Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 25. März 2009 - 2 K 1638/08

bei uns veröffentlicht am25.03.2009

Tenor

Der Beklagte wird unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids des Regierungspräsidiums Freiburg vom 7.8.2008 verpflichtet, dem Kläger in Ergänzung der Genehmigung des Oberschulamts Freiburg vom 15.9.1995 eine Genehmigung zum Betrieb der Waldorfschule als Ersatzschule mit integrativer Beschulung von bis zu vier in einer Sonderschule für Geistigbehinderte schulpflichtigen Kindern pro Klasse zu erteilen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Beklagte trägt 4/5, der Kläger 1/5 der Kosten des Verfahrens.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Erweiterung seiner Ersatzschulgenehmigung um das Recht zur integrativen Beschulung von sonderschulpflichtigen Kindern.
Der Kläger, ein 1992 gegründeter und als gemeinnützig anerkannter Verein, verfolgt seit langem das Ziel, in ... eine Freie Waldorfschule zu betreiben, in deren Klassen integrativ auch Kinder unterrichtet werden, die ansonsten in einer Sonderschule für Geistigbehinderte schulpflichtig wären. Zu diesem Zweck hatte er - nach erfolglosen politischen Sondierungsgesprächen mit dem Kultusministerium - am 4.5.1995 zunächst die Genehmigung einer „Grundschule mit besonderer pädagogischer Prägung“ beantragt, in der auf der Grundlage des Waldorflehrplans und der Waldorfpädagogik integrativ 3 bis 4 sonderschulpflichtige Kinder pro Klasse unterrichtet werden sollten. Dieser Antrag war mit Bescheid des Staatlichen Schulamts Freiburg vom 2.11.1995 mit der Begründung abgelehnt worden, die Schule sei ihrem Wesen nach eine Waldorfschule, die im Hinblick auf die Lehrgegenstände, das Lehrziel und den Aufbau wesentlich von den öffentlichen Grundschulen abweiche und deshalb nur im Rahmen der besonderen gesetzlichen Bestimmung von Waldorfschulen zu Ersatzschulen, nicht jedoch nach § 3 Abs. 1 Privatschulgesetz - PSchG - als eigenständige Ersatzschule genehmigt werden könne. Auf das weitere Merkmal der integrativen Beschulung sei deshalb nicht mehr einzugehen. Der Ablehnungsbescheid wurde bestandskräftig, nachdem der Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid des Oberschulamts Freiburg vom 13.9.1996 zurückgewiesen und das im weiteren beim Verwaltungsgericht Freiburg anhängige Klageverfahren nach Abgabe übereinstimmender Erledigungserklärungen mit Beschluss vom 3.5.2000 - 2 K 794/00 - eingestellt worden war.
Mit Bescheid des Oberschulamts Freiburg vom 15.9.1995 wurde dem Kläger die Errichtung und der Betrieb einer Freien Waldorfschule in ... genehmigt. Diese Genehmigung hatte der Kläger ebenfalls am 4.5.1995 hilfsweise für den Fall beantragt, dass der Betrieb der „Grundschule mit besonderer Prägung“ nicht genehmigt werde. Den Betrieb der Waldorfschule nahm der Kläger zum Schuljahr 1995/96 auf. Im Einvernehmen mit der Schulverwaltung wurden dabei aufgrund einer Kooperation mit dem „...“, einer privaten Sonderschule für Geistigbehinderte mit Waldorfpädagogik in ..., von Anfang an pro Klasse integrativ auch 3 bis 4 sonderschulpflichtige Schüler unterrichtet, die dabei rechtlich einer Außenklasse des ... angehörten. Die dorthin gewährten Zuschüsse wurden anteilig an den Kläger weitergeleitet.
Mit Bescheid des Staatlichen Schulamts Freiburg vom 17.9.1999 wurde dem Kläger mit Beginn des Schuljahrs 1999/2000 der „Schulversuch Integratives Schulentwicklungsprojekt zur gemeinsamen schulischen Förderung von Schülern mit geistiger Behinderung und nichtbehinderten Schülern in der Freien Waldorfschule ...“ genehmigt. Dieser wurde „zunächst begrenzt bis Ende der Mittelstufe der Schule für Geistigbehinderte, unter Berücksichtigung der bisher erfolgten Beschulung der Kinder mit geistiger Behinderung bis Ende des Schuljahrs 2000/2001“. Die Genehmigung des Schulversuchs „über den genannten Zeitraum hinaus“ wurde „u.a. von einer Weiterentwicklung der pädagogischen Konzeption für den Bereich Ober- und Werkstufe der Schule für Geistigbehinderte abhängig“ gemacht. Mit der Genehmigung des Schulentwicklungsprojekts wurden die an der Schule unterrichteten geistig behinderten Kinder und Jugendlichen Schüler der Freien Waldorfschule des Klägers. Die Bezuschussung erfolgte auf der Grundlage einer besonders festgelegten Regelung nach Maßgabe des Aufwands ihrer Unterrichtung an einer staatlichen Sonderschule für Geistigbehinderte.
Mit Bescheid des Staatlichen Schulamts Freiburg vom 18.7.2002 wurde die Genehmigung des Integrativen Schulentwicklungsprojekts ab dem Schuljahr 2001/2002 auf die Klassen 7 bis 9 erweitert. Zeitlich wurde die Genehmigung zunächst auf den Zeitraum bis Ende des Schuljahres 2003/2004 begrenzt. Zu diesem Zeitpunkt hätten die Schüler die Oberstufe abgeschlossen, die im Schuljahr 2001/2002 in diese eingetreten seien.
Mit Bescheid des Landratsamts ... vom 30.5.2005 wurde dann die „Weiterführung des Schulversuchs für die Klassen 10 bis 12 im Bildungsgang für Geistigbehinderte“ genehmigt. Der Schulversuch wurde „zunächst bis zum Ende des Schuljahres 2007/2008 befristet“.
Das Integrative Schulentwicklungsprojekt des Klägers wurde durch die Schulverwaltung begleitet. Dabei wurden unter anderem im Juni 2004, Oktober 2005 und im Mai 2007 Evaluationsbesuche an der Schule durchgeführt. Auf der Grundlage dieser Schulbesuche teilte das Regierungspräsidium Freiburg dem Kläger mit Schreiben vom 26.2.2008 mit, es sei deutlich geworden, dass die gemeinsame Beschulung von geistig behinderten Kindern und Jugendlichen mit nicht behinderten Schülerinnen und Schülern in der Schule des Klägers im Grundsatz möglich sei und durch den Kläger positiv ausgestaltet werde. Gegen eine gemeinsame Beschulung gebe es von pädagogischer Seite keine Bedenken.
Während eines Informationsbesuches des Kultusministers im November 2006 sprach sich dieser zwar für eine Fortführung des integrativen Schulkonzepts aus, verwies hinsichtlich der rechtlichen Konstruktion eines solchen Modells jedoch auf die Möglichkeit einer Kooperation mit einer Sonderschule für Geistigbehinderte, die gegebenenfalls auch vom Kläger für diese Zwecke gegründet werden könne. Die Fortführung des Integrativen Schulentwicklungskonzepts mit den dort festgelegten Regelungen etwa zur Bezuschussung lehnte er unter Hinweis darauf ab, dass im Schulgesetz eine solche Schulform nicht vorgesehen sei.
Anfragen des Klägers bei den zuständigen Landkreisen ergaben, dass im Fall des Kooperationsmodells keine zusätzlichen Leistungen für den Schülertransport und die Bereitstellung von Integrationshelfern mehr möglich sein würden. Bemühungen des Kultusministeriums um eine anderweitige Praxis brachten keinen Erfolg.
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Mit zwei getrennten Schreiben vom 18.6.2008 beantragte der Kläger beim Regierungspräsidium Freiburg zum einen festzustellen, dass die Integrative Waldorfschule ... aufgrund des erfolgreich durchgeführten Schulversuchs als Integrative Waldorfschule rechtlich anzuerkennen ist, sowie zum anderen, den Genehmigungsbescheid des Oberschulamts Freiburg vom 15.9.1995 dahin zu ergänzen, dass die Waldorfschule ... als Ersatzschule mit integrativer Beschulung von bis zu vier sonderschulpflichtigen Kindern pro Klasse genehmigt wird.
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Mit Bescheid des Regierungspräsidiums Freiburg - Abteilung Schule und Bildung - vom 7.8.2008 wurde der Antrag auf Ergänzung des Genehmigungsbescheids vom 15.9.1995 um die Genehmigung zur integrativen Beschulung von bis zu vier sonderschulpflichtigen Kindern pro Klasse mit der Begründung abgelehnt, es bestehe weder ein Anspruch auf Überführung des Schulversuchs zur Integrativen Beschulung in die Regelform noch sei eine solche Genehmigung bereits konkludent erteilt worden.
12 
Der Kläger hat am 2.9.2008 beim Verwaltungsgericht Freiburg Klage erhoben. Zur Begründung lässt er im Wesentlichen ausführen, das Integrative Schulentwicklungsprojekt an der Schule sei in der Form eines vorläufigen Verwaltungsaktes dergestalt genehmigt worden, dass es mit der - unbestrittenen - erfolgreichen Evaluierung des Versuchslaufs unbefristet weiterlaufe. Dies ergebe sich nicht nur aus dem Regelungsgehalt der jeweiligen Teilgenehmigungen des Projekts, sondern auch aus dem allgemeinen Verständnis des Schulentwicklungsprojekts unter den Beteiligten. Anders als im Bereich des staatlichen Schulwesens habe der Schulversuch nicht unter dem Vorbehalt einer politischen Umsetzungsentscheidung gestanden, sondern ausschließlich der Prüfung der Genehmigungsfähigkeit des dem Projekt zugrunde gelegten Konzepts einer integrativen Waldorfschule gedient. So habe etwa das Staatliche Schulamt Freiburg dem Landratsamt ... mit Schreiben vom 29.7.1999 mitgeteilt, dass die Befristung des Integrativen Schulentwicklungskonzepts lediglich als Zwischenstation der internen Konzeptbildung und nicht als Auslaufen des Modells zu verstehen und davon auszugehen sei, dass bei entsprechender pädagogisch-konzeptioneller Weiterarbeit der Schule die vollständig ausgebaute Waldorfschule mit integrierter Förderung geistig behinderter Kinder entstehen werde. Auch seien die erste Genehmigung vom 17.9.1999 ebenso wie die Verlängerungen des Schulentwicklungsprojekts in ihrer Geltungsdauer stets allein unter den Vorbehalt der Weiterentwicklung der pädagogischen Konzeption bzw. einer positiven pädagogischen Evaluation durch die Schulaufsichtsbehörde gestellt worden. Schließlich beziehe sich die Befristung der Weitergeltung der Genehmigung des Integrativen Schulentwicklungsprojekts in dem Bescheid des Landratsamts ... vom 30.5.2006 „zunächst bis zum Ende des Schuljahres 2007/2008“ ausschließlich auf die Klassen 10 bis 12, sodass davon ausgegangen werden müsse, dass die bis dahin auch für die Klassen 1 bis 9 geltende Befristung des Schulversuchs mit Blick auf die insoweit bereits vorliegende erfolgreiche Evaluation des Schulversuchs für diese Klassen aufgehoben worden sei. In jedem Fall aber bestehe ein Anspruch auf Genehmigung der integrativen Beschulung von bis zu vier sonderschulpflichtigen Schülern im Rahmen des Betriebs der bestehenden Freien Waldorfschule. Dieser ergebe sich aus der Regelung der §§ 3 Abs. 2 und 5 Abs. 1 lit b), Abs. 2 des Privatschulgesetzes. Die integrative Unterrichtung von behinderten Schülern mit sonderpädagogischen Förderbedarf gemeinsam mit Schülern der Regelschule sei ein Unterricht von Schülern unterschiedlicher Begabungsrichtungen in einem einheitlichen Bildungsgang, der nach dem Waldorflehrplan erfolge und zu den dort festgelegten Bildungszielen führe. Der Unterricht werde grundsätzlich von Lehrkräften mit einer abgeschlossenen fachlichen und pädagogischen Ausbildung erteilt und die Schule müsse trotz der Abweichungen in der inneren und äußeren Gestaltung gegenüber einer entsprechenden staatlichen Schule als gleichwertig betrachtet werden. Darauf, dass die über die beantragte Ergänzung entstehende Schule keine Entsprechung in der gesetzlichen Ausgestaltung des öffentlichen Schulsystems des Landes finde, komme es nicht an. Denn nach Art. 7 Abs. 4 GG reiche es aus, dass die betreffende Privatschule in die von den vorhandenen oder grundsätzlich vorgesehenen öffentlichen Schulen geprägte Gesamtkonzeption passe. Die Schüler müssten im Kern die gleichen Kenntnisse und Fähigkeiten erwerben wie im staatlichen Schulsystem und letztlich zu den staatlichen Abschlüssen geführt werden. Dies alles werde vom Beklagten für die beantragte und erfolgreich evaluierte Konzeption des Klägers für eine integrative Waldorfschule nicht in Frage gestellt. Bei der Anerkennung der integrativen Beschulungsform als gegenüber den staatlichen Regel- und Sonderschulen gleichwertiges Modell sei auch das Diskriminierungsverbot nach Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG zu beachten. Hinzukomme die Regelung des Art. 24 des - mittlerweile ratifizierten - Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, der in Satz 2 die Vertragsstaaten zur Gewährleistung eines „integrativen Bildungssystems auf allen Ebenen“ verpflichte. Der Ablehnungsbescheid vom 2.11.1995 könne der Genehmigungserteilung für die Klassen 1 bis 4 nicht entgegen gehalten werden, da sich diese Ablehnung auf die Genehmigung einer Grundschule mit besonderer pädagogischer Prägung nach § 3 Abs. 1 PSchG bezogen habe, während nunmehr die Anerkennung einer Integrativen Waldorfschule im Rahmen des § 3 Abs. 2 PSchG beantragt werde. Ein identischer Streitgegenstand sei damit auch nicht teilweise gegeben.
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Der Kläger beantragt,
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festzustellen, dass im Rahmen des Betriebs der Waldorfschule ... die integrative Beschulung von bis zu vier in einer Sonderschule für Geistigbehinderte schulpflichtigen Kindern pro Klasse unter Zugrundelegung der Waldorfpädagogik und des Waldorflehrplans und der Bildungsziele nach dem Lehrplan der Sonderschulen für geistig Behinderte bereits genehmigt ist,
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hilfsweise, den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids des Regierungspräsidiums Freiburg vom 7.8.2008 zu verpflichten, ihm in Ergänzung der Genehmigung des Oberschulamts Freiburg vom 15.9.1995 eine Genehmigung zum Betrieb der Waldorfschule als Ersatzschule mit integrativer Beschulung von bis zu vier in einer Sonderschule für Geistigbehinderte schulpflichtigen Kindern pro Klasse zu erteilen.
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Der Beklage beantragt,
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die Klage abzuweisen.
18 
Er trägt im Wesentlichen vor, das aus pädagogischer Sicht zufriedenstellende Ergebnis des Schulversuchs habe nicht zur Folge, dass hiermit bereits das dem Schulversuch zugrunde liegende Schulentwicklungsprojekt der integrativen Beschulung endgültig genehmigt worden sei. Eine solche endgültige Genehmigung könne auch nicht für die Klassen 1 bis 9 aus der Verlängerung des Schulversuchs in dem Bescheid des Landratsamts ... vom 30.5.2006 für die Klassen 10 bis 12 abgeleitet werden. Die Genehmigungen des Integrativen Schulentwicklungsprojekts als Schulversuch seien sämtlich zeitlich befristet worden, wobei der gesamte Schulversuch von Anfang stets unter dem Vorbehalt einer endgültigen Entscheidung zur Umsetzung der Ergebnisse durch die Schulverwaltung gestanden habe. Dies ergebe sich aus dem objektiven Erklärungswert der Genehmigungsbescheide und sei auch immer von allen Beteiligten so verstanden worden. Die mit dem Hilfsantrag verfolgte Klage auf Erteilung einer Genehmigung zur integrativen Beschulung sei unzulässig, soweit die Genehmigung für die Klassen 1 bis 4 begehrt werde. Der Klageerhebung stehe der Beschluss des VG Freiburg vom 3.5.2000 in der Verwaltungsrechtssache 2 K 749/00 entgegen, mit welchem das ebenfalls auf Erteilung einer Genehmigung der integrativen Beschulung in den Klassen 1 bis 4 gerichtete Klageverfahren nach übereinstimmender Erledigungserklärung eingestellt worden sei. Anders als der Kläger meine, sei dieses Klageverfahren nicht auf eine Genehmigung nach § 3 Abs.1 PSchG, sondern auf eine solche nach § 3 Abs.2 PSchG bezogen gewesen und betreffe deshalb den gleichen Streitgegenstand wie der Hilfsantrag. Soweit die mit dem Hilfsantrag verfolgte Klage auf eine integrative Beschulung der Klassen 5 bis 12 der Waldorfschule ziele, sei diese zulässig, jedoch nicht begründet. Der geltend gemachte Anspruch auf Genehmigung einer solchen Unterrichtsform bestehe nicht. Schulen in freier Trägerschaft könnten nach § 3 Abs.1 PSchG nur dann als Ersatzschulen genehmigt werden, wenn entsprechende öffentliche Schulen bestünden. Dies sei weder für Schulen mit integrativer Beschulung geistig behinderter Schüler und Schülerinnen innerhalb einer Regelschule noch für Waldorfschulen der Fall. Soweit für letztere in § 3 Abs.2 PSchG eine gesetzliche Anerkennung als Ersatzschule gegeben sei, beziehe sich diese ausschließlich auf eine Beschulung nach dem Waldorflehrplan, der zu den dort festgelegten Bildungszielen der Regelschule führe. Die vom Kläger gewünschte integrative Unterrichtung auch von sonderschulpflichtigen Kindern und Jugendlichen mit einer geistigen Behinderung sei dort nicht enthalten. Die für die Anerkennung als Ersatzschule notwendige Entsprechung der integrativen Waldorfschule mit einer öffentlichen Schule ergebe sich auch nicht daraus, dass die integrative Unterrichtung von Schülerinnen und Schülern mit geistiger Behinderung im Rahmen von Kooperationen der Regelschule mit einer entsprechenden Sonderschule auch im öffentlichen Schulsystem vorgesehen sei. Denn bei dieser Kooperation blieben die behinderten Kinder und Jugendlichen nach wie vor Schüler der Sonderschule, während sie nach der vom Kläger zur Genehmigung gestellten Konzeption gemeinsam mit den übrigen Kindern und Jugendlichen ohne Behinderung zu Schülern einer einheitlichen Schule würden, die dann an die Stelle sowohl einer allgemeinen Regelschule als auch an die Stelle einer Sonderschule für Geistigbehinderte treten würde. Die hierin liegende Abweichung vom öffentlichen Schulsystem sei insbesondere für das Finanzierungssystem der Privatschulen erheblich und gehe deshalb in jedem Fall über das nach § 5 Abs.2 PSchG zulässige Maß hinaus. Anders als bei der einer Regelschule entsprechenden Waldorfschule würden private Sonderschulen nicht pro Schüler bezuschusst, sondern einheitlich als Institution. Es sei weder möglich noch gewollt, dass ein einzelner Schüler mit einem Wechsel an eine andere Schule einen anteiligen Zuschussbeitrag im „Rucksacksystem“ an die neue Schule mitnehme. Dieser Erwägung stehe nicht das Verbot der Diskriminierung behinderter Schüler entgegen. Das öffentliche Schulsystem stehe als solches mit Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG in Einklang, sodass auch die Vorgabe dieses Schulsystems für den Bereich der Privatschulen nicht gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen könne. Die Sonderschulbedürftigkeit eines Schülers werde immer erst dann festgestellt, wenn eine Integration in die allgemeine Schule auch mit unterstützenden anderweitigen Leistungen innerhalb des Systems nicht möglich sei. Die im öffentlichen Schulsystem bestehende Möglichkeit eines integrativen zieldifferenten Unterrichts in der Form einer Kooperation zwischen einer allgemeinen Regelschule und einer Sonderschule sei dem vom Kläger begehrten Modell gleichwertig. Der Kläger könne die gewollte Integration ohne Abstriche verwirklichen, indem er eine separate private Sonderschule für geistig Behinderte gründe, die er im Schulverbund mit der Freien Waldorfschule „unter einem Dach“ führen und über die er den integrativen Unterricht in der Form einer Kooperation organisieren können. Die hierbei mögliche Reichweite des integrativen Unterrichts entspreche dem, was nach der Evaluation des Schulversuchs durch den Klägers sinnvoll praktiziert worden sei. Dies werde vom Kläger im Grundsatz ebenso gesehen, der die besondere Organisationsform in der Sache nur deshalb begehre, weil er damit rechne, dass die Landkreise in dem Fall des Betriebs einer eigenständigen Sonderschule die bisher gewährten Zuschüsse zu den Schülerfahrten sowie die im Rahmen der Eingliederungshilfe gewährten Assistenzdienste im Unterricht kürzen bzw. streichen. Entgegen der Auffassung des Klägers könne der Genehmigungsanspruch auch nicht aus Art. 24 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen abgeleitet werden. Denn abgesehen davon, dass dieses Übereinkommen trotz der mittlerweile erfolgten Ratifizierung keine justiziablen Rechte einzelner begründe und die Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland zur Gewährleistung eines integrativen Bildungssystems auf die - unstreitig gegebene - Sicherstellung des Rechts von Menschen mit Behinderungen auf den diskriminierungsfreien Zugang zu den Bildungssystemen beschränkt sei, trage das Bildungssystem des Landes Baden-Württemberg der Verpflichtung zur Gewährleistung eines "integrativen Bildungssystems" selbst dann ausreichend Rechnung, wenn diese nicht nur auf den Zugang, sondern auch auf die entsprechende Ausgestaltung des Bildungswesens gerichtet sein sollte.
19 
Der Kammer liegen die Akten des Regierungspräsidiums Freiburg zur Ersatzschulgenehmigung der Freien Waldorfschule ... (2 Hefte) sowie die Akte des damaligen Oberschulamts Freiburg zur Genehmigung einer Freien Waldorf-Grundschule (1 Heft) vor. Beigezogen wurde ferner die Akte des Verwaltungsgerichts zu dem Klageverfahren 2 K 794/00 sowie die Akte des Antragsverfahrens einer potentiellen Schülerin mit sonderpädagogischem Förderbedarf auf Aufnahme in die Schule des Klägers (2 K 1452/08). Auf den Inhalt dieser Akten sowie auf die Schriftsätze in der Klageakte wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
I.
20 
1. Die mit dem Hauptantrag verfolgte Feststellungsklage ist nach § 43 Abs. 1 VwGO zulässig. Eine Subsidiarität gegenüber der Verpflichtungsklage nach § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO besteht nicht, da die Verpflichtung zur Erteilung eines bereits erteilten Verwaltungsakts nicht begehrt werden kann.
21 
2. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Dem Kläger ist bislang keine Genehmigung erteilt worden, an der Freien Waldorfschule in ... integrativ auch bis zu vier in einer Sonderschule für Geistigbehinderte schulpflichtige Kinder pro Klasse unter Zugrundelegung der Waldorfpädagogik und des Waldorflehrplans sowie der Bildungsziele nach dem Lehrplan der Sonderschulen für Geistigbehinderte zu beschulen.
22 
Eine solche Genehmigung lässt sich nicht aus der - aus der Sicht der Beteiligten unstreitig beanstandungsfreien - Durchführung des „Integrativen Schulentwicklungsprojekts zur gemeinsamen schulischen Förderung von Schülern mit geistiger Behinderung und Nichtbehinderten in der Freien Waldorfschule ...“ und der diesem Projekt zugrunde liegenden Genehmigungen ableiten. Entgegen der Auffassung des Kläger-Bevollmächtigten kann weder der Genehmigung des Schulentwicklungsprojekts durch Bescheid des Staatlichen Schulamts Freiburg vom 17.9.1999 noch den Bescheiden des Staatlichen Schulamts Freiburg vom 18.7.2002 und des Landratsamts ... vom 30.5.2005 zur Verlängerung dieses Projekts ein entsprechender Regelungsgehalt entnommen werden.
23 
a) Die Kammer ist der Überzeugung, dass der Kläger nach den ihm bekannten oder erkennbaren maßgeblichen Gesamtumständen im Zeitpunkt des Empfangs den Bescheid des Staatlichen Schulamts Freiburg vom 17.9.1999 ausschließlich so verstehen durfte und auch verstanden hat, dass die Fortführung des in diesem Bescheid beschriebenen Schulentwicklungsprojekts nach Abschluss der Erprobungsphase noch einer eigenständigen weiteren Genehmigung der Schulverwaltung bedarf und nicht bereits - wenn auch durch die Feststellung des pädagogischen Erfolgs aufschiebend bedingt - endgültig genehmigt ist.
24 
Dies ergibt sich daraus, dass der Bescheid des Staatlichen Schulamts Freiburg vom 17.9.1999 wörtlich auf die Genehmigung der Durchführung eines „Schulversuchs“ an der Freien Waldorfschule des Klägers gerichtet ist. Mit dieser Anknüpfung an die Regelungen des § 22 SchulG wurde klar zum Ausdruck gebracht, dass die Ermöglichung der integrativen Beschulung von geistig behinderten Schülerinnen und Schülern an einer Freien Waldorfschule vorrangig auf die pädagogische und schulorganisatorische Erprobung eines solchen Konzepts gerichtet ist und die Frage der endgültigen Genehmigung dieser Schulform - wie auch sonst bei Schulversuchen - einer nach Beendigung des Schulversuchs zu treffenden eigenständigen Entscheidung der Schulverwaltung vorbehalten bleibt.
25 
Dem steht nicht entgegen, dass die Regelung des § 22 SchulG auf die Durchführung eines Schulversuchs an einer öffentlichen Schule im Sinne des § 2 Abs. 1 SchulG beschränkt ist und im Bereich der Privatschulen keine unmittelbare Anwendung findet (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 2 SchulG). Denn selbst wenn die Genehmigung des Schulversuchs deshalb rechtswidrig gewesen wäre, hätte dies auf die Bestimmung ihres konkreten Regelungsgehalts keine Auswirkung, da der Rechtmäßigkeit einer Regelung allenfalls dann Bedeutung zukommen kann, wenn diese objektiv mehrdeutig ist und Zweifel darüber bestehen, in welcher Weise der Empfänger die Regelung verstehen durfte (Kopp/Ramsauer, VwVfG Kommentar, 10. Aufl. 2008, § 35 Rn. 18 ff; Gurlit in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2005, § 27 III, Rn. 9 m.w.N.). Diese Situation ist hier jedoch nicht gegeben. Im Übrigen war es weder nach der Struktur des Privatschulwesens noch nach dem Zweck des § 22 SchulG ausgeschlossen, den Kläger in entsprechender Anwendung des § 22 SchulG in den Schulversuch zur integrativen Beschulung von geistig behinderten Kindern und Jugendlichen in Regelschulen einzubinden. Denn auch wenn Schulen in freier Trägerschaft bereits aufgrund ihrer Privatschulfreiheit im stärkeren Maße in der Lage sind, pädagogische und organisatorische Konzepte zu erproben, als dies im Bereich des öffentlichen Schulwesens der Fall ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 9.3.1994 - 1 BvR 1369/90 -, BVerfGE 90, 128 140; BVerwG, Urt. v. 13.12.2000 - 6 C 5.00 -, BVerwGE 112, 263, 268 f.), bestand hier die Besonderheit, dass die privatschulrechtliche Genehmigungsfähigkeit der vom Kläger begehrten integrativen Beschulung von der Schulverwaltung bereits dem Grunde nach bestritten wurde, zugleich aber über den Schulversuch eine - aus der Sicht der Schulverwaltung auch für den Fall des Klägers notwendige - politische Entscheidung zur Änderung des öffentlichen Schulwesens vorbereitet werden sollte.
26 
Für das Verständnis der Genehmigung vom 17.9.1999 als Regelung eines Schulversuchs im Sinne des § 22 SchulG spricht auch, dass es der Kläger war, der im Vorfeld der Genehmigungserteilung aktiv die Einbeziehung der integrativen Beschulung von geistig behinderten Schülerinnen und Schulen an seiner Waldorfschule in den zeitgleich an einigen öffentlichen Schulen des Landes durchgeführten Schulversuch betrieben hatte. Dieses Bemühen zeigt sich in dem Antrag des damaligen Bevollmächtigten des Klägers im Jahr 1998 beim Ministerium für Kultus und Sport auf Einrichtung eines „Modellversuchs“, in dem das Konzept der integrativen Beschulung für den Bereich der Grundschulklassen erprobt werden sollte (vgl. den Aktenvermerk in der Akte des Oberschulamts Freiburg zur Genehmigung der Freien Waldorf-Grundschule, S.119), sowie in der zeitgleich im Widerspruchsverfahren gegen die Ablehnung der Genehmigung einer privaten Grundschule mit integrativer Beschulung erfolgten Berufung auf die Bestätigung des Leiters der Arbeitsgruppe zur wissenschaftlichen Begleitung der Schulversuche, Prof. Dr. ..., dass eine Erprobung der integrativen Beschulung auch im Waldorfbereich eine wertvolle Ergänzung darstellen würde (Akte des Oberschulamts Freiburg zur Genehmigung der Freien Waldorf-Grundschule, S. 40).
27 
Für das objektive Verständnis der Genehmigung vom 17.9.1999 als isolierte Erlaubnis eines Schulversuchs ist weiter maßgeblich, dass sowohl die damalige Kultusministerin in ihrem Schreiben vom 27.6.1994 (Behördenakte Regierungspräsidium Freiburg „Freie Waldorfschule ..., Bd. 1, S 31 ff) als auch später der Sachbearbeiter in seinem Schreiben vom 13.8.1996 (Akte des Oberschulamts Freiburg zur Genehmigung der Freien Waldorf-Grundschule, S. 60) im Vorfeld der Genehmigung des Schulversuchs gegenüber dem Kläger betont hatten, dass die Genehmigung einer Ersatzschule mit integrativer Beschulung aus ihrer Sicht rechtlich nicht möglich sei und deshalb einer nach Abschluss des auch im Bereich des öffentlichen Schulwesens laufenden Schulversuchs zu treffenden politischen Grundentscheidung bedürfe.
28 
Hinzu kommt schließlich, dass die Schulverwaltung den Charakter des Schulentwicklungsprojekts als „Schulversuch“ stets auch während des Laufs dieses Projekts betont hat, ohne dass der Kläger in diesem Zusammenhang ein anderes Verständnis von der Genehmigung vorgebracht hätte. So hat der Kläger am 29.7.2004 etwa die Fortführung des Schulentwicklungsprojekts bis zum Ende des Schuljahrs 2006/2007 „unter den bisherigen Bedingungen“ beantragt, obwohl mit ihm im Rahmen der Evaluationsbesuche des Staatlichen Schulamts Freiburg am 20.5.2003 (Behördenakte Regierungspräsidium Freiburg „Freie Waldorfschule ..., Bd. 1, S. 215) und am 22./23.6.2004 (Behördenakte Regierungspräsidium Freiburg „Freie Waldorfschule ..., Bd. 2, S. 4) die Problematik einer zukünftigen Organisationsform der Schule nach Auslaufen des Schulversuchs besprochen worden war und das Protokoll zum Evaluationsbesuch am 22./23.6.2004 ausdrücklich mit dem Votum der Genehmigungsbehörde endet: „Unter diesen Bedingungen könnten wir der letztmaligen Verlängerung als Schulversuch zustimmen. Danach muss eine dauerhafte und organisatorisch tragfähige Form entwickelt und umgesetzt werden.“ Dem entspricht es, dass der Kläger sich in seinem eigenen Informationsschreiben an die Mitglieder des Schulausschusses im Landtag vom 28.12.2005 über das Integrative Schulentwicklungsprojekt (Behördenakte Regierungspräsidium Freiburg „Freie Waldorfschule ..., Allgemeines, Bd. 2, S. 67ff) zum Ziel gesetzt hat, „die integrative Beschulung in dieser Form weiterzuführen und eine dauerhafte Genehmigung dafür zu erhalten“. Wäre der Kläger davon ausgegangen, dass eine eigenständige Entscheidung nach Abschluss des Schulversuchs über die weitere Organisationsform der integrativen Beschulung nicht mehr notwendig ist, da die Genehmigung vom 17.9.1999 die Fortführung des bisherigen Modells allein unter den Vorbehalt eines pädagogischen Erfolgs des Versuchs gestellt hat, hätte er dies in irgendeiner Form besonders zum Ausdruck gebracht.
29 
Dem - wie dargestellt - eindeutigen übereinstimmenden Verständnis vom Regelungsgehalt der Schulversuchsgenehmigung vom 17.9.1999 steht nicht entgegen, dass - worauf der Kläger-Bevollmächtigte hinweist - das Staatliche Schulamt dem Landratsamt ... mit Schreiben vom 29.7.1999, also noch vor der Genehmigungserteilung, mitgeteilt hat, dass die Befristung des Integrativen Schulentwicklungskonzepts „lediglich als Zwischenstation der internen Konzeptbildung und nicht als Auslaufen des Modells zu verstehen und davon auszugehen (sei), dass bei entsprechender pädagogisch-konzeptioneller Weiterarbeit der Schule die vollständig ausgebaute Waldorfschule mit integrierter Förderung geistig behinderter Kinder entstehen“ werde. Denn abgesehen davon, dass diese - auch dem Kläger zur Kenntnis gegebene - Einschätzung das tatsächliche Verständnis der Beteiligten von der später getroffenen Regelung offensichtlich nicht beeinflusst hat, ist mit dieser Mitteilung inhaltlich noch keine Aussage darüber getroffen worden, in welcher konkreten Organisationsform diese integrative Förderung behinderter Kinder an der Waldorfschule dann tatsächlich erfolgen werden wird.
30 
b) Lässt sich dem Bescheid des Staatlichen Schulamts vom 17.9.1999 keine durch den pädagogischen Erfolg des Projekts aufschiebend bedingte Genehmigung der dem Schulentwicklungsprojekt zugrunde liegenden integrativen Schul- und Unterrichtsform entnehmen, so gilt dies auch für die Verlängerung des Projekts in den Bescheiden des Staatlichen Schulamts Freiburg vom 18.7.2002 und des Landratsamts ... vom 30.5.2005.
31 
Der Bescheid des Staatlichen Schulamts Freiburg vom 18.7.2002 knüpfte - nach Ablauf der Frist und Vorlage der Weiterentwicklung des Konzepts des Klägers - an die inhaltliche und zeitliche Begrenzung der Schulversuchsgenehmigung vom 17.9.1999 an und erstreckte die Weitergeltung des Schulversuchs zur integrativen Beschulung der entsprechend herangewachsenen Schüler auf den weiteren Bereich der Oberstufe des Bildungsgangs der Sonderschule bzw. der Klassenstufen 7 bis 9 an der Freien Waldorfschule. Dabei wurde durch den gleichzeitig erfolgten Hinweis auf die Weitergeltung der Genehmigung vom 17.9.1999 hinreichend deutlich gemacht, dass mit der Erweiterung des Schulentwicklungsprojekts keine endgültige Genehmigung der bereits in einem ersten Durchlauf erprobten Integrativen Beschulung in den Klassen 1 bis 6 verbunden sein sollte, dass aber im Rahmen des Schulversuchs weiterhin in jeweils neu beginnenden Klassen auch Schüler mit besonderem Förderbedarf in einer Sonderschule für Geistigbehinderte aufgenommen und integrativ beschult werden können.
32 
Gleiches gilt für die ausdrücklich als „Weitergenehmigung des Schulversuchs“ bezeichnete Erstreckung der Genehmigung des Schulentwicklungsprojekts auch auf die der Werkstufe an einer Sonderschule für Geistigbehinderte entsprechenden Klassen 10 bis 12 in dem Bescheid des Landratsamts ... vom 30.5.2005. Soweit hier der Schulversuch ohne Differenzierung „zunächst bis zum Ende des Schuljahrs 2007/2008 befristet“ wird, ist dies nach den Umständen des gesamten Schulversuchs dahin zu verstehen, dass nach dem Ablauf der Frist ein Neuaufnahmestopp in der 1. Klassenstufe eintreten und das Schulentwicklungsprojekt - jedenfalls dann, wenn die Fortführung nicht genehmigt wird - über die Weiterführung der integrativen Beschulung (allein) der bereits aufgenommenen Schülerinnen und Schüler mit geistiger Behinderung auslaufen soll. Die gegenteilige Auffassung des Kläger-Bevollmächtigten, der aus der missverständlichen, weil möglicherweise auf einen vollständigen und abrupten Abbruch der integrativen Beschulung insgesamt gerichteten Befristung ableitet, dass diese allein auf die notwendige Erprobung des integrativen Unterrichts in der Werkstufe bezogen sein könne und im Übrigen (konkludent) eine endgültige Genehmigung enthalte, teilt die Kammer daher nicht. Dabei zeigen insbesondere die vielfältigen politischen Bemühungen um eine Verlängerung des Projekts, dass auch der Kläger die letzte Verlängerungsentscheidung nicht im Sinne einer Erteilung der Ersatzschulgenehmigung zur integrativen Beschulung in den Klassenstufen 1 bis 9 verstanden hat.
II.
33 
Der nach Abweisung des Hauptantrags zum Tragen kommende Hilfsantrag des Klägers auf Verpflichtung zur Erteilung der Ersatzschulgenehmigung zur integrativen Beschulung von geistig behinderten Kindern hat Erfolg.
34 
1. Die Klage ist in der Form einer Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO zulässig.
35 
Eines Widerspruchsverfahrens als Vorverfahren vor Erhebung der Klage bedurfte es gemäß § 68 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 6a Satz 1 AGVwGO a.F. (nunmehr: § 15 Abs. 1 S. 1 AGVwGO idF. v. 14.10.2008, GBl S. 343) nicht, da die beantragte Ersatzschulgenehmigung durch das Regierungspräsidium abgelehnt worden ist.
36 
Entgegen der Auffassung des Beklagten steht der Zulässigkeit der Klage auch nicht teilweise entgegen, dass das Staatliche Schulamt bereits mit Bescheid vom 2.11.1995 einen Antrag des Klägers auf Genehmigung der Errichtung und des Betriebs einer Grundschule abgelehnt hat, an der auf der Grundlage des Waldorflehrplans und unter Anwendung der Waldorfpädagogik integrativ auch geistig behinderte Kinder unterrichtet werden sollten. Denn die Klage ist nicht auf diesen Antrag und die bestandskräftige Ablehnungsentscheidung vom 2.11.1995 bezogen, sondern auf den neuen Antrag des Klägers vom 18.6.2008 auf Genehmigung zur integrativen Beschulung von geistig behinderten Kindern und Jugendlichen in der vorhandenen Freien Waldorfschule. Mit dem Einwand des Beklagten zur Bestandskraft des Ablehnungsbescheids vom 2.11.1995 ist der Streitgegenstand dieser Klage (nur) insoweit betroffen, als der Beklagte dem neuen Genehmigungsantrag des Klägers eine aus seiner Sicht bestehende Bindungswirkung der ersten Ablehnungsentscheidung entgegenhält. Da nach den Darlegungen des Klägers jedenfalls die zur Geltendmachung einer Rechtsverletzung nach § 42 Abs. 2 VwGO notwendige hinreichende Möglichkeit besteht, dass dieser Einwand zu Unrecht erhoben wird und dem Kläger der Anspruch auf die begehrte Ersatzschulgenehmigung im vollen Umfang zusteht, bleibt die mit einer solchen Bindungswirkung der Ablehnungsentscheidung vom 2.11.1995 verbundene Problematik der materiellen Rechtmäßigkeit der Ablehnungsentscheidung vom 7.8.2008 der Prüfung der Begründetheit der Klage vorbehalten.
37 
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass das nach Ablehnung des Genehmigungsantrags vom 4.5.1995 vom Kläger anhängig gemachte Klageverfahren nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 3.5.2000 - 2 K 794/00 - eingestellt worden ist. Denn mit der in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 2 VwGO erfolgenden Einstellung eines Verfahrens wird keine der materiellen Rechtskraft fähige Entscheidung des Gerichts über den anhängigen Streitgegenstand getroffen, die einen Rechtsstreit in gleicher Sache unzulässig machen würde. Die vom Beklagten für seine Auffassung zitierte Kommentarstelle ergibt nichts anderes.
38 
Entgegen der Anregung des Beklagten sieht die Kammer nach Ermessen von dem Erlass eines Zwischenurteils nach § 109 VwGO zur (Teil-)Zulässigkeit des Hilfsantrags des Klägers ab. Denn abgesehen davon, dass die vom Kläger aufgeworfene Problematik der Zulässigkeit der Verpflichtungsklage keine besonderen, in einer weiteren Instanz klärungsbedürftigen Rechtsfragen aufwirft, brächte ein solches Urteil weder eine Beschleunigung des Verfahrens noch die Möglichkeit einer vereinfachenden Abschichtung von Streitfragen mit sich. Das Gericht wäre auch nach einer Zuführung der vom Beklagten aufgeworfenen Zulässigkeitsfrage in einen Zwischenstreit nicht von der Aufgabe enthoben, den Rechtsstreit im Übrigen, d.h. hinsichtlich des Hauptantrags und des Hilfsantrags in Bezug auf die Klassen 5 bis 12, auch inhaltlich zu entscheiden. Dabei konnte der Beklagte auch inhaltlich zur Klage Stellung nehmen, ohne einen möglicherweise berechtigten Einwand zu ihrer Unzulässigkeit zu verlieren. Die Rechtsprechung zur Entbehrlichkeit eines Vorverfahrens bei inhaltlicher Einlassung des auch für das Widerspruchsverfahren zuständigen Beklagten im Prozess ist auf die hier gegebene Konstellation nicht übertragbar.
39 
