Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Urteil, 17. Juli 2014 - 5 K 3060/13
Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 31. Mai 2013 verpflichtet, dem Kläger einen Bauvorbescheid für die Errichtung einer Kfz-Ausstellungsfläche auf dem Grundstück T. 170 (Flurstück 110) zu erteilen.Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung seitens des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe des auf Grund des Urteils jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger, der eine Kfz-Werkstatt in der F.------straße 35 in Essen betreibt, begehrt die Erteilung eines planungsrechtlichen Vorbescheides für eine Nutzungsänderung auf dem Grundstück in der T. in F1. , Gemarkung L. , Flur 1, Flurstück 110, dessen Eigentümer er ist, in eine Ausstellungsfläche für Kraftfahrzeuge.
3Die Straße T. verläuft von südöstlicher in nordwestliche Richtung und bildet mit der von südwestlich in nordöstliche Richtung verlaufenden H. Straße in etwa ein X. Etwa parallel in nordöstlicher Richtung zur Straße T. verläuft die Straße C. . Die von der T. etwas südlicher abzweigende Straße gehört ebenfalls zur Straße C. und stößt auf diese im rechten Winkel. Die Straße T. ist auf Höhe des Vorhabengrundstücks dreispurig, wovon zwei Spuren in nordwestliche Richtung und eine Spur in südöstliche Richtung verlaufen. Durch die T. führt in beide Richtungen eine Buslinie. Es befindet sich auf jeder Straßenseite etwa in Höhe des Grundstücks T. 164 eine Bushaltestelle. Die Fahrgastunterstände sind jeweils mit Werbeanlagen ausgestattet. Die H. Straße ist auf der Höhe, in der sie die Straße T. kreuzt, vierspurig. In der Mitte der H. Straße verlaufen Straßenbahnschienen.
4Die Grundstücke in dem Dreieck T. / C. sind mit Wohnhäusern bebaut. Das Vorhabengrundstück ist derzeit unbebaut. Das Grundstück des Beigeladenen, C. 14, grenzt im rückwärtigen Bereich unmittelbar an das Vorhabengrundstück des Klägers. Der Beigeladene nutzt einen Teil des auf seinem Grundstück errichteten Wohnhauses augenscheinlich als Büro. Baurechtlich genehmigt ist hier eine Arztpraxis. Auf dem Grundstück C. 33 befinden sich eine Grundschule sowie ein Teil einer Förderschule. Ausweislich der Homepage der jeweiligen Schulen lernen an der Grundschule rund 300 Kinder in zwölf Klassen und an der Förderschule rund 110 Schüler in sieben Klassen. Die Zufahrt zu den Schulen erfolgt aufgrund der Einbahnstraßenregelung ausschließlich über die Straße C. aus nordwestlicher Richtung von der H. Straße kommend. Der Abfahrtsverkehr von der Schule erfolgt über die Straße C. sowohl in nordwestliche als auch in südwestliche Richtung.
5Mit Bauantrag vom 11. Januar 2013 beantragte der Kläger die Erteilung eines Vorbescheides hinsichtlich der Herstellung einer Ausstellungsfläche für Kraftfahrzeuge auf dem Grundstück T. , Flurstück 110. Ausweislich des Bauantrags sowie der im weiteren Verwaltungs- und Gerichtsverfahren nachgereichten Unterlagen, insbesondere der Bauzeichnung vom 29. April 2013, umfasst die herzurichtende Ausstellungsfläche 265 m² des insgesamt 469 m² großen Grundstücks. Das hintere Drittel des Grundstücks bleibt ungenutzt und wird durch eine Mauer abgegrenzt. Das Grundstück wird zur Straßenseite hin mit einem grünen Zaun umschlossen. An dem Zaun wird ein Schild mit den Öffnungszeiten sowie einer Telefonnummer und dem Hinweis an Interessenten, sich bei dem Kfz-Service I. in der F.------straße 35 zu melden, angebracht. An die Grundstücksgrenze zum Grundstück T. 170, das ebenfalls im Eigentum des Klägers steht, soll ein Tor errichtet werden, durch das die Anlieferung der Fahrzeuge erfolgen solle. Es werden nicht mehr als drei Fahrzeuge pro Woche angeliefert. Die Anlieferung erfolgt weder mittels Sattelschlepper noch durch einen Kfz-Anhänger, sondern die Fahrzeuge werden mit roten Kennzeichen von der Werkstatt in der F.------straße direkt auf die Ausstellungsfläche gefahren. Die an die jeweiligen Nachbargrundstücke grenzenden Grundstücksseiten werden zudem durch einen Pflanzstreifen begrünt. Auf der Ausstellungsfläche werden maximal 20 Kraftfahrzeuge bis zu einem zulässigen Gesamtgewicht von 3,5 Tonnen ausgestellt. Besichtigungen dürfen montags bis freitags von 8.00 Uhr bis 18.00 Uhr und samstags vom 9.00 Uhr bis 14.00 Uhr stattfinden. An den Fahrzeugen werden Schilder mit den jeweiligen Fahrzeugdaten und dem Kaufpreis angebracht. Ein Verkaufsbüro wird auf dem Grundstück, abweichend von der Bauzeichnung vom 29. April 2013, nicht errichtet werden. Sämtliche geschäftliche Abwicklungen sollen in der Kfz-Werkstatt des Klägers in der F.------straße erfolgen, für die eine entsprechende Genehmigung noch beantragt wird. Auf der Ausstellungsfläche werden schließlich keine Reparaturen, tägliche Umrangiervorgänge oder Vorführung von Motorleistungen erfolgen.
6Die Beklagte lehnte den Bauantrag des Klägers mit Bescheid vom 31. Mai 2013 ab. Zur Begründung führte sie aus, die nähere Umgebung entspreche einem allgemeinen Wohngebiet im Sinne der Baunutzungsverordnung. Der geplante Autohandel gehöre jedoch nicht zu den gemäß § 4 BauNVO in allgemeinen Wohngebieten allgemein zulässigen Nutzungen. Im Hinblick auf die vorhandene Wohnbebauung sowie die Vorbildwirkung für ähnliche Vorhaben im Bereich des Antragsgrundstückes und die damit zu erwartende negative städtebauliche Entwicklung, insbesondere für den Bereich südlich des Antragsgrundstückes mit überwiegender Wohnbebauung und dem Außenbereich als naturnahen Freiraum, sei eine ausnahmsweise Zulassung des Autohandels auf Basis des § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO als sonstiger nicht störender Gewerbebetrieb nicht möglich. Darüber hinaus sei das Grundstück aufgrund der beanspruchten Fläche von mindestens 330 m², bezogen auf die Grundstücksgröße von 469 m², übernutzt und füge sich daher nicht gemäß § 34 BauGB in die Umgebungsbebauung ein. Das Vorhaben sei daher insgesamt planungsrechtlich unzulässig.
7Der Kläger hat am 1. Juli 2013 Klage erhoben.
8Er ist der Ansicht, die nähere Umgebung sei als Mischgebiet im Sinne des § 6 BauNVO einzustufen, so dass die Kfz-Ausstellungsfläche als sonstiger Gewerbebetrieb, der das Wohnen nicht stört, zulässig sei. Die zahlreichen Nutzungen auf der T. sowie der H. Straße im Umkreis von bis zu 100 m seien zur Beurteilung der maßgeblichen näheren Umgebung heranzuziehen. Durch die Verkehrsinsel vor dem Antragsgrundstück sowie durch die H. Straße erfolge keine Trennung, da insbesondere die Bebauung auf der H. Straße, namentlich mehrere Geschäfte und weitere gewerblichen Nutzungen, vom Antragsgrundstück aus betrachtet in Luftlinie von etwa 10 m komplett einsehbar sei. Selbst wenn die nähere Umgebung nur auf das Dreieck C. 6-24 sowie T. 164-170 zu begrenzen sei, liege kein reines Wohngebiet, sondern ein allgemeines Wohngebiet vor, in dem die Ausstellungsfläche als sonstiger Gewerbebetrieb ausnahmsweise zulässig sei. Die gepflegte Ausstellungsfläche mit mäßigem Publikumsverkehr zu festgelegten Öffnungszeiten störe das Wohnen nicht wesentlich. Eine Belästigung durch das Rangieren oder Anliefern der Fahrzeuge sei ausgeschlossen. Das Grundstück solle lediglich als Stellplatz genutzt werden. Lärmimmissionen oder sonstige Immissionen seien durch diesen Betrieb nicht zu erwarten. Kaufinteressenten könnten das Grundstück auch nicht außerhalb der Betriebszeiten aufsuchen, da es dann verschlossen sei. In der näheren Umgebung seien dem Wohnen wesentlich abträglichere Gewerbebetriebe genehmigt worden. Vor dem auf dem Grundstück C. 14 ansässigen Betrieb des Beigeladenen, der auch optisch als Gewerbebetrieb hervorsteche, würden mit Firmenaufschrift versehen Einsatzwagen parken und starten. Auch die Zahnarztpraxis in dem Gebäude T. 170 habe starken Publikumsverkehr mit an- und abfahrenden Pkw der Patienten.
9Der Kläger beantragt,
10den Bescheid der Beklagten vom 31. Mai 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den beantragten planungsrechtlichen Bauvorbescheid zur Nutzungsänderung des Grundstücks T. 170 (Flurstück 110), zu erteilen.
11Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Zur Begründung trägt sie in Abweichung zu den Gründen des angefochtenen Bescheides vor, die vorhandenen Nutzungen in der unmittelbaren Umgebung des Antragsgrundstückes entsprächen denen eines reinen Wohngebietes. Neben einer Arztpraxis im Gebäude T. 170 und einer Büronutzung im Kellergeschoss des Gebäudes C. 14, für die ebenfalls eine Arztpraxis baurechtlich genehmigt sei, befände sich in diesem Bereich ausschließlich Wohnnutzung. Der geplante Autohandel stelle eine gewerbliche Anlage dar, die im reinen Wohngebiet planungsrechtlich unzulässig sei. Die Einbeziehung der Bebauung entlang der H. Straße in die nähere Umgebung scheide hier aus, da die dazwischen liegende Straßen- und Grünfläche aufgrund ihrer Breite eine trennende Wirkung entfalte. Auch die Berücksichtigung noch weiter entfernt liegender Flächen in einem Umkreis von 1000 m sei nicht sachgerecht, da keine Sicht- oder funktionale Verbindung zum Antragsgrundstück bestehe. Die auf der Straße T. vorhandenen Bushaltestellen und andere Verkehrseinrichtungen seien für die planungsrechtliche Gebietseinstufung unerheblich und könnten auch in reinen Wohngebieten liegen. Bei den an den Wartehäuschen angebrachten Werbeanlagen handele es sich um untergeordnete Werbeanlagen, die über eine Abweichung gemäß § 73 Abs. 1 BauO NRW auch in einem reinen Wohngebiet zulässig seien. Gegen die illegale Nutzung der Räumlichkeiten im Gebäude C. 14 für das Büro einer Bautenschutzfirma beabsichtige die Beklagte ordnungsbehördlich vorzugehen. Ferner würden die Schulen auf dem Grundstück C. 33 nicht zur maßgeblichen Umgebung des Vorhabens gehören. Jedenfalls würden die Schulen einen Fremdkörper darstellen, der keine prägende Wirkung entfalten könne. Sie stünden, abgesehen von der Bauweise, in allen übrigen Einfügungskriterien des § 34 BauGB im krassen Widerspruch zur sonstigen Bebauung in diesem Bereich. Dass der Kläger beabsichtige, den Pkw-Verkauf auf der F.------straße 35 stattfinden zu lassen, sei angesichts der Entfernung der beiden Grundstücke völlig lebensfremd. Zudem sei auf dem Grundstück F.------straße 35 der Verkauf von Pkw baurechtlich nicht genehmigt. Schließlich würden auch von einem reinen Ausstellungsplatz ähnliche Auswirkungen wie von einem Verkaufsplatz ausgehen. Auch ein reiner Ausstellungsplatz werde von potentiellen Kunden zu allen Tages- und Abendzeiten angefahren und besucht. Der Umstand, dass mögliche Geschäftsabschlüsse am Hauptsitz der Firma in einem anderen Stadtteil getätigt würden, führe daher nicht zwangsläufig zu einer Entlastung der Umgebung von Störungen, die sich aus der geplanten Nutzung ergeben.
14Der Beigeladene stellt keinen Antrag.
15Er trägt vor, er nutze seine Wohnadresse C. 14 lediglich als Postadresse für sein Unternehmen. Das Büro des Unternehmens befinde sich jedoch seit jeher in der L1. -N. -Straße 121 in F1. , wo sich auch der Firmensitz der Firma M. befände. Auf dem Grundstück C. 14 finde keinerlei gewerbliche Nutzung statt. Es würden auch keine Einsatzwagen der Firma vor dem Grundstück parken und starten. Er ist ferner der Ansicht, die Umgebungsbebauung entspreche einem reinen Wohngebiet. Die Geschäfte an der H. Straße, sowie die Grundschule auf dem Grundstück C. 33 würden nicht mehr zur näheren Umgebung des Vorhabens gehören, da sie das Grundstück des Klägers aufgrund der gegebenen Verkehrsführung und des rückwärtig angeordneten Pausenhofs nicht beeinflussen würden. Selbst wenn man von einem allgemeinen Wohngebiet ausgehe, wäre das Vorhaben des Klägers auch nicht ausnahmsweise zulässig. Das Vorhaben stelle keinen nicht störenden Gewerbebetrieb im Sinne des § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO dar. Durch eine Kfz-Ausstellungsfläche komme es zu einem nicht unerheblichen zusätzlichen Verkehrsaufkommen. Insbesondere durch das Probefahren komme es zu erheblichen zusätzlichen Lärm durch Motorengeräusche und Türen zuschlagen. Es sei darüber hinaus realitätsfern, anzunehmen, dass wegen des fehlenden Verkaufsraums keine Verkaufsgespräche auf dem Gelände abgehalten würden. Das Vorhaben würde sich auch optisch nicht unterordnen, so wie es die Zweckbestimmung eines allgemeinen Wohngebiets verlange. Schließlich sei die Nutzung den Nachbarn nicht zumutbar, da es vor allem im belästigungsempfindlichen rückwärtigen Gartenbereich zu Kundenverkehr komme. Eine vergleichbare Nutzung gebe es bislang nicht im rückwärtigen Gartenbereich. Schließlich werde auch der öffentliche Straßenraum für die Bewohner des Baugebiets durch die Kunden des Klägers unzumutbar in Anspruch genommen, da der Kläger die notwendigen Kundenparkplätze nicht berücksichtigt habe. Die Einrichtung einer Kfz-Ausstellungsfläche würde die ordnungswidrige Nutzung des Bürgersteiges und damit die Behinderung der Passanten noch verstärken. Die Nutzung könne auch nicht ausnahmsweise genehmigt werden, da eine Ermessensreduzierung auf Null nicht gegeben sei. Schließlich sei bereits heute der Abzweig L. verkehrstechnisch überlastet, weshalb es dort häufig zu Unfällen komme. Das geplante Vorhaben würde die Situation vor Ort noch verschärfen und sich auch aus diesem Grund städtebaulich negativ auswirken.
16Die Berichterstatterin hat am 18. Februar 2014 einen Ortstermin durchgeführt. Wegen der Einzelheiten wird auf das Ortsterminprotokoll nebst Fotomaterial verwiesen.
17Im weiteren Verlauf des gerichtlichen Verfahrens hat der Kläger eine Zaunanlage auf dem Vorhabengrundstück entlang der vorderen Grundstücksgrenze errichtet, für die ihm die Beklagte unter dem 21. Mai 2014 eine nachträgliche Baugenehmigung erteilt hat.
18Unter dem 10. Juli 2014 hat die Beklagte ein Anhörungsschreiben an den Beigeladenen hinsichtlich der beabsichtigten Nutzungsuntersagung einer gewerblichen Büronutzung auf dem Grundstück C. 14 gerichtet.
19Im Übrigen wird wegen der Einzelheiten auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs verwiesen.
20Entscheidungsgründe:
21Die Klage ist zulässig und begründet.
22Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 31. Mai 2013 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung des begehrten Vorbescheides, da dem Vorhaben öffentlich-rechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen, §§ 71 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 in Verbindung mit 75 Abs. 1 Satz 1 der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (BauO NRW).
23Das Vorhaben des Klägers ist planungsrechtlich zulässig.
24Die Zulässigkeit des Vorhabens richtet sich vorliegend nach § 34 des Baugesetzbuches (BauGB), da ein Bebauungsplan für diesen Bereich nicht existiert und das Grundstück des Klägers innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils liegt. Nach Absatz 2 der Vorschrift beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Baunutzungsverordnung (BauNVO) allgemein zulässig wäre, wenn die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete der BauNVO entspricht.
25Hinsichtlich der bauplanungsrechtlichen Art der Nutzung, der grundsätzlich nachbarschützende Wirkung zukommt, kann ein Verstoß nicht festgestellt werden. Das Vorhaben fügt sich nach den in § 34 Abs. 1 BauGB genannten Kriterien in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Nach dem Ergebnis der Ortsbesichtigung und der Auswertung der beigezogenen Pläne entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem allgemeinen Wohngebiet im Sinne des § 4 BauNVO.
26Die für die Beurteilung des Gebietscharakters maßgebliche nähere Umgebung eines Grundstücks wird dadurch ermittelt, dass in zwei Richtungen, nämlich in Richtung vom Vorhaben auf die Umgebung und in Richtung von der Umgebung auf das Vorhaben geprüft wird, wie weit die jeweiligen Auswirkungen reichen. Zu berücksichtigen ist die Umgebung einmal insoweit, als sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann und zweitens insoweit, als die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst. Bei der Ermittlung der näheren Umgebung ist die Betrachtung auf das Wesentliche zurückzuführen und sind Fremdkörper und Ausnahmen außer Acht zu lassen, solange beispielsweise die erkennbaren "Grundzüge der Planung" durch sie nicht berührt werden. Bei der für die Prüfung erforderlichen Bestandsaufnahme ist grundsätzlich alles tatsächlich Vorhandene in den Blick zu nehmen. Die Grenzen der näheren Umgebung sind nicht schematisch, sondern nach der jeweiligen städtebaulichen Situation zu bestimmen. Es darf aber nicht nur diejenige Bebauung als erheblich angesehen werden, die gerade in der unmittelbaren Nachbarschaft des Baugrundstücks überwiegt, sondern es muss auch die Bebauung der weiteren Umgebung des Grundstücks insoweit berücksichtigt werden, als auch sie noch "prägend" auf dasselbe einwirkt. Wie weit die wechselseitige Prägung - und damit die "nähere Umgebung" - reicht, ist eine Frage des jeweiligen Einzelfalls. Hierbei kann eine Straße sowohl trennende als auch verbindende Wirkung haben. Welche Wirkung sie jeweils entfaltet, kann stets nur das Ergebnis einer Wertung und Bewertung des konkreten Sachverhalts sein.
27Vgl. bereits Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 26. Mai 1978 – IV C 9.77 -; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 2. Dezember 2013 – 2 A 1510/12 -, mit weiteren Nachweisen; zitiert nach juris.
28Die Grenze kann dort gezogen werden, wo zwei jeweils einheitlich geprägte Bebauungskomplexe mit voneinander verschiedenen Bau- und Nutzungsstrukturen aneinanderstoßen. Der Grenzverlauf der näheren Umgebung kann durch eine künstliche oder natürliche Trennlinie, wie zum Beispiel eine Straße, markiert sein; dies ist allerdings nicht zwingend erforderlich.
29Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. August 2003 – 4 B 74.03 -; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 16. September 2013 – 8 A 10558/13; VG Würzburg, Urteil vom 13. Mai 2014 – W 4 K 13.932 -; jeweils zitiert nach juris.
30Ausgehend von diesen Grundsätzen wird nach dem Eindruck der Berichterstatterin im Ortstermin, den sie der Kammer vermittelt hat, sowie dem vorliegenden Karten- und Bildmaterial die nähere Umgebung hier auf das Dreieck T. Nr. 164-172 und C. Nr. 6-24 beschränkt, wobei die Bebauung auf dem Grundstück C. 33 ebenfalls in die nähere Umgebung einzubeziehen ist.
31Entgegen der Ansicht des Klägers ist in die nähere Umgebung nicht die Bebauung auf der H. Straße einzubeziehen. Denn die H. Straße entfaltet gegenüber der dort vorhandenen Bebauung und Nutzung trennende Wirkung im oben dargestellten Sinne. Die H. Straße ist in diesem Bereich vierspurig, zudem verlaufen in der Mitte Straßenbahnschienen. Hinzu kommt der Verlauf der in diesem Bereich dreispurigen Straße T. . Zwar besteht eine Sichtbeziehung zwischen dem Vorhabengrundstück und der Bebauung auf der gegenüberliegenden Seite der H. Straße. Allein das Vorliegen einer Sichtbeziehung genügt jedoch nicht für die Annahme, die Nutzung präge die Umgebung des Vorhabengrundstücks. Darüber hinaus führt auch die auffällig unterschiedliche Bebauungs- und Nutzungsstruktur zu dem Schluss, dass die H. Straße trennende Wirkung entfaltet. Handelt es sich bei der Bebauung auf der T. überwiegend um Einfamilienhäuser, zeichnet sich die Bebauung auf der H. Straße durch gewerbliche Nutzung im Erdgeschoss und Wohnnutzung in den Obergeschossen aus.
