besserung und Sicherung zu begründen geeignet sind,
6.
wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder ihrer Protokolle festgestellt hat und das Urteil auf dieser Verletzung beruht.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Der Aufenthaltstitel erlischt in folgenden Fällen:

1.
Ablauf seiner Geltungsdauer,
2.
Eintritt einer auflösenden Bedingung,
3.
Rücknahme des Aufenthaltstitels,
4.
Widerruf des Aufenthaltstitels,
5.
Ausweisung des Ausländers,
5a.
Bekanntgabe einer Abschiebungsanordnung nach § 58a,
6.
wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach nicht vorübergehenden Grunde ausreist,
7.
wenn der Ausländer ausgereist und nicht innerhalb von sechs Monaten oder einer von der Ausländerbehörde bestimmten längeren Frist wieder eingereist ist,
8.
wenn ein Ausländer nach Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß der §§ 22, 23 oder § 25 Abs. 3 bis 5 einen Asylantrag stellt;
ein für mehrere Einreisen oder mit einer Geltungsdauer von mehr als 90 Tagen erteiltes Visum erlischt nicht nach den Nummern 6 und 7.

(1a) Die Gültigkeit einer nach § 19 erteilten ICT-Karte erlischt nicht nach Absatz 1 Nummer 6 und 7, wenn der Ausländer von der in der Richtlinie 2014/66/EU vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch macht, einen Teil des unternehmensinternen Transfers in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union durchzuführen. Die Gültigkeit einer nach § 16b oder § 18d erteilten Aufenthaltserlaubnis erlischt nicht nach Absatz 1 Nummer 6 und 7, wenn der Ausländer von der in der Richtlinie (EU) 2016/801 vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch macht, einen Teil des Studiums oder des Forschungsvorhabens in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union durchzuführen.

(2) Die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers, der sich mindestens 15 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat sowie die Niederlassungserlaubnis seines mit ihm in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ehegatten erlöschen nicht nach Absatz 1 Nr. 6 und 7, wenn deren Lebensunterhalt gesichert ist und kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder Absatz 2 Nummer 5 bis 7 besteht. Die Niederlassungserlaubnis eines mit einem Deutschen in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ausländers erlischt nicht nach Absatz 1 Nr. 6 und 7, wenn kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder Absatz 2 Nummer 5 bis 7 besteht. Zum Nachweis des Fortbestandes der Niederlassungserlaubnis stellt die Ausländerbehörde am Ort des letzten gewöhnlichen Aufenthalts auf Antrag eine Bescheinigung aus.

(3) Der Aufenthaltstitel erlischt nicht nach Absatz 1 Nr. 7, wenn die Frist lediglich wegen Erfüllung der gesetzlichen Wehrpflicht im Heimatstaat überschritten wird und der Ausländer innerhalb von drei Monaten nach der Entlassung aus dem Wehrdienst wieder einreist.

(4) Nach Absatz 1 Nr. 7 wird in der Regel eine längere Frist bestimmt, wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach vorübergehenden Grunde ausreisen will und eine Niederlassungserlaubnis besitzt oder wenn der Aufenthalt außerhalb des Bundesgebiets Interessen der Bundesrepublik Deutschland dient. Abweichend von Absatz 1 Nummer 6 und 7 erlischt der Aufenthaltstitel eines Ausländers nicht, wenn er die Voraussetzungen des § 37 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 erfüllt, rechtswidrig mit Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Eingehung der Ehe genötigt und von der Rückkehr nach Deutschland abgehalten wurde und innerhalb von drei Monaten nach Wegfall der Zwangslage, spätestens jedoch innerhalb von zehn Jahren seit der Ausreise, wieder einreist.

(5) Die Befreiung vom Erfordernis des Aufenthaltstitels entfällt, wenn der Ausländer ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben wird; § 11 Absatz 2 bis 5 findet entsprechende Anwendung.

(6) Räumliche und sonstige Beschränkungen und Auflagen nach diesem und nach anderen Gesetzen bleiben auch nach Wegfall des Aufenthaltstitels oder der Aussetzung der Abschiebung in Kraft, bis sie aufgehoben werden oder der Ausländer seiner Ausreisepflicht nachgekommen ist.

(7) Im Falle der Ausreise eines Asylberechtigten oder eines Ausländers, dem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unanfechtbar die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat, erlischt der Aufenthaltstitel nicht, solange er im Besitz eines gültigen, von einer deutschen Behörde ausgestellten Reiseausweises für Flüchtlinge ist. Der Ausländer hat auf Grund seiner Anerkennung als Asylberechtigter oder der unanfechtbaren Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge keinen Anspruch auf erneute Erteilung eines Aufenthaltstitels, wenn er das Bundesgebiet verlassen hat und die Zuständigkeit für die Ausstellung eines Reiseausweises für Flüchtlinge auf einen anderen Staat übergegangen ist.

(8) Vor der Aufhebung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 38a Abs. 1, vor einer Ausweisung eines Ausländers, der eine solche Aufenthaltserlaubnis besitzt und vor dem Erlass einer gegen ihn gerichteten Abschiebungsanordnung nach § 58a gibt die zuständige Behörde in dem Verfahren nach § 91c Absatz 2 über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dem Mitgliedstaat der Europäischen Union, in dem der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten besitzt, Gelegenheit zur Stellungnahme, wenn die Abschiebung in ein Gebiet erwogen wird, in dem diese Rechtsstellung nicht erworben werden kann. Geht die Stellungnahme des anderen Mitgliedstaates rechtzeitig ein, wird sie von der zuständigen Behörde berücksichtigt.

(8a) Soweit die Behörden anderer Schengen-Staaten über Entscheidungen nach Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009, die durch die Ausländerbehörden getroffen wurden, zu unterrichten sind, erfolgt dies über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden unterrichten die Behörden anderer Schengen-Staaten unmittelbar über ihre Entscheidungen nach Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009.

(9) Die Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU erlischt nur, wenn

1.
ihre Erteilung wegen Täuschung, Drohung oder Bestechung zurückgenommen wird,
2.
der Ausländer ausgewiesen oder ihm eine Abschiebungsanordnung nach § 58a bekannt gegeben wird,
3.
sich der Ausländer für einen Zeitraum von zwölf aufeinander folgenden Monaten außerhalb des Gebiets aufhält, in dem die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten erworben werden kann; der Zeitraum beträgt 24 aufeinanderfolgende Monate bei einem Ausländer, der zuvor im Besitz einer Blauen Karte EU war, und bei seinen Familienangehörigen, die zuvor im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 30, 32, 33 oder 36 waren,
4.
sich der Ausländer für einen Zeitraum von sechs Jahren außerhalb des Bundesgebiets aufhält oder
5.
der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erwirbt.
Auf die in Satz 1 Nr. 3 und 4 genannten Fälle sind die Absätze 2 bis 4 entsprechend anzuwenden.

(10) Abweichend von Absatz 1 Nummer 7 beträgt die Frist für die Blaue Karte EU und die Aufenthaltserlaubnisse nach den §§ 30, 32, 33 oder 36, die den Familienangehörigen eines Inhabers einer Blauen Karte EU erteilt worden sind, zwölf Monate. Gleiches gilt für die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers, der sich mindestens 15 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat sowie die Niederlassungserlaubnis eines mit ihm in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ehegatten, wenn sie das 60. Lebensjahr vollendet haben.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

Tenor

Ziffer 2 des Bescheids des RP Freiburg vom 4.8.2006 wird aufgehoben. Das beklagte Land - RP Freiburg - wird verpflichtet, die Sperrwirkung der Ausweisung vom 8.10.1999 mit sofortiger (d.h. ab Bekanntgabe des Bescheids eintretender) Wirkung zu befristen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin und das beklagte Land jeweils 1/2.

Tatbestand

 
Die Klägerin begehrt die Aufhebung einer unanfechtbaren Ausweisung, hilfsweise die Befristung deren Sperrwirkung.
Die am 14.3.1968 geborene Klägerin ist türkische Staatsangehörige. Ihren Nachnamen trägt sie seit einer am 24.8.2000 geschlossenen und am 22.1.2004 geschiedenen (kinderlosen) Ehe mit einem deutschen Staatsangehörigen. Sie hält sich seit Oktober 1973, als sie mit ihren Eltern einreiste, in Deutschland auf. Erstmals unter dem 24.4.1984 erhielt sie als damals 16-jährige eine Aufenthaltserlaubnis, die in der Folgezeit regelmäßig verlängert wurde und zuletzt bis zum 1.7.1999 befristet war. Die Klägerin ist Mutter von fünf Kindern. Die drei ältesten Kinder (Sohn S., geboren 1985, sowie Zwillingssöhne O. und L., geboren 1988) stammen aus einer am 21.6.1984 mit einem türkischen Landsmann geschlossenen und im März 1993 geschiedenen Ehe und leben beim Vater, der das Sorgerecht für sie hat. Zwei weitere Kinder, die ausschließlich in Deutschland aufgewachsen sind, entstammen einer (nicht-ehelichen) Beziehung zu einem anderen Landsmann und wurden am 17.12.1989 (Tochter Si.) bzw. am 8.12.1996 (Sohn A.) geboren. Die ursprünglich von der Klägerin für diese beiden Kinder ausgeübte elterliche Sorge wurde zunächst mit Beschluss des Amtsgerichts Villingen-Schwenningen vom 16.2.2004 auf die Mutter der Klägerin übertragen und später mit Beschluss des Amtsgerichts Singen vom 30.5.2006 auf sie zurückübertragen.
Strafrechtlich ist die Klägerin mehrfach in Erscheinung getreten, und zwar u.a. wie folgt:
Rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Konstanz vom 12.8.1999
Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten wegen Beihilfe zum Erwerb von Betäubungsmitteln (Heroin) in Tateinheit mit Handeltreiben, wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben, wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Handeltreiben in zwei Fällen, wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen, davon siebenmal in Tateinheit mit Handeltreiben, wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in acht Fällen, wegen Erwerbs von Betäubungsmitteln in drei Fällen, davon zweimal in Tateinheit mit Handeltreiben ( Tatzeitpunkte: Ende 1996 bis Mitte 1998 ). Die seit Sommer 1997 betäubungsmittelabhängige Klägerin befand sich wegen dieser Taten zunächst vom 4.8.1998 bis 14.10.1998 in U-Haft. Es folgte eine dreiwöchige Mutter-Kind-Kur, in deren Anschluss sie einen Drogenrückfall erlitt. Deshalb wurde sie am 23.4.1999 wieder in U-Haft genommen, ab 16.8.1999 in Strafhaft. Ab 25.8.1999 stellte die Staatsanwaltschaft Konstanz die Vollstreckung der Strafe zurück, damit die Klägerin sich in eine Therapieeinrichtung zur Behandlung ihrer Abhängigkeit begeben konnte. Die stationäre Behandlung erfolgte bis zum 24.2.2000
Rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Villingen-Schwenningen vom 15.11.2002
Freiheitsstrafe von 2 Monaten zur Bewährung wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln (Heroin); Tatzeitpunkt: März/April 2001.
Rechtskräftiges Urteil des Amtsgericht Villingen-Schwenningen vom 30.9.2004
Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren zur Bewährung wegen Besitzes von Betäubungsmitteln (Heroin) in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln sowie Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in sieben Fällen, in drei Fällen in Tateinheit mit Erwerb von Betäubungsmitteln, in vier Fällen in Tateinheit mit gewerbsmäßiger Hehlerei ( Tatzeitpunkt: 2003 ). Betreffend die Aussetzung der Strafvollstreckung führte das Strafgericht aus, diese sei „trotz erheblicher Bedenken“, die sich aus dem zweimaligen Bewährungsbruch ergäben, ausgesetzt worden.
10 
In weiteren Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz sah die Staatsanwaltschaft Konstanz von einer Verfolgung ab (Verfügung vom 28.1.2003) bzw. stellte das Verfahren gem. § 154 d Satz 3 StPO ein (Verfügung vom 14.12.2004).
11 
Am 29.6.2006 wurde die Klägerin unerlaubt in der Schweiz angetroffen. Ein Drug-Wipe-Test verlief positiv auf Opiate/Heroin. Die Klägerin ließ sich dahin ein, sie habe einmalig in Zürich Heroin im Wege einer Aufnahme durch die Nase konsumiert.
12 
Wegen der Straftaten, die dem vorgenannten Strafurteil vom 12.8.1999 zu Grunde lagen, wurde die Klägerin mit Verfügung des RP Freiburg vom 8.10.1999 - gestützt auf die Vorschriften der Ist-Ausweisung (§ 47 Abs. 1 AuslG) und unter Verneinung besonderen Ausweisungsschutzes - unbefristet ausgewiesen. Ferner wurde sie zur Ausreise aufgefordert und die Abschiebung in die Türkei angedroht. Vorläufiger Rechtsschutz gegen diese Entscheidung blieb ebenso erfolglos (Beschluss VG Freiburg vom 1.12.1999 - 9 K 2442/99), wie die Anfechtungsklage, die im März 2001 zurückgenommen wurde; ein weiterer Eilantrag, die Abschiebung auszusetzen, war davor erneut durch das VG Freiburg (Beschluss vom 29.6.2000 - 9 K 1230/00) abgelehnt worden. Gleichwohl kam es nicht zu einer - auf den 31.3.2000 vorgesehenen - Abschiebung der Klägerin und ihrer beiden jüngsten Kinder, weil diese nicht aufzufinden waren. Ein am 13.7.2000 für sich und die beiden Kinder gestellter Asylantrag blieb sowohl vor dem Bundesamt (ou-Ablehnung vom 20.7.2000) als auch im asylrechtlichen Eil- und Klageverfahren vor dem VG Freiburg erfolglos. Am 24.8.2000 erfolgte die Heirat des deutschen Staatsangehörigen H. M.. Die Klägerin erhielt in der Folgezeit - bedingt durch diese Verheiratung, durch Ablauf und erforderliche Verlängerung ihrer Personalpapiere, ferner spätere strafrechtliche Ermittlungen sowie einen Härtefallantrag - bis heute Duldungen.
13 
Einen Antrag, die Sperrwirkung der Ausweisung zu befristen, stellte die Klägerin am 11.3.2003. Das RP Freiburg stellte eine Entscheidung bis zum Nachweis über die freiwillige Ausreise zurück. Vom 7.9.2004 bis 7.6.2005 befand sich die Klägerin erneut in einer stationären Entwöhnungsbehandlung. Mit Schreiben vom 7.12.2005 kündigte das RP Freiburg der Klägerin, deren Härtefallantrag zuvor abgelehnt worden war, die Abschiebung an und gab ihr Gelegenheit, bis 23.12.2005 freiwillig auszureisen. Unter dem 11.1.2006 ließ die Klägerin anwaltlich erklären, sie sei zur freiwilligen Ausreise bereit, wenn ihr, in Verbindung mit einer Befristung der Ausweisungswirkungen, ein Recht auf spätere Familienzusammenführung zu ihren Kindern zugesichert werde. Am 26.1.2006 beantragte sie, mit Blick auf eine geänderte Rechtslage das Ausweisungsverfahren wiederaufzugreifen und die Ausweisung zurückzunehmen bzw. hilfsweise zu widerrufen. Zur Begründung gab sie an, im Anschluss an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts sei die Ausweisung aus dem Jahr 1999 rechtswidrig, weil sie nicht als Ermessensentscheidung ergangen sei und weil gegen die Verfahrensvorschrift des Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG verstoßen worden sei. Da in der Folgezeit keine Entscheidung getroffen wurde, erhob die Klägerin am 29.5.2006 Untätigkeitsklage (1 K 1026/06). Dieses Verfahren wurde auf Grund übereinstimmender Erledigungserklärungen mit Beschluss des Berichterstatters vom 30.8.2006 eingestellt.
14 
Mit vorliegend streitgegenständlichem (und Grund für die Erledigung der zuvor genannten Untätigkeitsklage bildenden) Bescheid vom 4.8.2006 (zugestellt am 10.8.2006) lehnte das RP Freiburg das Wiederaufgreifen des Verfahrens und eine Rücknahme der Ausweisungsentscheidung vom 8.10.1999 ab (Ziff. 1). Ferner wurden die Wirkungen der genannten Ausweisung nachträglich auf 5 Jahre und 6 Monate ab Ausreise der Klägerin befristet (Ziff. 2). Zur Begründung wurde angeführt, ein Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens im engeren Sinne gemäß § 51 LVwVfG bestehe nicht. Eine Änderung der Rechtsprechung stelle keine Änderung der Rechtslage dar. Über ein Wiederaufgreifen im weiteren Sinne sei nach Ermessen zu entscheiden. Eine Ermessensreduzierung auf Null liege im Fall der Klägerin nicht vor, weil die Aufrechterhaltung der Ausweisung nicht schlechthin unerträglich sei. Die Klägerin sei bis heute ihrer Ausreisepflicht nicht nachgekommen. Auch nach der Ausweisung sei sie erneut einschlägig straffällig geworden und wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz verurteilt worden. Ferner habe sie sich zweimal unerlaubt in der Schweiz aufgehalten. Dass sie ihre Drogensucht tatsächlich erfolgreich überwunden habe, sei nicht ersichtlich. Immer wieder sei sie rückfällig geworden, zuletzt habe sie nach eigenen Angaben am 28.6.2006 in Zürich Heroin konsumiert. Daraus ergebe sich aber, dass weitere schwere Straftaten konkret zu befürchten seien. Gegen eine Rücknahme spreche auch, dass die Klägerin es versäumt habe, die Ausweisungsverfügung gerichtlich überprüfen zu lassen. Ferner sei für den Fall eines Wegfalls der Wiederholungsgefahr das Befristungsverfahren spezialgesetzlich vorrangig vor demjenigen eines Widerrufs. Im Übrigen hätte auch damals angesichts der tatsächlichen Umstände eine Ermessensausweisung ergehen können. Im Hinblick auf das hohe Rechtsgut der Rechtssicherheit könne das Vorliegen eines formellen Fehlers nicht zur Durchbrechung der Bestandskraft führen. Auch die Entscheidung über eine Rücknahme liege im Ermessen und setze, solle ausnahmsweise eine Reduzierung auf Null erfolgen, voraus, dass die Aufrechterhaltung mit Blick auf die materielle Gerechtigkeit schlechthin unerträglich sei. Ferner verlange Gemeinschaftsrecht grundsätzlich nicht, eine bestandskräftige Verwaltungsentscheidung zurückzunehmen. Bei Berücksichtigung aller Einzelfallumstände sei bedeutsam, dass die Klägerin ihre Klage gegen die Ausweisung Entscheidung zurückgenommen habe. Ferner müsse, wie bereits dargelegt, auch weiterhin von einer Wiederholungsgefahr ausgegangen werden. Auch wegen weiterer Ermessenserwägungen könne auf obige Ausführungen verwiesen werden, sodass kein Anlass bestehe, die Ausweisungsentscheidung zurückzunehmen. Bei der Befristung der Sperrwirkung der Ausweisung sei die noch zu § 8 Abs. 2 AuslG ergangene Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums vom 25.1.2002 entsprechend heranzuziehen gewesen. Da die Klägerin nur im Rahmen einer Ermessensentscheidung hätte ausgewiesen werden dürfen, sei folglich Ziff. 1.3.1 einschlägig. Ausgehend von der verhängten Strafe von zwei Jahren und sechs Monaten liege ein Regelfall von fünf Jahren und sechs Monaten vor. Dabei sei berücksichtigt worden, dass die Ausweisung bereits längere Zeit zurückliege. Allerdings habe sich die Gefahrenprognose nicht zu Gunsten der Klägerin verändert, weil sie erneut einschlägig verurteilt worden und weitere Ermittlungsverfahren nur im Hinblick auf diese Verurteilungen eingestellt worden seien. Die Aussetzung der späteren Freiheitsstrafen zur Bewährung sei trotz erheblichen Bedenken ergangen und ohne die Stellung einer positiven Sozialprognose erfolgt. Absolvierte Drogentherapien seien angesichts von Rückfällen nicht erfolgreich gewesen. Auch der Umstand, dass die Klägerin im Mai 2006 das Sorgerecht für ihre beiden jüngsten Kinder wieder zurückerhalten habe, stehe nicht entgegen. Die Kinder seien türkische Staatsangehörige und könnten jederzeit mit zurückkehren. Da sie in einer türkischen Großfamilie aufgewachsen seien, müssten sie mit der türkischen Sprache vertraut sein. Andererseits gebe es auch keine Hinweise, dass die Kinder auf eine dauernde Anwesenheit der Klägerin in Deutschland angewiesen seien. Während ihrer Inhaftierung und Drogentherapie hätten sie nämlich nicht zusammengelebt. Vielmehr seien sie von Schwester bzw. Mutter der Klägerin aufgezogen worden. Auch während des unerlaubten Aufenthalts in der Schweiz seien die Kinder bei Verwandten zurückgelassen worden. Am 24.7.2006 habe die Klägerin noch erklärt, sie wolle nicht nach Singen zu ihren Kindern umverteilt werden, sondern im Raum Villingen-Schwenningen bleiben.
15 
Die Klägerin hat am 23.8.2006 Klage erhoben. Sie wiederholt ihren Vortrag zur formellen und materiellen Rechtswidrigkeit der Ausweisung und weist ergänzend darauf hin, gerade durch die Aufrechterhaltung der Ausweisung werde es ihr äußerst schwer gemacht, sich hier zur resozialisieren. Ohne Aufenthaltstitel und nur mit einer Duldung sei sie als Alleinerziehende mit zwei Kindern ungeheuer belastet. Das RP Freiburg verkenne gerade auch die assoziationsrechtlichen Maßgaben, wonach die Begünstigten nur aufgrund einer Ermessensentscheidung ausgewiesen werden dürften und ein deutliches Überwiegen öffentlicher Interessen zu verlangen sei. Betrachte man die Tatsache, dass bislang sieben Jahre vom Vollzug der Ausweisung abgesehen worden sei, und dass sie, die Klägerin, für zwei hier im Bundesgebiet geborene und aufgewachsene Kinder das alleinige Sorgerecht habe, so überwögen jedoch die privaten Interesse deutlich. Ferner würden die Rechte aus Art. 6 GG und Art. 8 EMRK verletzt, weil die beiden Kinder keinerlei Bezug zur Türkei hätten und einen Trennung unverhältnismäßig sei. Schließlich stelle auch die erfolgte Befristungsentscheidung aufgrund der langen Dauer eine unzumutbare Beeinträchtigung dar.
16 
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
17 
den Bescheid des RP Freiburg vom 4.8.2006 aufzuheben und das beklagte Land - RP Freiburg - zu verpflichten die unter dem 8.10.1999 verfügte Ausweisung aufzuheben;
 