2. Die Klage ist begründet. Der Bescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 7.8.2008, mit welchem der Antrag des Klägers vom 18.6.2008 auf Ergänzung der Ersatzschulgenehmigung vom 15.9.1995 um die Genehmigung zur integrativen Beschulung von bis zu vier sonderschulpflichtigen Kindern pro Klasse abgelehnt worden war, ist rechtwidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
40 
Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung einer Genehmigung zum Betrieb der Freien Waldorfschule Emmendingen als Ersatzschule mit integrativer Beschulung von bis zu vier in einer Sonderschule für Geistigbehinderte schulpflichtigen Kindern pro Klasse. Dieser Anspruch lässt sich zwar nicht aus dem Privatschulgesetz des Landes Baden-Württemberg ableiten (hierzu zu a), er ergibt sich jedoch unmittelbar aus Art. 7 Abs. 4 GG (hierzu zu b). Der Genehmigungsanspruch umfasst dabei auch eine integrative Beschulung in den Klassen 1 bis 4; diesem stehen weder die besonderen Genehmigungsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 5 GG noch die Bindungswirkung der bestandskräftigen Ablehnung der Genehmigung einer integrativen Grundschule mit Waldorfpädagogik vom 2.11.1995 entgegen (hierzu zu c).
41 
a) Nach § 5 Abs. 1 des Privatschulgesetzes des Landes Baden-Württemberg setzt die Erteilung der Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Schule in freier Trägerschaft, an der Kinder und Jugendliche ihre Schulpflicht erfüllen können, voraus, dass diese eine Ersatzschule im Sinne des § 3 PSchG darstellt. Abgesehen von der - hier nicht einschlägigen - Möglichkeit nach § 3 Abs. 2 Satz 2 PSchG, dass diese durch Rechtsverordnung der Landesregierung zu einer Ersatzschule erklärt wird, ist diese Genehmigungsvoraussetzung nur dann erfüllt, wenn im Lande entsprechende öffentliche Schulen bestehen (§ 3 Abs. 1 PSchG) oder wenn es sich bei der Schule um eine Freie Waldorfschule im Sinne der Regelung des § 3 Abs. 2 Satz 1 PSchG handelt.
42 
Die vom Kläger zur Genehmigungserteilung gestellte Schulform einer Freien Waldorfschule, an der in den Klassen 1 bis 12 gemeinsam mit den übrigen Schülerinnen und Schülern jeweils auch bis zu vier Schülerinnen und Schüler unterrichtet werden, die nach §§ 15 Abs. 1, 82 Abs. 1 SchulG zur Erfüllung ihrer Schulpflicht zum Besuch einer Sonderschule für Geistigbehinderte verpflichtet sind, ist weder in der einen noch in der anderen Form eine Ersatzschule im Sinne dieser Regelung.
43 
Dies ergibt sich hinsichtlich der Regelung des § 3 Abs. 1 PSchG daraus, dass nach der Gliederung des öffentlichen Schulwesens in Baden-Württemberg (§§ 3 bis 15 SchG) eine dieser Schule entsprechende öffentliche Schule bereits nach ihrer Schulart weder tatsächlich besteht noch grundsätzlich vorgesehen ist (zum Begriff der regelschulakzessorischen Schule nach § 3 Abs. 1 vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.2.1991 - 9 S 2315/89 -, VBlBW 1992, 226). Immerhin soll die zur Genehmigung gestellte Schule insgesamt weiterhin in der Form einer Freien Waldorfschule geführt werden, an der Schüler in einem - im öffentlichen Schulwesen nicht vorgesehenen - einheitlichen Bildungsgang von Klasse 1 bis Klasse 12 unterrichtet werden und für die der Gesetzgeber deshalb in § 3 Abs. 2 Satz 1 PSchG eine besondere Anerkennung als Ersatzschule ausgesprochen hat. Vor allem aber ist im Bereich des öffentlichen Schulwesens keine Schule vorgesehen, an der Kinder- und Jugendliche, die aufgrund ihres sonderpädagogischen Förderbedarfs in einer Sonderschule für Geistigbehinderte schulpflichtig sind, als eigene Schüler gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern unterrichtet werden, für die ein solcher Förderbedarf nicht besteht. Die nach § 15 Abs. 5 und 6 SchulG gegebenen Möglichkeiten eines Unterrichts etwa für sonderschulpflichtige Kinder mit geistiger Behinderung auch an allgemeinen Schulen ist auf Kooperationen dieser Schulen mit der entsprechenden Sonderschule beschränkt, ohne dass die sonderschulpflichtigen und die übrigen Schülerinnen und Schülern rechtlich Schüler einer gemeinsamen Klasse und Schule würden. Die nach § 107 Abs. 1 Satz 1 SchulG als Schulen besonderer Art geführten öffentlichen Gesamtschulen sind zwar für die Klassenstufen 5 bis 10 von einer Gliederung nach Schularten befreit, doch ist dies auf den Bereich der Haupt- und Realschulen sowie der Gymnasien beschränkt und erfasst gerade nicht die Beschulung von sonderschulpflichtigen Kindern. Die in § 15 Abs. 1 Satz 1 und 4 SchulG gegebene Möglichkeit der Beschulung behinderter Schüler in allgemeinen Schulen setzt voraus, dass diese, und sei es mit besonderer Unterstützung, dem jeweiligen Bildungsgang an der allgemeinen Schule folgen können, erfasst also ebenfalls nicht die Schülerinnen und Schüler, deren Förderbedarf gerade einen eigenen Bildungsgang erfordert und die deshalb im Rahmen eines gemeinsamen Unterrichts mit Schülerinnen und Schülern ohne Förderbedarf zieldifferent unterrichtet werden müssten.
44 
Die Ersatzschuleigenschaft der vom Kläger begehrten integrativen Waldorfschule ergibt sich auch nicht aus der Regelung des § 3 Abs. 2 Satz 1 PSchG. Zwar ist die vom Kläger bisher betriebene Schule unstreitig eine Freie Waldorfschule, die - entsprechend § 3 Abs. 2 Satz 1 PSchG - in einem einheitlichen Bildungsgang von Klasse 1 bis Klasse 12 Schüler unterschiedlicher Begabungsrichtungen nach dem Waldorflehrplan (Pädagogik Rudolf Steiner) zu den dort festgelegten Bildungszielen führt und auch in ihrer Klasse 13 auf der Klasse 12 der Waldorfschule aufbauend auf die Hochschulreife vorbereitet. Auch werden im Rahmen der vom Kläger geplanten integrativen Unterrichtung von geistig behinderten Schülerinnen und Schülern „von Klasse 1 bis Klasse 12 Schüler unterschiedlicher Begabungsrichtungen“ unterrichtet. Weiter kann zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass die Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf (zumindest auch) zu den allgemeinen (anthroposophischen) Bildungszielen der Waldorfpädagogik geführt werden. Allerdings erfordert die gesetzliche Bestimmung der Freien Waldorfschulen zu Ersatzschulen zusätzlich, dass die Schülerinnen und Schüler „in einem einheitlichen Bildungsgang“ „nach dem Waldorflehrplan (Pädagogik Rudolf Steiner)“ unterrichtet werden. Dies ist bei den Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf in einer Sonderschule für Geistigbehinderte nicht in der gebotenen Form der Fall. Denn die Bezugnahme auf den „einheitlichen Bildungsgang“ und den „Waldorflehrplan“ in § 3 Abs. 2 Satz 1 PSchG ist allein auf den Bereich beschränkt, in dem die Freien Waldorfschulen an die Stelle der allgemeinen Regelschulen treten. Dies ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte der Regelung und ihrem hieraus erklärbaren Zweck.
45 
Die gesetzliche Erklärung der Freien Waldorfschulen zu Ersatzschulen wurde mit dem Gesetz zur Änderung des Privatschulgesetzes vom 13.11.1995 (GBl. S. 764) in das Privatschulgesetz eingefügt. Dabei sollten - wie die Begründung zum Gesetzentwurf der Landesregierung (LT-Drs. 11/6523, S. 8) zeigt, „die Freien Waldorfschulen, die nach der (…) Rechtsverordnung der Landesregierung vom 13. November 1973 zu Ersatzschulen erklärt wurden, (…) nun kraft Gesetzes Ersatzschulen werden“. Von dieser Rechtsverordnung der Landesregierung über die Freien Waldorfschulen vom 13.11.1973 (GBl. 454) waren jedoch allein die Waldorfschulen erfasst, die an die Stelle der allgemeinen Regelschulen treten. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Klammerzusatz zur Überschrift der Rechtsverordnung (Einheitliche Volks- und Höhere Schulen), sondern auch aus dem Verständnis der Landesregierung zum Ersatzschulcharakter der Freien Waldorfschulen, wie es in ihrer Einlassung in dem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zu den Schulbaukosten (1 BvR 1369/90, vgl. BVerfG, Beschl. v. 9.3.1994, BVerfGE 90, 128, 135) zu Tage tritt und nach dem Freie Waldorfschulen aufgrund ihrer Verschiedenartigkeit zu den öffentlichen Schulen allein durch die Erklärung in der Rechtsverordnung, nicht jedoch aus eigenem Recht zu Ersatzschulen werden.
46 
Entgegen der Auffassung des Kläger-Bevollmächtigten kann die gesetzliche Erklärung der Waldorfschulen zu Ersatzschulen nicht im Wege der verfassungskonformen Auslegung dahin erweitert werden, dass hiervon auch die integrative Beschulungsmöglichkeit von sonderschulpflichtigen Kindern an der Schule des Klägers erfasst wird.
47 
Dem steht bereits der Wortlaut der Regelung entgegen. Denn auch wenn - trotz der in den höheren Klassen unzweifelhaft gegebenen und auch notwendigen Differenzierungen - unterstellt wird, dass die geistig behinderten Schülerinnen und Schüler noch in einem hinreichend „einheitlichen Bildungsgang“ unterrichtet werden, ist nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung festzuhalten, dass der Unterricht dieser Schülergruppe in Ermangelung spezifischer Vorgaben im aktuellen Waldorflehrplan zumindest auch wesentlich auf der Grundlage des Lehrplans an Sonderschulen für Geistigbehinderte erfolgt und deshalb das entsprechende Tatbestandsmerkmal des Unterrichts nach dem Waldorflehrplan selbst dann nicht erfüllt wäre, wenn die Möglichkeit einer Weiterentwicklung dieses Lehrplans über den Bereich der allgemeinen Regelschulen hinaus anerkannt würde.
48 
Nicht ausreichend ist in diesem Zusammenhang, dass der Waldorflehrplan - nach Aussagen der Vertreterin der Schule des Klägers sowie des Vorstandsmitglieds des Bundes der Freien Waldorfschulen e.V., Dr. H., in der mündlichen Verhandlung - im Grundansatz inhaltlich für die Bedürfnisse eines jeden einzelnen Kindes offen ist und deshalb auch in die Richtung der integrativen Unterrichtung von geistig behinderten Schülerinnen und Schülern weiterentwickelt werden kann. Denn mit der Anerkennung einer solchen jeweils individuell möglichen Fortentwicklung oder Anpassung des Waldorflehrplans würde die Reichweite der gesetzlichen Erklärung einer Freien Waldorfschule zu einer Ersatzschule im Sinne des Privatschulgesetzes letztlich allein in die individuelle Bestimmungsmacht der Freien Waldorfschule gelegt und jegliche Konturen verlieren. Dies wäre mit dem - die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung begrenzenden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.5.1985, - 2 BvR 397 - 399/82 -, BVerfGE 70, 35, 63 f m.w.N.) - erkennbaren gesetzgeberischen Ziel der nur beschränkten Einbeziehung von Freien Waldorfschulen in den Anwendungsbereich des Privatschulgesetzes nicht mehr zu vereinbaren.
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Hiervon abgesehen ist eine erweiternde verfassungskonforme Auslegung des § 3 Abs. 2 Satz 1 PSchG auch nicht erforderlich. Denn die in Art. 7 Abs. 4 GG verbürgte Privatschulfreiheit wird hinreichend dadurch gewährleistet, dass dem freien Schulträger bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen ein Anspruch auf Genehmigung der Errichtung und des Betriebs einer Ersatzschule unmittelbar über Art. 7 Abs. 4 Satz 2 und 3 GG eingeräumt ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.11.1969 - 1 BvL 24/64 -, BVerfGE 27, 195, 200; BVerwG, Urt. v. 13.12.2000 - 6 C 5.00 -, BVerwGE 112, 263, 266; Beschl. v. 10.9.1990 - 7 B 119.90 -, Buchholz 11 Art. 7 Abs. 4 GG Nr. 34 S. 27; Badura in Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, (Stand Oktober 2008), Art. 7 Rn. 111; Niehues/Rux, Schul- und Prüfungsrecht, Bd. 1 Schulrecht, 4. Aufl. 2006, S. 254 Rn. 952 f.). Damit kann auch bei einer unzureichenden Ausgestaltung des Genehmigungsanspruchs durch den Landesgesetzgeber kein grundrechtswidriger Zustand eintreten.
50 
Angesichts der gegebenen gesetzlichen Fixierung der Erklärung Freier Waldorfschulen zu Ersatzschulen auf den Bereich der allgemeinen Regelschulen bedurfte es keiner weiteren - vom Kläger-Bevollmächtigten hilfsweise angeregten - Beweiserhebung zu der Frage, ob die integrative Beschulung von behinderten Schülerinnen und Schülern an Waldorfschulen zu den im Waldorflehrplan Rudolf Steiners festgelegten Bildungszielen gehört. Hinzu kommt, dass dem Klageantrag des Klägers - wie im Folgenden darzustellen ist - unabhängig davon entsprochen wird, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Abs. 2 Satz 1 PSchG erfüllt sind.
51 
b) Der Betrieb der Freien Waldorfschule ... mit integrativer Beschulung von geistig behinderten Schülerinnen und Schülern entspricht den Genehmigungsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 4 GG, sodass sich der Anspruch auf Erteilung einer staatlichen Genehmigung dieses Betriebs unmittelbar aus dieser Norm ergibt.
52 
aa) Entgegen der Auffassung des Beklagten unterfällt die vom Kläger zur Genehmigung gestellte Form der Freien Waldorfschule mit integrativer Unterrichtung von geistig behinderten Kindern und Jugendlichen als Ersatzschule der Regelung des Art. 7 Abs. 4 Satz 2 GG. Die Schule wird auch in dieser Form als „Ersatz für eine öffentliche Schule“ errichtet und betrieben. Insoweit kommt es, anders als nach der Regelung des § 3 Abs. 1 PSchG, nicht darauf an, ob die zur Genehmigung gestellte Privatschule einem im Landesschulrecht vorgesehenen Schultyp entspricht. Maßgeblich ist vielmehr, dass die Privatschule „nach dem mit ihrer Errichtung verfolgten Gesamtzweck als Ersatz für eine in dem Land vorhandene oder grundsätzlich vorgesehene öffentliche Schule dienen soll“ (BVerfG, Beschl. v. 14.11.1969, a.a.O.; Beschl. v. 9.3.1994, - 1 BvR 1369/90 -, BVerfGE 90, 128, 139; BVerwG, Urt. v. 13.12.2000, a.a.O., 266 f.).
53 
Zwar wird die grundrechtliche Gewährleistung der Privatschulfreiheit über das Merkmal des „Ersatzes für eine öffentliche Schule“ insoweit der Ausgestaltung durch das Landesrecht überantwortet, als dieses über die Regelung des öffentlichen Schulwesens den Bereich festlegt, dem die Privatschulen in ihrer Ersatzfunktion entsprechen müssen (kritisch hierzu Rennert, Entwicklungen in der Rechtsprechung zum Schulrecht, DVBl. 2001, 504, 514). Allerdings folgt aus dem hiermit umschriebenen Grundsatz der Akzessorietät der privaten Ersatzschule zum öffentlichen Schulwesen keine zwingende Bindung an den Numerus Clausus der im öffentlichen Schulwesen anerkannten Schultypen. Entscheidend ist nicht die äußere Form des Schulwesens; vielmehr reicht es aus, dass sich die Privatschule so in die Gesamtkonzeption des Landesgesetzgebers einpasst, dass die in dieser Konzeption erkennbaren Zielsetzungen des Staates auch im Rahmen der mit der Genehmigung einer Ersatzschule verbundenen Möglichkeit der Erfüllung der Schulpflicht hinreichend Beachtung finden. Dabei ist maßgeblich auf die angestrebten Bildungsabschlüsse und die vom Landesgesetzgeber vorgegebene pädagogische Gesamtkonzeption abzustellen, die hinter der Struktur des öffentlichen Schulwesens im Lande steht (hierzu BVerwG, Urt. v. 13.12.2000, a.a.O., 266 f.; BVerwG, Urt. v. 18.12.1996 - 6 C 6.95 -, BVerwGE 104, 1, 7 ff; zustimmend Badura, a.a.O., Rn. 115; Niehues/Rux, a.a.O., Rn. 946; Vogel, Zur Genehmigung von Ersatzschulen, DÖV 2008, 895, 898).
54 
Nach diesem Maßstab stellt die vom Kläger konzipierte und zur Genehmigung gestellte Schulform der integrativen Beschulung von sonderschulpflichtigen Schülerinnen und Schulen in den Klassen seiner Freien Waldorfschule einen „Ersatz für eine öffentliche Schule“ dar. Dies gilt zunächst im Hinblick auf die angestrebten Bildungsabschlüsse. Sowohl die integrativ beschulten Kinder und Jugendlichen mit geistiger Behinderung und besonderem Förderbedarf als auch die Schülerinnen und Schüler ohne eine solche Einschränkung ihrer Lern- und Leistungsfähigkeit sollen auf der Schule des Klägers die für sie im öffentlichen Schulsystem vorgesehenen Bildungsabschlüsse erreichen. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig und vom Beklagten auch im Rahmen der Evaluation des Schulversuchs stets anerkannt worden. Darüber hinaus entspricht die vom Kläger geplante Schulform einer „integrativen Waldorfschule“ aber auch der pädagogischen Gesamtkonzeption, wie sie aus der Gliederung des öffentlichen Schulwesens im Schulgesetz erkennbar wird.
55 
Zwar kennt das Landesrecht keine eigenständige Form der integrativen, zieldifferenten Beschulung von geistig behinderten Schülern und Schülerinnen in allgemeinen Schulen. Vielmehr entspricht es der Konzeption des Schulgesetzes, dass die Schüler an den allgemeinen Schulen stets zielgleich unterrichtet werden. Entsprechend werden auch behinderte Schüler in allgemeinen Schulen unterrichtet, wenn sie - und sei es mit einer zur Verfügung stehenden ergänzenden Hilfe - dem jeweiligen gemeinsamen Bildungsgang in diesen Schulen folgen können (§ 15 Abs. 4 Satz 2 SchulG). Ist ein Schüler aufgrund seiner Behinderung und des damit verbundenen sonderpädagogischen Förderbedarfs nicht in der Lage, das Bildungsziel eines Bildungsgangs einer allgemeinen Schule zu erreichen, wird seinem besonderen Förderbedarf im Rahmen eines eigenen Bildungsgangs Rechnung getragen, der dann an einer spezifischen Sonderschule angeboten wird (§ 15 Abs. 1 Satz 2 SchulG). Allerdings ist der gemeinsame Unterricht von Schülern, die aufgrund ihrer Behinderung in einem spezifischen Bildungsgang einer Sonderschule lernen müssen, mit den Schülern und Schülerinnen, die in den allgemeinen Schulen schulpflichtig sind, nach § 15 Abs. 5 und 6 SchulG im Rahmen von Kooperationen auch im Bereich des öffentlichen Schulwesens möglich. Soweit dies nach den (unterschiedlichen) Bildungs- und Erziehungszielen möglich ist, sollen die allgemeinen Schulen im Schulleben und im Unterricht mit den Sonderschulen zusammenarbeiten, wobei diese Zusammenarbeit bis hin zur Bildung von Außenklassen der Sonderschulen an den allgemeinen Schulen gehen kann.
56 
Die hierin liegende grundsätzliche Akzeptanz der gemeinsamen zieldifferenten Unterrichtung von sonderschulpflichtigen geistig behinderten Kindern und Jugendlichen mit Schülern und Schülerinnen einer allgemeinen Schule reicht aus, um die notwendige Entsprechung der vom Kläger zur Genehmigung gestellten Konzeption der integrativen Beschulung von geistig behinderten Schülerinnen und Schülern an seiner Freien Waldorfschule mit der pädagogischen Grundkonzeption des öffentlichen Schulwesens zur Förderung von behinderten Kindern zu bejahen. Dies gilt unabhängig davon, ob die vom Kläger angestrebte Form der integrativen Beschulung in ihrem konkreten Umfang über das hinaus geht, was auf der Grundlage des § 15 Abs. 5 und 6 SchulG im öffentlichen Schulwesen über eine Kooperation einer allgemeinen Schule mit einer Sonderschule möglich wäre. Denn für die Frage, ob eine Privatschule auch der „pädagogischen Grundkonzeption“ des öffentlichen Schulwesens entspricht, ist nicht erforderlich, dass die jeweiligen Konzeptionen inhaltlich oder gar in der Form ihrer konkreten organisatorischen Umsetzung übereinstimmen; vielmehr ist insoweit ausreichend, dass das Konzept der Privatschule die pädagogische Grundkonzeption des öffentlichen Schulwesens nicht beeinträchtigt (BVerwG, Urt. v. 18.12.1996, a.a.O., S. 8).
57 
Hinzu kommt, dass die in pädagogischer Hinsicht notwendige Kompatibilität einer privaten Ersatzschule mit dem öffentlichen Schulwesen im Bereich der Integration von behinderten Schülern in den Unterricht auch über das Verbot der Benachteiligung Behinderter in Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG ausgestaltet ist. Dabei geht es nicht - wie der Beklagte meint - um die Frage, ob das öffentliche Schulwesen den Anforderungen des Benachteiligungsverbots entspricht, sondern darum, ob der Ersatzschuleigenschaft einer Privatschule entgegen gehalten werden kann, dass dort eine nach Art und Inhalt weitergehende zieldifferente Integration von Behinderten in den allgemeinen Unterricht stattfindet, als dies nach der Konzeption zur Beschulung behinderter Schüler mit besonderem Förderbedarf im Bereich der öffentlichen Schulen vorgesehen ist. Insoweit wirkt Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG nicht als Anspruchsgrundlage zur Ausgestaltung eines besonderen öffentlichen Schulsystems, sondern prägt - ebenso wie etwa auch das Recht der Eltern nach Art. 6 Abs. 2 GG auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder sowie das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit in Art. 2 Abs. 1 GG oder das Recht auf Religions- und Gewissensfreiheit in Art. 4 GG (hierzu BVerfG, Beschl. v. 16.12.1992 - 1 BvR 167/87 -, BVerfGE 88, 40, 46 f; Beschl. v. 9.3.1994 - 1 BvR 712/88 -, BVerfGE 90, 107, 116; BVerwG, Urt. v. 19.2.1992 - 6 C 5/91 -, BVerwGE 89, 368, 369) - als Ausdruck einer verfassungsrechtlichen Wertentscheidung die konkrete Reichweite der Privatschulfreiheit nach Art. 7 Abs. 4 GG mit (vgl. BVerfG, Beschl. v. 8.10.1997 - 1 BvR 1997 -, BVerfGE 96, 288, 304). Verpflichtet dieses Benachteiligungsverbot den Staat im Bereich seines öffentlichen Schulwesens dazu, einen behinderten Schüler an einer allgemeinen Schule zu unterrichten, wenn der hierfür benötigte personelle und sächliche Aufwand mit vorhandenen Personal- und Sachmitteln bestritten werden kann und auch organisatorische Schwierigkeiten und schutzwürdige Belange Dritter der integrativen Beschulung nicht entgegen stehen (BVerfG, Beschl. v. 8.10.1997, a.a.O.), so darf er die Ersatzschuleigenschaft einer Schule in Freier Trägerschaft, an der eine integrative Beschulung von behinderten Kindern erfolgen soll, nicht allein unter Hinweis auf die im öffentlichen Schulsystem nach Art und Maß geringeren Möglichkeiten einer solchen Beschulung verneinen.
58 
Vor dem Hintergrund dieser verfassungsrechtlich ausgestalteten Reichweite der Privatschulfreiheit im Bereich der integrativen Beschulung behinderter Schülerinnen und Schüler kann offen bleiben, in welchem Umfang dieses Ergebnis auch von Art. 24 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 lit b) des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 13.12.2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen mitgetragen wird. Danach sind die Vertragsstaaten in Anerkennung des Rechts von Menschen mit Behinderungen und unter der Zielsetzung der Verwirklichung dieses Rechts ohne Diskriminierung dazu verpflichtet, ein integratives Bildungssystem zu gewährleisten, in dem unter anderem sichergestellt ist, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen in der Gemeinschaft, in der sie leben, Zugang zu einem integrativen, hochwertigen und unentgeltlichen Unterricht an Grundschulen und weiterführenden Schulen haben. Auch wenn diese Vorschrift unabhängig von der Problematik der Kompetenz des Bundes oder des Landes zur Transformation des Übereinkommens aus sich heraus ohne weitere normative Ausfüllung keine unmittelbaren individuellen Ansprüche begründet, so spricht aus der Sicht der Kammer jedoch einiges dafür, dass das hier dargelegte Verständnis von Art. 7 Abs. 4 GG über den Grundsatz der völkerrechtsfreundlichen Auslegung des Grundgesetzes (hierzu BVerfG, Beschl. v. 1.3.2004 - 2 BvR 1570/03 -, NVwZ 2004, 852, 853; Beschl. v. 26.3.1987 - 2 BvR 589/79 -, BVerfGE 74, 358, 370) zumindest gestützt wird.
59 
Soweit der Beklagte maßgeblich auf die Schwierigkeiten einer angemessenen und dem bisherigen System entsprechenden Finanzierung der vom Kläger zur Genehmigung beantragten Ersatzschule verweist, die dann sowohl eine allgemeine Regelschule als auch (partiell) eine Sonderschule ersetzen würde, steht dies der Ersatzschuleigenschaft dieser Schule nicht entgegen. Denn das bestehende System der Privatschulfinanzierung, in dem der Beklagte Platz allein für das von ihm geförderte Kooperationsmodell sieht, ist kein Bestandteil des öffentlichen Schulwesens. Die in Art. 7 Abs. 4 Satz 2 GG geforderte Akzessorietät der Privatschule zu den öffentlichen Schulen wäre damit selbst dann nicht betroffen, wenn die insoweit notwendige Kompatibilität über den Bereich der pädagogischen Grundkonzeption hinaus auch auf andere Aspekte des öffentlichen Schulwesens erstreckt würde. Zudem ist die Frage der Finanzierung einer Privatschule durch den Staat nicht ein begrenzendes Merkmal der Freiheitsgewährung des Art. 7 Abs. 4 GG, sondern die Folge einer die Freiheitsgewährung schützenden und fördernden zusätzlichen Verantwortung des Staates (vgl. etwa BVerfG, Beschl. v. 9.3.1994 - 1 BvR 682/88 -, a.a.O.). Dies gilt umso mehr, als die Verfassung vom Staat keine volle Übernahme der mit der Errichtung und dem Betrieb einer Privatschule verbundenen Kosten fordert, sondern der grundrechtliche Anspruch auf staatliche Förderung lediglich auf eine der gesetzlichen Ausgestaltung bedürftige Beteiligung des Staates an den anerkannt hohen Kosten des Privatschulträgers beschränkt ist, die aus der Erfüllung der verfassungsrechtlichen Genehmigungsanforderungen resultieren (BVerfG, Urt. v. 8.4.1987 - 1 BvL 8/84 -, BVerfGE 75, 40, 68; Beschl. v. 9.3.1994 - 1 BvR 682/88 - sowie - 1 BvR 1369/90 -, jeweils a.a.O.).
60 
bb) Soweit die Erteilung der Genehmigung einer privaten Ersatzschule nach Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG daran gebunden ist, dass die private Schule in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurücksteht und eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird, sind diese Voraussetzungen nach der übereinstimmenden Einschätzung der Beteiligten erfüllt. Insbesondere entspricht es der in den Evaluationsberichten zum Schulversuch des Klägers dokumentierten Einschätzung des Beklagten, dass die geistig behinderten Schülerinnen und Schüler an der Freien Waldorfschule des Klägers eine Erziehung und Ausbildung erhalten, die den Bildungs- und Erziehungszielen einer öffentlichen Sonderschule für Geistigbehinderte sowie der dort angestrebten Qualifikation gleichwertig ist. Dies hat der Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung nochmals ausdrücklich bestätigt.
61 
Der vom Beklagten im Hinblick auf die erreichten Erziehungs- und Bildungsziele verneinte pädagogische Mehrwert der Beschulung von geistig behinderten Schülern an der Schule des Klägers spielt für die Genehmigungsfähigkeit der Schule nach Art. 7 Abs. 4 GG keine Rolle, da es hiernach ausreicht, dass die Ersatzschule insoweit „nicht hinter den öffentlichen Schulen zurücksteht“. Eine - wie auch immer messbare - bessere Bildung und Erziehung als im Bereich der öffentlichen Schulen ist nicht gefordert.
62 
c) Der Genehmigungsanspruch des Klägers schließt auch eine integrative Beschulung geistig behinderter Schüler in den Klassenstufen 1 bis 4 ein.
63 
aa) Soweit in Art. 7 Abs. 5 GG für die Zulassung privater Volksschulen zusätzlich die Anerkennung eines besonderen pädagogischen Interesses durch die Unterrichtsverwaltung erforderlich ist, steht dies der Erweiterung der Ersatzschulgenehmigung der Freien Waldorfschule des Klägers zum Zwecke der integrativen Beschulung von sonderschulpflichtigen geistig behinderten Schülerinnen und Schülern nicht entgegen. Dabei kann dahin gestellt bleiben, ob ein solches besonderes pädagogisches Interesse an dieser Schulform tatsächlich bereits deshalb besteht, weil die im Rahmen eines solchen Schulmodells gesammelten Erfahrungen der Entwicklung des gesamten Schulsystems hin zu einer stärkeren Integration auch von behinderten Schülern zugute kommen kann (vgl. insoweit BVerfG, Beschl. v. 16.12.1992 - 1 BvR 167/87 -, BVerfGE 88, 40) oder ob es - wie der Beklagte meint - erforderlich ist, dass die integrative Beschulung für die Ausbildung und Erziehung der behinderten Schüler einen Mehrwert mit sich bringt und ob ein solcher Mehrwert konkret gegeben ist. Weiterhin kann offen gelassen werden, inwieweit die Anerkennung eines solchen besonderen pädagogischen Interesses durch die Unterrichtsverwaltung trotz der hiermit unmittelbar vom Grundgesetz vorgegebenen Kompetenzverteilung im Rahmen dieses Verfahrens inzident durch das Gericht ersetzt werden könnte (zur Problematik vgl. BVerfG, Beschl. v. 16.12.1992, a.a.O.). Denn der Kläger bedarf für die begehrte Erweiterung seiner Ersatzschulgenehmigung keiner solchen Anerkennung eines besonderen pädagogischen Interesses.
64 
Die Notwendigkeit der Anerkennung eines besonderen pädagogischen Interesses durch die Unterrichtsverwaltung in Art. 7 Abs. 5 GG und die hiermit verbundene Einschränkung der in Art. 7 Abs. 4 Satz 2 und 3 GG für den Bereich der Ersatzschulen verbürgten Privatschulfreiheit ist in der Entscheidung des Grundgesetzgebers begründet, ebenso wie unter der Geltung des Art. 147 Abs. 2 der Weimarer Reichsverfassung aus sozialstaatlich und egalitär-demokratischen Gründen wenigstens in den ersten Schuljahren alle Schüler und Schülerinnen in einer Volksschule zusammenzuführen und eine Sonderung von spezifischen Schülergruppen aus der Allgemeinheit nur noch dort zuzulassen, wo dies durch ein besonderes pädagogisches Interesse gerechtfertigt ist (hierzu ausführlich BVerfG, Urt. v. 8.4.1987 - 1 BvL 8/84 -, BVerfGE 75, 40, 56 ff; Beschl. v. 16.12.1992 - 1 BvR 167/87 -, a.a.O.; Vogel, Zur Errichtung von Grundschulen in freier Trägerschaft, DÖV 1995, 587, Badura, a.a.O., Rn. 122 ff.; Schmitt-Kammler, in Sachs, Grundgesetz Kommentar, 4. Aufl. 2007, Art. 7 Rn. 72; Niehues/Rux, a.a.O., Rn. 982 ff; ).
65 
Aus dieser Zweckrichtung ergibt sich, dass die Genehmigungsvoraussetzung des Art. 7 Abs. 5 GG insoweit nicht einschlägig ist, als es dem Kläger darum geht, in seiner Ersatzschule Schüler und Schülerinnen zu beschulen, die aufgrund ihrer Behinderung und des dadurch bedingten besonderen Förderbedarfs die allgemeine Grundschule des öffentlichen Schulwesens gar nicht besuchen dürfen, sondern in einer spezifischen Sonderschule schulpflichtig sind. Bezogen auf diese Schülergruppe stellt die private Ersatzschule des Klägers schon keine „private Volksschule“ im Sinne des Art. 7 Abs. 5 GG dar.
66 
Soweit an der Freien Waldorfschule des Klägers gemeinsam mit den sonderschulpflichtigen geistig behinderten Schülerinnen und Schülern umgekehrt auch Kinder beschult werden, die im Grundsatz an einer allgemeinen Grundschule schulpflichtig wären, liegt das notwendige Anerkenntnis des besonderen pädagogischen Interesses durch die Unterrichtsverwaltung bereits vor. Dieses ist mit der Erklärung der Freien Waldorfschulen zu Ersatzschulen in § 3 Abs. 2 Satz 1 PSchG für den Bereich der Beschulung von Schülern und Schülerinnen ohne besonderen Förderbedarf allgemeinen ausgesprochen worden. Ein Widerruf dieser Anerkennung ist im Zusammenhang mit der Einbeziehung auch von ansonsten sonderschulpflichtigen behinderten Schülern nicht erfolgt.
67 
bb) Schließlich steht dem Anspruch des Klägers auf Genehmigung der integrativen Beschulung geistig behinderter Kinder auch in den Klassenstufen 1 bis 4 nicht entgegen, dass der Beklagte mit Bescheid des Staatlichen Schulamts Freiburg vom 2.11.1995 einen Antrag des Klägers auf Genehmigung einer Grundschule mit besonderer pädagogischer Prägung abgelehnt hat.
68 
Zwar kann die mit der Ablehnung eines beantragten Verwaltungsakts verbundene Bindungswirkung einem neuen Antrag grundsätzlich insoweit entgegen gehalten werden, als dieser auf einen identischen Streitgegenstand bezogen ist. Ebenso wie im Prozessrecht (hierzu Rennert in Eyermann, VwGO Kommentar, 12. Aufl. 2006, § 121 Rn. 23 ff; BVerwG, Urt. v. 3.11.1994 - 3 C 30/93 -, NVwZ 1996, 66) ist hierbei maßgeblich auf die Rechtsfolgebehauptung des Antragstellers und den tatsächlichen Lebenssachverhalt abzustellen, aus dem diese Rechtsfolge hergeleitet wird (näher hierzu Seibert, Die Bindungswirkung von Verwaltungsakten, Baden-Baden 1989, S. 509 ff), sodass allein durch die Stellung eines neuen Genehmigungsantrags noch kein neuer Streitgegenstand begründet wird, der eine materiell-rechtliche Bindungswirkung entfallen lassen könnte (a.A. BVerwG, Urt. v. 6.6.1975 - IV 15.73 -, BVerwGE 48, 271; Weyreuther, Anmerkung zum Urteil des BVerwG v. 31.7.1964 - i C 132.59 -, DVBl. 1965, 281, 283; differenzierend Kopp/Ramsauer, VwVfG Kommentar, 10. Aufl. 2008, § 51 Rn. 7a, 27). Maßgeblich ist insoweit vielmehr, ob sich die der Ablehnungsentscheidung zugrunde liegende Sach- und Rechtslage in relevanter Weise von derjenigen des Neuantrags unterscheidet (vgl. BVerwG, Urt. v. 6.9.1990 - 6 C 4/90 -, NVwZ 1991, 272; Urt. v. 3.12.1986 - 6 C 50/85 -, BVerwGE 75, 201, Urt. v. 28.10.1966 - VII C 38.66 -, BVerwGE 25, 241).
69 
Nach diesen Grundsätzen liegt dem Begehren des Klägers auf Ergänzung seiner Ersatzschulgenehmigung um das Recht zur integrativen Beschulung auch von geistig behinderten sonderschulpflichtigen Schülerinnen und Schülern ein Streitgegenstand zugrunde, der - bezogen auf die Klassen 1 bis 4 - mit dem Streitgegenstand der Ablehnungsentscheidung des Staatlichen Schulamts Freiburg vom 2.11.1995 identisch ist. Dabei kommt es - entgegen der Auffassung der Beteiligten - nicht darauf an, ob der mit dem Bescheid vom 2.11.1995 abgelehnte Antrag des Klägers vom 4.5.1995 auf eine Genehmigung nach § 3 Abs. 1 PSchG gerichtet war, während der nunmehr streitgegenständliche Genehmigungsantrag auf die Regelung des § 3 Abs. 2 Satz 1 PSchG gestützt wird. Entscheidend ist vielmehr, dass mit dem Antrag vom 2.11.1995 ebenso wie mit dem Antrag vom 18.6.2008 in der Sache die Erteilung einer Genehmigung erreicht werden sollte, auf deren Grundlage Kinder, die ansonsten in einer allgemeinen Grundschule schulpflichtig wären, in den Klassenstufen 1 bis 4 nach dem Waldorflehrplan und unter Anwendung der Waldorfpädagogik gemeinsam mit Kindern unterrichtet werden können, die anderenfalls eine Sonderschule für Geistigbehinderte besuchen müssten. Dabei standen die Regelungen des § 3 Abs. 1 PSchG und des § 3 Abs. 2 PSchG, ebenso wie übrigens auch Art. 7 Abs. 4 und 5 GG, sowohl in Bezug auf den Erstantrag von 1995 als auch im Hinblick auf den hier streitgegenständlichen Verpflichtungsantrag stets in einem Verhältnis der Anspruchsnormenkonkurrenz und begründeten für sich keine Begrenzung des tatsächlichen Begehrens.
70 
Allerdings steht der hiermit grundsätzlich gegebenen Möglichkeit des Beklagten, den Kläger auf die Bindungswirkung des Ablehnungsbescheids vom 2.11.1995 zu verweisen, die gleichzeitig begründete Verpflichtung entgegen, das partiell identische Ablehnungsverfahren von 1995 im Zusammenhang mit dem Neuantrag wiederaufzugreifen und eine neue Sachentscheidung zu treffen. Dies gilt, obwohl die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Wiederaufgreifen nach § 51 Abs. 1 LVwvfG nicht vorliegen. Denn es ist anerkannt, dass eine an Gesetz und Recht gebundene Behörde - trotz der Bindungswirkung eines wirksamen Verwaltungsakts - aus Gründen der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ein Verfahren auch außerhalb des § 51 Abs. 1 bis 3 LVwVfG jederzeit von Amts wegen mit dem Ziel wieder aufgreifen kann, einen - möglicherweise rechtswidrigen - Verwaltungsakt zugunsten des Betroffenen durch einen der Rechtslage entsprechenden zu ersetzen (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.9.2000 - 2 C 5/99 -, BayVBl 2001, 216; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 30.12.2008 - 11 S 759/06 -, VBlBW 2009, 32; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 12. Aufl. 2007, § 51 VI 2 b), S. 602; ähnlich - unter Rückgriff auf § 51 Abs. 5 i.V.m. §§ 48, 49 LVwVfG - BVerwG, Beschl. v. 23.2.2004 - 5 B 104/03 -, juris; Beschl. v. 29.3.1999 - 1 DB 7/97 -, BVerwGE 113, 322; zur Rechtslage vor Inkrafttreten des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes vgl. BVerfG, Entsch. v. 17.12.1969 - 2 BvR 23/65 -, BVerfGE 27, 297; BVerwG, Urt. v. 16.12.1971 - I C 31.68 -, BVerwGE 39, 197; Urt. v. 30.1.1974 - VIII C 20.72 -, BVerwGE 44, 333; Urt. v. 28.7.1976 - 8 C 90.75 - Buchholz 412.3 § 16 Nr. 2; Urt. v. 14.12.1977 - 8 C 79.76 - Buchholz 316 § 36 Nr. 1). Mit dieser Befugnis korrespondiert ein Anspruch des Betroffenen auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über das Wiederaufgreifen des Verfahrens, der sich dann zu einem Anspruch auf den Erlass einer neuen Sachentscheidung verdichtet, wenn im Einzelfall Umstände von einer den in § 51 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 VwVfG geregelten Fällen vergleichbaren Bedeutung und Gewicht vorliegen und die Aufrechterhaltung des Erstbescheides auch unter Berücksichtigung seiner Bestandskraft schlechthin unerträglich wäre (BVerwG, Urt. v. 27.1.1994, 2 C 12.92 -, BVerwGE 95, 86 m.w.N.; vgl. auch - im Hinblick auf § 48 Abs. 1 LVwVfG - BVerwG, Urt. v. 17.1.2007 - 6 C 32/06 -, NVwZ 2007, 709 m.w.N. sowie BVerwG, Urt. v. 28.7.1976 - 8 C 90.75 - Buchholz 412.3 § 16 BVFG Nr. 2).
71 
Eine solche Situation der Reduzierung des Ermessens zum Wiederaufgreifen des Verfahrens auf Null ist hier gegeben. Dies folgt zum einen aus der fortdauernden Grundrechtsbezogenheit des vom Kläger geltend gemachten Genehmigungsanspruchs nach Art. 7 Abs. 4 GG, der greifbar rechtswidrigen Begründung der Ablehnungsentscheidung vom 2.11.1995 sowie der Erledigung der gegen diese Entscheidung erhobenen Klage vor dem Hintergrund des damals zunächst durchzuführenden und nun abgeschlossenen Schulversuchs zur integrativen Beschulung der behinderten Schülerinnen und Schüler an der Waldorfschule des Klägers. Zum anderen greift vorliegend die für den Verweis auf die Bestandskraft regelmäßig maßgebliche Erwägung der Verwaltungsökonomie und Rechtssicherheit in der Sache schon deshalb nicht durch, weil die konkrete Anspruchsberechtigung des Klägers vom Beklagten jedenfalls in Bezug auf die Klassen 5 bis 12 geprüft werden musste und auch tatsächlich gegeben ist.
III.
72 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Obwohl der Beklagte zur Genehmigungserteilung verpflichtet wurde und der Kläger damit sein Klageziel im Wesentlichen erreicht hat, waren dem Beklagten die Kosten des Verfahrens nicht in vollem Umfang aufzuerlegen (vgl. § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO). Denn das Unterliegen des Klägers durch die Abweisung seines Hauptantrags ist insoweit erheblich, als dieser bei Erfolg seines Feststellungsantrags auch für die faktisch bereits erfolgte Neuaufnahme einiger sonderschulpflichtiger Kinder zum Schuljahr 2008/2009 auf eine bereits vorhandene Genehmigung hätte verweisen können.
73 
Die Kammer sieht davon ab, die Entscheidung hinsichtlich der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 167 Abs. 2 VwGO).
74 
Die Zulassung der Berufung findet ihre Grundlage in § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Die Frage der Ersatzschuleigenschaft einer integrativen Privatschule hat grundsätzliche Bedeutung.