32Entgegen der Ansicht der Beklagten und des Beigeladenen ist die Bebauung auf dem Grundstück C. 33 jedoch für die Umgebung des Vorhabengrundstücks prägend, so dass auch dieser Bereich bei der Beurteilung der näheren Umgebung berücksichtigt werden muss. Denn der gesamte Zu- und Abfahrtsverkehr zu der Grundschule sowie der Förderschule auf dem Grundstück C. 33, die insgesamt ausweislich der Mitteilung auf der jeweiligen homepage der Schulen 410 Schüler umfassen, führt über die Straße C. . Aufgrund der Einbahnstraßenregelung erfolgt der gesamte Zufahrtsverkehr über die von der H. Straße in südöstliche Richtung abzweigende Straße C. . Der Abfahrtsverkehr erfolgt sowohl über die Straße C. zurück zur H. Straße oder über die Straße C. in südwestliche Richtung auf die Straße T. stoßend. Da schließlich auch der Schulbus in beide Richtungen der T. auf Höhe des Vorhabengrundstücks fährt, sind die Auswirkungen der Schulen für die Umgebung prägend.
33Der Beklagten ist auch nicht darin zu folgen, dass es sich bei der Schule um einen so genannten Fremdkörper, der bei der Beurteilung des Gebietstyps nicht zu berücksichtigen ist, handelt. Fremdkörper bzw. Ausreißer in diesem Sinn sind solche Anlagen, die nach ihrer Qualität völlig aus dem Rahmen der sonst in der näheren Umgebung anzutreffenden Bebauung herausfallen, was namentlich dann anzunehmen ist, wenn eine singuläre Anlage in einem auffälligen – auch äußerlich erkennbaren – Kontrast zur übrigen Bebauung steht. Dabei ist für die Annahme eines Fremdkörpers als aus der beurteilungserheblichen Umgebungsbebauung auszuscheidenden Bestandteils des faktisch Vorhandenen Zurückhaltung geboten.
34Vgl. OVG des Saarlandes, Urteil vom 27. Mai 2014 – 2 A 2/14; Bayerischer VGH, Urteil vom 16. März 2004 – 2 B 01.1195 -; mit weiteren Nachweisen; zitiert nach juris.
35Eine solche Singularität kann hier nicht bereits deshalb angenommen werden, weil es sich um die einzige nicht der Wohnnutzung dienende Bebauung in der maßgeblichen Umgebung handeln würde. Bereits der Baukörper als solcher und damit das Erscheinungsbild der Schulen fällt trotz der Größe des Objektes nicht aus dem Rahmen der sonstigen anzutreffenden Bebauung.
36Vgl. zu diesem Kriterium VG Gelsenkirchen, Urteil vom 7. Juni 2010 – 6 K 3008/08 -, zitiert nach juris.
37Hinzu kommt, dass bereits aufgrund des Umstands, dass der gesamte Zu- und Abfahrtsverkehr durch die Straße C. verläuft und damit erhebliche bodenrechtliche Spannungen ausgelöst werden, die Schulen nicht als Fremdkörper aus der Umgebung hinweg gedacht werden könnten, ohne dass dies den Umgebungscharakter ändern würde. Es handelt sich bei der Schule gerade nicht um eine nur zufällig in dem Gebiet entstandene Nutzung, die das Wohngebiet in nur unwesentlicher Weise beeinflusst. Gegen die Annahme eines singulären Fremdkörpers spricht schließlich auch, dass nicht nur eine Grundschule, sondern auch eine Förderschule und damit zwei Schulen auf dem Grundstück ansässig sind.
38Die so verstandene und hier maßgebliche „nähere Umgebung“ entspricht entgegen der von der Beklagten - erst im Klageverfahren – geäußerten Ansicht nicht der eines reinen Wohngebiets nach § 3 BauNVO, sondern der eines allgemeinen Wohngebietes nach § 4 BauNVO.
39Nach § 3 Abs. 1 BauNVO dienen reine Wohngebiete dem Wohnen. Nach Absatz 3 der Vorschrift können unter anderem ausnahmsweise dem Bedürfnis der Bewohner des Gebiets dienende Anlagen für kulturelle Zwecke zugelassen werden. Allgemeine Wohngebiete dienen dagegen nach § 4 Abs. 1 BauNVO vorwiegend dem Wohnen. Nach Absatz 2 Nr. 2 der Vorschrift sind Anlagen für - unter anderem - kulturelle Zwecke zulässig.
40Es bedarf insofern keiner näheren Prüfung der Werbeanlagen an den Fahrgastunterständen und der Nutzung des Grundstücks C. 14. Denn die auf dem Grundstück C. 33 ansässige L2. schule , bei der es sich um eine Gemeinschaftsgrundschule handelt, sowie der Standort der D. -N1. -Förderschule, sind aufgrund ihrer Größe und vor allem der damit verbundenen An- und Abfahrtbewegungen in einem reinen Wohngebiet nicht mehr zulässig.
41Schulen sind im bauplanungsrechtlichen Sinne grundsätzlich unabhängig von dem Träger der Einrichtung als Anlagen für kulturelle Zwecke im Sinne des § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO zu verstehen.
42Vgl. König / Roeser / Stock, BauNVO, 3. Auflage 2014, § 4 Rn. 49.
43Nach § 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO sind in reinen Wohngebieten Anlagen für kulturelle Zwecke ausnahmsweise nur insofern zulässig, als sie den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienen. Dagegen ist die Einschränkung der Bedarfsdeckung in allgemeinen Wohngebieten nach § 4 BauNVO nicht vorgesehen. Die auf dem Grundstück C. 33 ansässigen Schulen erfüllen bereits aufgrund ihrer Größe von insgesamt etwa 410 Schülern, wovon 300 Schüler die Grundschule und 110 Schüler die Förderschule besuchen, eine Funktion, welche nicht nur den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dient. Vor allem eine Förderschule ist grundsätzlich nicht nur auf den Bedarf der Bewohner in der näheren Umgebung, sondern auf den Bedarf über den Stadtteil hinaus ausgerichtet. Werden jedoch andere Stadtteile von der kulturellen Einrichtung mitversorgt, ist eine solche Einrichtung mit dem Charakter eines reinen Wohngebiets nicht mehr zu vereinbaren.
44Vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 10. November 2009 – 1 LC 236/05; VG München, Beschluss vom 22. April 2013 – M 8 SN 12.5578; zitiert nach juris.
45Unter diesem Gesichtspunkt ist auch unabhängig von dem Vorhandensein der Förderschule selbst die hier ansässige Gemeinschaftsgrundschule für sich betrachtet in einem reinen Wohngebiet nicht mehr zulässig. Dass die auf dem Grundstück C. 33 ansässige Grundschule den Versorgungscharakter des § 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO nicht mehr wahrt, ergibt sich vor allem aus dem Verzeichnis der Schulbezirke der Grundschulen der Stadt F1. , das als Anlage zur Verordnung über die Bildung der Schulbezirke der Grundschulen der Stadt F1. vom 29. September 2006 aufgenommen wurde. Nach deren § 1 werden für alle Grundschulen der Stadt F1. räumlich abgegrenzte Gebiete als Schulbezirke gebildet. Die in diesem Verzeichnis der L2. schule zugewiesenen Straßen liegen in Bereichen, die allein räumlich betrachtet weit über die hier maßgebliche Umgebung hinausgehen.
46Verordnung sowie Verzeichnis der Schulbezirke abrufbar unter: www.essen.de/rathaus/aemter/ordner_15/satzungen/Satzungen_Schulen.de.html
47Nach alledem entspricht die nähere Umgebung des Vorhabengrundstücks einem allgemeinen Wohngebiet, so dass die Zulässigkeit des klägerischen Vorhabens allein am Maßstab des § 4 BauNVO zu beurteilen ist.
48Die von dem Kläger beabsichtigte Errichtung einer Kfz-Ausstellungsfläche auf dem Grundstück in der T. ist ausnahmsweise als nicht störender Gewerbebetrieb nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO bauplanungsrechtlich zulässig.
49Ausnahmen nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO sind nicht zulässig, wenn ein sonstiger Gewerbebetrieb den Gebietscharakter des allgemeinen Wohngebiets gefährdet und damit gebietsunverträglich ist. Das ist dann der Fall, wenn das Vorhaben ‑ bezogen auf den Gebietscharakter des allgemeinen Wohngebiets ‑ aufgrund seiner typischen Nutzungsweise störend wirkt. Das Erfordernis der Gebietsverträglichkeit bestimmt nicht nur die regelhafte Zulässigkeit, sondern erst recht den vom Verordnungsgeber vorgesehenen Ausnahmebereich. Zwischen der jeweiligen spezifischen Zweckbestimmung des Baugebietstypus und dem jeweils zugeordneten Ausnahmekatalog besteht ein gewollter funktionaler Zusammenhang. Das bedeutet: Die normierte allgemeine Zweckbestimmung ist auch für Auslegung und Anwendung der tatbestandlich normierten Ausnahmen bestimmend. Das allgemeine Wohngebiet dient vorwiegend dem Wohnen. Es soll nach Möglichkeit ein ungestörtes Wohnen gewährleistet sein. Das prägt seinen Gebietscharakter. Anders als im reinen Wohngebiet sind aber unter den in § 4 Abs. 2 BauNVO genannten Voraussetzungen auch andere Nutzungsarten regelmäßig zulässig. Die Gebietsunverträglichkeit beurteilt sich für § 4 BauNVO in erster Linie nach dem Kriterium der gebietsunüblichen Störung.
50Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. März 2002 ‑ 4 C 1.02 ‑, zitiert nach juris.
51Es sollen Immissionsbelastungen vermieden werden, die nicht in ein allgemeines Wohngebiet passen. Bei der Beurteilung des Störgrades ist auf die typische Betriebsform und die sich daraus erfahrungsgemäß ergebenden Auswirkungen abzustellen.
52Vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 18. Januar 1995 ‑ 3 S 3153/94 ‑, zitiert nach juris.
53In Anwendung dieser Grundsätze, sind von dem hier streitgegenständlichen Vorhaben nicht solche Immissionen zu erwarten, die in einem allgemeinen Wohngebiet nicht mehr hinzunehmen sind. Es handelt sich bei dem Vorhaben um eine reine Ausstellungsfläche für Kfz. Der Verkauf der Fahrzeuge und die jeweilige Abwicklung sollen ausweislich des Bauantrags und der weiteren Klarstellung des Klägers im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht auf dem Vorhabengrundstück selbst, sondern auf dem Grundstück der Kfz-Werkstatt des Klägers stattfinden. Die Beklagte dringt auch nicht mit dem Argument durch, die Behauptung, auf dem Vorhabengrundstück fänden keine geschäftlichen Abwicklungen statt, sei lebensfremd. Denn für den Fall, dass über den Regelungsgehalt eines Vorbescheids bzw. einer sich daran anschließenden Baugenehmigung hinaus gleichwohl der Verkauf auf dem Vorhabengrundstück stattfindet, obliegt es der Beklagten, hiergegen ordnungsbehördlich einzuschreiten.
54Für die Annahme, dass das Vorhaben sich ausnahmsweise als nicht störender Gewerbebetrieb in ein allgemeines Wohngebiet einfügt, spricht auch, dass die Fahrzeuge nicht mittels Sattelschlepper oder Anhänger auf das Grundstück an- und abgeliefert werden sollen, sondern mit einem roten Kennzeichen von dem Grundstück des Klägers in der F.------straße aus überführt werden. Es kommt damit nur zu einzelnen Fahrzeugbewegungen und nicht zum gleichzeitigen und damit besonders immissionsträchtigen regelmäßigen Austausch aller Fahrzeuge.
55Zudem ist die Größe der Ausstellungsfläche, nach der Konkretisierung der Voranfrage durch den Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung, so bemessen, dass maximal 20 Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht von bis zu 3,5 Tonnen gleichzeitig ausgestellt werden können. Die reine Abstellfläche ist damit hinsichtlich ihrer Störwirkungen mit der Stellplatzanlage eines Mehrfamilien-Wohnhauses vergleichbar.
56Vgl. OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 29. Juli 2013 – 1 LA 49/13 -; zitiert nach juris.
57Auch die Öffnungszeiten lassen keine gebietsunverträglichen Immissionen erwarten. So können Interessenten das Grundstück wochentags von 8.00 Uhr bis 18.00 Uhr und samstags von 9.00 Uhr bis 14.00 Uhr betreten. Diese Zeiten entsprechen in etwa auch den Zeiten, in denen die durch An- und Abfahrtverkehr der Schulen im C. 33 hervorgerufenen Immissionen in das Wohngebiet drängen. Von einer wesentlichen Steigerung der Lärmimmissionen durch den zu erwartenden Kundenverkehr ist daher nicht auszugehen.
58Schließlich spricht für die Annahme eines nicht störenden Gewerbebetriebes im Sinne des § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO auch der Umstand, dass der Bereich, in dem die Kfz-Ausstellungsfläche errichtet werden soll, ohnehin stark durch Kraftfahrzeugverkehr vorbelastet ist. Entlang des Grundstücks führt in beide Richtungen die Buslinie von und nach L. . Die Straße unmittelbar vor dem Grundstück ist dreispurig, durch eine schmale Verkehrsinsel davon getrennt ist die an dieser Stelle vierspurige H. Straße. Die Belastungen durch den An- und Abfahrtverkehr zum klägerischen Vorhaben werden demnach kaum von der Lärmkulisse von der H. Straße sowie der T. zu unterscheiden sein, so dass sie für das allgemeine Wohngebiet nicht als störend oder unzumutbar erfasst werden.
59Vgl. OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 29. Juli 2013 – 1 LA 49/13 -; zitiert nach juris.
60Entgegen der Ansicht des Beigeladenen ist auch keine Verschärfung der verkehrlich bereits angespannten Situation in der T. zu erwarten. Das Verkehrsaufkommen in der T. spricht bereits dafür, dass es sich in dieser Umgebung ohnehin um keinen beruhigten und lärmimmissionsfreien Raum handelt. Der Befürchtung, Interessenten könnten ihre Fahrzeuge in unzulässiger Weise auf den Bürgersteigen parken und damit den Verkehr behindern, kann durch ordnungsbehördlichen Maßnahmen begegnet werden, führt aber nicht zur planungsrechtlichen Unzulässigkeit des Vorhabens.
61Die Errichtung der Kfz-Ausstellungsfläche auf dem Grundstück des Klägers verstößt schließlich auch nicht gegen das in § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 BauNVO enthaltene nachbarschützende Rücksichtnahmegebot. Das Gebot der Rücksichtnahme soll angesichts der gegenseitigen Verflechtung der baulichen Situation benachbarter Grundstücke einen angemessenen planungsrechtlichen Ausgleich schaffen, der einerseits dem Bauherrn ermöglicht, was von seiner Interessenlage her verständlich und unabweisbar ist und andererseits dem Nachbarn erspart, was an Belästigungen und Nachteilen für ihn zumutbar ist. Die Beachtung des Rücksichtnahmegebots soll gewährleisten, Nutzungen, die geeignet sind, Spannungen und Störungen hervorzurufen, aneinander so zuzuordnen, dass Konflikte möglichst vermieden werden. Die sich daraus ergebenden Anforderungen sind im Einzelfall festzustellen, wobei die konkreten Umstände zu würdigen, insbesondere die gegenläufigen Interessen des Bauherrn und des Nachbarn in Anwendung des Maßstabes der planungsrechtlichen Zumutbarkeit gegeneinander abzuwägen sind. Dabei kann desto mehr an Rücksichtnahme verlangt werden, je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellen dessen sind, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt; umgekehrt braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, desto weniger Rücksicht zu nehmen, je verständlicher und unabweisbarer die von ihm mit dem Bauvorhaben verfolgten Interessen sind.
62Vgl. BVerwG, Urteile vom 21. Januar 1983 – 4 C 59.79 ‑, vom 28. Oktober 1993 – 4 C 5.93 ‑ und vom 23. September 1999 ‑ 4 C 6.98 ‑, jeweils zitiert nach juris.
63In Anwendung dieser Grundsätze ergibt die rechtliche Würdigung in einer Gesamtschau der maßgeblichen Umstände nicht, dass der Beigeladene durch die Kfz-Ausstellungsfläche auf dem Grundstück des Klägers im dargestellten Sinne rücksichtslos beeinträchtigt wird. Wie bereits dargelegt, ist das Vorhaben des Klägers hinsichtlich seiner Störwirkungen mit der Stellplatzanlage eines Mehrfamilien-Wohnhauses vergleichbar. Aufgrund der geringen Größe der Ausstellungsfläche sowie die Begrenzung aus maximal 20 ausgestellte Fahrzeuge sind häufige Fahrzeugbewegungen nicht zu erwarten, zumal nur maximal drei Fahrzeuge pro Woche angeliefert werden. Eine andere Bewertung folgt auch nicht daraus, dass das Grundstück des Beigeladenen im besonders geschützten rückwärtigen Gartenbereich an das Vorhabengrundstück grenzt. Denn aufgrund der zu errichtenden Mauer wird ersichtlich, dass der hintere Grundstücksteil ungenutzt bleiben soll und damit selbst die ohnehin nicht intensiv störenden Lärmimmissionen von dem Grundstück des Beigeladenen abgehalten werden. Zudem soll entlang der gesamten Grundstücksgrenze ein Pflanzstreifen errichtet werden, der zusätzlich Störungen von den Nachbargrundstücken abhält.
64Die von Seiten des Beigeladenen aufgeworfenen bauordnungsrechtlichen Fragen, insbesondere zu der Anzahl der notwendigen Stellplätze, deren Zufahrtsmöglichkeit und Anordnung nach § 51 Abs. 7 BauO NRW, sind nicht Gegenstand des hier beantragten bauplanungsrechtlichen Vorbescheides, sondern werden im Rahmen eines etwaigen Verfahrens auf Erteilung einer Baugenehmigung zur Prüfung stehen. Hieraus folgende Beeinträchtigungen zu Lasten des Beigeladenen, die auch im Verfahren auf Erteilung eines planungsrechtlichen Vorbescheides im Rahmen des Rücksichtnahmegebots zu berücksichtigen sind, sind jedenfalls schon unter dem Gesichtspunkt nicht erkennbar, dass die Zufahrt zum Grundstück des Beigeladenen über die Straße C. erfolgt und er damit durch die Stellplatzsituation auf der T. in keinster Weise beeinträchtigt wird.
65Die Erteilung einer Ausnahme nach § 4 Abs. 3 BauNVO steht grundsätzlich im Ermessen der Beklagten. Allerdings ist hier von einer Ermessensreduzierung auf Null auszugehen, da das Vorhaben ein nicht störender Gewerbebetrieb im Sinne des § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO ist und ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot nicht festzustellen ist. Die Beklagte kann daher im Rahmen ihres Ermessens auf keine sachgerechten Kriterien abstellen, die zur Unzulässigkeit des Vorhabens führen. Die von dem Beigeladenen aufgeworfene Frage der Vereinbarkeit des Vorhabens mit Bauordnungsrecht führt zu keiner anderen Ermessensentscheidung. Denn die Berücksichtigung entgegenstehenden Bauordnungsrechts im Rahmen des behördlichen Ermessens, kann im Verfahren zur Erteilung eines Vorbescheides nur dann zu dessen Ablehnung führen, wenn sich die landesrechtlichen Hindernisse „schlechthin nicht ausräumen lassen“.
66Vgl. Gädtke / Temme / Heintz / Czepuck, BauO NRW, 11. Auflage 2008, § 71 Rn. 8a mit Verweis auf BVerwG, Urteile vom 23. Mai 1975 – IV C 28.72 – und vom 24. Oktober 1980 – 4 C 3.78 -.
67Dafür, dass die bauordnungsrechtlichen Anforderungen an die Stellplatzpflicht im Baugenehmigungsverfahren offensichtlich nicht erfüllt werden könnte, ist nichts ersichtlich und liegen auch sonst keine Anhaltspunkte vor. Da die Sache spruchreif im Sinne des § 113 Abs. 5 VwGO ist, darf das Gericht die Beklagte verpflichten, den beantragten Vorbescheid zu erteilen.
68Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, da er keinen Antrag gestellt hat und sich damit keinem Prozessrisiko ausgesetzt hat, §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3. VwGO.
69Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Urteil, 17. Juli 2014 - 5 K 3060/13
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Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Urteil, 17. Juli 2014 - 5 K 3060/13 zitiert oder wird zitiert von 14 Urteil(en).
(1) Allgemeine Wohngebiete dienen vorwiegend dem Wohnen.
(2) Zulässig sind
- 1.
Wohngebäude, - 2.
die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe, - 3.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke.
(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden
(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.
(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.
(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.
