Verwaltungsgericht Hamburg Teilurteil, 19. Apr. 2017 - 17 K 7997/16

bei uns veröffentlicht am19.04.2017

Tenor

Es wird festgestellt, dass der Einsatz der verdeckt unter der Legende „Maria Block“ eingesetzten Hamburger Polizeibeamtin in den Jahren 2009 bis 2012 rechtswidrig war.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Einsatzes einer verdeckten Ermittlerin für den Zeitraum 2009 bis 2012 sowie die Feststellung, „dass der intime Kontakt / Geschlechtsverkehr zu ihm durch die verdeckte Ermittlerin im Zeitraum von 2010 bis 2011 rechtswidrig war“.

2

Die Beklagte setzte in den Jahren 2009 bis 2012 eine Hamburger Polizeibeamtin mit der Legende „Maria Block“ zum Zwecke der Gefahrenabwehr als verdeckte Ermittlerin gemäß § 12 HmbPolDVG in der linksalternativen Szene ein.

3

Der Kläger bewegte sich dort zwischen 2009 und 2012 (auch) in Hamburg. Er hatte in diesem Zeitraum wiederholt Kontakt zur Beamtin, wobei es nach seinen eigenen Angaben auch einmal zum Geschlechtsverkehr gekommen ist.

4

Am 9. November 2016 hat der Kläger Klage erhoben, mit der er die Feststellung begehrt, dass der Einsatz der Beamtin sowie der intime Kontakt bzw. Geschlechtsverkehr, den diese mit ihm gehabt habe, rechtswidrig gewesen sei.

5

Was den Kontakt zwischen ihm und der Beamtin angeht, trägt der Kläger wie folgt vor: ...

6

Der Kläger ist der Ansicht, dass die Feststellungsklage zulässig und begründet sei. Die Frage, ob die Beamtin berechtigt gewesen sei, einen intimen Kontakt zu ihm aufzubauen und zu unterhalten und auf diesem Wege personenbezogene Daten über ihn unter ihrer Legende zu erlangen, stelle ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis dar. Er habe auch ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung gemäß § 43 VwGO, da seine Grundrechte schwerwiegend verletzt worden seien. Die Klage sei auch begründet. Der Einsatz der Beamtin sei nicht rechtmäßig gewesen, da die Vorschrift des § 12 HmbPolDVG, die den Einsatz verdeckter Ermittler regele und auf den die Beklagte den Einsatz der Beamtin gestützt habe, verfassungswidrig sei. Ungeachtet der Verfassungswidrigkeit dieser Vorschrift hätten auch die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift nicht vorgelegen.

7

Wegen der Einzelheiten der Klagebegründung wird auf die Klageschrift vom 9. November 2016 verwiesen.

8

Der Kläger beantragt,

9

1. festzustellen, dass der Einsatz der verdeckt unter der Legende „Maria Block“ eingesetzten Hamburger Polizeibeamtin in den Jahren 2009 bis 2012 rechtswidrig war,

10

2. festzustellen, dass der intime Kontakt / Geschlechtsverkehr zu ihm durch die verdeckte Ermittlerin im Zeitraum von 2010 – 2011 rechtswidrig war.

11

Die Beklagte hat den Antrag zu 1) schriftsätzlich anerkannt. Im Übrigen beantragt sie,

12

die Klage abzuweisen.

13

Der Kläger hat sich dem Anerkenntnis der Beklagten angeschlossen.

14

Dem Kläger ist in der mündlichen Verhandlung gemäß § 86 Abs. 3 VwGO eine sein Begehren zu 2) betreffende Antragsformulierung unterbreitet worden. Er hält an seinem Klageantrag fest. Hierfür bestehe ein eigenständiges Feststellungsinteresse, da gegebenenfalls auch vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machende Amtshaftungsansprüche wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG in Betracht kämen.

Entscheidungsgründe

I.

15

Die Klage ist zulässig und begründet, soweit der Kläger mit ihr die Feststellung begehrt, dass der Einsatz der verdeckt unter der Legende „Maria Block“ eingesetzten Hamburger Polizeibeamtin in den Jahren 2009 bis 2012 rechtswidrig gewesen ist (hierzu 1.). Im Übrigen ist die Klage unzulässig (hierzu 2.).

1.

16

Die Klage ist als allgemeine Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO statthaft und zulässig, soweit der Kläger mit ihr die Feststellung begehrt, dass der Einsatz der verdeckt unter der Legende „Maria Block“ eingesetzten Hamburger Polizeibeamtin in den Jahren 2009 bis 2012 rechtswidrig gewesen ist (vgl. VG Karlsruhe, Urt. v. 26. August 2015, 4 K 2113/11, juris, Rn. 36 ff.).

17

Insoweit ist die Klage auch begründet, nachdem die Beklagte förmlich anerkannt hat, dass der Einsatz der verdeckten Ermittlerin in den Jahren 2009 bis 2012 rechtswidrig gewesen ist.

18

Gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 307 ZPO war die Beklagte gemäß ihrem Anerkenntnis zu verurteilen (vgl. zur Zulässigkeit des Anerkenntnisurteils im verwaltungsgerichtlichen Verfahren allgemein BVerwG, Gerichtsbescheid v. 7. Januar 1997, 4 A 20/95, juris, Rn. 5 ff.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 17. Oktober 2013, 19 A 2460/12, juris, Rn. 4 m.w.N.; OVG Saarland, Urt. v. 14. April 2010, 3 C 307/09, juris, Rn. 12 ff. m.w.N.; VG Lüneburg, Urt. v. 9. August 2007, 1 A 114/07, juris, Rn. 14 ff. m.w.N.; vgl. zur Zulässigkeit des Anerkenntnisurteils im Falle einer Feststellungsklage BVerwG, Beschl. v. 19. September 2012, 6 P 3/11, juris, Rn. 34; VG Freiburg (Breisgau), Urt. v. 23. Februar 2012, 4 K 2649/10, juris, Rn. 18). Dem Erlass eines Anerkenntnisurteils steht auch nicht entgegen, dass der Erlass eines solchen Urteils voraussetzt, dass die Beklagte über den Streitgegenstand verfügungsbefugt ist (vgl. hierzu OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 17. Oktober 2013, 19 A 2460/12, juris, Rn. 4). Diese Voraussetzung ist vorliegend nämlich erfüllt. Aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum Bundeskriminalamtgesetz vom 20. April 2016 steht (u.a.) höchstrichterlich fest, dass der Einsatz verdeckter Ermittler eines Richtervorbehalts bedarf (vgl. BVerfG, Urt. v. 20. April 2016, 1 BvR 966/09, juris, Rn. 173 f.). Ein solcher war in der in den Jahren 2009 bis 2012 geltenden Fassung von § 12 HmbPolDVG nicht enthalten. Die Beklagte hat mithin lediglich anerkannt, was ohnehin bereits höchstrichterlich geklärt ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19. September 2012, 6 P 3/11, juris, Rn. 35).

19

Weitergehender Feststellungen in den Entscheidungsgründen bedarf es nicht (vgl. § 313b Abs. 1 Satz 1 ZPO; siehe auch VG Freiburg (Breisgau), Urt. v. 23. Februar 2012, 4 K 2649/10, juris, Rn. 16).

2.

20

Die Klage ist unzulässig, soweit der Kläger mit ihr die Feststellung begehrt, „dass der intime Kontakt / Geschlechtsverkehr zu ihm durch die verdeckte Ermittlerin im Zeitraum von 2010 – 2011 rechtswidrig war“. Es fehlt an einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis.

21

Nach § 43 Abs. 1 VwGO kann durch eine auf Grund eines berechtigten Interesses legitimierte Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses - auch eines in der Vergangenheit liegenden - begehrt werden. Unter einem Rechtsverhältnis sind die rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt auf Grund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von natürlichen oder juristischen Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben (vgl. nur BVerwG, Urt. v. 14. Dezember 2016, 6 A 9/14, juris, Rn. 12). Die Beteiligten müssen über die Anwendung einer Rechtsnorm auf einen bestimmten, überschaubaren, gerade auch den jeweiligen Kläger betreffenden Sachverhalt streiten (BVerwG, aaO).

22

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.

23

Nach dem Wortlaut seines Antrags begehrt der Kläger die Feststellung, dass der intime Kontakt bzw. Geschlechtsverkehr, den die verdeckte Ermittlerin mit ihm eingegangen sei, rechtswidrig gewesen sei. Der vom Kläger behauptete (einvernehmliche) intime Kontakt bzw. Geschlechtsverkehr zwischen ihm und der Beamtin ist indes ein rein soziales Verhalten und stellt kein durch Normen des öffentlichen Rechts determiniertes Rechtsverhältnis dar.

24

Unter Berücksichtigung der Rechtsausführungen des Klägervertreters in der mündlichen Verhandlung mag der klägerische Antrag zwar nach § 88 VwGO auch so ausgelegt werden können, dass der Kläger die Feststellung begehrt, dass die verdeckte Ermittlerin - unabhängig von der Frage, ob die Beklagte die Beamtin zur Eingehung sexueller Kontakte mit dem Kläger angewiesen hat oder diese geduldet oder zumindest billigend in Kauf genommen hat (siehe hierzu unten) - nicht befugt war, mit ihm intimen Kontakt einzugehen bzw. den Geschlechtsverkehr mit ihm zu vollziehen (vgl. auch Sodan, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 43 Rn. 35 f.; VG Hamburg, Urt. v. 29.4.2015 – 17 K 1672/13 – juris Rn. 70). Auch bei dieser Auslegung ist der Antrag indes unzulässig. Die Beklagte hat nämlich bereits anerkannt, dass der Einsatz der verdeckten Ermittlerin als solcher rechtswidrig gewesen ist. Damit ist zwischen den Beteiligten nicht mehr – wie für ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis erforderlich (vgl. VG Hamburg, ebenda) - streitig, dass der gesamte Einsatz und damit auch das Gesamtverhalten der verdeckten Ermittlerin nicht durch eine (verfassungsgemäße) Rechtsnorm gedeckt war und die Beamtin demzufolge auch nicht zur Aufnahme intimer Kontakte befugt gewesen wäre. Vielmehr steht kraft des vom Kläger akzeptierten Anerkenntnisses fest, dass sich die Beamtin, soweit der intime Kontakt bzw. der Geschlechtsverkehr mit dem Kläger im Rahmen ihrer dienstlichen Tätigkeit erfolgt wäre, rechtswidrig verhalten hätte. Vor diesem Hintergrund wäre zudem ein rechtliches Interesse an der gesonderten Feststellung, dass auch das Eingehen intimer bzw. sexueller Kontakte rechtswidrig gewesen ist, nicht anzuerkennen. Ob dem Kläger insoweit bereits das berechtigte Interesse im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO oder aber das allgemeine Rechtsschutzinteresse abzusprechen wäre, kann dabei offen bleiben.

25

Ein berechtigtes Interesse bzw. ein Rechtsschutzinteresse steht dem Kläger im Übrigen auch nicht im Hinblick auf den von ihm in Betracht gezogenen Amtshaftungsprozess zu. Der Kläger kann den von ihm behaupteten Amtshaftungsanspruch ohne weiteres vor den Zivilgerichten geltend machen. Ein Anspruch auf eine Entscheidung (über Teilaspekte des Amtshaftungsanspruchs) durch das (vermeintlich) sachnähere Verwaltungsgericht besteht nicht (vgl. VG Düsseldorf, Urt. v. 17. November 2016, 18 K 534/16, juris, Rn. 22). Im Übrigen hat der Kläger auch nicht hinreichend dargelegt, dass ein Amtshaftungsprozess mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (vgl. hierzu BayVGH, Beschl. v. 27. März 2014, 15 ZB 12.1562, juris, Rn. 12 m.w.N.).

26

Ob der Antrag zulässig wäre, wenn er dahingehend ausgelegt würde, dass der Kläger die Feststellung begehrt, die Beklagte sei hinsichtlich des von ihr als rechtswidrig anerkannten Einsatzes nicht befugt gewesen, die Beamtin anzuweisen, sexuelle Kontakte zu dem Kläger herzustellen oder solche Kontakte bewusst zu dulden oder billigend in Kauf zu nehmen, kann dahinstehen. Denn das Gericht hat gegenüber dem Kläger in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich angeregt, einen solchen Antrag zu stellen, wobei das Gericht ebenso ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass der ursprünglich und letztlich auch vom Kläger gestellte Antrag unzulässig sein dürfte. Eine Auslegung des klägerischen Antrags in dem vorgenannten Sinne würde daher dem erklärten Willen des Klägers, der an seinem ursprünglichen Antrag festgehalten und den vom Gericht für sachdienlich erachteten Antrag auch nicht hilfsweise gestellt hat, widersprechen.

II.

27

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 und 2 VwGO, §§ 708 Nr. 1, Nr. 11, 711 ZPO.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Hamburg Teilurteil, 19. Apr. 2017 - 17 K 7997/16

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Hamburg Teilurteil, 19. Apr. 2017 - 17 K 7997/16

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 155


(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili
Verwaltungsgericht Hamburg Teilurteil, 19. Apr. 2017 - 17 K 7997/16 zitiert 11 §§.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 86


(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. (2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag ka

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 88


Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 173


Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfa

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 43


(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungskla

Zivilprozessordnung - ZPO | § 307 Anerkenntnis


Erkennt eine Partei den gegen sie geltend gemachten Anspruch ganz oder zum Teil an, so ist sie dem Anerkenntnis gemäß zu verurteilen. Einer mündlichen Verhandlung bedarf es insoweit nicht.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 313b Versäumnis-, Anerkenntnis- und Verzichtsurteil


(1) Wird durch Versäumnisurteil, Anerkenntnisurteil oder Verzichtsurteil erkannt, so bedarf es nicht des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe. Das Urteil ist als Versäumnis-, Anerkenntnis- oder Verzichtsurteil zu bezeichnen. (2) Das Urteil ka

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(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.