Gründe

 
I.
20 
1. Die mit dem Hauptantrag verfolgte Feststellungsklage ist nach § 43 Abs. 1 VwGO zulässig. Eine Subsidiarität gegenüber der Verpflichtungsklage nach § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO besteht nicht, da die Verpflichtung zur Erteilung eines bereits erteilten Verwaltungsakts nicht begehrt werden kann.
21 
2. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Dem Kläger ist bislang keine Genehmigung erteilt worden, an der Freien Waldorfschule in ... integrativ auch bis zu vier in einer Sonderschule für Geistigbehinderte schulpflichtige Kinder pro Klasse unter Zugrundelegung der Waldorfpädagogik und des Waldorflehrplans sowie der Bildungsziele nach dem Lehrplan der Sonderschulen für Geistigbehinderte zu beschulen.
22 
Eine solche Genehmigung lässt sich nicht aus der - aus der Sicht der Beteiligten unstreitig beanstandungsfreien - Durchführung des „Integrativen Schulentwicklungsprojekts zur gemeinsamen schulischen Förderung von Schülern mit geistiger Behinderung und Nichtbehinderten in der Freien Waldorfschule ...“ und der diesem Projekt zugrunde liegenden Genehmigungen ableiten. Entgegen der Auffassung des Kläger-Bevollmächtigten kann weder der Genehmigung des Schulentwicklungsprojekts durch Bescheid des Staatlichen Schulamts Freiburg vom 17.9.1999 noch den Bescheiden des Staatlichen Schulamts Freiburg vom 18.7.2002 und des Landratsamts ... vom 30.5.2005 zur Verlängerung dieses Projekts ein entsprechender Regelungsgehalt entnommen werden.
23 
a) Die Kammer ist der Überzeugung, dass der Kläger nach den ihm bekannten oder erkennbaren maßgeblichen Gesamtumständen im Zeitpunkt des Empfangs den Bescheid des Staatlichen Schulamts Freiburg vom 17.9.1999 ausschließlich so verstehen durfte und auch verstanden hat, dass die Fortführung des in diesem Bescheid beschriebenen Schulentwicklungsprojekts nach Abschluss der Erprobungsphase noch einer eigenständigen weiteren Genehmigung der Schulverwaltung bedarf und nicht bereits - wenn auch durch die Feststellung des pädagogischen Erfolgs aufschiebend bedingt - endgültig genehmigt ist.
24 
Dies ergibt sich daraus, dass der Bescheid des Staatlichen Schulamts Freiburg vom 17.9.1999 wörtlich auf die Genehmigung der Durchführung eines „Schulversuchs“ an der Freien Waldorfschule des Klägers gerichtet ist. Mit dieser Anknüpfung an die Regelungen des § 22 SchulG wurde klar zum Ausdruck gebracht, dass die Ermöglichung der integrativen Beschulung von geistig behinderten Schülerinnen und Schülern an einer Freien Waldorfschule vorrangig auf die pädagogische und schulorganisatorische Erprobung eines solchen Konzepts gerichtet ist und die Frage der endgültigen Genehmigung dieser Schulform - wie auch sonst bei Schulversuchen - einer nach Beendigung des Schulversuchs zu treffenden eigenständigen Entscheidung der Schulverwaltung vorbehalten bleibt.
25 
Dem steht nicht entgegen, dass die Regelung des § 22 SchulG auf die Durchführung eines Schulversuchs an einer öffentlichen Schule im Sinne des § 2 Abs. 1 SchulG beschränkt ist und im Bereich der Privatschulen keine unmittelbare Anwendung findet (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 2 SchulG). Denn selbst wenn die Genehmigung des Schulversuchs deshalb rechtswidrig gewesen wäre, hätte dies auf die Bestimmung ihres konkreten Regelungsgehalts keine Auswirkung, da der Rechtmäßigkeit einer Regelung allenfalls dann Bedeutung zukommen kann, wenn diese objektiv mehrdeutig ist und Zweifel darüber bestehen, in welcher Weise der Empfänger die Regelung verstehen durfte (Kopp/Ramsauer, VwVfG Kommentar, 10. Aufl. 2008, § 35 Rn. 18 ff; Gurlit in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2005, § 27 III, Rn. 9 m.w.N.). Diese Situation ist hier jedoch nicht gegeben. Im Übrigen war es weder nach der Struktur des Privatschulwesens noch nach dem Zweck des § 22 SchulG ausgeschlossen, den Kläger in entsprechender Anwendung des § 22 SchulG in den Schulversuch zur integrativen Beschulung von geistig behinderten Kindern und Jugendlichen in Regelschulen einzubinden. Denn auch wenn Schulen in freier Trägerschaft bereits aufgrund ihrer Privatschulfreiheit im stärkeren Maße in der Lage sind, pädagogische und organisatorische Konzepte zu erproben, als dies im Bereich des öffentlichen Schulwesens der Fall ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 9.3.1994 - 1 BvR 1369/90 -, BVerfGE 90, 128 140; BVerwG, Urt. v. 13.12.2000 - 6 C 5.00 -, BVerwGE 112, 263, 268 f.), bestand hier die Besonderheit, dass die privatschulrechtliche Genehmigungsfähigkeit der vom Kläger begehrten integrativen Beschulung von der Schulverwaltung bereits dem Grunde nach bestritten wurde, zugleich aber über den Schulversuch eine - aus der Sicht der Schulverwaltung auch für den Fall des Klägers notwendige - politische Entscheidung zur Änderung des öffentlichen Schulwesens vorbereitet werden sollte.
26 
Für das Verständnis der Genehmigung vom 17.9.1999 als Regelung eines Schulversuchs im Sinne des § 22 SchulG spricht auch, dass es der Kläger war, der im Vorfeld der Genehmigungserteilung aktiv die Einbeziehung der integrativen Beschulung von geistig behinderten Schülerinnen und Schulen an seiner Waldorfschule in den zeitgleich an einigen öffentlichen Schulen des Landes durchgeführten Schulversuch betrieben hatte. Dieses Bemühen zeigt sich in dem Antrag des damaligen Bevollmächtigten des Klägers im Jahr 1998 beim Ministerium für Kultus und Sport auf Einrichtung eines „Modellversuchs“, in dem das Konzept der integrativen Beschulung für den Bereich der Grundschulklassen erprobt werden sollte (vgl. den Aktenvermerk in der Akte des Oberschulamts Freiburg zur Genehmigung der Freien Waldorf-Grundschule, S.119), sowie in der zeitgleich im Widerspruchsverfahren gegen die Ablehnung der Genehmigung einer privaten Grundschule mit integrativer Beschulung erfolgten Berufung auf die Bestätigung des Leiters der Arbeitsgruppe zur wissenschaftlichen Begleitung der Schulversuche, Prof. Dr. ..., dass eine Erprobung der integrativen Beschulung auch im Waldorfbereich eine wertvolle Ergänzung darstellen würde (Akte des Oberschulamts Freiburg zur Genehmigung der Freien Waldorf-Grundschule, S. 40).
27 
Für das objektive Verständnis der Genehmigung vom 17.9.1999 als isolierte Erlaubnis eines Schulversuchs ist weiter maßgeblich, dass sowohl die damalige Kultusministerin in ihrem Schreiben vom 27.6.1994 (Behördenakte Regierungspräsidium Freiburg „Freie Waldorfschule ..., Bd. 1, S 31 ff) als auch später der Sachbearbeiter in seinem Schreiben vom 13.8.1996 (Akte des Oberschulamts Freiburg zur Genehmigung der Freien Waldorf-Grundschule, S. 60) im Vorfeld der Genehmigung des Schulversuchs gegenüber dem Kläger betont hatten, dass die Genehmigung einer Ersatzschule mit integrativer Beschulung aus ihrer Sicht rechtlich nicht möglich sei und deshalb einer nach Abschluss des auch im Bereich des öffentlichen Schulwesens laufenden Schulversuchs zu treffenden politischen Grundentscheidung bedürfe.
28 
Hinzu kommt schließlich, dass die Schulverwaltung den Charakter des Schulentwicklungsprojekts als „Schulversuch“ stets auch während des Laufs dieses Projekts betont hat, ohne dass der Kläger in diesem Zusammenhang ein anderes Verständnis von der Genehmigung vorgebracht hätte. So hat der Kläger am 29.7.2004 etwa die Fortführung des Schulentwicklungsprojekts bis zum Ende des Schuljahrs 2006/2007 „unter den bisherigen Bedingungen“ beantragt, obwohl mit ihm im Rahmen der Evaluationsbesuche des Staatlichen Schulamts Freiburg am 20.5.2003 (Behördenakte Regierungspräsidium Freiburg „Freie Waldorfschule ..., Bd. 1, S. 215) und am 22./23.6.2004 (Behördenakte Regierungspräsidium Freiburg „Freie Waldorfschule ..., Bd. 2, S. 4) die Problematik einer zukünftigen Organisationsform der Schule nach Auslaufen des Schulversuchs besprochen worden war und das Protokoll zum Evaluationsbesuch am 22./23.6.2004 ausdrücklich mit dem Votum der Genehmigungsbehörde endet: „Unter diesen Bedingungen könnten wir der letztmaligen Verlängerung als Schulversuch zustimmen. Danach muss eine dauerhafte und organisatorisch tragfähige Form entwickelt und umgesetzt werden.“ Dem entspricht es, dass der Kläger sich in seinem eigenen Informationsschreiben an die Mitglieder des Schulausschusses im Landtag vom 28.12.2005 über das Integrative Schulentwicklungsprojekt (Behördenakte Regierungspräsidium Freiburg „Freie Waldorfschule ..., Allgemeines, Bd. 2, S. 67ff) zum Ziel gesetzt hat, „die integrative Beschulung in dieser Form weiterzuführen und eine dauerhafte Genehmigung dafür zu erhalten“. Wäre der Kläger davon ausgegangen, dass eine eigenständige Entscheidung nach Abschluss des Schulversuchs über die weitere Organisationsform der integrativen Beschulung nicht mehr notwendig ist, da die Genehmigung vom 17.9.1999 die Fortführung des bisherigen Modells allein unter den Vorbehalt eines pädagogischen Erfolgs des Versuchs gestellt hat, hätte er dies in irgendeiner Form besonders zum Ausdruck gebracht.
29 
Dem - wie dargestellt - eindeutigen übereinstimmenden Verständnis vom Regelungsgehalt der Schulversuchsgenehmigung vom 17.9.1999 steht nicht entgegen, dass - worauf der Kläger-Bevollmächtigte hinweist - das Staatliche Schulamt dem Landratsamt ... mit Schreiben vom 29.7.1999, also noch vor der Genehmigungserteilung, mitgeteilt hat, dass die Befristung des Integrativen Schulentwicklungskonzepts „lediglich als Zwischenstation der internen Konzeptbildung und nicht als Auslaufen des Modells zu verstehen und davon auszugehen (sei), dass bei entsprechender pädagogisch-konzeptioneller Weiterarbeit der Schule die vollständig ausgebaute Waldorfschule mit integrierter Förderung geistig behinderter Kinder entstehen“ werde. Denn abgesehen davon, dass diese - auch dem Kläger zur Kenntnis gegebene - Einschätzung das tatsächliche Verständnis der Beteiligten von der später getroffenen Regelung offensichtlich nicht beeinflusst hat, ist mit dieser Mitteilung inhaltlich noch keine Aussage darüber getroffen worden, in welcher konkreten Organisationsform diese integrative Förderung behinderter Kinder an der Waldorfschule dann tatsächlich erfolgen werden wird.
30 
b) Lässt sich dem Bescheid des Staatlichen Schulamts vom 17.9.1999 keine durch den pädagogischen Erfolg des Projekts aufschiebend bedingte Genehmigung der dem Schulentwicklungsprojekt zugrunde liegenden integrativen Schul- und Unterrichtsform entnehmen, so gilt dies auch für die Verlängerung des Projekts in den Bescheiden des Staatlichen Schulamts Freiburg vom 18.7.2002 und des Landratsamts ... vom 30.5.2005.
31 
Der Bescheid des Staatlichen Schulamts Freiburg vom 18.7.2002 knüpfte - nach Ablauf der Frist und Vorlage der Weiterentwicklung des Konzepts des Klägers - an die inhaltliche und zeitliche Begrenzung der Schulversuchsgenehmigung vom 17.9.1999 an und erstreckte die Weitergeltung des Schulversuchs zur integrativen Beschulung der entsprechend herangewachsenen Schüler auf den weiteren Bereich der Oberstufe des Bildungsgangs der Sonderschule bzw. der Klassenstufen 7 bis 9 an der Freien Waldorfschule. Dabei wurde durch den gleichzeitig erfolgten Hinweis auf die Weitergeltung der Genehmigung vom 17.9.1999 hinreichend deutlich gemacht, dass mit der Erweiterung des Schulentwicklungsprojekts keine endgültige Genehmigung der bereits in einem ersten Durchlauf erprobten Integrativen Beschulung in den Klassen 1 bis 6 verbunden sein sollte, dass aber im Rahmen des Schulversuchs weiterhin in jeweils neu beginnenden Klassen auch Schüler mit besonderem Förderbedarf in einer Sonderschule für Geistigbehinderte aufgenommen und integrativ beschult werden können.
32 
Gleiches gilt für die ausdrücklich als „Weitergenehmigung des Schulversuchs“ bezeichnete Erstreckung der Genehmigung des Schulentwicklungsprojekts auch auf die der Werkstufe an einer Sonderschule für Geistigbehinderte entsprechenden Klassen 10 bis 12 in dem Bescheid des Landratsamts ... vom 30.5.2005. Soweit hier der Schulversuch ohne Differenzierung „zunächst bis zum Ende des Schuljahrs 2007/2008 befristet“ wird, ist dies nach den Umständen des gesamten Schulversuchs dahin zu verstehen, dass nach dem Ablauf der Frist ein Neuaufnahmestopp in der 1. Klassenstufe eintreten und das Schulentwicklungsprojekt - jedenfalls dann, wenn die Fortführung nicht genehmigt wird - über die Weiterführung der integrativen Beschulung (allein) der bereits aufgenommenen Schülerinnen und Schüler mit geistiger Behinderung auslaufen soll. Die gegenteilige Auffassung des Kläger-Bevollmächtigten, der aus der missverständlichen, weil möglicherweise auf einen vollständigen und abrupten Abbruch der integrativen Beschulung insgesamt gerichteten Befristung ableitet, dass diese allein auf die notwendige Erprobung des integrativen Unterrichts in der Werkstufe bezogen sein könne und im Übrigen (konkludent) eine endgültige Genehmigung enthalte, teilt die Kammer daher nicht. Dabei zeigen insbesondere die vielfältigen politischen Bemühungen um eine Verlängerung des Projekts, dass auch der Kläger die letzte Verlängerungsentscheidung nicht im Sinne einer Erteilung der Ersatzschulgenehmigung zur integrativen Beschulung in den Klassenstufen 1 bis 9 verstanden hat.
II.
33 
Der nach Abweisung des Hauptantrags zum Tragen kommende Hilfsantrag des Klägers auf Verpflichtung zur Erteilung der Ersatzschulgenehmigung zur integrativen Beschulung von geistig behinderten Kindern hat Erfolg.
34 
1. Die Klage ist in der Form einer Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO zulässig.
35 
Eines Widerspruchsverfahrens als Vorverfahren vor Erhebung der Klage bedurfte es gemäß § 68 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 6a Satz 1 AGVwGO a.F. (nunmehr: § 15 Abs. 1 S. 1 AGVwGO idF. v. 14.10.2008, GBl S. 343) nicht, da die beantragte Ersatzschulgenehmigung durch das Regierungspräsidium abgelehnt worden ist.
36 
Entgegen der Auffassung des Beklagten steht der Zulässigkeit der Klage auch nicht teilweise entgegen, dass das Staatliche Schulamt bereits mit Bescheid vom 2.11.1995 einen Antrag des Klägers auf Genehmigung der Errichtung und des Betriebs einer Grundschule abgelehnt hat, an der auf der Grundlage des Waldorflehrplans und unter Anwendung der Waldorfpädagogik integrativ auch geistig behinderte Kinder unterrichtet werden sollten. Denn die Klage ist nicht auf diesen Antrag und die bestandskräftige Ablehnungsentscheidung vom 2.11.1995 bezogen, sondern auf den neuen Antrag des Klägers vom 18.6.2008 auf Genehmigung zur integrativen Beschulung von geistig behinderten Kindern und Jugendlichen in der vorhandenen Freien Waldorfschule. Mit dem Einwand des Beklagten zur Bestandskraft des Ablehnungsbescheids vom 2.11.1995 ist der Streitgegenstand dieser Klage (nur) insoweit betroffen, als der Beklagte dem neuen Genehmigungsantrag des Klägers eine aus seiner Sicht bestehende Bindungswirkung der ersten Ablehnungsentscheidung entgegenhält. Da nach den Darlegungen des Klägers jedenfalls die zur Geltendmachung einer Rechtsverletzung nach § 42 Abs. 2 VwGO notwendige hinreichende Möglichkeit besteht, dass dieser Einwand zu Unrecht erhoben wird und dem Kläger der Anspruch auf die begehrte Ersatzschulgenehmigung im vollen Umfang zusteht, bleibt die mit einer solchen Bindungswirkung der Ablehnungsentscheidung vom 2.11.1995 verbundene Problematik der materiellen Rechtmäßigkeit der Ablehnungsentscheidung vom 7.8.2008 der Prüfung der Begründetheit der Klage vorbehalten.
37 
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass das nach Ablehnung des Genehmigungsantrags vom 4.5.1995 vom Kläger anhängig gemachte Klageverfahren nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 3.5.2000 - 2 K 794/00 - eingestellt worden ist. Denn mit der in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 2 VwGO erfolgenden Einstellung eines Verfahrens wird keine der materiellen Rechtskraft fähige Entscheidung des Gerichts über den anhängigen Streitgegenstand getroffen, die einen Rechtsstreit in gleicher Sache unzulässig machen würde. Die vom Beklagten für seine Auffassung zitierte Kommentarstelle ergibt nichts anderes.
38 
Entgegen der Anregung des Beklagten sieht die Kammer nach Ermessen von dem Erlass eines Zwischenurteils nach § 109 VwGO zur (Teil-)Zulässigkeit des Hilfsantrags des Klägers ab. Denn abgesehen davon, dass die vom Kläger aufgeworfene Problematik der Zulässigkeit der Verpflichtungsklage keine besonderen, in einer weiteren Instanz klärungsbedürftigen Rechtsfragen aufwirft, brächte ein solches Urteil weder eine Beschleunigung des Verfahrens noch die Möglichkeit einer vereinfachenden Abschichtung von Streitfragen mit sich. Das Gericht wäre auch nach einer Zuführung der vom Beklagten aufgeworfenen Zulässigkeitsfrage in einen Zwischenstreit nicht von der Aufgabe enthoben, den Rechtsstreit im Übrigen, d.h. hinsichtlich des Hauptantrags und des Hilfsantrags in Bezug auf die Klassen 5 bis 12, auch inhaltlich zu entscheiden. Dabei konnte der Beklagte auch inhaltlich zur Klage Stellung nehmen, ohne einen möglicherweise berechtigten Einwand zu ihrer Unzulässigkeit zu verlieren. Die Rechtsprechung zur Entbehrlichkeit eines Vorverfahrens bei inhaltlicher Einlassung des auch für das Widerspruchsverfahren zuständigen Beklagten im Prozess ist auf die hier gegebene Konstellation nicht übertragbar.
39 
2. Die Klage ist begründet. Der Bescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 7.8.2008, mit welchem der Antrag des Klägers vom 18.6.2008 auf Ergänzung der Ersatzschulgenehmigung vom 15.9.1995 um die Genehmigung zur integrativen Beschulung von bis zu vier sonderschulpflichtigen Kindern pro Klasse abgelehnt worden war, ist rechtwidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
40 
Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung einer Genehmigung zum Betrieb der Freien Waldorfschule Emmendingen als Ersatzschule mit integrativer Beschulung von bis zu vier in einer Sonderschule für Geistigbehinderte schulpflichtigen Kindern pro Klasse. Dieser Anspruch lässt sich zwar nicht aus dem Privatschulgesetz des Landes Baden-Württemberg ableiten (hierzu zu a), er ergibt sich jedoch unmittelbar aus Art. 7 Abs. 4 GG (hierzu zu b). Der Genehmigungsanspruch umfasst dabei auch eine integrative Beschulung in den Klassen 1 bis 4; diesem stehen weder die besonderen Genehmigungsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 5 GG noch die Bindungswirkung der bestandskräftigen Ablehnung der Genehmigung einer integrativen Grundschule mit Waldorfpädagogik vom 2.11.1995 entgegen (hierzu zu c).
41 
a) Nach § 5 Abs. 1 des Privatschulgesetzes des Landes Baden-Württemberg setzt die Erteilung der Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Schule in freier Trägerschaft, an der Kinder und Jugendliche ihre Schulpflicht erfüllen können, voraus, dass diese eine Ersatzschule im Sinne des § 3 PSchG darstellt. Abgesehen von der - hier nicht einschlägigen - Möglichkeit nach § 3 Abs. 2 Satz 2 PSchG, dass diese durch Rechtsverordnung der Landesregierung zu einer Ersatzschule erklärt wird, ist diese Genehmigungsvoraussetzung nur dann erfüllt, wenn im Lande entsprechende öffentliche Schulen bestehen (§ 3 Abs. 1 PSchG) oder wenn es sich bei der Schule um eine Freie Waldorfschule im Sinne der Regelung des § 3 Abs. 2 Satz 1 PSchG handelt.
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Die vom Kläger zur Genehmigungserteilung gestellte Schulform einer Freien Waldorfschule, an der in den Klassen 1 bis 12 gemeinsam mit den übrigen Schülerinnen und Schülern jeweils auch bis zu vier Schülerinnen und Schüler unterrichtet werden, die nach §§ 15 Abs. 1, 82 Abs. 1 SchulG zur Erfüllung ihrer Schulpflicht zum Besuch einer Sonderschule für Geistigbehinderte verpflichtet sind, ist weder in der einen noch in der anderen Form eine Ersatzschule im Sinne dieser Regelung.
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Dies ergibt sich hinsichtlich der Regelung des § 3 Abs. 1 PSchG daraus, dass nach der Gliederung des öffentlichen Schulwesens in Baden-Württemberg (§§ 3 bis 15 SchG) eine dieser Schule entsprechende öffentliche Schule bereits nach ihrer Schulart weder tatsächlich besteht noch grundsätzlich vorgesehen ist (zum Begriff der regelschulakzessorischen Schule nach § 3 Abs. 1 vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.2.1991 - 9 S 2315/89 -, VBlBW 1992, 226). Immerhin soll die zur Genehmigung gestellte Schule insgesamt weiterhin in der Form einer Freien Waldorfschule geführt werden, an der Schüler in einem - im öffentlichen Schulwesen nicht vorgesehenen - einheitlichen Bildungsgang von Klasse 1 bis Klasse 12 unterrichtet werden und für die der Gesetzgeber deshalb in § 3 Abs. 2 Satz 1 PSchG eine besondere Anerkennung als Ersatzschule ausgesprochen hat. Vor allem aber ist im Bereich des öffentlichen Schulwesens keine Schule vorgesehen, an der Kinder- und Jugendliche, die aufgrund ihres sonderpädagogischen Förderbedarfs in einer Sonderschule für Geistigbehinderte schulpflichtig sind, als eigene Schüler gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern unterrichtet werden, für die ein solcher Förderbedarf nicht besteht. Die nach § 15 Abs. 5 und 6 SchulG gegebenen Möglichkeiten eines Unterrichts etwa für sonderschulpflichtige Kinder mit geistiger Behinderung auch an allgemeinen Schulen ist auf Kooperationen dieser Schulen mit der entsprechenden Sonderschule beschränkt, ohne dass die sonderschulpflichtigen und die übrigen Schülerinnen und Schülern rechtlich Schüler einer gemeinsamen Klasse und Schule würden. Die nach § 107 Abs. 1 Satz 1 SchulG als Schulen besonderer Art geführten öffentlichen Gesamtschulen sind zwar für die Klassenstufen 5 bis 10 von einer Gliederung nach Schularten befreit, doch ist dies auf den Bereich der Haupt- und Realschulen sowie der Gymnasien beschränkt und erfasst gerade nicht die Beschulung von sonderschulpflichtigen Kindern. Die in § 15 Abs. 1 Satz 1 und 4 SchulG gegebene Möglichkeit der Beschulung behinderter Schüler in allgemeinen Schulen setzt voraus, dass diese, und sei es mit besonderer Unterstützung, dem jeweiligen Bildungsgang an der allgemeinen Schule folgen können, erfasst also ebenfalls nicht die Schülerinnen und Schüler, deren Förderbedarf gerade einen eigenen Bildungsgang erfordert und die deshalb im Rahmen eines gemeinsamen Unterrichts mit Schülerinnen und Schülern ohne Förderbedarf zieldifferent unterrichtet werden müssten.
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Die Ersatzschuleigenschaft der vom Kläger begehrten integrativen Waldorfschule ergibt sich auch nicht aus der Regelung des § 3 Abs. 2 Satz 1 PSchG. Zwar ist die vom Kläger bisher betriebene Schule unstreitig eine Freie Waldorfschule, die - entsprechend § 3 Abs. 2 Satz 1 PSchG - in einem einheitlichen Bildungsgang von Klasse 1 bis Klasse 12 Schüler unterschiedlicher Begabungsrichtungen nach dem Waldorflehrplan (Pädagogik Rudolf Steiner) zu den dort festgelegten Bildungszielen führt und auch in ihrer Klasse 13 auf der Klasse 12 der Waldorfschule aufbauend auf die Hochschulreife vorbereitet. Auch werden im Rahmen der vom Kläger geplanten integrativen Unterrichtung von geistig behinderten Schülerinnen und Schülern „von Klasse 1 bis Klasse 12 Schüler unterschiedlicher Begabungsrichtungen“ unterrichtet. Weiter kann zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass die Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf (zumindest auch) zu den allgemeinen (anthroposophischen) Bildungszielen der Waldorfpädagogik geführt werden. Allerdings erfordert die gesetzliche Bestimmung der Freien Waldorfschulen zu Ersatzschulen zusätzlich, dass die Schülerinnen und Schüler „in einem einheitlichen Bildungsgang“ „nach dem Waldorflehrplan (Pädagogik Rudolf Steiner)“ unterrichtet werden. Dies ist bei den Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf in einer Sonderschule für Geistigbehinderte nicht in der gebotenen Form der Fall. Denn die Bezugnahme auf den „einheitlichen Bildungsgang“ und den „Waldorflehrplan“ in § 3 Abs. 2 Satz 1 PSchG ist allein auf den Bereich beschränkt, in dem die Freien Waldorfschulen an die Stelle der allgemeinen Regelschulen treten. Dies ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte der Regelung und ihrem hieraus erklärbaren Zweck.
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Die gesetzliche Erklärung der Freien Waldorfschulen zu Ersatzschulen wurde mit dem Gesetz zur Änderung des Privatschulgesetzes vom 13.11.1995 (GBl. S. 764) in das Privatschulgesetz eingefügt. Dabei sollten - wie die Begründung zum Gesetzentwurf der Landesregierung (LT-Drs. 11/6523, S. 8) zeigt, „die Freien Waldorfschulen, die nach der (…) Rechtsverordnung der Landesregierung vom 13. November 1973 zu Ersatzschulen erklärt wurden, (…) nun kraft Gesetzes Ersatzschulen werden“. Von dieser Rechtsverordnung der Landesregierung über die Freien Waldorfschulen vom 13.11.1973 (GBl. 454) waren jedoch allein die Waldorfschulen erfasst, die an die Stelle der allgemeinen Regelschulen treten. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Klammerzusatz zur Überschrift der Rechtsverordnung (Einheitliche Volks- und Höhere Schulen), sondern auch aus dem Verständnis der Landesregierung zum Ersatzschulcharakter der Freien Waldorfschulen, wie es in ihrer Einlassung in dem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zu den Schulbaukosten (1 BvR 1369/90, vgl. BVerfG, Beschl. v. 9.3.1994, BVerfGE 90, 128, 135) zu Tage tritt und nach dem Freie Waldorfschulen aufgrund ihrer Verschiedenartigkeit zu den öffentlichen Schulen allein durch die Erklärung in der Rechtsverordnung, nicht jedoch aus eigenem Recht zu Ersatzschulen werden.
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Entgegen der Auffassung des Kläger-Bevollmächtigten kann die gesetzliche Erklärung der Waldorfschulen zu Ersatzschulen nicht im Wege der verfassungskonformen Auslegung dahin erweitert werden, dass hiervon auch die integrative Beschulungsmöglichkeit von sonderschulpflichtigen Kindern an der Schule des Klägers erfasst wird.
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Dem steht bereits der Wortlaut der Regelung entgegen. Denn auch wenn - trotz der in den höheren Klassen unzweifelhaft gegebenen und auch notwendigen Differenzierungen - unterstellt wird, dass die geistig behinderten Schülerinnen und Schüler noch in einem hinreichend „einheitlichen Bildungsgang“ unterrichtet werden, ist nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung festzuhalten, dass der Unterricht dieser Schülergruppe in Ermangelung spezifischer Vorgaben im aktuellen Waldorflehrplan zumindest auch wesentlich auf der Grundlage des Lehrplans an Sonderschulen für Geistigbehinderte erfolgt und deshalb das entsprechende Tatbestandsmerkmal des Unterrichts nach dem Waldorflehrplan selbst dann nicht erfüllt wäre, wenn die Möglichkeit einer Weiterentwicklung dieses Lehrplans über den Bereich der allgemeinen Regelschulen hinaus anerkannt würde.
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Nicht ausreichend ist in diesem Zusammenhang, dass der Waldorflehrplan - nach Aussagen der Vertreterin der Schule des Klägers sowie des Vorstandsmitglieds des Bundes der Freien Waldorfschulen e.V., Dr. H., in der mündlichen Verhandlung - im Grundansatz inhaltlich für die Bedürfnisse eines jeden einzelnen Kindes offen ist und deshalb auch in die Richtung der integrativen Unterrichtung von geistig behinderten Schülerinnen und Schülern weiterentwickelt werden kann. Denn mit der Anerkennung einer solchen jeweils individuell möglichen Fortentwicklung oder Anpassung des Waldorflehrplans würde die Reichweite der gesetzlichen Erklärung einer Freien Waldorfschule zu einer Ersatzschule im Sinne des Privatschulgesetzes letztlich allein in die individuelle Bestimmungsmacht der Freien Waldorfschule gelegt und jegliche Konturen verlieren. Dies wäre mit dem - die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung begrenzenden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.5.1985, - 2 BvR 397 - 399/82 -, BVerfGE 70, 35, 63 f m.w.N.) - erkennbaren gesetzgeberischen Ziel der nur beschränkten Einbeziehung von Freien Waldorfschulen in den Anwendungsbereich des Privatschulgesetzes nicht mehr zu vereinbaren.
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Hiervon abgesehen ist eine erweiternde verfassungskonforme Auslegung des § 3 Abs. 2 Satz 1 PSchG auch nicht erforderlich. Denn die in Art. 7 Abs. 4 GG verbürgte Privatschulfreiheit wird hinreichend dadurch gewährleistet, dass dem freien Schulträger bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen ein Anspruch auf Genehmigung der Errichtung und des Betriebs einer Ersatzschule unmittelbar über Art. 7 Abs. 4 Satz 2 und 3 GG eingeräumt ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.11.1969 - 1 BvL 24/64 -, BVerfGE 27, 195, 200; BVerwG, Urt. v. 13.12.2000 - 6 C 5.00 -, BVerwGE 112, 263, 266; Beschl. v. 10.9.1990 - 7 B 119.90 -, Buchholz 11 Art. 7 Abs. 4 GG Nr. 34 S. 27; Badura in Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, (Stand Oktober 2008), Art. 7 Rn. 111; Niehues/Rux, Schul- und Prüfungsrecht, Bd. 1 Schulrecht, 4. Aufl. 2006, S. 254 Rn. 952 f.). Damit kann auch bei einer unzureichenden Ausgestaltung des Genehmigungsanspruchs durch den Landesgesetzgeber kein grundrechtswidriger Zustand eintreten.
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Angesichts der gegebenen gesetzlichen Fixierung der Erklärung Freier Waldorfschulen zu Ersatzschulen auf den Bereich der allgemeinen Regelschulen bedurfte es keiner weiteren - vom Kläger-Bevollmächtigten hilfsweise angeregten - Beweiserhebung zu der Frage, ob die integrative Beschulung von behinderten Schülerinnen und Schülern an Waldorfschulen zu den im Waldorflehrplan Rudolf Steiners festgelegten Bildungszielen gehört. Hinzu kommt, dass dem Klageantrag des Klägers - wie im Folgenden darzustellen ist - unabhängig davon entsprochen wird, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Abs. 2 Satz 1 PSchG erfüllt sind.
51 
b) Der Betrieb der Freien Waldorfschule ... mit integrativer Beschulung von geistig behinderten Schülerinnen und Schülern entspricht den Genehmigungsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 4 GG, sodass sich der Anspruch auf Erteilung einer staatlichen Genehmigung dieses Betriebs unmittelbar aus dieser Norm ergibt.
52 
aa) Entgegen der Auffassung des Beklagten unterfällt die vom Kläger zur Genehmigung gestellte Form der Freien Waldorfschule mit integrativer Unterrichtung von geistig behinderten Kindern und Jugendlichen als Ersatzschule der Regelung des Art. 7 Abs. 4 Satz 2 GG. Die Schule wird auch in dieser Form als „Ersatz für eine öffentliche Schule“ errichtet und betrieben. Insoweit kommt es, anders als nach der Regelung des § 3 Abs. 1 PSchG, nicht darauf an, ob die zur Genehmigung gestellte Privatschule einem im Landesschulrecht vorgesehenen Schultyp entspricht. Maßgeblich ist vielmehr, dass die Privatschule „nach dem mit ihrer Errichtung verfolgten Gesamtzweck als Ersatz für eine in dem Land vorhandene oder grundsätzlich vorgesehene öffentliche Schule dienen soll“ (BVerfG, Beschl. v. 14.11.1969, a.a.O.; Beschl. v. 9.3.1994, - 1 BvR 1369/90 -, BVerfGE 90, 128, 139; BVerwG, Urt. v. 13.12.2000, a.a.O., 266 f.).
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Zwar wird die grundrechtliche Gewährleistung der Privatschulfreiheit über das Merkmal des „Ersatzes für eine öffentliche Schule“ insoweit der Ausgestaltung durch das Landesrecht überantwortet, als dieses über die Regelung des öffentlichen Schulwesens den Bereich festlegt, dem die Privatschulen in ihrer Ersatzfunktion entsprechen müssen (kritisch hierzu Rennert, Entwicklungen in der Rechtsprechung zum Schulrecht, DVBl. 2001, 504, 514). Allerdings folgt aus dem hiermit umschriebenen Grundsatz der Akzessorietät der privaten Ersatzschule zum öffentlichen Schulwesen keine zwingende Bindung an den Numerus Clausus der im öffentlichen Schulwesen anerkannten Schultypen. Entscheidend ist nicht die äußere Form des Schulwesens; vielmehr reicht es aus, dass sich die Privatschule so in die Gesamtkonzeption des Landesgesetzgebers einpasst, dass die in dieser Konzeption erkennbaren Zielsetzungen des Staates auch im Rahmen der mit der Genehmigung einer Ersatzschule verbundenen Möglichkeit der Erfüllung der Schulpflicht hinreichend Beachtung finden. Dabei ist maßgeblich auf die angestrebten Bildungsabschlüsse und die vom Landesgesetzgeber vorgegebene pädagogische Gesamtkonzeption abzustellen, die hinter der Struktur des öffentlichen Schulwesens im Lande steht (hierzu BVerwG, Urt. v. 13.12.2000, a.a.O., 266 f.; BVerwG, Urt. v. 18.12.1996 - 6 C 6.95 -, BVerwGE 104, 1, 7 ff; zustimmend Badura, a.a.O., Rn. 115; Niehues/Rux, a.a.O., Rn. 946; Vogel, Zur Genehmigung von Ersatzschulen, DÖV 2008, 895, 898).
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Nach diesem Maßstab stellt die vom Kläger konzipierte und zur Genehmigung gestellte Schulform der integrativen Beschulung von sonderschulpflichtigen Schülerinnen und Schulen in den Klassen seiner Freien Waldorfschule einen „Ersatz für eine öffentliche Schule“ dar. Dies gilt zunächst im Hinblick auf die angestrebten Bildungsabschlüsse. Sowohl die integrativ beschulten Kinder und Jugendlichen mit geistiger Behinderung und besonderem Förderbedarf als auch die Schülerinnen und Schüler ohne eine solche Einschränkung ihrer Lern- und Leistungsfähigkeit sollen auf der Schule des Klägers die für sie im öffentlichen Schulsystem vorgesehenen Bildungsabschlüsse erreichen. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig und vom Beklagten auch im Rahmen der Evaluation des Schulversuchs stets anerkannt worden. Darüber hinaus entspricht die vom Kläger geplante Schulform einer „integrativen Waldorfschule“ aber auch der pädagogischen Gesamtkonzeption, wie sie aus der Gliederung des öffentlichen Schulwesens im Schulgesetz erkennbar wird.
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Zwar kennt das Landesrecht keine eigenständige Form der integrativen, zieldifferenten Beschulung von geistig behinderten Schülern und Schülerinnen in allgemeinen Schulen. Vielmehr entspricht es der Konzeption des Schulgesetzes, dass die Schüler an den allgemeinen Schulen stets zielgleich unterrichtet werden. Entsprechend werden auch behinderte Schüler in allgemeinen Schulen unterrichtet, wenn sie - und sei es mit einer zur Verfügung stehenden ergänzenden Hilfe - dem jeweiligen gemeinsamen Bildungsgang in diesen Schulen folgen können (§ 15 Abs. 4 Satz 2 SchulG). Ist ein Schüler aufgrund seiner Behinderung und des damit verbundenen sonderpädagogischen Förderbedarfs nicht in der Lage, das Bildungsziel eines Bildungsgangs einer allgemeinen Schule zu erreichen, wird seinem besonderen Förderbedarf im Rahmen eines eigenen Bildungsgangs Rechnung getragen, der dann an einer spezifischen Sonderschule angeboten wird (§ 15 Abs. 1 Satz 2 SchulG). Allerdings ist der gemeinsame Unterricht von Schülern, die aufgrund ihrer Behinderung in einem spezifischen Bildungsgang einer Sonderschule lernen müssen, mit den Schülern und Schülerinnen, die in den allgemeinen Schulen schulpflichtig sind, nach § 15 Abs. 5 und 6 SchulG im Rahmen von Kooperationen auch im Bereich des öffentlichen Schulwesens möglich. Soweit dies nach den (unterschiedlichen) Bildungs- und Erziehungszielen möglich ist, sollen die allgemeinen Schulen im Schulleben und im Unterricht mit den Sonderschulen zusammenarbeiten, wobei diese Zusammenarbeit bis hin zur Bildung von Außenklassen der Sonderschulen an den allgemeinen Schulen gehen kann.
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Die hierin liegende grundsätzliche Akzeptanz der gemeinsamen zieldifferenten Unterrichtung von sonderschulpflichtigen geistig behinderten Kindern und Jugendlichen mit Schülern und Schülerinnen einer allgemeinen Schule reicht aus, um die notwendige Entsprechung der vom Kläger zur Genehmigung gestellten Konzeption der integrativen Beschulung von geistig behinderten Schülerinnen und Schülern an seiner Freien Waldorfschule mit der pädagogischen Grundkonzeption des öffentlichen Schulwesens zur Förderung von behinderten Kindern zu bejahen. Dies gilt unabhängig davon, ob die vom Kläger angestrebte Form der integrativen Beschulung in ihrem konkreten Umfang über das hinaus geht, was auf der Grundlage des § 15 Abs. 5 und 6 SchulG im öffentlichen Schulwesen über eine Kooperation einer allgemeinen Schule mit einer Sonderschule möglich wäre. Denn für die Frage, ob eine Privatschule auch der „pädagogischen Grundkonzeption“ des öffentlichen Schulwesens entspricht, ist nicht erforderlich, dass die jeweiligen Konzeptionen inhaltlich oder gar in der Form ihrer konkreten organisatorischen Umsetzung übereinstimmen; vielmehr ist insoweit ausreichend, dass das Konzept der Privatschule die pädagogische Grundkonzeption des öffentlichen Schulwesens nicht beeinträchtigt (BVerwG, Urt. v. 18.12.1996, a.a.O., S. 8).
57 
Hinzu kommt, dass die in pädagogischer Hinsicht notwendige Kompatibilität einer privaten Ersatzschule mit dem öffentlichen Schulwesen im Bereich der Integration von behinderten Schülern in den Unterricht auch über das Verbot der Benachteiligung Behinderter in Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG ausgestaltet ist. Dabei geht es nicht - wie der Beklagte meint - um die Frage, ob das öffentliche Schulwesen den Anforderungen des Benachteiligungsverbots entspricht, sondern darum, ob der Ersatzschuleigenschaft einer Privatschule entgegen gehalten werden kann, dass dort eine nach Art und Inhalt weitergehende zieldifferente Integration von Behinderten in den allgemeinen Unterricht stattfindet, als dies nach der Konzeption zur Beschulung behinderter Schüler mit besonderem Förderbedarf im Bereich der öffentlichen Schulen vorgesehen ist. Insoweit wirkt Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG nicht als Anspruchsgrundlage zur Ausgestaltung eines besonderen öffentlichen Schulsystems, sondern prägt - ebenso wie etwa auch das Recht der Eltern nach Art. 6 Abs. 2 GG auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder sowie das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit in Art. 2 Abs. 1 GG oder das Recht auf Religions- und Gewissensfreiheit in Art. 4 GG (hierzu BVerfG, Beschl. v. 16.12.1992 - 1 BvR 167/87 -, BVerfGE 88, 40, 46 f; Beschl. v. 9.3.1994 - 1 BvR 712/88 -, BVerfGE 90, 107, 116; BVerwG, Urt. v. 19.2.1992 - 6 C 5/91 -, BVerwGE 89, 368, 369) - als Ausdruck einer verfassungsrechtlichen Wertentscheidung die konkrete Reichweite der Privatschulfreiheit nach Art. 7 Abs. 4 GG mit (vgl. BVerfG, Beschl. v. 8.10.1997 - 1 BvR 1997 -, BVerfGE 96, 288, 304). Verpflichtet dieses Benachteiligungsverbot den Staat im Bereich seines öffentlichen Schulwesens dazu, einen behinderten Schüler an einer allgemeinen Schule zu unterrichten, wenn der hierfür benötigte personelle und sächliche Aufwand mit vorhandenen Personal- und Sachmitteln bestritten werden kann und auch organisatorische Schwierigkeiten und schutzwürdige Belange Dritter der integrativen Beschulung nicht entgegen stehen (BVerfG, Beschl. v. 8.10.1997, a.a.O.), so darf er die Ersatzschuleigenschaft einer Schule in Freier Trägerschaft, an der eine integrative Beschulung von behinderten Kindern erfolgen soll, nicht allein unter Hinweis auf die im öffentlichen Schulsystem nach Art und Maß geringeren Möglichkeiten einer solchen Beschulung verneinen.
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Vor dem Hintergrund dieser verfassungsrechtlich ausgestalteten Reichweite der Privatschulfreiheit im Bereich der integrativen Beschulung behinderter Schülerinnen und Schüler kann offen bleiben, in welchem Umfang dieses Ergebnis auch von Art. 24 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 lit b) des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 13.12.2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen mitgetragen wird. Danach sind die Vertragsstaaten in Anerkennung des Rechts von Menschen mit Behinderungen und unter der Zielsetzung der Verwirklichung dieses Rechts ohne Diskriminierung dazu verpflichtet, ein integratives Bildungssystem zu gewährleisten, in dem unter anderem sichergestellt ist, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen in der Gemeinschaft, in der sie leben, Zugang zu einem integrativen, hochwertigen und unentgeltlichen Unterricht an Grundschulen und weiterführenden Schulen haben. Auch wenn diese Vorschrift unabhängig von der Problematik der Kompetenz des Bundes oder des Landes zur Transformation des Übereinkommens aus sich heraus ohne weitere normative Ausfüllung keine unmittelbaren individuellen Ansprüche begründet, so spricht aus der Sicht der Kammer jedoch einiges dafür, dass das hier dargelegte Verständnis von Art. 7 Abs. 4 GG über den Grundsatz der völkerrechtsfreundlichen Auslegung des Grundgesetzes (hierzu BVerfG, Beschl. v. 1.3.2004 - 2 BvR 1570/03 -, NVwZ 2004, 852, 853; Beschl. v. 26.3.1987 - 2 BvR 589/79 -, BVerfGE 74, 358, 370) zumindest gestützt wird.
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Soweit der Beklagte maßgeblich auf die Schwierigkeiten einer angemessenen und dem bisherigen System entsprechenden Finanzierung der vom Kläger zur Genehmigung beantragten Ersatzschule verweist, die dann sowohl eine allgemeine Regelschule als auch (partiell) eine Sonderschule ersetzen würde, steht dies der Ersatzschuleigenschaft dieser Schule nicht entgegen. Denn das bestehende System der Privatschulfinanzierung, in dem der Beklagte Platz allein für das von ihm geförderte Kooperationsmodell sieht, ist kein Bestandteil des öffentlichen Schulwesens. Die in Art. 7 Abs. 4 Satz 2 GG geforderte Akzessorietät der Privatschule zu den öffentlichen Schulen wäre damit selbst dann nicht betroffen, wenn die insoweit notwendige Kompatibilität über den Bereich der pädagogischen Grundkonzeption hinaus auch auf andere Aspekte des öffentlichen Schulwesens erstreckt würde. Zudem ist die Frage der Finanzierung einer Privatschule durch den Staat nicht ein begrenzendes Merkmal der Freiheitsgewährung des Art. 7 Abs. 4 GG, sondern die Folge einer die Freiheitsgewährung schützenden und fördernden zusätzlichen Verantwortung des Staates (vgl. etwa BVerfG, Beschl. v. 9.3.1994 - 1 BvR 682/88 -, a.a.O.). Dies gilt umso mehr, als die Verfassung vom Staat keine volle Übernahme der mit der Errichtung und dem Betrieb einer Privatschule verbundenen Kosten fordert, sondern der grundrechtliche Anspruch auf staatliche Förderung lediglich auf eine der gesetzlichen Ausgestaltung bedürftige Beteiligung des Staates an den anerkannt hohen Kosten des Privatschulträgers beschränkt ist, die aus der Erfüllung der verfassungsrechtlichen Genehmigungsanforderungen resultieren (BVerfG, Urt. v. 8.4.1987 - 1 BvL 8/84 -, BVerfGE 75, 40, 68; Beschl. v. 9.3.1994 - 1 BvR 682/88 - sowie - 1 BvR 1369/90 -, jeweils a.a.O.).
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bb) Soweit die Erteilung der Genehmigung einer privaten Ersatzschule nach Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG daran gebunden ist, dass die private Schule in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurücksteht und eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird, sind diese Voraussetzungen nach der übereinstimmenden Einschätzung der Beteiligten erfüllt. Insbesondere entspricht es der in den Evaluationsberichten zum Schulversuch des Klägers dokumentierten Einschätzung des Beklagten, dass die geistig behinderten Schülerinnen und Schüler an der Freien Waldorfschule des Klägers eine Erziehung und Ausbildung erhalten, die den Bildungs- und Erziehungszielen einer öffentlichen Sonderschule für Geistigbehinderte sowie der dort angestrebten Qualifikation gleichwertig ist. Dies hat der Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung nochmals ausdrücklich bestätigt.
61 
Der vom Beklagten im Hinblick auf die erreichten Erziehungs- und Bildungsziele verneinte pädagogische Mehrwert der Beschulung von geistig behinderten Schülern an der Schule des Klägers spielt für die Genehmigungsfähigkeit der Schule nach Art. 7 Abs. 4 GG keine Rolle, da es hiernach ausreicht, dass die Ersatzschule insoweit „nicht hinter den öffentlichen Schulen zurücksteht“. Eine - wie auch immer messbare - bessere Bildung und Erziehung als im Bereich der öffentlichen Schulen ist nicht gefordert.
62 
c) Der Genehmigungsanspruch des Klägers schließt auch eine integrative Beschulung geistig behinderter Schüler in den Klassenstufen 1 bis 4 ein.
63 
aa) Soweit in Art. 7 Abs. 5 GG für die Zulassung privater Volksschulen zusätzlich die Anerkennung eines besonderen pädagogischen Interesses durch die Unterrichtsverwaltung erforderlich ist, steht dies der Erweiterung der Ersatzschulgenehmigung der Freien Waldorfschule des Klägers zum Zwecke der integrativen Beschulung von sonderschulpflichtigen geistig behinderten Schülerinnen und Schülern nicht entgegen. Dabei kann dahin gestellt bleiben, ob ein solches besonderes pädagogisches Interesse an dieser Schulform tatsächlich bereits deshalb besteht, weil die im Rahmen eines solchen Schulmodells gesammelten Erfahrungen der Entwicklung des gesamten Schulsystems hin zu einer stärkeren Integration auch von behinderten Schülern zugute kommen kann (vgl. insoweit BVerfG, Beschl. v. 16.12.1992 - 1 BvR 167/87 -, BVerfGE 88, 40) oder ob es - wie der Beklagte meint - erforderlich ist, dass die integrative Beschulung für die Ausbildung und Erziehung der behinderten Schüler einen Mehrwert mit sich bringt und ob ein solcher Mehrwert konkret gegeben ist. Weiterhin kann offen gelassen werden, inwieweit die Anerkennung eines solchen besonderen pädagogischen Interesses durch die Unterrichtsverwaltung trotz der hiermit unmittelbar vom Grundgesetz vorgegebenen Kompetenzverteilung im Rahmen dieses Verfahrens inzident durch das Gericht ersetzt werden könnte (zur Problematik vgl. BVerfG, Beschl. v. 16.12.1992, a.a.O.). Denn der Kläger bedarf für die begehrte Erweiterung seiner Ersatzschulgenehmigung keiner solchen Anerkennung eines besonderen pädagogischen Interesses.
64 
Die Notwendigkeit der Anerkennung eines besonderen pädagogischen Interesses durch die Unterrichtsverwaltung in Art. 7 Abs. 5 GG und die hiermit verbundene Einschränkung der in Art. 7 Abs. 4 Satz 2 und 3 GG für den Bereich der Ersatzschulen verbürgten Privatschulfreiheit ist in der Entscheidung des Grundgesetzgebers begründet, ebenso wie unter der Geltung des Art. 147 Abs. 2 der Weimarer Reichsverfassung aus sozialstaatlich und egalitär-demokratischen Gründen wenigstens in den ersten Schuljahren alle Schüler und Schülerinnen in einer Volksschule zusammenzuführen und eine Sonderung von spezifischen Schülergruppen aus der Allgemeinheit nur noch dort zuzulassen, wo dies durch ein besonderes pädagogisches Interesse gerechtfertigt ist (hierzu ausführlich BVerfG, Urt. v. 8.4.1987 - 1 BvL 8/84 -, BVerfGE 75, 40, 56 ff; Beschl. v. 16.12.1992 - 1 BvR 167/87 -, a.a.O.; Vogel, Zur Errichtung von Grundschulen in freier Trägerschaft, DÖV 1995, 587, Badura, a.a.O., Rn. 122 ff.; Schmitt-Kammler, in Sachs, Grundgesetz Kommentar, 4. Aufl. 2007, Art. 7 Rn. 72; Niehues/Rux, a.a.O., Rn. 982 ff; ).
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Aus dieser Zweckrichtung ergibt sich, dass die Genehmigungsvoraussetzung des Art. 7 Abs. 5 GG insoweit nicht einschlägig ist, als es dem Kläger darum geht, in seiner Ersatzschule Schüler und Schülerinnen zu beschulen, die aufgrund ihrer Behinderung und des dadurch bedingten besonderen Förderbedarfs die allgemeine Grundschule des öffentlichen Schulwesens gar nicht besuchen dürfen, sondern in einer spezifischen Sonderschule schulpflichtig sind. Bezogen auf diese Schülergruppe stellt die private Ersatzschule des Klägers schon keine „private Volksschule“ im Sinne des Art. 7 Abs. 5 GG dar.
66 
Soweit an der Freien Waldorfschule des Klägers gemeinsam mit den sonderschulpflichtigen geistig behinderten Schülerinnen und Schülern umgekehrt auch Kinder beschult werden, die im Grundsatz an einer allgemeinen Grundschule schulpflichtig wären, liegt das notwendige Anerkenntnis des besonderen pädagogischen Interesses durch die Unterrichtsverwaltung bereits vor. Dieses ist mit der Erklärung der Freien Waldorfschulen zu Ersatzschulen in § 3 Abs. 2 Satz 1 PSchG für den Bereich der Beschulung von Schülern und Schülerinnen ohne besonderen Förderbedarf allgemeinen ausgesprochen worden. Ein Widerruf dieser Anerkennung ist im Zusammenhang mit der Einbeziehung auch von ansonsten sonderschulpflichtigen behinderten Schülern nicht erfolgt.
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bb) Schließlich steht dem Anspruch des Klägers auf Genehmigung der integrativen Beschulung geistig behinderter Kinder auch in den Klassenstufen 1 bis 4 nicht entgegen, dass der Beklagte mit Bescheid des Staatlichen Schulamts Freiburg vom 2.11.1995 einen Antrag des Klägers auf Genehmigung einer Grundschule mit besonderer pädagogischer Prägung abgelehnt hat.
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Zwar kann die mit der Ablehnung eines beantragten Verwaltungsakts verbundene Bindungswirkung einem neuen Antrag grundsätzlich insoweit entgegen gehalten werden, als dieser auf einen identischen Streitgegenstand bezogen ist. Ebenso wie im Prozessrecht (hierzu Rennert in Eyermann, VwGO Kommentar, 12. Aufl. 2006, § 121 Rn. 23 ff; BVerwG, Urt. v. 3.11.1994 - 3 C 30/93 -, NVwZ 1996, 66) ist hierbei maßgeblich auf die Rechtsfolgebehauptung des Antragstellers und den tatsächlichen Lebenssachverhalt abzustellen, aus dem diese Rechtsfolge hergeleitet wird (näher hierzu Seibert, Die Bindungswirkung von Verwaltungsakten, Baden-Baden 1989, S. 509 ff), sodass allein durch die Stellung eines neuen Genehmigungsantrags noch kein neuer Streitgegenstand begründet wird, der eine materiell-rechtliche Bindungswirkung entfallen lassen könnte (a.A. BVerwG, Urt. v. 6.6.1975 - IV 15.73 -, BVerwGE 48, 271; Weyreuther, Anmerkung zum Urteil des BVerwG v. 31.7.1964 - i C 132.59 -, DVBl. 1965, 281, 283; differenzierend Kopp/Ramsauer, VwVfG Kommentar, 10. Aufl. 2008, § 51 Rn. 7a, 27). Maßgeblich ist insoweit vielmehr, ob sich die der Ablehnungsentscheidung zugrunde liegende Sach- und Rechtslage in relevanter Weise von derjenigen des Neuantrags unterscheidet (vgl. BVerwG, Urt. v. 6.9.1990 - 6 C 4/90 -, NVwZ 1991, 272; Urt. v. 3.12.1986 - 6 C 50/85 -, BVerwGE 75, 201, Urt. v. 28.10.1966 - VII C 38.66 -, BVerwGE 25, 241).
69 
Nach diesen Grundsätzen liegt dem Begehren des Klägers auf Ergänzung seiner Ersatzschulgenehmigung um das Recht zur integrativen Beschulung auch von geistig behinderten sonderschulpflichtigen Schülerinnen und Schülern ein Streitgegenstand zugrunde, der - bezogen auf die Klassen 1 bis 4 - mit dem Streitgegenstand der Ablehnungsentscheidung des Staatlichen Schulamts Freiburg vom 2.11.1995 identisch ist. Dabei kommt es - entgegen der Auffassung der Beteiligten - nicht darauf an, ob der mit dem Bescheid vom 2.11.1995 abgelehnte Antrag des Klägers vom 4.5.1995 auf eine Genehmigung nach § 3 Abs. 1 PSchG gerichtet war, während der nunmehr streitgegenständliche Genehmigungsantrag auf die Regelung des § 3 Abs. 2 Satz 1 PSchG gestützt wird. Entscheidend ist vielmehr, dass mit dem Antrag vom 2.11.1995 ebenso wie mit dem Antrag vom 18.6.2008 in der Sache die Erteilung einer Genehmigung erreicht werden sollte, auf deren Grundlage Kinder, die ansonsten in einer allgemeinen Grundschule schulpflichtig wären, in den Klassenstufen 1 bis 4 nach dem Waldorflehrplan und unter Anwendung der Waldorfpädagogik gemeinsam mit Kindern unterrichtet werden können, die anderenfalls eine Sonderschule für Geistigbehinderte besuchen müssten. Dabei standen die Regelungen des § 3 Abs. 1 PSchG und des § 3 Abs. 2 PSchG, ebenso wie übrigens auch Art. 7 Abs. 4 und 5 GG, sowohl in Bezug auf den Erstantrag von 1995 als auch im Hinblick auf den hier streitgegenständlichen Verpflichtungsantrag stets in einem Verhältnis der Anspruchsnormenkonkurrenz und begründeten für sich keine Begrenzung des tatsächlichen Begehrens.
70 
Allerdings steht der hiermit grundsätzlich gegebenen Möglichkeit des Beklagten, den Kläger auf die Bindungswirkung des Ablehnungsbescheids vom 2.11.1995 zu verweisen, die gleichzeitig begründete Verpflichtung entgegen, das partiell identische Ablehnungsverfahren von 1995 im Zusammenhang mit dem Neuantrag wiederaufzugreifen und eine neue Sachentscheidung zu treffen. Dies gilt, obwohl die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Wiederaufgreifen nach § 51 Abs. 1 LVwvfG nicht vorliegen. Denn es ist anerkannt, dass eine an Gesetz und Recht gebundene Behörde - trotz der Bindungswirkung eines wirksamen Verwaltungsakts - aus Gründen der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ein Verfahren auch außerhalb des § 51 Abs. 1 bis 3 LVwVfG jederzeit von Amts wegen mit dem Ziel wieder aufgreifen kann, einen - möglicherweise rechtswidrigen - Verwaltungsakt zugunsten des Betroffenen durch einen der Rechtslage entsprechenden zu ersetzen (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.9.2000 - 2 C 5/99 -, BayVBl 2001, 216; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 30.12.2008 - 11 S 759/06 -, VBlBW 2009, 32; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 12. Aufl. 2007, § 51 VI 2 b), S. 602; ähnlich - unter Rückgriff auf § 51 Abs. 5 i.V.m. §§ 48, 49 LVwVfG - BVerwG, Beschl. v. 23.2.2004 - 5 B 104/03 -, juris; Beschl. v. 29.3.1999 - 1 DB 7/97 -, BVerwGE 113, 322; zur Rechtslage vor Inkrafttreten des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes vgl. BVerfG, Entsch. v. 17.12.1969 - 2 BvR 23/65 -, BVerfGE 27, 297; BVerwG, Urt. v. 16.12.1971 - I C 31.68 -, BVerwGE 39, 197; Urt. v. 30.1.1974 - VIII C 20.72 -, BVerwGE 44, 333; Urt. v. 28.7.1976 - 8 C 90.75 - Buchholz 412.3 § 16 Nr. 2; Urt. v. 14.12.1977 - 8 C 79.76 - Buchholz 316 § 36 Nr. 1). Mit dieser Befugnis korrespondiert ein Anspruch des Betroffenen auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über das Wiederaufgreifen des Verfahrens, der sich dann zu einem Anspruch auf den Erlass einer neuen Sachentscheidung verdichtet, wenn im Einzelfall Umstände von einer den in § 51 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 VwVfG geregelten Fällen vergleichbaren Bedeutung und Gewicht vorliegen und die Aufrechterhaltung des Erstbescheides auch unter Berücksichtigung seiner Bestandskraft schlechthin unerträglich wäre (BVerwG, Urt. v. 27.1.1994, 2 C 12.92 -, BVerwGE 95, 86 m.w.N.; vgl. auch - im Hinblick auf § 48 Abs. 1 LVwVfG - BVerwG, Urt. v. 17.1.2007 - 6 C 32/06 -, NVwZ 2007, 709 m.w.N. sowie BVerwG, Urt. v. 28.7.1976 - 8 C 90.75 - Buchholz 412.3 § 16 BVFG Nr. 2).
71 
Eine solche Situation der Reduzierung des Ermessens zum Wiederaufgreifen des Verfahrens auf Null ist hier gegeben. Dies folgt zum einen aus der fortdauernden Grundrechtsbezogenheit des vom Kläger geltend gemachten Genehmigungsanspruchs nach Art. 7 Abs. 4 GG, der greifbar rechtswidrigen Begründung der Ablehnungsentscheidung vom 2.11.1995 sowie der Erledigung der gegen diese Entscheidung erhobenen Klage vor dem Hintergrund des damals zunächst durchzuführenden und nun abgeschlossenen Schulversuchs zur integrativen Beschulung der behinderten Schülerinnen und Schüler an der Waldorfschule des Klägers. Zum anderen greift vorliegend die für den Verweis auf die Bestandskraft regelmäßig maßgebliche Erwägung der Verwaltungsökonomie und Rechtssicherheit in der Sache schon deshalb nicht durch, weil die konkrete Anspruchsberechtigung des Klägers vom Beklagten jedenfalls in Bezug auf die Klassen 5 bis 12 geprüft werden musste und auch tatsächlich gegeben ist.
III.
72 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Obwohl der Beklagte zur Genehmigungserteilung verpflichtet wurde und der Kläger damit sein Klageziel im Wesentlichen erreicht hat, waren dem Beklagten die Kosten des Verfahrens nicht in vollem Umfang aufzuerlegen (vgl. § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO). Denn das Unterliegen des Klägers durch die Abweisung seines Hauptantrags ist insoweit erheblich, als dieser bei Erfolg seines Feststellungsantrags auch für die faktisch bereits erfolgte Neuaufnahme einiger sonderschulpflichtiger Kinder zum Schuljahr 2008/2009 auf eine bereits vorhandene Genehmigung hätte verweisen können.
73 
Die Kammer sieht davon ab, die Entscheidung hinsichtlich der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 167 Abs. 2 VwGO).
74 
Die Zulassung der Berufung findet ihre Grundlage in § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Die Frage der Ersatzschuleigenschaft einer integrativen Privatschule hat grundsätzliche Bedeutung.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 25. März 2009 - 2 K 1638/08