18 
hilfsweise unter Aufhebung der Ziff. 2 des Bescheids des RP Freiburg vom 4.8.2006 das beklagte Land - RP Freiburg - zu verpflichten die Sperrwirkung der Ausweisung vom 8.10.1999 mit sofortiger Wirkung zu befristen.
19 
Das beklagte Land beantragt,
20 
die Klage abzuweisen.
21 
Es bezieht sich auf die angefochtene Entscheidung und fügt ergänzend hinzu, selbst wenn man die Anwendbarkeit der Richtlinie 2004/38/EG vom 29.4.2004 auf Assoziationsbegünstigte bejahe, so sei sie auf die Ausweisung der Klägerin mangels Rückwirkung nicht anzuwenden. Für geänderte materielle Anforderungen stelle folglich das Befristungsverfahren eine vorrangige Spezialregelung dar. Laut Mitteilung des Polizeipräsidiums Stuttgart vom 12.6.2007 sei derzeit ein Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin wegen Wechselfallenschwindels anhängig.
22 
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie den Akteninhalt (6 Hefte des RP Freiburg, ein Heft Gerichtsakten der erledigten Untätigkeitsklage 1 K 1026/06) Bezug genommen. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

 
23 
I. Der zulässige Hauptantrag, der auf eine Aufhebung der bestandskräftigen Ausweisung zielt (vgl. dazu, dass die Wirkungen von Ausweisungen, die vor diesem Zeitpunkt gegenüber nach dem ARB 1/80 privilegierten türkischen Staatsangehörigen verfügt und bestandskräftig geworden sind, mit dem Inkrafttreten des AufenthG am 1.1.2005 nicht entfallen sind: VGH Bad.-Württ., Urt. v. 24.1.2007 - 13 S 451/06 - InfAuslR 2007, 182; Beschl. v. 13.4.2006 - 1 S 734/06 - VENSA), ist unbegründet. Die Ziff. 1 der Entscheidung des RP Freiburg vom 4.8.2006 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).
24 
Einen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens im engeren Sinne gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG sowie eine daran anschließende (positive) Sachentscheidung (zur Verfahrens- und Entscheidungsstruktur im Rahmen des § 51 LVwVfG vgl. für die bundesrechtliche Regelung: Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Auflage 2001, § 51 Rnrn. 22 ff.: eigenständige Neubescheidung ohne Bezug zu §§ 48, 49 VwVfG) hat das RP Freiburg zu Recht abgelehnt. Die geltend gemachte Änderung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stellt keine neue Rechtslage dar. Wegen Einzelheiten kann insoweit auf den Beschluss des VGH Baden-Württemberg vom 29.3.2007 (11 S 2147/06 dort Entsch.-Seiten 5/6) im Beschwerdeverfahren, welches das PKH-Begehren der Klägerin im erledigten Verfahren 1 K 1026/06 betraf, Bezug genommen werden.
25 
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Rücknahme oder Widerruf der Ausweisung. Wie sich aus § 51 Abs. 5 LVwVfG ergibt, sind die Verfahren nach § 51 Abs. 1 bis 4 LVwVfG (sog. Wiederaufgreifen im engeren Sinne) und diejenigen der Rücknahme und des Widerrufs - sog. Wiederaufgreifen im weiteren Sinne - nicht identisch. § 51 Abs. 5 LVwVfG stellt - in Entsprechung zur bundesrechtlichen Rechtslage - klar, dass mit der Schaffung des § 51 Abs. 1 LVwVfG nichts daran geändert wird, dass auf Antrag des Betroffenen eine Ermessensentscheidung auf der Grundlage der §§ 48, 49 LVwVfG zu ergehen hat (vgl. zu §§ 51, 48, 49 VwVfG: Sachs, a.a.O., Rnr. 141 f.). Soweit dem RP Freiburg (zu dessen Zuständigkeit vgl. §§ 48 Abs. 5, 49 Abs. 5 LVwVfG i.V.m. § 12 Abs. 3 AAZuVO) folglich ein Ermessensspielraum bei der Frage der erneuten Überprüfung und Aufhebung der bestandskräftigen Ausweisung blieb, hat es in seinem Bescheid rechtsfehlerfrei entschieden, die Ausweisung nicht aufzuheben. Mit Blick auf einen Widerruf gemäß § 49 LVwVfG folgt dies bereits daraus, dass dieser spezialgesetzlich durch das Institut der Befristung i. S. v. § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG jedenfalls insoweit ausgeschlossen ist, als es um für den Fortbestand des Ausweisungszwecks erhebliche Sachverhaltsänderungen geht. Im übrigen ist nur die Rücknahme einschlägig, weil es sich bei der Ausweisung um einen (siehe sogleich) rechtswidrigen Verwaltungsakt handelt, für den § 49 LVwVfG nicht gilt.
26 
Eine Rücknahme hat das RP Freiburg rechtsfehlerfrei abgelehnt. Zutreffend ist die Behörde davon ausgegangen, dass grundsätzlich gemäß § 48 Abs. 1 LVwVfG in die Überprüfung, ob eine Rücknahme stattfinden soll, einzutreten war. Die Ausweisung vom 8.10.1999 ist nämlich rechtswidrig gewesen, weil der Klägerin eine assoziationsrechtliche Rechtsposition gemäß Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 zustand. Sie war 1973 zusammen mit ihren Eltern eingereist und hatte ihre erste Aufenthaltserlaubnis am 24.4.1984 zum Zweck der Familienzusammenführung, d.h. zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft mit einem dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehörenden türkischen Arbeitnehmer, ihren Eltern, erhalten. Mit diesen hatte sie auch die erforderliche Dauer von mindestens drei bzw. fünf Jahren - konkret bis zum 5.7.1984, als sie zu ihrem türkischen Ehemann nach Tuttlingen zog - zusammengelebt (vgl. zur Geltung des Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 entsprechend für ein Kind, das im Mitgliedstaat geboren ist und stets dort gewohnt hat: EuGH, Urt. v. 11.11.2004 - C-467/02 - [Cetinkaya] - NVwZ 2005, 198). Ihre Volljährigkeit im Zeitpunkt der Ausweisung änderte an der unmittelbar aus dem ARB 1/80 folgenden Rechtsposition ebenso wenig etwas, wie die ab 4.8.1998 erfolgte Verbüßung von U-Haft bzw. später Strafhaft im Zusammenhang mit dem Urteil des LG Konstanz vom 12.8.1999 (zu diesen Einzelheiten des Aufenthaltsrechts nach Art. 7 ARB 1/80 vgl. EuGH, Urt. v. 7.7.2005 - C-373/03 [Aydinli] - InfAuslR 2005,352; ferner EuGH, Urt. v. 16.1.2006 - C-502/04 [Torun] - InfAuslR 2006, 209). Ihre Ausweisung hätte folglich nicht, wie vom RP Freiburg damals verfügt, nach den Regelungen über die Ist-Ausweisung sondern nur nach denjenigen über die - in der Ausweisungsverfügung auch nicht hilfsweise herangezogene - Ermessensausweisung erfolgen dürfen (grundlegend: BVerwG, Urt. v. 13.9.2005 - 1 C 7/04 - BVerwGE 124, 217 = InfAuslR 2006, 110). Ferner wäre, woran es jedoch ebenfalls fehlte, formell-rechtlich zuvor eine zweite Stelle i.S.v. Art. 9 Abs. 1 RiL 64/221/EWG zu beteiligen gewesen (vgl. hierzu ebenfalls BVerwG, Urt. v. 13.9.2005, a.a.O.). Ein „dringender Fall“ i.S. der vorgenannten Vorschrift lag nicht vor, weil sich auf Grund der Strafhaft der Klägerin bzw. ihrer Drogentherapie eine von ihr ausgehende Gefahr nicht vor Abschluss eines gerichtlichen Hauptsacheverfahrens realisiert hätte und auch sonst eine Verzögerung der Ausweisungsentscheidung durch die Einschaltung einer zweiten Stelle hinnehmbar gewesen wäre (zum letztgenannten Gesichtspunkt vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 29.6.2006 - 11 S 2299/05 - VENSA).
27 
Hiervon ausgehend hat das RP Freiburg jedoch gleichwohl eine Rücknahme ablehnen dürfen und sein Ermessen insoweit rechtsfehlerfrei erkannt bzw. betätigt (zum gerichtlichen Prüfungsmaßstab vgl. § 114 VwGO).
28 
Umstände, nach denen sich das der Behörde von § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG eingeräumte Ermessen dahin verdichtet hätte, dass nur die Rücknahme des Bescheides ermessensfehlerfrei wäre, liegen nicht vor. Bei der Ausübung des Rücknahmeermessens ist in Rechnung zu stellen, dass dem Grundsatz der materiellen Gerechtigkeit prinzipiell kein größeres Gewicht zukommt als dem Grundsatz der Rechtssicherheit, sofern dem anzuwendenden Recht nicht ausnahmsweise eine andere Wertung zu entnehmen ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts besteht mit Blick auf das Gebot der materiellen Gerechtigkeit ausnahmsweise dann ein Anspruch auf Rücknahme eines bestandskräftigen Verwaltungsakts, wenn dessen Aufrechterhaltung „schlechthin unerträglich" ist, was von den Umständen des Einzelfalles und einer Gewichtung der einschlägigen Gesichtspunkte abhängt. Allein die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts begründet keinen Anspruch auf Rücknahme, da der Rechtsverstoß lediglich die Voraussetzung einer Ermessensentscheidung der Behörde ist. Das Festhalten an dem Verwaltungsakt ist insbesondere dann „schlechthin unerträglich", wenn die Behörde durch unterschiedliche Ausübung der Rücknahmebefugnis in gleichen oder ähnlich gelagerten Fällen gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstößt oder wenn Umstände gegeben sind, die die Berufung der Behörde auf die Unanfechtbarkeit als einen Verstoß gegen die guten Sitten oder Treu und Glauben erscheinen lassen. Die offensichtliche Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, dessen Rücknahme begehrt wird, kann ebenfalls die Annahme rechtfertigen, seine Aufrechterhaltung sei schlechthin unerträglich. Ferner kann in dem einschlägigen Fachrecht eine bestimmte Richtung der zu treffenden Entscheidung in der Weise vorgegeben sein, dass das Ermessen im Regelfall nur durch die Entscheidung für die Rücknahme des Verwaltungsakts rechtmäßig ausgeübt werden kann, so dass sich das Ermessen in diesem Sinne als intendiert erweist (vgl. zusammenfassend: BVerwG, Urteil v. 17.1.2007 - 6 C 32.06 - Juris).
29 
Umstände, die das Ermessen hin auf eine Rücknahme reduziert hätten oder die das RP Freiburg sonst - im Rahmen eines verbleibenden Spielraums - fehlerhaft unberücksichtigt gelassen oder falsch gewichtet hätte, liegen hier nicht vor. Von einer offensichtlichen Europa- bzw. Assoziationsrechtswidrigkeit kann angesichts des Zeitpunkts der Ausweisungsentscheidung im Jahr 1999 - über 5 Jahre vor Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung - nicht ausgegangen werden (vgl. in diesem Sinne sogar noch für eine unter dem 5.9.2005 verfügte Ausweisung durch das RP Freiburg: VG Freiburg, Urt. v. 28.3.2007 - 1 K 505/06). Ein Festhalten an der Ausweisung stellt auch keinen Verstoß gegen das gemeinschaftsrechtliche Effizienzgebot dar. Denn die Klägerin hat es durch die Zurücknahme ihrer damaligen Klage versäumt, die Ausweisung einer gerichtlichen Überprüfung auf eine Vereinbarkeit mit Gemeinschafts-/Assoziationsrecht zuzuführen. Wie der EuGH im Urteil vom 19.9.2006 (C-392/04 und C-422/04 [I 21] - InfAuslR 2006, 439) ausgeführt hat, verlangt das Gemeinschaftsrecht nicht, dass eine Verwaltungsbehörde grundsätzlich verpflichtet ist, eine Verwaltungsentscheidung zurückzunehmen, die nach Ablauf angemessener Fristen oder durch Erschöpfung des Rechtswegs bestandskräftig geworden ist. Durch die Beachtung dieses Grundsatzes lässt sich verhindern, dass Handlungen der Verwaltung, die Rechtswirkungen entfalten, unbegrenzt in Frage gestellt werden können. Nur in bestimmten Fällen kann jedoch eine Schranke für diesen Grundsatz bestehen, nämlich wenn vier Voraussetzungen erfüllt sind. Erstens, die Behörde ist nach nationalem Recht befugt, diese Entscheidung zurückzunehmen. Zweitens, die Entscheidung ist infolge eines Urteils eines in letzter Instanz entscheidenden nationalen Gerichts bestandskräftig geworden. Drittens, das Urteil beruht, wie eine nach seinem Erlass ergangene Entscheidung des Gerichtshofes zeigt, auf einer unrichtigen Auslegung des Gemeinschaftsrechts, die erfolgt ist, ohne dass der Gerichtshof um Vorabentscheidung ersucht wurde, obwohl der Tatbestand des Artikels 234 Absatz 3 EG erfüllt war. Viertens, der Betroffene hat sich, unmittelbar nachdem er Kenntnis von der besagten Entscheidung des Gerichtshofes erlangt hat, an die Verwaltungsbehörde gewandt. Maßgeblich ist also, dass der Betroffene sämtliche ihm zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe ausgeschöpft hat. Diese auf Assoziationsbegünstigte zu übertragenden Ausnahmevoraussetzungen liegen jedoch im Fall der Klägerin nicht vor (in diesem Sinne bereits konkret für den Fall der Klägerin auch VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 29.3.2007, a.a.O.).
30 
Zutreffend hat das RP Freiburg schließlich eine Abwägung von öffentlichen Belangen (Rechtssicherheit) und privatem Interesse (materielle Gerechtigkeit) auch unter dem Gesichtspunkt der Frage nach „schlechthin unerträglichen“ Auswirkungen für die Klägerin vorgenommen. Die Ausländerbehörde hat zutreffend darauf hingewiesen, dass gerade angesichts der den Ausweisungsanlass im Jahr 1999 bildenden Betäubungsmittelstraftaten eine konkrete Wiederholungsgefahr von der Klägerin ausging, die im damaligen Ausweisungszeitpunkt auch eine Ermessenausweisung in Betracht kommen lassen konnte (zu diesem Prüfungsgesichtspunkt und seiner Zulässigkeit im Rahmen des Rücknahmeermessens: Hamb. OVG, Beschl. v. 14.12.2005 - 3 Bs 79/05 - InfAuslR 2006, 305; OVG Niedersachsen, Beschluss v. 30.5.2006 - 11 LA 147/05 - NVwZ 2006, 1302). Nach ständiger Rechtsprechung ist die Ausweisung eines assoziationsbegünstigten Türken nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 zulässig, wenn die hinreichend konkrete Wahrscheinlichkeit erneuter Straftaten im Rahmen der Betäubungsmittelkriminalität steht. Der Handel mit und die Verwendung von gefährlichen Betäubungsmitteln - allen voran Heroin - stellt nämlich sowohl einen schweren Ausweisungsanlass i.S.d. nationalrechtlichen besonderen Ausweisungsschutzvorschriften (vgl. § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG) als auch einen EU-/assoziationsrechtlich relevanten Verstoß gegen Grundinteressen der Gesellschaft dar (vgl. etwa VGH Bad.-Württ., Urt. v. 10.9.2003 - 11 S 973/03 - VENSA, mit zahlreichen Nachweisen aus der Rspr. des BVerwG und des EuGH).
31 
Eine schlechthin unerträgliche Wirkung hat die Aufrechterhaltung der Ausweisung auch nicht vor dem Hintergrund des Art. 8 EMRK. Allerdings kann die Verhältnismäßigkeit einer Ausweisung im Fall des unwiederbringlichen Verlusts für das Privatleben konstitutiver Beziehungen nicht durch eine Befristung ihrer Wirkungen erreicht werden, so etwa, wenn das Aufenthaltsrecht nach dem Wegfall der Bindungen an das Bundesgebiet eine Wiedereinreise grundsätzlich nicht vorsieht, und der spätere (im Wege der Befristung der Sperrwirkungen eintretende) Wegfall des Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG daher ohne praktische Wirkung bleibt (BVerfG, Beschl. v. 10.5.2007 - 2 BvR 304/07 - soweit ersichtlich nur veröffentlicht auf der Internethomepage des Gerichts unter Entscheidungen > Rubrik Mai 2007 > Datum 10.5.; weniger streng: VGH Bad.-Württ., Urt. v. 13.6.2000 - 13 S 1378/98 - VBlBW 2001, 23 , der darauf abstellt, bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 30 Abs. 5 AuslG [jetzt § 25 Abs. 5 AufenthG] könne auch auf eine vorherige Ausreise des Ausländers verzichtet werden). Im Fall der Klägerin existiert jedoch eine bestandskräftige Ausweisung, die im Jahr 1999 auch nach Ermessen hätte ernsthaft in Betracht kommen können. Die Aufrechterhaltung dieser Ausweisung bedeutet zwar, dass damit endgültig der Verlust ihres Aufenthaltsrechts nach Art. 7 ARB 1/80 feststeht (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG). Dies hat ferner zur Folge, dass nach dem Ende der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 1 AufenthG sich ein türkischer Staatsangehöriger nicht (mehr) auf ein Aufenthaltsrecht aus dem ARB 1/80 berufen kann, also einem (normalem) türkischen Staatsangehörigen gleichgestellt ist, der in das Bundesgebiet einreisen will (Armbruster, in: HTK-AuslR / ARB 1/80 / Art. 14 05/2007 Nr. 2 und Nr. 9). Da sich die Klägerin jedoch wirksam und effektiv im Rahmen des Befristungsanspruchs nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG darauf berufen kann, eine Aufenthaltsbeendigung verstoße gegen Art. 8 EMRK (dazu sogleich unter II.), wird sie im Ergebnis durch eine Aufrechterhaltung der früheren Ausweisung nicht unerträglich belastet.
32 
II. Erfolgreich ist hingegen der zulässige Hilfsantrag der Klägerin. Seine Auslegung (§ 88 VwGO) anhand des maßgeblichen Anwaltsschriftsatzes vom 4.7.2007 ergibt, dass die Klägerin die Gründe, die eine Unerträglichkeit der Aufrechterhaltung ihrer Ausweisung darstellen, hilfsweise auch der Befristungsentscheidung entgegenhalten will. Damit macht sie aber im Ergebnis einen Anspruch auf Befristung mit sofortiger Wirkung geltend. Dieses Begehren hat in der Sache auch Erfolg. Ziffer 2 des RP-Bescheids ist nämlich rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, weil sie einen Anspruch auf sofortige Beseitigung der Sperrwirkung - mithin eine Befristung auf Null - hat (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
33 
Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG werden die in den vorangehenden Sätzen 1 und 2 bezeichneten (Sperr-)Wirkungen der Ausweisung auf Antrag in der Regel befristet. Diese Regelung ist eine wichtige Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und stellt als solche einen bedeutsamen Baustein im abgestuften Regelungsgefüge des deutschen Ausländerrechts zur Aufenthaltsbeendigung dar. Sie hat unmittelbar drittschützende Wirkung dahingehend, dass der Ausländer bei Vorliegen eines Regelfalles einen Anspruch auf Befristung überhaupt sowie einen Anspruch auf fehlerfreie Ausübung des der Ausländerbehörde hinsichtlich der Fristdauer eingeräumten Ermessens hat, der sich bei der Ermessensreduzierung „auf Null“ auf eine bestimmte Fristdauer/-modalität verengen kann. Für die bei der Fristbemessung maßgeblichen Grundsätze gilt, dass sie am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und am ordnungsrechtlichen Zweck - hier Spezialprävention - der zu befristenden Maßnahme zu orientieren ist. Bei der Prognose, ob bzw. wie lange der ordnungsrechtliche Zweck die Sperrwirkung weiterhin erfordert, sind alle - vor allem auch nachträglich eintretende - Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, soweit sie geltend gemacht (§ 82 AufenthG) oder sonst für die Behörde erkennbar sind. Schließlich sind - sei es als Element der eigentlichen Prognoseentscheidung selbst oder aber als selbstständiges fristverkürzendes Element - die aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen höherrangigen Rechts, vornehmlich die Wertentscheidungen des Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 und 2 EMRK sowie der im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) verankerte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten (vgl. grundlegend und mit zahlr. Nachweisen zur identischen Vorgängervorschrift des § 8 Abs. 2 Satz 3 AuslG: VGH Bad.-Württ., Urt. v. 26.3.2003 - 11 S 59/03 - InfAuslR 2003, 334). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage des mit der Verpflichtungsklage geltend gemachten Anspruchs auf Befristung der Wirkungen der Ausweisungsverfügung ist dabei der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. - wenn die Entscheidung, wie hier, ohne mündliche Verhandlung ergeht - der Zeitpunkt, in dem die Entscheidung gefällt wird (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 29.1.1997 - 11 S 2142/96 - InfAuslR 1997, 158; Armbruster, in HTK-AuslR, § 11 AufenthG / zu Abs. 1 Satz 3, 5 und 6 > Nr. 9 Rechtsschutz > Nr. 4).
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Vorliegend kommt der Schutz des Art. 8 EMRK der Klägerin zugute. Im Rahmen der Befristung der Ausweisung ist zwingend sicherzustellen, dass unzumutbare Auswirkungen, die eine Rückkehr in die Türkei für sie hätte, unterbleiben. Dies aber kann - mit der Folge einer Ermessensreduktion auf Null - nur dadurch geschehen, dass die Sperrwirkung sofort, d.h. noch während der Anwesenheit der Klägerin in Deutschland wegfällt. Sowohl die Klägerin als Migrantin der zweiten Generation als auch ihre beiden Kinder Sibel (17 Jahre alt - sie wird am 17.12.2007 18 Jahre) und Ali-Erdal (10 Jahre alt - er wird am 8.12.2007 11 Jahre) - sie sind Migranten der dritten Generation - können sich auf den Schutz des Familienlebens nach Art. 8 Abs. 1 EMRK berufen. Die mit einer längeren Befristung - und sei es auch nur von wenigen Monaten - verbundene Folge einer Rückkehr der Klägerin in Türkei hätte mehrfache, erheblich nachteilige Folgen, die diesen Eingriff im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK in einer demokratischen Gesellschaft nicht als notwendig bzw. nicht als zumutbar darstellen.
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An der Existenz und Schutzwürdigkeit eines Familienlebens kann kein Zweifel bestehen. Die beiden minderjährigen Kinder haben zwar eine nicht ganz unbeträchtliche Zeit bei Großmutter und Tante gelebt, das erfolgte erkennbar jedoch vor dem Hintergrund, dass sie für den Fall einer Abschiebung der Klägerin in die Türkei hier bleiben und versorgt sein sollten. Von Februar 2004 bis Mai 2006 hatte die Klägerin zwar das Sorgerecht für ihre beiden jüngsten Kinder auf ihre Mutter übertragen lassen. Seither besitzt sie es jedoch wieder und lebt auch mit den Kindern zusammen. Der Hinweis des RP Freiburg, die Klägerin habe am 24.7.2006 erklärt, keine Umverteilung zu ihren Kindern nach Singen zu wollen, geht von falschen Voraussetzungen aus. Zu keiner Zeit konnte dem entnommen werden, dass die Klägerin nicht mit ihren Kindern zusammenleben wollen. Vielmehr war diese Erklärung so gemeint, dass sie zwar in Villingen-Schwenningen bleiben, jedoch dort zusammen mit den Kindern wohnen wollte. Das wird auch dadurch bestätigt, dass die Klägerin mittlerweile mit ihren beiden minderjährigen Kindern sowie ihrem erwachsenen Sohn aus der ersten Ehe dort eine neue Wohnung bezogen hat.
36 
Eine Rückkehr der Klägerin in die Türkei würde entweder einen unzumutbaren Zwang auf die minderjährigen Kinder ausüben, ihr zu folgen, oder aber eine unzumutbare Trennung nach sich ziehen. Es ist davon auszugehen, dass Sibel und Ali-Erdal dauerhaft in Deutschland bleiben dürfen. Dies folgt entweder daraus, dass sie ihrerseits gemäß Art. 7 ARB 1/80 assoziationsbegünstigt begünstigt sind, oder jedenfalls daraus, dass ihnen i.V.m. Art. 8 Abs. 1 EMRK und den Vorschriften über die Aufenthaltserlaubnis ein nationales Recht zusteht. Die beiden Kinder sind nämlich hier geboren und haben Zeit ihres Lebens - das sind im heutigen Entscheidungszeitpunkt über 17 bzw. über 10 Jahre - in diesem Land und seinem kulturellen sprachlichen Umfeld gelebt und sind hier bislang zur Schule gegangen. Unabhängig davon, ob sie die türkische Sprache zumindest in Grundzügen beherrschen mögen, haben sie sonst offensichtlich keine Bindungen zur Türkei - alle nahen Familienangehörigen leben offensichtlich ebenfalls in Deutschland -, sodass ihnen als faktischen Inländern eine Rückkehr dorthin bzw. ein Leben dort unzumutbar wäre. Eine Trennung von ihrer Mutter wäre ihnen nicht zuzumuten. Sie können nicht darauf verwiesen werden, andere Verwandte - so wie in der Vergangenheit Großmutter und Tante - seien zur Betreuung fähig bzw. bereit. Sowohl der Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG als auch derjenige des Art. 8 EMRK beinhaltet nämlich auch die Befugnis zu entscheiden, welche Personen miteinander in Beistandsgemeinschaft leben wollen.
37 
Das Gericht ist schließlich auch davon überzeugt, dass die Kinder weder zusammen mit ihrer Mutter noch dass diese allein auch nur vorübergehend in der Türkei derart Fuß fassen könnten, dass eine reale Existenzmöglichkeit dort bestünde. Die Kinder sind für die Existenzsicherung auf die Mutter angewiesen. Die Klägerin jedoch ist, das darf trotz ihrer erheblichen Strafbarkeit nicht verkannt werden, krank, weil heroinsüchtig. Sie hat trotz zweier umfangreicher Therapien immer wieder einen Rückfall erlitten. Zwar muss (vgl. § 42 AsylvfG) auf Grund der unanfechtbaren Asylentscheidung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 20.7.2000 davon ausgegangen werden, dass die Heroinsucht der Klägerin in der Türkei im Fall einer Rückkehr behandelt werden kann. Im übrigen hätte wohl auch in der Sache nach nichts für ein Abschiebungshindernis gesprochen (vgl. etwa VGH Bad.-Württ., Urt. v. 24.2.2003 - A 12 S 939/02 - VENSA sowie VG Freiburg, Urt. v. 21.11.2003 - 1 K 205/02 - VENSA). Die negativen Auswirkungen auf die Familie sowie die mit dem Zwang zu einer auch nur vorübergehenden Integration in der Türkei einhergehende Überlastung der persönlichen und sozialen Kräfte der Klägerin sind damit jedoch nicht bindend verneint worden. Maßnahmen aber, die Familienmitglieder an einem Zusammenleben hindern bzw. auseinanderreißen, stellen einen sehr schwerwiegenden Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Recht dar (EGMR, Urt. v. 31.1.2006 - 50252/99 [Sezen] - InfAuslR 2006, 255). Das gilt umso mehr hier, wo die Klägerin und ihre Kinder sich in einer zweifellos problematischen Lebenssituation befinden, und gerade deshalb besonders aufeinander angewiesen sind, um ein Mindestmaß an Stabilität zu gewährleisten. Ausgehend von einem Aufenthaltsrecht der Kinder wird auch die Klägerin wieder einen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis geltend machen können. Insoweit liegt nämlich eine außergewöhnliche Härte i.S.v. § 36 AufenthG vor.
38 
Der Gesichtspunkt einer von der Klägerin angesichts späterer einschlägiger Betäubungsmittelstraftaten auch im heutigen Zeitpunkt ausgehenden Wiederholungsgefahr muss vor diesem gesamten Hintergrund zurücktreten. Begreift man, wie oben dargelegt, ihre gesamte persönliche und auch familiäre Situation als äußerst problematisch, so mag sogar zu ihren Gunsten berücksichtigt werden, dass die zuletzt erfolgte Verurteilung vom 30.9.2004 durch das Amtsgericht Villingen-Schwenningen eine Aussetzung der Strafvollstreckung zur Bewährung aussprach. Wenngleich ein solcher Umstand zwar tatsächliches Gewicht hat, gleichwohl aber im ordnungsrechtlichen Kontext nicht ausländerrechtliche Maßnahmen der Spezialprävention verhindern muss, so ist doch zu beachten, dass offensichtlich auch das Strafgericht der Möglichkeit einer Resozialisierung der Klägerin für ihre Person eine besonders wichtige Bedeutung zugemessen hat.
39 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO; das Gericht hat keinen Anlass, sie für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 167 Abs. 2 VwGO). Gründe für eine Zulassung der Berufung liegen nicht vor, weshalb hinsichtlich der Anfechtbarkeit dieses Urteils folgendes gilt: (Rechtsmittelbelehrung).