(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass der in Heidelberg (auch) gegen den Kläger gerichtete Einsatz des Polizeibeamten xxx als Verdeckter Ermittler mit dem Decknamen xxx in der Zeit von - mindestens - April 2010 bis zum 12.12.2010 rechtswidrig war.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen den Einsatz eines Polizeibeamten als Verdeckter Ermittler.
Im Dezember 2010 wurde der Verdeckte Ermittler xxx (im Folgenden: VE), der unter dem Decknamen xxx mit dem Kläger in Kontakt getreten war, zufällig „enttarnt“. Der Kläger hat am 08.08.2011 Klage erhoben.
Das Gericht hat die vollständigen, den Einsatz des VE betreffenden Akten angefordert. Das Innenministerium Baden-Württemberg gab unter dem 13.12.2011 eine erste Sperrerklärung ab, da es Teile der Vorgänge als geheimhaltungsbedürftig einstufte. Die zu den Akten gehörenden Schriftstücke wurden deshalb nur in Kopie mit teilweisen Schwärzungen, gar nicht oder in Form von weißen Austauschblättern vorgelegt. Mit Beschluss vom 24.04.2012 legte die Kammer den Antrag des Klägers auf Entscheidung, ob die Verweigerung der vollständigen Aktenvorlage rechtmäßig ist, dem zuständigen Fachsenat beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg vor. Mit Beschluss vom 14.01.2013 - 14 S 934/12 - stellte der Verwaltungsgerichtshof fest, dass die Verweigerung einzelner konkret bezeichneter Aktenseiten rechtswidrig war und lehnte den Antrag im Übrigen ab. Auf die Beschwerde des Klägers stellte das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 20.02.2014 - 20 F 2.13 - die Rechtswidrigkeit der Verweigerung der Vorlage weiterer, im einzelnen benannter Aktenseiten fest und wies die Beschwerde im Übrigen zurück. Unter dem 19.01.2015 gab das Innenministerium Baden-Württemberg eine erneute Sperrerklärung ab.
In der dem Gericht vom Beklagten übermittelten teilweise geschwärzten Kopie der Anordnung der Polizeidirektion Heidelberg - Kriminalpolizei vom 25.02.2010 wurde - gestützt auf § 22 Abs. 6 PolG - der Einsatz eines Verdeckten Ermittlers für die Zeit vom 01.03.2010 bis 31.05.2010 verfügt zur:
1. Datenerhebung nach § 22 Abs. 3 Alt 1 PolG
zur Abwehr einer Gefahr für Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person sowie für bedeutende Sach- und Vermögenswerte vom Verursacher
2. Datenerhebung nach § 22 Abs. 3 Alt 2 PolG zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung:
Vergehen, die im Einzelfall nach Art und Schwere geeignet sind, den Rechtsfrieden besonders zu stören, soweit sie
sich gegen das Leben, die Gesundheit oder die Freiheit einer oder mehrerer Personen oder bedeutende fremde Sach- oder Vermögenswerte richten
10 
auf den Gebieten des unerlaubten Waffen- oder Betäubungsmittelverkehrs, der Geld- oder Wertzeichenfälschung oder des Staatsschutzes (§§ 74 a und 120 GVG) begangen werden
11 
zur Erhebung von Daten von in Nr. 20 Abs. 3 Nr. 1 und 2 genannten Personen:
12 
Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie künftig Straftaten begehen
13 
Kontakt- oder Begleitpersonen einer der in Nr. 1 genannten Personen
14 
Als eine der Personen, auf die sich die Datenerhebung bezieht, ist xxx, der Kläger im Verfahren 4 K 2107/11, genannt. Der Name des Klägers selbst wurde weder in den dem Gericht überlassenen Kopien der Einsatzanordnungen noch in den sonstigen Aktenvorgängen genannt. Weitere Anordnungen ergingen unter dem 23.06.2010 für den Zeitraum vom 01.06.2010 bis 31.08.2010, unter dem 26.08.2010 für den Zeitraum vom 01.09.2010 bis 30.11.2010 und unter dem 26.11.2010 für den Zeitraum vom 01.12.2010 bis 28.02.2011. Der Einsatz des VE wurde nach dessen Enttarnung im Dezember 2010 beendet.
15 
Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger vor: Er sei Student der Mathematik an der Universität Heidelberg. Seit 2009 sei er, im Zusammenhang mit dem damals bundesweiten Bildungsstreik an den Universitäten, aktiv in der Kritischen Initiative (Kl), einer hochschulpolitischen Gruppierung an der Universität Heidelberg. Mutmaßlich Ende 2009 sei im Innenministerium des Beklagten der Einsatz (mindestens) eines verdeckten Ermittlers in der sogenannten linken Szene in Heidelberg beschlossen worden. Eingesetzt worden sei (unter anderem) der Polizist xxx, der getarnt als Student und versehen mit dem Decknamen xxx zunächst vor allem an der Universität Heidelberg „seine Arbeit aufgenommen“ habe. Er, der Kläger, sei mit ihm wie folgt in Kontakt gekommen: Das erste Zusammentreffen habe sich im Rahmen eines Campus-Camps an der Uni Heidelberg etwa Mitte 2010 ergeben; der Kläger habe dort beim Aufbau geholfen. xxx sei ebenfalls dort gewesen, zusammen mit einem anderen Mitglied aus der Kl. xxx habe sich sofort mit dem Kläger bekannt gemacht. Nach seinen Beobachtungen in späterer Zeit sei es xxx generell gelungen, sehr schnell Leute und deren Namen kennenzulernen. Er habe gerne mit anderen diskutiert und so die Meinungen und Standpunkte zu alltäglichen und politischen Themen erfahren. Noch lieber habe er sich bei konkreten Aktionen engagiert. Bei den wöchentlichen Sitzungen beispielsweise der Kl sei er regelmäßig dabei gewesen. Er - der Kläger - habe ihn bald als Freund angesehen. Man habe viel miteinander gesprochen, auch über private Themen, über Freunde, auch über Freunde in der Kl. Nach einer der Kl-Sitzungen, es habe stark geregnet, habe der VE auch einmal bei ihm in der Wohnung seiner Mutter zu übernachtet. Die Enttarnung xxx durch einen Zufall am 12.12.2010 habe für ihn einen heftigen Vertrauensbruch bedeutet. Er habe inzwischen eine Art Paranoia entwickelt, die ihn an allen Beziehungen zweifeln lasse und neue Freundschaften unmöglich mache.
16 
Die angefochtene Verfügung habe sich durch Zeitablauf erledigt, die Klage sei aber als sogenannte Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig. Er - der Kläger - habe ein berechtigtes Interesse an der beantragten Feststellung. Es bestehe Wiederholungsgefahr. Er wolle auch in der Zukunft beispielsweise sein Grundrecht auf Versammlungsfreiheit ausüben. Dabei wolle er „staatlich unbeobachtet“ bleiben. Die Verfügung, verdeckte Ermittlungen aufzunehmen bzw. der Einsatz des verdeckten Ermittlers selbst sei rechtswidrig und verletze ihn - den Kläger - in seinen Rechten. Sie greife erheblich in die Grundrechte auf Achtung der Menschenwürde, der Willens- und Handlungsfreiheit und der informationellen Selbstbestimmung, der freien Meinungsäußerung, der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sowie der Unverletzlichkeit der Wohnung ein.
17 
Die Maßnahme sei offenbar gestützt auf § 22 Abs. 1 Nr. 4 PolG. Es sei nicht erkennbar, dass er Störer im Sinne des Polizeirechts sein könnte. Ebenso wenig sei erkennbar, dass bei ihm tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorgelegen hätten, dass er künftig Straftaten mit erheblicher Bedeutung begehen könnte oder Kontakt- oder Begleitperson einer Person sein könnte, die solche Straftaten begehen wollte. Der Beklagte habe pauschal angegeben, man habe Zielpersonen der antifaschistischen/anarchistischen Szene in Heidelberg und Kontaktpersonen im Auge gehabt. Als einziger tatsächlicher Anhaltspunkt sei ein Zufallsfund von sieben sogenannten Molotow-Cocktails im Rahmen eines strafprozessualen Vorgangs erwähnt worden, in einem Ort, der etwa 50 km von Heidelberg entfernt liege; diese Begründung sei vorgeschoben. Aus sich heraus erkläre sie nicht den Einsatz eines VE gegen ihn. Der VE selbst habe angegeben, er sei eingesetzt gewesen, um politisch linke Gruppen in Heidelberg zu beobachten, letztliches Ziel sei die Antifaschistische Initiative Heidelberg gewesen. Er habe generell über Personen, die er kennengelernt habe, sowohl dem LKA als auch der Abteilung Staatsschutz der Polizeidirektion Heidelberg berichtet und auch „Personenakten“ angelegt.
18 
Ebenso unzulässig seien die weiteren Verlängerungen der Einsatzanordnung. Insbesondere seien hier jeweils ganz offensichtlich keinerlei Erkenntnisse des inzwischen tätigen VE eingeflossen, die über die bisherigen Erkenntnisse der Polizei hinausgingen. Durch die weitere Offenlegung der behördlichen Akten sei jetzt deutlich geworden, dass der VE Flugblätter habe ergreifen und vorlegen können, so einen Text mit Abdruck von Art. 3 des deutschen Grundgesetzes und einer kritischen Betrachtung der deutschen Abschiebepraxis; zum No Border Camp Brüssel 2010 habe ein Ausdruck aus dem Internet gewonnen werden können. Zudem sei festzuhalten, dass der VE nicht erst im Februar 2010, sondern bereits im November 2009 in Heidelberg als künftiger Student unter seinem Decknamen aufgetreten sei; er sei damals - ohne Anordnung und ohne rechtliche Grundlage - schon im Einsatz gewesen. Zudem sei der verdeckte Ermittler nicht in den Grenzen der Einsatzanordnung(en) geblieben. Er habe auch, wie er selbst anlässlich seiner Enttarnung angegeben habe, zu einer Reihe von Personen „Personenakten“ geführt.
19 
Im Übrigen sei § 22 Abs. 3 Nr. 2 PolG in Verbindung mit § 20 Abs. 3 Nr. 2 PolG verfassungswidrig. Das Gesetz ermögliche weitreichende Grundrechtseingriffe gegen Personen, bei denen sogenannte „tatsächliche Anhaltspunkte“ vorlägen, dass „sie künftig Straftaten begehen“, sowie gegen deren „Kontakt-“ und „Begleitpersonen“ und ein großes Umfeld an weiteren Menschen. Die Landesnormen seien bei Übertragung der vom Bundesverfassungsgericht zur Telekommunikationsüberwachung entwickelten Grundsätze zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten verfassungswidrig. Zur Möglichkeit der Gefahrenabwehr habe das Bundesverfassungsgericht bei intensiven Grundrechtseingriffen festgestellt, dass eine konkrete Gefahr für besonders hochwertige Rechtsgüter vorliegen müsse. Die Norm des § 22 Absatz 3 Nr. 2 PolG enthalte keine hinreichenden Einschränkungen.
20 
Der Kläger beantragt,
21 
festzustellen, dass der in Heidelberg (auch) gegen ihn gerichtete Einsatz des Polizeibeamten xxx als Verdeckter Ermittler mit dem Decknamen xxx in der Zeit von - mindestens - April 2010 bis zum 12.12.2010 rechtswidrig war.
22 
Der Beklagte beantragt,
23 
die Klage abzuweisen.
24 
Zur Begründung trägt er vor: Die Klage sei unzulässig. Dem Kläger fehle die für die Zulässigkeit der Klage erforderliche Klagebefugnis ( 42 Abs. 2 VwGO). Der Einsatz sei nicht gegen ihn gerichtet, er sei nicht Adressat der Maßnahme gewesen. Auch eine Feststellungsklage ( 43 Abs. 1 VwGO) sei nicht zulässig. Es fehle am Vorliegen eines feststellungsfähigen konkreten öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses, da der Einsatz nicht gegen den Kläger gerichtet gewesen sei. Selbst wenn man davon ausginge, dass allein aufgrund der tatsächlichen Begegnungen des Klägers mit dem VE ein feststellungsfähiges konkretes öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis gegeben wäre, so wäre die Klage jedenfalls deswegen nicht zulässig, weil beim Kläger das notwendige berechtigte Interesse an der begehrten nachträglichen Feststellung fehle. Ein solches Interesse sei nur dann gegeben, wenn Wiederholungsgefahr bestehe oder der Kläger ein schutzwürdiges Interesse an einer Rehabilitierung hätte. Beides sei nicht der Fall.
25 
Selbst wenn man von der Zulässigkeit der Klage ausginge, so wäre sie jedenfalls deshalb unbegründet, weil die Anordnung des Einsatzes Verdeckter Ermittler recht-mäßig gewesen sei. Die Einsatzanordnung vom 25.02.2010 und die jeweiligen Verlängerungen hätten ihre Rechtsgrundlage in § 22 Abs. 3 Nr. 1 und 2 PolG. Im Jahr 2009 sei bundesweit und auch in Heidelberg ein weiterer Anstieg der Fallzahlen im Bereich der politisch motivierten Kriminalität festzustellen gewesen, insbesondere im Bereich der linksmotivierten Straftaten. Für den Bereich Heidelberg/Rhein-Neckar-Kreis sei durch die Polizeidirektion Heidelberg der Einsatz Verdeckter Ermittler angeordnet worden; der Einsatz habe sich ausschließlich gegen Personen der linksextremistischen Szene gerichtet, die entsprechenden Gruppierungen nahegestanden hätten bzw. deren Führungspersonal zuzurechnen gewesen wären. Zwei dieser Gruppierungen seien die Antifaschistische Initiative Heidelberg (AIHD) und die Anarchistische Initiative Kraichgau-Odenwald (AIKO). Ein Ziel der beiden Gruppen sei die Bekämpfung des Faschismus insbesondere in Heidelberg und Umgebung, da nach Auffassung dieser Gruppen diese Bekämpfung auf staatlicher Seite nicht energisch genug betrieben werde. Im Zuge dieser Bekämpfung werde auch die Konfrontation mit rechten Gruppierungen und einzelnen rechts stehenden Personen gesucht. Ausgangspunkt für die im Raum Heidelberg/Rhein-Neckar-Kreis verstärkt festzustellende Rechts-Links-Konfrontation sei eine erste Auseinandersetzung in Mauer im Juli 2009 gewesen, in deren Folge es zu weiteren Ereignissen gekommen sei, insbesondere zu einer Demonstration am 19.09.2009 in Sinsheim. Bei dem Veranstalter der Demonstration der linken Szene unter dem Thema „Rock gegen Rechts, Keine Nazis in Sinsheim und überall“ habe es sich um ein damaliges Mitglied der AIKO gehandelt. Eine Konfrontation zwischen Mitgliedern der linken und rechten Szene habe dadurch verhindert werden können, dass Personen aus dem rechten Bereich, die offensichtlich die Versammlung hätten stören wollen, durch Polizeibeamte mit Platzverweisen belegt worden seien. Zu dieser Demonstration sei durch die Antifaschistische Initiative Heidelberg (AIHD) ein Internetaufruf in militanter Art und Weise zur Teilnahme an der Demonstration erfolgt: „Rechte Strukturen aufdecken und angreifen! Konsequent gegen die polizeiliche Politik des Herunterspielens und Totschweigens! Nazis entgegentreten auf allen Ebenen, mit allen Mitteln.“ Neben weiteren Anhaltspunkten sei auch dieser Aufruf Beleg zumindest für eine Zusammenarbeit, wenn nicht sogar für eine Verflechtung der beiden Gruppierungen.
26 
Am 04.11.2009 sei im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz eine Hausdurchsuchung in den Räumlichkeiten der „Anarchistischen Initiative Kraichgau/Odenwald“ (AIKO) in xxx durchgeführt worden. Dabei seien u.a. sieben gebrauchsfertige Brandsätze (Molotow-Cocktails) sichergestellt worden. Nach Einlassungen eines damaligen Betroffenen seien diese Brandsätze zur „Verteidigung gegen Faschisten“ hergestellt worden. Mit Bekanntwerden dieser weiteren Fakten habe die Polizeidirektion Heidelberg davon ausgehen müssen, dass es in ihrem Dienstbezirk Personen gebe, die aus politischen Motiven funktionsfähige Brandsätze herstellten und nach eigener Aussage auch bereit seien, diese gegen Dritte einzusetzen. Seit dem Auffinden der Brandsätze habe die PD Heidelberg von einer konkreten, andauernden Gefahrenlage ausgehen müssen, da mit einem erneuten Herstellen solcher Brandsätze jederzeit zu rechnen gewesen sei. Weiter sei nach Auffinden der Brandsätze bei der AIKO die Herstellung der Brandsätze im Kontext zu den oben aufgelisteten Ereignissen zu sehen gewesen. Es habe damit gerechnet werden müssen, dass das Herstellen der zufällig aufgefundenen Molotow-Cocktails von den Verantwortlichen als Vorbereitungshandlung für konkrete, in naher Zukunft geplante und überwiegend gegen Personen des rechten Spektrums gerichtete Straftaten von erheblicher Bedeutung gedacht gewesen sei. Ein weiterer Beleg einer konkret vorhandenen Gewaltbereitschaft sei auch die Ankündigung der AIHD, mit „allen Mitteln“ rechte Strukturen angreifen zu wollen. Darüber hinaus habe es Erkenntnisse gegeben, dass sich eine spätere Zielperson Ende des Jahres 2009 auch überregional/bundesweit an Aktionen beteiligt gehabt habe. Gegen diese Person seien sowohl im südbadischen Bereich als auch in Norddeutschland Strafverfahren eingeleitet worden.
27 
Aufgrund dieser Erkenntnisse sei es zur Anordnung von Verdeckten Ermittlern gekommen. Die Maßnahmen hätten sich gegen namentlich benannte Personen aus dem geschilderten Umfeld gerichtet, der Kläger habe nicht zu den in der Einsatzanordnung genannten Personen gehört. Es sei im Einzelnen festgelegt worden, welche Personen zu beobachten seien. Der Kläger sei nicht unter diesen Personen gewesen. Bei Abwägung zwischen den zu erwartenden Nachteilen für die nur mittelbar Betroffenen und dem angestrebten Zweck der Maßnahme (Abwehr von konkreten Gefahren aus der Sphäre der AIHD und der AIKO) sei der Einsatz Verdeckter Ermittler angemessen gewesen. Bei einem solchen Einsatz sei es unvermeidlich, dass der Verdeckte Ermittler auch mit Personen in Kontakt komme, die sich im Umfeld der zu beobachtenden Personen bzw. Gruppierungen aufhielten. Es liege auf der Hand, dass der Verdeckte Ermittler in einem solchen Fall seine wahre Identität nicht preisgeben und diese Kontaktperson über seinen Auftrag informieren könne. Im Übrigen werde darauf hingewiesen, dass auch der Landesbeauftragte für den Datenschutz den hier in Frage stehenden Einsatz eines Verdeckten Ermittlers in Heidelberg überprüft habe. In seinem 30. Tätigkeitsbericht, der am 12.12.2011 veröffentlicht worden sei, führe er unter Ziffer 2.7 (s. 108 ff., 111) u.a. aus:
28 
„Einzelheiten des Falles kann ich wegen der von Seiten des Landeskriminalamts verfügten Geheimhaltung an dieser Stelle nicht ausbreiten, eines lässt sich nach einer Kontrolle der in diesem Fall angelegten Akten festhalten: Die Mängel, die in den 90er Jahren festgestellt wurden, waren nunmehr aufgrund der generellen Regelungen des Innenministeriums einerseits und durch eindeutige Anordnungen im konkreten Fall andererseits behoben. Jedenfalls ergab sich aus den Akten, dass es nicht um das Ausspähen einer bestimmten politischen Szene - wie in der Öffentlichkeit vermutet - ging. Das wäre auch eher eine Aufgabe des Landesamts für Verfassungsschutz gewesen. Vielmehr sollten Daten bestimmter Personen in ihren gesetzlich präzisierten Rollen erhoben werden. Jedoch kann die Befugnis des Verdeckten Ermittlers, mit einer anderen Identität als seiner eigenen in dem Umfeld der betroffenen Personen zu agieren, den Eindruck nicht vermeiden, dass auch dieses Umfeld ausgekundschaftet werden soll. Dass ein Verdeckter Ermittler aufgrund der Einsatz form zwangsläufig eine Vielzahl Kontakte zu anderen Personen hat, wurde in den gesetzlichen Voraussetzungen durch die Formulierung in § 22 Absatz 4 PolG berücksichtigt. Es ist verständlich, dass ein Verdeckter Ermittler alles vermeiden sollte, was zu einer Enttarnung führen könnte. Allerdings ist das Verbot der Begehung von Straftaten, das bei dem Einsatz stets beachtet werden muss, auch in der erwähnten Verwaltungsvorschrift ausdrücklich festgehalten.
29 
Soweit sich dies anhand der Akten beurteilen ließ, dürften die gesetzlichen Voraussetzungen sowohl hinsichtlich der Personen als auch hinsichtlich der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung erfüllt gewesen sein. Daher konnte ich gegen diese Maßnahme keine durchgreifenden datenschutzrechtlichen Bedenken geltend machen. Dabei kann es nicht darauf ankommen, dass Straftaten tatsächlich verhindert wurden, das würde bei einem gescheiterten Einsatz wie hier sonst automatisch zur Rechtswidrigkeit des Einsatzes führen.“
30 
Hierauf erwidert der Kläger:
31 
Der VE selbst habe, anlässlich seiner Enttarnung zur Rede gestellt, gegenüber Betroffenen angegeben: „Ich habe Datensätze angelegt“. Hierbei habe er mindestens auch die Kläger in den Parallelverfahren xxx und xxx namentlich genannt. Zudem habe er insoweit auch alle Mitglieder der Kritischen Initiative einbezogen, also auch den Kläger. Die Klägerin des weiteren Parallelverfahrens xxx sei zudem vom Landeskriminalamt darüber unterrichtet worden, dass sie Betroffene des Einsatzes des VE gewesen sei. Ihre Daten seien durch diesen im Rahmen einer nicht angemeldeten Versammlung erhoben worden. Hieraus werde deutlich, dass nicht nur die möglicherweise allein in der Einsatzanordnung genannte(n) Zielperson(en) Ziel des Einsatzes gewesen seien, sondern (spätestens) im Laufe des Einsatzes weitere Personen zu Zielpersonen geworden seien, jedenfalls aber von ihnen Daten durch den Verdeckten Ermittler erhoben worden seien. Dieser habe beispielsweise zudem von ahnungslosen Betroffenen Mailadressen bekommen und diese auch genutzt. Er habe den Mailverteiler der Kritischen Initiative erlangt, darin seien Mailadressen weiterer Kläger enthalten. Es sei klar, dass er diese Daten auf seinem Laptop oder PC gespeichert habe. Auch damit habe bereits eine unzulässige polizeiliche Datenerhebung und -speicherung stattgefunden. Der VE sei auch in dem Protestcamp in Brüssel eingesetzt worden. Dieser Vorgang habe vom Thema her und auch sonst mit der nun vom Beklagten vorgetragenen angeblichen eskalierenden Rechts/Links-Konfrontation im Rhein-Neckar-Kreis und antifaschistischen Aktionen der AIKO und der AIHD, die den Einsatz veranlasst haben sollen, überhaupt nichts zu tun. Zweifelhaft sei auch, ob sich überhaupt eine Ziel- oder Kontaktperson in Brüssel aufgehalten habe. Mindestens an diesem Vorgang werde deutlich, dass weit mehr Menschen zu Ziel- oder Kontaktpersonen geworden seien, als der Beklagte zugestehe.