(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung
- 1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient: - a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs, - b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder - c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
- 2.
städtebaulich vertretbar ist und - 3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
(4) Die Gemeinde kann durch Satzung
- 1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, - 2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind, - 3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass
- 1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind, - 2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und - 3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.
(1) Mischgebiete dienen dem Wohnen und der Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich stören.
(2) Zulässig sind
- 1.
Wohngebäude, - 2.
Geschäfts- und Bürogebäude, - 3.
Einzelhandelsbetriebe, Schank- und Speisewirtschaften sowie Betriebe des Beherbergungsgewerbes, - 4.
sonstige Gewerbebetriebe, - 5.
Anlagen für Verwaltungen sowie für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke, - 6.
Gartenbaubetriebe, - 7.
Tankstellen, - 8.
Vergnügungsstätten im Sinne des § 4a Absatz 3 Nummer 2 in den Teilen des Gebiets, die überwiegend durch gewerbliche Nutzungen geprägt sind.
(3) Ausnahmsweise können Vergnügungsstätten im Sinne des § 4a Absatz 3 Nummer 2 außerhalb der in Absatz 2 Nummer 8 bezeichneten Teile des Gebiets zugelassen werden.
(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.
(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.
(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.
(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung
- 1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient: - a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs, - b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder - c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
- 2.
städtebaulich vertretbar ist und - 3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
(4) Die Gemeinde kann durch Satzung
- 1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, - 2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind, - 3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass
- 1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind, - 2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und - 3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.
(1) Allgemeine Wohngebiete dienen vorwiegend dem Wohnen.
(2) Zulässig sind
- 1.
Wohngebäude, - 2.
die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe, - 3.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke.
(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.
(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.
(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.
(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung
- 1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient: - a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs, - b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder - c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
- 2.
städtebaulich vertretbar ist und - 3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
(4) Die Gemeinde kann durch Satzung
- 1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, - 2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind, - 3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass
- 1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind, - 2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und - 3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.
(1) Allgemeine Wohngebiete dienen vorwiegend dem Wohnen.
(2) Zulässig sind
- 1.
Wohngebäude, - 2.
die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe, - 3.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke.
(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden
Tenor
Das angefochtene Urteil wird geändert.
Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Ablehnungsbescheides vom 27. Juli 2011 verpflichtet, die Bauvoranfrage der Klägerin vom 10. Dezember 2010 in der am 2. Dezember 2013 zu Protokoll der mündlichen Verhandlung erklärten Fassung betreffend die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Errichtung/des Betriebs eines Lebensmittelmarkts (M. -Markt) mit einer Verkaufsfläche von 1000 qm und 101 Stellplätzen auf dem Grundstück Gemarkung C. , Flur 264, Flurstücke 77, 52, 49, 53, 61 und 68, G. -F. -Allee 360-366a X. -C. positiv zu bescheiden.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
T a t b e s t a n d:
2Die Klägerin begehrt die Erteilung eines bauplanungsrechtlichen Vorbescheids für die Errichtung bzw. den Betrieb eines Lebensmitteleinzelhandels (mit einer Verkaufsfläche von 1.000 qm und 101 Stellplätzen) auf dem Grundstück Gemarkung C. , Flur 264, Flurstücke 77, 52, 49, 53, 61 und 68 (G. -F. -Allee 360-366a; im Folgenden: Vorhabengrundstück), nachdem ihr während des laufenden Berufungsverfahrens bereits eine Baugenehmigung für die Errichtung eines Lebensmittelmarkts mit knapp 800 qm Verkaufsfläche (zuzüglich eines 92,02 qm großen sog. Bake-Off-Bereichs) und 101 Stellplätzen auf dem Vorhabengrundstück erteilt worden ist.
3Das Vorhabengrundstück befindet sich in rückwärtiger Lage eines sechsgeschossigen, vornehmlich zur Wohnnutzung genutzten Gebäudes. Die rückwärtige Hoflage ist von der G. -F. -Allee über eine Hofeinfahrt erschlossen und kann ebenfalls von der südlich gelegenen, als Einbahnstraße verlaufenden X1.----------straße angefahren werden. Die G. -F. -Allee verläuft in diesem Bereich vierspurig (zwei Fahrstreifen pro Richtung), wobei die beiden Fahrtrichtungen durch einen breiten Grünstreifen in der Mitte getrennt werden. Darüber hinaus befinden sich zum Teil Parktaschen an den Seiten der Allee. Die Südseite der Allee, auf der auch das Vorhabengrundstück liegt, ist in diesem Bereich geprägt von fünf- bis sechsgeschossigen Gebäuden, die im Erdgeschoss verschiedene Geschäfts-, Büro- und Einzelhandelsnutzungen aufweisen und in den darüber liegenden Geschossen zu Wohnzwecken genutzt werden. Die westlich des Vorhabens gelegene F1.----straße und die östlich gelegene F2.-----straße werden vor allem zu Wohnzwecken genutzt. An der südlich verlaufenden X1.----------straße befinden sich neben der Wohnnutzung u.a. ein Dachdeckerbetrieb, eine Sanitätshandlung, eine Tankstelle, eine Kfz-Servicewerkstatt und ein Gebrauchtwagenhandel sowie ein Verleih für Baumaschinen.
4Auf der dem Vorhaben nördlich gegenüber liegenden Seite der G. -F. -Allee befand sich zunächst unter der Hausnummer 367-369 ein großes Schuhgeschäft. Zwischenzeitlich ist der Betrieb durch einen Handel für Gastronomiebedarf, Lebensmittel und Getränke ersetzt worden ist. Ferner finden sich dort eine Mietautowerkstatt und verschiedene weitere gewerbliche Nutzungen. Der Bebauungsplan Nr. weist diesen Bereich (im Osten begrenzt durch die X2.-----straße ) als Kerngebiet aus.
5Das Vorhabengrundstück liegt nach der Zentrenabgrenzung des Regionalen Einzelhandelskonzepts für das C1. T. vom 25. August 2006, erstellt im Auftrag des Regionalbüros C2. T. von der C3. Unternehmensberatung GmbH (im Folgenden: Einzelhandelskonzept) teilweise (mit der zur G. -F. -Allee ausgerichteten Hälfte) innerhalb des zentralen Versorgungsbereichs „Nahversorgungsschwerpunkt V. “. Dieser erstreckt sich auf einer Länge von ca. 900 m in ost-westlicher Richtung entlang der G. -F. -Allee. Innerhalb dieses zentralen Versorgungsbereichs finden sich u.a. ein B. -Discountmarkt (mit einer Verkaufsfläche von 830 qm) sowie ein S. -Supermarkt (mit einer Verkaufsfläche von 600 qm). Das Vorhabengrundstück wird von keinem Bebauungsplan erfasst. Der Flächennutzungsplan stellt das Gebiet als Mischgebiet dar.
6Im weiteren Verlauf der G. -F. -Allee nach Osten schließt sich nach etwa 850 m das Gebiet „B1. Markt“ und „Werth“ (im Wesentlichen eine Fußgängerzone) an, das das Einzelhandelskonzept als Hauptzentrum „X. -C. “ darstellt. In einer Entfernung von ca. 300 m Luftlinie nordöstlich des Vorhabengrundstücks, jenseits der X3. , befindet sich der Standortbereich „V1. “. Größter Lebensmittelanbieter ist dort ein großer B2. -Verbrauchermarkt (mit einer Verkaufsfläche von über 2.000 qm), der über einen mehr als 1.000 qm großen separaten Getränkemarkt verfügt. Zudem ist dort ein B. -Discountermarkt mit einer Verkaufsfläche von rund 850 qm ansässig.
7Unter dem 10. Dezember 2010 beantragte die Klägerin die Erteilung eines Vorbescheids. Dazu formulierte die Klägerin die Frage: „Auf dem bestehenden Grundstück G. -F. -Allee 360-366a ist der Abbruch der bestehenden Hallen-/Bürogebäude und die Errichtung eines M. -Verbrauchermarkts mit 1000 qm Verkaufsfläche geplant. Ist diese Baumaßnahme Bau-und Planungsrechtlich zulässig?“.
8Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 7. April 2011 mit, sie beabsichtige, den Antrag abzulehnen. Das Vorhabengrundstück befinde sich in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil, so dass die Bauanfrage auf der Grundlage des § 34 BauGB zu beurteilen sei. Im Hinblick auf die in der Örtlichkeit vorhandene Umgebungsbebauung sei dieser Bereich als Mischgebiet im Sinne des § 6 BauNVO einzuordnen. Mischgebiete im Sinne des § 6 BauNVO dienten grundsätzlich der Unterbringung von Wohnen sowie von das Wohnen nicht störendem Gewerbe. Wegen der Überschreitung der Verkaufsfläche von 800 qm handele es sich nicht um einen mischgebietsverträglichen Einzelhandelsbetrieb, sondern um einen großflächigen Einzelhandelsbetrieb im Sinne des § 11 Abs. 3 BauNVO, der in der Regel in ein Kerngebiet oder ein Sondergebiet zu verweisen sei. Das Vorhaben sei daher bauplanungsrechtlich unzulässig. Die Beklagte gab der Klägerin Gelegenheit zur Äußerung bis zum 22. April 2011, insbesondere zu der Frage, ob Sie einen förmlichen Ablehnungsbescheid wünsche. Andernfalls werde sie den Vorgang einstellen. Nachdem die Klägerin hierauf nicht reagiert hatte, stellte die Beklagte die weitere Bearbeitung des Antrags ein. Mit Bescheid vom 27. Juli 2011, der Klägerin nach eigenen Angaben am 29. Juli 2011 zugegangen, bestätigte sie die Einstellung des Verfahrens und verlangte von der Klägerin die Zahlung von 4.576,80 Euro als Bearbeitungsgebühr.
9Die Klägerin hat am 26. August 2011 Klage erhoben (zunächst mit dem Ziel, im Wege der Untätigkeitsklage eine positive Bescheidung ihrer Bauvoranfrage zu erreichen). Am 29. August 2011 hat sie ausdrücklich erklärt, den Bescheid der Beklagten vom 27. Juli 2011 in das Verfahren einzubeziehen, da dieser die Ablehnung ihrer Bauvoranfrage beinhalte.
10Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin im Wesentlichen Folgendes vorgetragen: Der geplante Lebensmittelmarkt sei nach § 34 Abs. 1 BauGB bauplanungsrechtlich zulässig. Die Eigenart der näheren Umgebung entspreche keinem der Baugebiete der BauNVO; sie sei insbesondere nicht als Mischgebiet gemäß § 34 Abs. 2 i.V.m. § 6 BauNVO einzuordnen. Die nähere Umgebung sei diffus geprägt. Jedenfalls in qualitativer Hinsicht überwiege die gewerbliche Nutzung die Wohnnutzung. Das geplante Vorhaben finde sein Vorbild in den an der Straße V1. ansässigen großflächigen Einzelhandelsbetrieben B2. und B. , zumindest aber in dem an der nördlichen Seite der G. -F. -Allee gelegenen, großflächigen Schuhlagerverkauf (T1. ). Die G. -F. -Allee habe auch keine trennende Wirkung, da die Bebauung auf beiden Seiten einheitlich strukturiert sei. Selbst wenn man annähme, es handele sich um ein Mischgebiet im Sinne des § 6 BauNVO, sei das Vorhaben hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung zulässig. Die Regelvermutung des § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO gelte gemäß § 11 Abs. 3 Satz 4 BauNVO nicht, weil nachteilige Auswirkungen im Sinne des Satzes 2 nicht zu erwarten seien. Der geplante Standort des Lebensmittelmarkts liege innerhalb des im Einzelhandelskonzept ausgewiesenen zentralen Versorgungsbereichs mit dem Schwerpunkt Nahversorgung. Der Standort liege verbrauchernah und sei städtebaulich integriert. Nachteilige Auswirkungen auf den Verkehr seien nicht zu erwarten. Das Vorhaben habe auch keine schädlichen Auswirkungen im Sinne des § 34 Abs. 3 BauGB.
11Die Klägerin hat beantragt,
12die Beklagte zu verpflichten, die Bauvoranfrage der Klägerin vom 10. Dezember 2010 zur Errichtung eines Lebensmittelmarktes mit Backshop auf dem Grundstück Gemarkung C. , Flur 264, Flurstücke 77, 52, 49, 53, 61 und 68, G. -F. -Allee 360, 366a X. (Az. 105.27 – 00933/11) positiv zu bescheiden.
13Die Beklagte hat beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Sie hat im Wesentlichen vorgetragen: Bei der G. -F. -Allee handele es sich aufgrund ihrer Breite und Ausgestaltung um eine Straße mit trennender Wirkung für die Gebietseinschätzung. Das Geviert G. -F. -Allee/ F1.----straße /X1.----------straße /F2.-----straße stelle ein Mischgebiet dar, in dem das geplante Vorhaben nach § 11 Abs. 3 BauNVO unzulässig sei. Der B2. - und der B3.---markt hätten schon deshalb keine Vorbildwirkung, weil sie zu weit von dem Vorhabengrundstück entfernt seien.
16Mit Urteil vom 24. Mai 2012 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Dem geplanten Vorhaben der Klägerin stünden bauplanungsrechtliche Vorschriften entgegen. Das Vorhaben beurteile sich nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 6 BauNVO. Es sei seiner Art nach in einem Mischgebiet unzulässig. Es handele sich um einen großflächigen Einzelhandelsbetrieb im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO, der außer in Kerngebieten nur in festgesetzten Sondergebieten zulässig sei. Die Regelvermutung des § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO sei nicht im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 4 BauNVO als widerlegt anzusehen.
17Mit Bescheid vom 22. Oktober 2012 erteilte die Beklagte der Klägerin eine Baugenehmigung für die Errichtung einer Verkaufsstätte (M. -Markt) und Neubau einer Stellplatzeinhausung auf dem Vorhabengrundstück. Die zu der Baugenehmigung gehörenden Baubeschreibungen und Pläne weisen eine Verkaufsfläche von 799,94 qm nach (bestehend aus Ausgangs-, Eingangsschleuse, Verkaufsraum und Vorraum Pfand). Mit Nachtragsgenehmigung vom 31. Januar 2013 genehmigte die Beklagte die Erweiterung eines vorhandenen sog. Bake-Off-Bereichs von 55,16 qm auf 92,02 qm. Die Geschossfläche des genehmigten Vorhabens beträgt 1.601 qm. Zudem ist die Errichtung von (nunmehr) 101 Stellplätzen geplant (davon sind nach der Baugenehmigung 80 Stellplätze bauordnungsrechtlich zwingend nachzuweisen). Das Gebäude ist bereits errichtet. Der M. -Markt wurde am 2. Dezember 2013 eröffnet.
18Mit Beschluss vom 2. April 2013 hat der Senat die Berufung der Klägerin zugelassen. Im Laufe des Berufungszulassungsverfahrens hatte die Klägerin u.a. eine Auswirkungsanalyse der C3. Handelsberatung GmbH aus August 2012 zu der geplanten Verkaufsflächenerweiterung sowie eine ergänzende Stellungnahme der C3. Handelsberatung GmbH vom 7. Dezember 2012 vorgelegt. Vor der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin zudem eine (aktualisierte) Auswirkungsanalyse zur Ansiedlung eines M. -Lebensmittel-Discountmarkts aus November 2013 vorgelegt. Im Weiteren hat sie in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll erklärt, dass sie die weiter verfolgte Bauvoranfrage vom 10. Dezember 2010 mit Blick auf den inzwischen errichteten und in Betrieb genommenen M. -Markt allein noch auf die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Errichtung bzw. des Betriebs eines M. -Markts mit einer Verkaufsfläche von 1.000 qm und 101 Stellplätzen auf dem bezeichneten Vorhabengrundstück bezieht.
19Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Klägerin zuletzt im Wesentlichen vor:
20Dem Vorhaben stünden öffentlich-rechtliche Vorschriften nicht entgegen. Der geplante Lebensmittelmarkt sei gemäß § 34 BauGB bauplanungsrechtlich zulässig. Es füge sich hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Die maßgebliche Umgebungsbebauung werde nicht durch das Straßengeviert G. -F. -Allee/F1.----straße /X1.----------straße /F2.-----straße bestimmt. Vielmehr seien auch die Nutzungen nördlich der G. -F. -Allee zu berücksichtigen. Der G. -F. -Allee komme auch keine Zäsurwirkung zu. Denn die Bebauungs-und Nutzungsstruktur sei auf Höhe des Vorhabengrundstücks auf beiden Seiten der Allee gleich. Die dergestalt abgegrenzte Umgebungsbebauung sei als Gemengelage im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB einzuordnen. In dieser bilde der auf dem Grundstück G. -F. -Allee 369 ansässige, großflächige Schuh-Lagerverkauf („T1. “) auf der dem Vorhabengrundstück gegenüberliegenden Straßenseite ein Vorbild. Als weitere Vorbilder seien die an der Straße V1. ansässigen Märkte B2. und B. zu berücksichtigen.
21Selbst wenn man lediglich das vom Verwaltungsgericht zugrundegelegte Straßengeviert für maßgeblich erachtete, sei das Vorhaben hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung gemäß § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 6 BauNVO bauplanungsrechtlich zulässig. Denn die Voraussetzungen für eine Widerlegung der Regelvermutung gemäß § 11 Abs. 3 Satz 4 BauNVO seien erfüllt. Von der Rechtsprechung sei eine Atypik im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 4 BauNVO für Lebensmitteleinzelhandelsbetriebe, die der Nahversorgung dienten, bereits bejaht worden. Hiernach sei die Erweiterung eines der Nahversorgung dienenden Lebensmittelmarkts in die Großflächigkeit in einem Mischgebiet zulässig, wenn der Betrieb als Teil eines zentralen Versorgungsbereichs der wohnungsnahen Versorgung der Bevölkerung diene und die prognostizierte Verkehrszunahme sich als verträglich erweise. Nach diesen Maßstäben sei vorliegend ein in städtebaulicher Hinsicht atypischer Sachverhalt gegeben. Es lägen Anhaltspunkte dafür vor, dass das geplante Vorhaben keine Auswirkungen auf die Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden habe. Die Sicherung der verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung werde nicht tangiert. Der Vorhabenstandort befinde sich innerhalb des zentralen Versorgungsbereichs „Nahversorgungsschwerpunkt V. “ und damit in integrierter Lage. Aufgrund des hohen Bevölkerungspotentials in dem dicht besiedelten Stadtteil X. -V. habe das Vorhaben keine Auswirkungen auf die Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche. Ebenso wenig werde die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln beeinträchtigt. Dies werde bestätigt durch die Auswirkungsanalyse der C3. -Handelsberatung aus August 2012. Darin sei dargelegt worden, dass in einem 700 m-Radius um das Vorhabengrundstück ca. 15.600 Einwohner (Zone I), im erweiterten Einzugsbereich, der die westlich angrenzenden Wohnquartiere umfasse, weitere 5.540 Einwohner (Zone II) ansässig seien. Bei einem Pro-Kopf-Ausgabewert in X. in den nahversorgungsrelevanten Sortimenten von 2.376,80 Euro errechne sich ein Nachfragevolumen von rund 37,1 Mio. Euro in Zone I. Die Umsatzerwartung betrage bei einer durchschnittlichen Flächenproduktivität von rund 6.000 Euro/qm Verkaufsfläche ca. 6 Mio. Euro. Dabei hätten die Gutachter den zu erwartenden jährlichen Mehrumsatz aus der Verkaufsflächenerweiterung um 200 qm auf rund 1,2 Mio. Euro prognostiziert. Aus dem fußläufigen Einzugsbereich werde nach der Auswirkungsanalyse ein Umsatz von rund 3,7 Mio. Euro im Bereich der nahversorgungsrelevanten Sortimente generiert. Dies entspreche einer sortimentsspezifischen Kaufkraftbindung von ca. 10 %. In Anbetracht des prognostizierten Gesamtumsatzes entspreche dies einem Umsatz- bzw. Kundenanteil von ca. 74 %. Diese hohe Kundenanbindungsquote im fußläufigen Einzugsbereich (700 m-Radius) belege, dass das geplante Vorhaben der wohnungsnahen Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln diene. Auswirkungen auf den zentralen Nahversorgungsbereich „Hauptzentrum C. “ gingen von dem Vorhaben nicht aus. Nach dem Ergebnis der Auswirkungsanalysen sei in dem Hauptzentrum C. von einer Umverteilungsquote von höchstens 1 % auszugehen. Die Einwendungen der Beklagten gegen die Auswirkungsanalysen der C3. griffen sämtlich nicht durch. Auch aus der aktualisierten Auswirkungsanalyse gehe hervor, dass Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche nicht zu befürchten seien. Es bestünden zudem Anhaltspunkte dafür, dass Auswirkungen auf die infrastrukturelle Ausstattung und den Verkehr nicht vorlägen. Dies werde durch die ergänzende Stellungnahme der C4. Ingenieurgesellschaft für Verkehrswesen mbH vom 5. Juli 2012 zum Verkehrsgutachten vom 28. Juni 2012 betreffend die Ansiedlung eines Lebensmittelmarktes mit einer Verkaufsfläche von 799 qm belegt. Unter der Annahme, dass 90 % der Fahrten über die G. -F. -Allee und nur 10 % über die X1.----------straße erfolgten, kämen die Gutachter zu dem Ergebnis, dass für die von dem Vorhabengrundstück in die G. -F. -Allee rechts einbiegenden Fahrzeuge eine Verkehrsqualität der Stufe B („gut“) gegeben sei.