Gründe

 
23 
I. Der zulässige Hauptantrag, der auf eine Aufhebung der bestandskräftigen Ausweisung zielt (vgl. dazu, dass die Wirkungen von Ausweisungen, die vor diesem Zeitpunkt gegenüber nach dem ARB 1/80 privilegierten türkischen Staatsangehörigen verfügt und bestandskräftig geworden sind, mit dem Inkrafttreten des AufenthG am 1.1.2005 nicht entfallen sind: VGH Bad.-Württ., Urt. v. 24.1.2007 - 13 S 451/06 - InfAuslR 2007, 182; Beschl. v. 13.4.2006 - 1 S 734/06 - VENSA), ist unbegründet. Die Ziff. 1 der Entscheidung des RP Freiburg vom 4.8.2006 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).
24 
Einen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens im engeren Sinne gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG sowie eine daran anschließende (positive) Sachentscheidung (zur Verfahrens- und Entscheidungsstruktur im Rahmen des § 51 LVwVfG vgl. für die bundesrechtliche Regelung: Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Auflage 2001, § 51 Rnrn. 22 ff.: eigenständige Neubescheidung ohne Bezug zu §§ 48, 49 VwVfG) hat das RP Freiburg zu Recht abgelehnt. Die geltend gemachte Änderung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stellt keine neue Rechtslage dar. Wegen Einzelheiten kann insoweit auf den Beschluss des VGH Baden-Württemberg vom 29.3.2007 (11 S 2147/06 dort Entsch.-Seiten 5/6) im Beschwerdeverfahren, welches das PKH-Begehren der Klägerin im erledigten Verfahren 1 K 1026/06 betraf, Bezug genommen werden.
25 
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Rücknahme oder Widerruf der Ausweisung. Wie sich aus § 51 Abs. 5 LVwVfG ergibt, sind die Verfahren nach § 51 Abs. 1 bis 4 LVwVfG (sog. Wiederaufgreifen im engeren Sinne) und diejenigen der Rücknahme und des Widerrufs - sog. Wiederaufgreifen im weiteren Sinne - nicht identisch. § 51 Abs. 5 LVwVfG stellt - in Entsprechung zur bundesrechtlichen Rechtslage - klar, dass mit der Schaffung des § 51 Abs. 1 LVwVfG nichts daran geändert wird, dass auf Antrag des Betroffenen eine Ermessensentscheidung auf der Grundlage der §§ 48, 49 LVwVfG zu ergehen hat (vgl. zu §§ 51, 48, 49 VwVfG: Sachs, a.a.O., Rnr. 141 f.). Soweit dem RP Freiburg (zu dessen Zuständigkeit vgl. §§ 48 Abs. 5, 49 Abs. 5 LVwVfG i.V.m. § 12 Abs. 3 AAZuVO) folglich ein Ermessensspielraum bei der Frage der erneuten Überprüfung und Aufhebung der bestandskräftigen Ausweisung blieb, hat es in seinem Bescheid rechtsfehlerfrei entschieden, die Ausweisung nicht aufzuheben. Mit Blick auf einen Widerruf gemäß § 49 LVwVfG folgt dies bereits daraus, dass dieser spezialgesetzlich durch das Institut der Befristung i. S. v. § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG jedenfalls insoweit ausgeschlossen ist, als es um für den Fortbestand des Ausweisungszwecks erhebliche Sachverhaltsänderungen geht. Im übrigen ist nur die Rücknahme einschlägig, weil es sich bei der Ausweisung um einen (siehe sogleich) rechtswidrigen Verwaltungsakt handelt, für den § 49 LVwVfG nicht gilt.
26 
Eine Rücknahme hat das RP Freiburg rechtsfehlerfrei abgelehnt. Zutreffend ist die Behörde davon ausgegangen, dass grundsätzlich gemäß § 48 Abs. 1 LVwVfG in die Überprüfung, ob eine Rücknahme stattfinden soll, einzutreten war. Die Ausweisung vom 8.10.1999 ist nämlich rechtswidrig gewesen, weil der Klägerin eine assoziationsrechtliche Rechtsposition gemäß Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 zustand. Sie war 1973 zusammen mit ihren Eltern eingereist und hatte ihre erste Aufenthaltserlaubnis am 24.4.1984 zum Zweck der Familienzusammenführung, d.h. zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft mit einem dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehörenden türkischen Arbeitnehmer, ihren Eltern, erhalten. Mit diesen hatte sie auch die erforderliche Dauer von mindestens drei bzw. fünf Jahren - konkret bis zum 5.7.1984, als sie zu ihrem türkischen Ehemann nach Tuttlingen zog - zusammengelebt (vgl. zur Geltung des Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 entsprechend für ein Kind, das im Mitgliedstaat geboren ist und stets dort gewohnt hat: EuGH, Urt. v. 11.11.2004 - C-467/02 - [Cetinkaya] - NVwZ 2005, 198). Ihre Volljährigkeit im Zeitpunkt der Ausweisung änderte an der unmittelbar aus dem ARB 1/80 folgenden Rechtsposition ebenso wenig etwas, wie die ab 4.8.1998 erfolgte Verbüßung von U-Haft bzw. später Strafhaft im Zusammenhang mit dem Urteil des LG Konstanz vom 12.8.1999 (zu diesen Einzelheiten des Aufenthaltsrechts nach Art. 7 ARB 1/80 vgl. EuGH, Urt. v. 7.7.2005 - C-373/03 [Aydinli] - InfAuslR 2005,352; ferner EuGH, Urt. v. 16.1.2006 - C-502/04 [Torun] - InfAuslR 2006, 209). Ihre Ausweisung hätte folglich nicht, wie vom RP Freiburg damals verfügt, nach den Regelungen über die Ist-Ausweisung sondern nur nach denjenigen über die - in der Ausweisungsverfügung auch nicht hilfsweise herangezogene - Ermessensausweisung erfolgen dürfen (grundlegend: BVerwG, Urt. v. 13.9.2005 - 1 C 7/04 - BVerwGE 124, 217 = InfAuslR 2006, 110). Ferner wäre, woran es jedoch ebenfalls fehlte, formell-rechtlich zuvor eine zweite Stelle i.S.v. Art. 9 Abs. 1 RiL 64/221/EWG zu beteiligen gewesen (vgl. hierzu ebenfalls BVerwG, Urt. v. 13.9.2005, a.a.O.). Ein „dringender Fall“ i.S. der vorgenannten Vorschrift lag nicht vor, weil sich auf Grund der Strafhaft der Klägerin bzw. ihrer Drogentherapie eine von ihr ausgehende Gefahr nicht vor Abschluss eines gerichtlichen Hauptsacheverfahrens realisiert hätte und auch sonst eine Verzögerung der Ausweisungsentscheidung durch die Einschaltung einer zweiten Stelle hinnehmbar gewesen wäre (zum letztgenannten Gesichtspunkt vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 29.6.2006 - 11 S 2299/05 - VENSA).
27 
Hiervon ausgehend hat das RP Freiburg jedoch gleichwohl eine Rücknahme ablehnen dürfen und sein Ermessen insoweit rechtsfehlerfrei erkannt bzw. betätigt (zum gerichtlichen Prüfungsmaßstab vgl. § 114 VwGO).
28 
Umstände, nach denen sich das der Behörde von § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG eingeräumte Ermessen dahin verdichtet hätte, dass nur die Rücknahme des Bescheides ermessensfehlerfrei wäre, liegen nicht vor. Bei der Ausübung des Rücknahmeermessens ist in Rechnung zu stellen, dass dem Grundsatz der materiellen Gerechtigkeit prinzipiell kein größeres Gewicht zukommt als dem Grundsatz der Rechtssicherheit, sofern dem anzuwendenden Recht nicht ausnahmsweise eine andere Wertung zu entnehmen ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts besteht mit Blick auf das Gebot der materiellen Gerechtigkeit ausnahmsweise dann ein Anspruch auf Rücknahme eines bestandskräftigen Verwaltungsakts, wenn dessen Aufrechterhaltung „schlechthin unerträglich" ist, was von den Umständen des Einzelfalles und einer Gewichtung der einschlägigen Gesichtspunkte abhängt. Allein die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts begründet keinen Anspruch auf Rücknahme, da der Rechtsverstoß lediglich die Voraussetzung einer Ermessensentscheidung der Behörde ist. Das Festhalten an dem Verwaltungsakt ist insbesondere dann „schlechthin unerträglich", wenn die Behörde durch unterschiedliche Ausübung der Rücknahmebefugnis in gleichen oder ähnlich gelagerten Fällen gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstößt oder wenn Umstände gegeben sind, die die Berufung der Behörde auf die Unanfechtbarkeit als einen Verstoß gegen die guten Sitten oder Treu und Glauben erscheinen lassen. Die offensichtliche Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, dessen Rücknahme begehrt wird, kann ebenfalls die Annahme rechtfertigen, seine Aufrechterhaltung sei schlechthin unerträglich. Ferner kann in dem einschlägigen Fachrecht eine bestimmte Richtung der zu treffenden Entscheidung in der Weise vorgegeben sein, dass das Ermessen im Regelfall nur durch die Entscheidung für die Rücknahme des Verwaltungsakts rechtmäßig ausgeübt werden kann, so dass sich das Ermessen in diesem Sinne als intendiert erweist (vgl. zusammenfassend: BVerwG, Urteil v. 17.1.2007 - 6 C 32.06 - Juris).
29 
Umstände, die das Ermessen hin auf eine Rücknahme reduziert hätten oder die das RP Freiburg sonst - im Rahmen eines verbleibenden Spielraums - fehlerhaft unberücksichtigt gelassen oder falsch gewichtet hätte, liegen hier nicht vor. Von einer offensichtlichen Europa- bzw. Assoziationsrechtswidrigkeit kann angesichts des Zeitpunkts der Ausweisungsentscheidung im Jahr 1999 - über 5 Jahre vor Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung - nicht ausgegangen werden (vgl. in diesem Sinne sogar noch für eine unter dem 5.9.2005 verfügte Ausweisung durch das RP Freiburg: VG Freiburg, Urt. v. 28.3.2007 - 1 K 505/06). Ein Festhalten an der Ausweisung stellt auch keinen Verstoß gegen das gemeinschaftsrechtliche Effizienzgebot dar. Denn die Klägerin hat es durch die Zurücknahme ihrer damaligen Klage versäumt, die Ausweisung einer gerichtlichen Überprüfung auf eine Vereinbarkeit mit Gemeinschafts-/Assoziationsrecht zuzuführen. Wie der EuGH im Urteil vom 19.9.2006 (C-392/04 und C-422/04 [I 21] - InfAuslR 2006, 439) ausgeführt hat, verlangt das Gemeinschaftsrecht nicht, dass eine Verwaltungsbehörde grundsätzlich verpflichtet ist, eine Verwaltungsentscheidung zurückzunehmen, die nach Ablauf angemessener Fristen oder durch Erschöpfung des Rechtswegs bestandskräftig geworden ist. Durch die Beachtung dieses Grundsatzes lässt sich verhindern, dass Handlungen der Verwaltung, die Rechtswirkungen entfalten, unbegrenzt in Frage gestellt werden können. Nur in bestimmten Fällen kann jedoch eine Schranke für diesen Grundsatz bestehen, nämlich wenn vier Voraussetzungen erfüllt sind. Erstens, die Behörde ist nach nationalem Recht befugt, diese Entscheidung zurückzunehmen. Zweitens, die Entscheidung ist infolge eines Urteils eines in letzter Instanz entscheidenden nationalen Gerichts bestandskräftig geworden. Drittens, das Urteil beruht, wie eine nach seinem Erlass ergangene Entscheidung des Gerichtshofes zeigt, auf einer unrichtigen Auslegung des Gemeinschaftsrechts, die erfolgt ist, ohne dass der Gerichtshof um Vorabentscheidung ersucht wurde, obwohl der Tatbestand des Artikels 234 Absatz 3 EG erfüllt war. Viertens, der Betroffene hat sich, unmittelbar nachdem er Kenntnis von der besagten Entscheidung des Gerichtshofes erlangt hat, an die Verwaltungsbehörde gewandt. Maßgeblich ist also, dass der Betroffene sämtliche ihm zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe ausgeschöpft hat. Diese auf Assoziationsbegünstigte zu übertragenden Ausnahmevoraussetzungen liegen jedoch im Fall der Klägerin nicht vor (in diesem Sinne bereits konkret für den Fall der Klägerin auch VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 29.3.2007, a.a.O.).
30 
Zutreffend hat das RP Freiburg schließlich eine Abwägung von öffentlichen Belangen (Rechtssicherheit) und privatem Interesse (materielle Gerechtigkeit) auch unter dem Gesichtspunkt der Frage nach „schlechthin unerträglichen“ Auswirkungen für die Klägerin vorgenommen. Die Ausländerbehörde hat zutreffend darauf hingewiesen, dass gerade angesichts der den Ausweisungsanlass im Jahr 1999 bildenden Betäubungsmittelstraftaten eine konkrete Wiederholungsgefahr von der Klägerin ausging, die im damaligen Ausweisungszeitpunkt auch eine Ermessenausweisung in Betracht kommen lassen konnte (zu diesem Prüfungsgesichtspunkt und seiner Zulässigkeit im Rahmen des Rücknahmeermessens: Hamb. OVG, Beschl. v. 14.12.2005 - 3 Bs 79/05 - InfAuslR 2006, 305; OVG Niedersachsen, Beschluss v. 30.5.2006 - 11 LA 147/05 - NVwZ 2006, 1302). Nach ständiger Rechtsprechung ist die Ausweisung eines assoziationsbegünstigten Türken nach Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 zulässig, wenn die hinreichend konkrete Wahrscheinlichkeit erneuter Straftaten im Rahmen der Betäubungsmittelkriminalität steht. Der Handel mit und die Verwendung von gefährlichen Betäubungsmitteln - allen voran Heroin - stellt nämlich sowohl einen schweren Ausweisungsanlass i.S.d. nationalrechtlichen besonderen Ausweisungsschutzvorschriften (vgl. § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG) als auch einen EU-/assoziationsrechtlich relevanten Verstoß gegen Grundinteressen der Gesellschaft dar (vgl. etwa VGH Bad.-Württ., Urt. v. 10.9.2003 - 11 S 973/03 - VENSA, mit zahlreichen Nachweisen aus der Rspr. des BVerwG und des EuGH).
31 
Eine schlechthin unerträgliche Wirkung hat die Aufrechterhaltung der Ausweisung auch nicht vor dem Hintergrund des Art. 8 EMRK. Allerdings kann die Verhältnismäßigkeit einer Ausweisung im Fall des unwiederbringlichen Verlusts für das Privatleben konstitutiver Beziehungen nicht durch eine Befristung ihrer Wirkungen erreicht werden, so etwa, wenn das Aufenthaltsrecht nach dem Wegfall der Bindungen an das Bundesgebiet eine Wiedereinreise grundsätzlich nicht vorsieht, und der spätere (im Wege der Befristung der Sperrwirkungen eintretende) Wegfall des Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG daher ohne praktische Wirkung bleibt (BVerfG, Beschl. v. 10.5.2007 - 2 BvR 304/07 - soweit ersichtlich nur veröffentlicht auf der Internethomepage des Gerichts unter Entscheidungen > Rubrik Mai 2007 > Datum 10.5.; weniger streng: VGH Bad.-Württ., Urt. v. 13.6.2000 - 13 S 1378/98 - VBlBW 2001, 23 , der darauf abstellt, bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 30 Abs. 5 AuslG [jetzt § 25 Abs. 5 AufenthG] könne auch auf eine vorherige Ausreise des Ausländers verzichtet werden). Im Fall der Klägerin existiert jedoch eine bestandskräftige Ausweisung, die im Jahr 1999 auch nach Ermessen hätte ernsthaft in Betracht kommen können. Die Aufrechterhaltung dieser Ausweisung bedeutet zwar, dass damit endgültig der Verlust ihres Aufenthaltsrechts nach Art. 7 ARB 1/80 feststeht (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG). Dies hat ferner zur Folge, dass nach dem Ende der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 1 AufenthG sich ein türkischer Staatsangehöriger nicht (mehr) auf ein Aufenthaltsrecht aus dem ARB 1/80 berufen kann, also einem (normalem) türkischen Staatsangehörigen gleichgestellt ist, der in das Bundesgebiet einreisen will (Armbruster, in: HTK-AuslR / ARB 1/80 / Art. 14 05/2007 Nr. 2 und Nr. 9). Da sich die Klägerin jedoch wirksam und effektiv im Rahmen des Befristungsanspruchs nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG darauf berufen kann, eine Aufenthaltsbeendigung verstoße gegen Art. 8 EMRK (dazu sogleich unter II.), wird sie im Ergebnis durch eine Aufrechterhaltung der früheren Ausweisung nicht unerträglich belastet.