32 
Die Kammer hat der Klage des Herrn xxx (Kläger im Verfahren 4 K 2107/11) mit Urteil vom heutigen Tage stattgegeben und festgestellt, dass der in Heidelberg gegen ihn gerichtete Einsatz des Polizeibeamten xxx als verdeckter Ermittler mit dem Decknamen xxx in der Zeit von - mindestens - April 2010 bis zum 12.12.2010 rechtswidrig war. Neben dem Kläger und Herrn xxx haben fünf weitere Personen Klagen (4 K 2108/11 bis 4 K 2112/11) erhoben, über die ebenfalls mit Urteilen vom heutigen Tag entschieden worden ist.
33 
Dem Gericht liegen die Akten 4 K 2107 bis 4 K 2112/11 vor. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt, die vom Beklagten übersandten Kopien der Aktenvorgänge sowie auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
34 
I. Die Klage ist als allgemeine Feststellungsklage gem. § 43 Abs. 1 VwGO statthaft und zulässig.
35 
Zwischen den Beteiligten bestand ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO. Danach kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Als feststellungsfähiges Rechtsverhältnis werden rechtliche Beziehungen angesehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer diesen Sachverhalt betreffenden öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis mehrerer Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben. Die streitige Beziehung muss sich weiter durch ein dem öffentlichen Recht zuzurechnendes Verhalten zu einer konkreten Rechtsbeziehung verdichtet haben. Dies setzt voraus, dass die Anwendung einer bestimmten Norm des öffentlichen Rechts auf einen bereits übersehbaren Sachverhalt streitig ist.
36 
Streitig ist hier, ob ein vom Beklagten eingesetzter Verdeckter Ermittler über den Kläger (in unzulässiger Weise) Daten erhoben hat. Ausgehend hiervon begründet die Frage, ob die behauptete Datenerhebung von einer Rechtsgrundlage gedeckt (hier konkret: durch § 22 PolG) war, ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis.
37 
Zwar wurde der Kläger - den dem Gericht vorgelegten Kopien der Einsatzanordnungen - nicht als eine der Personen (als Ziel bzw. Kontakt-/Begleitperson) genannt, gegen die sich der Einsatz des VE richten sollte. Hierzu trägt der Beklagte vor, die Anordnung von Verdeckten Ermittlern habe sich gegen namentlich benannte Personen gerichtet, der Kläger habe nicht hierzu gehört. Allerdings hat der Kläger - was vom Beklagten auch nicht in Abrede gestellt wurde - vorgetragen, dass er nicht nur gelegentlichen, sondern intensiven Kontakt mit dem VE gehabt habe, der sich sowohl auf politische Aktivitäten im Rahmen der KI als auch auf den privaten Bereich erstreckt habe; einmal habe der VE auch bei ihm übernachtet. Mit Blick darauf, dass in einer solchen Konstellation dem VE zwangsläufig Daten über den Kläger bekannt geworden sein müssen, liegt die konkrete rechtliche Beziehung in der Abklärung, ob der VE eine Tätigkeit entfaltet hat, für deren rechtliche Zulässigkeit es - wie nachstehend unter Punkt II. 2 ausgeführt - einer entsprechenden Ermächtigung gem. den Vorschriften des § 22 PolG bedurft hätte und - wenn ja - ob der Einsatz sich in dem vorgegebenen rechtlichen Rahmen gehalten hat.
38 
Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, dass sich das Rechtsverhältnis bereits vor Klageerhebung infolge der Beendigung des Einsatzes des VE erledigt und deswegen in ein vergangenes Rechtsverhältnis gewandelt hatte. Da § 43 Abs. 1 VwGO in zeitlicher Hinsicht keine Einschränkungen enthält, ist anerkannt, dass auch vergangene Rechtsverhältnisse feststellungsfähig sind. Daraus und aus § 42 Abs. 2 VwGO (in entspr. Anwendung) folgt zugleich, dass der Kläger die Feststellung der Rechtswidrigkeit begehren kann, soweit er durch diesen Einsatz betroffen gewesen ist.
39 
Da in Bezug auf den Kläger keine Einsatzanordnung vorliegt und im Übrigen einer solchen auf Grund der Innerdienstlichkeit auch kein Verwaltungsaktcharakter i.S.d. § 35 LVwVfG zukommt, scheidet eine wegen vorprozessualer Erledigung sogenannte "nachgezogene" Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO entspr.) aus (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.05.2014 - 1 S 815/13 - juris; VG Freiburg, Urt. v. 06.07.2005 - 1 K 439/03 - juris).
40 
Das berechtigte Feststellungsinteresse ergibt sich aus dem vom Kläger geltend gemachten tiefen Eingriff in das in Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG verankerte allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als Schutz der Privatsphäre und in das ebenfalls aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG abgeleitete Recht auf informationelle Selbstbestimmung sowie aus dem Gebot auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG). Die Grundrechte schützen den Bürger vor rechtswidrigen Beeinträchtigungen jeder Art, auch vor solchen durch schlichtes Verwaltungshandeln (Verwaltungsrealakt). Vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlich garantierten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG müssen polizeiliche Maßnahmen in Fällen gewichtiger, in tatsächlicher Hinsicht jedoch überholter Grundrechtseingriffe auch im Hauptsacheverfahren einer gerichtlichen Klärung zugeführt werden können, wenn sich die direkte Belastung durch die angegriffene Maßnahme nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene eine gerichtliche Entscheidung nicht erlangen kann (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.05.2014 - 1 S 815/13 - juris). Der Kläger macht geltend, dass er hier nicht als beliebiger Dritter betroffen war, sondern dass er final in die Datenerhebung durch den VE einbezogen wurde.
41 
Es wäre mit den Grundsätzen des Rechtsstaats unvereinbar, ihm für dieses Opfer gerichtlichen Rechtsschutz und damit die Chance zu versagen, über eine gerichtliche Rechtswidrigkeitsfeststellung eine Art Genugtuung bzw. Rehabilitation und einen - wenngleich unvollkommenen - Ausgleich für die (von ihm geltend gemachte) rechtswidrige Persönlichkeitsverletzung zu erlangen. Auf eine auch aktuell noch vorhandene diskriminierende Wirkung oder konkrete Wiederholungsgefahr kommt es folglich nicht an (VG Freiburg, Urt. v. 06.07.2005 – 1 K 439/03 – juris). Weil die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage allein sachgerecht und dem jeweiligen Rechtsschutzinteresse Rechnung tragend durch Feststellungsurteil geklärt werden kann, muss sich der Kläger schließlich auch nicht i.S.d. § 43 Abs. 2 VwGO auf eine Gestaltungs- oder Leistungsklage verweisen lassen (vgl. BVerwG Urt. v. 29.4.1997 - 1 C 2.95 - juris).
42 
II. Die Klage ist auch begründet.
43 
Das Gericht ist nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung gelangt, dass der VE auch über den Kläger Daten erhoben und weitergegeben hat (1.), ohne dass dafür eine Rechtsgrundlage bestand (2.). Der Einsatz des VE gegenüber dem Kläger war daher rechtswidrig.
44 
1. Das Gericht ist zu der Überzeugung gelangt, dass die Angaben des Klägers, der VE habe über ihn persönliche Daten erhoben und an das LKA weitergegeben, den Tatsachen entsprechen. Die bereits in der Klagebegründung hierzu gemachten Angaben hat der in der mündlichen Verhandlung informatorisch befragte Kläger bestätigt. Er hat berichtet: Er sei beim Enttarnungsgespräch im Café xxx dabei gewesen. Sie seien an einem Tisch gesessen und als die Getränke gekommen seien, hätten sie den VE angesprochen, sie hätten ja gewusst, dass er Verdeckter Ermittler sei. Sie hätten ihn gefragt, was er von ihnen weitergegeben habe und er habe alle ihre Fragen mit „ja“ beantwortet. Er habe gesagt, dass er von seinen persönlichen Verbindungen und Netzwerken, auch politischer Art, „an das LKA weiterberichtet hat“.
45 
Die Kammer hält diese Angaben nach dem persönlichen Eindruck, den sie sich in der mündlichen Verhandlung über den Kläger verschafft hat, für glaubhaft. Dieser trat sehr zurückhaltend auf und berichtete, ohne zu taktieren. Dafür, dass das Gespräch sich so zugetragen hat, wie geschildert, spricht, dass der Kläger zunächst die Angaben des VE zu seinem Einsatz gar nicht in den Vordergrund gestellt, sondern über atmosphärische Gegebenheiten des Gesprächs berichtet hat. Er hat nämlich vorangestellt, dass es zunächst erst ruhig geworden sei und der VE erst über seine eigene persönliche Befindlichkeit gesprochen habe; der VE habe gesagt, dass ihm die persönlichen Kontakte sehr wichtig gewesen seien, er wisse nicht, wie er nach dem Einsatz weitermachen solle und stehe vor einer Wand. Gleiches ist auch von der Klägerin im Verfahren 4 K 2109/11 berichtet worden, die in der mündlichen Verhandlung ebenfalls informatorisch angehört worden ist.
46 
Anlass, am Wahrheitsgehalt der Darstellung des Klägers zu zweifeln, besteht für die Kammer nicht. Der Beklagte hat hierzu in der mündlichen Verhandlung inhaltlich auch nicht Stellung genommen oder gar einen anderweitigen Ablauf des vom Kläger geschilderten Gesprächs dargelegt.
47 
2. Sind demnach vom VE Daten über den Kläger erhoben und weitergeleitet worden, gilt Folgendes: Die Verarbeitung personenbezogener Daten ist ein Eingriff in das sich aus Art. 2 Abs. 1 GG ergebende Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Ein solcher Eingriff bedarf einer gesetzlichen Grundlage, aus der sich die Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar ergeben und die damit dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entspricht. Der Gesetzgeber hat den Verwendungszweck der Daten bereichsspezifisch und präzise zu bestimmen. Die Verwendung der Daten ist auf den gesetzlich bestimmten Zweck begrenzt (vgl. nur BVerfG, Urt. v. 15.12.1983 - 1 BvR 209/83 u.a - juris; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 07.08.2015 – 1 S 1239/15 – Rn. 49, juris). Deren Zulässigkeit richtet sich hier, da es um die Datenerhebung des Landes geht, nach dem Landesdatenschutzgesetz Baden-Württemberg - LDSG - (§ 2 Abs. 1 LDSG). Nach § 4 Abs. 1 LDSG ist die Verarbeitung personenbezogener Daten nur zulässig, wenn dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift sie erlaubt oder soweit der Betroffene eingewilligt hat. Verarbeiten ist das Erheben, Speichern, Verändern, Übermitteln, Nutzen, Sperren und Löschen personenbezogener Daten (§ 3 Abs. 2 LDSG).
48 
Da eine Einwilligung des Klägers ersichtlich nicht vorliegt, kommt hier als einzig mögliche Rechtsgrundlage § 22 PolG in Betracht, und zwar - da bei der Prüfung auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des streitgegenständlichen Verwaltungshandelns, dessen Rechtswidrigkeit festgestellt werden soll, abzustellen ist - in der vom 22.11.2008 bis zum 28.11.2012 gültig gewesenen Fassung des Gesetzes vom 18.11.2008 (GBl. S. 390).
49 
a. Gem. § 22 Abs. 3 PolG kann der Polizeivollzugsdienst personenbezogene Daten von dem nachfolgend genannten Personenkreis u.a. durch den Einsatz Verdeckter Ermittler (§ 22 Abs. 1 Nr. 4 PolG) erheben, wenn andernfalls die Wahrnehmung seiner Aufgaben gefährdet oder erheblich erschwert würde. Daten können über die in § 20 Abs. 2 PolG genannten Personen erhoben werden, wenn der Einsatz zur Abwehr einer Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person oder für bedeutende fremde Sach- und Vermögenswerte (§ 22 Abs. 3 Nr. 1 PolG) erfolgt. Von den in § 20 Abs. 3 Nr. 1 und 2 PolG genannten Personen können Daten zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung erhoben werden (§ 22 Abs. 3 Nr. 2 PolG). In § 20 Abs. 5 PolG sind Straftaten mit erheblicher Bedeutung definiert: Dabei handelt es sich zum einen um Verbrechen (§ 20 Abs. 5 Nr. 1 PolG), zum anderen um Vergehen, die im Einzelfall nach Art und Schwere geeignet sind, den Rechtsfrieden besonders zu stören (§ 20 Abs. 5 Nr. 2 PolG), soweit sie a) sich gegen das Leben, die Gesundheit oder die Freiheit einer oder mehrerer Personen oder bedeutende fremde Sach- oder Vermögenswerte richten, b) auf den Gebieten des unerlaubten Waffen- oder Betäubungsmittelverkehrs, der Geld- oder Wertzeichenfälschung oder des Staatsschutzes (§§ 74 a und 120 GVG) begangen werden, c) gewerbs-, gewohnheits-, serien-, bandenmäßig oder sonst organisiert begangen werden.
50 
Das Gericht vermag nicht davon auszugehen, dass die Einsatzanordnung vom 25.02.2010 und deren Verlängerungen auch die Datenerhebung über den Kläger erfasste. Dies wurde vom Beklagten auch nicht behauptet. Aus den vom Beklagten vorgelegten Kopien der Einsatzanordnung vom 25.02.2010 und deren Verlängerungen lässt sich lediglich entnehmen, dass Daten über xxx und drei weitere Personen als Ziel- bzw. als Kontakt-/Begleitpersonen erhoben werden sollten. Der Name des Klägers ist - was der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung nochmals bestätigte - darin nicht genannt.
51 
b. Die Datenerhebung über den Kläger lässt sich auch nicht auf § 22 Abs. 4 PolG stützen. Danach dürfen Daten auch dann nach Absatz 2 oder 3 erhoben werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden.
52 
Wann eine Unvermeidbarkeit vorliegt, wurde - soweit ersichtlich - bislang in der Rechtsprechung wie in der Literatur nicht geklärt. Eine Unvermeidbarkeit wird allenfalls dann anzunehmen sein, wenn sich im Zuge konkreter Ermittlungen gegen die polizeiliche Zielperson die Kontaktaufnahme mit dem Dritten nicht vermeiden lässt. Allein der Zweck, die eigene Legende abzusichern, wird die Datenerhebung gegenüber einem Dritten wohl nicht zulassen (vgl. Stephan/Deger, Polizeigesetz für Bad.-Württ., 7. Aufl. 2014, § 22 RN 24).
53 
Jedenfalls ist aber Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit einer Datenerhebung über Dritte, dass die Datenerhebung über eine Ziel- bzw. Kontakt-/Begleitperson rechtmäßig angeordnet worden ist. Eine solche Anordnung liegt hier nicht vor. Anknüpfungspunkte für die über den Kläger erfolgte Datenerhebung können allenfalls die Einsatzanordnung vom 25.02.2010 und deren Verlängerungen gewesen sein, in welchen u.a. xxx als Zielperson genannt ist.
54 
Diese Anordnungen sind jedoch formell und materiell rechtswidrig gewesen, sodass es auf die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob die mit § 22 Abs. 3, Nr. 2, Abs. 5, § 20 Abs. 3 Nr. 1 und 2 PolG geschaffene Rechtsgrundlage für den Einsatz eines VE verfassungswidrig ist, nicht ankommt (offen gelassen: VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.05.2014 - 1 S 815/13 - juris; vgl. zu der inhaltsähnlichen, die Telekommunikationsüberwachung betreffende Vorschrift des § 33 a Abs. 1 Nrn. 2 und 3 Nds.SOG: BVerfG Urt. v. 27.7.2005 - 1 BvR 668/04 - juris).
55 
Hierzu hat das Verwaltungsgericht in seinem, der Klage von xxx stattgebenden Urteil Folgendes ausgeführt:
56 
„1. Personen, die sich - wie hier der Kläger - der Anwendung besonderer polizeilicher Mittel der verdeckten Datenerhebung (§ 22 PolG) ausgesetzt sehen, sind regelmäßig von einem intensiven Eingriff in ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) betroffen. Bei ihnen werden verdeckt - d.h. ohne Erkennbarkeit, dass es sich um eine polizeiliche Maßnahme handelt (§ 19 Abs. 2 PolG) - Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse - sog. personenbezogene Daten (zur Definition vgl. § 48 PolG i.V.m. § 3 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 LDSG) - erhoben. Eine erhebliche Verstärkung erfahren solche Grundrechtseingriffe dadurch, dass die verdeckte Datenerhebung die Betroffenen (typischerweise bzw. gezielt) in einer Situation vermeintlicher Vertraulichkeit und - vor allem bei Kontakt- und Begleitpersonen oder sonstigen, unvermeidbar betroffenen Dritten - Ahnungslosigkeit "ereilt". Ihre Möglichkeiten, rechtzeitig zwecks vorheriger Gewährung effektiven Rechtsschutzes unterrichtet zu werden, sind daher von vornherein nach der gesetzlichen Konzeption bzw. dem Zweck solcher polizeilicher Maßnahmen (vgl. § 22 Abs. 8 PolG) beschränkt. Neben den spezifischen materiellrechtlichen Erfordernissen bedarf es in diesen Fällen regelmäßig auch vom Gesetzgeber zu bestimmenden, besonderer verfahrensmäßiger Vorkehrungen, um das Handeln der Verwaltung dort zu regeln, wo der Betroffene keine Möglichkeit hat, in einem vorgeschalteten Verfahren Einfluss hierauf zu nehmen (zum Grundrechtsschutz durch Verfahren vgl. BVerfG, Urt. v. 12.04.2005 - 2 BvR 581/01 - DVBl. 2005, 699 - strafprozessuale Ermittlungen durch Einsatz von "Global Positioning System" [GPS]; BVerfG, Beschl. v. 20.12.1979 - 1 BvR 385/77 - NJW 1980, 759 [Atomkraftwerk Mülheim-Kärlich] - staatliche Schutzpflicht und Mitverantwortung in verfahrensrechtlicher Hinsicht; VG Freiburg, Urt. v. 06.07.2005 – 1 K 439/03 – juris). Um die Anordnung - sowohl für die „vor Ort“ handelnden Beamten wie auch für das später ggf. angerufene Gericht - nachvollziehbar zu machen, bedarf die Anordnung grundsätzlich der Schriftform. Außerdem hat sie das „besondere Mittel“ zu bezeichnen und die Zielperson zu benennen oder zumindest zu umschreiben. In einer Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen Gründe darzulegen, die den Anordnungsberechtigten zu der Entscheidung bewogen haben. Außerdem wird eine Frist für die Dauer des Einsatzes zu bestimmen sein.
57 
Eine fehlerhafte oder zu unbestimmte Einsatzanordnung führt zu ihrer Rechtswidrigkeit und damit zur Rechtswidrigkeit des Einsatzes insgesamt, selbst wenn der Einsatz materiell-rechtlich gerechtfertigt war (Belz/Mussmann/Kahlert/Sander, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 8. Aufl. 2015, § 22 RN 52; VG Freiburg, Urt. v. 06.07.2005 - 1 K 439/03 - juris).
58 
a. Zwar wurde in den vorliegenden Einsatzanordnungen der sog. „Behördenleitervorbehalt“ gewahrt. Die Einsatzanordnung vom 25.02.2010 und deren Folgeanordnungen wurden durch den Leiter der damaligen Polizeidirektion Heidelberg als sachbearbeitende Dienststelle erlassen. Damit wurde dem Erfordernis, dass der Einsatz eines Verdeckten Ermittlers (§ 22 Abs. 1 Nr. 4 PolG) einer Anordnung durch einen der in § 22 Abs. 6 Satz 2 PolG genannten Behördenleiter - worunter u.a. der Leiter einer Polizeidirektion zählt - bedarf, Genüge getan.
59 
b. Allerdings fehlt es an der hinreichenden Bestimmtheit hinsichtlich des eingesetzten Mittels.
60 
Als besonderes Mittel der Datenerhebung wird in § 22 Abs. 1 Nr. 4 PolG der Einsatz von Polizeibeamten unter Geheimhaltung ihrer wahren Identität (Verdeckter Ermittler) genannt.
61 
Die dem Gericht vorliegenden Kopien der Einsatzanordnungen lassen allerdings offen, wie viele Verdeckte Ermittler tätig, ob die Ermittlungen von - wie vom Gesetz vorgeschrieben - Polizeibeamten durchgeführt werden sollten und wer konkret als Verdeckter Ermittler eingesetzt war.
62 
Aus der Überschrift der Anordnung vom 25.02.2010: „Anordnung eines VE-Einsatzes nach dem Polizeigesetz“ ergibt sich hierzu nichts. Desgleichen gilt für die sich daran anschließenden geschwärzten Passagen. In der Tenorierung wird lediglich ausgeführt: „I. Der Einsatz des/der VE erfolgt zur 1. Datenerhebung ...“ Auch in den nicht geschwärzten Passagen unter der Überschrift:
63 
„II. Zu Gründen, Ziel, Geeignetheit... der Datenerhebung durch den VE-Einsatz, Anzahl vorgesehener VE sowie zu den Personen (Adressaten der Maßnahme), über die Daten erhoben werden sollen, ist folgendes festzuhalten:“
64 
ist weder etwas dazu enthalten, ob der/die VE Polizeibeamte sind, noch etwas zu deren Anzahl, noch ist die Identität des/der VE bestimmt worden. Gleiches gilt für die Verlängerungen der Einsatzanordnung. Hierzu hat der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass der Name des VE nicht in der Einsatzanordnung aufgeführt worden sei.
65 