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 25. März 2009 - 2 K 1638/08

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B
Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 25. März 2009 - 2 K 1638/08 zitiert 17 §§.

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 6


(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinsc

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(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili

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(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden. (2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 92


(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der münd

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(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungskla

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 68


(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn 1. der Verwaltungsakt von einer ob

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(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich. (2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet. (3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit

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(1) Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates. (2) Die Erziehungsberechtigten haben das Recht, über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen. (3) Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausn

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 109


Über die Zulässigkeit der Klage kann durch Zwischenurteil vorab entschieden werden.

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Für die Verfahren nach § 15 gilt § 29 Abs. 1 und 1a entsprechend. Die in diesen Verfahren gespeicherten Daten dürfen auf Ersuchen zur Durchführung von Verfahren zur Gewährung von Leistungen nach diesem Gesetz sowie zur Feststellung der Rechtsstellung

Referenzen - Urteile

Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 25. März 2009 - 2 K 1638/08 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 25. März 2009 - 2 K 1638/08 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 30. Apr. 2008 - 11 S 759/06

bei uns veröffentlicht am 30.04.2008

Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 2. Februar 2006 - 6 K 524/05 - wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die R
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 25. März 2009 - 2 K 1638/08.

Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 15. Sept. 2008 - 2 K 1637/08

bei uns veröffentlicht am 15.09.2008

Tenor 1. Die Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 28.05.2008 wird aufgehoben. 2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. 3. Die Berufung wird zugelassen. Tatbestand

Referenzen

(1) Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates.

(2) Die Erziehungsberechtigten haben das Recht, über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen.

(3) Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach. Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt. Kein Lehrer darf gegen seinen Willen verpflichtet werden, Religionsunterricht zu erteilen.

(4) Das Recht zur Errichtung von privaten Schulen wird gewährleistet. Private Schulen als Ersatz für öffentliche Schulen bedürfen der Genehmigung des Staates und unterstehen den Landesgesetzen. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die privaten Schulen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen und eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte nicht genügend gesichert ist.

(5) Eine private Volksschule ist nur zuzulassen, wenn die Unterrichtsverwaltung ein besonderes pädagogisches Interesse anerkennt oder, auf Antrag von Erziehungsberechtigten, wenn sie als Gemeinschaftsschule, als Bekenntnis- oder Weltanschauungsschule errichtet werden soll und eine öffentliche Volksschule dieser Art in der Gemeinde nicht besteht.

(6) Vorschulen bleiben aufgehoben.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn

1.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde oder von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder
2.
der Abhilfebescheid oder der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.

Über die Zulässigkeit der Klage kann durch Zwischenurteil vorab entschieden werden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates.

(2) Die Erziehungsberechtigten haben das Recht, über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen.

(3) Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach. Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt. Kein Lehrer darf gegen seinen Willen verpflichtet werden, Religionsunterricht zu erteilen.

(4) Das Recht zur Errichtung von privaten Schulen wird gewährleistet. Private Schulen als Ersatz für öffentliche Schulen bedürfen der Genehmigung des Staates und unterstehen den Landesgesetzen. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die privaten Schulen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen und eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte nicht genügend gesichert ist.

(5) Eine private Volksschule ist nur zuzulassen, wenn die Unterrichtsverwaltung ein besonderes pädagogisches Interesse anerkennt oder, auf Antrag von Erziehungsberechtigten, wenn sie als Gemeinschaftsschule, als Bekenntnis- oder Weltanschauungsschule errichtet werden soll und eine öffentliche Volksschule dieser Art in der Gemeinde nicht besteht.

(6) Vorschulen bleiben aufgehoben.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.

(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.

(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

(1) Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates.

(2) Die Erziehungsberechtigten haben das Recht, über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen.

(3) Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach. Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt. Kein Lehrer darf gegen seinen Willen verpflichtet werden, Religionsunterricht zu erteilen.

(4) Das Recht zur Errichtung von privaten Schulen wird gewährleistet. Private Schulen als Ersatz für öffentliche Schulen bedürfen der Genehmigung des Staates und unterstehen den Landesgesetzen. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die privaten Schulen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen und eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte nicht genügend gesichert ist.

(5) Eine private Volksschule ist nur zuzulassen, wenn die Unterrichtsverwaltung ein besonderes pädagogisches Interesse anerkennt oder, auf Antrag von Erziehungsberechtigten, wenn sie als Gemeinschaftsschule, als Bekenntnis- oder Weltanschauungsschule errichtet werden soll und eine öffentliche Volksschule dieser Art in der Gemeinde nicht besteht.

(6) Vorschulen bleiben aufgehoben.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 2. Februar 2006 - 6 K 524/05 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger, ein italienischer Staatsangehöriger, wurde 1975 im Bundesgebiet geboren. 1980 zog er mit seiner Mutter nach Italien. 1990 kehrte er in die Bundesrepublik Deutschland zurück. Hier arbeitete er bis 1994 als Gipser, musste diese Tätigkeit aber nach einem Sportunfall aufgeben. 1995 begann er, Kokain zu konsumieren. Der Kläger ist Vater des im Juni 1996 geborenen … und der im November 2001 geborenen …, für die er - anders als für seinen Sohn - gemeinsam mit der Kindesmutter die elterliche Sorge inne hat und ausübt.
1993 wurde der Kläger unter anderem wegen Diebstahls mit Waffen zu einer Jugendstrafe von sieben Monaten verurteilt, deren Vollstreckung für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. Im Februar 1996 wurde der Kläger in Untersuchungshaft genommen und mit Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 09.04.1997 wegen gemeinschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 16 Fällen zu einer Jugendstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Am 30.04.1998 wurde die Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung ausgesetzt.
Mit Bescheid vom 22.07.1997 wies das Regierungspräsidium Karlsruhe den Kläger nach § 47 Abs. 1 Nr. 3 AuslG aus dem Bundesgebiet aus. Der insbesondere mit einer Nachreifung während der Haft begründete Widerspruch wurde mit Bescheid vom 20.11.1997 zurückgewiesen. Die hiergegen erhobene Klage wurde vom Verwaltungsgericht Karlsruhe mit Urteil vom 17.02.1998 - 11 K 4683/97 - abgewiesen. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung wurde durch Beschluss des Senats vom 26.10.1998 - 11 S 996/98 - abgelehnt. Daraufhin reiste der Kläger im Dezember 1998 freiwillig nach Italien aus. Auf Antrag des Klägers befristete das Regierungspräsidium Karlsruhe mit Bescheid vom 15.09.1999 die Sperrwirkungen der Ausweisung auf den 06.12.2008. Die hiergegen mit dem Ziel einer Verkürzung der Sperrfrist erhobene Klage wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 09.05.2000 - 11 K 2951/99 - abgewiesen.
Nach seiner Ausreise hielt sich der Kläger mehrmals unerlaubt im Bundesgebiet auf. Aus diesem Grund wurde er mit Urteil des Amtsgerichts Rastatt vom 08.08.2002 zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 10,-- EUR und mit Urteil des Landgerichts Baden-Baden vom 10.07.2003 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde. Ein weiteres Verfahren wegen unerlaubter Einreise wurde vom Landgericht Baden-Baden am 27.07.2005 nach § 153 Abs. 2 StPO eingestellt. Für die zuvor vom 25.11.2004 bis zum 24.01.2005 vollzogene Untersuchungshaft wurde dem Kläger mit Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 06.12.2006 eine Entschädigung nach Billigkeit zugesprochen.
Am 05.11.2004 beantragte der Kläger die Rücknahme der Ausweisungsverfügung vom 22.07.1997. Das Bundesverwaltungsgericht habe mit Urteil vom 03.08.2004 - 1 C 30/02 -, BVerwGE 121, 297 unter Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger nur auf der Grundlage einer ausländerbehördlichen Ermessensentscheidung ausgewiesen werden dürften und dass für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Tatsachengerichts abzustellen sei. Vor diesem Hintergrund stehe die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit seiner auf den zwingenden Ausweisungstatbestand des § 47 AuslG gestützten Ausweisung fest. Auch habe man bei der Ausweisung seiner Verwurzelung in die inländischen Lebensverhältnisse nicht hinreichend Rechnung getragen.
Hierauf befristete das Regierungspräsidium Karlsruhe mit Verfügung vom 22.02.2005 die Sperrwirkung der Ausweisung vom 22.07.1997 auf den Tag der Zustellung des Befristungsbescheides (23.02.2005).
Mit Bescheid vom 17.03.2005 lehnte das Regierungspräsidium Karlsruhe den "Antrag auf Wiederaufgreifen des Ausweisungsverfahrens" ab. Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 LVwVfG auch im Hinblick auf die geänderte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Beurteilungsmaßstab von Ausweisungen nicht zu, da in der Änderung der Rechtsprechung grundsätzlich keine Änderung der Rechtslage i. S. d. § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG zu sehen sei. Soweit daneben die Möglichkeit bestehe, das Verwaltungsverfahren nach pflichtgemäßem Ermessen wieder aufzugreifen, bestehe kein hinreichender Anlass dafür, erneut über die unanfechtbare Ausweisung sachlich zu entscheiden. Die Verfügung von 1997 sei rechtmäßig. Sie wäre auch erlassen worden, wenn damals die Maßstäbe des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom August 2004 angewendet worden wären. Denn vom Kläger sei eindeutig eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgegangen.
Der Kläger hatte bereits am 04.03.2005 beim Verwaltungsgericht Karlsruhe Klage auf Rücknahme der Ausweisung erhoben, die er nachträglich auf den Bescheid vom 17.03.2005 erstreckt hat. Trotz zwischenzeitlicher Befristung der Wirkungen der Ausweisung bestehe ein rechtlich schützenswertes Interesse an der Rücknahme. Sie werde benötigt, um die Wiederaufnahme des Strafverfahrens wegen unerlaubter Einreise und unerlaubten Aufenthalts zu erreichen, das zur rechtskräftigen Verurteilung durch das Landgericht Baden-Baden am 10.07.2003 geführt habe. Auch hätte er bei Rücknahme der Ausweisung den erhöhten Ausweisungsschutz nach Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG bzw. § 6 Abs. 5 FreizügG/EU. Schließlich sei die Rücknahme zur Rehabilitation und Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen erforderlich. Nach dem Urteil des EuGH vom 12.12.1997 (C-188/95 ) bestehe eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Rücknahme gemeinschaftswidriger Verwaltungsentscheidungen. Der Hinweis des Beklagten, dass die Ausweisung auch bei Beachtung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erlassen worden wäre, trage der besonderen Rechtstellung von Unionsbürgern nicht hinreichend Rechnung. Nach wie vor fehle eine Ermessensentscheidung über die Ausweisung und die Berücksichtigung seiner günstigen Entwicklung nach Erlass der Verfügung bis zur gerichtlichen Entscheidung. Daneben seien die familiären Bindungen und das Ausmaß der Schwierigkeiten außer Betracht geblieben, denen er, seine damalige Verlobte und sein damals neugeborenes Kind in der Folge der Ausweisung ausgesetzt gewesen seien und die dazu führten, dass die Ausweisung mit Art. 8 EMRK unvereinbar sei. Schließlich habe man nicht die in Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG enthaltenen Maßstäbe beachtet. Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat erwidert, ein Anspruch auf Rücknahme der Ausweisung bestehe nicht. Zum einen sei die Rechtmäßigkeit dieser Verfügung festgestellt worden. Zum anderen lägen die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 LVwVfG nicht vor. Im Rahmen eines Anspruchs auf fehlerfreie Ermessensausübung hinsichtlich des Wiederaufgreifens sei zu berücksichtigen, dass sich die Ausweisung aus heutiger Sicht zwar deshalb als rechtswidrig darstelle, weil sie auf § 47 AuslG gestützt worden sei, dass der Kläger aber auch damals unter Beachtung der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hätte nach Ermessen ausgewiesen werden können.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 02.02.2006 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch darauf, dass die Ausweisung rückwirkend zurückgenommen werde. Ein Anspruch auf ein Wiederaufgreifen des Ausweisungsverfahrens scheide aus, weil die Änderung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den Anforderungen an die Rechtmäßigkeit einer Ausweisung von freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern ebenso wenig einer Änderung der Rechtslage nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG gleichzustellen sei wie die Klärung der maßgeblichen Voraussetzungen für eine solche Ausweisung durch den EuGH in dessen Urteil vom 29.04.2004. Den Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG habe der Beklagte erfüllt, indem er die Rücknahme ohne Rechtsfehler abgelehnt habe. Das Rücknahmeermessen sei auch nicht auf Null reduziert. Die Aufrechterhaltung der Ausweisung sei nicht schlechthin unerträglich und habe für den Kläger auch keine unzumutbare Folgen. Insbesondere werde es dem Kläger nicht praktisch unmöglich gemacht, die ihm durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte wahrzunehmen. Dem Kläger stehe auch kein gemeinschaftsrechtlicher Rechtsanspruch auf Rücknahme der Ausweisung zu. Es sei im Rahmen der gerichtlichen Prüfungskompetenz nicht zu beanstanden, dass der Beklagte bei Ausübung seines Rücknahmeermessens dem öffentlichen Interesse an der Bestandskraft der verfügten Ausweisung gegenüber den privaten Interessen des Klägers den Vorrang eingeräumt habe.
10 
Am 24.03.2006 hat der Kläger die durch das Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt. Zur Begründung verweist er auf seinen Vortrag erster Instanz und trägt ergänzend vor: Die Ausweisung verstoße gegen Art. 8 Abs. 1 EMRK. Denn sie führe selbst im Falle einer Befristung zu einer faktischen Unmöglichkeit einer späteren Rückkehr nach Deutschland. Hieran ändere auch das den Unionsbürgern eingeräumte Freizügigkeitsrecht nichts, da die Rückkehr auch in diesen Fällen an Wohlstand oder an eine Beschäftigung geknüpft und beides schwer zu erreichen sei. Im Übrigen sei es gemeinschaftsrechtswidrig, weil diskriminierend, wenn Unionsbürger aufgrund des im Falle einer Befristung wieder auflebenden Freizügigkeitsrechts leichter ausgewiesen werden könnten, als Drittstaatsangehörige, denen ein Rückkehrrecht unter diesen Bedingungen nicht zukomme. Dies ergebe sich aus der Entscheidung des EuGH vom 17.04.1986 - C-59/85 - (Slg. 1986, I-1283 ).
11 
Der Kläger beantragt,
12 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 02.02.2006 - 6 K 524/05 - zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 17.03.2005 zu verpflichten, die Ausweisung in der Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 22.07.1997 rückwirkend aufzuheben.
13 
Der Beklagte beantragt,
14 
die Berufung zurückzuweisen.
15 
Zur Begründung verweist er auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe und führt ergänzend an, dass der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften die Bestandskraft von Verwaltungsentscheidungen im Grundsatz anerkenne und an die Rücknahme solcher Entscheidungen eher restriktive Bedingungen knüpfe.
16 
Der Senat hat den Kläger in der Berufungsverhandlung angehört. Dabei hat er angegeben: Er lebe seit längerer Zeit in Straßburg, wo er als Profiboxer trainiere und - nach langer Krankheit - als solcher tätig werden wolle. Er sei nach seiner Ausreise nach Italien relativ bald nach Frankreich gezogen und habe sich von dort aus immer wieder vorübergehend zu seinen in Deutschland in Grenznähe lebenden Eltern oder zu seiner damaligen Verlobten begeben. Der Kontakt zu seinem Sohn … sei nach seiner Ausreise nach Italien schwächer geworden und seit 2005 gänzlich abgebrochen. Sein Sohn lebe bei dessen Mutter in der Nähe von Frankfurt. Seine Tochter … lebe bei ihrer Mutter, die mit ihm nicht mehr verlobt sei. Er übe jedoch nach wie vor gemeinsam mit der Mutter das Sorgerecht aus. Abgesehen von den Verurteilungen wegen unerlaubter Einreise und unerlaubten Aufenthalts im Bundesgebiet sei er im Jahr 2006 noch einmal wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe verurteilt worden.
17 
Dem Senat liegen die Akten des Regierungspräsidiums Karlsruhe (2 Hefte) und die Akte der Ausländerbehörde der Stadt Rastatt (1 Heft) über den Kläger sowie ferner die den Kläger betreffenden Akten des Verwaltungsgerichts Karlsruhe (11 K 4683/97; 11 K 3675/97; 11 K 2951/99; 6 K 96/05) und des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (11 S 996/98; 11 S 652/05) vor. Auf den Inhalt dieser Akten wird ergänzend ebenso verwiesen wie auf die wechselseitigen Schriftsätze in der Klageakte des Verwaltungsgerichts Karlsruhe in dem Verfahren 6 K 524/05 sowie in der Verfahrensakte des Senats.