32 
II. Erfolgreich ist hingegen der zulässige Hilfsantrag der Klägerin. Seine Auslegung (§ 88 VwGO) anhand des maßgeblichen Anwaltsschriftsatzes vom 4.7.2007 ergibt, dass die Klägerin die Gründe, die eine Unerträglichkeit der Aufrechterhaltung ihrer Ausweisung darstellen, hilfsweise auch der Befristungsentscheidung entgegenhalten will. Damit macht sie aber im Ergebnis einen Anspruch auf Befristung mit sofortiger Wirkung geltend. Dieses Begehren hat in der Sache auch Erfolg. Ziffer 2 des RP-Bescheids ist nämlich rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, weil sie einen Anspruch auf sofortige Beseitigung der Sperrwirkung - mithin eine Befristung auf Null - hat (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
33 
Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG werden die in den vorangehenden Sätzen 1 und 2 bezeichneten (Sperr-)Wirkungen der Ausweisung auf Antrag in der Regel befristet. Diese Regelung ist eine wichtige Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und stellt als solche einen bedeutsamen Baustein im abgestuften Regelungsgefüge des deutschen Ausländerrechts zur Aufenthaltsbeendigung dar. Sie hat unmittelbar drittschützende Wirkung dahingehend, dass der Ausländer bei Vorliegen eines Regelfalles einen Anspruch auf Befristung überhaupt sowie einen Anspruch auf fehlerfreie Ausübung des der Ausländerbehörde hinsichtlich der Fristdauer eingeräumten Ermessens hat, der sich bei der Ermessensreduzierung „auf Null“ auf eine bestimmte Fristdauer/-modalität verengen kann. Für die bei der Fristbemessung maßgeblichen Grundsätze gilt, dass sie am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und am ordnungsrechtlichen Zweck - hier Spezialprävention - der zu befristenden Maßnahme zu orientieren ist. Bei der Prognose, ob bzw. wie lange der ordnungsrechtliche Zweck die Sperrwirkung weiterhin erfordert, sind alle - vor allem auch nachträglich eintretende - Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, soweit sie geltend gemacht (§ 82 AufenthG) oder sonst für die Behörde erkennbar sind. Schließlich sind - sei es als Element der eigentlichen Prognoseentscheidung selbst oder aber als selbstständiges fristverkürzendes Element - die aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen höherrangigen Rechts, vornehmlich die Wertentscheidungen des Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 und 2 EMRK sowie der im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) verankerte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten (vgl. grundlegend und mit zahlr. Nachweisen zur identischen Vorgängervorschrift des § 8 Abs. 2 Satz 3 AuslG: VGH Bad.-Württ., Urt. v. 26.3.2003 - 11 S 59/03 - InfAuslR 2003, 334). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage des mit der Verpflichtungsklage geltend gemachten Anspruchs auf Befristung der Wirkungen der Ausweisungsverfügung ist dabei der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. - wenn die Entscheidung, wie hier, ohne mündliche Verhandlung ergeht - der Zeitpunkt, in dem die Entscheidung gefällt wird (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 29.1.1997 - 11 S 2142/96 - InfAuslR 1997, 158; Armbruster, in HTK-AuslR, § 11 AufenthG / zu Abs. 1 Satz 3, 5 und 6 > Nr. 9 Rechtsschutz > Nr. 4).
34 
Vorliegend kommt der Schutz des Art. 8 EMRK der Klägerin zugute. Im Rahmen der Befristung der Ausweisung ist zwingend sicherzustellen, dass unzumutbare Auswirkungen, die eine Rückkehr in die Türkei für sie hätte, unterbleiben. Dies aber kann - mit der Folge einer Ermessensreduktion auf Null - nur dadurch geschehen, dass die Sperrwirkung sofort, d.h. noch während der Anwesenheit der Klägerin in Deutschland wegfällt. Sowohl die Klägerin als Migrantin der zweiten Generation als auch ihre beiden Kinder Sibel (17 Jahre alt - sie wird am 17.12.2007 18 Jahre) und Ali-Erdal (10 Jahre alt - er wird am 8.12.2007 11 Jahre) - sie sind Migranten der dritten Generation - können sich auf den Schutz des Familienlebens nach Art. 8 Abs. 1 EMRK berufen. Die mit einer längeren Befristung - und sei es auch nur von wenigen Monaten - verbundene Folge einer Rückkehr der Klägerin in Türkei hätte mehrfache, erheblich nachteilige Folgen, die diesen Eingriff im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK in einer demokratischen Gesellschaft nicht als notwendig bzw. nicht als zumutbar darstellen.
35 
An der Existenz und Schutzwürdigkeit eines Familienlebens kann kein Zweifel bestehen. Die beiden minderjährigen Kinder haben zwar eine nicht ganz unbeträchtliche Zeit bei Großmutter und Tante gelebt, das erfolgte erkennbar jedoch vor dem Hintergrund, dass sie für den Fall einer Abschiebung der Klägerin in die Türkei hier bleiben und versorgt sein sollten. Von Februar 2004 bis Mai 2006 hatte die Klägerin zwar das Sorgerecht für ihre beiden jüngsten Kinder auf ihre Mutter übertragen lassen. Seither besitzt sie es jedoch wieder und lebt auch mit den Kindern zusammen. Der Hinweis des RP Freiburg, die Klägerin habe am 24.7.2006 erklärt, keine Umverteilung zu ihren Kindern nach Singen zu wollen, geht von falschen Voraussetzungen aus. Zu keiner Zeit konnte dem entnommen werden, dass die Klägerin nicht mit ihren Kindern zusammenleben wollen. Vielmehr war diese Erklärung so gemeint, dass sie zwar in Villingen-Schwenningen bleiben, jedoch dort zusammen mit den Kindern wohnen wollte. Das wird auch dadurch bestätigt, dass die Klägerin mittlerweile mit ihren beiden minderjährigen Kindern sowie ihrem erwachsenen Sohn aus der ersten Ehe dort eine neue Wohnung bezogen hat.
36 
Eine Rückkehr der Klägerin in die Türkei würde entweder einen unzumutbaren Zwang auf die minderjährigen Kinder ausüben, ihr zu folgen, oder aber eine unzumutbare Trennung nach sich ziehen. Es ist davon auszugehen, dass Sibel und Ali-Erdal dauerhaft in Deutschland bleiben dürfen. Dies folgt entweder daraus, dass sie ihrerseits gemäß Art. 7 ARB 1/80 assoziationsbegünstigt begünstigt sind, oder jedenfalls daraus, dass ihnen i.V.m. Art. 8 Abs. 1 EMRK und den Vorschriften über die Aufenthaltserlaubnis ein nationales Recht zusteht. Die beiden Kinder sind nämlich hier geboren und haben Zeit ihres Lebens - das sind im heutigen Entscheidungszeitpunkt über 17 bzw. über 10 Jahre - in diesem Land und seinem kulturellen sprachlichen Umfeld gelebt und sind hier bislang zur Schule gegangen. Unabhängig davon, ob sie die türkische Sprache zumindest in Grundzügen beherrschen mögen, haben sie sonst offensichtlich keine Bindungen zur Türkei - alle nahen Familienangehörigen leben offensichtlich ebenfalls in Deutschland -, sodass ihnen als faktischen Inländern eine Rückkehr dorthin bzw. ein Leben dort unzumutbar wäre. Eine Trennung von ihrer Mutter wäre ihnen nicht zuzumuten. Sie können nicht darauf verwiesen werden, andere Verwandte - so wie in der Vergangenheit Großmutter und Tante - seien zur Betreuung fähig bzw. bereit. Sowohl der Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG als auch derjenige des Art. 8 EMRK beinhaltet nämlich auch die Befugnis zu entscheiden, welche Personen miteinander in Beistandsgemeinschaft leben wollen.
37 
Das Gericht ist schließlich auch davon überzeugt, dass die Kinder weder zusammen mit ihrer Mutter noch dass diese allein auch nur vorübergehend in der Türkei derart Fuß fassen könnten, dass eine reale Existenzmöglichkeit dort bestünde. Die Kinder sind für die Existenzsicherung auf die Mutter angewiesen. Die Klägerin jedoch ist, das darf trotz ihrer erheblichen Strafbarkeit nicht verkannt werden, krank, weil heroinsüchtig. Sie hat trotz zweier umfangreicher Therapien immer wieder einen Rückfall erlitten. Zwar muss (vgl. § 42 AsylvfG) auf Grund der unanfechtbaren Asylentscheidung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 20.7.2000 davon ausgegangen werden, dass die Heroinsucht der Klägerin in der Türkei im Fall einer Rückkehr behandelt werden kann. Im übrigen hätte wohl auch in der Sache nach nichts für ein Abschiebungshindernis gesprochen (vgl. etwa VGH Bad.-Württ., Urt. v. 24.2.2003 - A 12 S 939/02 - VENSA sowie VG Freiburg, Urt. v. 21.11.2003 - 1 K 205/02 - VENSA). Die negativen Auswirkungen auf die Familie sowie die mit dem Zwang zu einer auch nur vorübergehenden Integration in der Türkei einhergehende Überlastung der persönlichen und sozialen Kräfte der Klägerin sind damit jedoch nicht bindend verneint worden. Maßnahmen aber, die Familienmitglieder an einem Zusammenleben hindern bzw. auseinanderreißen, stellen einen sehr schwerwiegenden Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Recht dar (EGMR, Urt. v. 31.1.2006 - 50252/99 [Sezen] - InfAuslR 2006, 255). Das gilt umso mehr hier, wo die Klägerin und ihre Kinder sich in einer zweifellos problematischen Lebenssituation befinden, und gerade deshalb besonders aufeinander angewiesen sind, um ein Mindestmaß an Stabilität zu gewährleisten. Ausgehend von einem Aufenthaltsrecht der Kinder wird auch die Klägerin wieder einen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis geltend machen können. Insoweit liegt nämlich eine außergewöhnliche Härte i.S.v. § 36 AufenthG vor.
38 
Der Gesichtspunkt einer von der Klägerin angesichts späterer einschlägiger Betäubungsmittelstraftaten auch im heutigen Zeitpunkt ausgehenden Wiederholungsgefahr muss vor diesem gesamten Hintergrund zurücktreten. Begreift man, wie oben dargelegt, ihre gesamte persönliche und auch familiäre Situation als äußerst problematisch, so mag sogar zu ihren Gunsten berücksichtigt werden, dass die zuletzt erfolgte Verurteilung vom 30.9.2004 durch das Amtsgericht Villingen-Schwenningen eine Aussetzung der Strafvollstreckung zur Bewährung aussprach. Wenngleich ein solcher Umstand zwar tatsächliches Gewicht hat, gleichwohl aber im ordnungsrechtlichen Kontext nicht ausländerrechtliche Maßnahmen der Spezialprävention verhindern muss, so ist doch zu beachten, dass offensichtlich auch das Strafgericht der Möglichkeit einer Resozialisierung der Klägerin für ihre Person eine besonders wichtige Bedeutung zugemessen hat.
39 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO; das Gericht hat keinen Anlass, sie für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 167 Abs. 2 VwGO). Gründe für eine Zulassung der Berufung liegen nicht vor, weshalb hinsichtlich der Anfechtbarkeit dieses Urteils folgendes gilt: (Rechtsmittelbelehrung).

(1) Einem Ausländer, der als Minderjähriger rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hatte, ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn

1.
der Ausländer sich vor seiner Ausreise acht Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten und sechs Jahre im Bundesgebiet eine Schule besucht hat,
2.
sein Lebensunterhalt aus eigener Erwerbstätigkeit oder durch eine Unterhaltsverpflichtung gesichert ist, die ein Dritter für die Dauer von fünf Jahren übernommen hat, und
3.
der Antrag auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach Vollendung des 15. und vor Vollendung des 21. Lebensjahres sowie vor Ablauf von fünf Jahren seit der Ausreise gestellt wird.

(2) Zur Vermeidung einer besonderen Härte kann von den in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 bezeichneten Voraussetzungen abgewichen werden. Von den in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 bezeichneten Voraussetzungen kann abgesehen werden, wenn der Ausländer im Bundesgebiet einen anerkannten Schulabschluss erworben hat.

(2a) Von den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 bezeichneten Voraussetzungen kann abgewichen werden, wenn der Ausländer rechtswidrig mit Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Eingehung der Ehe genötigt und von der Rückkehr nach Deutschland abgehalten wurde, er den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis innerhalb von drei Monaten nach Wegfall der Zwangslage, spätestens jedoch vor Ablauf von fünf Jahren seit der Ausreise, stellt, und gewährleistet erscheint, dass er sich aufgrund seiner bisherigen Ausbildung und Lebensverhältnisse in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland einfügen kann. Erfüllt der Ausländer die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, soll ihm eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn er rechtswidrig mit Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Eingehung der Ehe genötigt und von der Rückkehr nach Deutschland abgehalten wurde und er den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis innerhalb von drei Monaten nach Wegfall der Zwangslage, spätestens jedoch vor Ablauf von zehn Jahren seit der Ausreise, stellt. Absatz 2 bleibt unberührt.

(3) Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis kann versagt werden,

1.
wenn der Ausländer ausgewiesen worden war oder ausgewiesen werden konnte, als er das Bundesgebiet verließ,
2.
wenn ein Ausweisungsinteresse besteht oder
3.
solange der Ausländer minderjährig und seine persönliche Betreuung im Bundesgebiet nicht gewährleistet ist.