Deshalb lassen sich - ohne dass die Kopien der streitgegenständlichen Einsatzanordnungen selbst etwas dazu hergäben - erst nachträglich nach der „Enttarnung“ von xxx im Dezember 2010 Rückschlüsse darauf ziehen, dass dieser als VE tätig geworden ist. Der Umstand, dass der Beklagte auf gerichtliche Nachfrage unter dem 21.08.2015 bescheinigt hat, dass xxx vom 01.09.2009 bis einschließlich 31.03.2014 als Polizeivollzugsbeamter beim Landeskriminalamt Baden-Württemberg verwendet wurde und der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, dass Herr xxx als alleiniger VE tätig gewesen sei, ersetzt nicht das formale Erfordernis, dass das besondere Mittel der Datenerhebung i.S.d. § 22 Abs. 1 PolG in der Anordnung selbst hinreichend bezeichnet sein muss.
66 
Allein die in der Einsatzanordnung vom 25.02.2010 und deren Folgeanordnungen aufgenommene abstrakte Bezeichnung des Mittels „Verdeckter Ermittler“ ist für eine hinreichende Bestimmung des besonderen Mittels i.S.d. § 22 Abs. 1 Nr. 4 PolG nicht ausreichend. Dies folgt daraus, dass durch den Einsatz eines VE schwerwiegend in die bereits genannten Grundrechte eingegriffen wird und daraus, dass - da § 22 Abs. 8 PolG erst die nachträgliche Unterrichtung des Betroffenen über die Maßnahme vorsieht - der Betroffene regelmäßig nicht die Gelegenheit hat, vorherigen Rechtsschutz zu erlangen. In einer derartigen Konstellation gebietet aber die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG, dass konkret in der Einsatzanordnung der Name des VE aufgeführt wird. Im Interesse der Gewährung effektiven Rechtsschutzes muss der Betroffene wissen, wer von ihm Daten erhoben hat, um das Geschehen nachvollziehen zu können. Denn dies ist Voraussetzung dafür, dass er ggf. ein nachträglich gestelltes Rechtsschutzgesuch begründen kann. Daher muss in der Einsatzanordnung die Identität des eingesetzten VE bezeichnet werden. Insoweit braucht sich der Betroffene nicht darauf verweisen zu lassen, dass die Identität des VE möglicherweise aus anderweitigen Quellen ermittelbar ist. Vielmehr muss dies - auch für eine etwaige spätere gerichtliche Überprüfung - aus der Einsatzanordnung selbst hervorgehen.
67 
2. Der Einsatz des VE erweist sich aber auch als materiell rechtswidrig. Denn der Beklagte hat nicht dargetan, dass die tatbestandlichen Voraussetzung hierfür vorlagen.
68 
Das Gericht kann den vorliegenden Unterlagen nicht entnehmen, dass die Anordnung der Erhebung personenbezogener Daten von einem der in § 22 Abs. 3 PolG genannten Zwecke getragen war.
69 
a. Nach § 22 Abs. 3 Nr. 1 PolG ist zulässig die Datenerhebung zur Abwehr einer Gefahr für Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person, bedeutende Sach- und Vermögenswerte und zwar von einer der in § 20 Abs. 2 PolG genannten Personen. Der Beklagte hat hierzu in Punkt I. 1. der Einsatzanordnung vom 25.02.2010 und deren Verlängerungen festgelegt, dass die Datenerhebung vom Verursacher (§ 20 Abs. 2 i.V.m. § 6 PolG) erfolgt.
70 
Ein Tätigwerden zum Zwecke der Gefahrenabwehr setzt eine konkrete Gefahr voraus. Eine solche liegt vor, wenn bei bestimmten Arten von Verhaltensweisen oder Zuständen nach allgemeiner Lebenserfahrung oder fachlichen Erkenntnissen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden für die polizeilichen Schutzgüter im Einzelfall, d.h. eine konkrete Gefahrenlage, einzutreten pflegt. Dabei hängt der zu fordernde Wahrscheinlichkeitsgrad von der Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter sowie dem Ausmaß des möglichen Schadens ab. Geht es um den Schutz besonders hochwertiger Rechtsgüter, wie etwa Leben und Gesundheit von Menschen, so kann auch die entferntere Möglichkeit eines Schadenseintritts ausreichen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.05.2014 - 1 S 815/13 - juris, m.w.N.).
71 
Nach Maßgabe dessen gehen aus den vom Beklagten vorgelegten Unterlagen keine Umstände hervor, welche die Annahme rechtfertigen, dass vom Kläger eine konkrete Gefahr für eines der in § 22 Abs. 3 Nr. 1 PolG genannten Rechtsgüter ausgegangen ist.
72 
aa. In der Begründung der Einsatzanordnung vom 25.02.2010 selbst - soweit sie lesbar ist - werden keine hinreichenden Fakten genannt, aus denen sich eine solche konkrete Gefahr herleiten ließe. Die pauschale Behauptung des Beklagten, bei dem Kläger handele es sich um eine Führungsperson der Antifaschistischen Initiative Heidelberg, lässt eine solche Gefahrenprognose nicht zu. Dieser Behauptung stellte der Beklagte auf Seite 4 der Anordnung voraus, dass die Antifaschistische Szene Heidelberg und Rhein-Neckar-Kreis mehrere Gruppierungen umfasse, in erster Linie die Antifaschistische Initiative Heidelberg, die AIKO (Anarchistische Initiative Kraichgau-Odenwald); die weiteren aufgelisteten Gruppierungen wurden geschwärzt. Als Ziel dieser Gruppen wurde die Suche nach Konfrontation mit den „Rechten“ genannt und ausgeführt, dass sich bei der linken Szene Heidelberg eine hohe Gewaltbereitschaft und ein hohes Gewaltpotenzial feststellen lasse.
73 
Indessen gehen aus den weiteren ungeschwärzten Ausführungen keine konkreten Feststellungen zu der behaupteten Gewaltbereitschaft der Antifaschistischen Initiative Heidelberg hervor. Solche sind auch nicht mit der Darstellung des Umstands verbunden, dass der Kläger am 18.09.2009 (richtig: am 19.09.2009) an einer von xxx angemeldeten Demonstration in Sinsheim teilgenommen habe (Seite 7 der Anordnung). Insoweit stellt der Beklagte darauf ab, dass der der AIKO zugerechnete xxx - in dessen Wohnung bzw. Keller bei einer Hausdurchsuchung am 04.11.2009 sieben Molotow-Cocktails gefunden worden waren - bei dieser Demonstration beinahe die ganze Zeit mit dem Kläger und einer weiteren Heidelberger Aktivistin, xxx, zusammengestanden habe. Diesen Umstand führte der Beklagte als Indiz für die Verzahnung der Anarchistischen Initiative Kraichgau-Odenwald mit der Antifaschistischen Initiative Heidelberg an. Indes lassen sich der Anordnung - soweit lesbar - zu alledem keine konkrete Tatsachenfeststellungen entnehmen, welche darauf hindeuten könnten, dass vom Kläger eine Gefahr für Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person oder für bedeutende Sach- und Vermögenswerte ausgingen. Allein der Umstand, dass der Kläger während einer Demonstration neben einer Person stand, bei der zu einem späteren Zeitpunkt Molotow-Cocktails gefunden wurden, begründete weder eine hinreichende Grundlage für die Annahme, der Kläger sei in eine gewaltbereite Gruppierung eingebunden noch dafür, dass die Antifaschistische Initiative Heidelberg auf Gewalttätigkeiten hinwirke. Weitere Tatsachenfeststellungen, die eine konkrete Verbundenheit des Klägers mit xxx bzw. der AIKO dokumentieren würden, gehen aus den dem Gericht vom Beklagten überlassenen Unterlagen nicht hervor. Auch sonstige Hinweise darauf, dass der Kläger in der Vergangenheit ein, die Annahme einer Wiederholungsgefahr rechtfertigendes, gewalttätiges oder gewaltveranlassendes Verhalten an den Tag gelegt hätte, hat der Beklagte in der Anordnung nicht genannt. Soweit er die Bewertung vornahm, dass bei der Demonstration am 19.09.2009 eine gewalttätige Auseinandersetzung zwischen Rechts und Links erst durch entsprechende Maßnahmen der Polizei habe verhindert werden können, wurde nichts dazu ausgeführt, dass von den linksgerichteten Demonstranten Gewalttätigkeiten gedroht hätten. Vielmehr sind nach den Darlegungen des Beklagten Platzverweise an die Rechten ergangen. Auch soweit der Beklagte in der Anordnung als alljährlich nennenswertes Event der Antifaschistischen Initiative Heidelberg die Veranstaltung der Walpurgisnacht - als „Gegenveranstaltung“ zu den Walpurgisnachtfeiern der Burschenschaften - anführte, wurde nichts zu irgendwelchen Gewalttätigkeiten berichtet. Aus den nachfolgenden Einsatzanordnungen ergibt sich - soweit lesbar - hierzu ebenfalls nichts.
74 
bb. Auch die weiteren, dem Gericht vorliegenden Unterlagen geben für die Annahme nichts her, vom Kläger gehe eine konkrete Gefahr für die in § 22 Abs. 3 Nr. 1 PolG genannten Rechtsgüter aus.
75 
Nachdem - wie oben unter Punkt II. 1 dargelegt - in der Begründung der Einsatzanordnung die wesentlichen tatsächlichen Gründe darzulegen sind, die den Anordnungsberechtigten zu der Entscheidung bewogen haben, ist fraglich, ob der weitere Akteninhalt herangezogen werden darf, wenn die Anordnung selbst nicht mit einer ausreichenden, die materielle Rechtmäßigkeit belegenden Begründung versehen ist. Dies kann hier aber offen bleiben, da auch der weitere Vortrag des Beklagten die Annahme nicht trägt, dass vom Kläger eine Gefahr für Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person oder bedeutende Sach- und Vermögenswerte gegangen ist.
76 
Aus den der Einsatzanordnung vom 25.02.2010 und deren Folgeanordnungen beigefügten „Personalbögen“ des Klägers lässt sich dies nicht herleiten. Hierin wurde zunächst ein Vorfall vom 21.06.2003 im Rahmen einer Demonstration gegen die Ausstellung „Verbrechen und Wehrmacht“ in Schwäbisch Hall aufgelistet und ausgeführt, dass sich der Kläger seiner Festnahme widersetzt habe, nachdem er aus einer eingeworfenen Schaufensterscheibe eines Geschäfts Gegenstände entwendet hatte. Aus diesem weit zurückliegenden und für sich allein stehenden Vorfall, der nach der Darstellung des Beklagten noch nicht einmal in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Demonstrationsgeschehen stand, lässt sich indes nicht die Prognose erstellen, vom Kläger gehe eine Gefahr für Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person oder bedeutende Sach- und Vermögenswerte aus. Soweit ein Vorfall vom 12.06.2006 beschrieben wurde, bei dem der Kläger in einem Flyer eine Studentin als Angehörige der rechten Szene geoutet haben soll, und weitere Aktionen und Demonstrationen aufgelistet wurden, lassen sich - soweit lesbar - diesen Ausführungen keine Anhaltspunkte für eine Gewaltbereitschaft des Kläger entnehmen.
77 
Eine andere Einschätzung folgt auch nicht aus dem Vortrag des Beklagten im Klageverfahren. Insoweit wurden vom Beklagten mit der Klageerwiderung vom 20.02.2012 (Seite 2 f.) weitere Demonstrationen und Aktionen aufgelistet. Unter anderem wurde eine von der AIKO geplante Demonstration am 24.07.2010 genannt, die verboten wurde und ausgeführt: Auf der homepage der AIKO sei militante Werbung gemacht worden mit dem Slogan: „Lasst uns den Nazis zeigen, dass wir uns nicht einschüchtern lassen!!! Bildet Banden“, auf dem Flyer sei ein ein Vermummter zu sehen, der eine Zwille abgeschossen habe. Indes wurden keine substantiierten Feststellungen dazu getroffen, dass und auf welche Weise intern eine Verbindung zwischen der AI KO und der Antifaschistischen Initiative Heidelberg bestehen soll. Auch die Ausführungen zu den weiteren aufgelisteten Aktionen tragen nicht die Annahme, dass vom Kläger eine Gefahr für die genannten Rechtsgüter ausginge.
78 
Dies gilt auch, soweit der Beklagte auf einen Internetaufruf der Antifaschistischen Initiative Heidelberg im Zusammenhang mit der Demonstration am 19.09.2009 in Sinsheim abstellte, der den Wortlaut hat: „Rechte Strukturen aufdecken und angreifen! Konsequent gegen die polizeiliche Politik des Herunterspielens und Totschweigens! Nazis entgegentreten auf allen Ebenen, mit allen Mitteln“. Abgesehen davon, dass der Wortlaut „mit allen Mitteln“ auslegungsfähig ist und daher nicht ohne Weiteres unterstellt werden kann, dass damit illegale Mittel gemeint sind, hat die vom Beklagten vorgenommene Interpretation, dass zur Gewaltanwendung aufgerufen worden sei, in der Folgezeit keine Bestätigung erfahren. Konkrete Feststellungen, dass von den linken Demonstranten Gewalt ausgegangen wäre oder gedroht hätte, hat der Beklagte nicht getroffen. Vielmehr lässt sich seinen Ausführungen entnehmen, dass Platzverweise an die Rechten ergangen sind.
79 
Auch hinsichtlich der weiteren vom Beklagten in der Klageerwiderung aufgelisteten Demonstrationen wurde nichts von Gewalttätigkeiten berichtet, geschweige denn, dass Anhaltspunkte dafür genannt wurden, die dafür sprächen, dass der Kläger auf gewalttätige Auseinandersetzungen bzw. bedeutende Sachschäden hinwirken würde.
80 
Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung hierzu auch nichts weiter vorgetragen und auf die Sperrerklärung verwiesen.
81 
b. Auch die Voraussetzungen für eine Datenerhebung nach § 22 Abs. 3 Nr. 2 PolG liegen nicht vor. Danach ist die Datenerhebung zulässig zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung über die in § 20 Abs. 3 Nr. 1 und 2 PolG genannten Personen, nämlich über Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie künftig Straftaten begehen sowie über Kontakt- und Begleitpersonen dieser Personen.
82 
Hinsichtlich des Zwecks der Datenerhebung legte der Beklagte in Punkt 2 seiner Einsatzanordnung vom 25.02.2010 und in den Folgeanordnungen die Art der zu bekämpfenden Straftaten fest. Diese Straftaten sollten zum einen sein Vergehen, die im Einzelfall nach Art und Schwere geeignet sind, den Rechtsfrieden besonders zu stören, soweit sie sich gegen das Leben, die Gesundheit oder die Freiheit einer oder mehrerer Personen oder bedeutende fremde Sach- oder Vermögenswerte richten, und zum anderen Vergehen, soweit sie auf den Gebieten des unerlaubten Waffen- oder Betäubungsmittelverkehrs, der Geld- oder Wertzeichenfälschung oder des Staatsschutzes (§§ 74 a und 120 GVG) begangen werden.
83 
Die vom Beklagten hinsichtlich des Klägers getroffenen Feststellungen tragen jedoch weder die Annahme, dass es sich bei diesem um eine Person handelt, bei der tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie künftig Straftaten der genannten Art begehen wird (aa.) noch die Annahme, dass er Kontakt- oder Begleitperson einer solchen Person ist (bb.).
84 
aa. Aus den Begründungen der Einsatzanordnungen geht hervor, dass der Beklagte den Kläger als Zielperson und nicht lediglich als Kontakt- oder Begleitperson eingestuft hat.
85 
Allerdings lassen sich den ungeschwärzten Passagen der vorliegenden Akten keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass der Kläger in der genannten Art straffällig würde.
86 
Tatsächliche Anhaltspunkte liegen dann vor, wenn zumindest bestimmte Indizien gegeben sind, aus denen nach polizeilicher Erfahrung auf das künftig mögliche Vorliegen eines Sachverhalts geschlossen werden kann, dass die Person Straftaten begehen wird. Bloße Vermutungen reichen nicht aus (Stephan/Deger, Polizeigesetz für Bad.-Württ., 7. Aufl. 2014, § 20 RN 24). Weitergehend wird in der Literatur sogar gefordert, dass Tatsachen vorliegen müssen, welche die Annahme rechtfertigen, dass die Person künftig Straftaten begeht (Belz/Mussmann/Kahlert/Sander, Polizeigesetz für Bad.-Württ., 8. Aufl. 2015, § 20 RN 45).
87 
Eine nach Maßgabe dessen zumindest zu fordernde Indizienlage lässt sich den dem Gericht vorliegenden Unterlagen nicht entnehmen.
88 
Der Beklagte stützte seine Einsatzanordnung dem Grunde nach auf die Behauptung, Ziel der von ihm genannten linken Gruppierungen der Antifaschistischen Initiative Heidelberg und der AIKO sei die Suche nach Konfrontation mit den „Rechten“, und stellte insgesamt eine hohe Gewaltbereitschaft und ein hohes Gewaltpotenzial bei der linken Szene in Heidelberg fest. Der Beklagte nannte allerdings keine greifbaren Anhaltspunkte, die darauf hinweisen würden, dass von der Antifaschistischen Initiative Heidelberg, namentlich vom Kläger als eine deren Führungspersonen eine auf die genannten Straftaten hinausführende Gewaltbereitschaft ausginge. Soweit der Beklagte auf die von ihm aufgelisteten Demonstrationen abstellte, wurde - wie bereits oben ausgeführt - nichts zu einer von den linken Gruppierungen ausgehenden Gewaltbereitschaft oder gar zu ihr zurechenbaren Straftaten ausgeführt. Dies gilt - wie voranstehend ebenfalls erörtert - insbesondere für die immer wieder vom Beklagten angeführte Demonstration am 19.09.2009 in Sinsheim. Den vom Beklagten hierzu gemachten Erläuterungen - soweit sie ungeschwärzt sind - lassen sich konkrete Feststellungen zu einem von den linken Demonstranten ausgehenden Gewaltpotential nicht entnehmen; vielmehr ergingen Platzverweise an die rechten Demonstranten.
89 
Ein tatsächlicher Anhaltspunkt dafür, dass der Kläger Straftaten begehen wird, stellt auch nicht der Fund von Molotow-Cocktails bei xxx dar. Das Herstellen und der Besitz von Molotow-Cocktails ist zwar eine Straftat nach 52 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 2a WaffG in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.3.4. Indes lassen sich den vorliegenden Akten keinerlei tragfähige Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass der Kläger in irgendeiner Weise in diese Straftat involviert war. Alleine der Umstand, dass der Kläger während der Demonstration am 19.09.2009 in Sinsheim mit xxx zusammengestanden hatte, bietet keinen tragfähigen Hinweis darauf, dass der Kläger künftig auf waffenrechtlichem Gebiet straffällig werden könnte.
90 
Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung hierzu auch nicht weiter vorgetragen und auf die Sperrerklärung verwiesen.
91 
bb. Die Einsatzanordnung lässt sich auch nicht dadurch rechtfertigen, dass eine Datenerhebung über den Kläger als Kontakt-/ oder Begleitperson (§ 22 Abs. 3 Nr. 2 PolG) eines potentiellen Straftäters in Betracht käme.
92 
Problematisch ist bereits, ob diese Rechtsgrundlage hier überhaupt bei der materiellen Prüfung der Rechtmäßigkeit der Einsatzanordnung zugrunde gelegt werden darf. Denn der Kläger wurde - der Begründung der Einsatzanordnung zufolge - als Zielperson und nicht lediglich als Kontakt- oder Begleitperson eingestuft. Indes sind - wie oben unter Punkt II. 1 ausgeführt -, um den formellen Anforderungen zu genügen, in der Begründung der Einsatzanordnung die wesentlichen Gründe darzulegen, die den Anordnungsberechtigten zu der Entscheidung bewogen haben. Da nach der Begründung der Einsatzanordnung die Datenerhebung gerade nicht vom Kläger als Kontakt- oder Begleitperson erfolgen sollte, erscheint es daher problematisch, die Einsatzanordnung „umzudeuten“, ohne dass dies zu deren formellen Rechtswidrigkeit führen würde.
93 
Diese Frage kann jedoch offen bleiben, da hinreichende Feststellungen des Beklagten fehlen, welche die Einstufung des Klägers als Kontakt- oder Begleitperson eines potentiellen Straftäters rechtfertigen würden.
94 
Als alleiniger Anknüpfungspunkt käme xxx in Betracht, bei welchem die Molotow-Cocktails gefunden worden sind. Dieser ist aber seinerseits lediglich als Kontaktperson (s. S. 8 der Einsatzanordnung vom 25.02.2010) eingestuft worden.
95 
Das Polizeigesetz definiert nicht, was unter dem Begriff Kontakt- und Begleitperson künftiger Straftäter i. S. d. § 20 Abs. 3 Nr. 2 PolG zu verstehen ist. Im Unterschied hierzu enthielt § 2 Nr. 11 Nds SOG in der bis zum 31.12.2007 gültigen Fassung eine Legaldefinition des Begriffs Kontakt- und Begleitperson (zum Wortlaut s. BVerfG, Urt. v. 27.07.2005 - 1 BvR 668/07 - juris RN 48). Dennoch hat das Bundesverfassungsgericht im vorgenannten Urteil ihn für nicht hinreichend bestimmt angesehen (BVerfG - aaO - RN 132 ff.). Mit Blick hierauf kann dieses Begriffspaar allenfalls verfassungskonform und damit restriktiv ausgelegt werden. Eine Kontaktperson kann demnach nur eine Person sein, die zu dem künftigen Straftäter persönliche oder geschäftliche Beziehungen unterhält. Flüchtige Beziehungen reichen nicht aus. Eine Begleitperson muss mit dem künftigen Straftäter wiederholt zusammengetroffen oder wenigstens einmal eine Zeit lang zusammen gewesen sein. Die Verbindung muss eine gewisse Intensität aufweisen (Stephan/Deger, aaO, § 20 RN 25).
96 
Nach Maßgabe dessen lässt sich den Feststellungen des Beklagten nichts Hinreichendes dazu entnehmen, dass der Kläger Kontakt- oder Begleitperson von xxx war. Allein der Umstand, dass der Kläger bei einer Demonstration mit xxx zusammengestanden hat, kann nach den obigen Ausführungen nicht ausreichen. Aus den vorliegenden Akten lässt sich nicht entnehmen, dass es darüber hinaus zu einem weitergehenden intensiven Kontakt zwischen dem Kläger und xxx gekommen war. Der Beklagte hat auf die diesbezügliche Erörterung in der mündlichen Verhandlung auch nicht weiter vorgetragen.“
97 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO. Die Kammer sieht davon ab, das Urteil insoweit für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 167 Abs. 2 VwGO). Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung durch die Kammer sind nicht erfüllt.
98 
B E S C H L U S S
99 
Der Streitwert wird gemäß §§ 52 Abs. 2 GKG auf EUR 5.000 festgesetzt.
100 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