22Ergänzend werde darauf hingewiesen, dass eine unzumutbare Beeinträchtigung der Nachbarschaft durch Lärmimmissionen, die von den Stellplätzen des Markts ausgingen, ausgeschlossen sei. Dies werde durch die ergänzende Stellungnahme des Büros H. + Partner Ingenieure vom 3. Juli 2012 zur schalltechnischen Prognose vom 7. Mai 2012 betreffend die Ansiedlung eines M. -Markts mit 800 qm Verkaufsfläche belegt. In der schalltechnischen Prognose vom 7. Mai 2012 sei dargelegt worden, dass an den Immissionspunkten IP 1 bis IP 3, G. -F. -Allee 360, 366 bzw. 374, die maßgeblichen Immissionsrichtwerte nach TA-Lärm für MI-Gebiete um mindestens 2,2 dB (A) unterschritten würden. Die Maximalpegel würden ebenfalls gewahrt. Eine Erhöhung der vorhandenen Verkehrsgeräusche um 3 dB (A) durch den planinduzierten Mehrverkehr sei aufgrund der bestehenden hohen Verkehrsbelastung ausgeschlossen.
23Das Vorhaben sei auch im Übrigen bauplanungsrechtlich zulässig. Es füge sich hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung, der Bauweise und der überbaubaren Grundstücksflächen in die nähere Umgebung gemäß § 34 Abs. 1 BauGB ein. Das Gutachten des Büros C4. belege, dass die verkehrliche Erschließung gesichert sei. Schließlich gingen von dem Vorhaben auch keine schädlichen Auswirkungen im Sinne von § 34 Abs. 3 BauGB aus.
24Die Klägerin beantragt,
25das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung ihres Ablehnungsbescheids vom 27. Juli 2011 zu verpflichten, die Bauvoranfrage der Klägerin vom 10. Dezember 2010 in der am 2. Dezember 2013 zu Protokoll der mündlichen Verhandlung erklärten Fassung betreffend die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Errichtung/des Betriebs eines Lebensmittelmarkts (M. -Markt) mit einer Verkaufsfläche von 1.000 qm und 101 Stellplätzen auf dem Grundstück Gemarkung C. , Flur 264, Flurstücke 77, 52, 49, 53, 61 und 68, G. -F. -Allee 360-366a X. -C. positiv zu bescheiden.
26Die Beklagte beantragt,
27die Berufung zurückzuweisen.
28Sie trägt im Kern vor: Die nähere Umgebung des Vorhabens sei als Mischgebiet im Sinne des § 6 BauNVO einzustufen. Der G. -F. -Allee komme eine trennende Wirkung zu. Selbst wenn man der Auffassung der Klägerin folge und die dem Vorhaben gegenüberliegende Straßenseite der G. -F. -Allee in die maßgebliche nähere Umgebung einbeziehe, habe dies keinen Einfluss auf den faktischen Gebietscharakter. Denn auch nördlich der B7 gelegene Baublöcke wiesen die typischen Bau- und Nutzungsstrukturen eines Mischgebiets auf. Der von der Klägerin als großflächig angeführte Schuhlagerverkauf („T1. “) sei inzwischen nicht mehr vorhanden. Eine Nachfolgenutzung werde durch einen Handel für Gastronomiebedarf, Lebensmittel und Getränke erfolgen. Dieser nutze jedoch lediglich 522 qm als Verkaufsfläche und 570 qm als Lager.
29Die Vermutungsregel des § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO sei auch nicht widerlegt. Das Gutachten der C3. aus August 2012 gehe von falschen Voraussetzungen aus und stelle somit keine sachgerechte Beurteilungsgrundlage dar. Da bis dato kein Betriebsteil am Markt eingeführt und etabliert worden sei, müsse das Vorhaben in seiner Gesamtheit mit einer Verkaufsfläche von 1.000 qm in die bauplanungsrechtliche Bewertung eingestellt werden. Dieser Ansatz gelte – auch nach Eröffnung – bis zur vollständigen Marktetablierung des Markts.
30Bei der Prüfung der atypischen Fallgestaltung im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 4 BauNVO komme es nicht auf die absatzwirtschaftliche Verträglichkeit an. Vielmehr seien im Rahmen einer typisierenden Betrachtung Anhaltspunkte auf betrieblicher und städtebaulicher Seite, die für bzw. gegen die Anwendung der Regelvermutung sprächen, zu ermitteln. Für das konkrete Vorhaben seien weder betriebliche, städtebauliche noch verkehrliche Aspekte gegeben, die eine von der Regelvermutung abweichende Beurteilung zuließen.
31In betrieblicher Hinsicht weise das Vorhaben ein diversifiziertes Warenangebot aus Nahrungs- und Genussmitteln und weiteren zentrenrelevanten Waren auf. Es sei somit typisch „breit“ angelegt und könne zweifelsfrei negative Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche hervorrufen. Die als Randsortiment bezeichneten Waren des Vorhabens erfüllten auch nicht die Eigenschaften, die ein Randsortiment im bauplanungsrechtlichen Sinn erfüllen müsse. Die Aktionswaren, die die Klägerin in ihren Filialen vertreibe, umfassten sämtliche zentrenrelevanten Sortimente. Das „typische“ Randsortiment eines M. -Markts in X. überschreite den Rahmen, den die „Arbeitsgruppe Strukturwandel im Lebensmitteleinzelhandel und § 11 Abs. 3 BauNVO“ für vertretbar halte, um von der Regelvermutung abzuweichen, erheblich. Hinzukomme, dass ein überproportionales Verhältnis bei Verkaufsfläche und Umsätzen der zentrenrelevanten Randsortimente bestehe. So würden auf 10% der Verkaufsfläche bereits 17% der Umsätze erzielt. Zudem erreiche die Verkaufsfläche (1.000 qm) an der Geschossfläche (1.500 qm) einen Anteil von 2/3. Nach den Erkenntnissen der „Arbeitsgruppe Strukturwandel im Lebensmitteleinzelhandel und § 11 Abs. 3 BauNVO“ dürfe ein Betrieb des Lebensmittelhandels mit einer Verkaufsfläche von 1.000 qm jedoch nur eine Geschossfläche von 1.333 qm aufweisen. Insofern entspreche das Vorhaben der Klägerin nicht dem branchenüblichen Standard. Es sei davon auszugehen, dass die Klägerin damit letztlich auch eine Strategie der Flächenbevorratung betreibe.
32Mit Blick auf städtebauliche Aspekte sei insbesondere kritisch auf die überschlägige Tragfähigkeitsberechnung abzustellen. Dieser sei vorliegend keinerlei Aussagekraft zur Frage des Vorliegens einer atypischen Fallgestaltung beizumessen. Einerseits würden die im Einzugsbereich bestehenden Betriebe und ihre Umsatzanteile grundsätzlich nicht berücksichtigt. Andererseits erreiche die Bevölkerungsdichte im Nahbereich (700 m-Radius) den sehr hohen Wert von 10.000 EW/qm. Die hohe Bevölkerungsdichte habe zur Folge, dass jedes Einzelhandelsvorhaben – auch zukünftig – den Tragfähigkeitsnachweis positiv zu führen vermöge, sofern sein Umsatz eine Größenordnung von 12 Mio. Euro (35 % des Kaufkraftpotentials in Höhe von 37,1 Mio. Euro) nicht überschreite. Pauschalierte Ansätze – wie die der Klägerin –, die den Nachweis der Atypik anhand überschlägiger Tragfähigkeitsermittlungen führten, seien nicht ausreichend. Im Nahbereich des Vorhabens bestehe ferner eine signifikante Überversorgung an Verkaufsflächen. Die im Dezember 2012 ergänzend von der C3. vorgelegten Berechnungen zur Flächenausstattung/Einwohner gingen schon methodisch von falschen Voraussetzungen aus. Einerseits werde erneut nur auf die geplante Erweiterung um 200 qm Verkaufsfläche abgestellt. Andererseits werde als räumlicher Bezugsrahmen der Einzugsbereich des zentralen Versorgungsbereichs (ca. 22.000 EW) und nicht der Einzugsbereich des Betriebs (ca. 15.000 EW) gewählt. Die konkrete Flächenberechnung/Einwohner stelle lediglich auf die Betriebe im zentralen Versorgungsbereich ab und lasse alle anderen im gewählten Einzugsbereich lokalisierten Einzelhandelsstandorte der wohnortbezogenen Nahversorgung außer Betracht. Es gebe zwei Varianten der Umsatzverteilung. Zum einen könnten die erforderlichen Umsätze des Vorhabens großräumig und damit auf eine Vielzahl von Betrieben – vor allem außerhalb des Nahversorgungsbereichs – umverteilt werden. Zum anderen könne sich die Umsatzverteilung in erster Linie auf die Betriebe im Nahbereich konzentrieren. Im Gegensatz zu § 34 Abs. 3 BauGB stellten im § 11 Abs. 3 BauNVO nicht nur die zentralen Versorgungsbereiche, sondern auch die Versorgung der Bevölkerung im Einzugsgebiet, d.h. die wohnortbezogene Nahversorgung, Schutzgüter dar. Die Klägerin lasse nicht eindeutig erkennen, welches Umverteilungsmodell zum Tragen und bei der Bewertung herangezogen werden solle. Ungeachtet dessen seien beide Umverteilungsmodelle nicht geeignet, vorliegend eine Atypik im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 4 BauGB zu begründen.
33Ferner seien auch die absatzwirtschaftlichen Voraussetzungen für den Ansatz des systemgleichen Wettbewerbs bei der Auswirkungsanalyse des Vorhabens nicht gegeben. Es sei eine deutlich höhere Umverteilung zu Lasten der SB-Märkte im Einzugsbereich anzusetzen, als dies im Gutachten geschehen sei.
34Das geplante Vorhaben verteile auch im Rahmen einer vermeintlichen Eigenkonkurrenz großräumig Umsatz um und entspreche damit einem typischen großflächigen Einzelhandelsbetrieb im Sinne des § 11 Abs. 3 BauNVO.
35Schließlich müsse auch die Behauptung der Klägerin, die Datenerhebungen 2012/2008 hätten zu nahezu identischen Ergebnissen geführt, entschieden zurückgewiesen werden. Im Einzugsbereich bestehe eine Verkaufsflächendifferenz zwischen beiden Erhebungszeitpunkten von 730 qm und damit eine nicht tolerierbare Fehlerquote von fast 10 %.
36In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte u.a. weiter gerügt, die aktualisierte Auswirkungsanalyse lasse außer Acht, dass an der C5.-------straße 23 in X. -C. bereits eine weitere M. -Filiale mit 800 qm Verkaufsfläche genehmigt worden sei, die für die im Hauptzentrum C. ansässigen Betriebe F3. und L. erhebliche Umsatzverluste bedeute. Die Ergebnisse der Auswirkungsanalyse aus November 2013 seien nicht plausibel.
37Auch bei der verkehrlichen Betrachtung des Vorhabens sei eine Verkaufsfläche von 1.000 qm zugrundezulegen. Die Umverteilungsrechnung der C3. unterstelle ein großräumiges Modell. Dies führe zu einem hohen Anteil an Pkw-Kunden und damit zu einem erhöhten Zu- und Abfahrtverkehr. Die erforderlichen Stellplatzanlagen befänden sich südlich der sich am Verlauf der B 7 orientierenden mehrgeschossigen Bebauung, die in diesem Bereich schalltechnisch von der B 7 abgeschirmt sei. Dieser „Innenbereich“ sei bisher nur von geringem Zu- und Abfahrtverkehr betroffen. Mit der Ansiedlung des Markts werde sich das Verkehrsaufkommen auf den von der B 7 abgewandten Grundstücksteilen deutlich mehr als verdoppeln. Damit sei eine Zunahme der Lärmimmissionen um mindestens 3 dB (A) zu erwarten. Eine Atypik sei damit auch unter verkehrlichen Gesichtspunkten zu verneinen.
38Aufgrund der zahlreichen methodischen Mängel könne das Gutachten auch nicht als Auswirkungsanalyse im Sinne des § 34 Abs. 3 BauGB herangezogen werden.
39Die Berichterstatterin des Senats hat die Örtlichkeit im Rahmen eines Ortstermins am 18. November 2013 in Augenschein genommen.
40Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
41E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
42Die zulässige, namentlich innerhalb der Frist des § 124 a Abs. 6 Satz 1 VwGO begründete Berufung der Klägerin hat Erfolg.
43Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen.
44Die Klage ist zulässig und begründet.
45Die in dem Bescheid der Beklagten vom 27. Juli 2011 sinngemäß enthaltene Ablehnung des streitgegenständlichen Vorbescheidsantrags ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
46Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Erteilung eines bauplanungsrechtlichen Vorbescheids für die Errichtung bzw. den Betrieb eines Lebensmitteleinzelhandelsmarkts (M. -Markt) mit einer Verkaufsfläche von 1000 qm nebst 100 Stellplätzen auf dem Grundstück Gemarkung C. , Flur 264, Flurstücke 77, 52, 49, 53, 61 und 68, G. -F. -Allee 360-366a, X. -C. .
47Gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW kann zu Fragen des Bauvorhabens ein Vorbescheid beantragt werden. Der Vorbescheid ist nach § 71 Abs. 2 BauO NRW in Verbindung mit § 75 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW zu erteilen, wenn dem Vorhaben, soweit es zur Prüfung gestellt wurde, öffentlich-rechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen.
48Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
49Unter Berücksichtigung des inzwischen am Vorhabenstandort verwirklichten Lebensmittelmarkts mit einer Verkaufsfläche von 799,94 qm bestehend aus Ausgangs-, Eingangsschleuse, Verkaufsraum und Vorraum Pfand zuzüglich eines Bake-off-Bereichs von 92,02 qm geht es der Klägerin der Sache nach (lediglich) noch um die Erweiterung der Verkaufsfläche dieses Marktes auf 1.000 qm. Dabei muss das Gesamtvorhaben in seiner durch die Erweiterung geänderten Gestalt geprüft werden; das vom Bauherrn angestrebte Ergebnis der Baumaßnahme muss den zu prüfenden bauplanungsrechtlichen Vorschriften entsprechen.
50Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Juni 1993 - 4 C 17.91 -, BRS 55 Nr. 72 = juris Rn. 16; Beschluss vom 29. November 2005 - 4 C 72.05 -, BRS 69 Nr. 77 = juris Rn. 5; Kuschnerus, Einzelhandel Rn. 42 ff..
51Hiervon ausgehend ist die Errichtung bzw. der Betrieb eines Lebensmitteleinzelhandelsmarkts mit einer Verkaufsfläche von 1.000 qm nebst 101 Stellplätzen auf dem Vorhabengrundstück bauplanungsrechtlich zulässig.
52Das Vorhaben beurteilt sich nach den Vorgaben des § 34 Abs. 2 Hs. 1 i.V.m. § 6 BauNVO bzw. im Übrigen des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB.
53Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist ein Vorhaben, das ‑ wie hier ‑ auf einem unbeplanten Grundstück innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils verwirklicht werden soll, zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete der Baunutzungsverordnung, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach dieser Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre, § 34 Abs. 2 BauGB.
54Diesen Anforderungen entspricht das Vorhaben.Es fügt sich umfassend in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Dies gilt namentlich auch für die Art der baulichen Nutzung, deren Zulässigkeit zwischen den Beteiligten allein streitig ist.
55Die nähere Umgebung des Vorhabengrundstücks ist als faktisches Mischgebiet im Sinne der § 34 Abs. 2 Hs. 1 BauGB i.V. m. § 6 BauNVO zu qualifizieren (dazu 1.). In diesem ist der vorgestellte Betrieb entsprechend § 6 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO zulässig. Die Sonderregelung des § 11 Abs. 3 BauNVO für sog. großflächigen Einzelhandel, d.h. solche mit mehr als 800 qm Verkaufsfläche,
56vgl. zur Grenze von 800 qm BVerwG, Urteil vom 24. November 2005 ‑ 4 C 10.04 ‑, BRS 69 Nr. 71 = juris Rn. 23,
57greift hier (ausnahmsweise) nicht (dazu 2.) Weitere Ausschlussgründe entsprechend § 15 BauNVO (dazu 3.) oder auf der Grundlage von § 34 Abs. 3 BauGB liegen nicht vor (dazu 4.)
581. Das Vorhabengrundstück liegt in einem faktischen Mischgebiet im Sinne der § 34 Abs. 2 Hs. 1 BauGB i.V.m. § 6 BauNVO.
59Die für die Beurteilung des Gebietscharakters maßgebliche nähere Umgebung eines Grundstücks wird dadurch ermittelt, dass in zwei Richtungen, nämlich in Richtung vom Vorhaben auf die Umgebung und in Richtung von der Umgebung auf das Vorhaben geprüft wird, wie weit die jeweiligen Auswirkungen reichen. Zu berücksichtigen ist die Umgebung einmal insoweit, als sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann und zweitens insoweit, als die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst. Bei der Ermittlung der näheren Umgebung ist die Betrachtung auf das Wesentliche zurückzuführen und sind Fremdkörper und Ausnahmen außer Acht zu lassen, solange beispielsweise die erkennbaren „Grundzüge der Planung“ durch sie nicht berührt werden. Bei der für die Prüfung erforderlichen Bestandsaufnahme ist grundsätzlich alles tatsächlich Vorhandene in den Blick zu nehmen. Die Grenzen der näheren Umgebung sind nicht schematisch, sondern nach der jeweiligen städtebaulichen Situation zu bestimmen. Es darf aber nicht nur diejenige Bebauung als erheblich angesehen werden, die gerade in der unmittelbaren Nachbarschaft des Baugrundstücks überwiegt, sondern es muss auch die Bebauung der weiteren Umgebung des Grundstücks insoweit berücksichtigt werden, als auch sie noch „prägend“ auf dasselbe einwirkt. Wie weit die wechselseitige Prägung - und damit die „nähere Umgebung“ - reicht, ist eine Frage des jeweiligen Einzelfalls.
60Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 11. Februar 2000- 4 B 1.00 -, BRS 63 Nr. 102 = juris Rn. 34 und 44, vom 20. August 1998 - 4 B 79.98 -, BRS 60 Nr. 176 = juris Rn. 7 f., und vom 11. November 1980 - 4 B 207.80 -, BRS 36 Nr. 54 = juris Rn. 2, Urteile vom 26. Mai 1978 - IV C 9.77 -, BVerwGE 55, 369 = NJW 1978, 2564 = juris Rn. 33, und vom 18. Oktober 1974 - IV C 77.73 -, BRS 28 Nr. 27 = juris Rn. 15; OVG NRW, Beschluss vom 9. Januar 2012 - 2 A 536/11 -, S. 3 f. des amtlichen Abdrucks, Urteile vom 9. September 2010 - 2 A 508/09 -, juris Rn. 35, und vom 19. April 2010 - 7 A 2362/07 -, juris Rn. 56.
61Hierbei kann eine Straße - zumal eine Hauptstraße - sowohl trennende als auch verbindende Wirkung haben. Welche Wirkung sie jeweils hat, kann stets nur das Ergebnis einer Wertung und Bewertung des konkreten Sachverhalts sein.
62Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 11. Februar 2000- 4 B 1.00 -, BRS 63 Nr. 102 = juris Rn. 18, und vom 10. März 1994 - 4 B 50.94 -, juris Rn. 3, Urteil vom 6. Juli 1984 - 4 C 28.83 -, BRS 42 Nr. 26 = juris Rn. 9; OVG NRW, Urteil vom 9. März 2012 ‑ 2 A 1626/10 ‑, juris Rn. 50.
63Ausgehend von diesen Grundsätzen wird nach dem vorliegenden Kartenmaterial und den im Ortstermin von der Berichterstatterin gewonnenen und dem Senat vermittelten Eindrücken die nähere Umgebung geprägt durch die innerhalb des Straßengevierts G. -F. -Allee (südliche Straßenseite), F1.----straße , X1.----------straße und F2.-----straße liegenden Grundstücke, weil sich das Vorhaben auf diese Bereiche auswirken kann und sie ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Vorhabengrundstücks prägen oder jedenfalls beeinflussen. Die G. -F. -Allee (B 7) fungiert dabei aufgrund ihrer Breite mit jeweils zwei Fahrbahnen pro Fahrtrichtung und einem die Fahrtrichtungen trennenden breiten, mit Bäumen bepflanzten Grünstreifen, nach ihrer Verkehrsfunktion und ihrem Ausbauzustand als städtebauliche Zäsur, so dass sich die in den Blick zu nehmende nähere Umgebung nicht auch auf die nördlichen Seite der G. -F. -Allee erstreckt. Die in der beschriebenen Umgebung vorhandene Bebauung weist eine Durchmischung von Wohn- und nicht wesentlich störenden Gewerbenutzungen auf, die für die Gebietsart „Mischgebiet“ typisch sind. Die Ortsbesichtigung hat ergeben, dass keiner der in der maßgeblichen Umgebung vorhandenen Gewerbebetriebe das Wohnen wesentlich stört und mithin der Einordnung dieser Umgebung als (faktisches) Mischgebiet im Sinne des § 6 BauNVO entgegenstünde.