Entscheidungsgründe

 
18 
Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl der Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war. Denn er wurde in der rechtzeitigen Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen (§ 125 Abs. 1 i.V.m. § 102 Abs. 2 VwGO).
I.
19 
Die Berufung ist nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthaft und auch sonst zulässig. Die Berufungsbegründung wurde form- und fristgemäß vorgelegt (§ 124a Abs. 1 bis 3 VwGO). Für die mit der Berufung begehrte Verpflichtung des Beklagten zur rückwirkenden Aufhebung der Ausweisung vom 22.07.1997 besteht auch ein Rechtsschutzbedürfnis.
20 
Zwar entfaltet die Ausweisung aufgrund der Befristung ihrer gesetzlichen Wirkungen in Bezug auf das Recht des Klägers, ins Bundesgebiet einzureisen und sich dort aufzuhalten, gegenwärtig keine belastende Regelungswirkung. Gleiches gilt für die aktuelle aufenthaltsrechtliche Stellung des Klägers - etwa im Hinblick auf einen gesteigerten Ausweisungsschutz nach § 6 Abs. 5 Freizüg/EU (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 28.06.2007 - 13 S 1045/07 -, VBlBW 2008, 68). Denn der Kläger hat sich nach seiner Ausreise im Dezember 1998 bis heute überwiegend in Italien und Frankreich aufgehalten, sodass die rückwirkende Aufhebung der Ausweisung nicht zur Folge hätte, dass sich der Kläger auf einen hierfür notwendigen verlängerten rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet berufen könnte.
21 
Allerdings führt die Ausweisung dazu, dass die verschiedenen Aufenthalte des Klägers im Bundesgebiet in der Zeit vor der Befristung der Wirkungen der Ausweisung als unerlaubt anzusehen sind. Hierdurch ist der Kläger nach wie vor belastet, weil er mit Urteil des Amtsgerichts Raststatt vom 08.08.2002 und des Landgerichts Baden-Baden vom 10.07.2003 wegen unerlaubten Aufenthalts zu einer Geld- und einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist. Insoweit ergibt sich das Rechtschutzbedürfnis daraus, dass der Kläger einen Antrag auf Wiederaufnahme dieser Strafverfahren stellen und unter Hinweis auf das - bei rückwirkender Aufhebung der Ausweisung - auch in der Vergangenheit gegebene Freizügigkeitsrecht als Unionsbürger jeweils einen Freispruch erreichen möchte. Zwar wird nach der wohl herrschenden Auffassung (vgl. Meyer-Goßner, StPO, Kommentar, 50. Aufl. 2007, § 359 Rn. 17 und 21 m.w.N.) in der Rücknahme einer - die Strafbarkeit begründenden - Verwaltungsentscheidung kein Wiederaufnahmegrund nach § 359 StPO gesehen. Es reicht aber aus, dass der Erfolg des Wiederaufnahmeantrags im Strafverfahren und damit der Nutzen der vorliegenden Klage für den Kläger weder tatsächlich noch rechtlich außer Zweifel steht (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.04.2004 - 3 C 25/03 -, BVerwGE 121, 1 = DVBl 2004, 1184 = NVwZ-RR 2004, 855; Urt. v. 21.11.1996 - 4 C 13/95 -, NJW 1997, 1173 = BRS 58 Nr. 233). Dies ist der Fall. Zum einen wird die Auffassung des Klägers, dass die Aufhebung der Ausweisung einer Aufhebung eines Urteils und damit dem Wiederaufnahmegrund nach § 359 Nr. 4 StPO gleichzustellen oder zumindest als neue Tatsache im Sinne des § 359 Nr. 5 StPO anzusehen ist, nicht nur in der Literatur, sondern auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geteilt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.08.1999 - 2 BvR 1322/97 -; Beschl. v. 23.05.1967 - 2 BvR 534/62 -, BVerfGE 22, 21 = NJW 1967, 1221; Schmidt in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 5. Aufl. 2003, § 359 Rn. 15; Schenke, JR 1970, 449; zur vergleichbaren Regelung des § 580 Nr. 6 ZPO vgl. BGH Urt. v. 21.01.1988 - III ZR 252/86 -, BGHZ 103, 121 = NJW 1988, 1914; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, Kommentar, 66. Aufl. 2008, § 580 Anm. 3 m.w.N.). Zum anderen ist die der herrschenden Auffassung zugrunde liegende Annahme, dass auch eine rückwirkende Aufhebung eines Verwaltungsakts die zuvor gegebene Strafbarkeit der Zuwiderhandlung gegen diesen nicht entfallen lässt (so ausdrücklich BGH, Beschl. v. 23.07.1969 - 4 StR 371/68 -, BGHSt 23, 86 = NJW 1969, 2023; OLG Karlsruhe, Urt. v. 28.04.1977 - 3 Ss 107/77 -, JZ 1977, 478 = NJW 1978, 116) jedenfalls für die Ausweisung von - anderenfalls freizügigkeitsberechtigten - Unionsbürgern durchaus umstritten (zum Meinungsstand vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 06.12.2006 - 3 Ws 346/05 -, InfAuslR 2007, 118 m.w.N.).
II.
22 
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen, denn der Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 17.03.2005 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
23 
Das Klagebegehren, das sich maßgebend nicht nur aus der Formulierung des Antrags, sondern auch aus dem Vortrag des Klägers, insbesondere der Klagebegründung ergibt (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.07.1976 - IV C 15.76 - Buchholz 310 § 88 VwGO Nr. 5; Rennert in: Eyermann, VwGO, Kommentar, 12. Aufl. 2006, § 88 Rn. 8 m.w.N.), zielt auf die rückwirkende Aufhebung der Ausweisung. Das ist sowohl durch Rücknahme nach § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG als auch durch eine neue Sachentscheidung nach Wiederaufgreifen des Ausweisungsverfahrens, etwa gemäß § 51 Abs. 1 LVwVfG, möglich (zum Verhältnis von Rücknahme und Wiederaufgreifen des Verfahrens vgl. Ruffert, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2005, § 25 Rn. 3; Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 10. Aufl. 2008, § 51 Rn. 9; Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Kommentar, 7. Aufl. 2008, § 51 Rn. 30; Baumeister, VerwArch 92 (2001), 374 m.w.N.; anders allerdings wohl BVerwG, Urt. v. 04.09.2007 - 1 C 21/07 -, BVerwGE 129, 243 = NVwZ 2008, 82 = DÖV 2008, 74 = InfAuslR 2008, 1, wonach das Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 LVwVfG der Rücknahme oder dem Widerruf vorgeschaltet sei; so auch Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Aufl. 2006, § 11 Rn. 11).
24 
1. Der Kläger hat keinen Anspruch nach § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG darauf, dass seine Ausweisung vom 22.07.1997 rückwirkend zurückgenommen wird. Zwar ist die Rücknahme einer Ausweisung gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG neben der – hier bereits erfolgten - Befristung ihrer gesetzlichen Wirkungen gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 bis 6 AufenthG bzw. § 7 Abs. 2 Satz 2 und 3 FreizügG/EU grundsätzlich möglich, solange die Ausweisung - wie hier - noch Regelungswirkungen äußert (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.10.2007 - 1 C 10.07 -, InfAuslR 2008, 116 = NVwZ 2008, 326 = DÖV 2008, 329 = DVBl 2008, 189 = ZAR 2008, 140). Der Kläger und der Beklagte - und damit auch der Senat - sind jedoch nach § 121 Nr. 1 VwGO gehindert, von der Rechtswidrigkeit der Ausweisung i. S. des § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG auszugehen.
25 
a) Zwar wurde die Ausweisung des freizügigkeitsberechtigten Klägers nach § 47 Abs. 1 AuslG i. V. m. § 12 Abs. 1 Satz 1 AufenthG/EWG verfügt, ohne dass der Beklagte das bei diesen Personen notwendige Ausweisungsermessen (hierzu BVerwG, Urt. v. 03.08.2004 - 1 C 30.02 -, BVerwGE 121, 297 = NVwZ 2005, 220 = DVBl. 2005, 122 = InfAuslR 2005, 18) betätigt hatte. Auch wurde die Rechtmäßigkeit der Ausweisung nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 20.11.1997 beurteilt und damit insbesondere die Entwicklung des Klägers bis zum Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 17.02.1998 außer Betracht gelassen. Allerdings begründen diese Umstände für die Beteiligten keine Rechtswidrigkeit der Ausweisung i. S. d. § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG, weil sie aufgrund des abweisenden Urteils des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 17.02.1998 - 11 K 4683/97 - davon ausgehen müssen, dass die Ausweisung rechtmäßig ist. Dies folgt aus § 121 Nr. 1 VwGO, wonach rechtskräftige Urteile die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist.
26 
Der Umfang der Bindungswirkung eines Urteils bestimmt sich nach der sich im Entscheidungssatz verkörpernden Schlussfolgerung des Gerichts aus der angewandten Rechtsnorm und dem festgestellten Lebenssachverhalt (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.05.1994 - 9 C 501/03 -, BVerwGE 96, 24 = DVBl 1994, 940 = DÖV 1994, 914 = NVwZ 1994, 1115 = VBlBW 1995, 8 m.w.N.). Dabei tritt die Bindungswirkung des Urteils nicht nur in den Fällen ein, in denen der identische Streitgegenstand erneut zur Entscheidung gestellt wird, sondern auch dann, wenn die rechtskräftige Zuerkennung oder Aberkennung eines prozessualen Anspruchs für einen anderen prozessualen Anspruch, der zwischen denselben Beteiligten streitig ist, vorgreiflich ist. Denn mit der Regelung des § 121 VwGO soll auch insoweit verhindert werden, dass die aus einem festgestellten Tatbestand hergeleitete Rechtsfolge, über die in einem Urteil entschieden worden ist, bei unveränderter Sach- und Rechtslage erneut - mit der Gefahr unterschiedlicher Ergebnisse - zum Gegenstand eines Verfahrens zwischen denselben Beteiligten gemacht wird (BVerwG, Urt. v. 24.11.1998 - 9 C 53/97 -, BVerwGE 108, 30 = NVwZ 1999, 302 = DVBl. 1999, 544 = InfAuslR 1999, 143; Urt. v. 10.05.1994, a.a.O.). Eine Vorgreiflichkeit der rechtskräftigen Vorentscheidung ist immer dann gegeben, wenn sie nach dem Umfang ihrer Rechtskraft ein Element liefert, das nach den einschlägigen materiell-rechtlichen Normen des zweiten Rechtsstreits notwendig ist, um die in diesem Prozess beanspruchte Rechtsfolge zu begründen (BVerwG, Urt. v. 31.01.2002 - 2 C 7.01 -, BVerwGE 116, 1 = NVwZ 2002, 853 = DVBl. 2002, 1219 = DÖV 2002, 864).
27 
Da der Streitgegenstand des dem Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 17.02.1998 - 11 K 4683/97 - zugrunde liegenden Verfahrens in der Rechtsbehauptung des Klägers besteht, dass die Ausweisung vom 22.07.1997 rechtswidrig ist und ihn in seinen Rechten verletzt (vgl. BVerwG, Urt. v. 31.01.2002, a.a.O.; Urt. v. 08.12.1992 - 1 C 12.92 -, BVerwGE 91, 256 = NVwZ 1993, 672 = DVBl. 1993, 258 = DÖV 1993, 718 = BayVBl 1993, 250; Rennert, a.a.O., § 121 Rn. 25 m.w.N.) und § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG gerade die Rechtswidrigkeit der Ausweisung voraussetzt, ist das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 17.02.1998 für den Anspruch auf Rücknahme der Ausweisung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG vorgreiflich. Dementsprechend nimmt auch die in der Abweisung der Anfechtungsklage des Klägers liegende Feststellung in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 17.02.1998 über die Rechtmäßigkeit der Ausweisung vom 22.07.1997 an der präjudiziellen Wirkung dieses Urteils für den Anspruch auf Rücknahme der Ausweisung teil. Zwar ergibt sich - anders als dies im Falle der Stattgabe in Bezug auf die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts der Fall ist - aus der Abweisung einer Anfechtungsklage nicht zwingend, dass der angefochtene Verwaltungsakt rechtmäßig ist. Vielmehr kann die Abweisung der Klage auch allein darin begründet sein, dass es an der Verletzung eines subjektiven Rechts oder gar an der Zulässigkeit der Klage fehlt. Dennoch ist es - trotz der damit gegebenen Notwendigkeit, den Umfang der Rechtskraft unter Heranziehung der die Abweisung der Klage tragenden Gründe zu bestimmen - anerkannt, dass sich die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts im Falle eines deshalb abweisenden Urteils nicht als bloße Vorfrage des Urteils darstellt, sondern an der Bindungswirkung eines abweisenden Urteils in einem Anfechtungsprozess teilhat (BVerwG, Beschl. v. 15.03.1968 - VII C 183.65 -, BVerwGE 29, 210 = GewArch 1969, 22; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 23.06.1988 - 2 BvR 260/88 -, NVwZ 1989, 141; BVerwG, Urt. v. 10.05.1994, a.a.O.; Urt. v. 28.07.1989 - 7 C 78/88 -, BVerwGE 82, 272 = DVBl. 1989, 1192 = NJW 1990, 199; Urt. v. 30.08.1988 - 9 C 47/87 -, NVwZ 1989, 161; ebenso Rennert, a.a.O., § 121 Rn. 27; Clausing, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Kommentar, § 121 Rn. 80; a.A. Schenke, VwGO, Kommentar, 15. Aufl. 2007, § 121 Rn. 21 sowie Hößlein, VerwArch 98 (2007), 127, 150).
28 
b) Einer Erstreckung der in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 17.02.1998 enthaltenen Feststellung über die Rechtmäßigkeit der Ausweisung auf das Verfahren auf Rücknahme der Ausweisung steht nicht entgegen, dass sich dieses klageabweisende Urteil unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH zur Rechtmäßigkeit der Ausweisung freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger (Urt. v. 29.04.2004 - C-482/01 und C-493/01 -, Slg. I-5257 = DVBl 2004, 876 = InfAuslR 2004, 268 = NVwZ 2004, 1099, ) sowie der hierauf basierenden Änderung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Urt. v. Urt. v. 03.08.2004, a.a.O.) nachträglich als unrichtig erweist. Denn die materielle Bindungswirkung des § 121 VwGO tritt grundsätzlich unabhängig davon ein, ob das rechtskräftige Urteil die Sach- und Rechtslage zutreffend gewürdigt hat oder nicht (BVerwG, Urt. v. 24.11.1998, a.a.O.; Urt. v. 08.12.1992, a.a.O.; Urt. v. 05.11.1985 - 6 C 22.84 -, NVwZ 1986, 293). Auch begründet eine spätere gerichtliche - auch höchstrichterliche - Klärung einer Sach- oder Rechtsfrage abweichend von dem früheren rechtskräftigen Urteil keine Änderung der Sach- oder Rechtslage, die eine Lösung von der Rechtskraftbindung rechtfertigen könnte (BVerwG, Urt. v. 31.07.2002 - 1 C 7/02 -, NVwZ 2003, Beilage Nr. I 1, 1; Urt. v. 18.09.2001, - 1 C 7/01 -, BVerwGE 115, 118 = DVBl. 2002, 343 = NVwZ 2002, 345 = DÖV 2002, 301 = InfAuslR 2002, 207). Dies ist auch im Gemeinschaftsrecht grundsätzlich anerkannt (EuGH, Urt. v. 16.03.2006 - C-234/04 -, , Slg. I-2585 = DVBl 2006, 569 = NJW 2006, 1577; Urt. v. 30.09.2003 - C-224/01 -, , Slg. I-10239 = NJW 2003, 3539 = DVBl 2003, 1516 = NVwZ 2004, 79; Urt. v. 01.06.1999 - C-126/97 -, , Slg. I-3055).
29 
Sofern der in Art. 10 EG verankerte Grundsatz der Zusammenarbeit die nationalen Behörden und Gerichte bei Vorliegen bestimmter Umstände verpflichtet, eine infolge einer innerstaatlichen Erschöpfung des Rechtswegs bestandskräftige Verwaltungsentscheidung zu überprüfen, um einer später vom Gerichtshof vorgenommenen Auslegung einer einschlägigen Bestimmung des Gemeinschaftsrechts Rechnung zu tragen (EuGH, Urt. v. 12.02.2008, a.a.O. sowie Urt. v. 13.01.2004 - C-453/00 -, , Slg. I-837 = DVBl 2004, 373 = NVwZ 2004, 459 = InfAuslR 2004, 139 = DÖV 2004, 530), gilt diese Verpflichtung immer nur im Rahmen der insbesondere durch das nationale Prozessrecht bestimmten Grenzen der Auslegung einer Rechtsnorm (vgl. EuGH, Urt. v. 12.02.2008, a.a.O.; vgl. auch Urt. v. 07.06.2007 - C-222/05 u.a. -, , Slg. I-4233 sowie Urt. v. 14.12.1995 - C-430/93 -, , Slg. I-4705), sodass - ohne eine entsprechende Regelung im nationalen Recht - auch über eine solche Verpflichtung eine Einschränkung der Bindungswirkung des § 121 VwGO nicht erreicht werden kann.
30 
Eine solche Regelung des nationalen Rechts, über die die präjudizielle Bindungswirkung eines abweisenden Urteils - auf das Tatbestandsmerkmal der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts in § 48 Abs. 1 LVwVfG - entfallen würde, findet sich nicht in der anerkannten Befugnis einer Behörde, trotz der gerichtlichen Bestätigung eines Verwaltungsakts auf dessen Vollzug zu verzichten oder diesen Verwaltungsakt dennoch aufzuheben (zu dieser Befugnis vgl. BVerwG, Urt. v. 27.01.1994 - 2 C 12.92 -, BVerwGE 95, 86 = BayVBl. 1994, 632 = NVwZ 1995, 388; Urt. v. 08.12.1992, a.a.O., m.w.N.; Urt. v. 13.09.1984 - 2 C 22/83 -, BVerwGE 70, 110 = NJW 1985, 280 = DVBl. 1985, 527; Urt. v. 04.06.1970 - II C 39.68 -, BVerwGE 35, 234 = DÖV 1970, 821 = DVBl. 1971, 272; Rennert, a.a.O., Rn. 27; Clausing, a.a.O., § 121 Rn. 31; Nicolai in: Redecker/v.Oertzen, VwGO, Kommentar, 14. Aufl. 2004, § 121 Rn. 10a und b; Kilian in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 121 Rn. 70). Diese Befugnis wurde ursprünglich mit dem im Zivilprozess anerkannten Grundsatz begründet, dass ein Urteil immer nur zugunsten, nicht jedoch zu Ungunsten der obsiegenden Partei wirke, und einer im Anfechtungsprozess obsiegenden Behörde deshalb - ebenso wie der in einem Zivilrechtsstreit obsiegenden Partei - die Möglichkeit erhalten bleibe, sich außerprozessual abweichend von der rechtskräftigen Entscheidung zu verhalten. Danach bleibt die gesetzliche Bindungswirkung nach § 121 VwGO aber gerade unangetastet (vgl. BVerwG, Urt. v. 04.06.1970, a.a.O.; Bachof, Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht, Verfahrensrecht Bd. II, 1967 Nr. 206; Menger, VerwArch 49 (1958), 368, 373; Haueisen, NJW 1963, 1329, 1333; Bullinger, DÖV 1964, 381; vgl. auch Seibert, Die Bindungswirkung von Verwaltungsakten, 1988, S. 586 ff. sowie Clausing, a.a.O., § 121 Rn. 31). Nichts anderes gilt dann, wenn diese Befugnis der Behörde, zugunsten des unterlegenen Beteiligten von der gerichtlich bestätigten Entscheidung abzuweichen, aus den Regelungen zum Verwaltungsverfahren abgeleitet und damit - dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung entsprechend - auf eine notwendige (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.06.1988 - 2 BvR 260/88 -, NVwZ 1989, 141) gesetzliche Grundlage gestellt wird (so BVerwG, Urt. v. 13.09.1984, a.a.O. sowie insb. Urt. v. 28.07.1989 - 7 C 78/88 -, BVerwGE 82, 272 = DVBl. 1989, 1192 = NJW 1990, 199 = NVwZ 1990, 156; vgl. auch Maurer, JZ 1993, 574; Kopp/Kopp, NVwZ 1994, 1; Erfmeyer, DVBl. 1997, 27). Denn hiernach findet sie ihre normative Grundlage ausschließlich in den - von der Entscheidung nach § 48 Abs. 1 LVwVfG zu trennenden - Regelungen zum Wiederaufgreifen des Verfahrens, welches von vornherein nur zugunsten und auf Antrag des Betroffenen erfolgen kann (vgl. § 51 Abs. 1 LVwVfG) und - aufgrund der Bezogenheit auf eine neue Sachentscheidung - von der Bindungswirkung eines Urteils über den Erstbescheid nicht erfasst wird (hierzu BVerwG, Urt. v. 13.09.1984, v. 28.07.1989, v. 27.01.1994, jeweils a.a.O.; ebenso wohl Rennert, a.a.O., § 121 Rn. 33 f.).
31 
Der Auffassung, die Behörde sei im Rahmen des § 48 Abs. 1 LVwVfG hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts von der - und sei es präjudiziellen - Bindungswirkung des rechtskräftigen Urteils suspendiert, sofern sie eine belastende Verfügung aufheben wolle (vgl. etwa Sachs, a.a.O., § 48 Rn. 51; Meyer in: Knack, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 48 Rn. 57; Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 10. Aufl. 2008, § 48 Rn. 16; ebenso wohl Ziekow, VwVfG, 2006, § 48 Rn. 12), kann indes nicht gefolgt werden. Denn § 48 Abs. 1 LVwVfG differenziert hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts nicht danach, ob dessen Rücknahme zugunsten oder zulasten des Betroffenen erfolgt. Die Anerkennung einer normativ geregelten Abweichung von der Bindungswirkung des § 121 VwGO müsste anderenfalls auch zu der – abzulehnenden - Ermächtigung führen, einen gerichtlich bestätigten, aber nachträglich als rechtswidrig erkannten Verwaltungsakt auch zulasten des betroffenen Adressaten aufzuheben (so etwa Erfmeyer, a.a.O.; Maurer, a.a.O.; ähnlich auch Kopp/Kopp, a.a.O.).
32 
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte die Ausweisung durch eine neue Sachentscheidung nach Wiederaufgreifen des Ausweisungsverfahrens unter Beachtung der rechtlichen Vorgaben für die Ausweisung freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger sowie der tatsächlichen Entwicklung des Klägers aufhebt.
33 
a) Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus § 51 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 LVwVfG.
34 
Nach dieser Regelung hat die Behörde auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn bestimmte Wiederaufgreifensgründe zu einer dem Betroffenen begünstigenden Sachentscheidung geführt hätten. Solche Wiederaufgreifensgründe sind indessen nicht gegeben. Insbesondere liegt in der Änderung der Rechtsprechung zu den Anforderungen an die Ausweisung freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger, wie sie sich in dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.08.2004 (- 1 C 30 .02 -, BVerwGE 121, 297) manifestiert, keine Änderung der Rechtslage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG. Gleiches gilt für die - vom Kläger geltend gemachte - Verschärfung der Anforderungen des Art. 8 Abs. 2 EMRK an die Verhältnismäßigkeit der Ausweisung von faktischen Inländern in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10.05.2007 - 2 BvR 304/07 - (InfAuslR 2007, 275 = ZAR 2007, 243 = NVwZ 2007, 946 = AuAS 2007, 242) und gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, etwa in dem Urteil vom 27.10.2005 (Individualbeschwerde Nr. 32231/02 - Keles ./. Deutschland, InfAuslR 2006, 3 = FamRZ 2006, 1351).
35 
Wenngleich § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG insoweit weiter gefasst ist als § 49 Abs. 2 Nr. 4 LVwVfG, wo von einer Änderung der Rechtsvorschrift die Rede ist, so gilt auch hier, dass es sich um Änderungen des materiellen Rechts, dem eine allgemein verbindliche Außenwirkung zukommt, handeln muss. Dem entspricht die Änderung der Rechtsprechung - mit Ausnahme der über die Rechtsprechung dokumentierten Änderung von Gewohnheitsrecht oder allgemeiner Rechtsauffassungen (hierzu Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 51 Rn. 30) - deshalb nicht, weil sich die gerichtliche Entscheidungsfindung stets in der rechtlichen Würdigung eines Sachverhalts am Maßstab der vorgegebenen Rechtsordnung erschöpft (BVerwG, Beschl. v. 03.05.1996 - 6 B 82/95 -, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 366; Beschl. v. 24.05.1995 - 1 B 60.95 -, InfAuslR 1995, 355 = NVwZ 1995, 1097 = Buchholz 316 § 51 Nr. 32; Beschl. v. 16.02.1993 - 9 B 241.92 - Buchholz 316 § 51 Nr. 29; Beschl. v. 25.05.1981 - 8 B 89/80 und 93/80 - NJW 1981, 2595 = Buchholz 316 § 51 VwVfG Nr. 9, jeweils zur Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung; vgl. auch Urt. v. 27.01.1994, a.a.O.; Urt. v. 08.12.1992, a.a.O. m.w.N.). Dies ist für die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte anerkannt (BVerwG, Beschl. v. 24.05.1995, a.a.O.; Beschl. v. 04.10.1993 - 6 B 35.93 -, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 319), gilt aber auch für die hier letztlich maßgebliche Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, der mit seinem Urteil vom 29.04.2004 (C-482/01 und C-493/01 -, , Slg. I-5257 = DVBl 2004, 876 = InfAuslR 2004, 268 = NVwZ 2004, 1099) die Änderung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den Maßstäben für die Ausweisung freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger erst veranlasst hat. Denn die Rechtsprechung dieses Gerichtshofs ist auch nach dessen Selbstverständnis ebenfalls nur rein deklaratorischer Natur (vgl. hierzu etwa EuGH, Urt. v. 12.02.2008 - C-2/06 -, , NJW 2008, 1212 = DÖV 2008, 505 m.w.N.).
36 
Angesichts des eindeutigen Wortlauts und des grundsätzlich abschließenden Charakters dieser Regelung kann die Einbeziehung der Rechtsprechungsänderung in den Wiederaufgreifensgrund des § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG auch nicht - ausnahmsweise - über die in Art. 10 EG verankerte Verpflichtung der nationalen Behörden und Gerichte begründet werden, bei Vorliegen bestimmter Umstände, eine infolge einer innerstaatlichen Erschöpfung des Rechtswegs bestandskräftige Verwaltungsentscheidung zu überprüfen, um einer später vom Gerichtshof vorgenommenen Auslegung einer einschlägigen Bestimmung des Gemeinschaftsrechts Rechnung zu tragen (vgl. EuGH, Urt. v. 12.02.2008, a.a.O. sowie Urt. v. 13.01.2004, a.a.O.). Abgesehen davon besteht für eine solche Einbeziehung auch unter dem Gesichtspunkt des gemeinschaftsrechtlichen Effektivitätsgrundsatzes kein Bedürfnis.
37 
Eine Behörde ist nämlich auch dann, wenn kein Wiederaufgreifensgrund i. S. des § 51 Abs. 1 LVwVfG vorliegt, befugt, ein abgeschlossenes Verwaltungsverfahren nach pflichtgemäßem Ermessen zugunsten des Betroffenen wiederaufzugreifen, um unter Aufhebung oder Abänderung des Erstbescheids eine neue Sachentscheidung zu treffen (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.09.2000 - 2 C 5/99 -, BayVBl 2001, 216 = DVBl. 2001, 726; Beschl. v. 23.02.2004 - 5 B 104/03 -, juris; Beschl. v. 25.05.1981 - 8 B 89.80 -, NJW 1981, 2595 = Buchholz 316 § 51 VwVfG Nr. 9 m.w.N; ebenso Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 12. Aufl. 2007, § 51 VI 2 b), S. 602; so wohl auch Rennert, a.a.O., § 121 Rn. 34). Ein solche Befugnis war bereits vor Inkrafttreten der Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder als ungeschriebener Rechtsgrundsatz des Verwaltungsverfahrensrechts anerkannt (vgl. BVerfG, Entsch. v. 17.12.1969 - 2 BvR 23/65 -, BVerfGE 27, 297 = DVBl. 1970, 270 = DÖV 1970, 231; BVerwG, Urt. v. 16.12.1971 - I C 31.68 -, BVerwGE 39, 197 = DÖV 1972, 419 = DVBl. 1972, 388; Urt. v. 30.01.1974 - VIII C 20.72 -, BVerwGE 44, 333; Urt. v. 28.07.1976 - 8 C 90.75 - Buchholz 412.3 § 16 Nr. 2; Urt. v. 14.12.1977 - 8 C 79.76 - Buchholz 316 § 36 Nr. 1) und wurde weder über die Regelung des § 51 LVwVfG noch über die neben dem Wiederaufgreifen des Verfahrens bestehenden Regelungen über die Rücknahme und den Widerruf eines Verwaltungsakts nach §§ 48, 49 LVwVfG verdrängt. Insofern ist die Kodifizierung der ungeschriebenen Rechtsgrundsätze des Verwaltungsverfahrens nur unvollständig und nicht abschließend erfolgt (hierzu auch Selmer, JuS 1987, 363, 366). Anders als unter Zugrundelegung der vom Senat nicht geteilten gegenteiligen Auffassung, die ein Wiederaufgreifen des Verfahrens außerhalb des § 51 LVwVfG allein nach den §§ 48, 49 LVwVfG für zulässig hält (etwa BVerwG, Beschl. v. 29.03.1999 - 1 DB 7/97 -, BVerwGE 113, 322 = DVBl. 1999, 931 = NVwZ 2000, 202; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 31.01.1989 - 9 S 1141/88 -, DVBl. 1989, 884 = NVwZ 1989, 882; Ruffert, a.a.O., § 25 IV Rn. 12; Ziekow, a.a.O., § 51 Rn. 27; Sachs, a.a.O., § 51 Rn. 16; speziell zur Überprüfung gemeinschaftsrechtswidriger Verwaltungsakte auch Britz/Richter, JuS 2005, 198), steht dieser Anspruch auch nicht im Konflikt mit der bundesrechtlichen Regelung zur Rechtskraft eines verwaltungsgerichtlichen Urteils über die Rechtmäßigkeit dieses Erstbescheids (hierzu BVerwG, Urt. v. 27.01.1994, - 2 C 12.92 - und Urt. v. 08.12.1992 - 1 C 12.92 -, jeweils a.a.O. m.w.N). Als unrichtig erkannte belastende Verwaltungsakte können bei Vorliegen eines - gemeinschaftsrechtlichen - Wiederaufgreifensgrundes daher trotz der Abweisung einer hiergegen gerichteten Anfechtungsklage auch rückwirkend aufgehoben oder durch eine gemeinschaftsrechtskonforme Regelung ersetzt werden. Hiermit wird auch der Verpflichtung Rechnung getragen, eine gemeinschaftsrechtlich notwendige Korrektur einer Regelung im Rahmen der Auslegung des nationalen Verfahrensrechts zu ermöglichen (zu dieser Verpflichtung vgl. EuGH, Urt. v. 13.03.2007 - C-432 -, , Slg. I-2271 = BayVBl 2007, 589 = NJW 2007, 3555 sowie Potacs, in: Bröhmer u.a., Internationale Gemeinschaft und Menschenrechte, Festschrift für Georg Ress, 2005, S. 729 und Gärditz, NWVBl 2006, 441).
38 
b) Allerdings kann der Kläger das Wiederaufgreifen des Verfahrens nach pflichtgemäßem Ermessen der Behörde - außerhalb des Anwendungsbereichs von § 51 Abs. 1 LVwVfG - mit dem Ziel einer erneuten Sachentscheidung über seine Ausweisung und damit auch eine Rücknahme der Ausweisung auf diesem Weg nicht (mehr) beanspruchen.
39 
Der Beklagte hat eine solche erneute Sachentscheidung über die Ausweisung des Klägers mit Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 17.03.2005 abgelehnt, ohne dass er hierbei die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hätte (vgl. § 114 Satz 1 VwGO).
40 
aa) Der Bescheid vom 17.03.2005 ist sowohl in seinem Tenor als auch in der Begründung ausdrücklich auf die Ablehnung eines Antrags auf „Wiederaufgreifen des Verfahrens“ bezogen. Dabei begründet es keinen nach § 114 Satz 1 VwGO relevanten Ermessensfehler, dass die Behörde ihre Ablehnung zunächst unter anderem mit der - sachlich unrichtigen Einlassung - begründet hat, die Ausweisung sei rechtmäßig. Denn der Beklagte hat die materielle Rechtswidrigkeit der Ausweisung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zugestanden und daraufhin die Ermessenserwägungen der Ablehnungsentscheidung gemäß § 114 Satz 2 VwGO mit dem Hinweis auf die Erfolglosigkeit der Klage gegen diese Ausweisung in zulässiger Weise ergänzt (zum Ergänzen von Ermessenserwägungen vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 114 Rn. 50; Rennert, a.a.O., § 114 Rn. 89 und Wolff in: Sodan/Ziekow, a.a.O., § 114 Rn. 208).
41 
bb) In der Form dieser Ergänzung begegnet die Ablehnung des Wiederaufgreifens des Verfahrens und der neuen Sachentscheidung über die Ausweisung des Klägers zunächst keinen gemeinschaftsrechtlichen Bedenken. Denn die Voraussetzungen für eine gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung des Beklagten, die infolge der innerstaatlichen Erschöpfung des Rechtswegs bestandskräftige, aber materiell gemeinschaftsrechtswidrige Ausweisungsentscheidung zu überprüfen (zu dieser Pflicht vgl. EuGH, Urt. v. 13.01.2004 - C-453/00 -, a.a.O.; Urt. v. 12.02.2008 - C-2/06, , a.a.O. sowie Weiß, DÖV 2008, 477; Pache/Bielitz, DVBl 2006, 325; Britz/Richter, a.a.O.), liegen nicht vor.
42 
Zwar hat der Kläger mit der Stellung seines - erfolglosen - Antrags auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 17.02.1998 den ihm nach nationalem Recht gegen die Ausweisung eröffneten Rechtsweg ausgeschöpft. Auch beruht das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 17.02.1998 auf einer unrichtigen Auslegung des Gemeinschaftsrechts. Denn das Verwaltungsgericht hätte die Ausweisung sowie den sie bestätigenden Widerspruchsbescheid schon deshalb aufheben müssen, weil die Ausweisung unter Verstoß gegen Art. 39 EG und Art. 3 RL 64/221/EWG ohne Ermessen als zwingende Rechtsfolge verfügt worden war; außerdem hätte es die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner Entscheidung zugrunde legen müssen. Insofern ist unerheblich, ob die Ausweisung hätte rechtsfehlerfrei nach Ermessen ausgesprochen werden können oder ob die Ausweisung - wie der Kläger vorgetragen hat - in jedem Fall gegen Art. 8 Abs. 1 EMRK verstoßen hätte. Schließlich hat der Kläger mit seinem Rücknahmeantrag den letztlich maßgeblichen Wiederaufgreifensgrund der Änderung der Rechtsprechung zur Rechtmäßigkeit der Ausweisung von freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern auch zeitnah geltend gemacht. Jedoch hat der Senat bei der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung nicht gegen die Verpflichtung aus Art. 234 Abs. 3 EG zur Einholung einer Vorabentscheidung verstoßen. Denn der Senat war in diesem konkreten Verfahren weder berechtigt noch verpflichtet, die Vereinbarkeit des § 47 AuslG i. V. m. § 12 AufenthG/EWG mit Art. 39 EG und Art. 3 RL 64/221/EWG sowie die Frage der maßgeblichen Sach- und Rechtslage für die gerichtliche Überprüfung der Ausweisung eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers zu prüfen. Vielmehr war er nach § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO an die vom Kläger dargelegten Zulassungsgründe gebunden, die sich gerade nicht auf diese Rechtsfragen bezogen (zur Maßgeblichkeit der nach nationalem Recht zu bestimmenden Prüfungspflicht vgl. EuGH, Urt. v. 12.02.2008 - C-2/06, , a.a.O).
43 
Von dem Erfordernis des pflichtwidrig unterlassenen Vorabentscheidungsersuchens ist auch nicht deshalb abzusehen, weil die Anwendbarkeit des § 47 AuslG i.v.m. § 12 AufenthG/EWG auf die Ausweisung eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers ebenso wie die Maßgeblichkeit der Sach- und Rechtslage bei Erlass der letzten Behördenentscheidung zum Zeitpunkt des Antrags auf Zulassung der Berufung durch die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt schien und deshalb eine entsprechende Rüge im Zulassungsantrag voraussichtlich keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte (zur damaligen Rechtsprechung vergleiche etwa BVerwG, Beschl. v. 29.09.1993 - 1 B 62.93 - Buchholz 402.240 § 48 AuslG 1990 Nr. 3; Urt. v. 27.10.1978 - 1 C 91.76 - BVerwGE 57, 61 und Urt. v. 11.06.1996 - 1 C 24.94 - BVerwGE 101, 247). Zwar dürften die Voraussetzungen für die Verpflichtung einer Behörde zur Berücksichtigung einer späteren Klärung einer gemeinschaftsrechtlichen Rechtsfrage durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in den Fällen, in denen die Verwaltungsentscheidung durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung bestätigt worden ist, mit den in den Rechtssachen "Kühne und Heitz" sowie "Kempter" formulierten Kriterien noch nicht in jeder Hinsicht abschießend bestimmt sein (vgl. Britz/Richter, a.a.O.; Frenz, DVBl. 2004, 374, 376). Allerdings erkennt das Gemeinschaftsrecht die Rechtskraft von gemeinschaftsrechtswidrigen Gerichtsentscheidungen grundsätzlich an (EuGH, Urt. v. 16.03.2006 - C-234/04 -, , Slg. I-2585 = DVBl 2006, 569 = NJW 2006, 1577; Urt. v. 30.09.2003 - C-224/01 -, , Slg. I-10239 = NJW 2003, 3539 = DVBl 2003, 1516 = NVwZ 2004, 79; Urt. v. 01.06.1999 - C-126/97 -, , Slg. I-3055) und fordert - außerhalb der nach nationalem Recht gegebenen Möglichkeiten einer Abweichung - eine Durchbrechung der Rechtskraft bislang allein bei einer Verletzung der Vorlagepflicht nach Art. 234 Abs. 3 EG (hierzu insb. Urt. v. 30.09.2003, a.a.O.; Ruffert, JZ 2004, 620, 621). Darüber hinaus ist es anerkannt, dass der Effektivitätsgrundsatz insoweit stets durch die nationalen prozessualen Regelungen zum Prüfungsumfang der zur Entscheidung befugten Gerichte beschränkt ist (EuGH, Urt. v. 07.06.2007 - C-222/05 u.a. -, , Slg. I-4233 sowie Urt. v. 14.12.1995 - C-430/93 -, , Slg. I-4705).
44 
cc) Die Ablehnung des Wiederaufgreifens des Verfahrens und damit auch einer Rücknahme der Ausweisung aufgrund neuer Sachentscheidung hält sich zudem in den Grenzen des nationalen Rechts.
45 
Eine Behörde handelt grundsätzlich nicht ermessensfehlerhaft, wenn sie eine erneute Sachentscheidung unter Hinweis auf die rechtskräftige gerichtliche Bestätigung ihrer Verwaltungsentscheidung ablehnt. Insoweit bedarf es regelmäßig keiner weiteren ins Einzelne gehenden Ermessenserwägungen. Ausnahmen bestehen nur dann, wenn im Einzelfall Umstände von einer den in § 51 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 VwVfG geregelten Fällen vergleichbaren Bedeutung und Gewicht vorliegen und die Aufrechterhaltung des Erstbescheides auch unter Berücksichtigung der Rechtskraft des diesen bestätigenden Urteils schlechthin unerträglich wäre (BVerwG, Urt. v. 27.01.1994, a.a.O., m.w.N.). Solche Umstände liegen hier jedoch nicht vor.
46 
Es besteht keine allgemeine Verwaltungspraxis, gegenüber der sich die Ablehnung des Wiederaufgreifens des Verfahrens als gleichheitswidrig erweisen würde. Vielmehr ist für den Beklagten maßgeblich, eine solche Verwaltungspraxis mit Blick auf den dann verbundenen Verwaltungsaufwand gerade zu vermeiden. Auch erscheint die Berufung der Behörde auf die Unanfechtbarkeit der Ausweisung und die Rechtskraft des Urteils des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 17.02.1998 nicht vor dem Hintergrund der hiermit für den Kläger verbundenen Belastungen als treu- oder sittenwidrig. Denn die gesetzlichen Wirkungen der Ausweisung sind auf den 23.02.2005 befristet worden, so dass der Kläger seitdem wieder ohne weitere Einschränkung nach Maßgabe des § 2 FreizügG/EU ins Bundesgebiet einreisen und sich dort aufhalten darf. Da sich der Kläger nach seiner Ausreise im Dezember 1998 bis heute überwiegend in Italien und Frankreich aufgehalten hat, führt die Verweigerung der in der Sache begehrten rückwirkenden Aufhebung der Ausweisung auch nicht dazu, dass dem Kläger eine über die Begründung eines verlängerten rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet verbesserte aufenthaltsrechtliche Stellung vorenthalten würde. Soweit dem Kläger über die Ablehnung des Wiederaufgreifens des Ausweisungsverfahrens die Möglichkeit genommen wird, mit einem - auf die Aufhebung der Ausweisung gestützten - Wiederaufnahmeantrag nach § 359 Nr. 4 oder 5 StPO in den mit rechtskräftigen Urteilen des Amtsgerichts Raststatt vom 08.08.2002 und des Landgerichts Baden-Baden vom 10.07.2003 abgeschlossenen Strafverfahren wegen unerlaubten Aufenthalts einen Freispruch zu erreichen, ist dies für ihn schon deshalb nicht schlechthin unerträglich, weil der Erfolg eines solchen Antrags durchaus nicht sicher ist und die strafgerichtliche Verurteilungen des Klägers nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt ihres Ergehens zu Recht erfolgt sind. Schließlich ist die Aufrechterhaltung der Ausweisung auch nicht deshalb schlechthin unerträglich, weil die Ausweisung und das sie bestätigende Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe offensichtlich rechtswidrig wären. Eine offensichtliche Rechtswidrigkeit in diesem Sinne ist dann gegeben, wenn an dem Verstoß der streitigen Maßnahme gegen formelles oder materielles Recht vernünftigerweise kein Zweifel besteht und sich deshalb die Rechtswidrigkeit aufdrängt. Hierbei ist maßgeblich auf den Zeitpunkt des Erlasses des die Ausweisung bestätigenden Urteils abzustellen. Eine spätere Klärung der Rechtsfrage und die damit eintretende Evidenz desselben bleiben außer Betracht (zur vergleichbaren Konstellation der Verpflichtung zur Rücknahme eines Verwaltungsakts nach § 48 Abs. 1 LVwVfG vgl. BVerwG Urt. v. 23.10.2007 - 1 C 10.07 -, AuAS 2008, 28 = InfAuslR 2008, 116 = NVwZ 2008, 326 = DÖV 2008, 329 = DVBl 2008, 189; Urt. v. 17.01.2007 - 6 C 32.06 -, NVwZ 2007, 709; Beschl. v. 07.07.2004 - 6 C 24/03 -, BVerwGE 121, 226, 229 ff. m.w.N.). Zu dem damit erheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts Karlsruhe am 17.02.1998 war die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit einer auf § 47 AuslG gestützten und damit ohne umfassende Ermessensentscheidung ausgesprochenen Ausweisung eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers ebenso wenig evident wie die Notwendigkeit, die Rechtmäßigkeit der Ausweisung nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts zu beurteilen. Vielmehr bestand eine ausdrücklich gegenteilige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. etwa Beschl. v. 29.09.1993, a.a.O.; Urt. v. 11.06.1996, a.a.O.), die erst mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.08.2004 (- 1 C 30/02 -, a.a.O.) aufgegeben wurde.
III.
47 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Der Senat sieht nach Ermessen davon ab, das Urteil hinsichtlich der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 167 Abs. 2 VwGO). Die Revision wird gemäß § 132 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, denn sie wirft die bisher höchstrichterlich noch nicht geklärte und für die Weiterentwicklung des Rechts bedeutsame Frage auf, ob die Bindung der Beteiligten nach § 121 VwGO an ein rechtskräftiges Urteil eines Verwaltungsgerichts, mit dem die Anfechtungsklage gegen einen belastenden Verwaltungsakt abgewiesen wurde, der Anwendbarkeit des § 48 Abs.1 Satz 1 (L)VwVfG entgegensteht.
48 
Beschluss vom 09.05.2008
        
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG auf
        
5.000,-- EUR
        
festgesetzt.
        