Gründe

 
34 
I. Die Klage ist als allgemeine Feststellungsklage gem. § 43 Abs. 1 VwGO statthaft und zulässig.
35 
Zwischen den Beteiligten bestand ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO. Danach kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Als feststellungsfähiges Rechtsverhältnis werden rechtliche Beziehungen angesehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer diesen Sachverhalt betreffenden öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis mehrerer Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben. Die streitige Beziehung muss sich weiter durch ein dem öffentlichen Recht zuzurechnendes Verhalten zu einer konkreten Rechtsbeziehung verdichtet haben. Dies setzt voraus, dass die Anwendung einer bestimmten Norm des öffentlichen Rechts auf einen bereits übersehbaren Sachverhalt streitig ist.
36 
Streitig ist hier, ob ein vom Beklagten eingesetzter Verdeckter Ermittler über den Kläger (in unzulässiger Weise) Daten erhoben hat. Ausgehend hiervon begründet die Frage, ob die behauptete Datenerhebung von einer Rechtsgrundlage gedeckt (hier konkret: durch § 22 PolG) war, ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis.
37 
Zwar wurde der Kläger - den dem Gericht vorgelegten Kopien der Einsatzanordnungen - nicht als eine der Personen (als Ziel bzw. Kontakt-/Begleitperson) genannt, gegen die sich der Einsatz des VE richten sollte. Hierzu trägt der Beklagte vor, die Anordnung von Verdeckten Ermittlern habe sich gegen namentlich benannte Personen gerichtet, der Kläger habe nicht hierzu gehört. Allerdings hat der Kläger - was vom Beklagten auch nicht in Abrede gestellt wurde - vorgetragen, dass er nicht nur gelegentlichen, sondern intensiven Kontakt mit dem VE gehabt habe, der sich sowohl auf politische Aktivitäten im Rahmen der KI als auch auf den privaten Bereich erstreckt habe; einmal habe der VE auch bei ihm übernachtet. Mit Blick darauf, dass in einer solchen Konstellation dem VE zwangsläufig Daten über den Kläger bekannt geworden sein müssen, liegt die konkrete rechtliche Beziehung in der Abklärung, ob der VE eine Tätigkeit entfaltet hat, für deren rechtliche Zulässigkeit es - wie nachstehend unter Punkt II. 2 ausgeführt - einer entsprechenden Ermächtigung gem. den Vorschriften des § 22 PolG bedurft hätte und - wenn ja - ob der Einsatz sich in dem vorgegebenen rechtlichen Rahmen gehalten hat.
38 
Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, dass sich das Rechtsverhältnis bereits vor Klageerhebung infolge der Beendigung des Einsatzes des VE erledigt und deswegen in ein vergangenes Rechtsverhältnis gewandelt hatte. Da § 43 Abs. 1 VwGO in zeitlicher Hinsicht keine Einschränkungen enthält, ist anerkannt, dass auch vergangene Rechtsverhältnisse feststellungsfähig sind. Daraus und aus § 42 Abs. 2 VwGO (in entspr. Anwendung) folgt zugleich, dass der Kläger die Feststellung der Rechtswidrigkeit begehren kann, soweit er durch diesen Einsatz betroffen gewesen ist.
39 
Da in Bezug auf den Kläger keine Einsatzanordnung vorliegt und im Übrigen einer solchen auf Grund der Innerdienstlichkeit auch kein Verwaltungsaktcharakter i.S.d. § 35 LVwVfG zukommt, scheidet eine wegen vorprozessualer Erledigung sogenannte "nachgezogene" Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO entspr.) aus (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.05.2014 - 1 S 815/13 - juris; VG Freiburg, Urt. v. 06.07.2005 - 1 K 439/03 - juris).
40 
Das berechtigte Feststellungsinteresse ergibt sich aus dem vom Kläger geltend gemachten tiefen Eingriff in das in Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG verankerte allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als Schutz der Privatsphäre und in das ebenfalls aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG abgeleitete Recht auf informationelle Selbstbestimmung sowie aus dem Gebot auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG). Die Grundrechte schützen den Bürger vor rechtswidrigen Beeinträchtigungen jeder Art, auch vor solchen durch schlichtes Verwaltungshandeln (Verwaltungsrealakt). Vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlich garantierten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG müssen polizeiliche Maßnahmen in Fällen gewichtiger, in tatsächlicher Hinsicht jedoch überholter Grundrechtseingriffe auch im Hauptsacheverfahren einer gerichtlichen Klärung zugeführt werden können, wenn sich die direkte Belastung durch die angegriffene Maßnahme nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene eine gerichtliche Entscheidung nicht erlangen kann (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.05.2014 - 1 S 815/13 - juris). Der Kläger macht geltend, dass er hier nicht als beliebiger Dritter betroffen war, sondern dass er final in die Datenerhebung durch den VE einbezogen wurde.
41 
Es wäre mit den Grundsätzen des Rechtsstaats unvereinbar, ihm für dieses Opfer gerichtlichen Rechtsschutz und damit die Chance zu versagen, über eine gerichtliche Rechtswidrigkeitsfeststellung eine Art Genugtuung bzw. Rehabilitation und einen - wenngleich unvollkommenen - Ausgleich für die (von ihm geltend gemachte) rechtswidrige Persönlichkeitsverletzung zu erlangen. Auf eine auch aktuell noch vorhandene diskriminierende Wirkung oder konkrete Wiederholungsgefahr kommt es folglich nicht an (VG Freiburg, Urt. v. 06.07.2005 – 1 K 439/03 – juris). Weil die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage allein sachgerecht und dem jeweiligen Rechtsschutzinteresse Rechnung tragend durch Feststellungsurteil geklärt werden kann, muss sich der Kläger schließlich auch nicht i.S.d. § 43 Abs. 2 VwGO auf eine Gestaltungs- oder Leistungsklage verweisen lassen (vgl. BVerwG Urt. v. 29.4.1997 - 1 C 2.95 - juris).
42 
II. Die Klage ist auch begründet.
43 
Das Gericht ist nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung gelangt, dass der VE auch über den Kläger Daten erhoben und weitergegeben hat (1.), ohne dass dafür eine Rechtsgrundlage bestand (2.). Der Einsatz des VE gegenüber dem Kläger war daher rechtswidrig.
44 
1. Das Gericht ist zu der Überzeugung gelangt, dass die Angaben des Klägers, der VE habe über ihn persönliche Daten erhoben und an das LKA weitergegeben, den Tatsachen entsprechen. Die bereits in der Klagebegründung hierzu gemachten Angaben hat der in der mündlichen Verhandlung informatorisch befragte Kläger bestätigt. Er hat berichtet: Er sei beim Enttarnungsgespräch im Café xxx dabei gewesen. Sie seien an einem Tisch gesessen und als die Getränke gekommen seien, hätten sie den VE angesprochen, sie hätten ja gewusst, dass er Verdeckter Ermittler sei. Sie hätten ihn gefragt, was er von ihnen weitergegeben habe und er habe alle ihre Fragen mit „ja“ beantwortet. Er habe gesagt, dass er von seinen persönlichen Verbindungen und Netzwerken, auch politischer Art, „an das LKA weiterberichtet hat“.
45 
Die Kammer hält diese Angaben nach dem persönlichen Eindruck, den sie sich in der mündlichen Verhandlung über den Kläger verschafft hat, für glaubhaft. Dieser trat sehr zurückhaltend auf und berichtete, ohne zu taktieren. Dafür, dass das Gespräch sich so zugetragen hat, wie geschildert, spricht, dass der Kläger zunächst die Angaben des VE zu seinem Einsatz gar nicht in den Vordergrund gestellt, sondern über atmosphärische Gegebenheiten des Gesprächs berichtet hat. Er hat nämlich vorangestellt, dass es zunächst erst ruhig geworden sei und der VE erst über seine eigene persönliche Befindlichkeit gesprochen habe; der VE habe gesagt, dass ihm die persönlichen Kontakte sehr wichtig gewesen seien, er wisse nicht, wie er nach dem Einsatz weitermachen solle und stehe vor einer Wand. Gleiches ist auch von der Klägerin im Verfahren 4 K 2109/11 berichtet worden, die in der mündlichen Verhandlung ebenfalls informatorisch angehört worden ist.
46 
Anlass, am Wahrheitsgehalt der Darstellung des Klägers zu zweifeln, besteht für die Kammer nicht. Der Beklagte hat hierzu in der mündlichen Verhandlung inhaltlich auch nicht Stellung genommen oder gar einen anderweitigen Ablauf des vom Kläger geschilderten Gesprächs dargelegt.
47 
2. Sind demnach vom VE Daten über den Kläger erhoben und weitergeleitet worden, gilt Folgendes: Die Verarbeitung personenbezogener Daten ist ein Eingriff in das sich aus Art. 2 Abs. 1 GG ergebende Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Ein solcher Eingriff bedarf einer gesetzlichen Grundlage, aus der sich die Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar ergeben und die damit dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entspricht. Der Gesetzgeber hat den Verwendungszweck der Daten bereichsspezifisch und präzise zu bestimmen. Die Verwendung der Daten ist auf den gesetzlich bestimmten Zweck begrenzt (vgl. nur BVerfG, Urt. v. 15.12.1983 - 1 BvR 209/83 u.a - juris; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 07.08.2015 – 1 S 1239/15 – Rn. 49, juris). Deren Zulässigkeit richtet sich hier, da es um die Datenerhebung des Landes geht, nach dem Landesdatenschutzgesetz Baden-Württemberg - LDSG - (§ 2 Abs. 1 LDSG). Nach § 4 Abs. 1 LDSG ist die Verarbeitung personenbezogener Daten nur zulässig, wenn dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift sie erlaubt oder soweit der Betroffene eingewilligt hat. Verarbeiten ist das Erheben, Speichern, Verändern, Übermitteln, Nutzen, Sperren und Löschen personenbezogener Daten (§ 3 Abs. 2 LDSG).
48 
Da eine Einwilligung des Klägers ersichtlich nicht vorliegt, kommt hier als einzig mögliche Rechtsgrundlage § 22 PolG in Betracht, und zwar - da bei der Prüfung auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des streitgegenständlichen Verwaltungshandelns, dessen Rechtswidrigkeit festgestellt werden soll, abzustellen ist - in der vom 22.11.2008 bis zum 28.11.2012 gültig gewesenen Fassung des Gesetzes vom 18.11.2008 (GBl. S. 390).
49 
a. Gem. § 22 Abs. 3 PolG kann der Polizeivollzugsdienst personenbezogene Daten von dem nachfolgend genannten Personenkreis u.a. durch den Einsatz Verdeckter Ermittler (§ 22 Abs. 1 Nr. 4 PolG) erheben, wenn andernfalls die Wahrnehmung seiner Aufgaben gefährdet oder erheblich erschwert würde. Daten können über die in § 20 Abs. 2 PolG genannten Personen erhoben werden, wenn der Einsatz zur Abwehr einer Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person oder für bedeutende fremde Sach- und Vermögenswerte (§ 22 Abs. 3 Nr. 1 PolG) erfolgt. Von den in § 20 Abs. 3 Nr. 1 und 2 PolG genannten Personen können Daten zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung erhoben werden (§ 22 Abs. 3 Nr. 2 PolG). In § 20 Abs. 5 PolG sind Straftaten mit erheblicher Bedeutung definiert: Dabei handelt es sich zum einen um Verbrechen (§ 20 Abs. 5 Nr. 1 PolG), zum anderen um Vergehen, die im Einzelfall nach Art und Schwere geeignet sind, den Rechtsfrieden besonders zu stören (§ 20 Abs. 5 Nr. 2 PolG), soweit sie a) sich gegen das Leben, die Gesundheit oder die Freiheit einer oder mehrerer Personen oder bedeutende fremde Sach- oder Vermögenswerte richten, b) auf den Gebieten des unerlaubten Waffen- oder Betäubungsmittelverkehrs, der Geld- oder Wertzeichenfälschung oder des Staatsschutzes (§§ 74 a und 120 GVG) begangen werden, c) gewerbs-, gewohnheits-, serien-, bandenmäßig oder sonst organisiert begangen werden.
50 
Das Gericht vermag nicht davon auszugehen, dass die Einsatzanordnung vom 25.02.2010 und deren Verlängerungen auch die Datenerhebung über den Kläger erfasste. Dies wurde vom Beklagten auch nicht behauptet. Aus den vom Beklagten vorgelegten Kopien der Einsatzanordnung vom 25.02.2010 und deren Verlängerungen lässt sich lediglich entnehmen, dass Daten über xxx und drei weitere Personen als Ziel- bzw. als Kontakt-/Begleitpersonen erhoben werden sollten. Der Name des Klägers ist - was der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung nochmals bestätigte - darin nicht genannt.
51 
b. Die Datenerhebung über den Kläger lässt sich auch nicht auf § 22 Abs. 4 PolG stützen. Danach dürfen Daten auch dann nach Absatz 2 oder 3 erhoben werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden.
52 
Wann eine Unvermeidbarkeit vorliegt, wurde - soweit ersichtlich - bislang in der Rechtsprechung wie in der Literatur nicht geklärt. Eine Unvermeidbarkeit wird allenfalls dann anzunehmen sein, wenn sich im Zuge konkreter Ermittlungen gegen die polizeiliche Zielperson die Kontaktaufnahme mit dem Dritten nicht vermeiden lässt. Allein der Zweck, die eigene Legende abzusichern, wird die Datenerhebung gegenüber einem Dritten wohl nicht zulassen (vgl. Stephan/Deger, Polizeigesetz für Bad.-Württ., 7. Aufl. 2014, § 22 RN 24).
53 
Jedenfalls ist aber Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit einer Datenerhebung über Dritte, dass die Datenerhebung über eine Ziel- bzw. Kontakt-/Begleitperson rechtmäßig angeordnet worden ist. Eine solche Anordnung liegt hier nicht vor. Anknüpfungspunkte für die über den Kläger erfolgte Datenerhebung können allenfalls die Einsatzanordnung vom 25.02.2010 und deren Verlängerungen gewesen sein, in welchen u.a. xxx als Zielperson genannt ist.
54 
Diese Anordnungen sind jedoch formell und materiell rechtswidrig gewesen, sodass es auf die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob die mit § 22 Abs. 3, Nr. 2, Abs. 5, § 20 Abs. 3 Nr. 1 und 2 PolG geschaffene Rechtsgrundlage für den Einsatz eines VE verfassungswidrig ist, nicht ankommt (offen gelassen: VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.05.2014 - 1 S 815/13 - juris; vgl. zu der inhaltsähnlichen, die Telekommunikationsüberwachung betreffende Vorschrift des § 33 a Abs. 1 Nrn. 2 und 3 Nds.SOG: BVerfG Urt. v. 27.7.2005 - 1 BvR 668/04 - juris).
55 
Hierzu hat das Verwaltungsgericht in seinem, der Klage von xxx stattgebenden Urteil Folgendes ausgeführt:
56 
„1. Personen, die sich - wie hier der Kläger - der Anwendung besonderer polizeilicher Mittel der verdeckten Datenerhebung (§ 22 PolG) ausgesetzt sehen, sind regelmäßig von einem intensiven Eingriff in ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) betroffen. Bei ihnen werden verdeckt - d.h. ohne Erkennbarkeit, dass es sich um eine polizeiliche Maßnahme handelt (§ 19 Abs. 2 PolG) - Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse - sog. personenbezogene Daten (zur Definition vgl. § 48 PolG i.V.m. § 3 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 LDSG) - erhoben. Eine erhebliche Verstärkung erfahren solche Grundrechtseingriffe dadurch, dass die verdeckte Datenerhebung die Betroffenen (typischerweise bzw. gezielt) in einer Situation vermeintlicher Vertraulichkeit und - vor allem bei Kontakt- und Begleitpersonen oder sonstigen, unvermeidbar betroffenen Dritten - Ahnungslosigkeit "ereilt". Ihre Möglichkeiten, rechtzeitig zwecks vorheriger Gewährung effektiven Rechtsschutzes unterrichtet zu werden, sind daher von vornherein nach der gesetzlichen Konzeption bzw. dem Zweck solcher polizeilicher Maßnahmen (vgl. § 22 Abs. 8 PolG) beschränkt. Neben den spezifischen materiellrechtlichen Erfordernissen bedarf es in diesen Fällen regelmäßig auch vom Gesetzgeber zu bestimmenden, besonderer verfahrensmäßiger Vorkehrungen, um das Handeln der Verwaltung dort zu regeln, wo der Betroffene keine Möglichkeit hat, in einem vorgeschalteten Verfahren Einfluss hierauf zu nehmen (zum Grundrechtsschutz durch Verfahren vgl. BVerfG, Urt. v. 12.04.2005 - 2 BvR 581/01 - DVBl. 2005, 699 - strafprozessuale Ermittlungen durch Einsatz von "Global Positioning System" [GPS]; BVerfG, Beschl. v. 20.12.1979 - 1 BvR 385/77 - NJW 1980, 759 [Atomkraftwerk Mülheim-Kärlich] - staatliche Schutzpflicht und Mitverantwortung in verfahrensrechtlicher Hinsicht; VG Freiburg, Urt. v. 06.07.2005 – 1 K 439/03 – juris). Um die Anordnung - sowohl für die „vor Ort“ handelnden Beamten wie auch für das später ggf. angerufene Gericht - nachvollziehbar zu machen, bedarf die Anordnung grundsätzlich der Schriftform. Außerdem hat sie das „besondere Mittel“ zu bezeichnen und die Zielperson zu benennen oder zumindest zu umschreiben. In einer Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen Gründe darzulegen, die den Anordnungsberechtigten zu der Entscheidung bewogen haben. Außerdem wird eine Frist für die Dauer des Einsatzes zu bestimmen sein.
57 
Eine fehlerhafte oder zu unbestimmte Einsatzanordnung führt zu ihrer Rechtswidrigkeit und damit zur Rechtswidrigkeit des Einsatzes insgesamt, selbst wenn der Einsatz materiell-rechtlich gerechtfertigt war (Belz/Mussmann/Kahlert/Sander, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 8. Aufl. 2015, § 22 RN 52; VG Freiburg, Urt. v. 06.07.2005 - 1 K 439/03 - juris).
58 
a. Zwar wurde in den vorliegenden Einsatzanordnungen der sog. „Behördenleitervorbehalt“ gewahrt. Die Einsatzanordnung vom 25.02.2010 und deren Folgeanordnungen wurden durch den Leiter der damaligen Polizeidirektion Heidelberg als sachbearbeitende Dienststelle erlassen. Damit wurde dem Erfordernis, dass der Einsatz eines Verdeckten Ermittlers (§ 22 Abs. 1 Nr. 4 PolG) einer Anordnung durch einen der in § 22 Abs. 6 Satz 2 PolG genannten Behördenleiter - worunter u.a. der Leiter einer Polizeidirektion zählt - bedarf, Genüge getan.
59 
b. Allerdings fehlt es an der hinreichenden Bestimmtheit hinsichtlich des eingesetzten Mittels.
60 
Als besonderes Mittel der Datenerhebung wird in § 22 Abs. 1 Nr. 4 PolG der Einsatz von Polizeibeamten unter Geheimhaltung ihrer wahren Identität (Verdeckter Ermittler) genannt.
61 
Die dem Gericht vorliegenden Kopien der Einsatzanordnungen lassen allerdings offen, wie viele Verdeckte Ermittler tätig, ob die Ermittlungen von - wie vom Gesetz vorgeschrieben - Polizeibeamten durchgeführt werden sollten und wer konkret als Verdeckter Ermittler eingesetzt war.
62 
Aus der Überschrift der Anordnung vom 25.02.2010: „Anordnung eines VE-Einsatzes nach dem Polizeigesetz“ ergibt sich hierzu nichts. Desgleichen gilt für die sich daran anschließenden geschwärzten Passagen. In der Tenorierung wird lediglich ausgeführt: „I. Der Einsatz des/der VE erfolgt zur 1. Datenerhebung ...“ Auch in den nicht geschwärzten Passagen unter der Überschrift:
63 
„II. Zu Gründen, Ziel, Geeignetheit... der Datenerhebung durch den VE-Einsatz, Anzahl vorgesehener VE sowie zu den Personen (Adressaten der Maßnahme), über die Daten erhoben werden sollen, ist folgendes festzuhalten:“
64 
ist weder etwas dazu enthalten, ob der/die VE Polizeibeamte sind, noch etwas zu deren Anzahl, noch ist die Identität des/der VE bestimmt worden. Gleiches gilt für die Verlängerungen der Einsatzanordnung. Hierzu hat der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass der Name des VE nicht in der Einsatzanordnung aufgeführt worden sei.
65 
Deshalb lassen sich - ohne dass die Kopien der streitgegenständlichen Einsatzanordnungen selbst etwas dazu hergäben - erst nachträglich nach der „Enttarnung“ von xxx im Dezember 2010 Rückschlüsse darauf ziehen, dass dieser als VE tätig geworden ist. Der Umstand, dass der Beklagte auf gerichtliche Nachfrage unter dem 21.08.2015 bescheinigt hat, dass xxx vom 01.09.2009 bis einschließlich 31.03.2014 als Polizeivollzugsbeamter beim Landeskriminalamt Baden-Württemberg verwendet wurde und der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, dass Herr xxx als alleiniger VE tätig gewesen sei, ersetzt nicht das formale Erfordernis, dass das besondere Mittel der Datenerhebung i.S.d. § 22 Abs. 1 PolG in der Anordnung selbst hinreichend bezeichnet sein muss.
66 
Allein die in der Einsatzanordnung vom 25.02.2010 und deren Folgeanordnungen aufgenommene abstrakte Bezeichnung des Mittels „Verdeckter Ermittler“ ist für eine hinreichende Bestimmung des besonderen Mittels i.S.d. § 22 Abs. 1 Nr. 4 PolG nicht ausreichend. Dies folgt daraus, dass durch den Einsatz eines VE schwerwiegend in die bereits genannten Grundrechte eingegriffen wird und daraus, dass - da § 22 Abs. 8 PolG erst die nachträgliche Unterrichtung des Betroffenen über die Maßnahme vorsieht - der Betroffene regelmäßig nicht die Gelegenheit hat, vorherigen Rechtsschutz zu erlangen. In einer derartigen Konstellation gebietet aber die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG, dass konkret in der Einsatzanordnung der Name des VE aufgeführt wird. Im Interesse der Gewährung effektiven Rechtsschutzes muss der Betroffene wissen, wer von ihm Daten erhoben hat, um das Geschehen nachvollziehen zu können. Denn dies ist Voraussetzung dafür, dass er ggf. ein nachträglich gestelltes Rechtsschutzgesuch begründen kann. Daher muss in der Einsatzanordnung die Identität des eingesetzten VE bezeichnet werden. Insoweit braucht sich der Betroffene nicht darauf verweisen zu lassen, dass die Identität des VE möglicherweise aus anderweitigen Quellen ermittelbar ist. Vielmehr muss dies - auch für eine etwaige spätere gerichtliche Überprüfung - aus der Einsatzanordnung selbst hervorgehen.
67 
2. Der Einsatz des VE erweist sich aber auch als materiell rechtswidrig. Denn der Beklagte hat nicht dargetan, dass die tatbestandlichen Voraussetzung hierfür vorlagen.
68 
Das Gericht kann den vorliegenden Unterlagen nicht entnehmen, dass die Anordnung der Erhebung personenbezogener Daten von einem der in § 22 Abs. 3 PolG genannten Zwecke getragen war.
69 
a. Nach § 22 Abs. 3 Nr. 1 PolG ist zulässig die Datenerhebung zur Abwehr einer Gefahr für Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person, bedeutende Sach- und Vermögenswerte und zwar von einer der in § 20 Abs. 2 PolG genannten Personen. Der Beklagte hat hierzu in Punkt I. 1. der Einsatzanordnung vom 25.02.2010 und deren Verlängerungen festgelegt, dass die Datenerhebung vom Verursacher (§ 20 Abs. 2 i.V.m. § 6 PolG) erfolgt.
70 
Ein Tätigwerden zum Zwecke der Gefahrenabwehr setzt eine konkrete Gefahr voraus. Eine solche liegt vor, wenn bei bestimmten Arten von Verhaltensweisen oder Zuständen nach allgemeiner Lebenserfahrung oder fachlichen Erkenntnissen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden für die polizeilichen Schutzgüter im Einzelfall, d.h. eine konkrete Gefahrenlage, einzutreten pflegt. Dabei hängt der zu fordernde Wahrscheinlichkeitsgrad von der Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter sowie dem Ausmaß des möglichen Schadens ab. Geht es um den Schutz besonders hochwertiger Rechtsgüter, wie etwa Leben und Gesundheit von Menschen, so kann auch die entferntere Möglichkeit eines Schadenseintritts ausreichen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.05.2014 - 1 S 815/13 - juris, m.w.N.).
71 
Nach Maßgabe dessen gehen aus den vom Beklagten vorgelegten Unterlagen keine Umstände hervor, welche die Annahme rechtfertigen, dass vom Kläger eine konkrete Gefahr für eines der in § 22 Abs. 3 Nr. 1 PolG genannten Rechtsgüter ausgegangen ist.
72 
aa. In der Begründung der Einsatzanordnung vom 25.02.2010 selbst - soweit sie lesbar ist - werden keine hinreichenden Fakten genannt, aus denen sich eine solche konkrete Gefahr herleiten ließe. Die pauschale Behauptung des Beklagten, bei dem Kläger handele es sich um eine Führungsperson der Antifaschistischen Initiative Heidelberg, lässt eine solche Gefahrenprognose nicht zu. Dieser Behauptung stellte der Beklagte auf Seite 4 der Anordnung voraus, dass die Antifaschistische Szene Heidelberg und Rhein-Neckar-Kreis mehrere Gruppierungen umfasse, in erster Linie die Antifaschistische Initiative Heidelberg, die AIKO (Anarchistische Initiative Kraichgau-Odenwald); die weiteren aufgelisteten Gruppierungen wurden geschwärzt. Als Ziel dieser Gruppen wurde die Suche nach Konfrontation mit den „Rechten“ genannt und ausgeführt, dass sich bei der linken Szene Heidelberg eine hohe Gewaltbereitschaft und ein hohes Gewaltpotenzial feststellen lasse.
73 
Indessen gehen aus den weiteren ungeschwärzten Ausführungen keine konkreten Feststellungen zu der behaupteten Gewaltbereitschaft der Antifaschistischen Initiative Heidelberg hervor. Solche sind auch nicht mit der Darstellung des Umstands verbunden, dass der Kläger am 18.09.2009 (richtig: am 19.09.2009) an einer von xxx angemeldeten Demonstration in Sinsheim teilgenommen habe (Seite 7 der Anordnung). Insoweit stellt der Beklagte darauf ab, dass der der AIKO zugerechnete xxx - in dessen Wohnung bzw. Keller bei einer Hausdurchsuchung am 04.11.2009 sieben Molotow-Cocktails gefunden worden waren - bei dieser Demonstration beinahe die ganze Zeit mit dem Kläger und einer weiteren Heidelberger Aktivistin, xxx, zusammengestanden habe. Diesen Umstand führte der Beklagte als Indiz für die Verzahnung der Anarchistischen Initiative Kraichgau-Odenwald mit der Antifaschistischen Initiative Heidelberg an. Indes lassen sich der Anordnung - soweit lesbar - zu alledem keine konkrete Tatsachenfeststellungen entnehmen, welche darauf hindeuten könnten, dass vom Kläger eine Gefahr für Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person oder für bedeutende Sach- und Vermögenswerte ausgingen. Allein der Umstand, dass der Kläger während einer Demonstration neben einer Person stand, bei der zu einem späteren Zeitpunkt Molotow-Cocktails gefunden wurden, begründete weder eine hinreichende Grundlage für die Annahme, der Kläger sei in eine gewaltbereite Gruppierung eingebunden noch dafür, dass die Antifaschistische Initiative Heidelberg auf Gewalttätigkeiten hinwirke. Weitere Tatsachenfeststellungen, die eine konkrete Verbundenheit des Klägers mit xxx bzw. der AIKO dokumentieren würden, gehen aus den dem Gericht vom Beklagten überlassenen Unterlagen nicht hervor. Auch sonstige Hinweise darauf, dass der Kläger in der Vergangenheit ein, die Annahme einer Wiederholungsgefahr rechtfertigendes, gewalttätiges oder gewaltveranlassendes Verhalten an den Tag gelegt hätte, hat der Beklagte in der Anordnung nicht genannt. Soweit er die Bewertung vornahm, dass bei der Demonstration am 19.09.2009 eine gewalttätige Auseinandersetzung zwischen Rechts und Links erst durch entsprechende Maßnahmen der Polizei habe verhindert werden können, wurde nichts dazu ausgeführt, dass von den linksgerichteten Demonstranten Gewalttätigkeiten gedroht hätten. Vielmehr sind nach den Darlegungen des Beklagten Platzverweise an die Rechten ergangen. Auch soweit der Beklagte in der Anordnung als alljährlich nennenswertes Event der Antifaschistischen Initiative Heidelberg die Veranstaltung der Walpurgisnacht - als „Gegenveranstaltung“ zu den Walpurgisnachtfeiern der Burschenschaften - anführte, wurde nichts zu irgendwelchen Gewalttätigkeiten berichtet. Aus den nachfolgenden Einsatzanordnungen ergibt sich - soweit lesbar - hierzu ebenfalls nichts.
74 
bb. Auch die weiteren, dem Gericht vorliegenden Unterlagen geben für die Annahme nichts her, vom Kläger gehe eine konkrete Gefahr für die in § 22 Abs. 3 Nr. 1 PolG genannten Rechtsgüter aus.
75 
Nachdem - wie oben unter Punkt II. 1 dargelegt - in der Begründung der Einsatzanordnung die wesentlichen tatsächlichen Gründe darzulegen sind, die den Anordnungsberechtigten zu der Entscheidung bewogen haben, ist fraglich, ob der weitere Akteninhalt herangezogen werden darf, wenn die Anordnung selbst nicht mit einer ausreichenden, die materielle Rechtmäßigkeit belegenden Begründung versehen ist. Dies kann hier aber offen bleiben, da auch der weitere Vortrag des Beklagten die Annahme nicht trägt, dass vom Kläger eine Gefahr für Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person oder bedeutende Sach- und Vermögenswerte gegangen ist.
76 
Aus den der Einsatzanordnung vom 25.02.2010 und deren Folgeanordnungen beigefügten „Personalbögen“ des Klägers lässt sich dies nicht herleiten. Hierin wurde zunächst ein Vorfall vom 21.06.2003 im Rahmen einer Demonstration gegen die Ausstellung „Verbrechen und Wehrmacht“ in Schwäbisch Hall aufgelistet und ausgeführt, dass sich der Kläger seiner Festnahme widersetzt habe, nachdem er aus einer eingeworfenen Schaufensterscheibe eines Geschäfts Gegenstände entwendet hatte. Aus diesem weit zurückliegenden und für sich allein stehenden Vorfall, der nach der Darstellung des Beklagten noch nicht einmal in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Demonstrationsgeschehen stand, lässt sich indes nicht die Prognose erstellen, vom Kläger gehe eine Gefahr für Leben, Gesundheit und Freiheit einer Person oder bedeutende Sach- und Vermögenswerte aus. Soweit ein Vorfall vom 12.06.2006 beschrieben wurde, bei dem der Kläger in einem Flyer eine Studentin als Angehörige der rechten Szene geoutet haben soll, und weitere Aktionen und Demonstrationen aufgelistet wurden, lassen sich - soweit lesbar - diesen Ausführungen keine Anhaltspunkte für eine Gewaltbereitschaft des Kläger entnehmen.
77 
Eine andere Einschätzung folgt auch nicht aus dem Vortrag des Beklagten im Klageverfahren. Insoweit wurden vom Beklagten mit der Klageerwiderung vom 20.02.2012 (Seite 2 f.) weitere Demonstrationen und Aktionen aufgelistet. Unter anderem wurde eine von der AIKO geplante Demonstration am 24.07.2010 genannt, die verboten wurde und ausgeführt: Auf der homepage der AIKO sei militante Werbung gemacht worden mit dem Slogan: „Lasst uns den Nazis zeigen, dass wir uns nicht einschüchtern lassen!!! Bildet Banden“, auf dem Flyer sei ein ein Vermummter zu sehen, der eine Zwille abgeschossen habe. Indes wurden keine substantiierten Feststellungen dazu getroffen, dass und auf welche Weise intern eine Verbindung zwischen der AI KO und der Antifaschistischen Initiative Heidelberg bestehen soll. Auch die Ausführungen zu den weiteren aufgelisteten Aktionen tragen nicht die Annahme, dass vom Kläger eine Gefahr für die genannten Rechtsgüter ausginge.
78 
Dies gilt auch, soweit der Beklagte auf einen Internetaufruf der Antifaschistischen Initiative Heidelberg im Zusammenhang mit der Demonstration am 19.09.2009 in Sinsheim abstellte, der den Wortlaut hat: „Rechte Strukturen aufdecken und angreifen! Konsequent gegen die polizeiliche Politik des Herunterspielens und Totschweigens! Nazis entgegentreten auf allen Ebenen, mit allen Mitteln“. Abgesehen davon, dass der Wortlaut „mit allen Mitteln“ auslegungsfähig ist und daher nicht ohne Weiteres unterstellt werden kann, dass damit illegale Mittel gemeint sind, hat die vom Beklagten vorgenommene Interpretation, dass zur Gewaltanwendung aufgerufen worden sei, in der Folgezeit keine Bestätigung erfahren. Konkrete Feststellungen, dass von den linken Demonstranten Gewalt ausgegangen wäre oder gedroht hätte, hat der Beklagte nicht getroffen. Vielmehr lässt sich seinen Ausführungen entnehmen, dass Platzverweise an die Rechten ergangen sind.
79 
Auch hinsichtlich der weiteren vom Beklagten in der Klageerwiderung aufgelisteten Demonstrationen wurde nichts von Gewalttätigkeiten berichtet, geschweige denn, dass Anhaltspunkte dafür genannt wurden, die dafür sprächen, dass der Kläger auf gewalttätige Auseinandersetzungen bzw. bedeutende Sachschäden hinwirken würde.
80 
Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung hierzu auch nichts weiter vorgetragen und auf die Sperrerklärung verwiesen.
81 
b. Auch die Voraussetzungen für eine Datenerhebung nach § 22 Abs. 3 Nr. 2 PolG liegen nicht vor. Danach ist die Datenerhebung zulässig zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung über die in § 20 Abs. 3 Nr. 1 und 2 PolG genannten Personen, nämlich über Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie künftig Straftaten begehen sowie über Kontakt- und Begleitpersonen dieser Personen.
82 
Hinsichtlich des Zwecks der Datenerhebung legte der Beklagte in Punkt 2 seiner Einsatzanordnung vom 25.02.2010 und in den Folgeanordnungen die Art der zu bekämpfenden Straftaten fest. Diese Straftaten sollten zum einen sein Vergehen, die im Einzelfall nach Art und Schwere geeignet sind, den Rechtsfrieden besonders zu stören, soweit sie sich gegen das Leben, die Gesundheit oder die Freiheit einer oder mehrerer Personen oder bedeutende fremde Sach- oder Vermögenswerte richten, und zum anderen Vergehen, soweit sie auf den Gebieten des unerlaubten Waffen- oder Betäubungsmittelverkehrs, der Geld- oder Wertzeichenfälschung oder des Staatsschutzes (§§ 74 a und 120 GVG) begangen werden.
83 
Die vom Beklagten hinsichtlich des Klägers getroffenen Feststellungen tragen jedoch weder die Annahme, dass es sich bei diesem um eine Person handelt, bei der tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie künftig Straftaten der genannten Art begehen wird (aa.) noch die Annahme, dass er Kontakt- oder Begleitperson einer solchen Person ist (bb.).
84 
aa. Aus den Begründungen der Einsatzanordnungen geht hervor, dass der Beklagte den Kläger als Zielperson und nicht lediglich als Kontakt- oder Begleitperson eingestuft hat.
85 
Allerdings lassen sich den ungeschwärzten Passagen der vorliegenden Akten keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass der Kläger in der genannten Art straffällig würde.
86 
Tatsächliche Anhaltspunkte liegen dann vor, wenn zumindest bestimmte Indizien gegeben sind, aus denen nach polizeilicher Erfahrung auf das künftig mögliche Vorliegen eines Sachverhalts geschlossen werden kann, dass die Person Straftaten begehen wird. Bloße Vermutungen reichen nicht aus (Stephan/Deger, Polizeigesetz für Bad.-Württ., 7. Aufl. 2014, § 20 RN 24). Weitergehend wird in der Literatur sogar gefordert, dass Tatsachen vorliegen müssen, welche die Annahme rechtfertigen, dass die Person künftig Straftaten begeht (Belz/Mussmann/Kahlert/Sander, Polizeigesetz für Bad.-Württ., 8. Aufl. 2015, § 20 RN 45).
87 
Eine nach Maßgabe dessen zumindest zu fordernde Indizienlage lässt sich den dem Gericht vorliegenden Unterlagen nicht entnehmen.
88 
Der Beklagte stützte seine Einsatzanordnung dem Grunde nach auf die Behauptung, Ziel der von ihm genannten linken Gruppierungen der Antifaschistischen Initiative Heidelberg und der AIKO sei die Suche nach Konfrontation mit den „Rechten“, und stellte insgesamt eine hohe Gewaltbereitschaft und ein hohes Gewaltpotenzial bei der linken Szene in Heidelberg fest. Der Beklagte nannte allerdings keine greifbaren Anhaltspunkte, die darauf hinweisen würden, dass von der Antifaschistischen Initiative Heidelberg, namentlich vom Kläger als eine deren Führungspersonen eine auf die genannten Straftaten hinausführende Gewaltbereitschaft ausginge. Soweit der Beklagte auf die von ihm aufgelisteten Demonstrationen abstellte, wurde - wie bereits oben ausgeführt - nichts zu einer von den linken Gruppierungen ausgehenden Gewaltbereitschaft oder gar zu ihr zurechenbaren Straftaten ausgeführt. Dies gilt - wie voranstehend ebenfalls erörtert - insbesondere für die immer wieder vom Beklagten angeführte Demonstration am 19.09.2009 in Sinsheim. Den vom Beklagten hierzu gemachten Erläuterungen - soweit sie ungeschwärzt sind - lassen sich konkrete Feststellungen zu einem von den linken Demonstranten ausgehenden Gewaltpotential nicht entnehmen; vielmehr ergingen Platzverweise an die rechten Demonstranten.
89 
Ein tatsächlicher Anhaltspunkt dafür, dass der Kläger Straftaten begehen wird, stellt auch nicht der Fund von Molotow-Cocktails bei xxx dar. Das Herstellen und der Besitz von Molotow-Cocktails ist zwar eine Straftat nach 52 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 2a WaffG in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.3.4. Indes lassen sich den vorliegenden Akten keinerlei tragfähige Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass der Kläger in irgendeiner Weise in diese Straftat involviert war. Alleine der Umstand, dass der Kläger während der Demonstration am 19.09.2009 in Sinsheim mit xxx zusammengestanden hatte, bietet keinen tragfähigen Hinweis darauf, dass der Kläger künftig auf waffenrechtlichem Gebiet straffällig werden könnte.
90 
Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung hierzu auch nicht weiter vorgetragen und auf die Sperrerklärung verwiesen.
91 
bb. Die Einsatzanordnung lässt sich auch nicht dadurch rechtfertigen, dass eine Datenerhebung über den Kläger als Kontakt-/ oder Begleitperson (§ 22 Abs. 3 Nr. 2 PolG) eines potentiellen Straftäters in Betracht käme.
92 
Problematisch ist bereits, ob diese Rechtsgrundlage hier überhaupt bei der materiellen Prüfung der Rechtmäßigkeit der Einsatzanordnung zugrunde gelegt werden darf. Denn der Kläger wurde - der Begründung der Einsatzanordnung zufolge - als Zielperson und nicht lediglich als Kontakt- oder Begleitperson eingestuft. Indes sind - wie oben unter Punkt II. 1 ausgeführt -, um den formellen Anforderungen zu genügen, in der Begründung der Einsatzanordnung die wesentlichen Gründe darzulegen, die den Anordnungsberechtigten zu der Entscheidung bewogen haben. Da nach der Begründung der Einsatzanordnung die Datenerhebung gerade nicht vom Kläger als Kontakt- oder Begleitperson erfolgen sollte, erscheint es daher problematisch, die Einsatzanordnung „umzudeuten“, ohne dass dies zu deren formellen Rechtswidrigkeit führen würde.
93 
Diese Frage kann jedoch offen bleiben, da hinreichende Feststellungen des Beklagten fehlen, welche die Einstufung des Klägers als Kontakt- oder Begleitperson eines potentiellen Straftäters rechtfertigen würden.
94 
Als alleiniger Anknüpfungspunkt käme xxx in Betracht, bei welchem die Molotow-Cocktails gefunden worden sind. Dieser ist aber seinerseits lediglich als Kontaktperson (s. S. 8 der Einsatzanordnung vom 25.02.2010) eingestuft worden.
95 
Das Polizeigesetz definiert nicht, was unter dem Begriff Kontakt- und Begleitperson künftiger Straftäter i. S. d. § 20 Abs. 3 Nr. 2 PolG zu verstehen ist. Im Unterschied hierzu enthielt § 2 Nr. 11 Nds SOG in der bis zum 31.12.2007 gültigen Fassung eine Legaldefinition des Begriffs Kontakt- und Begleitperson (zum Wortlaut s. BVerfG, Urt. v. 27.07.2005 - 1 BvR 668/07 - juris RN 48). Dennoch hat das Bundesverfassungsgericht im vorgenannten Urteil ihn für nicht hinreichend bestimmt angesehen (BVerfG - aaO - RN 132 ff.). Mit Blick hierauf kann dieses Begriffspaar allenfalls verfassungskonform und damit restriktiv ausgelegt werden. Eine Kontaktperson kann demnach nur eine Person sein, die zu dem künftigen Straftäter persönliche oder geschäftliche Beziehungen unterhält. Flüchtige Beziehungen reichen nicht aus. Eine Begleitperson muss mit dem künftigen Straftäter wiederholt zusammengetroffen oder wenigstens einmal eine Zeit lang zusammen gewesen sein. Die Verbindung muss eine gewisse Intensität aufweisen (Stephan/Deger, aaO, § 20 RN 25).
96 
Nach Maßgabe dessen lässt sich den Feststellungen des Beklagten nichts Hinreichendes dazu entnehmen, dass der Kläger Kontakt- oder Begleitperson von xxx war. Allein der Umstand, dass der Kläger bei einer Demonstration mit xxx zusammengestanden hat, kann nach den obigen Ausführungen nicht ausreichen. Aus den vorliegenden Akten lässt sich nicht entnehmen, dass es darüber hinaus zu einem weitergehenden intensiven Kontakt zwischen dem Kläger und xxx gekommen war. Der Beklagte hat auf die diesbezügliche Erörterung in der mündlichen Verhandlung auch nicht weiter vorgetragen.“
97 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO. Die Kammer sieht davon ab, das Urteil insoweit für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 167 Abs. 2 VwGO). Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung durch die Kammer sind nicht erfüllt.
98 
B E S C H L U S S
99 
Der Streitwert wird gemäß §§ 52 Abs. 2 GKG auf EUR 5.000 festgesetzt.
100 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.