642. Im Mischgebiet sind Einzelhandelsbetriebe gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO im Grundsatz allgemein zulässig. Hierauf kann sich die Klägerin berufen, obschon es sich bei dem vorgestellten Betrieb mit einer Verkaufsfläche von 1.000 qm um einen sog. großflächigen Einzelhandelsbetrieb handelt. Die Sonderregelung des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO, wonach großflächige Einzelhandelsbetriebe unter näher beschriebenen Voraussetzungen außer in Kerngebieten nur in Sondergebieten zulässig sind, steht dem Vorhaben nicht entgegen.
65Gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO, der entsprechend auch auf Vorhaben innerhalb von faktischen Baugebieten Anwendung findet,
66vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Februar 2009 ‑ 4 B 3.09 ‑, BRS 74 Nr. 101 = juris Rn. 9,
67sind großflächige Einzelhandelsbetriebe, die sich nach Art, Lage oder Umfang auf die Verwirklichung der Ziele der Raumordnung und Landesplanung oder auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung nicht nur unwesentlich auswirken können, außer in Kerngebieten nur in für sie festgesetzten Sondergebieten zulässig. Solche ‑ in Satz 2 der Vorschrift beispielhaft bezeichneten ‑ Auswirkungen sind gemäß § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO in der Regel anzunehmen, wenn die Geschossfläche - wie hier - 1.200 qm überschreitet. § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO geht dabei in einer typisierenden Betrachtungsweise ("in der Regel") davon aus, dass bei großflächigen Einzelhandelsbetrieben mit einer Geschossfläche von mehr als 1.200 qm Auswirkungen auf die städtebauliche Ordnung und Entwicklung - insbesondere auf die infrastrukturelle Ausstattung, auf den Verkehr und auf die Versorgung der Bevölkerung im Einzugsbereich dieser Betriebe - eintreten können.
68Die Vermutung des § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO ist allerdings widerleglich; sie kann entkräftet werden. § 11 Abs. 3 Satz 4 Hs. 1 BauNVO bestimmt daher, dass die Regel des Satzes 3 nicht gilt, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Auswirkungen bei mehr als 1.200 qm Geschossfläche nicht vorliegen; dabei sind in Bezug auf die in Satz 2 bezeichneten Auswirkungen insbesondere die Gliederung und die Größe der Gemeinde und ihrer Ortsteile, die Sicherung der verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung und das Warenangebot des Betriebs zu berücksichtigen (§ 11 Abs. 3 Satz 4 Hs. 2).
69Vgl. BVerwG, Urteile vom 24. November 2005 ‑ 4 C 10.04, BRS 69 Nr. 71 = juris Rn. 25 und vom 3. Februar 1984 ‑ 4 C 54.80 ‑, BRS 42 Nr. 50 (zu § 11 Abs. 3 BauNVO 1977) = juris Rn. 10, Beschluss vom 9. Juli 2002 ‑ 4 B 14.02 ‑, BRS 65 Nr. 70 = juris Rn. 7.
70Die Aufzählung der Kriterien ist nicht abschließend. Es kommen grundsätzlich alle Gesichtspunkte in Betracht, die für die städtebauliche Beurteilung von großflächigen Einzelhandelsbetrieben nach § 11 Abs. 3 Satz 1 und 2 BauNVO von Bedeutung sind, wie z.B. die Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche.
71Vgl. auch Söfker, in: Ernst/Zinkahn/ Bielenberg/ Krautzberger, BauGB Bd. IV, 108. Ergänzungslieferung April 2013, § 11 BauNVO Rn. 83.
72Erforderlich ist, dass aufgrund konkreter Anhaltspunkte die Annahme gerechtfertigt erscheint, im betreffenden Fall handele es sich um ein Vorhaben, das aufgrund seines Betriebstyps oder der besonderen städtebaulichen Situation nicht zu dem Betriebstyp gerechnet werden kann, den der Verordnungsgeber dem § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO zugrundegelegt hat.
73Vgl. BVerwG, Urteile vom 24. November 2005 - 4 C 10.04 ‑, BRS 69 Nr. 71 und vom 3. Februar 1984 ‑ 4 C 54.80 ‑, BRS 42 Nr. 50 = juris Rn. 10 (zu § 11 Abs. 3 BauNVO 1977); OVG NRW, Urteil vom 25. Januar 2010 ‑ 7 D 97/09.NE ‑, BRS 76 Nr. 42; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/ Bielenberg/ Krautzberger, BauGB Bd. IV, 108. Ergänzungslieferung April 2013, § 11 BauNVO Rn. 81.m.w.N.
74Entsprechende Abweichungen können auf der betrieblichen Seite darin bestehen, dass der Betrieb beschränkt ist auf ein eingeschränktes Warensortiment (z.B. nur Gartenbedarf), auf Artikel, die üblicherweise in Verbindung mit handwerklichen Dienstleistungen (z.B. Kraftfahrzeughandel mit Werkstatt) angeboten werden, oder auf solche, die in einer gewissen Beziehung zu gewerblichen Nutzungen stehen (Baustoffhandel, Büromöbelhandel). Auf der städtebaulichen Seite können Abweichungen von der dem § 11 Abs. 3 BauNVO zugrunde liegenden typischen Situation z.B. darin bestehen, dass der Einzugsbereich des Betriebs im Warenangebot bisher unterversorgt ist, dass zentrale Versorgungsbereiche an anderem Standort des Einzugsgebiets nicht geplant sind, oder dass der Betrieb in zentraler und für die Wohnbevölkerung allgemein gut erreichbarer Lage errichtet werden soll.
75Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Februar 1984 ‑ 4 C 54/80 ‑, BRS 42 Nr. 50 = juris Rn.11 (zu § 11 Abs. 3 BauNVO 1977).
76Die Widerlegung der Vermutung des § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO hängt danach maßgeblich davon ab, welche Waren angeboten werden, auf welchen Einzugsbereich der Betrieb angelegt ist und in welchem Umfang zusätzlicher Verkehr hervorgerufen wird. Entscheidend ist, ob der Betrieb über den Nahbereich hinauswirkt und dadurch, dass er unter Gefährdung funktionsgerecht gewachsener städtebaulicher Strukturen weiträumig Kaufkraft abzieht, auch in weiter entfernten Wohngebieten die Gefahr heraufbeschwört, dass Geschäfte schließen, auf die insbesondere nicht motorisierte Bevölkerungsgruppen dort angewiesen sind. Nachteilige Wirkungen dieser Art werden noch verstärkt, wenn der Betrieb in erheblichem Umfang zusätzlichen gebietsfremden Verkehr auslöst. Je deutlicher die Regelgrenze von 1.200 qm Geschossfläche überschritten ist, mit desto größerem Gewicht kommt die Vermutungswirkung des § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO zum Tragen. Dabei kann allerdings die jeweilige Siedlungsstruktur nicht außer Betracht bleiben. Je größer die Gemeinde oder der Ortsteil ist, in dem der Einzelhandelsbetrieb angesiedelt werden soll, desto eher ist die Annahme gerechtfertigt, dass sich die potentiellen negativen städtebaulichen Folgen relativieren.
77Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 2005 ‑ 4 C 10.04 ‑, BRS 69 Nr. 71 = juris Rn. 26 und Beschluss vom 22. Juli 2004 ‑ 4 B 29.04 ‑, BRS 67 Nr. 76 = juris Rn. 10.
78Die Darlegungslast für das Fehlen solcher Auswirkungen trägt im Ausgangspunkt der Bauherr.
79Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 2005 ‑ 4 C 10.04 ‑, BRS 69 Nr. 71 = juris Rn. 24.
80Greift die Vermutungsregel wegen des Vorliegens einer atypischen Fallgestaltung nicht ein, ist im Weiteren - quasi in einem zweiten Schritt - im Hinblick auf die tatsächlichen Umstände des Einzelfalls aufzuklären, ob der zur Genehmigung gestellte großflächige Einzelhandelsbetrieb gleichwohl im Einzelfall mit Auswirkungen der in § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO genannten Art verbunden sein wird oder kann.
81Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2007 ‑ 4 C 9.07 ‑, BRS 71 Nr. 157 = juris Rn. 19, 20.
82Da ‑ wie schon oben angesprochen ‑ die Auswirkungen des Gesamtvorhabens maßgebend sind, kommt es weder für das Eingreifen der Regelvermutung noch für deren Widerlegung darauf an, ob der Einzelhandelsbetrieb von vornherein in der nun zu beurteilenden Größe errichtet oder ob ein bestehender Betrieb nachträglich erweitert werden soll.
83Vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. November 2005 ‑ 4 B 72.05 ‑, BRS 69 Nr. 77 = juris Rn. 5.
84Davon ausgehend ist das Vorhaben der Klägerin zulässig. Zum einen greift die Vermutungsregel des § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO nicht ein, da eine atypische Fallgestaltung vorliegt (dazu a.). Zum anderen sind auch in Anknüpfung an die Ausführungen in den Auswirkungsanalysen der C3. Handelsberatung in diesem konkreten Einzelfall schädliche Auswirkungen im Sinne des § 11 Abs. 3 Sätze 1 und 2 BauNVO nicht zu befürchten (dazu b.).
85a. Unter Zugrundelegung der dargestellten Maßstäbe liegen hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass im konkreten Einzelfall eine besondere städtebauliche Atypik gegeben ist, die die Regelvermutung gemäß § 11 Abs. 3 Satz 4 BauNVO widerlegt. Diese städtebauliche Atypik leitet sich aus den Besonderheiten des gewählten Standorts und der Ausrichtung des Betriebs auf die Nahversorgung ab.
86Der Vorhabenstandort liegt – was von entscheidender Bedeutung ist ‑ innerhalb des ‑ im Einzelhandelskonzept interkommunal abgestimmten – zentralen Versorgungsbereichs „Nahversorgungsschwerpunkt X. -V. “. Er ist mithin städtebaulich integriert und von der Beklagten dort gerade als Ansiedlungsstandort für nahversorgungsrelevanten Einzelhandel konzeptionell gewollt. Nach dem Inhalt des Einzelhandelskonzepts (Endbericht, S. 106) sind Nahversorgungsschwerpunkte ihrer Konzeption nach (auch) dadurch gekennzeichnet, dass sie keine überörtlichen Einzugsgebiete erreichen und von einem wesentlichen Teil ihrer Kunden – sofern gewünscht – auch fußläufig aufgesucht werden können. So soll es originäre Aufgabe der Nahversorgungszentren sein, die qualifizierte Nahversorgung eines Wohnbereichs mit Gütern des täglichen Bedarfs (insbesondere Lebensmittel, Drogeriewaren) u.a. durch Lebensmitteldiscounter sicherzustellen. Diese Zielsetzung wird gerade auch durch das Vorhaben der Klägerin verwirklicht. Denn der „Nahversorgungsschwerpunkt X. -V. “ weist ‑ ebenso wie das fußläufige Einzugsgebiet mit 15.600 Einwohnern im 700 m Radius um das Vorhabengrundstück herum ‑ ein hohes Bevölkerungspotential auf. Innerhalb dieses zentralen Versorgungsbereichs decken bislang als wesentliche Anbieter (nur) ein B. -Discountmarkt (mit einer Verkaufsfläche von 830 qm) und ein S. -Supermarkt (mit einer Verkaufsfläche von 600 qm) die Nachfrage nach nahversorgungsrelevantem Sortiment ab. Insofern ist ‑ was auch die Beklagte nicht in Zweifel zieht ‑ bezogen auf den zentralen Versorgungsbereich eine Unterversorgung mit nahversorgungsrelevantem Sortiment, wie es die Klägerin mit ihrem Lebensmittel-Discountmarktes schwerpunktmäßig anbietet, festzustellen.
87Korrespondierend hierzu liegt der Standort des klägerischen Betriebs in zentraler, für die Wohnbevölkerung gut erreichbarer Lage. Es wird in Anknüpfung an die plausiblen Ausführungen der C3. Handelsberatung GmbH in ihren Auswirkungsanalysen von August 2012 und November 2013 aufgrund eines außergewöhnlich hohen Nachfragepotentials im Nahbereich überwiegend von der lokalen Nachfrage getragen werden. Zwar liegt der Standort zugleich in verkehrsgünstiger Lage an der G. -F. -Allee (B7). Die Befürchtungen, dass der Betrieb aufgrund dieser Lage über den Nahbereich hinaus wirken und dadurch weiträumig Kaufkraft abziehen könnte, erscheinen aber bereits mit Blick auf die ausgeprägte Nahversorgungsfunktion und die rückwärtige und damit schwer einsehbare Hoflage im Ergebnis unbegründet. So kann der Betrieb der Klägerin aufgrund der baulichen Ausgestaltung und der verkehrlichen Funktion der G. -F. -Allee mit fehlender Wendemöglichkeit nur von dem in Richtung Osten (C. ) fahrenden Verkehr unmittelbar angefahren werden. Eine besondere Attraktivität des klägerischen Betriebes für Kunden, die aus anderen Stadtteilen oder Städten kommen, ist ‑ auch unter Berücksichtigung der vorhandenen (Eigen)Konkurrenz und der übrigen Wettbewerbstrukturen ‑ nicht feststellbar. Anhaltspunkte für eine Überdimensionierung des Nonfood-Bereichs und eine damit möglicherweise einhergehende Attraktivitätssteigerung des Standorts sind ebenso nicht gegeben.
88Der Einwand der Beklagten, das Vorhabengrundstück liege nicht vollständig im Nahversorgungsschwerpunkt V. , vermag diese Bewertung nicht in Zweifel zu ziehen. Zutreffend ist zwar, dass nach der Zentrenabgrenzung in dem Einzelhandelskonzept der „Nahversorgungsschwerpunkt X. -V. “ das Vorhabengrundstück im rückwärtigen Bereich nicht vollständig (bis zur X1.----------straße ) erfasst. Allerdings ist der (nicht parzellenscharf erfolgten räumlichen Abgrenzung der) Planzeichnung zu entnehmen, dass die vorhandene rückwärtige gewerbliche Nutzung entlang der G. -F. -Allee und damit ein überwiegender Teil des Vorhabens zweifelsfrei von dem Nahversorgungsschwerpunkt erfasst und nur die (gewerbliche) Nutzung entlang der X1.----------straße ausgeschlossen sein sollte. Zudem richtet sich die räumliche Abgrenzung eines zentralen Versorgungsbereiches nach den tatsächlich vorhandenen örtlichen Gegebenheiten.
89Vgl. zuletzt OVG NRW, Urteil vom 15. Oktober 2013 ‑ 2 A 204/12 ‑, juris Rn. 96 m.w.N.
90Ausweislich eines Aktenvermerks des Amts für Stadtentwicklung vom 18. April 2011 (Bl. 49 BA 1) war auch die Beklagte bislang davon ausgegangen, dass das Vorhaben innerhalb des im Einzelhandelskonzept dargestellten zentralen Versorgungsbereichs „Nahversorgungsschwerpunkt V. “ liegt. Nach den Eindrücken, die das Gericht vor Ort gewonnen hat, besteht kein durchgreifender Zweifel daran, dass diese frühere Einschätzung der Beklagten richtig war und der Nahversorgungsschwerpunkt X. -V. auch und gerade diesen rückwärtigen, primär zur G. -F. -Allee ausgerichteten Bereich des Vorhabengrundstücks umschließt.
91Soweit sich die Beklagte darauf stützt, im Nahbereich des Vorhabens gebe es eine signifikante Überversorgung an Verkaufsflächen, vermag dieser Einwand die gegebene städtebauliche Atypik ebenso wenig in Frage zu stellen. Eine solche Überversorgung ergibt sich ausschließlich unter Berücksichtigung der außerhalb des zentralen Versorgungsbereichs gelegenen Standorte, insbesondere „V1. “ mit einem großflächigen B2. (mit einer Verkaufsfläche von rd. 2.000 qm) und einem großflächigen B. (mit einer Verkaufsfläche von ca. 850 qm). Anknüpfungspunkt für die besondere städtebauliche Fallkonstellation ist aber gerade die Lage des klägerischen Betriebs innerhalb eines (insofern unterversorgten) zentralen Versorgungsbereichs, in dem eine „Überversorgung“ konzeptionell gerade gewünscht ist. Der Einwand der Beklagten lässt außer Acht, dass es mit der Realisierung des M. -Marktes zu einer städtebaulich grundsätzlich wünschenswerten Verschiebung zugunsten des zentralen Versorgungsbereichs „Nahversorgungsschwerpunkt X. -V. “ kommt. Insofern wird auch in dem Einzelhandelskonzept für den Nahversorgungsschwerpunkt V. lediglich „mit Blick auf den nahegelegenen Standort V1. (B2. )“ kein dringender Handlungsbedarf gesehen; jedoch soll im Falle von Erweiterungs- oder Verlagerungswünschen eine Integration in den zentralen Versorgungsbereich ermöglicht werden (S. 108 des Endberichts).
92Der Versuch der Beklagten, eine (abgesehen von der städtebaulichen) betriebliche Atypik des Vorhabens in Abrede zu stellen, greift schon deshalb nicht durch, weil das Vorhaben der Klägerin ersichtlich dem „Prototyp“ eines Lebensmittel-Discounters mit nahversorgungsrelevantem Sortimentsschwerpunkt entspricht, der zum preisgünstigen und wohnortnahen Versorgungseinkauf aufgesucht wird. Insofern muss sich die Beklagte auch ihr eigenes Einzelhandelskonzept entgegen halten lassen, dass Discounter der Kategorie „Planvorhaben mit nahversorgungsrelevantem Sortimentsschwerpunkt“ zuordnet (S. 144 Einzelhandelsbericht).
93Die Einschätzung der besonderen (atypischen) städtebaulichen Gegebenheiten wird durch die gutachterlichen Ausführungen der C3. Handelsberatung GmbH in ihren Auswirkungsanalysen von August 2012 (im Folgenden: Analyse 2012) und November 2013 (im Folgenden: Analyse 2013), die sich an den oben dargelegten rechtlichen Vorgaben zu § 11 Abs. 3 BauNVO orientieren, gestützt und durch die dagegen gerichteten Einwände der Beklagten nicht durchgreifend in Frage gestellt.
94Beide Auswirkungsanalysen gelangen ‑ bei nahezu übereinstimmender Darlegung und Bewertung der städtebaulichen Situation am Vorhabenstandort ‑ zu dem Ergebnis, dass mit Blick auf die zentrale und für die Wohnbevölkerung gut erreichbare Lage innerhalb des interkommunal abgestimmten zentralen Versorgungsbereichs „Nahversorgungsschwerpunkt V. “ eine atypische Fallgestaltung aus den städtebaulichen Besonderheiten des konkreten Sachverhaltes abgeleitet werden kann (S. 34 der Analyse 2012, S. 31 Analyse 2013).
95Die von den Gutachtern zum Beleg der Versorgungsbedeutung des Vorhabens ermittelte Kaufkraftbindungsquote im Einzugsbereich und die daran anknüpfende Prognose, das Vorhaben diene primär der Nahversorgung, sind tragfähig.
96Eine Prognose hat das Gericht nur darauf zu prüfen, ob sie mit den im maßgebenden Zeitpunkt verfügbaren Erkenntnismitteln unter Beachtung der für sie erheblichen Umstände sachgerecht erarbeitet worden ist. Das Gericht prüft insoweit die Wahl einer geeigneten fachspezifischen Methode, die zutreffende Ermittlung des der Prognose zugrunde liegenden Sachverhalts und ob das Ergebnis einleuchtend begründet worden ist. Ferner ist zu fragen, ob die mit jeder Prognose verbundene Ungewissheit künftiger Entwicklungen in einem angemessenen Verhältnis zu den Eingriffen steht, die mit ihr gerechtfertigt werden sollen. Es ist hingegen nicht Aufgabe des Gerichts, das Ergebnis einer auf diese Weise sachgerecht erarbeiteten Prognose als solches darauf zu überprüfen, ob die prognostizierte Entwicklung mit größerer oder geringerer Wahrscheinlichkeit eintreten wird oder kann.
97Vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Juli 1998
98- 11 A 53.97 -, DVBl 1998, 1188 = juris Rn. 25; OVG NRW, Urteil vom 25. Januar 2010 ‑ 7 D 97/09.NE ‑, BRS 76 Nr. 42 = juris Rn. 70.
99Die vorbeschriebenen Anforderungen erfüllen die gutachterlichen Stellungnahmen aus 2012 und 2013. Die vorgenommene Gegenüberstellung des zu erwartenden Umsatzes des Vorhabens im Bereich von Nahrungs- und Genussmitteln und der sortimentsspezifischen Kaufkraft in dem Kerneinzugsgebiet bzw. in dem erweiterten Einzugsgebiet ist nicht zu beanstanden. Ein derartiger Vergleich stellt eine geeignete fachspezifische Methode für die Feststellung dar, ob ein Betrieb des Lebensmitteleinzelhandels der Aufgabe gerecht werden kann, der verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung in ihrem Einzugsbereich zu dienen.