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
18 
Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl der Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war. Denn er wurde in der rechtzeitigen Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen (§ 125 Abs. 1 i.V.m. § 102 Abs. 2 VwGO).
I.
19 
Die Berufung ist nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthaft und auch sonst zulässig. Die Berufungsbegründung wurde form- und fristgemäß vorgelegt (§ 124a Abs. 1 bis 3 VwGO). Für die mit der Berufung begehrte Verpflichtung des Beklagten zur rückwirkenden Aufhebung der Ausweisung vom 22.07.1997 besteht auch ein Rechtsschutzbedürfnis.
20 
Zwar entfaltet die Ausweisung aufgrund der Befristung ihrer gesetzlichen Wirkungen in Bezug auf das Recht des Klägers, ins Bundesgebiet einzureisen und sich dort aufzuhalten, gegenwärtig keine belastende Regelungswirkung. Gleiches gilt für die aktuelle aufenthaltsrechtliche Stellung des Klägers - etwa im Hinblick auf einen gesteigerten Ausweisungsschutz nach § 6 Abs. 5 Freizüg/EU (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 28.06.2007 - 13 S 1045/07 -, VBlBW 2008, 68). Denn der Kläger hat sich nach seiner Ausreise im Dezember 1998 bis heute überwiegend in Italien und Frankreich aufgehalten, sodass die rückwirkende Aufhebung der Ausweisung nicht zur Folge hätte, dass sich der Kläger auf einen hierfür notwendigen verlängerten rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet berufen könnte.
21 
Allerdings führt die Ausweisung dazu, dass die verschiedenen Aufenthalte des Klägers im Bundesgebiet in der Zeit vor der Befristung der Wirkungen der Ausweisung als unerlaubt anzusehen sind. Hierdurch ist der Kläger nach wie vor belastet, weil er mit Urteil des Amtsgerichts Raststatt vom 08.08.2002 und des Landgerichts Baden-Baden vom 10.07.2003 wegen unerlaubten Aufenthalts zu einer Geld- und einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist. Insoweit ergibt sich das Rechtschutzbedürfnis daraus, dass der Kläger einen Antrag auf Wiederaufnahme dieser Strafverfahren stellen und unter Hinweis auf das - bei rückwirkender Aufhebung der Ausweisung - auch in der Vergangenheit gegebene Freizügigkeitsrecht als Unionsbürger jeweils einen Freispruch erreichen möchte. Zwar wird nach der wohl herrschenden Auffassung (vgl. Meyer-Goßner, StPO, Kommentar, 50. Aufl. 2007, § 359 Rn. 17 und 21 m.w.N.) in der Rücknahme einer - die Strafbarkeit begründenden - Verwaltungsentscheidung kein Wiederaufnahmegrund nach § 359 StPO gesehen. Es reicht aber aus, dass der Erfolg des Wiederaufnahmeantrags im Strafverfahren und damit der Nutzen der vorliegenden Klage für den Kläger weder tatsächlich noch rechtlich außer Zweifel steht (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.04.2004 - 3 C 25/03 -, BVerwGE 121, 1 = DVBl 2004, 1184 = NVwZ-RR 2004, 855; Urt. v. 21.11.1996 - 4 C 13/95 -, NJW 1997, 1173 = BRS 58 Nr. 233). Dies ist der Fall. Zum einen wird die Auffassung des Klägers, dass die Aufhebung der Ausweisung einer Aufhebung eines Urteils und damit dem Wiederaufnahmegrund nach § 359 Nr. 4 StPO gleichzustellen oder zumindest als neue Tatsache im Sinne des § 359 Nr. 5 StPO anzusehen ist, nicht nur in der Literatur, sondern auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geteilt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.08.1999 - 2 BvR 1322/97 -; Beschl. v. 23.05.1967 - 2 BvR 534/62 -, BVerfGE 22, 21 = NJW 1967, 1221; Schmidt in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 5. Aufl. 2003, § 359 Rn. 15; Schenke, JR 1970, 449; zur vergleichbaren Regelung des § 580 Nr. 6 ZPO vgl. BGH Urt. v. 21.01.1988 - III ZR 252/86 -, BGHZ 103, 121 = NJW 1988, 1914; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, Kommentar, 66. Aufl. 2008, § 580 Anm. 3 m.w.N.). Zum anderen ist die der herrschenden Auffassung zugrunde liegende Annahme, dass auch eine rückwirkende Aufhebung eines Verwaltungsakts die zuvor gegebene Strafbarkeit der Zuwiderhandlung gegen diesen nicht entfallen lässt (so ausdrücklich BGH, Beschl. v. 23.07.1969 - 4 StR 371/68 -, BGHSt 23, 86 = NJW 1969, 2023; OLG Karlsruhe, Urt. v. 28.04.1977 - 3 Ss 107/77 -, JZ 1977, 478 = NJW 1978, 116) jedenfalls für die Ausweisung von - anderenfalls freizügigkeitsberechtigten - Unionsbürgern durchaus umstritten (zum Meinungsstand vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 06.12.2006 - 3 Ws 346/05 -, InfAuslR 2007, 118 m.w.N.).
II.
22 
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen, denn der Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 17.03.2005 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
23 
Das Klagebegehren, das sich maßgebend nicht nur aus der Formulierung des Antrags, sondern auch aus dem Vortrag des Klägers, insbesondere der Klagebegründung ergibt (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.07.1976 - IV C 15.76 - Buchholz 310 § 88 VwGO Nr. 5; Rennert in: Eyermann, VwGO, Kommentar, 12. Aufl. 2006, § 88 Rn. 8 m.w.N.), zielt auf die rückwirkende Aufhebung der Ausweisung. Das ist sowohl durch Rücknahme nach § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG als auch durch eine neue Sachentscheidung nach Wiederaufgreifen des Ausweisungsverfahrens, etwa gemäß § 51 Abs. 1 LVwVfG, möglich (zum Verhältnis von Rücknahme und Wiederaufgreifen des Verfahrens vgl. Ruffert, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2005, § 25 Rn. 3; Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 10. Aufl. 2008, § 51 Rn. 9; Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Kommentar, 7. Aufl. 2008, § 51 Rn. 30; Baumeister, VerwArch 92 (2001), 374 m.w.N.; anders allerdings wohl BVerwG, Urt. v. 04.09.2007 - 1 C 21/07 -, BVerwGE 129, 243 = NVwZ 2008, 82 = DÖV 2008, 74 = InfAuslR 2008, 1, wonach das Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 LVwVfG der Rücknahme oder dem Widerruf vorgeschaltet sei; so auch Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Aufl. 2006, § 11 Rn. 11).
24 
1. Der Kläger hat keinen Anspruch nach § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG darauf, dass seine Ausweisung vom 22.07.1997 rückwirkend zurückgenommen wird. Zwar ist die Rücknahme einer Ausweisung gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG neben der – hier bereits erfolgten - Befristung ihrer gesetzlichen Wirkungen gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 bis 6 AufenthG bzw. § 7 Abs. 2 Satz 2 und 3 FreizügG/EU grundsätzlich möglich, solange die Ausweisung - wie hier - noch Regelungswirkungen äußert (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.10.2007 - 1 C 10.07 -, InfAuslR 2008, 116 = NVwZ 2008, 326 = DÖV 2008, 329 = DVBl 2008, 189 = ZAR 2008, 140). Der Kläger und der Beklagte - und damit auch der Senat - sind jedoch nach § 121 Nr. 1 VwGO gehindert, von der Rechtswidrigkeit der Ausweisung i. S. des § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG auszugehen.
25 
a) Zwar wurde die Ausweisung des freizügigkeitsberechtigten Klägers nach § 47 Abs. 1 AuslG i. V. m. § 12 Abs. 1 Satz 1 AufenthG/EWG verfügt, ohne dass der Beklagte das bei diesen Personen notwendige Ausweisungsermessen (hierzu BVerwG, Urt. v. 03.08.2004 - 1 C 30.02 -, BVerwGE 121, 297 = NVwZ 2005, 220 = DVBl. 2005, 122 = InfAuslR 2005, 18) betätigt hatte. Auch wurde die Rechtmäßigkeit der Ausweisung nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 20.11.1997 beurteilt und damit insbesondere die Entwicklung des Klägers bis zum Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 17.02.1998 außer Betracht gelassen. Allerdings begründen diese Umstände für die Beteiligten keine Rechtswidrigkeit der Ausweisung i. S. d. § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG, weil sie aufgrund des abweisenden Urteils des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 17.02.1998 - 11 K 4683/97 - davon ausgehen müssen, dass die Ausweisung rechtmäßig ist. Dies folgt aus § 121 Nr. 1 VwGO, wonach rechtskräftige Urteile die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist.
26 
Der Umfang der Bindungswirkung eines Urteils bestimmt sich nach der sich im Entscheidungssatz verkörpernden Schlussfolgerung des Gerichts aus der angewandten Rechtsnorm und dem festgestellten Lebenssachverhalt (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.05.1994 - 9 C 501/03 -, BVerwGE 96, 24 = DVBl 1994, 940 = DÖV 1994, 914 = NVwZ 1994, 1115 = VBlBW 1995, 8 m.w.N.). Dabei tritt die Bindungswirkung des Urteils nicht nur in den Fällen ein, in denen der identische Streitgegenstand erneut zur Entscheidung gestellt wird, sondern auch dann, wenn die rechtskräftige Zuerkennung oder Aberkennung eines prozessualen Anspruchs für einen anderen prozessualen Anspruch, der zwischen denselben Beteiligten streitig ist, vorgreiflich ist. Denn mit der Regelung des § 121 VwGO soll auch insoweit verhindert werden, dass die aus einem festgestellten Tatbestand hergeleitete Rechtsfolge, über die in einem Urteil entschieden worden ist, bei unveränderter Sach- und Rechtslage erneut - mit der Gefahr unterschiedlicher Ergebnisse - zum Gegenstand eines Verfahrens zwischen denselben Beteiligten gemacht wird (BVerwG, Urt. v. 24.11.1998 - 9 C 53/97 -, BVerwGE 108, 30 = NVwZ 1999, 302 = DVBl. 1999, 544 = InfAuslR 1999, 143; Urt. v. 10.05.1994, a.a.O.). Eine Vorgreiflichkeit der rechtskräftigen Vorentscheidung ist immer dann gegeben, wenn sie nach dem Umfang ihrer Rechtskraft ein Element liefert, das nach den einschlägigen materiell-rechtlichen Normen des zweiten Rechtsstreits notwendig ist, um die in diesem Prozess beanspruchte Rechtsfolge zu begründen (BVerwG, Urt. v. 31.01.2002 - 2 C 7.01 -, BVerwGE 116, 1 = NVwZ 2002, 853 = DVBl. 2002, 1219 = DÖV 2002, 864).
27 
Da der Streitgegenstand des dem Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 17.02.1998 - 11 K 4683/97 - zugrunde liegenden Verfahrens in der Rechtsbehauptung des Klägers besteht, dass die Ausweisung vom 22.07.1997 rechtswidrig ist und ihn in seinen Rechten verletzt (vgl. BVerwG, Urt. v. 31.01.2002, a.a.O.; Urt. v. 08.12.1992 - 1 C 12.92 -, BVerwGE 91, 256 = NVwZ 1993, 672 = DVBl. 1993, 258 = DÖV 1993, 718 = BayVBl 1993, 250; Rennert, a.a.O., § 121 Rn. 25 m.w.N.) und § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG gerade die Rechtswidrigkeit der Ausweisung voraussetzt, ist das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 17.02.1998 für den Anspruch auf Rücknahme der Ausweisung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG vorgreiflich. Dementsprechend nimmt auch die in der Abweisung der Anfechtungsklage des Klägers liegende Feststellung in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 17.02.1998 über die Rechtmäßigkeit der Ausweisung vom 22.07.1997 an der präjudiziellen Wirkung dieses Urteils für den Anspruch auf Rücknahme der Ausweisung teil. Zwar ergibt sich - anders als dies im Falle der Stattgabe in Bezug auf die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts der Fall ist - aus der Abweisung einer Anfechtungsklage nicht zwingend, dass der angefochtene Verwaltungsakt rechtmäßig ist. Vielmehr kann die Abweisung der Klage auch allein darin begründet sein, dass es an der Verletzung eines subjektiven Rechts oder gar an der Zulässigkeit der Klage fehlt. Dennoch ist es - trotz der damit gegebenen Notwendigkeit, den Umfang der Rechtskraft unter Heranziehung der die Abweisung der Klage tragenden Gründe zu bestimmen - anerkannt, dass sich die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts im Falle eines deshalb abweisenden Urteils nicht als bloße Vorfrage des Urteils darstellt, sondern an der Bindungswirkung eines abweisenden Urteils in einem Anfechtungsprozess teilhat (BVerwG, Beschl. v. 15.03.1968 - VII C 183.65 -, BVerwGE 29, 210 = GewArch 1969, 22; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 23.06.1988 - 2 BvR 260/88 -, NVwZ 1989, 141; BVerwG, Urt. v. 10.05.1994, a.a.O.; Urt. v. 28.07.1989 - 7 C 78/88 -, BVerwGE 82, 272 = DVBl. 1989, 1192 = NJW 1990, 199; Urt. v. 30.08.1988 - 9 C 47/87 -, NVwZ 1989, 161; ebenso Rennert, a.a.O., § 121 Rn. 27; Clausing, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Kommentar, § 121 Rn. 80; a.A. Schenke, VwGO, Kommentar, 15. Aufl. 2007, § 121 Rn. 21 sowie Hößlein, VerwArch 98 (2007), 127, 150).
28 
b) Einer Erstreckung der in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 17.02.1998 enthaltenen Feststellung über die Rechtmäßigkeit der Ausweisung auf das Verfahren auf Rücknahme der Ausweisung steht nicht entgegen, dass sich dieses klageabweisende Urteil unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH zur Rechtmäßigkeit der Ausweisung freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger (Urt. v. 29.04.2004 - C-482/01 und C-493/01 -, Slg. I-5257 = DVBl 2004, 876 = InfAuslR 2004, 268 = NVwZ 2004, 1099, ) sowie der hierauf basierenden Änderung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Urt. v. Urt. v. 03.08.2004, a.a.O.) nachträglich als unrichtig erweist. Denn die materielle Bindungswirkung des § 121 VwGO tritt grundsätzlich unabhängig davon ein, ob das rechtskräftige Urteil die Sach- und Rechtslage zutreffend gewürdigt hat oder nicht (BVerwG, Urt. v. 24.11.1998, a.a.O.; Urt. v. 08.12.1992, a.a.O.; Urt. v. 05.11.1985 - 6 C 22.84 -, NVwZ 1986, 293). Auch begründet eine spätere gerichtliche - auch höchstrichterliche - Klärung einer Sach- oder Rechtsfrage abweichend von dem früheren rechtskräftigen Urteil keine Änderung der Sach- oder Rechtslage, die eine Lösung von der Rechtskraftbindung rechtfertigen könnte (BVerwG, Urt. v. 31.07.2002 - 1 C 7/02 -, NVwZ 2003, Beilage Nr. I 1, 1; Urt. v. 18.09.2001, - 1 C 7/01 -, BVerwGE 115, 118 = DVBl. 2002, 343 = NVwZ 2002, 345 = DÖV 2002, 301 = InfAuslR 2002, 207). Dies ist auch im Gemeinschaftsrecht grundsätzlich anerkannt (EuGH, Urt. v. 16.03.2006 - C-234/04 -, , Slg. I-2585 = DVBl 2006, 569 = NJW 2006, 1577; Urt. v. 30.09.2003 - C-224/01 -, , Slg. I-10239 = NJW 2003, 3539 = DVBl 2003, 1516 = NVwZ 2004, 79; Urt. v. 01.06.1999 - C-126/97 -, , Slg. I-3055).
29 
Sofern der in Art. 10 EG verankerte Grundsatz der Zusammenarbeit die nationalen Behörden und Gerichte bei Vorliegen bestimmter Umstände verpflichtet, eine infolge einer innerstaatlichen Erschöpfung des Rechtswegs bestandskräftige Verwaltungsentscheidung zu überprüfen, um einer später vom Gerichtshof vorgenommenen Auslegung einer einschlägigen Bestimmung des Gemeinschaftsrechts Rechnung zu tragen (EuGH, Urt. v. 12.02.2008, a.a.O. sowie Urt. v. 13.01.2004 - C-453/00 -, , Slg. I-837 = DVBl 2004, 373 = NVwZ 2004, 459 = InfAuslR 2004, 139 = DÖV 2004, 530), gilt diese Verpflichtung immer nur im Rahmen der insbesondere durch das nationale Prozessrecht bestimmten Grenzen der Auslegung einer Rechtsnorm (vgl. EuGH, Urt. v. 12.02.2008, a.a.O.; vgl. auch Urt. v. 07.06.2007 - C-222/05 u.a. -, , Slg. I-4233 sowie Urt. v. 14.12.1995 - C-430/93 -, , Slg. I-4705), sodass - ohne eine entsprechende Regelung im nationalen Recht - auch über eine solche Verpflichtung eine Einschränkung der Bindungswirkung des § 121 VwGO nicht erreicht werden kann.
30 
Eine solche Regelung des nationalen Rechts, über die die präjudizielle Bindungswirkung eines abweisenden Urteils - auf das Tatbestandsmerkmal der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts in § 48 Abs. 1 LVwVfG - entfallen würde, findet sich nicht in der anerkannten Befugnis einer Behörde, trotz der gerichtlichen Bestätigung eines Verwaltungsakts auf dessen Vollzug zu verzichten oder diesen Verwaltungsakt dennoch aufzuheben (zu dieser Befugnis vgl. BVerwG, Urt. v. 27.01.1994 - 2 C 12.92 -, BVerwGE 95, 86 = BayVBl. 1994, 632 = NVwZ 1995, 388; Urt. v. 08.12.1992, a.a.O., m.w.N.; Urt. v. 13.09.1984 - 2 C 22/83 -, BVerwGE 70, 110 = NJW 1985, 280 = DVBl. 1985, 527; Urt. v. 04.06.1970 - II C 39.68 -, BVerwGE 35, 234 = DÖV 1970, 821 = DVBl. 1971, 272; Rennert, a.a.O., Rn. 27; Clausing, a.a.O., § 121 Rn. 31; Nicolai in: Redecker/v.Oertzen, VwGO, Kommentar, 14. Aufl. 2004, § 121 Rn. 10a und b; Kilian in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 121 Rn. 70). Diese Befugnis wurde ursprünglich mit dem im Zivilprozess anerkannten Grundsatz begründet, dass ein Urteil immer nur zugunsten, nicht jedoch zu Ungunsten der obsiegenden Partei wirke, und einer im Anfechtungsprozess obsiegenden Behörde deshalb - ebenso wie der in einem Zivilrechtsstreit obsiegenden Partei - die Möglichkeit erhalten bleibe, sich außerprozessual abweichend von der rechtskräftigen Entscheidung zu verhalten. Danach bleibt die gesetzliche Bindungswirkung nach § 121 VwGO aber gerade unangetastet (vgl. BVerwG, Urt. v. 04.06.1970, a.a.O.; Bachof, Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht, Verfahrensrecht Bd. II, 1967 Nr. 206; Menger, VerwArch 49 (1958), 368, 373; Haueisen, NJW 1963, 1329, 1333; Bullinger, DÖV 1964, 381; vgl. auch Seibert, Die Bindungswirkung von Verwaltungsakten, 1988, S. 586 ff. sowie Clausing, a.a.O., § 121 Rn. 31). Nichts anderes gilt dann, wenn diese Befugnis der Behörde, zugunsten des unterlegenen Beteiligten von der gerichtlich bestätigten Entscheidung abzuweichen, aus den Regelungen zum Verwaltungsverfahren abgeleitet und damit - dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung entsprechend - auf eine notwendige (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.06.1988 - 2 BvR 260/88 -, NVwZ 1989, 141) gesetzliche Grundlage gestellt wird (so BVerwG, Urt. v. 13.09.1984, a.a.O. sowie insb. Urt. v. 28.07.1989 - 7 C 78/88 -, BVerwGE 82, 272 = DVBl. 1989, 1192 = NJW 1990, 199 = NVwZ 1990, 156; vgl. auch Maurer, JZ 1993, 574; Kopp/Kopp, NVwZ 1994, 1; Erfmeyer, DVBl. 1997, 27). Denn hiernach findet sie ihre normative Grundlage ausschließlich in den - von der Entscheidung nach § 48 Abs. 1 LVwVfG zu trennenden - Regelungen zum Wiederaufgreifen des Verfahrens, welches von vornherein nur zugunsten und auf Antrag des Betroffenen erfolgen kann (vgl. § 51 Abs. 1 LVwVfG) und - aufgrund der Bezogenheit auf eine neue Sachentscheidung - von der Bindungswirkung eines Urteils über den Erstbescheid nicht erfasst wird (hierzu BVerwG, Urt. v. 13.09.1984, v. 28.07.1989, v. 27.01.1994, jeweils a.a.O.; ebenso wohl Rennert, a.a.O., § 121 Rn. 33 f.).
31 
Der Auffassung, die Behörde sei im Rahmen des § 48 Abs. 1 LVwVfG hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts von der - und sei es präjudiziellen - Bindungswirkung des rechtskräftigen Urteils suspendiert, sofern sie eine belastende Verfügung aufheben wolle (vgl. etwa Sachs, a.a.O., § 48 Rn. 51; Meyer in: Knack, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 48 Rn. 57; Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 10. Aufl. 2008, § 48 Rn. 16; ebenso wohl Ziekow, VwVfG, 2006, § 48 Rn. 12), kann indes nicht gefolgt werden. Denn § 48 Abs. 1 LVwVfG differenziert hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts nicht danach, ob dessen Rücknahme zugunsten oder zulasten des Betroffenen erfolgt. Die Anerkennung einer normativ geregelten Abweichung von der Bindungswirkung des § 121 VwGO müsste anderenfalls auch zu der – abzulehnenden - Ermächtigung führen, einen gerichtlich bestätigten, aber nachträglich als rechtswidrig erkannten Verwaltungsakt auch zulasten des betroffenen Adressaten aufzuheben (so etwa Erfmeyer, a.a.O.; Maurer, a.a.O.; ähnlich auch Kopp/Kopp, a.a.O.).
32 
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte die Ausweisung durch eine neue Sachentscheidung nach Wiederaufgreifen des Ausweisungsverfahrens unter Beachtung der rechtlichen Vorgaben für die Ausweisung freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger sowie der tatsächlichen Entwicklung des Klägers aufhebt.
33 
a) Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus § 51 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 LVwVfG.
34 
Nach dieser Regelung hat die Behörde auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn bestimmte Wiederaufgreifensgründe zu einer dem Betroffenen begünstigenden Sachentscheidung geführt hätten. Solche Wiederaufgreifensgründe sind indessen nicht gegeben. Insbesondere liegt in der Änderung der Rechtsprechung zu den Anforderungen an die Ausweisung freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger, wie sie sich in dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.08.2004 (- 1 C 30 .02 -, BVerwGE 121, 297) manifestiert, keine Änderung der Rechtslage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG. Gleiches gilt für die - vom Kläger geltend gemachte - Verschärfung der Anforderungen des Art. 8 Abs. 2 EMRK an die Verhältnismäßigkeit der Ausweisung von faktischen Inländern in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10.05.2007 - 2 BvR 304/07 - (InfAuslR 2007, 275 = ZAR 2007, 243 = NVwZ 2007, 946 = AuAS 2007, 242) und gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, etwa in dem Urteil vom 27.10.2005 (Individualbeschwerde Nr. 32231/02 - Keles ./. Deutschland, InfAuslR 2006, 3 = FamRZ 2006, 1351).
35 
Wenngleich § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG insoweit weiter gefasst ist als § 49 Abs. 2 Nr. 4 LVwVfG, wo von einer Änderung der Rechtsvorschrift die Rede ist, so gilt auch hier, dass es sich um Änderungen des materiellen Rechts, dem eine allgemein verbindliche Außenwirkung zukommt, handeln muss. Dem entspricht die Änderung der Rechtsprechung - mit Ausnahme der über die Rechtsprechung dokumentierten Änderung von Gewohnheitsrecht oder allgemeiner Rechtsauffassungen (hierzu Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 51 Rn. 30) - deshalb nicht, weil sich die gerichtliche Entscheidungsfindung stets in der rechtlichen Würdigung eines Sachverhalts am Maßstab der vorgegebenen Rechtsordnung erschöpft (BVerwG, Beschl. v. 03.05.1996 - 6 B 82/95 -, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 366; Beschl. v. 24.05.1995 - 1 B 60.95 -, InfAuslR 1995, 355 = NVwZ 1995, 1097 = Buchholz 316 § 51 Nr. 32; Beschl. v. 16.02.1993 - 9 B 241.92 - Buchholz 316 § 51 Nr. 29; Beschl. v. 25.05.1981 - 8 B 89/80 und 93/80 - NJW 1981, 2595 = Buchholz 316 § 51 VwVfG Nr. 9, jeweils zur Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung; vgl. auch Urt. v. 27.01.1994, a.a.O.; Urt. v. 08.12.1992, a.a.O. m.w.N.). Dies ist für die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte anerkannt (BVerwG, Beschl. v. 24.05.1995, a.a.O.; Beschl. v. 04.10.1993 - 6 B 35.93 -, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 319), gilt aber auch für die hier letztlich maßgebliche Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, der mit seinem Urteil vom 29.04.2004 (C-482/01 und C-493/01 -, , Slg. I-5257 = DVBl 2004, 876 = InfAuslR 2004, 268 = NVwZ 2004, 1099) die Änderung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den Maßstäben für die Ausweisung freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger erst veranlasst hat. Denn die Rechtsprechung dieses Gerichtshofs ist auch nach dessen Selbstverständnis ebenfalls nur rein deklaratorischer Natur (vgl. hierzu etwa EuGH, Urt. v. 12.02.2008 - C-2/06 -, , NJW 2008, 1212 = DÖV 2008, 505 m.w.N.).
36 
Angesichts des eindeutigen Wortlauts und des grundsätzlich abschließenden Charakters dieser Regelung kann die Einbeziehung der Rechtsprechungsänderung in den Wiederaufgreifensgrund des § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG auch nicht - ausnahmsweise - über die in Art. 10 EG verankerte Verpflichtung der nationalen Behörden und Gerichte begründet werden, bei Vorliegen bestimmter Umstände, eine infolge einer innerstaatlichen Erschöpfung des Rechtswegs bestandskräftige Verwaltungsentscheidung zu überprüfen, um einer später vom Gerichtshof vorgenommenen Auslegung einer einschlägigen Bestimmung des Gemeinschaftsrechts Rechnung zu tragen (vgl. EuGH, Urt. v. 12.02.2008, a.a.O. sowie Urt. v. 13.01.2004, a.a.O.). Abgesehen davon besteht für eine solche Einbeziehung auch unter dem Gesichtspunkt des gemeinschaftsrechtlichen Effektivitätsgrundsatzes kein Bedürfnis.
37 
Eine Behörde ist nämlich auch dann, wenn kein Wiederaufgreifensgrund i. S. des § 51 Abs. 1 LVwVfG vorliegt, befugt, ein abgeschlossenes Verwaltungsverfahren nach pflichtgemäßem Ermessen zugunsten des Betroffenen wiederaufzugreifen, um unter Aufhebung oder Abänderung des Erstbescheids eine neue Sachentscheidung zu treffen (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.09.2000 - 2 C 5/99 -, BayVBl 2001, 216 = DVBl. 2001, 726; Beschl. v. 23.02.2004 - 5 B 104/03 -, juris; Beschl. v. 25.05.1981 - 8 B 89.80 -, NJW 1981, 2595 = Buchholz 316 § 51 VwVfG Nr. 9 m.w.N; ebenso Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 12. Aufl. 2007, § 51 VI 2 b), S. 602; so wohl auch Rennert, a.a.O., § 121 Rn. 34). Ein solche Befugnis war bereits vor Inkrafttreten der Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder als ungeschriebener Rechtsgrundsatz des Verwaltungsverfahrensrechts anerkannt (vgl. BVerfG, Entsch. v. 17.12.1969 - 2 BvR 23/65 -, BVerfGE 27, 297 = DVBl. 1970, 270 = DÖV 1970, 231; BVerwG, Urt. v. 16.12.1971 - I C 31.68 -, BVerwGE 39, 197 = DÖV 1972, 419 = DVBl. 1972, 388; Urt. v. 30.01.1974 - VIII C 20.72 -, BVerwGE 44, 333; Urt. v. 28.07.1976 - 8 C 90.75 - Buchholz 412.3 § 16 Nr. 2; Urt. v. 14.12.1977 - 8 C 79.76 - Buchholz 316 § 36 Nr. 1) und wurde weder über die Regelung des § 51 LVwVfG noch über die neben dem Wiederaufgreifen des Verfahrens bestehenden Regelungen über die Rücknahme und den Widerruf eines Verwaltungsakts nach §§ 48, 49 LVwVfG verdrängt. Insofern ist die Kodifizierung der ungeschriebenen Rechtsgrundsätze des Verwaltungsverfahrens nur unvollständig und nicht abschließend erfolgt (hierzu auch Selmer, JuS 1987, 363, 366). Anders als unter Zugrundelegung der vom Senat nicht geteilten gegenteiligen Auffassung, die ein Wiederaufgreifen des Verfahrens außerhalb des § 51 LVwVfG allein nach den §§ 48, 49 LVwVfG für zulässig hält (etwa BVerwG, Beschl. v. 29.03.1999 - 1 DB 7/97 -, BVerwGE 113, 322 = DVBl. 1999, 931 = NVwZ 2000, 202; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 31.01.1989 - 9 S 1141/88 -, DVBl. 1989, 884 = NVwZ 1989, 882; Ruffert, a.a.O., § 25 IV Rn. 12; Ziekow, a.a.O., § 51 Rn. 27; Sachs, a.a.O., § 51 Rn. 16; speziell zur Überprüfung gemeinschaftsrechtswidriger Verwaltungsakte auch Britz/Richter, JuS 2005, 198), steht dieser Anspruch auch nicht im Konflikt mit der bundesrechtlichen Regelung zur Rechtskraft eines verwaltungsgerichtlichen Urteils über die Rechtmäßigkeit dieses Erstbescheids (hierzu BVerwG, Urt. v. 27.01.1994, - 2 C 12.92 - und Urt. v. 08.12.1992 - 1 C 12.92 -, jeweils a.a.O. m.w.N). Als unrichtig erkannte belastende Verwaltungsakte können bei Vorliegen eines - gemeinschaftsrechtlichen - Wiederaufgreifensgrundes daher trotz der Abweisung einer hiergegen gerichteten Anfechtungsklage auch rückwirkend aufgehoben oder durch eine gemeinschaftsrechtskonforme Regelung ersetzt werden. Hiermit wird auch der Verpflichtung Rechnung getragen, eine gemeinschaftsrechtlich notwendige Korrektur einer Regelung im Rahmen der Auslegung des nationalen Verfahrensrechts zu ermöglichen (zu dieser Verpflichtung vgl. EuGH, Urt. v. 13.03.2007 - C-432 -, , Slg. I-2271 = BayVBl 2007, 589 = NJW 2007, 3555 sowie Potacs, in: Bröhmer u.a., Internationale Gemeinschaft und Menschenrechte, Festschrift für Georg Ress, 2005, S. 729 und Gärditz, NWVBl 2006, 441).
38 
b) Allerdings kann der Kläger das Wiederaufgreifen des Verfahrens nach pflichtgemäßem Ermessen der Behörde - außerhalb des Anwendungsbereichs von § 51 Abs. 1 LVwVfG - mit dem Ziel einer erneuten Sachentscheidung über seine Ausweisung und damit auch eine Rücknahme der Ausweisung auf diesem Weg nicht (mehr) beanspruchen.
39 
Der Beklagte hat eine solche erneute Sachentscheidung über die Ausweisung des Klägers mit Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 17.03.2005 abgelehnt, ohne dass er hierbei die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hätte (vgl. § 114 Satz 1 VwGO).
40 
aa) Der Bescheid vom 17.03.2005 ist sowohl in seinem Tenor als auch in der Begründung ausdrücklich auf die Ablehnung eines Antrags auf „Wiederaufgreifen des Verfahrens“ bezogen. Dabei begründet es keinen nach § 114 Satz 1 VwGO relevanten Ermessensfehler, dass die Behörde ihre Ablehnung zunächst unter anderem mit der - sachlich unrichtigen Einlassung - begründet hat, die Ausweisung sei rechtmäßig. Denn der Beklagte hat die materielle Rechtswidrigkeit der Ausweisung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zugestanden und daraufhin die Ermessenserwägungen der Ablehnungsentscheidung gemäß § 114 Satz 2 VwGO mit dem Hinweis auf die Erfolglosigkeit der Klage gegen diese Ausweisung in zulässiger Weise ergänzt (zum Ergänzen von Ermessenserwägungen vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 114 Rn. 50; Rennert, a.a.O., § 114 Rn. 89 und Wolff in: Sodan/Ziekow, a.a.O., § 114 Rn. 208).
41 
bb) In der Form dieser Ergänzung begegnet die Ablehnung des Wiederaufgreifens des Verfahrens und der neuen Sachentscheidung über die Ausweisung des Klägers zunächst keinen gemeinschaftsrechtlichen Bedenken. Denn die Voraussetzungen für eine gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung des Beklagten, die infolge der innerstaatlichen Erschöpfung des Rechtswegs bestandskräftige, aber materiell gemeinschaftsrechtswidrige Ausweisungsentscheidung zu überprüfen (zu dieser Pflicht vgl. EuGH, Urt. v. 13.01.2004 - C-453/00 -, a.a.O.; Urt. v. 12.02.2008 - C-2/06, , a.a.O. sowie Weiß, DÖV 2008, 477; Pache/Bielitz, DVBl 2006, 325; Britz/Richter, a.a.O.), liegen nicht vor.
42 
Zwar hat der Kläger mit der Stellung seines - erfolglosen - Antrags auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 17.02.1998 den ihm nach nationalem Recht gegen die Ausweisung eröffneten Rechtsweg ausgeschöpft. Auch beruht das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 17.02.1998 auf einer unrichtigen Auslegung des Gemeinschaftsrechts. Denn das Verwaltungsgericht hätte die Ausweisung sowie den sie bestätigenden Widerspruchsbescheid schon deshalb aufheben müssen, weil die Ausweisung unter Verstoß gegen Art. 39 EG und Art. 3 RL 64/221/EWG ohne Ermessen als zwingende Rechtsfolge verfügt worden war; außerdem hätte es die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner Entscheidung zugrunde legen müssen. Insofern ist unerheblich, ob die Ausweisung hätte rechtsfehlerfrei nach Ermessen ausgesprochen werden können oder ob die Ausweisung - wie der Kläger vorgetragen hat - in jedem Fall gegen Art. 8 Abs. 1 EMRK verstoßen hätte. Schließlich hat der Kläger mit seinem Rücknahmeantrag den letztlich maßgeblichen Wiederaufgreifensgrund der Änderung der Rechtsprechung zur Rechtmäßigkeit der Ausweisung von freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern auch zeitnah geltend gemacht. Jedoch hat der Senat bei der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung nicht gegen die Verpflichtung aus Art. 234 Abs. 3 EG zur Einholung einer Vorabentscheidung verstoßen. Denn der Senat war in diesem konkreten Verfahren weder berechtigt noch verpflichtet, die Vereinbarkeit des § 47 AuslG i. V. m. § 12 AufenthG/EWG mit Art. 39 EG und Art. 3 RL 64/221/EWG sowie die Frage der maßgeblichen Sach- und Rechtslage für die gerichtliche Überprüfung der Ausweisung eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers zu prüfen. Vielmehr war er nach § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO an die vom Kläger dargelegten Zulassungsgründe gebunden, die sich gerade nicht auf diese Rechtsfragen bezogen (zur Maßgeblichkeit der nach nationalem Recht zu bestimmenden Prüfungspflicht vgl. EuGH, Urt. v. 12.02.2008 - C-2/06, , a.a.O).
43 
Von dem Erfordernis des pflichtwidrig unterlassenen Vorabentscheidungsersuchens ist auch nicht deshalb abzusehen, weil die Anwendbarkeit des § 47 AuslG i.v.m. § 12 AufenthG/EWG auf die Ausweisung eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers ebenso wie die Maßgeblichkeit der Sach- und Rechtslage bei Erlass der letzten Behördenentscheidung zum Zeitpunkt des Antrags auf Zulassung der Berufung durch die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt schien und deshalb eine entsprechende Rüge im Zulassungsantrag voraussichtlich keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte (zur damaligen Rechtsprechung vergleiche etwa BVerwG, Beschl. v. 29.09.1993 - 1 B 62.93 - Buchholz 402.240 § 48 AuslG 1990 Nr. 3; Urt. v. 27.10.1978 - 1 C 91.76 - BVerwGE 57, 61 und Urt. v. 11.06.1996 - 1 C 24.94 - BVerwGE 101, 247). Zwar dürften die Voraussetzungen für die Verpflichtung einer Behörde zur Berücksichtigung einer späteren Klärung einer gemeinschaftsrechtlichen Rechtsfrage durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in den Fällen, in denen die Verwaltungsentscheidung durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung bestätigt worden ist, mit den in den Rechtssachen "Kühne und Heitz" sowie "Kempter" formulierten Kriterien noch nicht in jeder Hinsicht abschießend bestimmt sein (vgl. Britz/Richter, a.a.O.; Frenz, DVBl. 2004, 374, 376). Allerdings erkennt das Gemeinschaftsrecht die Rechtskraft von gemeinschaftsrechtswidrigen Gerichtsentscheidungen grundsätzlich an (EuGH, Urt. v. 16.03.2006 - C-234/04 -, , Slg. I-2585 = DVBl 2006, 569 = NJW 2006, 1577; Urt. v. 30.09.2003 - C-224/01 -, , Slg. I-10239 = NJW 2003, 3539 = DVBl 2003, 1516 = NVwZ 2004, 79; Urt. v. 01.06.1999 - C-126/97 -, , Slg. I-3055) und fordert - außerhalb der nach nationalem Recht gegebenen Möglichkeiten einer Abweichung - eine Durchbrechung der Rechtskraft bislang allein bei einer Verletzung der Vorlagepflicht nach Art. 234 Abs. 3 EG (hierzu insb. Urt. v. 30.09.2003, a.a.O.; Ruffert, JZ 2004, 620, 621). Darüber hinaus ist es anerkannt, dass der Effektivitätsgrundsatz insoweit stets durch die nationalen prozessualen Regelungen zum Prüfungsumfang der zur Entscheidung befugten Gerichte beschränkt ist (EuGH, Urt. v. 07.06.2007 - C-222/05 u.a. -, , Slg. I-4233 sowie Urt. v. 14.12.1995 - C-430/93 -, , Slg. I-4705).
44 
cc) Die Ablehnung des Wiederaufgreifens des Verfahrens und damit auch einer Rücknahme der Ausweisung aufgrund neuer Sachentscheidung hält sich zudem in den Grenzen des nationalen Rechts.
45 
Eine Behörde handelt grundsätzlich nicht ermessensfehlerhaft, wenn sie eine erneute Sachentscheidung unter Hinweis auf die rechtskräftige gerichtliche Bestätigung ihrer Verwaltungsentscheidung ablehnt. Insoweit bedarf es regelmäßig keiner weiteren ins Einzelne gehenden Ermessenserwägungen. Ausnahmen bestehen nur dann, wenn im Einzelfall Umstände von einer den in § 51 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 VwVfG geregelten Fällen vergleichbaren Bedeutung und Gewicht vorliegen und die Aufrechterhaltung des Erstbescheides auch unter Berücksichtigung der Rechtskraft des diesen bestätigenden Urteils schlechthin unerträglich wäre (BVerwG, Urt. v. 27.01.1994, a.a.O., m.w.N.). Solche Umstände liegen hier jedoch nicht vor.
46 
Es besteht keine allgemeine Verwaltungspraxis, gegenüber der sich die Ablehnung des Wiederaufgreifens des Verfahrens als gleichheitswidrig erweisen würde. Vielmehr ist für den Beklagten maßgeblich, eine solche Verwaltungspraxis mit Blick auf den dann verbundenen Verwaltungsaufwand gerade zu vermeiden. Auch erscheint die Berufung der Behörde auf die Unanfechtbarkeit der Ausweisung und die Rechtskraft des Urteils des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 17.02.1998 nicht vor dem Hintergrund der hiermit für den Kläger verbundenen Belastungen als treu- oder sittenwidrig. Denn die gesetzlichen Wirkungen der Ausweisung sind auf den 23.02.2005 befristet worden, so dass der Kläger seitdem wieder ohne weitere Einschränkung nach Maßgabe des § 2 FreizügG/EU ins Bundesgebiet einreisen und sich dort aufhalten darf. Da sich der Kläger nach seiner Ausreise im Dezember 1998 bis heute überwiegend in Italien und Frankreich aufgehalten hat, führt die Verweigerung der in der Sache begehrten rückwirkenden Aufhebung der Ausweisung auch nicht dazu, dass dem Kläger eine über die Begründung eines verlängerten rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet verbesserte aufenthaltsrechtliche Stellung vorenthalten würde. Soweit dem Kläger über die Ablehnung des Wiederaufgreifens des Ausweisungsverfahrens die Möglichkeit genommen wird, mit einem - auf die Aufhebung der Ausweisung gestützten - Wiederaufnahmeantrag nach § 359 Nr. 4 oder 5 StPO in den mit rechtskräftigen Urteilen des Amtsgerichts Raststatt vom 08.08.2002 und des Landgerichts Baden-Baden vom 10.07.2003 abgeschlossenen Strafverfahren wegen unerlaubten Aufenthalts einen Freispruch zu erreichen, ist dies für ihn schon deshalb nicht schlechthin unerträglich, weil der Erfolg eines solchen Antrags durchaus nicht sicher ist und die strafgerichtliche Verurteilungen des Klägers nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt ihres Ergehens zu Recht erfolgt sind. Schließlich ist die Aufrechterhaltung der Ausweisung auch nicht deshalb schlechthin unerträglich, weil die Ausweisung und das sie bestätigende Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe offensichtlich rechtswidrig wären. Eine offensichtliche Rechtswidrigkeit in diesem Sinne ist dann gegeben, wenn an dem Verstoß der streitigen Maßnahme gegen formelles oder materielles Recht vernünftigerweise kein Zweifel besteht und sich deshalb die Rechtswidrigkeit aufdrängt. Hierbei ist maßgeblich auf den Zeitpunkt des Erlasses des die Ausweisung bestätigenden Urteils abzustellen. Eine spätere Klärung der Rechtsfrage und die damit eintretende Evidenz desselben bleiben außer Betracht (zur vergleichbaren Konstellation der Verpflichtung zur Rücknahme eines Verwaltungsakts nach § 48 Abs. 1 LVwVfG vgl. BVerwG Urt. v. 23.10.2007 - 1 C 10.07 -, AuAS 2008, 28 = InfAuslR 2008, 116 = NVwZ 2008, 326 = DÖV 2008, 329 = DVBl 2008, 189; Urt. v. 17.01.2007 - 6 C 32.06 -, NVwZ 2007, 709; Beschl. v. 07.07.2004 - 6 C 24/03 -, BVerwGE 121, 226, 229 ff. m.w.N.). Zu dem damit erheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts Karlsruhe am 17.02.1998 war die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit einer auf § 47 AuslG gestützten und damit ohne umfassende Ermessensentscheidung ausgesprochenen Ausweisung eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers ebenso wenig evident wie die Notwendigkeit, die Rechtmäßigkeit der Ausweisung nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts zu beurteilen. Vielmehr bestand eine ausdrücklich gegenteilige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. etwa Beschl. v. 29.09.1993, a.a.O.; Urt. v. 11.06.1996, a.a.O.), die erst mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.08.2004 (- 1 C 30/02 -, a.a.O.) aufgegeben wurde.
III.
47 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Der Senat sieht nach Ermessen davon ab, das Urteil hinsichtlich der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 167 Abs. 2 VwGO). Die Revision wird gemäß § 132 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, denn sie wirft die bisher höchstrichterlich noch nicht geklärte und für die Weiterentwicklung des Rechts bedeutsame Frage auf, ob die Bindung der Beteiligten nach § 121 VwGO an ein rechtskräftiges Urteil eines Verwaltungsgerichts, mit dem die Anfechtungsklage gegen einen belastenden Verwaltungsakt abgewiesen wurde, der Anwendbarkeit des § 48 Abs.1 Satz 1 (L)VwVfG entgegensteht.
48 
Beschluss vom 09.05.2008
        
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG auf
        
5.000,-- EUR
        
festgesetzt.
        
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Für die Verfahren nach § 15 gilt § 29 Abs. 1 und 1a entsprechend. Die in diesen Verfahren gespeicherten Daten dürfen auf Ersuchen zur Durchführung von Verfahren zur Gewährung von Leistungen nach diesem Gesetz sowie zur Feststellung der Rechtsstellung als Deutscher nach Artikel 116 Abs. 1 des Grundgesetzes übermittelt und innerhalb derselben Behörde weitergegeben werden, wenn dies erforderlich ist. Wird eine ganz oder teilweise ablehnende Entscheidung nach § 15 getroffen oder eine Entscheidung nach § 15 ganz oder teilweise zurückgenommen oder widerrufen, werden alle Stellen, die Personen im Sinne der §§ 1 bis 4 Rechte einräumen, Vergünstigungen oder Leistungen gewähren, und die Staatsangehörigkeits- sowie Pass- und Personalausweisbehörde von der Entscheidung unterrichtet. Dabei dürfen mitgeteilt werden:

1.
Namen einschließlich früherer Namen,
2.
Tag und Ort der Geburt,
3.
Anschrift,
4.
Tag der Entscheidung und Eintritt der Rechtsbeständigkeit.

(1) Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates.

(2) Die Erziehungsberechtigten haben das Recht, über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen.

(3) Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach. Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt. Kein Lehrer darf gegen seinen Willen verpflichtet werden, Religionsunterricht zu erteilen.

(4) Das Recht zur Errichtung von privaten Schulen wird gewährleistet. Private Schulen als Ersatz für öffentliche Schulen bedürfen der Genehmigung des Staates und unterstehen den Landesgesetzen. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die privaten Schulen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen und eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte nicht genügend gesichert ist.

(5) Eine private Volksschule ist nur zuzulassen, wenn die Unterrichtsverwaltung ein besonderes pädagogisches Interesse anerkennt oder, auf Antrag von Erziehungsberechtigten, wenn sie als Gemeinschaftsschule, als Bekenntnis- oder Weltanschauungsschule errichtet werden soll und eine öffentliche Volksschule dieser Art in der Gemeinde nicht besteht.

(6) Vorschulen bleiben aufgehoben.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn

1.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde oder von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder
2.
der Abhilfebescheid oder der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.

Über die Zulässigkeit der Klage kann durch Zwischenurteil vorab entschieden werden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates.

(2) Die Erziehungsberechtigten haben das Recht, über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen.

(3) Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach. Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt. Kein Lehrer darf gegen seinen Willen verpflichtet werden, Religionsunterricht zu erteilen.

(4) Das Recht zur Errichtung von privaten Schulen wird gewährleistet. Private Schulen als Ersatz für öffentliche Schulen bedürfen der Genehmigung des Staates und unterstehen den Landesgesetzen. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die privaten Schulen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen und eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte nicht genügend gesichert ist.

(5) Eine private Volksschule ist nur zuzulassen, wenn die Unterrichtsverwaltung ein besonderes pädagogisches Interesse anerkennt oder, auf Antrag von Erziehungsberechtigten, wenn sie als Gemeinschaftsschule, als Bekenntnis- oder Weltanschauungsschule errichtet werden soll und eine öffentliche Volksschule dieser Art in der Gemeinde nicht besteht.

(6) Vorschulen bleiben aufgehoben.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.

(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.

(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

(1) Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates.

(2) Die Erziehungsberechtigten haben das Recht, über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen.

(3) Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach. Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt. Kein Lehrer darf gegen seinen Willen verpflichtet werden, Religionsunterricht zu erteilen.

(4) Das Recht zur Errichtung von privaten Schulen wird gewährleistet. Private Schulen als Ersatz für öffentliche Schulen bedürfen der Genehmigung des Staates und unterstehen den Landesgesetzen. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die privaten Schulen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen und eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte nicht genügend gesichert ist.

(5) Eine private Volksschule ist nur zuzulassen, wenn die Unterrichtsverwaltung ein besonderes pädagogisches Interesse anerkennt oder, auf Antrag von Erziehungsberechtigten, wenn sie als Gemeinschaftsschule, als Bekenntnis- oder Weltanschauungsschule errichtet werden soll und eine öffentliche Volksschule dieser Art in der Gemeinde nicht besteht.

(6) Vorschulen bleiben aufgehoben.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 2. Februar 2006 - 6 K 524/05 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger, ein italienischer Staatsangehöriger, wurde 1975 im Bundesgebiet geboren. 1980 zog er mit seiner Mutter nach Italien. 1990 kehrte er in die Bundesrepublik Deutschland zurück. Hier arbeitete er bis 1994 als Gipser, musste diese Tätigkeit aber nach einem Sportunfall aufgeben. 1995 begann er, Kokain zu konsumieren. Der Kläger ist Vater des im Juni 1996 geborenen … und der im November 2001 geborenen …, für die er - anders als für seinen Sohn - gemeinsam mit der Kindesmutter die elterliche Sorge inne hat und ausübt.
1993 wurde der Kläger unter anderem wegen Diebstahls mit Waffen zu einer Jugendstrafe von sieben Monaten verurteilt, deren Vollstreckung für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. Im Februar 1996 wurde der Kläger in Untersuchungshaft genommen und mit Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 09.04.1997 wegen gemeinschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 16 Fällen zu einer Jugendstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Am 30.04.1998 wurde die Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung ausgesetzt.
Mit Bescheid vom 22.07.1997 wies das Regierungspräsidium Karlsruhe den Kläger nach § 47 Abs. 1 Nr. 3 AuslG aus dem Bundesgebiet aus. Der insbesondere mit einer Nachreifung während der Haft begründete Widerspruch wurde mit Bescheid vom 20.11.1997 zurückgewiesen. Die hiergegen erhobene Klage wurde vom Verwaltungsgericht Karlsruhe mit Urteil vom 17.02.1998 - 11 K 4683/97 - abgewiesen. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung wurde durch Beschluss des Senats vom 26.10.1998 - 11 S 996/98 - abgelehnt. Daraufhin reiste der Kläger im Dezember 1998 freiwillig nach Italien aus. Auf Antrag des Klägers befristete das Regierungspräsidium Karlsruhe mit Bescheid vom 15.09.1999 die Sperrwirkungen der Ausweisung auf den 06.12.2008. Die hiergegen mit dem Ziel einer Verkürzung der Sperrfrist erhobene Klage wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 09.05.2000 - 11 K 2951/99 - abgewiesen.
Nach seiner Ausreise hielt sich der Kläger mehrmals unerlaubt im Bundesgebiet auf. Aus diesem Grund wurde er mit Urteil des Amtsgerichts Rastatt vom 08.08.2002 zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 10,-- EUR und mit Urteil des Landgerichts Baden-Baden vom 10.07.2003 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde. Ein weiteres Verfahren wegen unerlaubter Einreise wurde vom Landgericht Baden-Baden am 27.07.2005 nach § 153 Abs. 2 StPO eingestellt. Für die zuvor vom 25.11.2004 bis zum 24.01.2005 vollzogene Untersuchungshaft wurde dem Kläger mit Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 06.12.2006 eine Entschädigung nach Billigkeit zugesprochen.
Am 05.11.2004 beantragte der Kläger die Rücknahme der Ausweisungsverfügung vom 22.07.1997. Das Bundesverwaltungsgericht habe mit Urteil vom 03.08.2004 - 1 C 30/02 -, BVerwGE 121, 297 unter Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger nur auf der Grundlage einer ausländerbehördlichen Ermessensentscheidung ausgewiesen werden dürften und dass für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Tatsachengerichts abzustellen sei. Vor diesem Hintergrund stehe die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit seiner auf den zwingenden Ausweisungstatbestand des § 47 AuslG gestützten Ausweisung fest. Auch habe man bei der Ausweisung seiner Verwurzelung in die inländischen Lebensverhältnisse nicht hinreichend Rechnung getragen.
Hierauf befristete das Regierungspräsidium Karlsruhe mit Verfügung vom 22.02.2005 die Sperrwirkung der Ausweisung vom 22.07.1997 auf den Tag der Zustellung des Befristungsbescheides (23.02.2005).
Mit Bescheid vom 17.03.2005 lehnte das Regierungspräsidium Karlsruhe den "Antrag auf Wiederaufgreifen des Ausweisungsverfahrens" ab. Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 LVwVfG auch im Hinblick auf die geänderte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Beurteilungsmaßstab von Ausweisungen nicht zu, da in der Änderung der Rechtsprechung grundsätzlich keine Änderung der Rechtslage i. S. d. § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG zu sehen sei. Soweit daneben die Möglichkeit bestehe, das Verwaltungsverfahren nach pflichtgemäßem Ermessen wieder aufzugreifen, bestehe kein hinreichender Anlass dafür, erneut über die unanfechtbare Ausweisung sachlich zu entscheiden. Die Verfügung von 1997 sei rechtmäßig. Sie wäre auch erlassen worden, wenn damals die Maßstäbe des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom August 2004 angewendet worden wären. Denn vom Kläger sei eindeutig eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgegangen.
Der Kläger hatte bereits am 04.03.2005 beim Verwaltungsgericht Karlsruhe Klage auf Rücknahme der Ausweisung erhoben, die er nachträglich auf den Bescheid vom 17.03.2005 erstreckt hat. Trotz zwischenzeitlicher Befristung der Wirkungen der Ausweisung bestehe ein rechtlich schützenswertes Interesse an der Rücknahme. Sie werde benötigt, um die Wiederaufnahme des Strafverfahrens wegen unerlaubter Einreise und unerlaubten Aufenthalts zu erreichen, das zur rechtskräftigen Verurteilung durch das Landgericht Baden-Baden am 10.07.2003 geführt habe. Auch hätte er bei Rücknahme der Ausweisung den erhöhten Ausweisungsschutz nach Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG bzw. § 6 Abs. 5 FreizügG/EU. Schließlich sei die Rücknahme zur Rehabilitation und Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen erforderlich. Nach dem Urteil des EuGH vom 12.12.1997 (C-188/95 ) bestehe eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Rücknahme gemeinschaftswidriger Verwaltungsentscheidungen. Der Hinweis des Beklagten, dass die Ausweisung auch bei Beachtung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erlassen worden wäre, trage der besonderen Rechtstellung von Unionsbürgern nicht hinreichend Rechnung. Nach wie vor fehle eine Ermessensentscheidung über die Ausweisung und die Berücksichtigung seiner günstigen Entwicklung nach Erlass der Verfügung bis zur gerichtlichen Entscheidung. Daneben seien die familiären Bindungen und das Ausmaß der Schwierigkeiten außer Betracht geblieben, denen er, seine damalige Verlobte und sein damals neugeborenes Kind in der Folge der Ausweisung ausgesetzt gewesen seien und die dazu führten, dass die Ausweisung mit Art. 8 EMRK unvereinbar sei. Schließlich habe man nicht die in Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG enthaltenen Maßstäbe beachtet. Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat erwidert, ein Anspruch auf Rücknahme der Ausweisung bestehe nicht. Zum einen sei die Rechtmäßigkeit dieser Verfügung festgestellt worden. Zum anderen lägen die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 LVwVfG nicht vor. Im Rahmen eines Anspruchs auf fehlerfreie Ermessensausübung hinsichtlich des Wiederaufgreifens sei zu berücksichtigen, dass sich die Ausweisung aus heutiger Sicht zwar deshalb als rechtswidrig darstelle, weil sie auf § 47 AuslG gestützt worden sei, dass der Kläger aber auch damals unter Beachtung der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hätte nach Ermessen ausgewiesen werden können.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 02.02.2006 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch darauf, dass die Ausweisung rückwirkend zurückgenommen werde. Ein Anspruch auf ein Wiederaufgreifen des Ausweisungsverfahrens scheide aus, weil die Änderung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den Anforderungen an die Rechtmäßigkeit einer Ausweisung von freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern ebenso wenig einer Änderung der Rechtslage nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG gleichzustellen sei wie die Klärung der maßgeblichen Voraussetzungen für eine solche Ausweisung durch den EuGH in dessen Urteil vom 29.04.2004. Den Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG habe der Beklagte erfüllt, indem er die Rücknahme ohne Rechtsfehler abgelehnt habe. Das Rücknahmeermessen sei auch nicht auf Null reduziert. Die Aufrechterhaltung der Ausweisung sei nicht schlechthin unerträglich und habe für den Kläger auch keine unzumutbare Folgen. Insbesondere werde es dem Kläger nicht praktisch unmöglich gemacht, die ihm durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte wahrzunehmen. Dem Kläger stehe auch kein gemeinschaftsrechtlicher Rechtsanspruch auf Rücknahme der Ausweisung zu. Es sei im Rahmen der gerichtlichen Prüfungskompetenz nicht zu beanstanden, dass der Beklagte bei Ausübung seines Rücknahmeermessens dem öffentlichen Interesse an der Bestandskraft der verfügten Ausweisung gegenüber den privaten Interessen des Klägers den Vorrang eingeräumt habe.
10 
Am 24.03.2006 hat der Kläger die durch das Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt. Zur Begründung verweist er auf seinen Vortrag erster Instanz und trägt ergänzend vor: Die Ausweisung verstoße gegen Art. 8 Abs. 1 EMRK. Denn sie führe selbst im Falle einer Befristung zu einer faktischen Unmöglichkeit einer späteren Rückkehr nach Deutschland. Hieran ändere auch das den Unionsbürgern eingeräumte Freizügigkeitsrecht nichts, da die Rückkehr auch in diesen Fällen an Wohlstand oder an eine Beschäftigung geknüpft und beides schwer zu erreichen sei. Im Übrigen sei es gemeinschaftsrechtswidrig, weil diskriminierend, wenn Unionsbürger aufgrund des im Falle einer Befristung wieder auflebenden Freizügigkeitsrechts leichter ausgewiesen werden könnten, als Drittstaatsangehörige, denen ein Rückkehrrecht unter diesen Bedingungen nicht zukomme. Dies ergebe sich aus der Entscheidung des EuGH vom 17.04.1986 - C-59/85 - (Slg. 1986, I-1283 ).
11 
Der Kläger beantragt,
12 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 02.02.2006 - 6 K 524/05 - zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 17.03.2005 zu verpflichten, die Ausweisung in der Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 22.07.1997 rückwirkend aufzuheben.
13 
Der Beklagte beantragt,
14 
die Berufung zurückzuweisen.
15 
Zur Begründung verweist er auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe und führt ergänzend an, dass der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften die Bestandskraft von Verwaltungsentscheidungen im Grundsatz anerkenne und an die Rücknahme solcher Entscheidungen eher restriktive Bedingungen knüpfe.
16 
Der Senat hat den Kläger in der Berufungsverhandlung angehört. Dabei hat er angegeben: Er lebe seit längerer Zeit in Straßburg, wo er als Profiboxer trainiere und - nach langer Krankheit - als solcher tätig werden wolle. Er sei nach seiner Ausreise nach Italien relativ bald nach Frankreich gezogen und habe sich von dort aus immer wieder vorübergehend zu seinen in Deutschland in Grenznähe lebenden Eltern oder zu seiner damaligen Verlobten begeben. Der Kontakt zu seinem Sohn … sei nach seiner Ausreise nach Italien schwächer geworden und seit 2005 gänzlich abgebrochen. Sein Sohn lebe bei dessen Mutter in der Nähe von Frankfurt. Seine Tochter … lebe bei ihrer Mutter, die mit ihm nicht mehr verlobt sei. Er übe jedoch nach wie vor gemeinsam mit der Mutter das Sorgerecht aus. Abgesehen von den Verurteilungen wegen unerlaubter Einreise und unerlaubten Aufenthalts im Bundesgebiet sei er im Jahr 2006 noch einmal wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe verurteilt worden.
17 
Dem Senat liegen die Akten des Regierungspräsidiums Karlsruhe (2 Hefte) und die Akte der Ausländerbehörde der Stadt Rastatt (1 Heft) über den Kläger sowie ferner die den Kläger betreffenden Akten des Verwaltungsgerichts Karlsruhe (11 K 4683/97; 11 K 3675/97; 11 K 2951/99; 6 K 96/05) und des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (11 S 996/98; 11 S 652/05) vor. Auf den Inhalt dieser Akten wird ergänzend ebenso verwiesen wie auf die wechselseitigen Schriftsätze in der Klageakte des Verwaltungsgerichts Karlsruhe in dem Verfahren 6 K 524/05 sowie in der Verfahrensakte des Senats.