Erkennt eine Partei den gegen sie geltend gemachten Anspruch ganz oder zum Teil an, so ist sie dem Anerkenntnis gemäß zu verurteilen. Einer mündlichen Verhandlung bedarf es insoweit nicht.

Tenor

Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe für das zweitinstanzliche Verfahren bewilligt und Rechtsanwalt X.       F.      in Y.         beigeordnet.

Die Berufung wird zugelassen.

Die Entscheidung über die Kosten des Antragsverfahrens folgt der Kostenentscheidung in der Hauptsache.

Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 10.000,00 Euro, der Streitwert für das Berufungsverfahren wird vorläufig auf denselben Betrag festgesetzt.


123456789101112

Tenor

Der Bescheid des Beklagten vom 3. März 2009 – AZ.: – wird aufgehoben, soweit es der Beklagte abgelehnt hat, das Monitoringkonzept der Klägerin über die darin enthaltenen Erleichterungen bzw. Abweichungen von den Monitoring-Leitlinien hinaus zu genehmigen.

Der Beklagte wird verpflichtet, das Monitoringkonzept der Klägerin für das Kraftwerk (Stand 05.02.2009) für die Handelsperiode 2008 bis 2012 mit Wirkung ab dem Kalenderjahr 2008 zu genehmigen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Mit ihrer am 1.4.2009 erhobenen Klage begehrt die Klägerin die vollumfängliche Genehmigung ihres mit Antrag vom 30.1.2009 vorgelegten Monitoringkonzepts für das Kraftwerk (Stand 5.2.2009).

Mit Bescheid vom 3.3.2009 – AZ.: – erteilte der Beklagte der Klägerin die Genehmigung der Erleichterungen bzw. Abweichungen von den Monitoring-Leitlinien (Nrn. I, 1. bis 4. des Bescheides). Die darüber hinausgehende vollumfängliche Genehmigung ihres mit Antrag vom 30.1.2009 vorgelegten Monitoringkonzepts lehnte er ab.

Die Klägerin beantragt,

1. den Bescheid des Beklagten vom 3. März 2009 – AZ.: – aufzuheben, soweit es der Beklagte abgelehnt hat, das Monitoringkonzept der Klägerin über die darin enthaltenen Erleichterungen bzw. Abweichungen von den Monitoring-Leitlinien hinaus zu genehmigen

2. den Beklagten zu verpflichten, das Monitoringkonzept der Klägerin für das Kraftwerk für die Handelsperiode 2008 bis 2012 mit Wirkung ab dem Kalenderjahr 2008 zu genehmigen,

hilfsweise,

den Beklagten zu verpflichten, über den Antrag der Klägerin auf Genehmigung ihres Monitoringkonzepts für das Kraftwerk für die Handelsperiode 2008 bis 2012 mit Wirkung ab dem Kalenderjahr 2008 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Der Beklagte verwies zunächst darauf, dass zu der damit aufgeworfenen Rechtsfrage, ob das von Anlagenbetreibern wie der Klägerin vorgelegte Monitoringkonzept nach dem Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz (TEHG) einer vollumfänglichen Genehmigung bedarf, wie die Klägerin meint, oder ob nur die Abweichungen vom Grundkonzept der Leitlinien der Genehmigung durch die zuständigen Landesbehörden bedürfen, wovon der Bescheid des Beklagten vom 3.3.2009 ausgeht, eine Sprungrevision gegen ein die Auffassung der Klägerin bejahendes Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vor dem Bundesverwaltungsgericht anhängig sei.