(4) Der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis steht nicht entgegen, dass der Lebensunterhalt nicht mehr aus eigener Erwerbstätigkeit gesichert oder die Unterhaltsverpflichtung wegen Ablaufs der fünf Jahre entfallen ist.♦

(5) Einem Ausländer, der von einem Träger im Bundesgebiet Rente bezieht, wird in der Regel eine Aufenthaltserlaubnis erteilt, wenn er sich vor seiner Ausreise mindestens acht Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist ein befristeter Aufenthaltstitel. Sie wird zu den in den nachfolgenden Abschnitten genannten Aufenthaltszwecken erteilt. In begründeten Fällen kann eine Aufenthaltserlaubnis auch für einen von diesem Gesetz nicht vorgesehenen Aufenthaltszweck erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis nach Satz 3 berechtigt nicht zur Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(2) Die Aufenthaltserlaubnis ist unter Berücksichtigung des beabsichtigten Aufenthaltszwecks zu befristen. Ist eine für die Erteilung, die Verlängerung oder die Bestimmung der Geltungsdauer wesentliche Voraussetzung entfallen, so kann die Frist auch nachträglich verkürzt werden.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist ein befristeter Aufenthaltstitel. Sie wird zu den in den nachfolgenden Abschnitten genannten Aufenthaltszwecken erteilt. In begründeten Fällen kann eine Aufenthaltserlaubnis auch für einen von diesem Gesetz nicht vorgesehenen Aufenthaltszweck erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis nach Satz 3 berechtigt nicht zur Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(2) Die Aufenthaltserlaubnis ist unter Berücksichtigung des beabsichtigten Aufenthaltszwecks zu befristen. Ist eine für die Erteilung, die Verlängerung oder die Bestimmung der Geltungsdauer wesentliche Voraussetzung entfallen, so kann die Frist auch nachträglich verkürzt werden.

(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist ein befristeter Aufenthaltstitel. Sie wird zu den in den nachfolgenden Abschnitten genannten Aufenthaltszwecken erteilt. In begründeten Fällen kann eine Aufenthaltserlaubnis auch für einen von diesem Gesetz nicht vorgesehenen Aufenthaltszweck erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis nach Satz 3 berechtigt nicht zur Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(2) Die Aufenthaltserlaubnis ist unter Berücksichtigung des beabsichtigten Aufenthaltszwecks zu befristen. Ist eine für die Erteilung, die Verlängerung oder die Bestimmung der Geltungsdauer wesentliche Voraussetzung entfallen, so kann die Frist auch nachträglich verkürzt werden.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet für ausländische Familienangehörige (Familiennachzug) wird zum Schutz von Ehe und Familie gemäß Artikel 6 des Grundgesetzes erteilt und verlängert.

(1a) Ein Familiennachzug wird nicht zugelassen, wenn

1.
feststeht, dass die Ehe oder das Verwandtschaftsverhältnis ausschließlich zu dem Zweck geschlossen oder begründet wurde, dem Nachziehenden die Einreise in das und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen, oder
2.
tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme begründen, dass einer der Ehegatten zur Eingehung der Ehe genötigt wurde.

(2) Für die Herstellung und Wahrung einer lebenspartnerschaftlichen Gemeinschaft im Bundesgebiet finden die Absätze 1a und 3, § 9 Abs. 3, § 9c Satz 2, die §§ 28 bis 31, 36a, 51 Absatz 2 und 10 Satz 2 entsprechende Anwendung.

(3) Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs kann versagt werden, wenn derjenige, zu dem der Familiennachzug stattfindet, für den Unterhalt von anderen Familienangehörigen oder anderen Haushaltsangehörigen auf Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch angewiesen ist. Von § 5 Abs. 1 Nr. 2 kann abgesehen werden.

(3a) Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs ist zu versagen, wenn derjenige, zu dem der Familiennachzug stattfinden soll,

1.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuches bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuches vorbereitet oder vorbereitet hat,
2.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
3.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
4.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs darf längstens für den Gültigkeitszeitraum der Aufenthaltserlaubnis des Ausländers erteilt werden, zu dem der Familiennachzug stattfindet. Sie ist für diesen Zeitraum zu erteilen, wenn der Ausländer, zu dem der Familiennachzug stattfindet, eine Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 18d, 18f oder § 38a besitzt, eine Blaue Karte EU, eine ICT-Karte oder eine Mobiler-ICT-Karte besitzt oder sich gemäß § 18e berechtigt im Bundesgebiet aufhält. Im Übrigen ist die Aufenthaltserlaubnis erstmals für mindestens ein Jahr zu erteilen.

(5) (weggefallen)

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Dem Ehegatten eines Ausländers ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn

1.
beide Ehegatten das 18. Lebensjahr vollendet haben,
2.
der Ehegatte sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann und
3.
der Ausländer
a)
eine Niederlassungserlaubnis besitzt,
b)
eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt,
c)
eine Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 18d, 18f oder § 25 Absatz 1 oder Absatz 2 Satz 1 erste Alternative besitzt,
d)
seit zwei Jahren eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und die Aufenthaltserlaubnis nicht mit einer Nebenbestimmung nach § 8 Abs. 2 versehen oder die spätere Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nicht auf Grund einer Rechtsnorm ausgeschlossen ist; dies gilt nicht für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative,
e)
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 7 Absatz 1 Satz 3 oder nach den Abschnitten 3, 4, 5 oder 6 oder § 37 oder § 38 besitzt, die Ehe bei deren Erteilung bereits bestand und die Dauer seines Aufenthalts im Bundesgebiet voraussichtlich über ein Jahr betragen wird; dies gilt nicht für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative,
f)
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 38a besitzt und die eheliche Lebensgemeinschaft bereits in dem Mitgliedstaat der Europäischen Union bestand, in dem der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten innehat, oder
g)
eine Blaue Karte EU, eine ICT-Karte oder eine Mobiler-ICT-Karte besitzt.
Satz 1 Nummer 1 und 2 ist für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis unbeachtlich, wenn die Voraussetzungen des Satzes 1 Nummer 3 Buchstabe f vorliegen. Satz 1 Nummer 2 ist für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis unbeachtlich, wenn
1.
der Ausländer, der einen Aufenthaltstitel nach § 23 Absatz 4, § 25 Absatz 1 oder 2, § 26 Absatz 3 oder nach Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Absatz 4 besitzt und die Ehe bereits bestand, als der Ausländer seinen Lebensmittelpunkt in das Bundesgebiet verlegt hat,
2.
der Ehegatte wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht in der Lage ist, einfache Kenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen,
3.
bei dem Ehegatten ein erkennbar geringer Integrationsbedarf im Sinne einer nach § 43 Absatz 4 erlassenen Rechtsverordnung besteht oder dieser aus anderen Gründen nach der Einreise keinen Anspruch nach § 44 auf Teilnahme am Integrationskurs hätte,
4.
der Ausländer wegen seiner Staatsangehörigkeit auch für einen Aufenthalt, der kein Kurzaufenthalt ist, visumfrei in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten darf,
5.
der Ausländer im Besitz einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte oder eines Aufenthaltstitels nach den §§ 18a, 18b Absatz 1, § 18c Absatz 3, den §§ 18d, 18f, 19c Absatz 1 für eine Beschäftigung als leitender Angestellter, als Führungskraft, als Unternehmensspezialist, als Wissenschaftler, als Gastwissenschaftler, als Ingenieur oder Techniker im Forschungsteam eines Gastwissenschaftlers oder als Lehrkraft, § 19c Absatz 2 oder 4 Satz 1 oder § 21 ist,
6.
es dem Ehegatten auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalles nicht möglich oder nicht zumutbar ist, vor der Einreise Bemühungen zum Erwerb einfacher Kenntnisse der deutschen Sprache zu unternehmen, oder
7.
der Ausländer unmittelbar vor der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU Inhaber einer Blauen Karte EU oder einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 18a, 18b Absatz 1, den §§ 18d, 19c Absatz 1 für eine Beschäftigung als leitender Angestellter, als Führungskraft, als Unternehmensspezialist, als Wissenschaftler, als Gastwissenschaftler, als Ingenieur oder Techniker im Forschungsteam eines Gastwissenschaftlers oder als Lehrkraft, § 19c Absatz 2 oder 4 Satz 1 oder § 21 war.

(2) Die Aufenthaltserlaubnis kann zur Vermeidung einer besonderen Härte abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 erteilt werden. Besitzt der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis, kann von den anderen Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe e abgesehen werden; Gleiches gilt, wenn der Ausländer ein nationales Visum besitzt.

(3) Die Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 und § 29 Abs. 1 Nr. 2 verlängert werden, solange die eheliche Lebensgemeinschaft fortbesteht.

(4) Ist ein Ausländer gleichzeitig mit mehreren Ehegatten verheiratet und lebt er gemeinsam mit einem Ehegatten im Bundesgebiet, wird keinem weiteren Ehegatten eine Aufenthaltserlaubnis nach Absatz 1 oder Absatz 3 erteilt.

(5) Hält sich der Ausländer gemäß § 18e berechtigt im Bundesgebiet auf, so bedarf der Ehegatte keines Aufenthaltstitels, wenn nachgewiesen wird, dass sich der Ehegatte in dem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union rechtmäßig als Angehöriger des Ausländers aufgehalten hat. Die Voraussetzungen nach § 18e Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 3 und 4 und Absatz 6 Satz 1 und die Ablehnungsgründe nach § 19f gelten für den Ehegatten entsprechend.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet für ausländische Familienangehörige (Familiennachzug) wird zum Schutz von Ehe und Familie gemäß Artikel 6 des Grundgesetzes erteilt und verlängert.

(1a) Ein Familiennachzug wird nicht zugelassen, wenn

1.
feststeht, dass die Ehe oder das Verwandtschaftsverhältnis ausschließlich zu dem Zweck geschlossen oder begründet wurde, dem Nachziehenden die Einreise in das und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen, oder
2.
tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme begründen, dass einer der Ehegatten zur Eingehung der Ehe genötigt wurde.

(2) Für die Herstellung und Wahrung einer lebenspartnerschaftlichen Gemeinschaft im Bundesgebiet finden die Absätze 1a und 3, § 9 Abs. 3, § 9c Satz 2, die §§ 28 bis 31, 36a, 51 Absatz 2 und 10 Satz 2 entsprechende Anwendung.

(3) Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs kann versagt werden, wenn derjenige, zu dem der Familiennachzug stattfindet, für den Unterhalt von anderen Familienangehörigen oder anderen Haushaltsangehörigen auf Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch angewiesen ist. Von § 5 Abs. 1 Nr. 2 kann abgesehen werden.

(3a) Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs ist zu versagen, wenn derjenige, zu dem der Familiennachzug stattfinden soll,

1.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuches bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuches vorbereitet oder vorbereitet hat,
2.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
3.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
4.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs darf längstens für den Gültigkeitszeitraum der Aufenthaltserlaubnis des Ausländers erteilt werden, zu dem der Familiennachzug stattfindet. Sie ist für diesen Zeitraum zu erteilen, wenn der Ausländer, zu dem der Familiennachzug stattfindet, eine Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 18d, 18f oder § 38a besitzt, eine Blaue Karte EU, eine ICT-Karte oder eine Mobiler-ICT-Karte besitzt oder sich gemäß § 18e berechtigt im Bundesgebiet aufhält. Im Übrigen ist die Aufenthaltserlaubnis erstmals für mindestens ein Jahr zu erteilen.

(5) (weggefallen)

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 29. September 2006 - 9 K 2997/05 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger ist italienischer Staatsangehöriger und im Jahre 1942 in Italien geboren; er ist Vater von acht erwachsenen Kindern, von denen vier in der Bundesrepublik Deutschland leben. Er zog im Jahre 1967 zur Arbeitsaufnahme ohne seine Familie in die Bundesrepublik Deutschland, wo er sich bis zu seiner Ausweisung aufhielt. Während seines Aufenthalts in der Bundesrepublik ging der Kläger verschiedenen abhängigen Berufstätigkeiten nach, teilweise war er auch selbständig, u.a. als Eisverkäufer, tätig. Seit dem 1.6.2007 bezieht der Kläger eine Regelaltersrente in Höhe von monatlich 187,57 EUR. Für seinen Aufenthalt in der Bundesrepublik verfügte der Kläger ursprünglich über eine mehrmalig verlängerte befristete Aufenthaltserlaubnis, anschließend über eine befristete Aufenthaltserlaubnis-EG, welche zuletzt bis zum 8.9.1999 gültig war. Nach seiner Haftentlassung beantragte der Kläger am 12.4.2000 die Verlängerung der ihm zuletzt erteilten Aufenthaltserlaubnis-EG.
Seit dem Jahre 1974 wurde der Kläger im Bundesgebiet mehrfach straffällig und verurteilt. Es handelt sich u.a um mehrere Diebstahlsdelikte, Beleidigung, fahrlässige Körperverletzung, Verkehrsunfallflucht sowie um einen Verstoß gegen das Lebensmittelgesetz. Mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 21.10.1982 wurde der Kläger wegen versuchter beabsichtigter schwerer Körperverletzung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Diese Strafe verbüßte der Kläger ab dem 1.6.1982 bis zum 2/3-Zeitpunkt, danach wurde die Reststrafe zunächst zur Bewährung ausgesetzt und nach erfolgter Bewährung erlassen. Mit Urteil vom 21.12.1998 (rechtskräftig seit dem 29.12.1998) verurteilte das Amtsgericht Heilbronn den Kläger wegen vorsätzlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten, die Vollstreckung dieser Freiheitsstrafe wurde nicht zur Bewährung ausgesetzt. Der Kläger wurde zum 2/3-Zeitpunkt aus dem Strafvollzug entlassen, nachdem die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Tübingen mit Beschluss vom 21.12.1999 den Strafrest zur Bewährung aussetzte. Bereits nach der Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren wegen versuchter beabsichtigter schwerer Körperverletzung durch das Landgericht Stuttgart wies die Landeshauptstadt Stuttgart den Kläger mit Bescheid vom 6.8.1986 aus dem Bundesgebiet aus. Im Widerspruchsverfahren wurde ein Vergleich abgeschlossen, wonach er nicht abgeschoben und die Wirkung der Ausweisung befristet werde, soweit er Nachweise über ein straffreies Leben beibringen könne.
Mit Bescheid vom 29.5.2000 wies das Regierungspräsidium Stuttgart - Bezirksstelle für Asyl - den Kläger unter Anordnung des Sofortvollzugs aus dem Bundesgebiet aus, lehnte seinen Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis-EG bzw. auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung ebenfalls unter Anordnung des Sofortvollzugs ab und drohte ihm die Abschiebung aus der Haft heraus nach Italien an. Dabei ging das Regierungspräsidium davon aus, dass die von dem Kläger begangenen und rechtskräftig abgeurteilten Straftaten einen Grund der öffentlichen Ordnung im Sinne des damals geltenden § 12 Abs. 1 AufenthG/EWG darstellten, welcher die Ausweisung des Klägers rechtfertige. Die Ausweisung erfolge nicht allein wegen einer strafrechtlichen Verurteilung, sondern wegen der hohen Gefährlichkeit des Klägers, die sich an seinen bisherigen Straftaten, insbesondere seinen Gewaltstraftaten gezeigt habe. Der Ausweisung stehe die Schutzbestimmung des § 12 Abs. 4 AufenthG/EWG nicht entgegen, da sie wegen der Häufigkeit und zuletzt der Schwere der Straftaten sowie einer konkret festgestellten Wiederholungsgefahr verfügt werde. Deswegen seien die nationalen Ausweisungsvorschriften gemäß § 45 ff. AuslG anwendbar. Aufgrund der Verurteilung durch das Amtsgericht Heilbronn vom 21.12.1998 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten habe der Kläger den Regelausweisungstatbestand des § 47 Abs. 2 Nr. 1 AuslG verwirklicht. Der Kläger genieße weder nach § 48 Abs. 1 noch gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 AufenthG/EWG besonderen Ausweisungsschutz, da er insbesondere nicht über die erforderliche unbefristete Aufenthaltserlaubnis-EWG verfüge. Da kein besonderer Ausweisungsschutz gemäß § 48 Abs. 1 AuslG bestehe, werde die Regel-Ausweisung nach § 47 Abs. 2 Nr. 1 AuslG nicht gemäß § 47 Abs. 3 Satz 2 AuslG zu einer Ermessens-Ausweisung herabgestuft; es verbleibe bei der Regelwirkung des § 47 Abs. 2 AuslG. Eine atypische Sonderkonstellation, die ein Absehen von dieser Regelwirkung ermögliche, sei im Falle des Klägers nicht gegeben; insbesondere stelle die lange Dauer des Aufenthalts keine derartige atypische Situation dar. Selbst falls die Voraussetzungen für eine Regelausweisung nicht vorlägen, werde die Ausweisung nach Ermessen verfügt.
Nach Entlassung aus der Strafhaft und Erlass der Ausweisung, welche vom Kläger nicht angefochten wurde, reiste er nach seinen eigenen Angaben am 8.10.2000 nach Italien aus, kehrte jedoch im Frühjahr 2004 in die Bundesrepublik Deutschland zurück. Er wurde daraufhin festgenommen und am 22.9.2004 nach Italien abgeschoben, worauf er nach seinen eigenen Angaben am 1.4.2005 erneut in die Bundesrepublik Deutschland einreiste.
Der Kläger beantragte am 15.4.2005 die Rücknahme der Ausweisungsverfügung vom 29.5.2000 sowie die Bestätigung, dass diese Verfügung unwirksam sei. Er machte geltend, dass diese Ausweisungsverfügung entgegen der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs als Regelausweisung im Sinne von § 47 AuslG verfügt worden sei, so dass eine Rücknahmeverpflichtung bestehe.
Mit Bescheid vom 8.9.2005 lehnte das Regierungspräsidium Stuttgart den Antrag auf Rücknahme der Ausweisungsverfügung vom 29.5.2000 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 48 LVwVfG für den Erlass einer die Ausweisungsverfügung betreffenden Rücknahmeverfügung lägen nicht vor. Die Ausweisungsverfügung sei rechtmäßig ; sie sei in zulässiger Weise als rein spezialpräventiv begründete Maßnahme verfügt worden und habe den Anforderungen des Europäischen Gemeinschaftsrechts, insbesondere auch dem in § 12 AufenthG/EWG statuierten besonderen Ausweisungsschutz, genügt. Zwar sei die Ausweisungsverfügung auf der Grundlage des § 47 Abs. 2 AuslG als Regelausweisung verfügt worden, das Regierungspräsidium habe bei ihrem Erlass jedoch zumindest hilfsweise Ermessen ausgeübt, auch sei eine erhebliche konkrete Wiederholungsgefahr festgestellt worden. Mit Bescheid vom 26.9.2005 befristete das Regierungspräsidium Stuttgart die Sperrwirkungen der Ausweisung auf diesen Tag.
Auf die am 13.9.2005 beim Verwaltungsgericht erhobene Klage, mit der der Kläger beantragt hat,
den Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 8.9.2005 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Ausweisungsverfügung vom 29.5.2000 zurückzunehmen,
hat das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Urteil vom 29.9.2006 - 9 K 2997/05 -den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheids vom 8.9.2005 verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Rücknahme der Ausweisungsverfügung vom 29.5.2000 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. In den Entscheidungsgründen hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, der Beklagte sei in seinem versagenden Bescheid vom 8.9.2005 zu Unrecht von der Rechtmäßigkeit der Ausweisung des Klägers ausgegangen und habe deshalb unzutreffender Weise das Vorliegen einer Rücknahmemöglichkeit verneint. Das Gericht gehe mit dem Beklagten zwar davon aus, dass die Ausweisung nicht aus materiell-rechtlichen Gründen zu beanstanden sei. Insbesondere habe der Beklagte den Kläger nicht allein auf der Grundlage der Regelwirkung des § 47 Abs. 2 AuslG in Anknüpfung an die abgeurteilten Straftaten ausgewiesen. Vielmehr habe er hilfsweise eine reine Ermessensentscheidung getroffen, die nach Auffassung des Verwaltungsgerichts auch bei Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht zu beanstanden sei. Gegen das Ergebnis der Ermessensentscheidung wende der Kläger zu Unrecht ein, die Ausweisung verstoße gegen Art. 28 Abs. 3a der RL 2004/38/EG. Diese Richtlinie habe zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt, nämlich dem des Eintritts der Unanfechtbarkeit der Ausweisungsverfügung, noch gar nicht existiert, so dass sie keine Anwendung beanspruchen könne. Die Ausweisung sei auch nicht deshalb materiell-rechtlich zu beanstanden, weil der dort geprüfte § 12 AufenthG/EWG nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 27.4.2006 (Rs C-441/02, InfAuslR 2006, 295) gegen Gemeinschaftsrecht verstoße. Zwar habe der Gerichtshof in dieser Entscheidung tatsächlich einen Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht darin festgestellt, dass die Bundesrepublik Deutschland in § 12 AufenthG/EWG die vom Gemeinschaftsrecht für die Beschränkung der Freizügigkeit aufgestellten Voraussetzungen nicht hinreichend umgesetzt habe. Diese Feststellung habe entgegen der Meinung des Klägers aber nicht zur Folge, dass sämtliche unter Geltung der Vorschrift ergangenen Ausweisungen gegen Unionsbürger allein deshalb rechtswidrig wären, weil bei ihnen zwingend die Voraussetzungen des § 12 AufenthG/EWG zu prüfen gewesen seien. Die Ausweisung vom 29.5.2000 sei jedoch in formeller Hinsicht rechtswidrig, da sie gegen die gemeinschaftsrechtliche Verfahrennorm des Art. 9 Abs. 1 der RL 64/221/EWG verstoßen habe. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und der ihr folgenden Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteile vom 13.9.2005 - 1 C 7.04 - und vom 16.10.2005 - 1 C 5.04 -) werde in Ausweisungsverfahren gegen Unionsbürger und assoziationsrechtlich privilegierte türkische Staatsangehörige außer in dringenden Fällen gegen die Verfahrensgarantie des Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG verstoßen, wenn weder ein Widerspruchsverfahren stattfinde noch sonst eine unabhängige zweite zuständige Stelle im Sinne der Richtlinie im Verwaltungsverfahren eingeschaltet worden sei. Hieraus folge, dass nach der in Baden-Württemberg erfolgten Abschaffung des behördlichen Vorverfahrens bei von den Regierungspräsidien verfügten Ausweisungen die gemeinschaftsrechtlich geforderte Einschaltung einer unabhängigen zweiten Stelle neben der Ausländerbehörde nicht gewährleistet gewesen sei. Da ein dringender Fall im Sinne des Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie im Falle des Klägers zweifellos nicht vorgelegen habe, sei die Ausweisung wegen Verstoßes gegen diese Verfahrensvorschrift unheilbar nichtig.
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Dem Kläger stehe trotz der Rechtswidrigkeit der gegen ihn ergangenen Ausweisung vom 29.5.2000 lediglich ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über deren Rücknahme, nicht jedoch ein unbedingter Rücknahmeanspruch zu. Gemäß § 48 Abs. 1 LVwVfG stehe die Entscheidung über die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde, so dass ein gebundener Anspruch auf Rücknahme lediglich im Falle einer Ermessensreduzierung auf Null gegeben sei. Eine solche komme lediglich unter einschränkenden Voraussetzungen, etwa im Hinblick auf Art. 3 GG im Falle einer Selbstbindung der Behörde oder, wenn Europäisches Gemeinschaftsrecht betroffen sei, aus Gründen des gemeinschaftsrechtlichen Effizienzgebots in Betracht. Beide Voraussetzungen seien hier nicht erfüllt. Dadurch, dass der Beklagte die Wirkungen der Ausweisung mit Bescheid vom 26.9.2005 auf dieses Datum befristet habe, genieße der Kläger zum gegenwärtigen Zeitpunkt wieder volle Freizügigkeit, sodass weder von einer unzumutbaren Beeinträchtigung des Klägers auszugehen sei noch das gemeinschaftsrechtliche Effizienzgebot die Rücknahme der Ausweisung zwingend gebiete. Auch der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs lasse sich nichts für eine gebotene Ermessensreduzierung auf Null entnehmen.
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Mit Beschluss vom 3.5.2007 (Zustellung an den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 9.5.2007) hat der Senat dem Kläger gegen die Versäumung der Frist für den Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt und die Berufung zugelassen. Mit dem am 16.5.2007 eingegangenen Berufungsbegründungsschriftsatz, der auch auf das Vorbringen im Zulassungsverfahren Bezug genommen hat, beantragt der Kläger,
12 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 29.9.2006 abzuändern und den Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 8.9.2005 aufzuheben sowie den Beklagten zu verpflichten, die Ausweisungsverfügung vom 29.5.2000 zurückzunehmen.
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Zur Begründung des Berufungsantrags trägt der Kläger vor, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Ausweisungsverfügung vom 29.5.2000 lediglich gegen formelles Recht verstoße und habe deshalb den geltend gemachten unbedingten Rücknahmeanspruch abgelehnt. Die Ausweisung sei auf die Bestimmung des § 12 AufenthG/EWG gestützt worden, welche der Europäische Gerichtshof als gemeinschaftsrechtswidrig eingestuft habe. Diese Bestimmung überhöhe die Bedeutung formaler Kriterien für den Ausweisungsschutz und schenke der Aufenthaltsdauer zu geringe Bedeutung, was dazu geführt habe, dass in seinem Falle kein besonderer Ausweisungsschutz angenommen worden sei. Auch habe der Beklagte bei Erlass der Ausweisung dem Umstand, dass seine Verurteilung zur Bewährung ausgesetzt worden sei, nicht die nötige Beachtung geschenkt und in rechtswidriger Weise die Strafakten nicht beigezogen bzw. den Vollstreckungsverlauf nicht in seine Prognoseentscheidung einbezogen. Ferner habe die Ausweisung gegen die Schutzbestimmung des Art. 28 Abs. 3a der RL 2004/38/EWG verstoßen, wonach nach einem über zehnjährigen Inlandsaufenthalt die Ausweisung eines Unionsbürgers nur noch aus Gründen der Sicherheit des Staates zuzulassen sei. Die unbefristet verfügte Ausweisung verstoße gegen Art. 8 EMRK, da nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs eine Rechtspflicht bestehe, schon bei Erlass einer in Art. 8 EMRK eingreifenden Verfügung deren Befristung mit zu prüfen. Gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßende Verfügungen dürften nicht vollstreckt werden, insoweit gleiche der Sachverhalt demjenigen der Vollsteckung verfassungswidriger zivilrechtlicher Gerichtsentscheidungen. Die von dem Beklagten vorgenommene Befristung der Ausweisung stelle bereits deshalb keine Alternative zur zwingend gebotenen Rücknahme seiner Ausweisung dar, weil er aufgrund des zu niedrigen Rentenbezugs keinen gemeinschaftsrechtlichen Anspruch auf Zuzug in das Bundesgebiet habe.
14 
Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
16 
Zur Begründung trägt er vor, die von dem Kläger als grundsätzlich aufgeworfene Rechtsfrage, ob der formalrechtliche Verstoß gegen die Verfahrensgarantie des Art. 9 RL 64/221/EWG eine Rücknahme der Ausweisung gebiete, sei in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits entschieden worden. Auf gemeinschaftsrechtlicher Grundlage bestehe nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts lediglich dann ein unbedingter Anspruch auf Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts, wenn bei dessen Erlass die Rechtswidrigkeit offen zu Tage getreten sei, wovon im gegenständlichen Fall nicht ausgegangen werden könne. Zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Ausweisungsverfügung im Mai 2000 habe ein offensichtlicher Rechtsverstoß gegen Art. 9 RL 64/221/EWG nicht vorgelegen, da nach einhelliger Auffassung zu diesem Zeitpunkt von einem dringenden Fall im Sinne der Richtlinie auszugehen gewesen sei, wenn die Ausländerbehörde den Sofortvollzug der Maßnahme angeordnet habe.
17 
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
18 
Dem Senat liegen die den Kläger betreffenden Akten des Regierungspräsidiums Stuttgart sowie der unteren Ausländerbehörde (2 Band) vor. Auf diese Akten wird ebenso wie auf die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts verwiesen; diese Akten waren Gegenstand der Beratung.