100Vgl. OVG NRW, Urteil vom 25. Januar 2010 ‑ 7 D 97/09.NE ‑, BRS 76 Nr. 42 = juris Rn. 73; Kuschnerus, Der standortgerechte Einzelhandel, 1. Auflage 2007, Rn. 97 ff.
101Die Schlussfolgerung der Gutachter, der geplante Lebensmitteldiscounter übernehme in erster Linie eine Nahversorgungsfunktion für die im (Nah-) Einzugsbereich lebende Bevölkerung, stützt sich plausibel auf die Erwägung, dass der voraussichtliche Umsatz des Vorhabens im Bereich von Nahrungs- und Genussmitteln (in Höhe von 5 Mio. €) angesichts des hohen Bevölkerungspotentials zu 85 % aus dem Einzugsgebiet (davon 74 % aus Zone I/700 m-Radius und 11 % aus dem erweiterten Einzugsgebiet) generiert werden wird. Dem entspricht eine Kaufkraftbindungsquote von 8 % im gesamten Einzugsgebiet. Die Gutachter gehen weiter davon aus, dass rund 15 % des Umsatzes - v.a. aufgrund der Verbindungsfunktion der G. -F. -Allee und des damit einhergehenden Durchgangsverkehrs - vorrangig aus dem weiteren Stadtgebiet von X. als Streuumsätze zufließen.
102Die Prämissen, die die gutachterliche Stellungnahme damit in Bezug auf die relevante Kaufkraft der Bevölkerung und den voraussichtlichem Umsatz des Vorhabens zugrunde legt, sind substantiiert und plausibel begründet. Dies gilt insbesondere für die von den Gutachtern u.a. in Anknüpfung an die besonderen Siedlungs- und Konkurrenzstrukturen vorgenommene räumliche Abgrenzung des Einzugsgebiets (S. 28 der Analyse 2012, S. 27 der Analyse 2013) nach zwei Zonen, wonach Zone I das fußläufige Naheinzugsgebiet mit 15.600 Einwohnern in einem Radius von 700 m um das Vorhaben umfasst und Zone II die westlich hieran angrenzenden Wohnquartiere mit 5.540 Einwohnern beinhaltet. Die Gutachter tragen mit dieser Abgrenzung den individuellen Gegebenheiten des vorliegenden Einzelfalls, insbesondere den Anforderungen an eine verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung im verdichteten städtischen Raum, Rechnung. Dass die von den Gutachtern zugrundegelegten Daten bezüglich der Umsatzerwartung des Vorhabens und des Kaufkraftpotentials (Bevölkerungszahl im Einzugsgebiet x statistisch ermitteltem Pro-Kopf Ausgabebetrag) im Einzugsbereich fehlerhaft sein könnten, ist weder von der Beklagten vorgetragen noch für den Senat ersichtlich. Angesichts dieser konkreten Betrachtungsweise greift auch die von der Beklagten vorgebrachte Kritik an der von ihr so bezeichneten „überschlägigen Tragfähigkeitsberechnung“ nicht durch. Die C3. Handelsberatung hat ihren Berechnungen, die sich allein auf die Nahversorgungsrelevanz des Vorhabens beziehen, nämlich gerade eine auf das Vorhaben bezogene Einzelfallbetrachtung zugrundegelegt und sich nicht mit (abstrakten) Parametern einer „Tragfähigkeitsberechnung“ begnügt.
103Vgl. hierzu Kuschnerus, Der standortgerechte Einzelhandel, 1. Auflage Mai 2007, Rn. 97 ff. zur Tragfähigkeitsberechnung nach dem Kölner Merkblatt und zu § 34 Abs. 3 BauGB, OVG NRW, Urteil vom 19. Juni 2008 - 7 A 1392/07 ‑, Beschluss vom 2. Oktober 2008 - 7 A 2549/07 ‑,
104b. Der zur Vorbescheidung gestellte großflächige Einzelhandelsbetrieb der Klägerin kann und wird auch im Einzelfall nicht mit Auswirkungen der in § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO genannten Art verbunden sein. Die Prognose zu den (fehlenden) Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche oder die Versorgungsstruktur (dazu aa.) und die Erwägungen zur Vereinbarkeit des Vorhabens mit den Zielen der Raumordnung und der Landesplanung sind tragfähig (dazu bb.). Nachhaltige negative Auswirkungen auf die verkehrliche Infrastruktur, die den Vorbehalt der Zulässigkeit nur in einem entsprechenden Sondergebiet oder Kerngebiet rechtfertigen, sind ebenfalls nicht zu erwarten (dazu cc.). Schließlich ergibt sich eine Mischgebietsunverträglichkeit auch nicht im Hinblick auf die von dem Betrieb hervorgerufenen Immissionen, namentlich die Anlagen- und Stellplatzgeräusche (dazu dd.).
105aa. Die unter Berücksichtigung der besonderen städtebaulichen Situation abgeleitete Prognose der C3. -Gutachter, dass schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche oder die Versorgungsstruktur nicht zu erwarten sind, weist nachvollziehbar aus, dass durch das Vorhaben der Klägerin nur mit Umsatzverteilungen von deutlich unter 10% zu rechnen ist.
106Ob sich die Zulassung eines Einzelhandelsbetriebs - oder mehrerer Einzelhandelsbetriebe - unmittelbar und gewichtig auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde und in Nachbargemeinden auswirkt und dabei rücksichtslos ist, ist im jeweiligen Einzelfall anhand verschiedener Faktoren zu beurteilen. Städtebauliche Konsequenzen einer Planung zeigen sich etwa dann, wenn eine Schädigung des Einzelhandels in der Nachbargemeinde die verbrauchernahe Versorgung der dortigen Bevölkerung in Frage stellt oder die Zentrenstruktur der Nachbargemeinde nachteilig verändert. Im Zusammenhang mit der Planung von Einzelhandelsprojekten kann insoweit der Kaufkraftabfluss einen wesentlichen - wenn auch nicht den einzigen - Indikator darstellen. Der - gutachterlich prognostizierte - Kaufkraftabfluss ist typischerweise die Kenngröße, anhand derer die Intensität der Belastung anderer zentraler Orte ermittelt werden kann. Allerdings handelt es sich bei dem Kriterium „Kaufkraftabfluss“ zunächst um eine wirtschaftliche Bezugsgröße, deren städtebauliche Bedeutung sich erst bei Überschreiten der städtebaulichen Relevanzschwelle ergibt. Nichts anderes gilt für den Umstand, dass sich das wirtschaftliche Umfeld des Einzelhandels in zentralen Versorgungsbereichen verändert und sich dessen Konkurrenzsituation verschlechtert. Überschritten ist die städtebauliche Relevanzschwelle erst dann, wenn ein Umschlag von rein wirtschaftlichen zu städtebaulichen Auswirkungen stattzufinden droht.
107Vgl. OVG NRW, Urteile vom 30. September 2009 - 10 A 1676/08 -, BRS 74 Nr. 5 = juris Rn. 106 (nachgehend BVerwG, Beschluss vom 14. April 2010 - 4 B 78.09 -, DVBl. 2010, 839 = juris Rn. 33), vom 25. August 2005 - 7 D 2/05.NE -, BRS 69 Nr. 27 = juris Rn. 42, und vom 6. August 2005 - 10 D 145/04.NE -, BRS 69 Nr. 2 = juris Rn. 145; siehe außerdem BVerwG, Urteil vom 29. April 2010 - 4 CN 3.08 -, BVerwGE 137, 38 = NVwZ 2010, 1399 = juris Rn. 9, 13 und 17, Beschluss vom 22. Dezember 2009 - 4 B 25.09 -, BRS 74 Nr. 9 = juris Rn. 7.
108Ein bestimmter „Schwellenwert“ für einen städtebaulich beachtlichen Kaufkraftabfluss ist gesetzlich nicht vorgegeben. Prozentual ermittelte - und prognostisch nur bedingt verlässlich greifbare - Umsatzumverteilungssätze lassen nicht lediglich einen einzigen „logischen“ Schluss zu. In der Tendenz kann - faustformelartig - davon ausgegangen werden, dass erst Umsatzverluste ab einer Größenordnung von mehr als 10 % als gewichtig anzusehen sind. Allerdings bietet das 10 %-Kriterium nicht mehr als einen Anhalt. Es muss im Zusammenhang mit den sonstigen Einzelfallumständen gewertet werden.
109Vgl. OVG NRW, Urteil vom 9. November 2012 ‑ 2
110D 63/11.NE -, juris, m. w. N.
111Nach Maßgabe dieser Grundsätze lassen weder die von den Gutachtern noch die von der Beklagten berechneten Umsatzverlagerungseffekte entsprechend schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden sowie auf die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung befürchten.
112Die Auswirkungsanalyse 2012, die lediglich die Erweiterung der Verkaufsfläche um rund 200 qm auf 1.000 qm zum Untersuchungsgegenstand hat, prognostiziert Umsatzverluste (S. 36 der Analyse 2012) im nahversorgungsrelevanten Sortiment für das Hauptzentrum C. (nur F3. /L. ) von weniger als 1%. Gleiches gilt für das Hauptzentrum F. (nur M. /B. /B2. /F3. ). Für den Nahversorgungsschwerpunkt V. (v.a. B. /S. /ZUM) liegt die Umverteilung bei 3 % des Umsatzes (ohne M. -Bestandsfiliale). Der Standort V1. ist nach der Schätzung der Gutachter mit Umsatzverlusten in Höhe von 2 % betroffen.
113Diese vergleichsweise geringen Umsatzverlagerungseffekte werden durch die Analyse 2013 (S. 33 der Analyse 2013), die die Auswirkungen des Gesamtvorhabens ermittelt, im Wesentlichen bestätigt. Nach den dortigen Schätzungen belaufen sich die durch das Gesamtvorhaben bewirkten Umsatzverluste für das Hauptzentrum C. (nur F3. /L. ) auf 1 %, für das Hauptzentrum F. (nur M. /B. /B2. /F3. ) auf 2 % und für den Nahversorgungsschwerpunkt X. -V. selbst (v.a. B. /S. /ZUM/AF Pack) auf 7 %. Der Standort V1. hat ebenfalls mit Umsatzverlusten in Höhe von 7 % zu rechnen. Relativiert werden diese Zahlen wiederum dadurch, dass das Vorhaben der Klägerin selbst in einem zentralen Versorgungsbereich liegt.
114Relevante inhaltliche oder methodische Mängel bei der gutachterlichen Einschätzung der Umverteilungseffekte sind weder von der Beklagten substantiiert dargelegt noch für das Gericht sonst erkennbar.
115Der Einwand der Beklagten, die Analyse 2012 sei keine taugliche Bewertungsgrundlage, weil in ihr nur die Auswirkungen der Erweiterung des Lebensmittel-Discountmarkts um 200 qm untersucht würden und gegebenenfalls von der Ansiedlung der rd. 800 qm großen Filiale hervorgerufene Umverlagerungseffekte bei der Prüfung unberücksichtigt blieben, ist mit Blick auf die von der Klägerin vor der mündlichen Verhandlung vorgelegte Analyse 2013, die die Auswirkungen des Gesamtvorhabens zum Untersuchungsgegenstand hat, überholt, so dass es keiner vertieften Auseinandersetzung hiermit bedarf.
116Die der gutachterlichen Einschätzung der zu erwartenden Umsatzverlagerungseffekte zugrundeliegenden Annahmen sind substantiiert dargelegt und plausibel begründet. Dies gilt namentlich für die Annahme, die durch das Vorhaben der Klägerin hervorgerufenen Umsatzverlagerungen gingen in erster Linie zu Lasten derjenigen Wettbewerber, die eine vergleichsweise Marktpositionierung und Angebotsausrichtung wie das klägerische Vorhaben (also discounterorientierte Lebensmittelanbieter) aufwiesen. Auch die Prämisse, mit zunehmender Entfernung des Vorhabenstandorts nehme die Stärke der Umsatzverlagerungseffekte ab, ist mit Blick auf die von den Gutachtern dargelegte hohe Zeitdistanzempfindlichkeit des nahversorgungsrelevanten Sortiments nachvollziehbar. Vor diesem Hintergrund überzeugt die Kritik der Beklagten nicht, dass das den gutachterlichen Stellungnahmen zugrundeliegende Umverteilungsmodell widersprüchlich sei, weil nicht eindeutig erkennbar sei, ob die Umsätze großräumig, d.h. auf eine Vielzahl von Betrieben v.a. außerhalb des Nahversorgungsbereichs, oder lediglich auf die Betriebe im Nahbereich umverteilt würden. Der Kritik scheint die Annahme zugrunde zu liegen, die in den Gutachten errechneten Kaufkraftbindungsquoten zur Verdeutlichung der Nahversorgungsrelevanz des Vorhabens im Einzugsgebiet stehe in einem unmittelbaren Verhältnis zu den geschätzten Umsatzverlagerungseffekten auch gegenüber weiter entfernt liegenden zentralen Versorgungsbereichen. Dies ist indes nicht der Fall. Die weitere Kritik der Beklagten an der Umsatzverteilungsprognose der Auswirkungsanalyse (Bl. 173 GA) ist schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil die Beklagte offensichtlich andere Zahlen (2,3 Mio. € Umsatz in Zone I) als die Gutachter (3,7 Mio. € in Zone I, vgl. S. 34 der Auswirkungsanalyse) zugrundelegt.
117Auch die dem Gutachten zugrundeliegenden Umsatzschätzungen der C3. sind plausibel und methodisch nicht zu beanstanden. Diesen Umsatzschätzungen liegen detaillierte Vor-Ort-Recherchen und Betrachtungen u.a. zu Kaufkraftvolumen, Wettbewerbssituation und Attraktivität des Anbieters zugrunde. Bei den von der Beklagten vergleichsweise herangezogenen Daten handelt es sich demgegenüber um durchschnittliche Kennwerte, die schon deshalb die o.g. konkreten Erhebungen der C3. nicht in Frage stellen können.
118Der Einwand der Beklagten, die aktuellen Erhebungen der C3. Handelsberatung GmbH zu den Verkaufsflächen in der Zone I (700 m-Radius um den Vorhabenstandort) wichen teilweise von den Ergebnissen der Erhebungen aus dem Jahr 2008 ab, vermag die Verwertbarkeit des Gutachtens ebenso wenig in Zweifel zu ziehen. Die von der Beklagten ermittelte Verkaufsflächendifferenz (die sich primär aus einer veränderten Flächenberechnung für den Standort V1. - der Vorkassenbereich des Vollsortimenters B2. wurde bei der Erhebung 2012 außer Betracht gelassen, vgl. S. 23 der Analyse 2013 Fn. 9 ‑ ergibt), wirkt sich ausweislich der ergänzenden Stellungnahme der C3. vom 7. Dezember 2012 nur geringfügig auf die Ausstattungskennziffer (vorhandene Verkaufsfläche je Einwohner: 0,01 qm) bzw. die Verteilung des Verkaufsflächenbestands in der Zone I (700 m Radius um den Vorhabenstandort: 1% Differenz ohne M. ; 3% Differenz mit M. ) aus und ist deshalb im Rahmen der Gesamtbetrachtung vernachlässigbar.
119Der Einwand der Beklagten in der mündlichen Verhandlung, die Gutachter ließen fälschlicherweise unberücksichtigt, dass an der C. Straße 23 in X. -C. eine weitere M. -Filiale mit einer Verkaufsfläche von 800 qm genehmigt (wenn auch noch nicht verwirklicht) worden sei, die nach der zugehörigen Auswirkungsanalyse der C3. vom 2. Februar 2010 für das Hauptzentrum C. zu Umsatzverlusten in Höhe von 5,7 % führt,
120vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 15. Juni 2012 ‑ 2 A 2630/10 ‑, juris,
121vermag die Plausibilität der von den Gutachtern geschätzten Umsatzverlagerungseffekte im vorliegenden Verfahren nicht durchgreifend in Frage zu stellen. Ungeachtet dessen, dass nach Angaben der Klägerin noch gar nicht absehbar ist, wann der Markt an der C. Straße 32 verwirklicht werden wird, vermag der Senat nicht zu erkennen, dass durch eine Realisierung dieses Vorhabens insbesondere die für das Hauptzentrum C. vorliegend errechneten Umsatzverluste deutlich höher ausfielen. Die von der Beklagten in diesem Zusammenhang vorgetragene Umklammerung der im Hauptzentrum C. ansässigen Betriebe F3. und L. durch die beiden M. -Filialen G. -F. -Allee (innerhalb des Nahversorgungsschwerpunkts X. -V. ) und C. Straße (Standort außerhalb zentraler Versorgungsbereiche) besteht nicht. Dies folgt bereits aus der Lage und der Betriebsstruktur des im Hauptzentrum C. ansässigen rund 900 qm großen F3. -Supermarkts und des rund 550 qm großen L. einerseits und der M. –Filialen andererseits. Bei den im Hauptzentrum C. ansässigen F3. und L. handelt es sich um Lebensmittelvollsortimenter, die aufgrund ihrer Lage an der Haupteinkaufsstraße X. innerhalb der Fußgängerzone über keine Parkplätze verfügen, so dass sie ausschließlich auf fußläufige Innenstadtkunden abzielen und vorwiegend Versorgungsfunktion im Rahmen sog. „Handtascheneinkäufe“ übernehmen (S. 23 der Analyse 2013). Dass sie ihre Funktion insoweit durch die M. -Filialen als Lebensmitteldiscounter einbüßen könnten, steht insoweit nicht zu erwarten. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die beiden M. -Filialen im Rahmen der Eigenkonkurrenz in gegenseitigem Wettbewerb stehen und Umsatzeinbußen erleiden könnten.
122Ferner liegen auch die von der Beklagten (überschlägig) auf das Gesamtvorhaben hochgerechneten Umsatzverlagerungen aus der Analyse 2012 zum Teil deutlich unter 10% (Hauptzentrum C. 5,12 %, Hauptzentrum F. 1,45 %, Nahversorgungszentrum V. 8,8 %), ohne dass erkennbar würde, dass dennoch die Relevanzschwelle schädlicher Auswirkungen auf jene Zentren überschritten wird.
123Die von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung geäußerte Befürchtung insbesondere schädlicher Auswirkungen auf das Hauptzentrum C. kann vor diesem Hintergrund nicht nachvollzogen werden. Zudem haben die Gutachter sowohl in der Analyse 2012 als auch in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar erläutert, dass angesichts des bundesweit einheitlichen Sortimentskonzepts durch die der Sache nach nunmehr nur noch angestrebte Verkaufsflächenerweiterung auf 1.000 qm die Umsatzleistung des M. -Markts nicht proportional zum Verkaufsflächenzuwachs ansteigen wird. Eine vergrößerte Verkaufsfläche habe in erster Linie den Zweck, die Voraussetzungen für eine großzügigere Warenpräsentation, verbesserte Kundenführung und Optimierung der internen Logistikabläufe zu schaffen (S. 32 der Analyse 2012). Mit einer vergrößerten Verkaufsfläche würden auch nicht nennenswerte Veränderung der bestehenden Kunden- und Kaufkraftströme einhergehen. Entsprechend entstehe auch keine notwendig verbesserte Wettbewerbssituation gegenüber den relevanten Wettbewerbern im Standortumfeld. Vor dem Hintergrund dieser nachvollziehbaren Erläuterungen spricht Vieles dafür, dass der von der Beklagten hochgerechnete Umsatzverlust in Höhe von 5,12 % für das Hauptzentrum C. deutlich zu hoch angesetzt ist. Aus der Auswirkungsanalyse der C3. vom 2. Februar 2010 zu einem M. -Lebensmittel-Discountmarktes in der C. Straße 23 lässt sich schon mit Blick auf dessen andere Lage zum Zentrum nichts Gegenteiliges folgern.
124Eine Gefährdung der Nahversorgung ist ebenso nicht ersichtlich. Selbst wenn man mit der Beklagten die Umsatzverluste (auch) für den Einzugsbereich höher ansetzen würde als von den Gutachtern (zuletzt jeweils 7 % für den Nahversorgungsschwerpunkt X. -V. und den Standort V1. ) errechnet, wären Umsatzumverteilungen sogar von mehr als 10 % mit Blick auf den Standort des Vorhabens innerhalb eines (mit nahversorgungsrelevantem Sortiment unterversorgten) interkommunal abgestimmten zentralen Versorgungsbereichs ohne Weiteres konzeptionell hinnehmbar. Eine Existenzgefährdung eines wesentlichen Wettbewerbers ist – mit Blick auf die derzeitigen z.T. überdurchschnittlichen Umsatzleistungen – im Übrigen nicht zu erwarten.