Entscheidungsgründe

 
18 
Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl der Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war. Denn er wurde in der rechtzeitigen Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen (§ 125 Abs. 1 i.V.m. § 102 Abs. 2 VwGO).
I.
19 
Die Berufung ist nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthaft und auch sonst zulässig. Die Berufungsbegründung wurde form- und fristgemäß vorgelegt (§ 124a Abs. 1 bis 3 VwGO). Für die mit der Berufung begehrte Verpflichtung des Beklagten zur rückwirkenden Aufhebung der Ausweisung vom 22.07.1997 besteht auch ein Rechtsschutzbedürfnis.
20 
Zwar entfaltet die Ausweisung aufgrund der Befristung ihrer gesetzlichen Wirkungen in Bezug auf das Recht des Klägers, ins Bundesgebiet einzureisen und sich dort aufzuhalten, gegenwärtig keine belastende Regelungswirkung. Gleiches gilt für die aktuelle aufenthaltsrechtliche Stellung des Klägers - etwa im Hinblick auf einen gesteigerten Ausweisungsschutz nach § 6 Abs. 5 Freizüg/EU (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 28.06.2007 - 13 S 1045/07 -, VBlBW 2008, 68). Denn der Kläger hat sich nach seiner Ausreise im Dezember 1998 bis heute überwiegend in Italien und Frankreich aufgehalten, sodass die rückwirkende Aufhebung der Ausweisung nicht zur Folge hätte, dass sich der Kläger auf einen hierfür notwendigen verlängerten rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet berufen könnte.
21 
Allerdings führt die Ausweisung dazu, dass die verschiedenen Aufenthalte des Klägers im Bundesgebiet in der Zeit vor der Befristung der Wirkungen der Ausweisung als unerlaubt anzusehen sind. Hierdurch ist der Kläger nach wie vor belastet, weil er mit Urteil des Amtsgerichts Raststatt vom 08.08.2002 und des Landgerichts Baden-Baden vom 10.07.2003 wegen unerlaubten Aufenthalts zu einer Geld- und einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist. Insoweit ergibt sich das Rechtschutzbedürfnis daraus, dass der Kläger einen Antrag auf Wiederaufnahme dieser Strafverfahren stellen und unter Hinweis auf das - bei rückwirkender Aufhebung der Ausweisung - auch in der Vergangenheit gegebene Freizügigkeitsrecht als Unionsbürger jeweils einen Freispruch erreichen möchte. Zwar wird nach der wohl herrschenden Auffassung (vgl. Meyer-Goßner, StPO, Kommentar, 50. Aufl. 2007, § 359 Rn. 17 und 21 m.w.N.) in der Rücknahme einer - die Strafbarkeit begründenden - Verwaltungsentscheidung kein Wiederaufnahmegrund nach § 359 StPO gesehen. Es reicht aber aus, dass der Erfolg des Wiederaufnahmeantrags im Strafverfahren und damit der Nutzen der vorliegenden Klage für den Kläger weder tatsächlich noch rechtlich außer Zweifel steht (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.04.2004 - 3 C 25/03 -, BVerwGE 121, 1 = DVBl 2004, 1184 = NVwZ-RR 2004, 855; Urt. v. 21.11.1996 - 4 C 13/95 -, NJW 1997, 1173 = BRS 58 Nr. 233). Dies ist der Fall. Zum einen wird die Auffassung des Klägers, dass die Aufhebung der Ausweisung einer Aufhebung eines Urteils und damit dem Wiederaufnahmegrund nach § 359 Nr. 4 StPO gleichzustellen oder zumindest als neue Tatsache im Sinne des § 359 Nr. 5 StPO anzusehen ist, nicht nur in der Literatur, sondern auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geteilt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.08.1999 - 2 BvR 1322/97 -; Beschl. v. 23.05.1967 - 2 BvR 534/62 -, BVerfGE 22, 21 = NJW 1967, 1221; Schmidt in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 5. Aufl. 2003, § 359 Rn. 15; Schenke, JR 1970, 449; zur vergleichbaren Regelung des § 580 Nr. 6 ZPO vgl. BGH Urt. v. 21.01.1988 - III ZR 252/86 -, BGHZ 103, 121 = NJW 1988, 1914; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, Kommentar, 66. Aufl. 2008, § 580 Anm. 3 m.w.N.). Zum anderen ist die der herrschenden Auffassung zugrunde liegende Annahme, dass auch eine rückwirkende Aufhebung eines Verwaltungsakts die zuvor gegebene Strafbarkeit der Zuwiderhandlung gegen diesen nicht entfallen lässt (so ausdrücklich BGH, Beschl. v. 23.07.1969 - 4 StR 371/68 -, BGHSt 23, 86 = NJW 1969, 2023; OLG Karlsruhe, Urt. v. 28.04.1977 - 3 Ss 107/77 -, JZ 1977, 478 = NJW 1978, 116) jedenfalls für die Ausweisung von - anderenfalls freizügigkeitsberechtigten - Unionsbürgern durchaus umstritten (zum Meinungsstand vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 06.12.2006 - 3 Ws 346/05 -, InfAuslR 2007, 118 m.w.N.).
II.
22 
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen, denn der Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 17.03.2005 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
23 
Das Klagebegehren, das sich maßgebend nicht nur aus der Formulierung des Antrags, sondern auch aus dem Vortrag des Klägers, insbesondere der Klagebegründung ergibt (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.07.1976 - IV C 15.76 - Buchholz 310 § 88 VwGO Nr. 5; Rennert in: Eyermann, VwGO, Kommentar, 12. Aufl. 2006, § 88 Rn. 8 m.w.N.), zielt auf die rückwirkende Aufhebung der Ausweisung. Das ist sowohl durch Rücknahme nach § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG als auch durch eine neue Sachentscheidung nach Wiederaufgreifen des Ausweisungsverfahrens, etwa gemäß § 51 Abs. 1 LVwVfG, möglich (zum Verhältnis von Rücknahme und Wiederaufgreifen des Verfahrens vgl. Ruffert, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2005, § 25 Rn. 3; Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 10. Aufl. 2008, § 51 Rn. 9; Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Kommentar, 7. Aufl. 2008, § 51 Rn. 30; Baumeister, VerwArch 92 (2001), 374 m.w.N.; anders allerdings wohl BVerwG, Urt. v. 04.09.2007 - 1 C 21/07 -, BVerwGE 129, 243 = NVwZ 2008, 82 = DÖV 2008, 74 = InfAuslR 2008, 1, wonach das Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 LVwVfG der Rücknahme oder dem Widerruf vorgeschaltet sei; so auch Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Aufl. 2006, § 11 Rn. 11).
24 
1. Der Kläger hat keinen Anspruch nach § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG darauf, dass seine Ausweisung vom 22.07.1997 rückwirkend zurückgenommen wird. Zwar ist die Rücknahme einer Ausweisung gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG neben der – hier bereits erfolgten - Befristung ihrer gesetzlichen Wirkungen gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 bis 6 AufenthG bzw. § 7 Abs. 2 Satz 2 und 3 FreizügG/EU grundsätzlich möglich, solange die Ausweisung - wie hier - noch Regelungswirkungen äußert (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.10.2007 - 1 C 10.07 -, InfAuslR 2008, 116 = NVwZ 2008, 326 = DÖV 2008, 329 = DVBl 2008, 189 = ZAR 2008, 140). Der Kläger und der Beklagte - und damit auch der Senat - sind jedoch nach § 121 Nr. 1 VwGO gehindert, von der Rechtswidrigkeit der Ausweisung i. S. des § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG auszugehen.
25 
a) Zwar wurde die Ausweisung des freizügigkeitsberechtigten Klägers nach § 47 Abs. 1 AuslG i. V. m. § 12 Abs. 1 Satz 1 AufenthG/EWG verfügt, ohne dass der Beklagte das bei diesen Personen notwendige Ausweisungsermessen (hierzu BVerwG, Urt. v. 03.08.2004 - 1 C 30.02 -, BVerwGE 121, 297 = NVwZ 2005, 220 = DVBl. 2005, 122 = InfAuslR 2005, 18) betätigt hatte. Auch wurde die Rechtmäßigkeit der Ausweisung nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 20.11.1997 beurteilt und damit insbesondere die Entwicklung des Klägers bis zum Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 17.02.1998 außer Betracht gelassen. Allerdings begründen diese Umstände für die Beteiligten keine Rechtswidrigkeit der Ausweisung i. S. d. § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG, weil sie aufgrund des abweisenden Urteils des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 17.02.1998 - 11 K 4683/97 - davon ausgehen müssen, dass die Ausweisung rechtmäßig ist. Dies folgt aus § 121 Nr. 1 VwGO, wonach rechtskräftige Urteile die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist.
26 
Der Umfang der Bindungswirkung eines Urteils bestimmt sich nach der sich im Entscheidungssatz verkörpernden Schlussfolgerung des Gerichts aus der angewandten Rechtsnorm und dem festgestellten Lebenssachverhalt (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.05.1994 - 9 C 501/03 -, BVerwGE 96, 24 = DVBl 1994, 940 = DÖV 1994, 914 = NVwZ 1994, 1115 = VBlBW 1995, 8 m.w.N.). Dabei tritt die Bindungswirkung des Urteils nicht nur in den Fällen ein, in denen der identische Streitgegenstand erneut zur Entscheidung gestellt wird, sondern auch dann, wenn die rechtskräftige Zuerkennung oder Aberkennung eines prozessualen Anspruchs für einen anderen prozessualen Anspruch, der zwischen denselben Beteiligten streitig ist, vorgreiflich ist. Denn mit der Regelung des § 121 VwGO soll auch insoweit verhindert werden, dass die aus einem festgestellten Tatbestand hergeleitete Rechtsfolge, über die in einem Urteil entschieden worden ist, bei unveränderter Sach- und Rechtslage erneut - mit der Gefahr unterschiedlicher Ergebnisse - zum Gegenstand eines Verfahrens zwischen denselben Beteiligten gemacht wird (BVerwG, Urt. v. 24.11.1998 - 9 C 53/97 -, BVerwGE 108, 30 = NVwZ 1999, 302 = DVBl. 1999, 544 = InfAuslR 1999, 143; Urt. v. 10.05.1994, a.a.O.). Eine Vorgreiflichkeit der rechtskräftigen Vorentscheidung ist immer dann gegeben, wenn sie nach dem Umfang ihrer Rechtskraft ein Element liefert, das nach den einschlägigen materiell-rechtlichen Normen des zweiten Rechtsstreits notwendig ist, um die in diesem Prozess beanspruchte Rechtsfolge zu begründen (BVerwG, Urt. v. 31.01.2002 - 2 C 7.01 -, BVerwGE 116, 1 = NVwZ 2002, 853 = DVBl. 2002, 1219 = DÖV 2002, 864).
27 
Da der Streitgegenstand des dem Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 17.02.1998 - 11 K 4683/97 - zugrunde liegenden Verfahrens in der Rechtsbehauptung des Klägers besteht, dass die Ausweisung vom 22.07.1997 rechtswidrig ist und ihn in seinen Rechten verletzt (vgl. BVerwG, Urt. v. 31.01.2002, a.a.O.; Urt. v. 08.12.1992 - 1 C 12.92 -, BVerwGE 91, 256 = NVwZ 1993, 672 = DVBl. 1993, 258 = DÖV 1993, 718 = BayVBl 1993, 250; Rennert, a.a.O., § 121 Rn. 25 m.w.N.) und § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG gerade die Rechtswidrigkeit der Ausweisung voraussetzt, ist das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 17.02.1998 für den Anspruch auf Rücknahme der Ausweisung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG vorgreiflich. Dementsprechend nimmt auch die in der Abweisung der Anfechtungsklage des Klägers liegende Feststellung in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 17.02.1998 über die Rechtmäßigkeit der Ausweisung vom 22.07.1997 an der präjudiziellen Wirkung dieses Urteils für den Anspruch auf Rücknahme der Ausweisung teil. Zwar ergibt sich - anders als dies im Falle der Stattgabe in Bezug auf die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts der Fall ist - aus der Abweisung einer Anfechtungsklage nicht zwingend, dass der angefochtene Verwaltungsakt rechtmäßig ist. Vielmehr kann die Abweisung der Klage auch allein darin begründet sein, dass es an der Verletzung eines subjektiven Rechts oder gar an der Zulässigkeit der Klage fehlt. Dennoch ist es - trotz der damit gegebenen Notwendigkeit, den Umfang der Rechtskraft unter Heranziehung der die Abweisung der Klage tragenden Gründe zu bestimmen - anerkannt, dass sich die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts im Falle eines deshalb abweisenden Urteils nicht als bloße Vorfrage des Urteils darstellt, sondern an der Bindungswirkung eines abweisenden Urteils in einem Anfechtungsprozess teilhat (BVerwG, Beschl. v. 15.03.1968 - VII C 183.65 -, BVerwGE 29, 210 = GewArch 1969, 22; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 23.06.1988 - 2 BvR 260/88 -, NVwZ 1989, 141; BVerwG, Urt. v. 10.05.1994, a.a.O.; Urt. v. 28.07.1989 - 7 C 78/88 -, BVerwGE 82, 272 = DVBl. 1989, 1192 = NJW 1990, 199; Urt. v. 30.08.1988 - 9 C 47/87 -, NVwZ 1989, 161; ebenso Rennert, a.a.O., § 121 Rn. 27; Clausing, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Kommentar, § 121 Rn. 80; a.A. Schenke, VwGO, Kommentar, 15. Aufl. 2007, § 121 Rn. 21 sowie Hößlein, VerwArch 98 (2007), 127, 150).
28 
b) Einer Erstreckung der in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 17.02.1998 enthaltenen Feststellung über die Rechtmäßigkeit der Ausweisung auf das Verfahren auf Rücknahme der Ausweisung steht nicht entgegen, dass sich dieses klageabweisende Urteil unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH zur Rechtmäßigkeit der Ausweisung freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger (Urt. v. 29.04.2004 - C-482/01 und C-493/01 -, Slg. I-5257 = DVBl 2004, 876 = InfAuslR 2004, 268 = NVwZ 2004, 1099, ) sowie der hierauf basierenden Änderung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Urt. v. Urt. v. 03.08.2004, a.a.O.) nachträglich als unrichtig erweist. Denn die materielle Bindungswirkung des § 121 VwGO tritt grundsätzlich unabhängig davon ein, ob das rechtskräftige Urteil die Sach- und Rechtslage zutreffend gewürdigt hat oder nicht (BVerwG, Urt. v. 24.11.1998, a.a.O.; Urt. v. 08.12.1992, a.a.O.; Urt. v. 05.11.1985 - 6 C 22.84 -, NVwZ 1986, 293). Auch begründet eine spätere gerichtliche - auch höchstrichterliche - Klärung einer Sach- oder Rechtsfrage abweichend von dem früheren rechtskräftigen Urteil keine Änderung der Sach- oder Rechtslage, die eine Lösung von der Rechtskraftbindung rechtfertigen könnte (BVerwG, Urt. v. 31.07.2002 - 1 C 7/02 -, NVwZ 2003, Beilage Nr. I 1, 1; Urt. v. 18.09.2001, - 1 C 7/01 -, BVerwGE 115, 118 = DVBl. 2002, 343 = NVwZ 2002, 345 = DÖV 2002, 301 = InfAuslR 2002, 207). Dies ist auch im Gemeinschaftsrecht grundsätzlich anerkannt (EuGH, Urt. v. 16.03.2006 - C-234/04 -, , Slg. I-2585 = DVBl 2006, 569 = NJW 2006, 1577; Urt. v. 30.09.2003 - C-224/01 -, , Slg. I-10239 = NJW 2003, 3539 = DVBl 2003, 1516 = NVwZ 2004, 79; Urt. v. 01.06.1999 - C-126/97 -, , Slg. I-3055).
29 
Sofern der in Art. 10 EG verankerte Grundsatz der Zusammenarbeit die nationalen Behörden und Gerichte bei Vorliegen bestimmter Umstände verpflichtet, eine infolge einer innerstaatlichen Erschöpfung des Rechtswegs bestandskräftige Verwaltungsentscheidung zu überprüfen, um einer später vom Gerichtshof vorgenommenen Auslegung einer einschlägigen Bestimmung des Gemeinschaftsrechts Rechnung zu tragen (EuGH, Urt. v. 12.02.2008, a.a.O. sowie Urt. v. 13.01.2004 - C-453/00 -, , Slg. I-837 = DVBl 2004, 373 = NVwZ 2004, 459 = InfAuslR 2004, 139 = DÖV 2004, 530), gilt diese Verpflichtung immer nur im Rahmen der insbesondere durch das nationale Prozessrecht bestimmten Grenzen der Auslegung einer Rechtsnorm (vgl. EuGH, Urt. v. 12.02.2008, a.a.O.; vgl. auch Urt. v. 07.06.2007 - C-222/05 u.a. -, , Slg. I-4233 sowie Urt. v. 14.12.1995 - C-430/93 -, , Slg. I-4705), sodass - ohne eine entsprechende Regelung im nationalen Recht - auch über eine solche Verpflichtung eine Einschränkung der Bindungswirkung des § 121 VwGO nicht erreicht werden kann.
30 
Eine solche Regelung des nationalen Rechts, über die die präjudizielle Bindungswirkung eines abweisenden Urteils - auf das Tatbestandsmerkmal der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts in § 48 Abs. 1 LVwVfG - entfallen würde, findet sich nicht in der anerkannten Befugnis einer Behörde, trotz der gerichtlichen Bestätigung eines Verwaltungsakts auf dessen Vollzug zu verzichten oder diesen Verwaltungsakt dennoch aufzuheben (zu dieser Befugnis vgl. BVerwG, Urt. v. 27.01.1994 - 2 C 12.92 -, BVerwGE 95, 86 = BayVBl. 1994, 632 = NVwZ 1995, 388; Urt. v. 08.12.1992, a.a.O., m.w.N.; Urt. v. 13.09.1984 - 2 C 22/83 -, BVerwGE 70, 110 = NJW 1985, 280 = DVBl. 1985, 527; Urt. v. 04.06.1970 - II C 39.68 -, BVerwGE 35, 234 = DÖV 1970, 821 = DVBl. 1971, 272; Rennert, a.a.O., Rn. 27; Clausing, a.a.O., § 121 Rn. 31; Nicolai in: Redecker/v.Oertzen, VwGO, Kommentar, 14. Aufl. 2004, § 121 Rn. 10a und b; Kilian in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 121 Rn. 70). Diese Befugnis wurde ursprünglich mit dem im Zivilprozess anerkannten Grundsatz begründet, dass ein Urteil immer nur zugunsten, nicht jedoch zu Ungunsten der obsiegenden Partei wirke, und einer im Anfechtungsprozess obsiegenden Behörde deshalb - ebenso wie der in einem Zivilrechtsstreit obsiegenden Partei - die Möglichkeit erhalten bleibe, sich außerprozessual abweichend von der rechtskräftigen Entscheidung zu verhalten. Danach bleibt die gesetzliche Bindungswirkung nach § 121 VwGO aber gerade unangetastet (vgl. BVerwG, Urt. v. 04.06.1970, a.a.O.; Bachof, Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht, Verfahrensrecht Bd. II, 1967 Nr. 206; Menger, VerwArch 49 (1958), 368, 373; Haueisen, NJW 1963, 1329, 1333; Bullinger, DÖV 1964, 381; vgl. auch Seibert, Die Bindungswirkung von Verwaltungsakten, 1988, S. 586 ff. sowie Clausing, a.a.O., § 121 Rn. 31). Nichts anderes gilt dann, wenn diese Befugnis der Behörde, zugunsten des unterlegenen Beteiligten von der gerichtlich bestätigten Entscheidung abzuweichen, aus den Regelungen zum Verwaltungsverfahren abgeleitet und damit - dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung entsprechend - auf eine notwendige (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.06.1988 - 2 BvR 260/88 -, NVwZ 1989, 141) gesetzliche Grundlage gestellt wird (so BVerwG, Urt. v. 13.09.1984, a.a.O. sowie insb. Urt. v. 28.07.1989 - 7 C 78/88 -, BVerwGE 82, 272 = DVBl. 1989, 1192 = NJW 1990, 199 = NVwZ 1990, 156; vgl. auch Maurer, JZ 1993, 574; Kopp/Kopp, NVwZ 1994, 1; Erfmeyer, DVBl. 1997, 27). Denn hiernach findet sie ihre normative Grundlage ausschließlich in den - von der Entscheidung nach § 48 Abs. 1 LVwVfG zu trennenden - Regelungen zum Wiederaufgreifen des Verfahrens, welches von vornherein nur zugunsten und auf Antrag des Betroffenen erfolgen kann (vgl. § 51 Abs. 1 LVwVfG) und - aufgrund der Bezogenheit auf eine neue Sachentscheidung - von der Bindungswirkung eines Urteils über den Erstbescheid nicht erfasst wird (hierzu BVerwG, Urt. v. 13.09.1984, v. 28.07.1989, v. 27.01.1994, jeweils a.a.O.; ebenso wohl Rennert, a.a.O., § 121 Rn. 33 f.).
31 
Der Auffassung, die Behörde sei im Rahmen des § 48 Abs. 1 LVwVfG hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts von der - und sei es präjudiziellen - Bindungswirkung des rechtskräftigen Urteils suspendiert, sofern sie eine belastende Verfügung aufheben wolle (vgl. etwa Sachs, a.a.O., § 48 Rn. 51; Meyer in: Knack, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 48 Rn. 57; Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 10. Aufl. 2008, § 48 Rn. 16; ebenso wohl Ziekow, VwVfG, 2006, § 48 Rn. 12), kann indes nicht gefolgt werden. Denn § 48 Abs. 1 LVwVfG differenziert hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts nicht danach, ob dessen Rücknahme zugunsten oder zulasten des Betroffenen erfolgt. Die Anerkennung einer normativ geregelten Abweichung von der Bindungswirkung des § 121 VwGO müsste anderenfalls auch zu der – abzulehnenden - Ermächtigung führen, einen gerichtlich bestätigten, aber nachträglich als rechtswidrig erkannten Verwaltungsakt auch zulasten des betroffenen Adressaten aufzuheben (so etwa Erfmeyer, a.a.O.; Maurer, a.a.O.; ähnlich auch Kopp/Kopp, a.a.O.).
32 
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte die Ausweisung durch eine neue Sachentscheidung nach Wiederaufgreifen des Ausweisungsverfahrens unter Beachtung der rechtlichen Vorgaben für die Ausweisung freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger sowie der tatsächlichen Entwicklung des Klägers aufhebt.
33 
a) Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus § 51 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 LVwVfG.
34 
Nach dieser Regelung hat die Behörde auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn bestimmte Wiederaufgreifensgründe zu einer dem Betroffenen begünstigenden Sachentscheidung geführt hätten. Solche Wiederaufgreifensgründe sind indessen nicht gegeben. Insbesondere liegt in der Änderung der Rechtsprechung zu den Anforderungen an die Ausweisung freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger, wie sie sich in dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.08.2004 (- 1 C 30 .02 -, BVerwGE 121, 297) manifestiert, keine Änderung der Rechtslage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG. Gleiches gilt für die - vom Kläger geltend gemachte - Verschärfung der Anforderungen des Art. 8 Abs. 2 EMRK an die Verhältnismäßigkeit der Ausweisung von faktischen Inländern in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10.05.2007 - 2 BvR 304/07 - (InfAuslR 2007, 275 = ZAR 2007, 243 = NVwZ 2007, 946 = AuAS 2007, 242) und gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, etwa in dem Urteil vom 27.10.2005 (Individualbeschwerde Nr. 32231/02 - Keles ./. Deutschland, InfAuslR 2006, 3 = FamRZ 2006, 1351).
35 
Wenngleich § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG insoweit weiter gefasst ist als § 49 Abs. 2 Nr. 4 LVwVfG, wo von einer Änderung der Rechtsvorschrift die Rede ist, so gilt auch hier, dass es sich um Änderungen des materiellen Rechts, dem eine allgemein verbindliche Außenwirkung zukommt, handeln muss. Dem entspricht die Änderung der Rechtsprechung - mit Ausnahme der über die Rechtsprechung dokumentierten Änderung von Gewohnheitsrecht oder allgemeiner Rechtsauffassungen (hierzu Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 51 Rn. 30) - deshalb nicht, weil sich die gerichtliche Entscheidungsfindung stets in der rechtlichen Würdigung eines Sachverhalts am Maßstab der vorgegebenen Rechtsordnung erschöpft (BVerwG, Beschl. v. 03.05.1996 - 6 B 82/95 -, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 366; Beschl. v. 24.05.1995 - 1 B 60.95 -, InfAuslR 1995, 355 = NVwZ 1995, 1097 = Buchholz 316 § 51 Nr. 32; Beschl. v. 16.02.1993 - 9 B 241.92 - Buchholz 316 § 51 Nr. 29; Beschl. v. 25.05.1981 - 8 B 89/80 und 93/80 - NJW 1981, 2595 = Buchholz 316 § 51 VwVfG Nr. 9, jeweils zur Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung; vgl. auch Urt. v. 27.01.1994, a.a.O.; Urt. v. 08.12.1992, a.a.O. m.w.N.). Dies ist für die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte anerkannt (BVerwG, Beschl. v. 24.05.1995, a.a.O.; Beschl. v. 04.10.1993 - 6 B 35.93 -, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 319), gilt aber auch für die hier letztlich maßgebliche Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, der mit seinem Urteil vom 29.04.2004 (C-482/01 und C-493/01 -, , Slg. I-5257 = DVBl 2004, 876 = InfAuslR 2004, 268 = NVwZ 2004, 1099) die Änderung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den Maßstäben für die Ausweisung freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger erst veranlasst hat. Denn die Rechtsprechung dieses Gerichtshofs ist auch nach dessen Selbstverständnis ebenfalls nur rein deklaratorischer Natur (vgl. hierzu etwa EuGH, Urt. v. 12.02.2008 - C-2/06 -, , NJW 2008, 1212 = DÖV 2008, 505 m.w.N.).
36 
Angesichts des eindeutigen Wortlauts und des grundsätzlich abschließenden Charakters dieser Regelung kann die Einbeziehung der Rechtsprechungsänderung in den Wiederaufgreifensgrund des § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG auch nicht - ausnahmsweise - über die in Art. 10 EG verankerte Verpflichtung der nationalen Behörden und Gerichte begründet werden, bei Vorliegen bestimmter Umstände, eine infolge einer innerstaatlichen Erschöpfung des Rechtswegs bestandskräftige Verwaltungsentscheidung zu überprüfen, um einer später vom Gerichtshof vorgenommenen Auslegung einer einschlägigen Bestimmung des Gemeinschaftsrechts Rechnung zu tragen (vgl. EuGH, Urt. v. 12.02.2008, a.a.O. sowie Urt. v. 13.01.2004, a.a.O.). Abgesehen davon besteht für eine solche Einbeziehung auch unter dem Gesichtspunkt des gemeinschaftsrechtlichen Effektivitätsgrundsatzes kein Bedürfnis.
37 
Eine Behörde ist nämlich auch dann, wenn kein Wiederaufgreifensgrund i. S. des § 51 Abs. 1 LVwVfG vorliegt, befugt, ein abgeschlossenes Verwaltungsverfahren nach pflichtgemäßem Ermessen zugunsten des Betroffenen wiederaufzugreifen, um unter Aufhebung oder Abänderung des Erstbescheids eine neue Sachentscheidung zu treffen (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.09.2000 - 2 C 5/99 -, BayVBl 2001, 216 = DVBl. 2001, 726; Beschl. v. 23.02.2004 - 5 B 104/03 -, juris; Beschl. v. 25.05.1981 - 8 B 89.80 -, NJW 1981, 2595 = Buchholz 316 § 51 VwVfG Nr. 9 m.w.N; ebenso Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 12. Aufl. 2007, § 51 VI 2 b), S. 602; so wohl auch Rennert, a.a.O., § 121 Rn. 34). Ein solche Befugnis war bereits vor Inkrafttreten der Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder als ungeschriebener Rechtsgrundsatz des Verwaltungsverfahrensrechts anerkannt (vgl. BVerfG, Entsch. v. 17.12.1969 - 2 BvR 23/65 -, BVerfGE 27, 297 = DVBl. 1970, 270 = DÖV 1970, 231; BVerwG, Urt. v. 16.12.1971 - I C 31.68 -, BVerwGE 39, 197 = DÖV 1972, 419 = DVBl. 1972, 388; Urt. v. 30.01.1974 - VIII C 20.72 -, BVerwGE 44, 333; Urt. v. 28.07.1976 - 8 C 90.75 - Buchholz 412.3 § 16 Nr. 2; Urt. v. 14.12.1977 - 8 C 79.76 - Buchholz 316 § 36 Nr. 1) und wurde weder über die Regelung des § 51 LVwVfG noch über die neben dem Wiederaufgreifen des Verfahrens bestehenden Regelungen über die Rücknahme und den Widerruf eines Verwaltungsakts nach §§ 48, 49 LVwVfG verdrängt. Insofern ist die Kodifizierung der ungeschriebenen Rechtsgrundsätze des Verwaltungsverfahrens nur unvollständig und nicht abschließend erfolgt (hierzu auch Selmer, JuS 1987, 363, 366). Anders als unter Zugrundelegung der vom Senat nicht geteilten gegenteiligen Auffassung, die ein Wiederaufgreifen des Verfahrens außerhalb des § 51 LVwVfG allein nach den §§ 48, 49 LVwVfG für zulässig hält (etwa BVerwG, Beschl. v. 29.03.1999 - 1 DB 7/97 -, BVerwGE 113, 322 = DVBl. 1999, 931 = NVwZ 2000, 202; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 31.01.1989 - 9 S 1141/88 -, DVBl. 1989, 884 = NVwZ 1989, 882; Ruffert, a.a.O., § 25 IV Rn. 12; Ziekow, a.a.O., § 51 Rn. 27; Sachs, a.a.O., § 51 Rn. 16; speziell zur Überprüfung gemeinschaftsrechtswidriger Verwaltungsakte auch Britz/Richter, JuS 2005, 198), steht dieser Anspruch auch nicht im Konflikt mit der bundesrechtlichen Regelung zur Rechtskraft eines verwaltungsgerichtlichen Urteils über die Rechtmäßigkeit dieses Erstbescheids (hierzu BVerwG, Urt. v. 27.01.1994, - 2 C 12.92 - und Urt. v. 08.12.1992 - 1 C 12.92 -, jeweils a.a.O. m.w.N). Als unrichtig erkannte belastende Verwaltungsakte können bei Vorliegen eines - gemeinschaftsrechtlichen - Wiederaufgreifensgrundes daher trotz der Abweisung einer hiergegen gerichteten Anfechtungsklage auch rückwirkend aufgehoben oder durch eine gemeinschaftsrechtskonforme Regelung ersetzt werden. Hiermit wird auch der Verpflichtung Rechnung getragen, eine gemeinschaftsrechtlich notwendige Korrektur einer Regelung im Rahmen der Auslegung des nationalen Verfahrensrechts zu ermöglichen (zu dieser Verpflichtung vgl. EuGH, Urt. v. 13.03.2007 - C-432 -, , Slg. I-2271 = BayVBl 2007, 589 = NJW 2007, 3555 sowie Potacs, in: Bröhmer u.a., Internationale Gemeinschaft und Menschenrechte, Festschrift für Georg Ress, 2005, S. 729 und Gärditz, NWVBl 2006, 441).
38 
b) Allerdings kann der Kläger das Wiederaufgreifen des Verfahrens nach pflichtgemäßem Ermessen der Behörde - außerhalb des Anwendungsbereichs von § 51 Abs. 1 LVwVfG - mit dem Ziel einer erneuten Sachentscheidung über seine Ausweisung und damit auch eine Rücknahme der Ausweisung auf diesem Weg nicht (mehr) beanspruchen.
39 
Der Beklagte hat eine solche erneute Sachentscheidung über die Ausweisung des Klägers mit Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 17.03.2005 abgelehnt, ohne dass er hierbei die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hätte (vgl. § 114 Satz 1 VwGO).
40 
aa) Der Bescheid vom 17.03.2005 ist sowohl in seinem Tenor als auch in der Begründung ausdrücklich auf die Ablehnung eines Antrags auf „Wiederaufgreifen des Verfahrens“ bezogen. Dabei begründet es keinen nach § 114 Satz 1 VwGO relevanten Ermessensfehler, dass die Behörde ihre Ablehnung zunächst unter anderem mit der - sachlich unrichtigen Einlassung - begründet hat, die Ausweisung sei rechtmäßig. Denn der Beklagte hat die materielle Rechtswidrigkeit der Ausweisung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zugestanden und daraufhin die Ermessenserwägungen der Ablehnungsentscheidung gemäß § 114 Satz 2 VwGO mit dem Hinweis auf die Erfolglosigkeit der Klage gegen diese Ausweisung in zulässiger Weise ergänzt (zum Ergänzen von Ermessenserwägungen vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 114 Rn. 50; Rennert, a.a.O., § 114 Rn. 89 und Wolff in: Sodan/Ziekow, a.a.O., § 114 Rn. 208).
41 
bb) In der Form dieser Ergänzung begegnet die Ablehnung des Wiederaufgreifens des Verfahrens und der neuen Sachentscheidung über die Ausweisung des Klägers zunächst keinen gemeinschaftsrechtlichen Bedenken. Denn die Voraussetzungen für eine gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung des Beklagten, die infolge der innerstaatlichen Erschöpfung des Rechtswegs bestandskräftige, aber materiell gemeinschaftsrechtswidrige Ausweisungsentscheidung zu überprüfen (zu dieser Pflicht vgl. EuGH, Urt. v. 13.01.2004 - C-453/00 -, a.a.O.; Urt. v. 12.02.2008 - C-2/06, , a.a.O. sowie Weiß, DÖV 2008, 477; Pache/Bielitz, DVBl 2006, 325; Britz/Richter, a.a.O.), liegen nicht vor.
42 
Zwar hat der Kläger mit der Stellung seines - erfolglosen - Antrags auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 17.02.1998 den ihm nach nationalem Recht gegen die Ausweisung eröffneten Rechtsweg ausgeschöpft. Auch beruht das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 17.02.1998 auf einer unrichtigen Auslegung des Gemeinschaftsrechts. Denn das Verwaltungsgericht hätte die Ausweisung sowie den sie bestätigenden Widerspruchsbescheid schon deshalb aufheben müssen, weil die Ausweisung unter Verstoß gegen Art. 39 EG und Art. 3 RL 64/221/EWG ohne Ermessen als zwingende Rechtsfolge verfügt worden war; außerdem hätte es die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner Entscheidung zugrunde legen müssen. Insofern ist unerheblich, ob die Ausweisung hätte rechtsfehlerfrei nach Ermessen ausgesprochen werden können oder ob die Ausweisung - wie der Kläger vorgetragen hat - in jedem Fall gegen Art. 8 Abs. 1 EMRK verstoßen hätte. Schließlich hat der Kläger mit seinem Rücknahmeantrag den letztlich maßgeblichen Wiederaufgreifensgrund der Änderung der Rechtsprechung zur Rechtmäßigkeit der Ausweisung von freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern auch zeitnah geltend gemacht. Jedoch hat der Senat bei der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung nicht gegen die Verpflichtung aus Art. 234 Abs. 3 EG zur Einholung einer Vorabentscheidung verstoßen. Denn der Senat war in diesem konkreten Verfahren weder berechtigt noch verpflichtet, die Vereinbarkeit des § 47 AuslG i. V. m. § 12 AufenthG/EWG mit Art. 39 EG und Art. 3 RL 64/221/EWG sowie die Frage der maßgeblichen Sach- und Rechtslage für die gerichtliche Überprüfung der Ausweisung eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers zu prüfen. Vielmehr war er nach § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO an die vom Kläger dargelegten Zulassungsgründe gebunden, die sich gerade nicht auf diese Rechtsfragen bezogen (zur Maßgeblichkeit der nach nationalem Recht zu bestimmenden Prüfungspflicht vgl. EuGH, Urt. v. 12.02.2008 - C-2/06, , a.a.O).
43 
Von dem Erfordernis des pflichtwidrig unterlassenen Vorabentscheidungsersuchens ist auch nicht deshalb abzusehen, weil die Anwendbarkeit des § 47 AuslG i.v.m. § 12 AufenthG/EWG auf die Ausweisung eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers ebenso wie die Maßgeblichkeit der Sach- und Rechtslage bei Erlass der letzten Behördenentscheidung zum Zeitpunkt des Antrags auf Zulassung der Berufung durch die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt schien und deshalb eine entsprechende Rüge im Zulassungsantrag voraussichtlich keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte (zur damaligen Rechtsprechung vergleiche etwa BVerwG, Beschl. v. 29.09.1993 - 1 B 62.93 - Buchholz 402.240 § 48 AuslG 1990 Nr. 3; Urt. v. 27.10.1978 - 1 C 91.76 - BVerwGE 57, 61 und Urt. v. 11.06.1996 - 1 C 24.94 - BVerwGE 101, 247). Zwar dürften die Voraussetzungen für die Verpflichtung einer Behörde zur Berücksichtigung einer späteren Klärung einer gemeinschaftsrechtlichen Rechtsfrage durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in den Fällen, in denen die Verwaltungsentscheidung durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung bestätigt worden ist, mit den in den Rechtssachen "Kühne und Heitz" sowie "Kempter" formulierten Kriterien noch nicht in jeder Hinsicht abschießend bestimmt sein (vgl. Britz/Richter, a.a.O.; Frenz, DVBl. 2004, 374, 376). Allerdings erkennt das Gemeinschaftsrecht die Rechtskraft von gemeinschaftsrechtswidrigen Gerichtsentscheidungen grundsätzlich an (EuGH, Urt. v. 16.03.2006 - C-234/04 -, , Slg. I-2585 = DVBl 2006, 569 = NJW 2006, 1577; Urt. v. 30.09.2003 - C-224/01 -, , Slg. I-10239 = NJW 2003, 3539 = DVBl 2003, 1516 = NVwZ 2004, 79; Urt. v. 01.06.1999 - C-126/97 -, , Slg. I-3055) und fordert - außerhalb der nach nationalem Recht gegebenen Möglichkeiten einer Abweichung - eine Durchbrechung der Rechtskraft bislang allein bei einer Verletzung der Vorlagepflicht nach Art. 234 Abs. 3 EG (hierzu insb. Urt. v. 30.09.2003, a.a.O.; Ruffert, JZ 2004, 620, 621). Darüber hinaus ist es anerkannt, dass der Effektivitätsgrundsatz insoweit stets durch die nationalen prozessualen Regelungen zum Prüfungsumfang der zur Entscheidung befugten Gerichte beschränkt ist (EuGH, Urt. v. 07.06.2007 - C-222/05 u.a. -, , Slg. I-4233 sowie Urt. v. 14.12.1995 - C-430/93 -, , Slg. I-4705).
44 
cc) Die Ablehnung des Wiederaufgreifens des Verfahrens und damit auch einer Rücknahme der Ausweisung aufgrund neuer Sachentscheidung hält sich zudem in den Grenzen des nationalen Rechts.
45 
Eine Behörde handelt grundsätzlich nicht ermessensfehlerhaft, wenn sie eine erneute Sachentscheidung unter Hinweis auf die rechtskräftige gerichtliche Bestätigung ihrer Verwaltungsentscheidung ablehnt. Insoweit bedarf es regelmäßig keiner weiteren ins Einzelne gehenden Ermessenserwägungen. Ausnahmen bestehen nur dann, wenn im Einzelfall Umstände von einer den in § 51 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 VwVfG geregelten Fällen vergleichbaren Bedeutung und Gewicht vorliegen und die Aufrechterhaltung des Erstbescheides auch unter Berücksichtigung der Rechtskraft des diesen bestätigenden Urteils schlechthin unerträglich wäre (BVerwG, Urt. v. 27.01.1994, a.a.O., m.w.N.). Solche Umstände liegen hier jedoch nicht vor.
46 
Es besteht keine allgemeine Verwaltungspraxis, gegenüber der sich die Ablehnung des Wiederaufgreifens des Verfahrens als gleichheitswidrig erweisen würde. Vielmehr ist für den Beklagten maßgeblich, eine solche Verwaltungspraxis mit Blick auf den dann verbundenen Verwaltungsaufwand gerade zu vermeiden. Auch erscheint die Berufung der Behörde auf die Unanfechtbarkeit der Ausweisung und die Rechtskraft des Urteils des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 17.02.1998 nicht vor dem Hintergrund der hiermit für den Kläger verbundenen Belastungen als treu- oder sittenwidrig. Denn die gesetzlichen Wirkungen der Ausweisung sind auf den 23.02.2005 befristet worden, so dass der Kläger seitdem wieder ohne weitere Einschränkung nach Maßgabe des § 2 FreizügG/EU ins Bundesgebiet einreisen und sich dort aufhalten darf. Da sich der Kläger nach seiner Ausreise im Dezember 1998 bis heute überwiegend in Italien und Frankreich aufgehalten hat, führt die Verweigerung der in der Sache begehrten rückwirkenden Aufhebung der Ausweisung auch nicht dazu, dass dem Kläger eine über die Begründung eines verlängerten rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet verbesserte aufenthaltsrechtliche Stellung vorenthalten würde. Soweit dem Kläger über die Ablehnung des Wiederaufgreifens des Ausweisungsverfahrens die Möglichkeit genommen wird, mit einem - auf die Aufhebung der Ausweisung gestützten - Wiederaufnahmeantrag nach § 359 Nr. 4 oder 5 StPO in den mit rechtskräftigen Urteilen des Amtsgerichts Raststatt vom 08.08.2002 und des Landgerichts Baden-Baden vom 10.07.2003 abgeschlossenen Strafverfahren wegen unerlaubten Aufenthalts einen Freispruch zu erreichen, ist dies für ihn schon deshalb nicht schlechthin unerträglich, weil der Erfolg eines solchen Antrags durchaus nicht sicher ist und die strafgerichtliche Verurteilungen des Klägers nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt ihres Ergehens zu Recht erfolgt sind. Schließlich ist die Aufrechterhaltung der Ausweisung auch nicht deshalb schlechthin unerträglich, weil die Ausweisung und das sie bestätigende Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe offensichtlich rechtswidrig wären. Eine offensichtliche Rechtswidrigkeit in diesem Sinne ist dann gegeben, wenn an dem Verstoß der streitigen Maßnahme gegen formelles oder materielles Recht vernünftigerweise kein Zweifel besteht und sich deshalb die Rechtswidrigkeit aufdrängt. Hierbei ist maßgeblich auf den Zeitpunkt des Erlasses des die Ausweisung bestätigenden Urteils abzustellen. Eine spätere Klärung der Rechtsfrage und die damit eintretende Evidenz desselben bleiben außer Betracht (zur vergleichbaren Konstellation der Verpflichtung zur Rücknahme eines Verwaltungsakts nach § 48 Abs. 1 LVwVfG vgl. BVerwG Urt. v. 23.10.2007 - 1 C 10.07 -, AuAS 2008, 28 = InfAuslR 2008, 116 = NVwZ 2008, 326 = DÖV 2008, 329 = DVBl 2008, 189; Urt. v. 17.01.2007 - 6 C 32.06 -, NVwZ 2007, 709; Beschl. v. 07.07.2004 - 6 C 24/03 -, BVerwGE 121, 226, 229 ff. m.w.N.). Zu dem damit erheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts Karlsruhe am 17.02.1998 war die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit einer auf § 47 AuslG gestützten und damit ohne umfassende Ermessensentscheidung ausgesprochenen Ausweisung eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers ebenso wenig evident wie die Notwendigkeit, die Rechtmäßigkeit der Ausweisung nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts zu beurteilen. Vielmehr bestand eine ausdrücklich gegenteilige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. etwa Beschl. v. 29.09.1993, a.a.O.; Urt. v. 11.06.1996, a.a.O.), die erst mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.08.2004 (- 1 C 30/02 -, a.a.O.) aufgegeben wurde.
III.
47 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Der Senat sieht nach Ermessen davon ab, das Urteil hinsichtlich der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 167 Abs. 2 VwGO). Die Revision wird gemäß § 132 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, denn sie wirft die bisher höchstrichterlich noch nicht geklärte und für die Weiterentwicklung des Rechts bedeutsame Frage auf, ob die Bindung der Beteiligten nach § 121 VwGO an ein rechtskräftiges Urteil eines Verwaltungsgerichts, mit dem die Anfechtungsklage gegen einen belastenden Verwaltungsakt abgewiesen wurde, der Anwendbarkeit des § 48 Abs.1 Satz 1 (L)VwVfG entgegensteht.
48 
Beschluss vom 09.05.2008
        
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG auf
        
5.000,-- EUR
        
festgesetzt.
        