Nachdem das Bundesverwaltungsgericht durch Urteil vom 18.2.2010 - in dem Verfahren BVerwG 7 C 10.09 – entschieden hatte, dass die für den Vollzug der §§ 4 und 5 TEHG zuständigen Landesbehörden verpflichtet sind, die von den betroffenen Unternehmen erstellten Monitoringkonzepte zu überprüfen und – bei Übereinstimmung mit den dafür geltenden Bestimmungen – vollumfänglich zu genehmigen, hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 8.3.2010 den in der Klageschrift im Hauptantrag geltend gemachten Klageanspruch anerkannt.

Die Klägerin hat daraufhin mit Schriftsatz vom 24.3.2010 den Erlass eines Anerkenntnisurteils beantragt.

Entscheidungsgründe

Das erkennende Gericht ist für die Entscheidung über den geltend gemachten Klageanspruch gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 VwGO im ersten Rechtszug zuständig.

Nach Anerkennung des in der Klageschrift im Hauptantrag geltend gemachten Klageanspruchs war der Beklagte auf den entsprechenden Antrag der Klägerin im Wege des Anerkenntnisurteils gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 307 ZPO antragsgemäß zu verurteilen.

Auch im Verwaltungsrechtsstreit ist es dem Beklagten unbenommen, den Klageanspruch anzuerkennen. Die Möglichkeit eines Anerkenntnisses wird in § 87 a Abs. 1 Nr. 2 und § 156 VwGO vorausgesetzt. Dies ist Ausdruck der auch im Verwaltungsprozess geltenden Dispositionsmaxime, die den Beteiligten die Befugnis sichert, über den Streitgegenstand zu verfügen. Auch § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO schließt eine entsprechende Anwendung des § 307 ZPO nicht aus. Der Untersuchungsgrundsatz, durch den die Sammlung des Tatsachenmaterials gesteuert wird, läßt die Befugnis der Beteiligten unberührt, über das Prozessrechtsverhältnis zu disponieren.

BVerwG, Gerichtsbescheid vom 07.01.1997 - 4 A 20/95 - , NVwZ 1997, 576, mit zahlreichen weiteren Nachweisen; OVG Hamburg, Urteil vom 26.8.1976 – Bf II 43/75 -, NJW 1977, 214; ebenso Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand 7-2009, § 87 a Rdnr. 31; Eyermann, VwGO, 12. Aufl., § 87 a Rdnr. 9; Bader, VwGO, 4. Aufl., § 87 a Rdnr. 11.

Die Verwaltungsgerichtsordnung äußert sich zwar nicht ausdrücklich zur Zulässigkeit eines Anerkenntnisurteils. Jedoch gibt es keine grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten im Sinne des § 173 Satz 1 VwGO, die eine entsprechende Anwendung des § 307 ZPO im Verwaltungsprozess ausschließen

BVerwG, Gerichtsbescheid vom 07.01.1997, a.a.O.; OVG Hamburg, Urteil vom 26.8.1976 – a.a.O.; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand 7-2009, § 87 a Rdnr. 31; Eyermann, VwGO, 12. Aufl., § 87 a Rdnr. 9.

Gemäß § 87 a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 VwGO ist die Entscheidung durch den Berichterstatter zu treffen

Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand 7-2009, § 87 a Rdnr. 31; Eyermann, VwGO, 12. Aufl., § 87 a Rdnr. 9; Bader, VwGO,4. Aufl., § 87 a Rdnr. 11.

Nach der genannten Vorschrift entscheidet, wenn die Entscheidung im vorbereitenden Verfahren ergeht, der Vorsitzende – im Falle der Bestellung eines Berichterstatters dieser – u.a. bei Zurücknahme der Klage, Verzicht auf den geltend gemachten Anspruch oder Anerkenntnis des Anspruchs. Das Gesetz selbst definiert den Begriff des vorbereitenden Verfahrens zwar nicht, jedoch ist er nach Sinn und Zweck der Regelung weit auszulegen

OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 22.1.1992 – OVGM 45/91 -; Beschluss des Senats vom 25.10.1991 - 3 W 35/91 -,

denn durch § 87 a VwGO sollen die Möglichkeiten eines arbeitsteiligen Vorgehens in einem mit mehreren Richtern besetzten Spruchkörper in optimaler Weise genutzt werden. Da es sich bei dem Anerkenntnisurteil zudem um ein Prozessurteil handelt, das aufgrund der prozessualen Anerkenntniserklärung des Beklagten ergeht und bei dem mit Ausnahme der Verfügungsbefugnis der Beteiligten grundsätzlich keine Sachprüfung mehr vorgenommen wird,

vgl. Brandenburgisches OLG, Urteil vom 31.3.2009, - 6 U 150/07 – zit. nach juris; Eyermann, VwGO, 12. Aufl., § 87 a Rdnr. 9

bestehen keine Bedenken, die Auslegung der Vorschrift des § 87 a Abs. 1 Nr. 2 VwGO im Falle eines Anerkenntnisses auch auf den Erlass eines entsprechenden Anerkenntnisurteils zu erstrecken.

Der Durchführung einer mündlichen Verhandlung für den Erlass eines Anerkenntnisurteils bedarf es gemäß §§ 173 VwGO, 307 Satz 2 ZPO nicht.

Der Beklagte hat den im Hauptantrag geltend gemachten Klageantrag ohne Einschränkung anerkannt. Er ist auch berechtigt, über den geltend gemachten materiellen Anspruch zu verfügen. Die Erteilung einer vollumfänglichen statt einer nur teilweisen Genehmigung des Monitoringkonzepts der Klägerin ist nicht nur rechtlich möglich, sondern nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 18.2.2010 - 7 C 10.09 -) bei Übereinstimmung mit den dafür geltenden Bestimmungen auch geboten. Der Beklagte war daher gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 307 ZPO antragsgemäß im Wege des Anerkenntnisurteils zu verurteilen

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Eine Anwendung des § 156 VwGO kommt nicht in Betracht, da der Beklagte den Anspruch nicht sofort, sondern erst nach Erlass des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.2.2010 (- 7 C 10.09 -) anerkannt hat.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 Abs. 2 VwGO, 708 Nr. 1 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 5.000,- EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG). Die Festsetzung orientiert sich an den Empfehlungen unter Nr. 19.1 (Immissionsschutzrecht) des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004. Da im vorliegenden Klageverfahren nicht die Genehmigungsfähigkeit, sondern lediglich die Genehmigungsbedürftigkeit des Monitoringkonzepts der Klägerin im Streit stand, war die Festsetzung des Auffangwertes angemessen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

Das erkennende Gericht ist für die Entscheidung über den geltend gemachten Klageanspruch gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 VwGO im ersten Rechtszug zuständig.

Nach Anerkennung des in der Klageschrift im Hauptantrag geltend gemachten Klageanspruchs war der Beklagte auf den entsprechenden Antrag der Klägerin im Wege des Anerkenntnisurteils gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 307 ZPO antragsgemäß zu verurteilen.

Auch im Verwaltungsrechtsstreit ist es dem Beklagten unbenommen, den Klageanspruch anzuerkennen. Die Möglichkeit eines Anerkenntnisses wird in § 87 a Abs. 1 Nr. 2 und § 156 VwGO vorausgesetzt. Dies ist Ausdruck der auch im Verwaltungsprozess geltenden Dispositionsmaxime, die den Beteiligten die Befugnis sichert, über den Streitgegenstand zu verfügen. Auch § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO schließt eine entsprechende Anwendung des § 307 ZPO nicht aus. Der Untersuchungsgrundsatz, durch den die Sammlung des Tatsachenmaterials gesteuert wird, läßt die Befugnis der Beteiligten unberührt, über das Prozessrechtsverhältnis zu disponieren.

BVerwG, Gerichtsbescheid vom 07.01.1997 - 4 A 20/95 - , NVwZ 1997, 576, mit zahlreichen weiteren Nachweisen; OVG Hamburg, Urteil vom 26.8.1976 – Bf II 43/75 -, NJW 1977, 214; ebenso Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand 7-2009, § 87 a Rdnr. 31; Eyermann, VwGO, 12. Aufl., § 87 a Rdnr. 9; Bader, VwGO, 4. Aufl., § 87 a Rdnr. 11.

Die Verwaltungsgerichtsordnung äußert sich zwar nicht ausdrücklich zur Zulässigkeit eines Anerkenntnisurteils. Jedoch gibt es keine grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten im Sinne des § 173 Satz 1 VwGO, die eine entsprechende Anwendung des § 307 ZPO im Verwaltungsprozess ausschließen

BVerwG, Gerichtsbescheid vom 07.01.1997, a.a.O.; OVG Hamburg, Urteil vom 26.8.1976 – a.a.O.; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand 7-2009, § 87 a Rdnr. 31; Eyermann, VwGO, 12. Aufl., § 87 a Rdnr. 9.

Gemäß § 87 a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 VwGO ist die Entscheidung durch den Berichterstatter zu treffen

Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand 7-2009, § 87 a Rdnr. 31; Eyermann, VwGO, 12. Aufl., § 87 a Rdnr. 9; Bader, VwGO,4. Aufl., § 87 a Rdnr. 11.

Nach der genannten Vorschrift entscheidet, wenn die Entscheidung im vorbereitenden Verfahren ergeht, der Vorsitzende – im Falle der Bestellung eines Berichterstatters dieser – u.a. bei Zurücknahme der Klage, Verzicht auf den geltend gemachten Anspruch oder Anerkenntnis des Anspruchs. Das Gesetz selbst definiert den Begriff des vorbereitenden Verfahrens zwar nicht, jedoch ist er nach Sinn und Zweck der Regelung weit auszulegen

OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 22.1.1992 – OVGM 45/91 -; Beschluss des Senats vom 25.10.1991 - 3 W 35/91 -,

denn durch § 87 a VwGO sollen die Möglichkeiten eines arbeitsteiligen Vorgehens in einem mit mehreren Richtern besetzten Spruchkörper in optimaler Weise genutzt werden. Da es sich bei dem Anerkenntnisurteil zudem um ein Prozessurteil handelt, das aufgrund der prozessualen Anerkenntniserklärung des Beklagten ergeht und bei dem mit Ausnahme der Verfügungsbefugnis der Beteiligten grundsätzlich keine Sachprüfung mehr vorgenommen wird,

vgl. Brandenburgisches OLG, Urteil vom 31.3.2009, - 6 U 150/07 – zit. nach juris; Eyermann, VwGO, 12. Aufl., § 87 a Rdnr. 9

bestehen keine Bedenken, die Auslegung der Vorschrift des § 87 a Abs. 1 Nr. 2 VwGO im Falle eines Anerkenntnisses auch auf den Erlass eines entsprechenden Anerkenntnisurteils zu erstrecken.

Der Durchführung einer mündlichen Verhandlung für den Erlass eines Anerkenntnisurteils bedarf es gemäß §§ 173 VwGO, 307 Satz 2 ZPO nicht.

Der Beklagte hat den im Hauptantrag geltend gemachten Klageantrag ohne Einschränkung anerkannt. Er ist auch berechtigt, über den geltend gemachten materiellen Anspruch zu verfügen. Die Erteilung einer vollumfänglichen statt einer nur teilweisen Genehmigung des Monitoringkonzepts der Klägerin ist nicht nur rechtlich möglich, sondern nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 18.2.2010 - 7 C 10.09 -) bei Übereinstimmung mit den dafür geltenden Bestimmungen auch geboten. Der Beklagte war daher gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 307 ZPO antragsgemäß im Wege des Anerkenntnisurteils zu verurteilen

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Eine Anwendung des § 156 VwGO kommt nicht in Betracht, da der Beklagte den Anspruch nicht sofort, sondern erst nach Erlass des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.2.2010 (- 7 C 10.09 -) anerkannt hat.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 Abs. 2 VwGO, 708 Nr. 1 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 5.000,- EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG). Die Festsetzung orientiert sich an den Empfehlungen unter Nr. 19.1 (Immissionsschutzrecht) des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004. Da im vorliegenden Klageverfahren nicht die Genehmigungsfähigkeit, sondern lediglich die Genehmigungsbedürftigkeit des Monitoringkonzepts der Klägerin im Streit stand, war die Festsetzung des Auffangwertes angemessen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

I.

1

Aufgrund einer Bitte, die das Vertrauensgremium des Deutschen Bundestages in seiner Sitzung vom 25. März 2009 geäußert hatte, erstellte der Chef des Bundeskanzleramtes, der Beteiligte zu 2, in seiner Eigenschaft als Koordinator der Nachrichtendienste "Leitlinien für die Genehmigung der Nebentätigkeiten der Beamten, Soldaten und Tarifbeschäftigten bei den Nachrichtendiensten des Bundes". Mit Schreiben vom 21. September 2009 übersandte er die "Leitlinien" dem Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes, dem Beteiligten zu 1, mit der Bitte, die Regelungen im Bundesnachrichtendienst in Kraft zu setzen. Mit Schreiben vom 18. Januar 2010 bat der Personalrat der Zentrale beim Bundesnachrichtendienst, der Antragsteller, den Beteiligten zu 2, ihn bei der Inkraftsetzung der "Leitlinien" für den Bereich des Bundesnachrichtendienstes im Wege der Mitwirkung zu beteiligen. Dies lehnte der Beteiligte zu 2 zunächst mit Schreiben vom 2. Februar 2010 und nochmals mit Schreiben vom 26. Juli 2010 jeweils mit der Begründung ab, in der Erstellung und Übersendung der "Leitlinien" liege keine unmittelbar gegenüber den Beschäftigten des Bundesnachrichtendienstes wirkende und gegebenenfalls beteiligungspflichtige Maßnahme des Bundeskanzleramtes.

2

Mit Schreiben vom 26. März 2010 leitete der Beteiligte zu 1 das Mitwirkungsverfahren zur Neufassung der Dienstvorschrift über die Aufnahme von Nebentätigkeiten ein. Der Antragsteller erhob mit Schreiben vom 4. Mai 2010 Einwände. Mit Schreiben vom 15. Oktober 2010 an den Beteiligten zu 2 regte der Beteiligte zu 1 an, den noch in zwei Punkten verbliebenen Bedenken des Antragstellers Rechnung zu tragen. Dies lehnte der Beteiligte zu 2 mit Schreiben vom 10. November 2010 unter Hinweis auf die Aussagen der "Leitlinien" ab. In der Verhandlung vom 27. Januar 2011 zwischen Antragsteller und Beteiligtem zu 1 konnte in der noch strittigen Frage der Genehmigungsdauer der Nebentätigkeiten keine Einigung erzielt werden. Von einer Anrufung des Beteiligten zu 2 im Rahmen des Stufenverfahrens sah der Antragsteller ab, weil er sich davon nichts versprach. Dies teilte er dem Beteiligten zu 2 mit Schreiben vom 2. Februar 2011 mit, kündigte darin aber zugleich die Anrufung des Bundesverwaltungsgerichts wegen seiner Nichtbeteiligung an den "Leitlinien" an. Am 13. April 2011 setzte der Beteiligte zu 1 die Neufassung der Dienstvorschrift über die Aufnahme der Nebentätigkeiten in Kraft.

3

Bereits mit Schreiben vom 20. Oktober 2010 hatte der Antragsteller beim Beteiligten zu 1 beantragt, die Kosten zu übernehmen, die ihm durch Einschaltung eines Rechtsanwalts im Rahmen eines personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahrens wegen seiner Nichtbeteiligung an den "Leitlinien" entstehen würden. Dies lehnte der Beteiligte zu 1 im Schreiben vom 11. Januar 2011 mit der Begründung ab, die beabsichtigte Rechtsverfolgung sei wegen entgegenstehender Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts offensichtlich aussichtslos.

4

Am 19. Mai 2011 hat der Antragsteller das Bundesverwaltungsgericht angerufen. Er trägt vor: Seine Beteiligung in der Funktion der Stufenvertretung umfasse Maßnahmen des Beteiligten zu 2 in seiner Eigenschaft als oberste Dienstbehörde gegenüber dem nachgeordneten Bundesnachrichtendienst. Bei den "Leitlinien" handele es sich um mitwirkungspflichtige Verwaltungsanordnungen in innerdienstlichen Angelegenheiten der beim Bundesnachrichtendienst beschäftigten Beamten, Arbeitnehmer und Soldaten. Durch sie würden Entscheidungen des Beteiligten zu 1 zur Genehmigung einer Nebentätigkeit gesteuert, die ihrerseits beteiligungspflichtig seien. Unerheblich sei, dass von den "Leitlinien" auch Personal des Bundesamtes für Verfassungsschutz und des militärischen Abschirmdienstes betroffen sei, für welches es an seiner, des Antragstellers, Zuständigkeit fehle.

5

Der Antragsteller beantragt,

1. festzustellen, dass die "Leitlinien für die Genehmigung von Nebentätigkeiten der Beamten, Soldaten und Tarifbeschäftigten bei den Nachrichtendiensten des Bundes" (Bundeskanzleramt - ... vom 21. September 2009), soweit sie Personal des Bundesnachrichtendienstes erfassen, der Mitwirkung des Antragstellers unterliegen,

2. festzustellen, dass der Chef des Bundeskanzleramtes den Antragsteller als Stufenvertretung zu beteiligen hat, wenn er als Dienststellenleiter gegenüber der nachgeordneten Dienststelle Bundesnachrichtendienst Maßnahmen trifft, die dessen Beamte, Arbeitnehmer und Soldaten betreffen und dem Grunde nach einer Beteiligung der Personalvertretung unterliegen,

3. festzustellen, dass die Kosten des Antragstellers in diesem Verfahren durch die Dienststelle zu tragen sind.

6

Der Beteiligte zu 2 beantragt,

den Antrag zu 1 abzulehnen.

7

Er trägt vor: Der Antrag zu 1 sei bereits wegen Verwirkung unzulässig. Im Anschluss an das Schreiben vom 26. Juli 2010 habe sich der Antragsteller auf das Mitwirkungsverfahren beim Bundesnachrichtendienst zur Dienstvorschrift über die Aufnahme von Nebentätigkeiten eingelassen. Er, der Beteiligte zu 2, habe daher darauf vertraut, dass der Antragsteller nicht an den zu derselben Angelegenheit ergangenen "Leitlinien" beteiligt werden wolle. Abgesehen davon sei der Antrag zu 1 unbegründet. Die personalvertretungsrechtlichen Beteiligungstatbestände beträfen das Rechtsverhältnis zwischen Dienststelle und Personalrat. Der Chef des Bundeskanzleramtes in seiner Eigenschaft als Beauftragter der Bundesregierung für die Nachrichtendienste und sein Vertreter in dieser Funktion seien keine Dienststellen im personalvertretungsrechtlichen Sinne. Das Umsetzungsschreiben vom 21. September 2009 an den Bundesnachrichtendienst sei nicht als Vorbereitung einer Verwaltungsanordnung mitwirkungspflichtig. Denn dieses Schreiben habe der Abteilungsleiter X in seiner Funktion als Koordinator für die Nachrichtendienste verfasst und damit erst den Anstoß zur Vorbereitung der Verwaltungsanordnung durch den Bundesnachrichtendienst gegeben. Der Antrag zu 2 werde anerkannt. Das Bundeskanzleramt habe dem Antragsteller keine Veranlassung gegeben, dieses Begehren gerichtlich durchzusetzen.

8

Der Beteiligte zu 1 hält den Antrag zu 3 für unbegründet. Zur Begründung nimmt er auf sein Schreiben vom 11. Januar 2011 Bezug. Im Übrigen bezweifelt er seine Passivlegitimation.

II.

9

Der Senat hat eine dem Antrag zu 2 entsprechende Feststellung zu treffen, nachdem der Beteiligte zu 2 das dahingehende Begehren des Antragstellers anerkannt hat. Nach Maßgabe des Tenors hat somit der Beteiligte zu 2 den Antragsteller als Stufenvertretung zu beteiligen, wenn er als Dienststellenleiter für die Beschäftigten des Bundesnachrichtendienstes beteiligungspflichtige Maßnahmen trifft. Dagegen sind die Anträge im Übrigen abzulehnen. Die Leitlinien für die Genehmigung von Nebentätigkeiten der Beamten, Soldaten und Tarifbeschäftigten bei den Nachrichtendiensten des Bundes unterliegen nicht der Mitwirkung des Antragstellers (Antrag zu 1). Der Beteiligte zu 1 ist nicht verpflichtet, die außergerichtlichen Kosten zu ersetzen, die dem Antragsteller durch das vorliegende Verfahren entstanden sind (Antrag zu 3).

10

A. Der Antrag zu 1 ist zulässig, aber nicht begründet.

11

1. Der Antrag zu 1 ist nicht wegen Verwirkung unzulässig.

12

Der Beteiligte zu 2 hat die "Leitlinien" unter dem 21. September 2009 dem Beteiligten zu 1 übermittelt. Dass der Antragsteller von der Existenz der "Leitlinien" unterrichtet war, bevor sie der Beteiligte zu 1 am 9. November 2009 in sein dienststelleninternes elektronisches Informationssystem eingestellt hat, ist nicht ersichtlich. Angesichts dessen war das an den Beteiligten zu 2 gerichtete Begehren des Antragstellers vom 18. Januar 2010, an der Inkraftsetzung der "Leitlinien" im Geschäftsbereich des Bundesnachrichtendienstes beteiligt zu werden, nicht verspätet.