125bb. Durch die Ansiedlung des großflächigen Einzelhandelsbetriebs der Klägerin sind auch keine Auswirkungen auf die Verwirklichung der Ziele der Raumordnung zu erwarten. Die Versorgung der Bevölkerung mit Einzelhandelsbetrieben, deren Standort verbrauchernah, d.h. fußläufig und auf sonstige Weise gut erreichbar gelegen sind, ist ein zentrales städtebauliches und raumordnerisches Anliegen, dem hier durch die Ansiedlung des Vorhabens der Klägerin innerhalb des interkommunal abgestimmten Nahversorgungsschwerpunktes X. -V. Rechnung getragen wird. Entsprechend wird für Planvorhaben - wie dem der Klägerin ‑ mit nahversorgungsrelevantem Sortiment und einer Verkaufsfläche von weniger als 1.500 qm innerhalb eines (regional abgestimmten) Nahversorgungsschwerpunkts ein regionaler Konsens unterstellt (vgl. u.a. S. 147 des EHK).
126Anhaltspunkte dafür, dass das Vorhaben nicht mit den Zielen und Grundsätzen des am 13. Juli 2013 in Kraft getretenen Landesentwicklungsplans - Sachlicher Teilplan Großflächiger Einzelhandel (GV. NRW. 2013 S. 420) - in Einklang stehen könnte, sind weder von der Beklagten vorgetragen noch für den Senat sonst ersichtlich.
127cc. Es sind auch keine Auswirkungen auf die infrastrukturelle Ausstattung und den Verkehr zu erwarten. Auswirkungen auf die infrastrukturelle Ausstattung beziehen sich insbesondere auf Verkehrseinrichtungen (ausreichender Zustand der Verkehrswege, Einrichtungen des öffentlichen Personennahverkehrs) und die Ver- und Entsorgungseinrichtungen.
128Vgl. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/ Krautzberger, BauGB Kommentar Bd. IV, 108. Ergänzungslieferung April 2013, § 11 BauNVO Rn. 73.
129Auswirkungen auf den (fließenden und ruhenden Verkehr) beziehen sich auf die Frage der Überlastung der in Anspruch genommenen Parkplätze und der Verkehrswege einschließlich der Zubringerstraßen sowie insbesondere die Verkehrsregelung, soweit sie städtebaulich bedeutsam ist (Belastung von Wohnstraßen, Verkehrsstau, sonstige Verkehrsbehinderungen).
130Vgl. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/ Krautzberger, BauGB Kommentar Bd. IV, 108. Ergänzungslieferung April 2013, § 11 BauNVO Rn. 74.
131Auswirkungen in diesem Sinne sind hier nicht zu erwarten, da der Zu- und Abgangsverkehr ohne Weiteres über die mehrspurige in Richtung Osten führende G. -F. -Allee (B 7) und (in dem prognostizierten geringeren Umfang) auch über die südlich des Vorhabens verlaufende X1.----------straße abgewickelt werden kann.
132Nach dem Ergebnis der ergänzenden Stellungnahme der C4. vom 5. Juli 2012 ist bei dem geplanten Vorhaben mit einer Verkaufsfläche von 1.000 qm von einer Verkehrsmenge von 2.260 Pkw-Fahrten und 6 LKW-Fahrten am Tag auszugehen. Für die nachmittägliche Spitzenstunde wird eine Verkehrsstärke von 1.467 Kfz/h prognostiziert. Den verkehrstechnischen Berechnungen für den Anbindungspunkt des geplanten M. -Markts an der G. -F. -Allee (B7) wurden dabei nicht die im Mai 2012 gezählten Verkehrsbelastungen der B7, sondern pauschal um 10 % angehobene Werte zugrundegelegt. Unter der Annahme, dass 90 % der Fahrten über die G. -F. -Allee und (nur) 10 % über die X1.----------straße erfolgen, gelangen die Gutachter zu dem Ergebnis, dass die Anbindung eine gute Verkehrsqualität aufweise. Die gutachterlichen Ausführungen sind in sich schlüssig und nachvollziehbar. Die Rüge der Beklagten, es fehle an einer Kongruenz zwischen der Verkehrsuntersuchung und der Auswirkungsanalyse, vermag die Validität des Verkehrsgutachtens nicht in Zweifel zu ziehen. Dem Einwand der Beklagten liegt die Annahme zugrunde, die Auswirkungsanalyse basiere auf einer großräumigen Umsatzumverteilung (v.a. außerhalb des Nahbereichs), hinter der entsprechende Kaufkraftbewegungen ständen, die sich letztlich auch als Ziel- und Quellverkehre zuordnen ließen, während bei der Verkehrsuntersuchung für die räumliche Zuordnung der durch das Vorhaben induzierten Verkehrsmengen lediglich ein pauschaler Ansatz der Verkehrsgutachter eingeflossen sei. Ausgehend davon, dass die Auswirkungsanalyse allein einen Umsatz- bzw. Kundenanteil von 74 % im (fußläufigen) Naheinzugsbereich (700 m Radius) prognostiziert, ist der pauschalierte Ansatz der Verkehrsgutachter, der im Zweifel eine höhere verkehrliche Belastung zugrundelegt, nicht zu beanstanden und greift auch der Einwand der Beklagten nicht durch.
133dd. Schließlich lässt das Vorhaben keine schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 BimSchG erwarten. Schädliche Umwelteinwirkungen in diesem Sinne sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Hierzu zählen insbesondere Belästigungen, die durch erhöhten Kraftfahrzeugverkehr zu Lärmbelästigungen zu Lasten benachbarter Wohnbebauung führen.
134Vgl. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/ Krautzberger, BauGB Kommentar Bd. IV, 108. Ergänzungslieferung April 2013, § 11 BauNVO Rn. 72.
135Die ergänzende Stellungnahme des Büros H. + Partner Ingenieure vom 3. Juli 2012 zur schalltechnischen Prognose vom 7. Mai 2012 betreffend die Ansiedlung eines M. -Marktes mit 800 qm Verkaufsfläche legt substantiiert dar, dass eine unzumutbare Beeinträchtigung der Nachbarschaft durch Lärmimmissionen, die durch den klägerischen Betrieb entstehen, unter Berücksichtigung der vorhandenen Stellplatzeinhausung im Nahbereich der Wohnbebauung und die Asphaltierung der Fahrgassen des Parkplatzes ausgeschlossen ist. In der schalltechnischen Prognose vom 7. Mai 2012 wird dargelegt, dass an den Immissionspunkten IP 1 bis IP 3, G. -F. -Allee 360, 366 bzw. 374, die maßgeblichen Immissionsrichtwerte nach TA-Lärm für Mischgebiete ‑ 60 dB(A) tags und 45 dB(A) nachts ‑ um mindestens 2,2 dB(A) unterschritten werden. Die Maximalpegel werden ebenfalls gewahrt. Eine Erhöhung der vorhandenen Verkehrsgeräusche um 3 dB(A) durch den planinduzierten Mehrverkehr ist mit Blick auf die bestehende hohe Verkehrsbelastung ausgeschlossen. Nach den nachvollziehbaren Berechnungen in der ergänzenden Stellungnahme vom 3. Juli 2012 erhöhen sich die Beurteilungspegel bei einer Erhöhung der Nettoverkaufsfläche auf 1.000 qm bei ansonsten unveränderten Randbedingungen (Lage der Stellplätze, Zu- und Ausfahrt, Technik, Anlieferung etc.) um 1 dB(A) und liegen damit immer noch unterhalb der Immissionswerte der TA-Lärm. Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der bereits erfolgten Genehmigungserteilung für einen Betrieb mit 799,94 qm Verkaufsfläche zuzüglich 92,02 qm Bake-Off-Bereich und 101 Stellplätzen auf dem Vorhabengrundstück kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass vorliegend ein Lärmgeschehen in eine „Ruhezone“ hineingetragen und die Grenze der Zumutbarkeit dadurch überschritten wird (Rechtsgedanke des § 51 Abs. 7 BauO NRW), zumal Anzahl und Lage der bereits vorhandenen und für den Betrieb genutzten Stellplätze unverändert bleiben werden.
1363. Das Vorhaben ist auch nicht entsprechend § 15 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BauNVO unzulässig. Angesichts der vorhandenen Gebietsstruktur ist nicht feststellbar, dass die angestrebte Verkaufsflächenerweiterung auf 1.000 qm die Struktur des faktischen Mischgebietes verändern oder auch nur in Bewegung bringen könnte (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO).
137Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 4. Mai 1988 ‑ 4 C 34.86 ‑, BRS 48 Nr. 37 = juris Rn. 19.
138Vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen zu 2. ist auch nicht zu erwarten, dass von dem Vorhaben der Klägerin, namentlich der von ihr geplanten Verkaufsflächenerweiterung, Belästigungen oder Störungen, insbesondere in verkehrlicher Hinsicht, ausgehen, die in dem Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar wären (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO).
1394. § 34 Abs. 3 BauGB steht dem Vorhaben der Klägerin gleichfalls entgegen.
140Nach dieser Vorschrift dürfen von Vorhaben nach § 34 Abs. 1 oder Abs. 2 BauGB keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.
141Ein Vorhaben lässt schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche
142einer Standortgemeinde jedenfalls dann erwarten, wenn es deren Funktionsfähigkeit so nachhaltig stört, dass sie ihren Versorgungsauftrag generell oder hinsichtlich einzelner Branchen nicht mehr substanziell wahrnehmen können.
143Vgl. BVerwG, Urteile vom 12. Dezember 2008 - 4
144C 1.08 -, BRS 74 Nr. 99 = juris Rn. 11, und vom
14511. Oktober 2007 - 4 C 7.07 -, BRS 71 Nr. 89 =
146juris Rn. 14.
147Aus den Ausführungen zu 2. ergibt sich im Einzelnen, dass eine solche
148Störung der Funktionsfähigkeit der in erster Linie betroffenen Hauptzentren C. und F. hinsichtlich der nahversorgungsrelevanten Sortimente durch das Vorhaben der Klägerin nicht zu erwarten steht. Da das Vorhaben der Klägerin selbst Teil eines zentralen Versorgungsbereichs ist, kann ihm auch nicht entgegen gehalten werden, es habe schädliche Auswirkungen auf eben diesen Bereich.
149Abschließend bleibt festzuhalten, dass die Erschließung des Vorhabens i.S.d. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ‑ abgestellt auf den für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts ‑ auch nach Einschätzung der Beklagten - gesichert ist. Es kann an die gesicherte Erschließung des bereits erstellten Markts anknüpfen.
150Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
151Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.
152Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 24. April 2013 wird abgelehnt.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Zulassungsverfahren wird auf 50.000,00 € festgesetzt.
Gründe
- 1
Der Berufungszulassungsantrag hat keinen Erfolg.
- 3
Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Verpflichtung zur Erteilung eines positiven Bauvorbescheids hinsichtlich der Nutzung des Hauses E. Straße ... in T. für einen bordellartigen Betrieb mit bis zu 5 Prostituierten im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass die beabsichtigte Nutzung bauplanungsrechtlich nicht zulässig sei. Sie füge sich nicht in die Eigenart der näheren Umgebung i.S.v. § 34 BauGB ein. Die nähere Umgebung werde durch die westlich der E. Straße gelegene überwiegende Wohnbebauung geprägt. Das Gebiet östlich der E. Straße, in welchem sich u.a. eine Diskothek und ein größeres Einkaufszentrum befänden, spiele für die Beurteilung der Umgebungsbebauung keine Rolle, weil die E. Straße insofern trennende Wirkung habe. Es könne dahingestellt bleiben, ob es sich bei der maßgeblichen näheren Umgebung um ein allgemeines Wohngebiet, ein Mischgebiet oder eine Gemengelage handele. Wegen der mit einem bordellartigen Betrieb typischerweise verbundenen Auswirkungen („milieubedingte Unruhe“) sei die beabsichtigte Nutzung nicht nur in einem allgemeinen Wohngebiet, sondern auch in einem Mischgebiet oder auch in einer Gemengelage mit überwiegender Wohnnutzung bauplanungsrechtlich unzulässig.
- 4
1. An der Richtigkeit dieses Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
- 5
Zunächst hat das Verwaltungsgericht die Grenzen der näheren Umgebung zutreffend bestimmt.
- 6
Nach ständiger Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte reicht die nähere Umgebung i.S.v. § 34 BauGB einmal so weit, wie sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann, und zweitens so weit, wie die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. August 1998 - 4 B 79.98 -, BauR 1999, 32). Darüber hinaus ist ebenfalls anerkannt, dass die „nähere Umgebung“ dann begrenzt ist, wenn zwei Bebauungskomplexe mit voneinander verschiedenen Bau- und Nutzungsstrukturen aneinanderstoßen; der Grenzverlauf der näheren Umgebung kann durch eine künstliche oder natürliche Trennlinie, wie zum Beispiel eine Straße, markiert sein; dies ist allerdings nicht zwingend erforderlich (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. August 2003 - 4 B 74.03 -, juris). Nach diesen Vorgaben teilt der Senat die Auffassung des Kreisrechtsausschusses des Beklagten sowie des Verwaltungsgerichts, dass die E. Straße die Grenzlinie zwischen der eher kleinteiligen Wohnbebauung mit kleinerem Gewerbe im Westen und den großen hallenartigen Gebäuden mit Einzelhandelsnutzung, Möbelmarkt und Großdisko sowie dem RWE-Umspannwerk im Osten darstellt. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die dem Haus Nr. ... unmittelbar gegenüberliegende Bebauung wegen der vergleichbaren Nutzungsstruktur noch zur Umgebungsbebauung im Westen hinzugerechnet werden kann; denn die Abgrenzung zweier Gebiete mit unterschiedlicher Bau- und Nutzungsstruktur ist nicht an den Verlauf einer Straße als künstliche Trennlinie gebunden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. August 2003, a.a.O.). All dies lässt sich aufgrund der vorliegenden Lichtbilder, insbesondere der Luftbildaufnahmen, des Kartenmaterials sowie der - nicht bestrittenen - Feststellungen der Örtlichkeit im Protokoll zum Ortstermin durch das Verwaltungsgericht ohne Weiteres feststellen, ohne dass eine Ortsbesichtigung durch den Senat nötig wäre (vgl. hierzu: BVerwG, Beschluss vom 14. Mai 2007 - 4 B 15.07 -, BauR 2007, 2040).
- 7
Was die Eigenart der so bestimmten näheren Umgebung nach der Art der baulichen Nutzung anbelangt, kann dahingestellt bleiben, ob sie einem allgemeinen Wohngebiet entspricht, wie die Beklagte annimmt, oder das Gebiet aufgrund der vom Verwaltungsgericht festgestellten Gewerbebetriebe (Frisöre, Fahrschule, Döner-Imbiss), des Hauses der Jugend und des Jobcenters eher einem Mischgebiet zuzuordnen ist. Selbst wenn letzteres der Fall wäre, erwiese sich der bordellartige Betrieb in der E. Straße Haus Nr. ... als bauplanungsrechtlich unzulässig. Die mit einer solchen bordellähnlichen Nutzung typischerweise verbundenen Auswirkungen („milieubedingte Unruhe“) führen zu einer das Wohnen i.S.v. § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 6 Abs. 1 BauNVO wesentlich störenden Nutzung (vgl. OVG RP, Urteil vom 23. Juni 2010 - 8 A 10559/10.OVG -; Beschluss vom 9. Februar 2007 - 8 B 10019/07.OVG -, BRS 71 Nr. 191; VGH BW, Urteil vom 24. Juli 2002 - 5 S 149/01 -, GewA 2003, 496).
- 8
Entgegen der Auffassung des Klägers hält der Senat daran fest, die Gebietsverträglichkeit eines Bauvorhabens anhand einer typisierenden Betrachtungsweise zu beurteilen. Dies entspricht langjähriger höchstrichterlicher Rechtsprechung. Danach ist bei der Zuordnung von Nutzungen zu einzelnen Baugebieten eine typisierende Betrachtungsweise geboten. Es kommt darauf an, ob von der beabsichtigten Nutzung unter Berücksichtigung der typischen Art und Weise des Betriebs der Anlage in der Regel Nachteile und Belästigungen ausgehen können, die so erheblich sind, dass die Nutzung mit dem Charakter des Baugebiets nicht mehr vereinbar ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. November 1983 - 4 C 21.83 -, BVerwGE 68, 213 und juris, Rn. 12). Der Verordnungsgeber will durch die typisierende Zuordnung von Nutzungen zu den näher bezeichneten Baugebieten die vielfältigen und oft gegenläufigen Ansprüche an die Bodennutzung zu einem schonenden Ausgleich im Sinne überlegter Städtebaupolitik bringen (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. November 2010 - 4 C 10.09 -, BauR 2011, 623 und juris, Rn. 19).
- 9
Sofern der Kläger eine konkrete Betrachtungsweise für zutreffend hält und insofern auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 28. April 2009 - 1 BvR 224/07 – (NVwZ 2009, 905) und das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 31. Januar 2013 - 8 A 12045/12 – (DÖV 2013, 441) hinweist sowie für eine Untersagung der Prostitutionstätigkeit verlangt, dass sie nach außen in Erscheinung tritt, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die beiden Entscheidungen zu Sperrbezirksverordnungen und dem darin verfolgten Schutz der Jugend und des öffentlichen Anstandes (Art. 297 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EGStGB) ergangen sind. Davon abgesehen hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung gerade betont, dass die besondere Schutzwürdigkeit und Sensibilität eines Gebiets ein Verbot prostitutiver Betätigungen rechtfertigen kann (a.a.O., juris, Rn. 16). Eine solche Schutzwürdigkeit könne etwa bei einem Gebiet mit hohem Wohnanteil gegeben sein (a.a.O., Rn. 16). Auch wenn die Prostitutionsausübung deutlich weniger wahrnehmbar sei, wie etwa im Falle der Wohnungsprostitution, könnten Belästigungen der Anwohner, insbesondere Unruhe und andere Begleiterscheinungen nicht gänzlich ausgeschlossen werden (a.a.O., Rn. 25). Diese Erwägungen stützen die Auffassung des Senats, dass ein bordellartiger Betrieb in einem wesentlich auch dem Wohnen dienenden Mischgebiet nicht genehmigungsfähig ist.
- 10
2. Eine Zulassung der Berufung wegen rechtlicher Schwierigkeiten der Sache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) scheidet aus, weil sich bereits jetzt feststellen lässt, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtlicher Überprüfung standhält, ohne dass hierzu die Durchführung eines Berufungsverfahrens erforderlich wäre (vgl. hierzu: Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 124 Rn. 108).
- 11
3. Schließlich weist die Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO auf. Wie oben dargelegt, ist in der Rechtsprechung geklärt, dass es bei der Zuordnung von Nutzungen zu einzelnen Baugebieten auf eine typisierende Betrachtungsweise ankommt.
- 12
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
(1) Reine Wohngebiete dienen dem Wohnen.
(2) Zulässig sind
(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden
- 1.
Läden und nicht störende Handwerksbetriebe, die zur Deckung des täglichen Bedarfs für die Bewohner des Gebiets dienen, sowie kleine Betriebe des Beherbergungsgewerbes, - 2.
sonstige Anlagen für soziale Zwecke sowie den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienende Anlagen für kirchliche, kulturelle, gesundheitliche und sportliche Zwecke.
(4) Zu den nach Absatz 2 sowie den §§ 2, 4 bis 7 zulässigen Wohngebäuden gehören auch solche, die ganz oder teilweise der Betreuung und Pflege ihrer Bewohner dienen.
(1) Allgemeine Wohngebiete dienen vorwiegend dem Wohnen.
(2) Zulässig sind
- 1.
Wohngebäude, - 2.
die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe, - 3.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke.
(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden
(1) Reine Wohngebiete dienen dem Wohnen.
(2) Zulässig sind
(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden
- 1.
Läden und nicht störende Handwerksbetriebe, die zur Deckung des täglichen Bedarfs für die Bewohner des Gebiets dienen, sowie kleine Betriebe des Beherbergungsgewerbes, - 2.
sonstige Anlagen für soziale Zwecke sowie den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienende Anlagen für kirchliche, kulturelle, gesundheitliche und sportliche Zwecke.
(4) Zu den nach Absatz 2 sowie den §§ 2, 4 bis 7 zulässigen Wohngebäuden gehören auch solche, die ganz oder teilweise der Betreuung und Pflege ihrer Bewohner dienen.
(1) Allgemeine Wohngebiete dienen vorwiegend dem Wohnen.
(2) Zulässig sind
- 1.
Wohngebäude, - 2.
die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe, - 3.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke.
(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden
(1) Reine Wohngebiete dienen dem Wohnen.
(2) Zulässig sind
(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden
- 1.
Läden und nicht störende Handwerksbetriebe, die zur Deckung des täglichen Bedarfs für die Bewohner des Gebiets dienen, sowie kleine Betriebe des Beherbergungsgewerbes, - 2.
sonstige Anlagen für soziale Zwecke sowie den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienende Anlagen für kirchliche, kulturelle, gesundheitliche und sportliche Zwecke.
(4) Zu den nach Absatz 2 sowie den §§ 2, 4 bis 7 zulässigen Wohngebäuden gehören auch solche, die ganz oder teilweise der Betreuung und Pflege ihrer Bewohner dienen.