Entscheidungsgründe

 
19 
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung über die Berufung des Klägers entscheiden, da beide Beteiligte auf mündliche Verhandlung verzichtet haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
20 
Die zulässige, insbesondere rechtzeitig begründete Berufung (§ 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO) hat in der Sache keinen Erfolg. Dem Kläger steht der geltend gemachte, über die vom Verwaltungsgericht Stuttgart bereits mit Urteil vom 29.9.2006 rechtskräftig ausgesprochene Bescheidungsverpflichtung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts hinausgehende unbedingte Rücknahmeanspruch nicht zu (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
21 
Dem Kläger steht nach wie vor ein Rechtsschutzbedürfnis für die von ihm begehrte Rücknahme der Ausweisungsverfügung mit ex-tunc-Wirkung zu, obwohl der Beklagte nunmehr die Sperrwirkungen der Ausweisung mit Bescheid vom 26.9.2005 auf diesen Tag befristet hat. Ein Interesse des Klägers an der rückwirkenden Aufhebung der Ausweisung ergibt sich bereits daraus, dass zahlreiche Vorschriften an den ununterbrochenen rechtmäßigen Aufenthalt eines Ausländers positive Rechtsfolgen anknüpfen, so etwa der in § 10 StAG statuierte Anspruch auf Einbürgerung oder die besonderen Ausweisungsschutz vermittelnde europarechtliche Bestimmung des Art. 28 Abs. 3a der RL 2004/38/EG.
22 
Zu Recht hat das Verwaltungsgericht für die im Rahmen des § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG entscheidungserhebliche Frage der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der mangels Klageerhebung bestandskräftig gewordenen Ausweisung des Klägers auf den Zeitpunkt des Erlasses der Ausweisungsverfügung am 29.5.2000 abgestellt; da der Kläger jedenfalls zu diesem Zeitpunkt freizügigkeitsberechtigt war, konnte offenbleiben, inwieweit eine erst später eintretende Rechtswidrigkeit ein Rücknahmeverfahren eröffnen kann (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 28.10.2004 - 1 C 13.03 -, NVwZ-RR 2005, 341; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24.9.2001 - 8 S 461/01 -, VBlBW 2002, 208, 209).
23 
 Der Senat kann ferner offenlassen, ob die Ausweisungsverfügung gegen den Kläger nicht nur - wie vom Verwaltungsgericht inzident angenommen - aus formellen Gründen wegen einem Verstoß gegen Art. 9 RL 64/221/EWG als rechtswidrig anzusehen ist, sondern ob auch ein Verstoß gegen materielles Gemeinschaftsrecht vorliegt. Nicht zu folgen vermag der Senat freilich der Annahme des Klägers, es hätten im Wege der sogenannten Vorwirkung bereits bei Erlass der Ausweisungsverfügung im Jahre 2000 die materiellen Voraussetzungen der weitaus später in Kraft getretenen RL 2004/38/EG gegolten. Die Umsetzungsfrist der erst am 29.4.2004 erlassenen Richtlinie lief gemäß deren Art. 28 Abs. 2 und Art. 40 Abs. 1 erst am 30.4.2006 ab, Rückwirkung kann ihr nicht beigemessen werden (vgl. hierzu ausführlich Beschluss des Niedersächsischen OVG vom 30.5.2006 - 11 LA 147/05 - NVwZ 2006, 1302). Unabhängig hiervon steht dem Kläger selbst in dem Fall, dass seine Ausweisung auch gegen materiell-rechtliche Bestimmungen des Europäischen Gemeinschaftsrechts verstoßen haben sollte, lediglich der vom Verwaltungsgericht zugesprochene Bescheidungsanspruch, nicht jedoch ein unbedingter Anspruch auf Rücknahme seiner Ausweisung zu. Weder nationales Recht (1.) noch Gemeinschaftsrecht (2.) oder sonstiges höherrangiges Recht (3.) gebieten es im vorliegenden Fall dem beklagten Land, die gegen den Kläger ergangene Ausweisungsverfügung zurückzunehmen; auch besteht kein zwingender Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens gemäß § 51 Abs. 1 LVwVfG (4.).
24 
1. Nach nationalem Recht räumt § 48 Abs. 1 LVwVfG dem Antragsteller lediglich ein subjektiv-öffentliches Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung hinsichtlich der Entscheidung über die Ausübung der Rücknahmebefugnis ein (vgl. hierzu ausführlich m.w.N. Urteil des Senats vom 24.1.2007 - 13 S 4516 - InfAuslR 2007,182). Ein Rechtsanspruch auf Rücknahme kommt nur dann in Betracht, wenn das Ermessen der Behörde angesichts der besonderen Umstände des konkreten Einzelfalles auf Null reduziert wäre. Eine derartige Reduktion des Ermessens ist regelmäßig nur dann zu bejahen, wenn ein Aufrechterhalten des ursprünglichen Verwaltungsakts unerträglich wäre bzw. für den Betroffenen unzumutbare Folgen hätte (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 15.3.2005 - 3 B 86/04 -, DÖV 2005, 651 m.w.N.). Insbesondere erscheint die Aufrechterhaltung der Ausweisungsverfügung auch nicht deswegen im Sinne der oben angeführten Rechtsprechung als „schlechthin unerträglich“, weil die zur Annahme der Rechtswidrigkeit führende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu den bei der Ausweisung von freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern zu beachtenden formellen Anforderungen, insbesondere gemäß Art. 9 der RL 64/221/EWG, erst Jahre nach dem Erlass der Ausweisungsverfügung entwickelt wurde. Auch erscheint es nicht schlechterdings unerträglich, den Kläger zur Beseitigung der Sperrwirkungen der Ausweisung gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf die - nunmehr erfolgte - nachträgliche Befristung zu verweisen. Ferner ergibt sich eine Ermessensreduzierung nicht aus dem Verhalten der Behörde selbst oder daraus, dass das Rücknahmeinteresse des Betroffenen eindeutig und offensichtlich schwerer wiegen würde als das öffentliche Interesse an einer Rücknahme. Im übrigen kann in diesem Zusammenhang nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Kläger die gegen ihn ergangene Ausweisungsverfügung mangels Klageerhebung bestandskräftig werden ließ.
25 
Der Kläger kann die Rücknahme der gegen ihn ergangenen Ausweisungsverfügung auch nicht unter dem Gesichtspunkt der (deklaratorischen) Aufhebung einer unwirksamen oder unwirksam gewordenen Verfügung erreichen. Zwar ist es in der Rechtsprechung anerkannt, dass bei einem unwirksamen - oder: wie hier allenfalls unwirksam gewordenen -Verwaltungsakt eine klarstellende behördliche Rücknahme des Verwaltungsakts möglich und aus Gründen der Beseitigung des Rechtsscheins gegebenenfalls auch erforderlich sein kann (vgl. hierzu Bay. VGH, Urteil vom 12.10.1989 - 26 B 86.02944 -, NVwZ-RR 1991, 117; Hess. VGH, Urteil vom 29.3.2006 - 6 UE 2874/04 - juris; Urteil des Senats vom 24.1.2007, a.a.O.). Dahingestellt kann bleiben, ob der Kläger bei der gebotenen sachdienlichen Auslegung (§§ 86 Abs. 3, 88 VwGO) nicht nur einen denkbaren Rücknahmeanspruch nach § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG wegen Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, sondern auch wegen etwaiger Unwirksamkeit der Ausweisung gestellt hat. Denn die Voraussetzungen eines solches „Rücknahme“-Anspruchs sind nämlich nicht gegeben.
26 
Bei Erlass der Ausweisungsverfügung und auch in der Folgezeit bis zum Inkrafttreten des Freizügigkeitsgesetzes/EU lag kein Grund für die Annahme von Unwirksamkeit (siehe § 43 Abs. 1 und 2 LVwVfG) oder gar von Nichtigkeit (§ 43 Abs. 3 i.V.m. § 44 LVwVfG) der Ausweisungsverfügung vor; dies liegt für den Senat auf der Hand und bedarf keiner näheren Ausführungen. Wie der Senat in seinem den Beteiligten bekannten Urteil vom 24.1.2007 (- 13 S 451/06 -; a.a.O.) im einzelnen näher dargelegt hat und worauf zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, sind jedenfalls bestandskräftig gewordene Ausweisungsverfügungen auch nicht durch Inkrafttreten des Freizügigkeitsgesetzes zum 1.1.2005 unwirksam geworden.
27 
2. Auch europäisches Gemeinschaftsrecht verpflichtet den Beklagten nicht zur Rücknahme der Ausweisungsverfügung. Wie der Senat in seinem den Beteiligten bekannten Urteil vom 24.1.2007 (13 S 451/06) unter ausführlicher Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des EuGH darstellt, begründet Gemeinschaftsrecht in Fällen der vorliegenden Art keinen unbedingten Rücknahmeanspruch. Vielmehr sind vom nationalen Recht vorgesehene Ausschlussfristen für die Rechtsverfolgung - mit der Folge der Bestandskraft bei Nichteinhaltung dieser Fristen - grundsätzlich auch mit Gemeinschaftsrecht vereinbar, weil sie ein Anwendungsfall des auch für das Gemeinschaftsrecht grundlegenden Prinzips der Rechtssicherheit sind. Selbst bei einem Verstoß gegen materielles Europarecht ist danach eine Rücknahme nicht schlechterdings geboten, vielmehr besteht lediglich eine gemeinschaftsrechtliche Prüfungs- oder Rücknahmepflicht in dem Rahmen, den auch das nationale Recht vorsieht (vgl. Urteil des Senats vom 24.1.2007, a.a.O.; umfassend Rennert, DVBl. 2004, 400; Ruffert, JZ 2007, 407). Bereits oben ist ausgeführt worden, dass unter dem Gesichtspunkt des § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG die Aufrechterhaltung der gegen den Kläger ergangenen Ausweisung nicht „schlechterdings unerträglich“ ist, eine Rücknahmepflicht insoweit also nicht besteht, und diese Überlegungen gelten auch im hier interessierenden Zusammenhang. Der Verzicht des Klägers auf Rechtsbehelfe und die Tatsache, dass der Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht keineswegs offensichtlich war, steht auch hier der der Annahme einer unbedingten Rechtsverpflichtung zur Rücknahme entgegen. Von besonderer Gravität oder gar (zusätzlicher) Offensichtlichkeit eines Gemeinschaftsrechtsverstoßes kann unter diesen Gesichtspunkten ohnehin nicht ausgegangen werden. Da der Kläger nach der Ausweisungsverfügung nicht mehr im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis war und das Bundesgebiet sogar vom Oktober 2000 bis zum August 2004 und erneut von September 2004 bis April 2005 für lange Zeit verlassen hatte, ist auch nicht ersichtlich, dass die Anwendung des nationalen Verfahrensrechts bei der Umsetzung des Gemeinschaftsrechts zu entscheidenden Wirkungsverlusten oder gar zur Umgehung des Gemeinschaftsrechts führen würde. Im übrigen ist jedenfalls dem sekundären Gemeinschaftsrecht die Aufspaltung in Verlust des Freizügigkeitsrechts einerseits und nachfolgende Befristung dieser Wirkung andererseits nicht fremd. So sieht Art. 32 Abs. 1 der RL 2004/38/EG vor, dass ein Unionsbürger, der sein Aufenthaltsrecht aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verloren hat, einen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbots unter Hinweis auf veränderte Umstände stellen kann. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob der Kläger - wie von ihm vorgetragen - zum derzeitigen Zeitpunkt aufgrund seines niedrigen Rentenbezugs einen gemeinschaftsrechtlichen Anspruch auf Zuzug in das Bundesgebiet hat oder nicht. Eine hieran etwa scheiternde Freizügigkeitsberechtigung des Klägers ist nicht Folge der Ausweisung, deren Sperrwirkungen gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG von der Beklagten wie dargestellt befristet worden sind. Wie der Europäischen Gerichtshof in seinem Urteil vom 7.9.2004 (C 456/02 - Trojani -, Rn 36, InfAuslR 2004, 417) zu den „Beschränkungen und Bedingungen“ der Freizügigkeit im Sinne des Art. 18 Abs. 1 EG ausgeführt hat, erwächst dem Unionsbürger bei Fehlen ausreichender Existenzmittel im Sinne der RL 90/364/EWG kein Recht zum Aufenthalt; diese Formulierung legt den Schluss zumindest nahe, dass bei Nichterfüllung dieser Beschränkungen und Bedingungen die Unionsbürgerschaft allein keine Freizügigkeitsberechtigung vermittelt.
28 
3. Entgegen der Annahme des Klägers begründen auch die Bestimmungen der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4.11.1950 (BGBl. 1952 II, 696, 953/19542, S. 14) keinen unbedingten Anspruch auf Rücknahme der gegen ihn ergangenen Ausweisungsverfügung. Zum einen verstößt die Ausweisung nicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (3.1), zum anderen begründet ein etwaiger Verstoß gegen die materiellen Schutzbestimmungen der EMRK nicht in jedem Falle ein entsprechendes Vollstreckungsverbot und vor allem nicht einen hiermit korrespondierenden unbedingten Rücknahmeanspruch (3.2).
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3.1. Nicht zu folgen vermag der Senat der Annahme des Klägers, wonach die Ausweisungsverfügung vom 29.5.2000 bereits deshalb gegen Art. 8 Abs. 1 EMRK verstößt, weil nicht zeitgleich bei ihrem Erlass über eine Befristung der Ausweisungswirkungen entschieden wurde. Der Senat hält an seiner - dem Prozessbevollmächtigten des Klägers bekannten -Rechtsprechung fest, dass das Aufenthaltsgesetzt, das eine Befristung der Wirkungen der Ausweisung nur auf Antrag vorsieht, weder zu Art. 8 EMRK noch zu der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Widerspruch steht und die Ausländerbehörde deshalb eine Ausweisungsverfügung erlassen darf, ohne zugleich von Amts wegen über eine Befristung zu entscheiden. Den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) lässt sich weder entnehmen, dass die Befristungsentscheidung stets zusammen mit der Ausweisungsentscheidung getroffen werden muss noch dass die Befristung nicht von einem entsprechenden Antrag abhängig gemacht werden darf. Eine - durch die Ausweisung mit zunächst unbefristeter Sperrwirkung möglicherweise ausgelöste - unverhältnismäßige Einschränkung der persönlichen Lebensführung des Ausländers wird dadurch verhindert, dass der Ausländer für den Regelfall einen Anspruch auf Befristung der Wirkungen der Ausweisung, insbesondere des Einreise- und Aufenthaltsverbots, hat. Denn der EGMR betont stets, dass es sich um eine Entscheidung im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen konkreten Umstände handelt (vgl. m.w.N. Beschluss des Senats vom 20.3.2007 - 13 S 850/06 -). Auch dem vom Kläger lediglich in englischer Sprache vorgelegten Urteil des EGMR vom 22.3.2007 - 1638/03 -(Maslov) lässt sich nichts Gegenteiliges entnehmen; vielmehr bestätigt der Gerichtshof in dieser Entscheidung seine bisherige Rechtsprechung, wonach eine umfassende Einzelfallbetrachtung und Abwägung geboten ist, wobei einer etwa erfolgten Befristung nicht unerhebliches Gewicht zukommt. Der Fall des Klägers unterscheidet sich dabei bereits in Anbetracht der zahlreichen von ihm begangenen Straftaten gegen unterschiedliche Rechtsgüter und vor allem auch der Tatsache, dass sich der Kläger weder durch die Verurteilung des Landgerichts Stuttgart vom 21.10.1998 zu einer vierjährigen Freiheitsstrafe noch durch deren nachfolgende teilweise Verbüßung von der Abhaltung weiterer, gegen die körperliche Unversehrtheit gerichteter Straftaten abhalten ließ, von den vom EGMR explizit beurteilten Fällen (13/10). Auch das Bundesverfassungsgericht geht im übrigen entgegen der Annahme des Klägers nicht davon aus, dass die Sperrwirkungen einer Ausweisung aufgrund der Bestimmung des Art. 8 Abs. 1 EMRK in jedem Falle zeitgleich mit deren Erlass befristet werden müssten. Vielmehr führt das Bundesverfassungsgericht in seinem den Beteiligten bekannten Beschluss vom 10.5.2007 (2 BvR 304/07) aus, dass die Befristung der Ausweisungswirkungen nur eines von mehreren Kriterien im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Ausweisung gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist (vgl. insbesondere S. 17 des Beschlussumdrucks). Auch die von dem Kläger angeführte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18.7.1979 (1 BvR 650/77) bestätigt seine Rechtsauffassung nicht. Die Entscheidung hebt lediglich auf die Bedeutung einer etwaigen Befristung für die Verhältnismäßigkeit der Ausweisungsverfügung ab, ohne dass sich ihr Anhaltshaltspunkte dafür entnehmen ließen, dass - wie vom Kläger angenommen - über die Befristung stets zeitgleich und unabhängig von einem Antrag mit der Verfügung der Ausweisung zu befinden wäre.
30 
3.2 Im übrigen begründet ein etwaiger Verstoß der Ausweisungsverfügung gegen materielle Bestimmungen der EMRK keinen unbedingten Rücknahmeanspruch, vielmehr stellt ein derartiger Verstoß lediglich einen Gesichtspunkt dar, welcher in die nach nationalen Recht zu treffende Ermessensentscheidung über die Rücknahme gemäß § 48 Abs. 1 LVwVfG einzustellen ist. Dem etwaigen Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention, die aufgrund der Zustimmung des Bundesgesetzgebers mit förmlichem Gesetz gemäß Art. 59 Abs. 2 GG innerstaatlich im Range eines Bundesgesetzes gilt (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 14.10.2004 - 2 BvR 1481/04 -, NJW 2004, 3407), kommt dabei keine weitergehende Wirkung zu als einem Verstoß gegen sonstiges materielles nationales Recht oder gar einem Grundrechtsverstoß. Vielmehr folgt aus dieser Rangzuweisung, dass die Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention und ihrer Zusatzprotokolle - soweit sie für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten sein -nach der Normenhierarchie keine gegenüber sonstigem Bundesrecht übergeordnete Wirkung entfalten. Nach dieser Rangzuweisung haben vielmehr deutsche Gerichte und Verwaltungsbehörden die Konvention wie anderes Gesetzesrecht des Bundes im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung zu beachten und anzuwenden. Aufgrund der weitgehenden Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes sind dabei sowohl dieses als auch das übrige staatliche Recht nach Möglichkeit so auszulegen, dass ein Konflikt mit völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands und damit auch mit den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention in der Gestalt, welche diese in der maßgeblichen Rechtsprechung des EGMR gefunden hat, vermieden wird (vgl. hierzu ausführlich BVerfG, Beschluss vom 14.10.2004, a.a.O. und vom 1.3.2004 - 2 BvR 1570/03 - NVwZ 2004, 852; Meyer-Ladewig, Europäische Menschenrechtskonvention, Handkommentar, 2. Aufl., Rn 20 ff. zu Art 46 m.w.N.). Die über das Zustimmungsgesetz ausgelöste Berücksichtigung der Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Entscheidungen des Gerichtshofs erfordert dabei zumindest, dass die entsprechenden Texte und Judikate zur Kenntnis genommen werden und in den Willensbildungsprozess des zu einer Entscheidung berufenen Gerichts, der zuständigen Behörde oder des Gesetzgebers einfließen. Liegt der Konventionsverstoß in dem Erlass eines bestimmten Verwaltungsakts, so hat die zuständige Behörde die Möglichkeit, diesen nach den Regelungen des nationalen Verwaltungsverfahrensrechts aufzuheben (vgl. § 48 LVwVfG), eine entsprechende unbedingte Verpflichtung der Behörde lässt sich weder den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention noch der hierzu ergangenen Rechtsprechung des EGMR entnehmen. Auch der von dem Kläger zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts lässt sich nichts Gegenteiliges entnehmen. Vielmehr führt das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 6.12.2005 (1 BvR 1905/02, DVBl. 2006, 267) ausdrücklich aus, dass sich aus dem Gesamtzusammenhang der Bestimmungen des § 79 Abs. 1, 2 BVerfGG und insbesondere aus Satz 4 von § 79 Abs. 2 BVerfGG der allgemeine Rechtsgedanke ableiten lasse, dass einerseits zwar unanfechtbar gewordene Akte der öffentlichen Gewalt, die auf verfassungswidriger Grundlage zustande gekommen sind, nicht rückwirkend aufgehoben und die nachteiligen Wirkungen, die in der Vergangenheit von ihnen ausgegangen sind, nicht beseitigt werden, andererseits jedoch zukünftige Folgen, die sich aus einer zwangsweisen Durchsetzung verfassungswidrig ergangener Entscheidungen ergeben würden, abgewendet werden sollen. Diesem § 79 Abs. 2 BVerfGG zugrundeliegenden Rechtsgedanken lässt sich allenfalls ein Vollstreckungsverbot von Maßnahmen, welche gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen, entnehmen, nicht jedoch ein unbedingter Normanwendungsbefehl zur Rücknahme bereits vollstreckter Maßnahmen, wie sie hier die vollzogene Ausweisung darstellt.
31 
4. Dem Kläger steht jedenfalls in der Sache kein Anspruch auf - unbedingtes - Wiederaufgreifen des Verfahrens im Sinne von § 51 Abs. 1 LVwVfG zu. Dahingestellt kann deshalb bleiben, ob dem anwaltlich vertretenen Kläger überhaupt das erforderliche allgemeine Rechtsschutzbedürfnis für dessen Durchsetzung zusteht, nachdem er sowohl bei der Behörde als auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ausdrücklich einen Rücknahmeantrag gestellt hat. Insbesondere liegen die Voraussetzungen eines Wiederaufgreifens nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG nicht vor. Danach ist das Verfahren u.a. wieder aufzugreifen, wenn sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat. Eine Änderung der Rechtslage im Sinne des Bestimmung ist nur dann anzunehmen, wenn es sich um eine Änderung im Bereich des materiellen Rechts, dem eine allgemein verbindliche Außenwirkung zukommt, handelt. Dementsprechend kann eine gerichtliche Spruchpraxis keine Änderung der Rechtslage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG bewirken (vgl. hierzu BVerwG, Vorlagebeschluss vom 7.7.2004 - 6 C 24/03 -, juris; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 9.11.2004 - 11 S 2771/03 -, juris). Mithin rechtfertigen die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 3.8.2004 (- 1 C 29.02 -, BVerwGE 121, 315 bzw. - 1 C 30.02 -, BVerwGE 121, 297) eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG nicht. Zwar kann die Behörde im Verwaltungsverfahren nach pflichtgemäßem Ermessen auch dann wieder aufgreifen und über einen durch unanfechtbaren Verwaltungsakt beschiedenen materiell-rechtlichen Anspruch erneut sachlich entscheiden, wenn die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen im engeren Sinne nach § 51 Abs. 1 LVwVfG nicht vorliegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.9.2005 - 2 C 5/99 -, DVBl. 2001, 726; vgl. § 51 Abs. 5 LVwVfG. Allerdings räumt diese Vorschrift dem Kläger lediglich ein subjektiv-öffentliches Recht auf fehlerfreie Ermessensentscheidung der Behörde über ein Wiederaufgreifen des Verfahrens ein; eine Ermessensreduzierung auf Null mit der Folge, dass die Behörde zur Rücknahme der Ausweisungsverfügung vom 29.5.2000 verpflichtet wäre, besteht aus den oben dargestellten Gründen nicht.
32 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
33 
Die Revision war zuzulassen, da insbesondere die Frage der Wirksamkeit sogenannter altrechtlicher Ausweisungsverfügungen gegen Unionsbürger in der obergerichtlichen Rechtsprechung strittig und noch nicht höchstrichterlich geklärt ist (siehe § 132 Abs. 2 Satz 1 VwGO).
34 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt (§ 152 Abs. 2 GKG).