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
18 
Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl der Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war. Denn er wurde in der rechtzeitigen Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen (§ 125 Abs. 1 i.V.m. § 102 Abs. 2 VwGO).
I.
19 
Die Berufung ist nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthaft und auch sonst zulässig. Die Berufungsbegründung wurde form- und fristgemäß vorgelegt (§ 124a Abs. 1 bis 3 VwGO). Für die mit der Berufung begehrte Verpflichtung des Beklagten zur rückwirkenden Aufhebung der Ausweisung vom 22.07.1997 besteht auch ein Rechtsschutzbedürfnis.
20 
Zwar entfaltet die Ausweisung aufgrund der Befristung ihrer gesetzlichen Wirkungen in Bezug auf das Recht des Klägers, ins Bundesgebiet einzureisen und sich dort aufzuhalten, gegenwärtig keine belastende Regelungswirkung. Gleiches gilt für die aktuelle aufenthaltsrechtliche Stellung des Klägers - etwa im Hinblick auf einen gesteigerten Ausweisungsschutz nach § 6 Abs. 5 Freizüg/EU (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 28.06.2007 - 13 S 1045/07 -, VBlBW 2008, 68). Denn der Kläger hat sich nach seiner Ausreise im Dezember 1998 bis heute überwiegend in Italien und Frankreich aufgehalten, sodass die rückwirkende Aufhebung der Ausweisung nicht zur Folge hätte, dass sich der Kläger auf einen hierfür notwendigen verlängerten rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet berufen könnte.
21 
Allerdings führt die Ausweisung dazu, dass die verschiedenen Aufenthalte des Klägers im Bundesgebiet in der Zeit vor der Befristung der Wirkungen der Ausweisung als unerlaubt anzusehen sind. Hierdurch ist der Kläger nach wie vor belastet, weil er mit Urteil des Amtsgerichts Raststatt vom 08.08.2002 und des Landgerichts Baden-Baden vom 10.07.2003 wegen unerlaubten Aufenthalts zu einer Geld- und einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist. Insoweit ergibt sich das Rechtschutzbedürfnis daraus, dass der Kläger einen Antrag auf Wiederaufnahme dieser Strafverfahren stellen und unter Hinweis auf das - bei rückwirkender Aufhebung der Ausweisung - auch in der Vergangenheit gegebene Freizügigkeitsrecht als Unionsbürger jeweils einen Freispruch erreichen möchte. Zwar wird nach der wohl herrschenden Auffassung (vgl. Meyer-Goßner, StPO, Kommentar, 50. Aufl. 2007, § 359 Rn. 17 und 21 m.w.N.) in der Rücknahme einer - die Strafbarkeit begründenden - Verwaltungsentscheidung kein Wiederaufnahmegrund nach § 359 StPO gesehen. Es reicht aber aus, dass der Erfolg des Wiederaufnahmeantrags im Strafverfahren und damit der Nutzen der vorliegenden Klage für den Kläger weder tatsächlich noch rechtlich außer Zweifel steht (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.04.2004 - 3 C 25/03 -, BVerwGE 121, 1 = DVBl 2004, 1184 = NVwZ-RR 2004, 855; Urt. v. 21.11.1996 - 4 C 13/95 -, NJW 1997, 1173 = BRS 58 Nr. 233). Dies ist der Fall. Zum einen wird die Auffassung des Klägers, dass die Aufhebung der Ausweisung einer Aufhebung eines Urteils und damit dem Wiederaufnahmegrund nach § 359 Nr. 4 StPO gleichzustellen oder zumindest als neue Tatsache im Sinne des § 359 Nr. 5 StPO anzusehen ist, nicht nur in der Literatur, sondern auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geteilt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.08.1999 - 2 BvR 1322/97 -; Beschl. v. 23.05.1967 - 2 BvR 534/62 -, BVerfGE 22, 21 = NJW 1967, 1221; Schmidt in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 5. Aufl. 2003, § 359 Rn. 15; Schenke, JR 1970, 449; zur vergleichbaren Regelung des § 580 Nr. 6 ZPO vgl. BGH Urt. v. 21.01.1988 - III ZR 252/86 -, BGHZ 103, 121 = NJW 1988, 1914; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, Kommentar, 66. Aufl. 2008, § 580 Anm. 3 m.w.N.). Zum anderen ist die der herrschenden Auffassung zugrunde liegende Annahme, dass auch eine rückwirkende Aufhebung eines Verwaltungsakts die zuvor gegebene Strafbarkeit der Zuwiderhandlung gegen diesen nicht entfallen lässt (so ausdrücklich BGH, Beschl. v. 23.07.1969 - 4 StR 371/68 -, BGHSt 23, 86 = NJW 1969, 2023; OLG Karlsruhe, Urt. v. 28.04.1977 - 3 Ss 107/77 -, JZ 1977, 478 = NJW 1978, 116) jedenfalls für die Ausweisung von - anderenfalls freizügigkeitsberechtigten - Unionsbürgern durchaus umstritten (zum Meinungsstand vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 06.12.2006 - 3 Ws 346/05 -, InfAuslR 2007, 118 m.w.N.).
II.
22 
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen, denn der Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 17.03.2005 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
23 
Das Klagebegehren, das sich maßgebend nicht nur aus der Formulierung des Antrags, sondern auch aus dem Vortrag des Klägers, insbesondere der Klagebegründung ergibt (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.07.1976 - IV C 15.76 - Buchholz 310 § 88 VwGO Nr. 5; Rennert in: Eyermann, VwGO, Kommentar, 12. Aufl. 2006, § 88 Rn. 8 m.w.N.), zielt auf die rückwirkende Aufhebung der Ausweisung. Das ist sowohl durch Rücknahme nach § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG als auch durch eine neue Sachentscheidung nach Wiederaufgreifen des Ausweisungsverfahrens, etwa gemäß § 51 Abs. 1 LVwVfG, möglich (zum Verhältnis von Rücknahme und Wiederaufgreifen des Verfahrens vgl. Ruffert, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2005, § 25 Rn. 3; Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 10. Aufl. 2008, § 51 Rn. 9; Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Kommentar, 7. Aufl. 2008, § 51 Rn. 30; Baumeister, VerwArch 92 (2001), 374 m.w.N.; anders allerdings wohl BVerwG, Urt. v. 04.09.2007 - 1 C 21/07 -, BVerwGE 129, 243 = NVwZ 2008, 82 = DÖV 2008, 74 = InfAuslR 2008, 1, wonach das Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 LVwVfG der Rücknahme oder dem Widerruf vorgeschaltet sei; so auch Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Aufl. 2006, § 11 Rn. 11).
24 
1. Der Kläger hat keinen Anspruch nach § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG darauf, dass seine Ausweisung vom 22.07.1997 rückwirkend zurückgenommen wird. Zwar ist die Rücknahme einer Ausweisung gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG neben der – hier bereits erfolgten - Befristung ihrer gesetzlichen Wirkungen gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 bis 6 AufenthG bzw. § 7 Abs. 2 Satz 2 und 3 FreizügG/EU grundsätzlich möglich, solange die Ausweisung - wie hier - noch Regelungswirkungen äußert (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.10.2007 - 1 C 10.07 -, InfAuslR 2008, 116 = NVwZ 2008, 326 = DÖV 2008, 329 = DVBl 2008, 189 = ZAR 2008, 140). Der Kläger und der Beklagte - und damit auch der Senat - sind jedoch nach § 121 Nr. 1 VwGO gehindert, von der Rechtswidrigkeit der Ausweisung i. S. des § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG auszugehen.
25 
a) Zwar wurde die Ausweisung des freizügigkeitsberechtigten Klägers nach § 47 Abs. 1 AuslG i. V. m. § 12 Abs. 1 Satz 1 AufenthG/EWG verfügt, ohne dass der Beklagte das bei diesen Personen notwendige Ausweisungsermessen (hierzu BVerwG, Urt. v. 03.08.2004 - 1 C 30.02 -, BVerwGE 121, 297 = NVwZ 2005, 220 = DVBl. 2005, 122 = InfAuslR 2005, 18) betätigt hatte. Auch wurde die Rechtmäßigkeit der Ausweisung nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 20.11.1997 beurteilt und damit insbesondere die Entwicklung des Klägers bis zum Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 17.02.1998 außer Betracht gelassen. Allerdings begründen diese Umstände für die Beteiligten keine Rechtswidrigkeit der Ausweisung i. S. d. § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG, weil sie aufgrund des abweisenden Urteils des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 17.02.1998 - 11 K 4683/97 - davon ausgehen müssen, dass die Ausweisung rechtmäßig ist. Dies folgt aus § 121 Nr. 1 VwGO, wonach rechtskräftige Urteile die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist.
26 
Der Umfang der Bindungswirkung eines Urteils bestimmt sich nach der sich im Entscheidungssatz verkörpernden Schlussfolgerung des Gerichts aus der angewandten Rechtsnorm und dem festgestellten Lebenssachverhalt (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.05.1994 - 9 C 501/03 -, BVerwGE 96, 24 = DVBl 1994, 940 = DÖV 1994, 914 = NVwZ 1994, 1115 = VBlBW 1995, 8 m.w.N.). Dabei tritt die Bindungswirkung des Urteils nicht nur in den Fällen ein, in denen der identische Streitgegenstand erneut zur Entscheidung gestellt wird, sondern auch dann, wenn die rechtskräftige Zuerkennung oder Aberkennung eines prozessualen Anspruchs für einen anderen prozessualen Anspruch, der zwischen denselben Beteiligten streitig ist, vorgreiflich ist. Denn mit der Regelung des § 121 VwGO soll auch insoweit verhindert werden, dass die aus einem festgestellten Tatbestand hergeleitete Rechtsfolge, über die in einem Urteil entschieden worden ist, bei unveränderter Sach- und Rechtslage erneut - mit der Gefahr unterschiedlicher Ergebnisse - zum Gegenstand eines Verfahrens zwischen denselben Beteiligten gemacht wird (BVerwG, Urt. v. 24.11.1998 - 9 C 53/97 -, BVerwGE 108, 30 = NVwZ 1999, 302 = DVBl. 1999, 544 = InfAuslR 1999, 143; Urt. v. 10.05.1994, a.a.O.). Eine Vorgreiflichkeit der rechtskräftigen Vorentscheidung ist immer dann gegeben, wenn sie nach dem Umfang ihrer Rechtskraft ein Element liefert, das nach den einschlägigen materiell-rechtlichen Normen des zweiten Rechtsstreits notwendig ist, um die in diesem Prozess beanspruchte Rechtsfolge zu begründen (BVerwG, Urt. v. 31.01.2002 - 2 C 7.01 -, BVerwGE 116, 1 = NVwZ 2002, 853 = DVBl. 2002, 1219 = DÖV 2002, 864).
27 
Da der Streitgegenstand des dem Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 17.02.1998 - 11 K 4683/97 - zugrunde liegenden Verfahrens in der Rechtsbehauptung des Klägers besteht, dass die Ausweisung vom 22.07.1997 rechtswidrig ist und ihn in seinen Rechten verletzt (vgl. BVerwG, Urt. v. 31.01.2002, a.a.O.; Urt. v. 08.12.1992 - 1 C 12.92 -, BVerwGE 91, 256 = NVwZ 1993, 672 = DVBl. 1993, 258 = DÖV 1993, 718 = BayVBl 1993, 250; Rennert, a.a.O., § 121 Rn. 25 m.w.N.) und § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG gerade die Rechtswidrigkeit der Ausweisung voraussetzt, ist das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 17.02.1998 für den Anspruch auf Rücknahme der Ausweisung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG vorgreiflich. Dementsprechend nimmt auch die in der Abweisung der Anfechtungsklage des Klägers liegende Feststellung in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 17.02.1998 über die Rechtmäßigkeit der Ausweisung vom 22.07.1997 an der präjudiziellen Wirkung dieses Urteils für den Anspruch auf Rücknahme der Ausweisung teil. Zwar ergibt sich - anders als dies im Falle der Stattgabe in Bezug auf die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts der Fall ist - aus der Abweisung einer Anfechtungsklage nicht zwingend, dass der angefochtene Verwaltungsakt rechtmäßig ist. Vielmehr kann die Abweisung der Klage auch allein darin begründet sein, dass es an der Verletzung eines subjektiven Rechts oder gar an der Zulässigkeit der Klage fehlt. Dennoch ist es - trotz der damit gegebenen Notwendigkeit, den Umfang der Rechtskraft unter Heranziehung der die Abweisung der Klage tragenden Gründe zu bestimmen - anerkannt, dass sich die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts im Falle eines deshalb abweisenden Urteils nicht als bloße Vorfrage des Urteils darstellt, sondern an der Bindungswirkung eines abweisenden Urteils in einem Anfechtungsprozess teilhat (BVerwG, Beschl. v. 15.03.1968 - VII C 183.65 -, BVerwGE 29, 210 = GewArch 1969, 22; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 23.06.1988 - 2 BvR 260/88 -, NVwZ 1989, 141; BVerwG, Urt. v. 10.05.1994, a.a.O.; Urt. v. 28.07.1989 - 7 C 78/88 -, BVerwGE 82, 272 = DVBl. 1989, 1192 = NJW 1990, 199; Urt. v. 30.08.1988 - 9 C 47/87 -, NVwZ 1989, 161; ebenso Rennert, a.a.O., § 121 Rn. 27; Clausing, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Kommentar, § 121 Rn. 80; a.A. Schenke, VwGO, Kommentar, 15. Aufl. 2007, § 121 Rn. 21 sowie Hößlein, VerwArch 98 (2007), 127, 150).
28 
b) Einer Erstreckung der in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 17.02.1998 enthaltenen Feststellung über die Rechtmäßigkeit der Ausweisung auf das Verfahren auf Rücknahme der Ausweisung steht nicht entgegen, dass sich dieses klageabweisende Urteil unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH zur Rechtmäßigkeit der Ausweisung freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger (Urt. v. 29.04.2004 - C-482/01 und C-493/01 -, Slg. I-5257 = DVBl 2004, 876 = InfAuslR 2004, 268 = NVwZ 2004, 1099, ) sowie der hierauf basierenden Änderung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Urt. v. Urt. v. 03.08.2004, a.a.O.) nachträglich als unrichtig erweist. Denn die materielle Bindungswirkung des § 121 VwGO tritt grundsätzlich unabhängig davon ein, ob das rechtskräftige Urteil die Sach- und Rechtslage zutreffend gewürdigt hat oder nicht (BVerwG, Urt. v. 24.11.1998, a.a.O.; Urt. v. 08.12.1992, a.a.O.; Urt. v. 05.11.1985 - 6 C 22.84 -, NVwZ 1986, 293). Auch begründet eine spätere gerichtliche - auch höchstrichterliche - Klärung einer Sach- oder Rechtsfrage abweichend von dem früheren rechtskräftigen Urteil keine Änderung der Sach- oder Rechtslage, die eine Lösung von der Rechtskraftbindung rechtfertigen könnte (BVerwG, Urt. v. 31.07.2002 - 1 C 7/02 -, NVwZ 2003, Beilage Nr. I 1, 1; Urt. v. 18.09.2001, - 1 C 7/01 -, BVerwGE 115, 118 = DVBl. 2002, 343 = NVwZ 2002, 345 = DÖV 2002, 301 = InfAuslR 2002, 207). Dies ist auch im Gemeinschaftsrecht grundsätzlich anerkannt (EuGH, Urt. v. 16.03.2006 - C-234/04 -, , Slg. I-2585 = DVBl 2006, 569 = NJW 2006, 1577; Urt. v. 30.09.2003 - C-224/01 -, , Slg. I-10239 = NJW 2003, 3539 = DVBl 2003, 1516 = NVwZ 2004, 79; Urt. v. 01.06.1999 - C-126/97 -, , Slg. I-3055).
29 
Sofern der in Art. 10 EG verankerte Grundsatz der Zusammenarbeit die nationalen Behörden und Gerichte bei Vorliegen bestimmter Umstände verpflichtet, eine infolge einer innerstaatlichen Erschöpfung des Rechtswegs bestandskräftige Verwaltungsentscheidung zu überprüfen, um einer später vom Gerichtshof vorgenommenen Auslegung einer einschlägigen Bestimmung des Gemeinschaftsrechts Rechnung zu tragen (EuGH, Urt. v. 12.02.2008, a.a.O. sowie Urt. v. 13.01.2004 - C-453/00 -, , Slg. I-837 = DVBl 2004, 373 = NVwZ 2004, 459 = InfAuslR 2004, 139 = DÖV 2004, 530), gilt diese Verpflichtung immer nur im Rahmen der insbesondere durch das nationale Prozessrecht bestimmten Grenzen der Auslegung einer Rechtsnorm (vgl. EuGH, Urt. v. 12.02.2008, a.a.O.; vgl. auch Urt. v. 07.06.2007 - C-222/05 u.a. -, , Slg. I-4233 sowie Urt. v. 14.12.1995 - C-430/93 -, , Slg. I-4705), sodass - ohne eine entsprechende Regelung im nationalen Recht - auch über eine solche Verpflichtung eine Einschränkung der Bindungswirkung des § 121 VwGO nicht erreicht werden kann.
30 
Eine solche Regelung des nationalen Rechts, über die die präjudizielle Bindungswirkung eines abweisenden Urteils - auf das Tatbestandsmerkmal der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts in § 48 Abs. 1 LVwVfG - entfallen würde, findet sich nicht in der anerkannten Befugnis einer Behörde, trotz der gerichtlichen Bestätigung eines Verwaltungsakts auf dessen Vollzug zu verzichten oder diesen Verwaltungsakt dennoch aufzuheben (zu dieser Befugnis vgl. BVerwG, Urt. v. 27.01.1994 - 2 C 12.92 -, BVerwGE 95, 86 = BayVBl. 1994, 632 = NVwZ 1995, 388; Urt. v. 08.12.1992, a.a.O., m.w.N.; Urt. v. 13.09.1984 - 2 C 22/83 -, BVerwGE 70, 110 = NJW 1985, 280 = DVBl. 1985, 527; Urt. v. 04.06.1970 - II C 39.68 -, BVerwGE 35, 234 = DÖV 1970, 821 = DVBl. 1971, 272; Rennert, a.a.O., Rn. 27; Clausing, a.a.O., § 121 Rn. 31; Nicolai in: Redecker/v.Oertzen, VwGO, Kommentar, 14. Aufl. 2004, § 121 Rn. 10a und b; Kilian in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 121 Rn. 70). Diese Befugnis wurde ursprünglich mit dem im Zivilprozess anerkannten Grundsatz begründet, dass ein Urteil immer nur zugunsten, nicht jedoch zu Ungunsten der obsiegenden Partei wirke, und einer im Anfechtungsprozess obsiegenden Behörde deshalb - ebenso wie der in einem Zivilrechtsstreit obsiegenden Partei - die Möglichkeit erhalten bleibe, sich außerprozessual abweichend von der rechtskräftigen Entscheidung zu verhalten. Danach bleibt die gesetzliche Bindungswirkung nach § 121 VwGO aber gerade unangetastet (vgl. BVerwG, Urt. v. 04.06.1970, a.a.O.; Bachof, Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht, Verfahrensrecht Bd. II, 1967 Nr. 206; Menger, VerwArch 49 (1958), 368, 373; Haueisen, NJW 1963, 1329, 1333; Bullinger, DÖV 1964, 381; vgl. auch Seibert, Die Bindungswirkung von Verwaltungsakten, 1988, S. 586 ff. sowie Clausing, a.a.O., § 121 Rn. 31). Nichts anderes gilt dann, wenn diese Befugnis der Behörde, zugunsten des unterlegenen Beteiligten von der gerichtlich bestätigten Entscheidung abzuweichen, aus den Regelungen zum Verwaltungsverfahren abgeleitet und damit - dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung entsprechend - auf eine notwendige (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.06.1988 - 2 BvR 260/88 -, NVwZ 1989, 141) gesetzliche Grundlage gestellt wird (so BVerwG, Urt. v. 13.09.1984, a.a.O. sowie insb. Urt. v. 28.07.1989 - 7 C 78/88 -, BVerwGE 82, 272 = DVBl. 1989, 1192 = NJW 1990, 199 = NVwZ 1990, 156; vgl. auch Maurer, JZ 1993, 574; Kopp/Kopp, NVwZ 1994, 1; Erfmeyer, DVBl. 1997, 27). Denn hiernach findet sie ihre normative Grundlage ausschließlich in den - von der Entscheidung nach § 48 Abs. 1 LVwVfG zu trennenden - Regelungen zum Wiederaufgreifen des Verfahrens, welches von vornherein nur zugunsten und auf Antrag des Betroffenen erfolgen kann (vgl. § 51 Abs. 1 LVwVfG) und - aufgrund der Bezogenheit auf eine neue Sachentscheidung - von der Bindungswirkung eines Urteils über den Erstbescheid nicht erfasst wird (hierzu BVerwG, Urt. v. 13.09.1984, v. 28.07.1989, v. 27.01.1994, jeweils a.a.O.; ebenso wohl Rennert, a.a.O., § 121 Rn. 33 f.).
31 
Der Auffassung, die Behörde sei im Rahmen des § 48 Abs. 1 LVwVfG hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts von der - und sei es präjudiziellen - Bindungswirkung des rechtskräftigen Urteils suspendiert, sofern sie eine belastende Verfügung aufheben wolle (vgl. etwa Sachs, a.a.O., § 48 Rn. 51; Meyer in: Knack, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 48 Rn. 57; Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 10. Aufl. 2008, § 48 Rn. 16; ebenso wohl Ziekow, VwVfG, 2006, § 48 Rn. 12), kann indes nicht gefolgt werden. Denn § 48 Abs. 1 LVwVfG differenziert hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts nicht danach, ob dessen Rücknahme zugunsten oder zulasten des Betroffenen erfolgt. Die Anerkennung einer normativ geregelten Abweichung von der Bindungswirkung des § 121 VwGO müsste anderenfalls auch zu der – abzulehnenden - Ermächtigung führen, einen gerichtlich bestätigten, aber nachträglich als rechtswidrig erkannten Verwaltungsakt auch zulasten des betroffenen Adressaten aufzuheben (so etwa Erfmeyer, a.a.O.; Maurer, a.a.O.; ähnlich auch Kopp/Kopp, a.a.O.).
32 
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte die Ausweisung durch eine neue Sachentscheidung nach Wiederaufgreifen des Ausweisungsverfahrens unter Beachtung der rechtlichen Vorgaben für die Ausweisung freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger sowie der tatsächlichen Entwicklung des Klägers aufhebt.
33 
a) Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus § 51 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 LVwVfG.
34 
Nach dieser Regelung hat die Behörde auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn bestimmte Wiederaufgreifensgründe zu einer dem Betroffenen begünstigenden Sachentscheidung geführt hätten. Solche Wiederaufgreifensgründe sind indessen nicht gegeben. Insbesondere liegt in der Änderung der Rechtsprechung zu den Anforderungen an die Ausweisung freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger, wie sie sich in dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.08.2004 (- 1 C 30 .02 -, BVerwGE 121, 297) manifestiert, keine Änderung der Rechtslage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG. Gleiches gilt für die - vom Kläger geltend gemachte - Verschärfung der Anforderungen des Art. 8 Abs. 2 EMRK an die Verhältnismäßigkeit der Ausweisung von faktischen Inländern in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10.05.2007 - 2 BvR 304/07 - (InfAuslR 2007, 275 = ZAR 2007, 243 = NVwZ 2007, 946 = AuAS 2007, 242) und gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, etwa in dem Urteil vom 27.10.2005 (Individualbeschwerde Nr. 32231/02 - Keles ./. Deutschland, InfAuslR 2006, 3 = FamRZ 2006, 1351).
35 
Wenngleich § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG insoweit weiter gefasst ist als § 49 Abs. 2 Nr. 4 LVwVfG, wo von einer Änderung der Rechtsvorschrift die Rede ist, so gilt auch hier, dass es sich um Änderungen des materiellen Rechts, dem eine allgemein verbindliche Außenwirkung zukommt, handeln muss. Dem entspricht die Änderung der Rechtsprechung - mit Ausnahme der über die Rechtsprechung dokumentierten Änderung von Gewohnheitsrecht oder allgemeiner Rechtsauffassungen (hierzu Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 51 Rn. 30) - deshalb nicht, weil sich die gerichtliche Entscheidungsfindung stets in der rechtlichen Würdigung eines Sachverhalts am Maßstab der vorgegebenen Rechtsordnung erschöpft (BVerwG, Beschl. v. 03.05.1996 - 6 B 82/95 -, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 366; Beschl. v. 24.05.1995 - 1 B 60.95 -, InfAuslR 1995, 355 = NVwZ 1995, 1097 = Buchholz 316 § 51 Nr. 32; Beschl. v. 16.02.1993 - 9 B 241.92 - Buchholz 316 § 51 Nr. 29; Beschl. v. 25.05.1981 - 8 B 89/80 und 93/80 - NJW 1981, 2595 = Buchholz 316 § 51 VwVfG Nr. 9, jeweils zur Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung; vgl. auch Urt. v. 27.01.1994, a.a.O.; Urt. v. 08.12.1992, a.a.O. m.w.N.). Dies ist für die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte anerkannt (BVerwG, Beschl. v. 24.05.1995, a.a.O.; Beschl. v. 04.10.1993 - 6 B 35.93 -, Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 319), gilt aber auch für die hier letztlich maßgebliche Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, der mit seinem Urteil vom 29.04.2004 (C-482/01 und C-493/01 -, , Slg. I-5257 = DVBl 2004, 876 = InfAuslR 2004, 268 = NVwZ 2004, 1099) die Änderung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den Maßstäben für die Ausweisung freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger erst veranlasst hat. Denn die Rechtsprechung dieses Gerichtshofs ist auch nach dessen Selbstverständnis ebenfalls nur rein deklaratorischer Natur (vgl. hierzu etwa EuGH, Urt. v. 12.02.2008 - C-2/06 -, , NJW 2008, 1212 = DÖV 2008, 505 m.w.N.).
36 
Angesichts des eindeutigen Wortlauts und des grundsätzlich abschließenden Charakters dieser Regelung kann die Einbeziehung der Rechtsprechungsänderung in den Wiederaufgreifensgrund des § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG auch nicht - ausnahmsweise - über die in Art. 10 EG verankerte Verpflichtung der nationalen Behörden und Gerichte begründet werden, bei Vorliegen bestimmter Umstände, eine infolge einer innerstaatlichen Erschöpfung des Rechtswegs bestandskräftige Verwaltungsentscheidung zu überprüfen, um einer später vom Gerichtshof vorgenommenen Auslegung einer einschlägigen Bestimmung des Gemeinschaftsrechts Rechnung zu tragen (vgl. EuGH, Urt. v. 12.02.2008, a.a.O. sowie Urt. v. 13.01.2004, a.a.O.). Abgesehen davon besteht für eine solche Einbeziehung auch unter dem Gesichtspunkt des gemeinschaftsrechtlichen Effektivitätsgrundsatzes kein Bedürfnis.
37 
Eine Behörde ist nämlich auch dann, wenn kein Wiederaufgreifensgrund i. S. des § 51 Abs. 1 LVwVfG vorliegt, befugt, ein abgeschlossenes Verwaltungsverfahren nach pflichtgemäßem Ermessen zugunsten des Betroffenen wiederaufzugreifen, um unter Aufhebung oder Abänderung des Erstbescheids eine neue Sachentscheidung zu treffen (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.09.2000 - 2 C 5/99 -, BayVBl 2001, 216 = DVBl. 2001, 726; Beschl. v. 23.02.2004 - 5 B 104/03 -, juris; Beschl. v. 25.05.1981 - 8 B 89.80 -, NJW 1981, 2595 = Buchholz 316 § 51 VwVfG Nr. 9 m.w.N; ebenso Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 12. Aufl. 2007, § 51 VI 2 b), S. 602; so wohl auch Rennert, a.a.O., § 121 Rn. 34). Ein solche Befugnis war bereits vor Inkrafttreten der Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder als ungeschriebener Rechtsgrundsatz des Verwaltungsverfahrensrechts anerkannt (vgl. BVerfG, Entsch. v. 17.12.1969 - 2 BvR 23/65 -, BVerfGE 27, 297 = DVBl. 1970, 270 = DÖV 1970, 231; BVerwG, Urt. v. 16.12.1971 - I C 31.68 -, BVerwGE 39, 197 = DÖV 1972, 419 = DVBl. 1972, 388; Urt. v. 30.01.1974 - VIII C 20.72 -, BVerwGE 44, 333; Urt. v. 28.07.1976 - 8 C 90.75 - Buchholz 412.3 § 16 Nr. 2; Urt. v. 14.12.1977 - 8 C 79.76 - Buchholz 316 § 36 Nr. 1) und wurde weder über die Regelung des § 51 LVwVfG noch über die neben dem Wiederaufgreifen des Verfahrens bestehenden Regelungen über die Rücknahme und den Widerruf eines Verwaltungsakts nach §§ 48, 49 LVwVfG verdrängt. Insofern ist die Kodifizierung der ungeschriebenen Rechtsgrundsätze des Verwaltungsverfahrens nur unvollständig und nicht abschließend erfolgt (hierzu auch Selmer, JuS 1987, 363, 366). Anders als unter Zugrundelegung der vom Senat nicht geteilten gegenteiligen Auffassung, die ein Wiederaufgreifen des Verfahrens außerhalb des § 51 LVwVfG allein nach den §§ 48, 49 LVwVfG für zulässig hält (etwa BVerwG, Beschl. v. 29.03.1999 - 1 DB 7/97 -, BVerwGE 113, 322 = DVBl. 1999, 931 = NVwZ 2000, 202; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 31.01.1989 - 9 S 1141/88 -, DVBl. 1989, 884 = NVwZ 1989, 882; Ruffert, a.a.O., § 25 IV Rn. 12; Ziekow, a.a.O., § 51 Rn. 27; Sachs, a.a.O., § 51 Rn. 16; speziell zur Überprüfung gemeinschaftsrechtswidriger Verwaltungsakte auch Britz/Richter, JuS 2005, 198), steht dieser Anspruch auch nicht im Konflikt mit der bundesrechtlichen Regelung zur Rechtskraft eines verwaltungsgerichtlichen Urteils über die Rechtmäßigkeit dieses Erstbescheids (hierzu BVerwG, Urt. v. 27.01.1994, - 2 C 12.92 - und Urt. v. 08.12.1992 - 1 C 12.92 -, jeweils a.a.O. m.w.N). Als unrichtig erkannte belastende Verwaltungsakte können bei Vorliegen eines - gemeinschaftsrechtlichen - Wiederaufgreifensgrundes daher trotz der Abweisung einer hiergegen gerichteten Anfechtungsklage auch rückwirkend aufgehoben oder durch eine gemeinschaftsrechtskonforme Regelung ersetzt werden. Hiermit wird auch der Verpflichtung Rechnung getragen, eine gemeinschaftsrechtlich notwendige Korrektur einer Regelung im Rahmen der Auslegung des nationalen Verfahrensrechts zu ermöglichen (zu dieser Verpflichtung vgl. EuGH, Urt. v. 13.03.2007 - C-432 -, , Slg. I-2271 = BayVBl 2007, 589 = NJW 2007, 3555 sowie Potacs, in: Bröhmer u.a., Internationale Gemeinschaft und Menschenrechte, Festschrift für Georg Ress, 2005, S. 729 und Gärditz, NWVBl 2006, 441).
38 
b) Allerdings kann der Kläger das Wiederaufgreifen des Verfahrens nach pflichtgemäßem Ermessen der Behörde - außerhalb des Anwendungsbereichs von § 51 Abs. 1 LVwVfG - mit dem Ziel einer erneuten Sachentscheidung über seine Ausweisung und damit auch eine Rücknahme der Ausweisung auf diesem Weg nicht (mehr) beanspruchen.
39 
Der Beklagte hat eine solche erneute Sachentscheidung über die Ausweisung des Klägers mit Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 17.03.2005 abgelehnt, ohne dass er hierbei die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hätte (vgl. § 114 Satz 1 VwGO).
40 
aa) Der Bescheid vom 17.03.2005 ist sowohl in seinem Tenor als auch in der Begründung ausdrücklich auf die Ablehnung eines Antrags auf „Wiederaufgreifen des Verfahrens“ bezogen. Dabei begründet es keinen nach § 114 Satz 1 VwGO relevanten Ermessensfehler, dass die Behörde ihre Ablehnung zunächst unter anderem mit der - sachlich unrichtigen Einlassung - begründet hat, die Ausweisung sei rechtmäßig. Denn der Beklagte hat die materielle Rechtswidrigkeit der Ausweisung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zugestanden und daraufhin die Ermessenserwägungen der Ablehnungsentscheidung gemäß § 114 Satz 2 VwGO mit dem Hinweis auf die Erfolglosigkeit der Klage gegen diese Ausweisung in zulässiger Weise ergänzt (zum Ergänzen von Ermessenserwägungen vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 114 Rn. 50; Rennert, a.a.O., § 114 Rn. 89 und Wolff in: Sodan/Ziekow, a.a.O., § 114 Rn. 208).
41 
bb) In der Form dieser Ergänzung begegnet die Ablehnung des Wiederaufgreifens des Verfahrens und der neuen Sachentscheidung über die Ausweisung des Klägers zunächst keinen gemeinschaftsrechtlichen Bedenken. Denn die Voraussetzungen für eine gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung des Beklagten, die infolge der innerstaatlichen Erschöpfung des Rechtswegs bestandskräftige, aber materiell gemeinschaftsrechtswidrige Ausweisungsentscheidung zu überprüfen (zu dieser Pflicht vgl. EuGH, Urt. v. 13.01.2004 - C-453/00 -, a.a.O.; Urt. v. 12.02.2008 - C-2/06, , a.a.O. sowie Weiß, DÖV 2008, 477; Pache/Bielitz, DVBl 2006, 325; Britz/Richter, a.a.O.), liegen nicht vor.
42 
Zwar hat der Kläger mit der Stellung seines - erfolglosen - Antrags auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 17.02.1998 den ihm nach nationalem Recht gegen die Ausweisung eröffneten Rechtsweg ausgeschöpft. Auch beruht das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 17.02.1998 auf einer unrichtigen Auslegung des Gemeinschaftsrechts. Denn das Verwaltungsgericht hätte die Ausweisung sowie den sie bestätigenden Widerspruchsbescheid schon deshalb aufheben müssen, weil die Ausweisung unter Verstoß gegen Art. 39 EG und Art. 3 RL 64/221/EWG ohne Ermessen als zwingende Rechtsfolge verfügt worden war; außerdem hätte es die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner Entscheidung zugrunde legen müssen. Insofern ist unerheblich, ob die Ausweisung hätte rechtsfehlerfrei nach Ermessen ausgesprochen werden können oder ob die Ausweisung - wie der Kläger vorgetragen hat - in jedem Fall gegen Art. 8 Abs. 1 EMRK verstoßen hätte. Schließlich hat der Kläger mit seinem Rücknahmeantrag den letztlich maßgeblichen Wiederaufgreifensgrund der Änderung der Rechtsprechung zur Rechtmäßigkeit der Ausweisung von freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern auch zeitnah geltend gemacht. Jedoch hat der Senat bei der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung nicht gegen die Verpflichtung aus Art. 234 Abs. 3 EG zur Einholung einer Vorabentscheidung verstoßen. Denn der Senat war in diesem konkreten Verfahren weder berechtigt noch verpflichtet, die Vereinbarkeit des § 47 AuslG i. V. m. § 12 AufenthG/EWG mit Art. 39 EG und Art. 3 RL 64/221/EWG sowie die Frage der maßgeblichen Sach- und Rechtslage für die gerichtliche Überprüfung der Ausweisung eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers zu prüfen. Vielmehr war er nach § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO an die vom Kläger dargelegten Zulassungsgründe gebunden, die sich gerade nicht auf diese Rechtsfragen bezogen (zur Maßgeblichkeit der nach nationalem Recht zu bestimmenden Prüfungspflicht vgl. EuGH, Urt. v. 12.02.2008 - C-2/06, , a.a.O).
43 
Von dem Erfordernis des pflichtwidrig unterlassenen Vorabentscheidungsersuchens ist auch nicht deshalb abzusehen, weil die Anwendbarkeit des § 47 AuslG i.v.m. § 12 AufenthG/EWG auf die Ausweisung eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers ebenso wie die Maßgeblichkeit der Sach- und Rechtslage bei Erlass der letzten Behördenentscheidung zum Zeitpunkt des Antrags auf Zulassung der Berufung durch die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt schien und deshalb eine entsprechende Rüge im Zulassungsantrag voraussichtlich keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte (zur damaligen Rechtsprechung vergleiche etwa BVerwG, Beschl. v. 29.09.1993 - 1 B 62.93 - Buchholz 402.240 § 48 AuslG 1990 Nr. 3; Urt. v. 27.10.1978 - 1 C 91.76 - BVerwGE 57, 61 und Urt. v. 11.06.1996 - 1 C 24.94 - BVerwGE 101, 247). Zwar dürften die Voraussetzungen für die Verpflichtung einer Behörde zur Berücksichtigung einer späteren Klärung einer gemeinschaftsrechtlichen Rechtsfrage durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in den Fällen, in denen die Verwaltungsentscheidung durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung bestätigt worden ist, mit den in den Rechtssachen "Kühne und Heitz" sowie "Kempter" formulierten Kriterien noch nicht in jeder Hinsicht abschießend bestimmt sein (vgl. Britz/Richter, a.a.O.; Frenz, DVBl. 2004, 374, 376). Allerdings erkennt das Gemeinschaftsrecht die Rechtskraft von gemeinschaftsrechtswidrigen Gerichtsentscheidungen grundsätzlich an (EuGH, Urt. v. 16.03.2006 - C-234/04 -, , Slg. I-2585 = DVBl 2006, 569 = NJW 2006, 1577; Urt. v. 30.09.2003 - C-224/01 -, , Slg. I-10239 = NJW 2003, 3539 = DVBl 2003, 1516 = NVwZ 2004, 79; Urt. v. 01.06.1999 - C-126/97 -, , Slg. I-3055) und fordert - außerhalb der nach nationalem Recht gegebenen Möglichkeiten einer Abweichung - eine Durchbrechung der Rechtskraft bislang allein bei einer Verletzung der Vorlagepflicht nach Art. 234 Abs. 3 EG (hierzu insb. Urt. v. 30.09.2003, a.a.O.; Ruffert, JZ 2004, 620, 621). Darüber hinaus ist es anerkannt, dass der Effektivitätsgrundsatz insoweit stets durch die nationalen prozessualen Regelungen zum Prüfungsumfang der zur Entscheidung befugten Gerichte beschränkt ist (EuGH, Urt. v. 07.06.2007 - C-222/05 u.a. -, , Slg. I-4233 sowie Urt. v. 14.12.1995 - C-430/93 -, , Slg. I-4705).
44 
cc) Die Ablehnung des Wiederaufgreifens des Verfahrens und damit auch einer Rücknahme der Ausweisung aufgrund neuer Sachentscheidung hält sich zudem in den Grenzen des nationalen Rechts.
45 
Eine Behörde handelt grundsätzlich nicht ermessensfehlerhaft, wenn sie eine erneute Sachentscheidung unter Hinweis auf die rechtskräftige gerichtliche Bestätigung ihrer Verwaltungsentscheidung ablehnt. Insoweit bedarf es regelmäßig keiner weiteren ins Einzelne gehenden Ermessenserwägungen. Ausnahmen bestehen nur dann, wenn im Einzelfall Umstände von einer den in § 51 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 VwVfG geregelten Fällen vergleichbaren Bedeutung und Gewicht vorliegen und die Aufrechterhaltung des Erstbescheides auch unter Berücksichtigung der Rechtskraft des diesen bestätigenden Urteils schlechthin unerträglich wäre (BVerwG, Urt. v. 27.01.1994, a.a.O., m.w.N.). Solche Umstände liegen hier jedoch nicht vor.
46 
Es besteht keine allgemeine Verwaltungspraxis, gegenüber der sich die Ablehnung des Wiederaufgreifens des Verfahrens als gleichheitswidrig erweisen würde. Vielmehr ist für den Beklagten maßgeblich, eine solche Verwaltungspraxis mit Blick auf den dann verbundenen Verwaltungsaufwand gerade zu vermeiden. Auch erscheint die Berufung der Behörde auf die Unanfechtbarkeit der Ausweisung und die Rechtskraft des Urteils des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 17.02.1998 nicht vor dem Hintergrund der hiermit für den Kläger verbundenen Belastungen als treu- oder sittenwidrig. Denn die gesetzlichen Wirkungen der Ausweisung sind auf den 23.02.2005 befristet worden, so dass der Kläger seitdem wieder ohne weitere Einschränkung nach Maßgabe des § 2 FreizügG/EU ins Bundesgebiet einreisen und sich dort aufhalten darf. Da sich der Kläger nach seiner Ausreise im Dezember 1998 bis heute überwiegend in Italien und Frankreich aufgehalten hat, führt die Verweigerung der in der Sache begehrten rückwirkenden Aufhebung der Ausweisung auch nicht dazu, dass dem Kläger eine über die Begründung eines verlängerten rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet verbesserte aufenthaltsrechtliche Stellung vorenthalten würde. Soweit dem Kläger über die Ablehnung des Wiederaufgreifens des Ausweisungsverfahrens die Möglichkeit genommen wird, mit einem - auf die Aufhebung der Ausweisung gestützten - Wiederaufnahmeantrag nach § 359 Nr. 4 oder 5 StPO in den mit rechtskräftigen Urteilen des Amtsgerichts Raststatt vom 08.08.2002 und des Landgerichts Baden-Baden vom 10.07.2003 abgeschlossenen Strafverfahren wegen unerlaubten Aufenthalts einen Freispruch zu erreichen, ist dies für ihn schon deshalb nicht schlechthin unerträglich, weil der Erfolg eines solchen Antrags durchaus nicht sicher ist und die strafgerichtliche Verurteilungen des Klägers nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt ihres Ergehens zu Recht erfolgt sind. Schließlich ist die Aufrechterhaltung der Ausweisung auch nicht deshalb schlechthin unerträglich, weil die Ausweisung und das sie bestätigende Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe offensichtlich rechtswidrig wären. Eine offensichtliche Rechtswidrigkeit in diesem Sinne ist dann gegeben, wenn an dem Verstoß der streitigen Maßnahme gegen formelles oder materielles Recht vernünftigerweise kein Zweifel besteht und sich deshalb die Rechtswidrigkeit aufdrängt. Hierbei ist maßgeblich auf den Zeitpunkt des Erlasses des die Ausweisung bestätigenden Urteils abzustellen. Eine spätere Klärung der Rechtsfrage und die damit eintretende Evidenz desselben bleiben außer Betracht (zur vergleichbaren Konstellation der Verpflichtung zur Rücknahme eines Verwaltungsakts nach § 48 Abs. 1 LVwVfG vgl. BVerwG Urt. v. 23.10.2007 - 1 C 10.07 -, AuAS 2008, 28 = InfAuslR 2008, 116 = NVwZ 2008, 326 = DÖV 2008, 329 = DVBl 2008, 189; Urt. v. 17.01.2007 - 6 C 32.06 -, NVwZ 2007, 709; Beschl. v. 07.07.2004 - 6 C 24/03 -, BVerwGE 121, 226, 229 ff. m.w.N.). Zu dem damit erheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts Karlsruhe am 17.02.1998 war die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit einer auf § 47 AuslG gestützten und damit ohne umfassende Ermessensentscheidung ausgesprochenen Ausweisung eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers ebenso wenig evident wie die Notwendigkeit, die Rechtmäßigkeit der Ausweisung nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts zu beurteilen. Vielmehr bestand eine ausdrücklich gegenteilige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. etwa Beschl. v. 29.09.1993, a.a.O.; Urt. v. 11.06.1996, a.a.O.), die erst mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.08.2004 (- 1 C 30/02 -, a.a.O.) aufgegeben wurde.
III.
47 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Der Senat sieht nach Ermessen davon ab, das Urteil hinsichtlich der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 167 Abs. 2 VwGO). Die Revision wird gemäß § 132 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, denn sie wirft die bisher höchstrichterlich noch nicht geklärte und für die Weiterentwicklung des Rechts bedeutsame Frage auf, ob die Bindung der Beteiligten nach § 121 VwGO an ein rechtskräftiges Urteil eines Verwaltungsgerichts, mit dem die Anfechtungsklage gegen einen belastenden Verwaltungsakt abgewiesen wurde, der Anwendbarkeit des § 48 Abs.1 Satz 1 (L)VwVfG entgegensteht.
48 
Beschluss vom 09.05.2008
        
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG auf
        
5.000,-- EUR
        
festgesetzt.
        
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Für die Verfahren nach § 15 gilt § 29 Abs. 1 und 1a entsprechend. Die in diesen Verfahren gespeicherten Daten dürfen auf Ersuchen zur Durchführung von Verfahren zur Gewährung von Leistungen nach diesem Gesetz sowie zur Feststellung der Rechtsstellung als Deutscher nach Artikel 116 Abs. 1 des Grundgesetzes übermittelt und innerhalb derselben Behörde weitergegeben werden, wenn dies erforderlich ist. Wird eine ganz oder teilweise ablehnende Entscheidung nach § 15 getroffen oder eine Entscheidung nach § 15 ganz oder teilweise zurückgenommen oder widerrufen, werden alle Stellen, die Personen im Sinne der §§ 1 bis 4 Rechte einräumen, Vergünstigungen oder Leistungen gewähren, und die Staatsangehörigkeits- sowie Pass- und Personalausweisbehörde von der Entscheidung unterrichtet. Dabei dürfen mitgeteilt werden:

1.
Namen einschließlich früherer Namen,
2.
Tag und Ort der Geburt,
3.
Anschrift,
4.
Tag der Entscheidung und Eintritt der Rechtsbeständigkeit.

(1) Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates.

(2) Die Erziehungsberechtigten haben das Recht, über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen.

(3) Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach. Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt. Kein Lehrer darf gegen seinen Willen verpflichtet werden, Religionsunterricht zu erteilen.

(4) Das Recht zur Errichtung von privaten Schulen wird gewährleistet. Private Schulen als Ersatz für öffentliche Schulen bedürfen der Genehmigung des Staates und unterstehen den Landesgesetzen. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die privaten Schulen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen und eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte nicht genügend gesichert ist.

(5) Eine private Volksschule ist nur zuzulassen, wenn die Unterrichtsverwaltung ein besonderes pädagogisches Interesse anerkennt oder, auf Antrag von Erziehungsberechtigten, wenn sie als Gemeinschaftsschule, als Bekenntnis- oder Weltanschauungsschule errichtet werden soll und eine öffentliche Volksschule dieser Art in der Gemeinde nicht besteht.

(6) Vorschulen bleiben aufgehoben.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.