(1) Allgemeine Wohngebiete dienen vorwiegend dem Wohnen.
(2) Zulässig sind
- 1.
Wohngebäude, - 2.
die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe, - 3.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke.
(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden
(1) Reine Wohngebiete dienen dem Wohnen.
(2) Zulässig sind
(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden
- 1.
Läden und nicht störende Handwerksbetriebe, die zur Deckung des täglichen Bedarfs für die Bewohner des Gebiets dienen, sowie kleine Betriebe des Beherbergungsgewerbes, - 2.
sonstige Anlagen für soziale Zwecke sowie den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienende Anlagen für kirchliche, kulturelle, gesundheitliche und sportliche Zwecke.
(4) Zu den nach Absatz 2 sowie den §§ 2, 4 bis 7 zulässigen Wohngebäuden gehören auch solche, die ganz oder teilweise der Betreuung und Pflege ihrer Bewohner dienen.
(1) Allgemeine Wohngebiete dienen vorwiegend dem Wohnen.
(2) Zulässig sind
- 1.
Wohngebäude, - 2.
die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe, - 3.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke.
(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden
Tenor
Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 2. Kammer - vom 23. Mai 2013 wird abgelehnt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Antragsverfahren auf
32.000,00 Euro
festgesetzt.
Gründe
I.
- 1
Der Kläger ist Inhaber eines Kfz.-Handelsbetriebes. Seinen Antrag auf Genehmigung einer Fläche von 276 m² auf dem Grundstück … als Verkaufsfläche für Gebrauchtwagen lehnte die Beklage mit Bescheid vom 09.08.2012 ab. Die … Straße ist vierspurig ausgebaut.
- 2
Auf die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage verpflichtete das Verwaltungsgericht die Beklagte zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Zur Begründung wurde i. w. ausgeführt, der Kläger betreibe in einem faktischen allgemeinen Wohngebiet einen ausnahmsweise zulässigen sonstigen Gewerbebetrieb. Das Ausstellen von 14-16 Pkw sei nicht störend, da ein Werkstattbetrieb auf der gegenüberliegenden Straßenseite vorhanden sei und der Störungsgrad durch das Abstellen von Fahrzeugen gering sei. Die Beklagte habe ihr diesbezügliches Ermessen auf der Grundlage einer falschen Rechtsgrundlage ausgeübt; anstelle des § 31 Abs. 2 BauGB sei § 31 Abs. 1 BauGB anzuwenden. Angesichts der durch die … Straße vorbelasteten Situation bestehe kaum Raum für eine Versagung der Ausnahme; evtl. Genehmigungshindernisse seien durch Nebenbestimmungen zu überwinden, anstatt den Bauantrag vollständig abzulehnen.
- 3
Gegen das am 31.05.2013 zugestellte Urteil erstrebt die Beklagte die Zulassung der Berufung. Sie hält die Richtigkeit des Urteils für ernstlich zweifelhaft und meint, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung.
II.
- 4
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Die Darlegungen zu den Zulassungsgründen nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 VwGO begründen keinen Zulassungsanspruch.
- 5
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils hat die Beklagte nicht dargelegt.
- 6
1.1 Die Beklagte leitet solche Zweifel aus der Annahme ab, ein Kfz.-Handel sei "bei der gebotenen typisierenden Betrachtung als ein im allgemeinen Wohngebiet störender Gewerbebetrieb" einzustufen; besondere Anhaltspunkte dafür, dass der Betrieb – atypisch – nicht störe, seien nicht vorgetragen worden. Dies stellt die erstinstanzliche Entscheidung nicht in Frage.
- 7
Richtig ist - zunächst -, dass bei der Anwendung des § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO von einer typisierenden Betrachtungsweise auszugehen ist, um zu klären, ob das Vorhaben geeignet ist, das Wohnen in einem allgemeinen Wohngebiet zu stören. Allerdings setzt dies die Klärung voraus, welche Störungen von dem jeweiligen "Typ" erfahrungsgemäß ausgehen können. Je nach Vorhabentyp kann die Annahme begründet sein, dass das Vorhaben Störungen, die das Maß des Zulässigen im allgemeinen Wohngebiet überschreiten, nicht befürchten lässt, so dass seine Gebietsverträglichkeit zuverlässig sichergestellt ist. Das ist besonders in Branchen wichtig, die eine große Bandbreite unterschiedlicher betrieblicher "Typen" aufweisen mit der Folge, dass das Störpotential von "nicht störend" über "nicht wesentlich störend" bis hin zu – unterschiedlichen Graden von – "belästigend" reicht. Dementsprechend ist Ausgangspunkt der typisierenden Beurteilung das Vorhaben in seiner konkreten Form.
- 8
Das Verwaltungsgericht hat die Annahme der Beklagten, der An- und Abtransport der Verkaufsfahrzeuge, ihre Ausstellung bzw. Lagerung und der Kundenverkehr seien mit der Zweckbestimmung eines allgemeinen Wohngebiets unvereinbar und störten dessen Ordnung, zu Recht verworfen. Das Vorhaben des Klägers betrifft eine Ausstellungsfläche für ca. 16 Verkaufsfahrzeuge, auf der keine Werkstatt-, Wartungs- oder Pflegearbeiten ausgeführt werden. Ein solches - überschaubares - Vorhaben kann nicht von vornherein als "störend" angesehen werden (vgl. VG Göttingen, Beschl. v. 31.10.2011, 2 B 202/1, Juris [Rn. 12]). Das Verwaltungsgericht hat zutreffend festgestellt, dass die Nutzung bei der vorgesehenen "Bebauungstiefe von nur 20 m nicht ansatzweise in die rückwärtigen Ruhebereiche der angrenzenden Wohngrundstücke eindringt" (S. 8 des Urt.-Abdr.). Auch bei einer typisierenden Betrachtung ist damit kein für ein Allgemeines Wohngebiet unverträgliches Störpotential festzustellen. Die Abstellfläche ist hinsichtlich Ihrer Störwirkungen mit der Stellplatzanlage eines Mehrfamilien-Wohnhauses vergleichbar.
- 9
Die von der Beklagen angeführte Rechtsprechung zur Wohngebietsunverträglichkeit eines Autohandels betrifft Fälle, in denen Kfz.-Werkstatt- und Handelsbetriebe zu beurteilen waren (VG Aachen, Beschl. v. 01.02.2012, 3 L 280/11, Juris [Handel und Reparatur von Kfz.]; VG Ansbach, Urt. v. 11.06.2008, AN 9 K 07.02366, Juris [Erweiterung eines Kfz-Reparatur- und Kfz-Handels-Betriebs]). Soweit veröffentlichten Entscheidungen Fälle ohne Werkstattbetrieb zugrundelagen (OVG Berlin, Urt. v. 15.08.2003, 2 B 18.01, NVwZ-RR 2004, 556 [Autohandelsbetrieb mit Ausstellungsfläche für bis zu 60 Kfz., Bürocontainern, Fahnenmasten und Werbeanlagen]; VGH München, Beschl. v. 22.01.2013, 15 CS 12.2005, Juris [Verkaufsfläche mit Bürocontainer]), ist daraus kein allgemeiner "Rechtssatz" abzuleiten, dass solche Betriebe immer oder regelmäßig als "störend" anzusehen sind. Maßgeblich sind insoweit stets die mit dem Vorhaben verbundenen Einzelumstände, die - etwa - in der Größe der gewerblich genutzten Fläche oder dem optischen Erscheinungsbild des Betriebes oder der zur Ausstellung vorgesehenen Fahrzeuge liegen können (vgl. dazu VGH Kassel, Urt. v. 13.10.1988, 3 UE 1945/84, BRS 48 Nr. 36: Wohnmobile als "städtebauliche Fremdkörper" in einem allgemeinen Wohngebiet).
- 10
1.2 Die Angriffe der Beklagten gegen die Berücksichtigung der "Randlage" des Vorhabengrundstücks begründen ebenfalls keine Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung. Bei der nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zu treffenden Entscheidung sind auch die Interessen des Klägers an der Realisierung seines Vorhabens zu berücksichtigen. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend erkannt und auch zu Recht berücksichtigt, dass die Schutzposition der Wohnnutzung im allgemeinen Wohngebiet durch die vierspurige verkehrsreiche … Straße vorbelastet ist. Diese Vorbelastung mindert die Schutzwürdigkeit der betroffenen Wohnnutzung auch in Bezug auf den An- und Abfahrtsverkehr zu der Kfz.-Ausstellungsfläche und evtl. Kundenbesuche (vgl. OVG Münster, Urt. v. 14.03.1996, 7 A 3703/92, NVwZ-RR 1997, 16 [bei Juris Rn. 19]) Die diesbezüglichen Belastungen, die bei lebensnaher Betrachtung kaum von der "Lärmkulisse" der … Straße zu unterscheiden sein werden, können für das allgemeine Wohngebiet nicht als "störend" oder unzumutbar erfasst werden. Insofern hat das Verwaltungsgericht das Vorhaben des Klägers - zu Recht - anders beurteilt, als es für einen Standort in einer eher ruhigen oder abgelegenen "Wohnstraße" angezeigt wäre.
- 11
2. Die von der Beklagten angenommene grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache liegt nicht vor. Das gilt sowohl für die Frage, ob Kfz.-Ausstellungsflächen bis zu 300 m² in einem faktischen allgemeinen Wohngebiet "grundsätzlich keine gebietsunverträgliche optische Beeinträchtigung verursachen und deshalb sonstige nicht störende Gewerbebetriebe" sind, als auch für die Fragen, ob eine Ausstellungsfläche ohne Kfz.-Werkstattgebäude bzw. ob eine Ausstellungsfläche, die zu einem "außergebietlichen" Kfz.-Handelsbetrieb gehöre, als sonstiger nicht störender Gewerbebetrieb angesehen werden kann. Die genannten Fragen sind angesichts der auf das Vorhaben des Klägers bezogenen Betrachtungsweise (s. o. 1.1) und unter Berücksichtigung des vorbelasteten Vorhabenstandorts (s. o. 1.2) nicht in einer verallgemeinerungsfähigen Form zu beantworten. Der vorliegende Fall betrifft eine - relativ - kleine Kfz.-Ausstellungsfläche. Nach dem Inhalt des Genehmigungsantrags geht es nur um diese Fläche und ihre Befestigung, ohne Werbeanlagen oder andere "optisch" wirkende Elemente. Soweit optische Beeinträchtigungen entstehen sollten (z. B. durch Beleuchtung, Werbeanlagen, Fahnen etc.), kann die Beklagte dem ggf. durch gesonderte Entscheidungen oder Nebenbestimmungen entgegenwirken.
- 12
3. Der Zulassungsantrag ist nach alledem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist damit rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
- 13
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 52 Abs. 1 GKG.
- 14
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 S. 5, 66 Abs. 3 S. 3 GKG).
(1) Allgemeine Wohngebiete dienen vorwiegend dem Wohnen.
(2) Zulässig sind
- 1.
Wohngebäude, - 2.
die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe, - 3.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke.
(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden
Tenor
Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 2. Kammer - vom 23. Mai 2013 wird abgelehnt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Antragsverfahren auf
32.000,00 Euro
festgesetzt.
Gründe
I.
- 1
Der Kläger ist Inhaber eines Kfz.-Handelsbetriebes. Seinen Antrag auf Genehmigung einer Fläche von 276 m² auf dem Grundstück … als Verkaufsfläche für Gebrauchtwagen lehnte die Beklage mit Bescheid vom 09.08.2012 ab. Die … Straße ist vierspurig ausgebaut.
- 2
Auf die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage verpflichtete das Verwaltungsgericht die Beklagte zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Zur Begründung wurde i. w. ausgeführt, der Kläger betreibe in einem faktischen allgemeinen Wohngebiet einen ausnahmsweise zulässigen sonstigen Gewerbebetrieb. Das Ausstellen von 14-16 Pkw sei nicht störend, da ein Werkstattbetrieb auf der gegenüberliegenden Straßenseite vorhanden sei und der Störungsgrad durch das Abstellen von Fahrzeugen gering sei. Die Beklagte habe ihr diesbezügliches Ermessen auf der Grundlage einer falschen Rechtsgrundlage ausgeübt; anstelle des § 31 Abs. 2 BauGB sei § 31 Abs. 1 BauGB anzuwenden. Angesichts der durch die … Straße vorbelasteten Situation bestehe kaum Raum für eine Versagung der Ausnahme; evtl. Genehmigungshindernisse seien durch Nebenbestimmungen zu überwinden, anstatt den Bauantrag vollständig abzulehnen.
- 3
Gegen das am 31.05.2013 zugestellte Urteil erstrebt die Beklagte die Zulassung der Berufung. Sie hält die Richtigkeit des Urteils für ernstlich zweifelhaft und meint, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung.
II.
- 4
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Die Darlegungen zu den Zulassungsgründen nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 VwGO begründen keinen Zulassungsanspruch.
- 5
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils hat die Beklagte nicht dargelegt.
- 6
1.1 Die Beklagte leitet solche Zweifel aus der Annahme ab, ein Kfz.-Handel sei "bei der gebotenen typisierenden Betrachtung als ein im allgemeinen Wohngebiet störender Gewerbebetrieb" einzustufen; besondere Anhaltspunkte dafür, dass der Betrieb – atypisch – nicht störe, seien nicht vorgetragen worden. Dies stellt die erstinstanzliche Entscheidung nicht in Frage.
- 7
Richtig ist - zunächst -, dass bei der Anwendung des § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO von einer typisierenden Betrachtungsweise auszugehen ist, um zu klären, ob das Vorhaben geeignet ist, das Wohnen in einem allgemeinen Wohngebiet zu stören. Allerdings setzt dies die Klärung voraus, welche Störungen von dem jeweiligen "Typ" erfahrungsgemäß ausgehen können. Je nach Vorhabentyp kann die Annahme begründet sein, dass das Vorhaben Störungen, die das Maß des Zulässigen im allgemeinen Wohngebiet überschreiten, nicht befürchten lässt, so dass seine Gebietsverträglichkeit zuverlässig sichergestellt ist. Das ist besonders in Branchen wichtig, die eine große Bandbreite unterschiedlicher betrieblicher "Typen" aufweisen mit der Folge, dass das Störpotential von "nicht störend" über "nicht wesentlich störend" bis hin zu – unterschiedlichen Graden von – "belästigend" reicht. Dementsprechend ist Ausgangspunkt der typisierenden Beurteilung das Vorhaben in seiner konkreten Form.
- 8
Das Verwaltungsgericht hat die Annahme der Beklagten, der An- und Abtransport der Verkaufsfahrzeuge, ihre Ausstellung bzw. Lagerung und der Kundenverkehr seien mit der Zweckbestimmung eines allgemeinen Wohngebiets unvereinbar und störten dessen Ordnung, zu Recht verworfen. Das Vorhaben des Klägers betrifft eine Ausstellungsfläche für ca. 16 Verkaufsfahrzeuge, auf der keine Werkstatt-, Wartungs- oder Pflegearbeiten ausgeführt werden. Ein solches - überschaubares - Vorhaben kann nicht von vornherein als "störend" angesehen werden (vgl. VG Göttingen, Beschl. v. 31.10.2011, 2 B 202/1, Juris [Rn. 12]). Das Verwaltungsgericht hat zutreffend festgestellt, dass die Nutzung bei der vorgesehenen "Bebauungstiefe von nur 20 m nicht ansatzweise in die rückwärtigen Ruhebereiche der angrenzenden Wohngrundstücke eindringt" (S. 8 des Urt.-Abdr.). Auch bei einer typisierenden Betrachtung ist damit kein für ein Allgemeines Wohngebiet unverträgliches Störpotential festzustellen. Die Abstellfläche ist hinsichtlich Ihrer Störwirkungen mit der Stellplatzanlage eines Mehrfamilien-Wohnhauses vergleichbar.
- 9
Die von der Beklagen angeführte Rechtsprechung zur Wohngebietsunverträglichkeit eines Autohandels betrifft Fälle, in denen Kfz.-Werkstatt- und Handelsbetriebe zu beurteilen waren (VG Aachen, Beschl. v. 01.02.2012, 3 L 280/11, Juris [Handel und Reparatur von Kfz.]; VG Ansbach, Urt. v. 11.06.2008, AN 9 K 07.02366, Juris [Erweiterung eines Kfz-Reparatur- und Kfz-Handels-Betriebs]). Soweit veröffentlichten Entscheidungen Fälle ohne Werkstattbetrieb zugrundelagen (OVG Berlin, Urt. v. 15.08.2003, 2 B 18.01, NVwZ-RR 2004, 556 [Autohandelsbetrieb mit Ausstellungsfläche für bis zu 60 Kfz., Bürocontainern, Fahnenmasten und Werbeanlagen]; VGH München, Beschl. v. 22.01.2013, 15 CS 12.2005, Juris [Verkaufsfläche mit Bürocontainer]), ist daraus kein allgemeiner "Rechtssatz" abzuleiten, dass solche Betriebe immer oder regelmäßig als "störend" anzusehen sind. Maßgeblich sind insoweit stets die mit dem Vorhaben verbundenen Einzelumstände, die - etwa - in der Größe der gewerblich genutzten Fläche oder dem optischen Erscheinungsbild des Betriebes oder der zur Ausstellung vorgesehenen Fahrzeuge liegen können (vgl. dazu VGH Kassel, Urt. v. 13.10.1988, 3 UE 1945/84, BRS 48 Nr. 36: Wohnmobile als "städtebauliche Fremdkörper" in einem allgemeinen Wohngebiet).
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1.2 Die Angriffe der Beklagten gegen die Berücksichtigung der "Randlage" des Vorhabengrundstücks begründen ebenfalls keine Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung. Bei der nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zu treffenden Entscheidung sind auch die Interessen des Klägers an der Realisierung seines Vorhabens zu berücksichtigen. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend erkannt und auch zu Recht berücksichtigt, dass die Schutzposition der Wohnnutzung im allgemeinen Wohngebiet durch die vierspurige verkehrsreiche … Straße vorbelastet ist. Diese Vorbelastung mindert die Schutzwürdigkeit der betroffenen Wohnnutzung auch in Bezug auf den An- und Abfahrtsverkehr zu der Kfz.-Ausstellungsfläche und evtl. Kundenbesuche (vgl. OVG Münster, Urt. v. 14.03.1996, 7 A 3703/92, NVwZ-RR 1997, 16 [bei Juris Rn. 19]) Die diesbezüglichen Belastungen, die bei lebensnaher Betrachtung kaum von der "Lärmkulisse" der … Straße zu unterscheiden sein werden, können für das allgemeine Wohngebiet nicht als "störend" oder unzumutbar erfasst werden. Insofern hat das Verwaltungsgericht das Vorhaben des Klägers - zu Recht - anders beurteilt, als es für einen Standort in einer eher ruhigen oder abgelegenen "Wohnstraße" angezeigt wäre.
- 11
2. Die von der Beklagten angenommene grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache liegt nicht vor. Das gilt sowohl für die Frage, ob Kfz.-Ausstellungsflächen bis zu 300 m² in einem faktischen allgemeinen Wohngebiet "grundsätzlich keine gebietsunverträgliche optische Beeinträchtigung verursachen und deshalb sonstige nicht störende Gewerbebetriebe" sind, als auch für die Fragen, ob eine Ausstellungsfläche ohne Kfz.-Werkstattgebäude bzw. ob eine Ausstellungsfläche, die zu einem "außergebietlichen" Kfz.-Handelsbetrieb gehöre, als sonstiger nicht störender Gewerbebetrieb angesehen werden kann. Die genannten Fragen sind angesichts der auf das Vorhaben des Klägers bezogenen Betrachtungsweise (s. o. 1.1) und unter Berücksichtigung des vorbelasteten Vorhabenstandorts (s. o. 1.2) nicht in einer verallgemeinerungsfähigen Form zu beantworten. Der vorliegende Fall betrifft eine - relativ - kleine Kfz.-Ausstellungsfläche. Nach dem Inhalt des Genehmigungsantrags geht es nur um diese Fläche und ihre Befestigung, ohne Werbeanlagen oder andere "optisch" wirkende Elemente. Soweit optische Beeinträchtigungen entstehen sollten (z. B. durch Beleuchtung, Werbeanlagen, Fahnen etc.), kann die Beklagte dem ggf. durch gesonderte Entscheidungen oder Nebenbestimmungen entgegenwirken.
- 12
3. Der Zulassungsantrag ist nach alledem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist damit rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
- 13
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 52 Abs. 1 GKG.
- 14
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 S. 5, 66 Abs. 3 S. 3 GKG).
(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.
(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.
(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.
(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung
- 1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient: - a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs, - b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder - c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
- 2.
städtebaulich vertretbar ist und - 3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
(4) Die Gemeinde kann durch Satzung
- 1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, - 2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind, - 3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass
- 1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind, - 2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und - 3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.
(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.
(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.
(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.
(1) Allgemeine Wohngebiete dienen vorwiegend dem Wohnen.
(2) Zulässig sind
- 1.
Wohngebäude, - 2.
die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe, - 3.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke.
(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.