Gründe

 
19 
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung über die Berufung des Klägers entscheiden, da beide Beteiligte auf mündliche Verhandlung verzichtet haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
20 
Die zulässige, insbesondere rechtzeitig begründete Berufung (§ 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO) hat in der Sache keinen Erfolg. Dem Kläger steht der geltend gemachte, über die vom Verwaltungsgericht Stuttgart bereits mit Urteil vom 29.9.2006 rechtskräftig ausgesprochene Bescheidungsverpflichtung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts hinausgehende unbedingte Rücknahmeanspruch nicht zu (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
21 
Dem Kläger steht nach wie vor ein Rechtsschutzbedürfnis für die von ihm begehrte Rücknahme der Ausweisungsverfügung mit ex-tunc-Wirkung zu, obwohl der Beklagte nunmehr die Sperrwirkungen der Ausweisung mit Bescheid vom 26.9.2005 auf diesen Tag befristet hat. Ein Interesse des Klägers an der rückwirkenden Aufhebung der Ausweisung ergibt sich bereits daraus, dass zahlreiche Vorschriften an den ununterbrochenen rechtmäßigen Aufenthalt eines Ausländers positive Rechtsfolgen anknüpfen, so etwa der in § 10 StAG statuierte Anspruch auf Einbürgerung oder die besonderen Ausweisungsschutz vermittelnde europarechtliche Bestimmung des Art. 28 Abs. 3a der RL 2004/38/EG.
22 
Zu Recht hat das Verwaltungsgericht für die im Rahmen des § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG entscheidungserhebliche Frage der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der mangels Klageerhebung bestandskräftig gewordenen Ausweisung des Klägers auf den Zeitpunkt des Erlasses der Ausweisungsverfügung am 29.5.2000 abgestellt; da der Kläger jedenfalls zu diesem Zeitpunkt freizügigkeitsberechtigt war, konnte offenbleiben, inwieweit eine erst später eintretende Rechtswidrigkeit ein Rücknahmeverfahren eröffnen kann (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 28.10.2004 - 1 C 13.03 -, NVwZ-RR 2005, 341; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24.9.2001 - 8 S 461/01 -, VBlBW 2002, 208, 209).
23 
 Der Senat kann ferner offenlassen, ob die Ausweisungsverfügung gegen den Kläger nicht nur - wie vom Verwaltungsgericht inzident angenommen - aus formellen Gründen wegen einem Verstoß gegen Art. 9 RL 64/221/EWG als rechtswidrig anzusehen ist, sondern ob auch ein Verstoß gegen materielles Gemeinschaftsrecht vorliegt. Nicht zu folgen vermag der Senat freilich der Annahme des Klägers, es hätten im Wege der sogenannten Vorwirkung bereits bei Erlass der Ausweisungsverfügung im Jahre 2000 die materiellen Voraussetzungen der weitaus später in Kraft getretenen RL 2004/38/EG gegolten. Die Umsetzungsfrist der erst am 29.4.2004 erlassenen Richtlinie lief gemäß deren Art. 28 Abs. 2 und Art. 40 Abs. 1 erst am 30.4.2006 ab, Rückwirkung kann ihr nicht beigemessen werden (vgl. hierzu ausführlich Beschluss des Niedersächsischen OVG vom 30.5.2006 - 11 LA 147/05 - NVwZ 2006, 1302). Unabhängig hiervon steht dem Kläger selbst in dem Fall, dass seine Ausweisung auch gegen materiell-rechtliche Bestimmungen des Europäischen Gemeinschaftsrechts verstoßen haben sollte, lediglich der vom Verwaltungsgericht zugesprochene Bescheidungsanspruch, nicht jedoch ein unbedingter Anspruch auf Rücknahme seiner Ausweisung zu. Weder nationales Recht (1.) noch Gemeinschaftsrecht (2.) oder sonstiges höherrangiges Recht (3.) gebieten es im vorliegenden Fall dem beklagten Land, die gegen den Kläger ergangene Ausweisungsverfügung zurückzunehmen; auch besteht kein zwingender Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens gemäß § 51 Abs. 1 LVwVfG (4.).
24 
1. Nach nationalem Recht räumt § 48 Abs. 1 LVwVfG dem Antragsteller lediglich ein subjektiv-öffentliches Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung hinsichtlich der Entscheidung über die Ausübung der Rücknahmebefugnis ein (vgl. hierzu ausführlich m.w.N. Urteil des Senats vom 24.1.2007 - 13 S 4516 - InfAuslR 2007,182). Ein Rechtsanspruch auf Rücknahme kommt nur dann in Betracht, wenn das Ermessen der Behörde angesichts der besonderen Umstände des konkreten Einzelfalles auf Null reduziert wäre. Eine derartige Reduktion des Ermessens ist regelmäßig nur dann zu bejahen, wenn ein Aufrechterhalten des ursprünglichen Verwaltungsakts unerträglich wäre bzw. für den Betroffenen unzumutbare Folgen hätte (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 15.3.2005 - 3 B 86/04 -, DÖV 2005, 651 m.w.N.). Insbesondere erscheint die Aufrechterhaltung der Ausweisungsverfügung auch nicht deswegen im Sinne der oben angeführten Rechtsprechung als „schlechthin unerträglich“, weil die zur Annahme der Rechtswidrigkeit führende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu den bei der Ausweisung von freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern zu beachtenden formellen Anforderungen, insbesondere gemäß Art. 9 der RL 64/221/EWG, erst Jahre nach dem Erlass der Ausweisungsverfügung entwickelt wurde. Auch erscheint es nicht schlechterdings unerträglich, den Kläger zur Beseitigung der Sperrwirkungen der Ausweisung gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf die - nunmehr erfolgte - nachträgliche Befristung zu verweisen. Ferner ergibt sich eine Ermessensreduzierung nicht aus dem Verhalten der Behörde selbst oder daraus, dass das Rücknahmeinteresse des Betroffenen eindeutig und offensichtlich schwerer wiegen würde als das öffentliche Interesse an einer Rücknahme. Im übrigen kann in diesem Zusammenhang nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Kläger die gegen ihn ergangene Ausweisungsverfügung mangels Klageerhebung bestandskräftig werden ließ.
25 
Der Kläger kann die Rücknahme der gegen ihn ergangenen Ausweisungsverfügung auch nicht unter dem Gesichtspunkt der (deklaratorischen) Aufhebung einer unwirksamen oder unwirksam gewordenen Verfügung erreichen. Zwar ist es in der Rechtsprechung anerkannt, dass bei einem unwirksamen - oder: wie hier allenfalls unwirksam gewordenen -Verwaltungsakt eine klarstellende behördliche Rücknahme des Verwaltungsakts möglich und aus Gründen der Beseitigung des Rechtsscheins gegebenenfalls auch erforderlich sein kann (vgl. hierzu Bay. VGH, Urteil vom 12.10.1989 - 26 B 86.02944 -, NVwZ-RR 1991, 117; Hess. VGH, Urteil vom 29.3.2006 - 6 UE 2874/04 - juris; Urteil des Senats vom 24.1.2007, a.a.O.). Dahingestellt kann bleiben, ob der Kläger bei der gebotenen sachdienlichen Auslegung (§§ 86 Abs. 3, 88 VwGO) nicht nur einen denkbaren Rücknahmeanspruch nach § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG wegen Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, sondern auch wegen etwaiger Unwirksamkeit der Ausweisung gestellt hat. Denn die Voraussetzungen eines solches „Rücknahme“-Anspruchs sind nämlich nicht gegeben.
26 
Bei Erlass der Ausweisungsverfügung und auch in der Folgezeit bis zum Inkrafttreten des Freizügigkeitsgesetzes/EU lag kein Grund für die Annahme von Unwirksamkeit (siehe § 43 Abs. 1 und 2 LVwVfG) oder gar von Nichtigkeit (§ 43 Abs. 3 i.V.m. § 44 LVwVfG) der Ausweisungsverfügung vor; dies liegt für den Senat auf der Hand und bedarf keiner näheren Ausführungen. Wie der Senat in seinem den Beteiligten bekannten Urteil vom 24.1.2007 (- 13 S 451/06 -; a.a.O.) im einzelnen näher dargelegt hat und worauf zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, sind jedenfalls bestandskräftig gewordene Ausweisungsverfügungen auch nicht durch Inkrafttreten des Freizügigkeitsgesetzes zum 1.1.2005 unwirksam geworden.
27 
2. Auch europäisches Gemeinschaftsrecht verpflichtet den Beklagten nicht zur Rücknahme der Ausweisungsverfügung. Wie der Senat in seinem den Beteiligten bekannten Urteil vom 24.1.2007 (13 S 451/06) unter ausführlicher Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des EuGH darstellt, begründet Gemeinschaftsrecht in Fällen der vorliegenden Art keinen unbedingten Rücknahmeanspruch. Vielmehr sind vom nationalen Recht vorgesehene Ausschlussfristen für die Rechtsverfolgung - mit der Folge der Bestandskraft bei Nichteinhaltung dieser Fristen - grundsätzlich auch mit Gemeinschaftsrecht vereinbar, weil sie ein Anwendungsfall des auch für das Gemeinschaftsrecht grundlegenden Prinzips der Rechtssicherheit sind. Selbst bei einem Verstoß gegen materielles Europarecht ist danach eine Rücknahme nicht schlechterdings geboten, vielmehr besteht lediglich eine gemeinschaftsrechtliche Prüfungs- oder Rücknahmepflicht in dem Rahmen, den auch das nationale Recht vorsieht (vgl. Urteil des Senats vom 24.1.2007, a.a.O.; umfassend Rennert, DVBl. 2004, 400; Ruffert, JZ 2007, 407). Bereits oben ist ausgeführt worden, dass unter dem Gesichtspunkt des § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG die Aufrechterhaltung der gegen den Kläger ergangenen Ausweisung nicht „schlechterdings unerträglich“ ist, eine Rücknahmepflicht insoweit also nicht besteht, und diese Überlegungen gelten auch im hier interessierenden Zusammenhang. Der Verzicht des Klägers auf Rechtsbehelfe und die Tatsache, dass der Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht keineswegs offensichtlich war, steht auch hier der der Annahme einer unbedingten Rechtsverpflichtung zur Rücknahme entgegen. Von besonderer Gravität oder gar (zusätzlicher) Offensichtlichkeit eines Gemeinschaftsrechtsverstoßes kann unter diesen Gesichtspunkten ohnehin nicht ausgegangen werden. Da der Kläger nach der Ausweisungsverfügung nicht mehr im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis war und das Bundesgebiet sogar vom Oktober 2000 bis zum August 2004 und erneut von September 2004 bis April 2005 für lange Zeit verlassen hatte, ist auch nicht ersichtlich, dass die Anwendung des nationalen Verfahrensrechts bei der Umsetzung des Gemeinschaftsrechts zu entscheidenden Wirkungsverlusten oder gar zur Umgehung des Gemeinschaftsrechts führen würde. Im übrigen ist jedenfalls dem sekundären Gemeinschaftsrecht die Aufspaltung in Verlust des Freizügigkeitsrechts einerseits und nachfolgende Befristung dieser Wirkung andererseits nicht fremd. So sieht Art. 32 Abs. 1 der RL 2004/38/EG vor, dass ein Unionsbürger, der sein Aufenthaltsrecht aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verloren hat, einen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbots unter Hinweis auf veränderte Umstände stellen kann. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob der Kläger - wie von ihm vorgetragen - zum derzeitigen Zeitpunkt aufgrund seines niedrigen Rentenbezugs einen gemeinschaftsrechtlichen Anspruch auf Zuzug in das Bundesgebiet hat oder nicht. Eine hieran etwa scheiternde Freizügigkeitsberechtigung des Klägers ist nicht Folge der Ausweisung, deren Sperrwirkungen gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG von der Beklagten wie dargestellt befristet worden sind. Wie der Europäischen Gerichtshof in seinem Urteil vom 7.9.2004 (C 456/02 - Trojani -, Rn 36, InfAuslR 2004, 417) zu den „Beschränkungen und Bedingungen“ der Freizügigkeit im Sinne des Art. 18 Abs. 1 EG ausgeführt hat, erwächst dem Unionsbürger bei Fehlen ausreichender Existenzmittel im Sinne der RL 90/364/EWG kein Recht zum Aufenthalt; diese Formulierung legt den Schluss zumindest nahe, dass bei Nichterfüllung dieser Beschränkungen und Bedingungen die Unionsbürgerschaft allein keine Freizügigkeitsberechtigung vermittelt.
28 
3. Entgegen der Annahme des Klägers begründen auch die Bestimmungen der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4.11.1950 (BGBl. 1952 II, 696, 953/19542, S. 14) keinen unbedingten Anspruch auf Rücknahme der gegen ihn ergangenen Ausweisungsverfügung. Zum einen verstößt die Ausweisung nicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (3.1), zum anderen begründet ein etwaiger Verstoß gegen die materiellen Schutzbestimmungen der EMRK nicht in jedem Falle ein entsprechendes Vollstreckungsverbot und vor allem nicht einen hiermit korrespondierenden unbedingten Rücknahmeanspruch (3.2).
29 
3.1. Nicht zu folgen vermag der Senat der Annahme des Klägers, wonach die Ausweisungsverfügung vom 29.5.2000 bereits deshalb gegen Art. 8 Abs. 1 EMRK verstößt, weil nicht zeitgleich bei ihrem Erlass über eine Befristung der Ausweisungswirkungen entschieden wurde. Der Senat hält an seiner - dem Prozessbevollmächtigten des Klägers bekannten -Rechtsprechung fest, dass das Aufenthaltsgesetzt, das eine Befristung der Wirkungen der Ausweisung nur auf Antrag vorsieht, weder zu Art. 8 EMRK noch zu der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Widerspruch steht und die Ausländerbehörde deshalb eine Ausweisungsverfügung erlassen darf, ohne zugleich von Amts wegen über eine Befristung zu entscheiden. Den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) lässt sich weder entnehmen, dass die Befristungsentscheidung stets zusammen mit der Ausweisungsentscheidung getroffen werden muss noch dass die Befristung nicht von einem entsprechenden Antrag abhängig gemacht werden darf. Eine - durch die Ausweisung mit zunächst unbefristeter Sperrwirkung möglicherweise ausgelöste - unverhältnismäßige Einschränkung der persönlichen Lebensführung des Ausländers wird dadurch verhindert, dass der Ausländer für den Regelfall einen Anspruch auf Befristung der Wirkungen der Ausweisung, insbesondere des Einreise- und Aufenthaltsverbots, hat. Denn der EGMR betont stets, dass es sich um eine Entscheidung im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen konkreten Umstände handelt (vgl. m.w.N. Beschluss des Senats vom 20.3.2007 - 13 S 850/06 -). Auch dem vom Kläger lediglich in englischer Sprache vorgelegten Urteil des EGMR vom 22.3.2007 - 1638/03 -(Maslov) lässt sich nichts Gegenteiliges entnehmen; vielmehr bestätigt der Gerichtshof in dieser Entscheidung seine bisherige Rechtsprechung, wonach eine umfassende Einzelfallbetrachtung und Abwägung geboten ist, wobei einer etwa erfolgten Befristung nicht unerhebliches Gewicht zukommt. Der Fall des Klägers unterscheidet sich dabei bereits in Anbetracht der zahlreichen von ihm begangenen Straftaten gegen unterschiedliche Rechtsgüter und vor allem auch der Tatsache, dass sich der Kläger weder durch die Verurteilung des Landgerichts Stuttgart vom 21.10.1998 zu einer vierjährigen Freiheitsstrafe noch durch deren nachfolgende teilweise Verbüßung von der Abhaltung weiterer, gegen die körperliche Unversehrtheit gerichteter Straftaten abhalten ließ, von den vom EGMR explizit beurteilten Fällen (13/10). Auch das Bundesverfassungsgericht geht im übrigen entgegen der Annahme des Klägers nicht davon aus, dass die Sperrwirkungen einer Ausweisung aufgrund der Bestimmung des Art. 8 Abs. 1 EMRK in jedem Falle zeitgleich mit deren Erlass befristet werden müssten. Vielmehr führt das Bundesverfassungsgericht in seinem den Beteiligten bekannten Beschluss vom 10.5.2007 (2 BvR 304/07) aus, dass die Befristung der Ausweisungswirkungen nur eines von mehreren Kriterien im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Ausweisung gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist (vgl. insbesondere S. 17 des Beschlussumdrucks). Auch die von dem Kläger angeführte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18.7.1979 (1 BvR 650/77) bestätigt seine Rechtsauffassung nicht. Die Entscheidung hebt lediglich auf die Bedeutung einer etwaigen Befristung für die Verhältnismäßigkeit der Ausweisungsverfügung ab, ohne dass sich ihr Anhaltshaltspunkte dafür entnehmen ließen, dass - wie vom Kläger angenommen - über die Befristung stets zeitgleich und unabhängig von einem Antrag mit der Verfügung der Ausweisung zu befinden wäre.
30 
3.2 Im übrigen begründet ein etwaiger Verstoß der Ausweisungsverfügung gegen materielle Bestimmungen der EMRK keinen unbedingten Rücknahmeanspruch, vielmehr stellt ein derartiger Verstoß lediglich einen Gesichtspunkt dar, welcher in die nach nationalen Recht zu treffende Ermessensentscheidung über die Rücknahme gemäß § 48 Abs. 1 LVwVfG einzustellen ist. Dem etwaigen Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention, die aufgrund der Zustimmung des Bundesgesetzgebers mit förmlichem Gesetz gemäß Art. 59 Abs. 2 GG innerstaatlich im Range eines Bundesgesetzes gilt (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 14.10.2004 - 2 BvR 1481/04 -, NJW 2004, 3407), kommt dabei keine weitergehende Wirkung zu als einem Verstoß gegen sonstiges materielles nationales Recht oder gar einem Grundrechtsverstoß. Vielmehr folgt aus dieser Rangzuweisung, dass die Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention und ihrer Zusatzprotokolle - soweit sie für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten sein -nach der Normenhierarchie keine gegenüber sonstigem Bundesrecht übergeordnete Wirkung entfalten. Nach dieser Rangzuweisung haben vielmehr deutsche Gerichte und Verwaltungsbehörden die Konvention wie anderes Gesetzesrecht des Bundes im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung zu beachten und anzuwenden. Aufgrund der weitgehenden Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes sind dabei sowohl dieses als auch das übrige staatliche Recht nach Möglichkeit so auszulegen, dass ein Konflikt mit völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands und damit auch mit den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention in der Gestalt, welche diese in der maßgeblichen Rechtsprechung des EGMR gefunden hat, vermieden wird (vgl. hierzu ausführlich BVerfG, Beschluss vom 14.10.2004, a.a.O. und vom 1.3.2004 - 2 BvR 1570/03 - NVwZ 2004, 852; Meyer-Ladewig, Europäische Menschenrechtskonvention, Handkommentar, 2. Aufl., Rn 20 ff. zu Art 46 m.w.N.). Die über das Zustimmungsgesetz ausgelöste Berücksichtigung der Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Entscheidungen des Gerichtshofs erfordert dabei zumindest, dass die entsprechenden Texte und Judikate zur Kenntnis genommen werden und in den Willensbildungsprozess des zu einer Entscheidung berufenen Gerichts, der zuständigen Behörde oder des Gesetzgebers einfließen. Liegt der Konventionsverstoß in dem Erlass eines bestimmten Verwaltungsakts, so hat die zuständige Behörde die Möglichkeit, diesen nach den Regelungen des nationalen Verwaltungsverfahrensrechts aufzuheben (vgl. § 48 LVwVfG), eine entsprechende unbedingte Verpflichtung der Behörde lässt sich weder den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention noch der hierzu ergangenen Rechtsprechung des EGMR entnehmen. Auch der von dem Kläger zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts lässt sich nichts Gegenteiliges entnehmen. Vielmehr führt das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 6.12.2005 (1 BvR 1905/02, DVBl. 2006, 267) ausdrücklich aus, dass sich aus dem Gesamtzusammenhang der Bestimmungen des § 79 Abs. 1, 2 BVerfGG und insbesondere aus Satz 4 von § 79 Abs. 2 BVerfGG der allgemeine Rechtsgedanke ableiten lasse, dass einerseits zwar unanfechtbar gewordene Akte der öffentlichen Gewalt, die auf verfassungswidriger Grundlage zustande gekommen sind, nicht rückwirkend aufgehoben und die nachteiligen Wirkungen, die in der Vergangenheit von ihnen ausgegangen sind, nicht beseitigt werden, andererseits jedoch zukünftige Folgen, die sich aus einer zwangsweisen Durchsetzung verfassungswidrig ergangener Entscheidungen ergeben würden, abgewendet werden sollen. Diesem § 79 Abs. 2 BVerfGG zugrundeliegenden Rechtsgedanken lässt sich allenfalls ein Vollstreckungsverbot von Maßnahmen, welche gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen, entnehmen, nicht jedoch ein unbedingter Normanwendungsbefehl zur Rücknahme bereits vollstreckter Maßnahmen, wie sie hier die vollzogene Ausweisung darstellt.
31 
4. Dem Kläger steht jedenfalls in der Sache kein Anspruch auf - unbedingtes - Wiederaufgreifen des Verfahrens im Sinne von § 51 Abs. 1 LVwVfG zu. Dahingestellt kann deshalb bleiben, ob dem anwaltlich vertretenen Kläger überhaupt das erforderliche allgemeine Rechtsschutzbedürfnis für dessen Durchsetzung zusteht, nachdem er sowohl bei der Behörde als auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ausdrücklich einen Rücknahmeantrag gestellt hat. Insbesondere liegen die Voraussetzungen eines Wiederaufgreifens nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG nicht vor. Danach ist das Verfahren u.a. wieder aufzugreifen, wenn sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat. Eine Änderung der Rechtslage im Sinne des Bestimmung ist nur dann anzunehmen, wenn es sich um eine Änderung im Bereich des materiellen Rechts, dem eine allgemein verbindliche Außenwirkung zukommt, handelt. Dementsprechend kann eine gerichtliche Spruchpraxis keine Änderung der Rechtslage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG bewirken (vgl. hierzu BVerwG, Vorlagebeschluss vom 7.7.2004 - 6 C 24/03 -, juris; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 9.11.2004 - 11 S 2771/03 -, juris). Mithin rechtfertigen die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 3.8.2004 (- 1 C 29.02 -, BVerwGE 121, 315 bzw. - 1 C 30.02 -, BVerwGE 121, 297) eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG nicht. Zwar kann die Behörde im Verwaltungsverfahren nach pflichtgemäßem Ermessen auch dann wieder aufgreifen und über einen durch unanfechtbaren Verwaltungsakt beschiedenen materiell-rechtlichen Anspruch erneut sachlich entscheiden, wenn die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen im engeren Sinne nach § 51 Abs. 1 LVwVfG nicht vorliegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.9.2005 - 2 C 5/99 -, DVBl. 2001, 726; vgl. § 51 Abs. 5 LVwVfG. Allerdings räumt diese Vorschrift dem Kläger lediglich ein subjektiv-öffentliches Recht auf fehlerfreie Ermessensentscheidung der Behörde über ein Wiederaufgreifen des Verfahrens ein; eine Ermessensreduzierung auf Null mit der Folge, dass die Behörde zur Rücknahme der Ausweisungsverfügung vom 29.5.2000 verpflichtet wäre, besteht aus den oben dargestellten Gründen nicht.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Revision war zuzulassen, da insbesondere die Frage der Wirksamkeit sogenannter altrechtlicher Ausweisungsverfügungen gegen Unionsbürger in der obergerichtlichen Rechtsprechung strittig und noch nicht höchstrichterlich geklärt ist (siehe § 132 Abs. 2 Satz 1 VwGO).
34 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt (§ 152 Abs. 2 GKG).

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er

1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat;
2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren;
3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen.

(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.

(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.

(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(1) Der Aufenthaltstitel erlischt in folgenden Fällen:

1.
Ablauf seiner Geltungsdauer,
2.
Eintritt einer auflösenden Bedingung,
3.
Rücknahme des Aufenthaltstitels,
4.
Widerruf des Aufenthaltstitels,
5.
Ausweisung des Ausländers,
5a.
Bekanntgabe einer Abschiebungsanordnung nach § 58a,
6.
wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach nicht vorübergehenden Grunde ausreist,
7.
wenn der Ausländer ausgereist und nicht innerhalb von sechs Monaten oder einer von der Ausländerbehörde bestimmten längeren Frist wieder eingereist ist,
8.
wenn ein Ausländer nach Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß der §§ 22, 23 oder § 25 Abs. 3 bis 5 einen Asylantrag stellt;
ein für mehrere Einreisen oder mit einer Geltungsdauer von mehr als 90 Tagen erteiltes Visum erlischt nicht nach den Nummern 6 und 7.

(1a) Die Gültigkeit einer nach § 19 erteilten ICT-Karte erlischt nicht nach Absatz 1 Nummer 6 und 7, wenn der Ausländer von der in der Richtlinie 2014/66/EU vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch macht, einen Teil des unternehmensinternen Transfers in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union durchzuführen. Die Gültigkeit einer nach § 16b oder § 18d erteilten Aufenthaltserlaubnis erlischt nicht nach Absatz 1 Nummer 6 und 7, wenn der Ausländer von der in der Richtlinie (EU) 2016/801 vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch macht, einen Teil des Studiums oder des Forschungsvorhabens in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union durchzuführen.

(2) Die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers, der sich mindestens 15 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat sowie die Niederlassungserlaubnis seines mit ihm in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ehegatten erlöschen nicht nach Absatz 1 Nr. 6 und 7, wenn deren Lebensunterhalt gesichert ist und kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder Absatz 2 Nummer 5 bis 7 besteht. Die Niederlassungserlaubnis eines mit einem Deutschen in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ausländers erlischt nicht nach Absatz 1 Nr. 6 und 7, wenn kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder Absatz 2 Nummer 5 bis 7 besteht. Zum Nachweis des Fortbestandes der Niederlassungserlaubnis stellt die Ausländerbehörde am Ort des letzten gewöhnlichen Aufenthalts auf Antrag eine Bescheinigung aus.

(3) Der Aufenthaltstitel erlischt nicht nach Absatz 1 Nr. 7, wenn die Frist lediglich wegen Erfüllung der gesetzlichen Wehrpflicht im Heimatstaat überschritten wird und der Ausländer innerhalb von drei Monaten nach der Entlassung aus dem Wehrdienst wieder einreist.

(4) Nach Absatz 1 Nr. 7 wird in der Regel eine längere Frist bestimmt, wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach vorübergehenden Grunde ausreisen will und eine Niederlassungserlaubnis besitzt oder wenn der Aufenthalt außerhalb des Bundesgebiets Interessen der Bundesrepublik Deutschland dient. Abweichend von Absatz 1 Nummer 6 und 7 erlischt der Aufenthaltstitel eines Ausländers nicht, wenn er die Voraussetzungen des § 37 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 erfüllt, rechtswidrig mit Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Eingehung der Ehe genötigt und von der Rückkehr nach Deutschland abgehalten wurde und innerhalb von drei Monaten nach Wegfall der Zwangslage, spätestens jedoch innerhalb von zehn Jahren seit der Ausreise, wieder einreist.

(5) Die Befreiung vom Erfordernis des Aufenthaltstitels entfällt, wenn der Ausländer ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben wird; § 11 Absatz 2 bis 5 findet entsprechende Anwendung.

(6) Räumliche und sonstige Beschränkungen und Auflagen nach diesem und nach anderen Gesetzen bleiben auch nach Wegfall des Aufenthaltstitels oder der Aussetzung der Abschiebung in Kraft, bis sie aufgehoben werden oder der Ausländer seiner Ausreisepflicht nachgekommen ist.

(7) Im Falle der Ausreise eines Asylberechtigten oder eines Ausländers, dem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unanfechtbar die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat, erlischt der Aufenthaltstitel nicht, solange er im Besitz eines gültigen, von einer deutschen Behörde ausgestellten Reiseausweises für Flüchtlinge ist. Der Ausländer hat auf Grund seiner Anerkennung als Asylberechtigter oder der unanfechtbaren Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge keinen Anspruch auf erneute Erteilung eines Aufenthaltstitels, wenn er das Bundesgebiet verlassen hat und die Zuständigkeit für die Ausstellung eines Reiseausweises für Flüchtlinge auf einen anderen Staat übergegangen ist.

(8) Vor der Aufhebung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 38a Abs. 1, vor einer Ausweisung eines Ausländers, der eine solche Aufenthaltserlaubnis besitzt und vor dem Erlass einer gegen ihn gerichteten Abschiebungsanordnung nach § 58a gibt die zuständige Behörde in dem Verfahren nach § 91c Absatz 2 über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dem Mitgliedstaat der Europäischen Union, in dem der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten besitzt, Gelegenheit zur Stellungnahme, wenn die Abschiebung in ein Gebiet erwogen wird, in dem diese Rechtsstellung nicht erworben werden kann. Geht die Stellungnahme des anderen Mitgliedstaates rechtzeitig ein, wird sie von der zuständigen Behörde berücksichtigt.

(8a) Soweit die Behörden anderer Schengen-Staaten über Entscheidungen nach Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009, die durch die Ausländerbehörden getroffen wurden, zu unterrichten sind, erfolgt dies über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden unterrichten die Behörden anderer Schengen-Staaten unmittelbar über ihre Entscheidungen nach Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009.

(9) Die Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU erlischt nur, wenn

1.
ihre Erteilung wegen Täuschung, Drohung oder Bestechung zurückgenommen wird,
2.
der Ausländer ausgewiesen oder ihm eine Abschiebungsanordnung nach § 58a bekannt gegeben wird,
3.
sich der Ausländer für einen Zeitraum von zwölf aufeinander folgenden Monaten außerhalb des Gebiets aufhält, in dem die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten erworben werden kann; der Zeitraum beträgt 24 aufeinanderfolgende Monate bei einem Ausländer, der zuvor im Besitz einer Blauen Karte EU war, und bei seinen Familienangehörigen, die zuvor im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 30, 32, 33 oder 36 waren,
4.
sich der Ausländer für einen Zeitraum von sechs Jahren außerhalb des Bundesgebiets aufhält oder
5.
der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erwirbt.
Auf die in Satz 1 Nr. 3 und 4 genannten Fälle sind die Absätze 2 bis 4 entsprechend anzuwenden.

(10) Abweichend von Absatz 1 Nummer 7 beträgt die Frist für die Blaue Karte EU und die Aufenthaltserlaubnisse nach den §§ 30, 32, 33 oder 36, die den Familienangehörigen eines Inhabers einer Blauen Karte EU erteilt worden sind, zwölf Monate. Gleiches gilt für die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers, der sich mindestens 15 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat sowie die Niederlassungserlaubnis eines mit ihm in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ehegatten, wenn sie das 60. Lebensjahr vollendet haben.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.