13

Dass der Antragsteller im Anschluss an das Schreiben des Beteiligten zu 2 vom 26. Juli 2010 sein Mitwirkungsrecht diesem gegenüber nicht weiter verfolgt, sondern sich auf das Mitwirkungsverfahren beim Bundesnachrichtendienst zur Dienstvorschrift über die Aufnahme von Nebentätigkeiten eingelassen hat, kann ihm nicht vorgehalten werden. Dieses Verhalten war schon deswegen sach- und interessengerecht, weil der Antragsteller seine Rechte für den Fall wahren musste, dass sich seine Auffassung vom Maßnahmecharakter der "Leitlinien" des Bundeskanzleramtes später als nicht zutreffend herausstellen sollte. Abgesehen davon durfte er es als möglich in Erwägung ziehen, seine Einwände gegen die "Leitlinien" im Mitwirkungsverfahren beim Bundesnachrichtendienst erfolgreich geltend machen zu können. Erst nachdem sich diese Vorstellung aufgrund des Schreibens des Beteiligten zu 2 vom 10. November 2010 zerschlagen hatte, hat er seine Beteiligung an den "Leitlinien" gegenüber dem Beteiligten zu 2 erneut aufgegriffen. Dass er davon abgesehen hat, das Mitwirkungsverfahren beim Bundesnachrichtendienst durch Anrufung des Beteiligten zu 2 auf die zweite Stufe zu bringen (§ 86 Nr. 8 Satz 3 BPersVG), beruhte darauf, dass er dieses Verfahren zur Wahrung seines Mitwirkungsrechts - anders als die direkte Beteiligung durch den Beteiligten zu 2 - nicht als effektiv betrachtet hat. Diese Rechtsauffassung ist zwar unzutreffend, wie noch darzulegen sein wird, die daraus gezogene Schlussfolgerung des Antragstellers kann aber nicht als missbräuchliches Verhalten dem Beteiligten zu 2 gegenüber gewertet werden.

14

2. Der Antrag zu 1 ist jedoch nicht begründet.

15

Rechtsgrundlage für das streitige Mitwirkungsbegehren des Antragstellers ist § 78 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG. Danach wirkt der Personalrat - vorbehaltlich der hier nicht gegebenen Beteiligung der Spitzenorganisationen nach § 118 BBG - bei der Vorbereitung von Verwaltungsanordnungen einer Dienststelle für die innerdienstlichen Angelegenheiten der Beschäftigten ihres Geschäftsbereichs mit.

16

a) Nicht einschlägig sind hier die Mitwirkungstatbestände nach § 75 Abs. 1 Nr. 7, § 76 Abs. 1 Nr. 7, § 86 Nr. 9 BPersVG betreffend Versagung oder Widerruf der Genehmigung einer Nebentätigkeit. Die Mitbestimmungskataloge in § 75 Abs. 1 und § 76 Abs. 1 BPersVG erfassen ausschließlich Maßnahmen des Dienststellenleiters, welche sich auf das einzelne Beschäftigungsverhältnis beziehen (vgl. Altvater, in: Altvater/Baden/Kröll/Lemcke/Peiseler, Bundespersonalvertretungsgesetz, 7. Aufl. 2011, § 75 Rn. 7, § 76 Rn. 4; Fischer/Goeres/Gronimus, in: GKÖD Bd. V, Stand Januar 2007, K § 75 Rn. 10, § 76 Rn. 5; Rehak, in: Lorenzen/Etzel/Gerhold/Schlatmann/Rehak/Faber, Bundespersonalvertretungsgesetz, Stand Juli 2008, § 75 Rn. 10, § 76 Rn. 8; Kaiser, in: Richardi/Dörner/Weber, Personalvertretungsrecht, 3. Aufl. 2008, § 75 Rn. 1). Mitbestimmungspflichtig nach § 75 Abs. 1 Nr. 7, § 76 Abs. 1 Nr. 7 BPersVG ist daher die konkrete Entscheidung des Dienststellenleiters, mit welcher er dem einzelnen Beschäftigten die Genehmigung der Nebentätigkeit versagt oder die erteilte Genehmigung widerruft. Darum geht es hier nicht. Die in Rede stehenden "Leitlinien" behandeln vielmehr in abstrakt-genereller Hinsicht die formellen und materiellen Voraussetzungen, unter denen bei den Nachrichtendiensten des Bundes eine Nebentätigkeit genehmigt wird.

17

b) Nicht zu behandeln sind ferner andere Mitbestimmungstatbestände wie etwa § 75 Abs. 3 Nr. 8 und 15 und § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BPersVG, die ihrem Gegenstand nach durch die "Leitlinien" erfasst sein mögen. Denn da die Beteiligungsrechte des Personalrats im Bereich des Bundesnachrichtendienstes ohnehin auf ein Mitwirkungsrecht beschränkt sind (§ 86 Nr. 9 BPersVG), verlieren die speziellen Mitbestimmungstatbestände im Verhältnis zu § 78 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG ihre sonst gegebene Trennschärfe. Sie gestatten dem Antragsteller keine Einwände, die er nicht auch bei Wahrnehmung seines Mitwirkungsrechts nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG vorbringen kann (vgl. Beschluss vom 16. April 2008 - BVerwG 6 P 8.07 - Buchholz 250 § 86 BPersVG Nr. 5 Rn. 20 ff.).

18

c) Das Mitwirkungsrecht des Antragstellers kann nicht schon mit der Begründung verneint werden, der Beteiligte zu 2 habe hier nicht als personalvertretungsrechtlich verantwortlicher Dienststellenleiter gehandelt.

19

Solange der Beteiligte zu 2 in seiner ressortübergreifenden Eigenschaft als Beauftragter für die Nachrichtendienste damit befasst war, in Abstimmung mit den anderen Ministerien und den nachgeordneten Diensten die "Leitlinien" zu erarbeiten, war das Stadium des Mitwirkungsverfahrens noch nicht erreicht. Dessen Einleitung setzt nach § 72 Abs. 1 BPersVG voraus, dass der Dienststellenleiter beabsichtigt, eine Maßnahme für die Beschäftigten seines Geschäftsbereichs zu erlassen. Dieser Zeitpunkt war bis zum Ende der ressortübergreifenden Tätigkeit des Beteiligten zu 2 in Bezug auf die "Leitlinien" noch nicht erreicht.

20

Dies änderte sich, als der Beteiligte zu 2 unter dem 21. September 2009 die "Leitlinien" dem Beteiligten zu 1 übermittelte und darum bat, deren Regelungen im Geschäftsbereich des Bundesnachrichtendienstes in Kraft zu setzen. Damit handelte er der Sache nach als Leiter der obersten Dienstbehörde, welcher gegenüber der ihm nachgeordneten Dienststelle, dem Bundesnachrichtendienst, von seinem Weisungsrecht Gebrauch machte. Dass der Abteilungsleiter X, der zugleich mit der Koordination der Nachrichtendienste befasst ist, das Schreiben vom 21. September 2009 unterzeichnet hat, steht nicht entgegen. Denn er hat dabei für die Dienststelle Bundeskanzleramt und unter Verantwortung ihres Leiters, des Beteiligten zu 2, gehandelt (vgl. Beschluss vom 16. April 2008 a.a.O. Rn. 9). Dass er gleich lautende Schreiben an die Bundesministerien des Innern und der Verteidigung verfasst hat, ist unerheblich. Denn während er den anderen Ministerien gegenüber lediglich Empfehlungen aussprechen konnte, war sein Handeln im eigenen nachgeordneten Geschäftsbereich verbindlich (vgl. in diesem Zusammenhang Beschlüsse vom 7. Mai 1981 - BVerwG 6 P 35.79 - Buchholz 238.38 § 60 RhPPersVG Nr. 1 und vom 19. Oktober 1983 - BVerwG 6 P 16.81 - Buchholz 238.31 § 79 BaWüPersVG Nr. 4 S. 8).

21

d) Die "Leitlinien" des Beteiligten zu 2 sind jedoch keine Maßnahme gegenüber den Beschäftigten des Bundesnachrichtendienstes.

22

aa) Das Mitbestimmungsrecht des Personalrats setzt voraus, dass der zuständige Dienststellenleiter beabsichtigt, eine Maßnahme zu treffen (§ 69 Abs. 2 Satz 1 BPersVG). Nichts anderes gilt für das Mitwirkungsrecht (§ 72 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BPersVG). Dieser Grundsatz findet auch im Mitwirkungsverfahren beim Bundesnachrichtendienst Anwendung (vgl. § 86 Nr. 8 Satz 3 BPersVG).

23

bb) Nach ständiger Senatsrechtsprechung ist unter einer Maßnahme im personalvertretungsrechtlichen Sinne jede Handlung oder Entscheidung zu verstehen, die den Rechtsstand der Beschäftigten berührt. Die Maßnahme muss auf eine Veränderung des bestehenden Zustandes abzielen. Nach Durchführung der Maßnahme müssen das Beschäftigungsverhältnis oder die Arbeitsbedingungen eine Änderung erfahren haben (vgl. Beschluss vom 5. November 2010 - BVerwG 6 P 18.09 - Buchholz 251.95 § 51 MBGSH Rn. 11 m.w.N.).

24

cc) In der Senatsrechtsprechung ist ferner geklärt, dass die Entscheidungsbefugnis einer Dienststelle der nachgeordneten Verwaltungsebene nicht dadurch aufgehoben wird, dass das Handeln dieser Dienststelle von internen Weisungen der übergeordneten, weisungsbefugten Dienststelle ganz oder teilweise bestimmt wird. Derartige interne Weisungen berühren die Entscheidungszuständigkeit des Dienststellenleiters nicht; er trifft vielmehr eine Entscheidung innerhalb der Dienststelle und nach außen eigenverantwortlich. Das Beteiligungsrecht einer Personalvertretung an einer Maßnahme des Dienststellenleiters kann zwar durch eine unmittelbar gestaltende Anordnung einer vorgesetzten Dienststelle ausgeschlossen sein, wenn diese dem Dienststellenleiter keinen eigenen Regelungsspielraum lässt. Dies ist der Fall, wenn sich das Handeln der übergeordneten Dienststelle nicht in einer internen Weisung erschöpft, sondern im Wege des Selbsteintritts den nachgeordneten Dienststellen die Zuständigkeit für die Regelung entzieht. Die Entscheidungszuständigkeit der nachgeordneten Dienststelle wird somit nicht dadurch berührt, dass sie eine strikte Weisung der übergeordneten Dienststelle befolgt. Anders liegt es nur, wenn die übergeordnete Dienststelle die Entscheidung im Einzelfall an sich zieht und sich zu deren Übermittlung der nachgeordneten Dienststelle als Boten bedient. Daraus ergibt sich, dass der Erlass einer obersten Dienstbehörde keine Maßnahme ist, wenn er Rechte und Pflichten für die Beschäftigten des Geschäftsbereichs nicht begründet, sondern sich darin erschöpft, den nachgeordneten Dienststellen Instruktionen zu erteilen, und ihnen auf dieser Grundlage die Durchführung überlässt (vgl. Beschlüsse vom 30. März 2009 - BVerwG 6 PB 29.08 - Buchholz 250 § 75 BPersVG Nr. 107 Rn. 10 sowie vom 2. September 2009 - BVerwG 6 PB 22.09 - Buchholz 250 § 69 BPersVG Nr. 31 Rn. 4 f.). So liegt es hier.

25

dd) Der Beteiligte zu 2 hat im Schreiben vom 21. September 2009 den Beteiligten zu 1 gebeten, "die Regelungen im Bundesnachrichtendienst in Kraft zu setzen". Daraus ergibt sich zunächst, dass der Beteiligte zu 2 davon abgesehen hat, durch die Veröffentlichung der "Leitlinien" in einem eigenen, ministerialen Mitteilungsblatt Rechte und Pflichten für die Beschäftigten des nachgeordneten Bundesnachrichtendienstes zu begründen. Darüber hinaus spricht die Formulierung "in Kraft setzen" dagegen, dass der Beteiligte zu 2 den Beteiligten zu 1 hinsichtlich der Veröffentlichung der "Leitlinien" lediglich als Boten benutzen wollte. Letzteres liegt im Übrigen deswegen fern, weil die "Leitlinien" hinsichtlich der Thematik einer Nebentätigkeit beim Bundesnachrichtendienst sowohl in verfahrens- als auch in materiellrechtlicher Hinsicht allenfalls eine Teilregelung darstellen. Wie allen Beteiligten des vorliegenden Verfahrens bekannt war, existierte im September 2009 bereits die Dienstvorschrift über die Aufnahme von Nebentätigkeiten vom 21. März 2007 in der Fassung vom 8. Dezember 2008. Zwar ist denkbar, dass die oberste Dienstbehörde eine für die Beschäftigten des nachgeordneten Bereichs verbindliche Rahmenrichtlinie erlässt, die vom Leiter der nachgeordneten Dienststelle auszufüllen ist. Dass solches hier vom Beteiligten zu 2 vorgesehen war, lässt sich seinem Schreiben vom 21. September 2009 nicht ansatzweise entnehmen.

26

ee) Abgesehen davon hat der Beteiligte zu 2 im Schreiben vom 2. Februar 2010 und nochmals im Schreiben vom 26. Juli 2010 klargestellt, dass er mit der Abfassung und Übermittlung der "Leitlinien" keine Rechte und Pflichten für die Beschäftigten des Bundesnachrichtendienstes begründen wollte. Diese Klarstellung ist personalvertretungsrechtlich beachtlich. Die oberste Dienstbehörde ist befugt, über ihre Erlasse, auch soweit sie beteiligungspflichtig sind, zu verfügen. Sie kann sie aufheben oder ändern. Sie kann auch klarstellen, ob ihr Erlass selbst Rechte und Pflichten der Beschäftigten des nachgeordneten Bereichs begründen oder ob es sich dabei lediglich um eine verwaltungsinterne Weisung handeln soll, die es der nachgeordneten Dienststelle überlässt, allgemeine Regelungen mit Wirkung auf die Beschäftigungsverhältnisse zu treffen. Durch eine derartige Klarstellung werden Rechte der Personalvertretungen nicht beeinträchtigt. Denn im einen wie im anderen Fall ist eine effiziente Beteiligung sichergestellt.

27

Angesichts der vorbezeichneten Klarstellungen ist unerheblich, dass der Beteiligte zu 1 mit seiner Bekanntgabe der "Leitlinien" am 9. November 2009 im Kommunikationssystem des Bundesnachrichtendienstes dem Antragsteller möglicherweise Anlass zu der Annahme gegeben hat, die Regelungen in den "Leitlinien" seien für die Beschäftigten des Bundesnachrichtendienstes sofort verbindlich.

28

ff) Für die Effektivität der Beteiligung ist es unerheblich, ob der Chef des Bundeskanzleramtes oder der Präsident des Bundesnachrichtendienstes die Maßnahme trifft.

29

Wenn der Chef des Bundeskanzleramtes gegenüber Beschäftigten des Bundesnachrichtendienstes eine Maßnahme zu treffen beabsichtigt, so ist der Personalrat der Zentrale in der Funktion der Stufenvertretung zu beteiligen (§ 82 Abs. 1, § 86 Nr. 8 Satz 2 BPersVG). Das einstufige Mitwirkungsverfahren richtet sich nach § 72 Abs. 1 bis 3 BPersVG (vgl. Beschluss vom 26. November 2008 - BVerwG 6 P 7.08 - BVerwGE 132, 276 = Buchholz 250 § 86 BPersVG Nr. 6 Rn. 44; Altvater, a.a.O. § 86 Rn. 31; Fischer/Goeres/Gronimus, a.a.O. K § 86 Rn. 21a). Der Personalrat der Zentrale kann in den Verhandlungen mit dem Chef des Bundeskanzleramtes alle Einwendungen geltend machen, welche sich dem Beteiligungstatbestand zuordnen lassen. Er kann vorbringen, dass der vorgesehene Erlass mit Rechtsvorschriften nicht im Einklang steht oder dass durch ihn bestehende Entscheidungsspielräume nicht den Interessen der Beschäftigten entsprechend ausgefüllt werden.

30

Gleichwertig ist die Beteiligung, wenn der Präsident des Bundesnachrichtendienstes für die Maßnahme zuständig ist. Der Personalrat der Zentrale ist zur Beteiligung berufen, wenn der Präsident des Bundesnachrichtendienstes Maßnahmen für seinen gesamten Geschäftsbereich zu treffen beabsichtigt (vgl. Beschluss vom 26. November 2008 a.a.O. Rn. 46; Altvater, a.a.O. § 86 Rn. 29; Fischer/Goeres/Gronimus, a.a.O., Stand Februar 2010, K § 86 Rn. 21a). Eine Weisung des Chefs des Bundeskanzleramtes in seiner Eigenschaft als oberste Dienstbehörde bindet zwar den Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes, nicht aber den dort gebildeten Personalrat. Dieser ist daher nicht gehindert, im Mitwirkungsverfahren auf der ersten Stufe die Recht- oder Zweckmäßigkeit der Weisung in Frage zu stellen. Das Personalvertretungsrecht verbietet es in einem solchen Fall dem Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes nicht, beim Chef des Bundeskanzleramtes mit der Bitte um Überprüfung Rücksprache zu nehmen, anstatt sich der Argumentation des Personalrats mit Rücksicht auf den entgegenstehenden Erlass von vornherein zu verschließen (vgl. Beschluss vom 2. September 2009 a.a.O. Rn. 7). Kommt es zwischen dem Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes und dem Personalrat der Zentrale nicht zu einer Einigung, so gelangt das Mitwirkungsverfahren gemäß § 72 Abs. 4 Satz 1, § 86 Nr. 8 Satz 3 BPersVG auf die zweite und letzte Stufe; der Chef des Bundeskanzleramtes entscheidet nach Verhandlung mit dem Personalrat der Zentrale endgültig (vgl. Beschluss vom 26. November 2008 a.a.O. Rn. 44; Altvater, a.a.O. § 86 Rn. 30; Fischer/Goeres/Gronimus, a.a.O. K § 86 Rn. 22). Auch auf der zweiten Stufe kann der Personalrat der Zentrale alle Einwendungen erheben, welche sich dem Beteiligungstatbestand zuordnen lassen. Dazu gehört die Befugnis, die Recht- oder Zweckmäßigkeit einer Weisung des Bundeskanzleramtes in Zweifel zu ziehen.

31

Zu Recht hat sich daher der Beteiligte zu 1 mit Schreiben vom 15. Oktober 2010 an den Beteiligten zu 2 mit der Bitte gewandt, dem Anliegen des Antragstellers in zwei Punkten zu entsprechen. Nach ablehnender Antwort und Abschluss des Mitwirkungsverfahrens auf der ersten Stufe stand es dem Antragsteller frei, nach Maßgabe von § 72 Abs. 4 Satz 1, § 86 Nr. 8 Satz 3 BPersVG den Beteiligten zu 2 anzurufen und diesem gegenüber seine Argumentation weiter zu verfolgen. Das Anliegen des Beteiligten zu 2, nach Möglichkeit mit den "Leitlinien" eine einheitliche Vorgabe für alle drei Nachrichtendienste des Bundes zu schaffen, hinderte ihn daran nicht. Dem Beteiligten zu 2 ist es gesetzlich nicht untersagt, Änderungswünschen des Antragstellers für Richtlinienentwürfe zu entsprechen, welche er in seiner Eigenschaft als Beauftragter für die Nachrichtendienste erarbeitet hat.

32

B. Den Antrag zu 2 hat der Beteiligte zu 2 anerkannt. In diesem Umfang ergeht ein Anerkenntnisbeschluss gemäß § 307 ZPO. Bedenken gegen die Zulässigkeit dieses Ausspruchs bestehe nicht.

33

1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können allerdings die Parteien grundsätzlich nicht über Prozess- und Rechtsmittelvoraussetzungen verfügen, so dass diese auch im Falle eines Anerkenntnisses vom Gericht zu prüfen sind (vgl. BGH, Urteile vom 8. Oktober 1953 - III ZR 206/51 - BGHZ 10, 333 <335>, vom 25. November 1993 - IX ZR 51/93 - juris Rn. 6 und vom 20. März 2001 - VI ZR 325/99 - juris Rn. 8 sowie Beschluss vom 10. November 2009 - XI ZB 15/09 - juris Rn. 15; ebenso BAG, Urteil vom 20. März 1974 - 4 AZR 266/73 - juris Rn. 22). Andererseits bringt die Kostenregelung in § 93 ZPO zum Ausdruck, dass unter dem Gesichtspunkt der Prozessvoraussetzungen gegen den Erlass eines Anerkenntnisurteils dann keine Bedenken bestehen, wenn der Beklagte durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage keine Veranlassung gegeben hat (vgl. BAG, Urteil vom 19. April 2005 - 9 AZR 184/04 - AP Nr. 43 zu § 15 BErzGG S. 141; Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, Band 4, 22. Aufl. 2008, § 307 Rn. 49; Rensen, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 3. Aufl. 2007, § 307 Rn. 19; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 70. Aufl. 2012, § 93 Rn. 1). Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis steht daher dem Erlass eines Anerkenntnisurteils nicht entgegen.

34

2. Voraussetzung für einen Anerkenntnisbeschluss im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren ist, dass die Beteiligten über den streitigen Gegenstand im Sinne von § 83a Abs. 1 ArbGG verfügen können. Dies ist für den konkreten streitigen Mitbestimmungsfall zu bejahen, in Bezug auf Mitbestimmungsrechte in künftigen Fällen im Allgemeinen zu verneinen (vgl. Matthes, in: Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, Arbeitsgerichtsgesetz, 7. Aufl. 2009, § 80 Rn. 57, § 83a Rn. 8; Dörner, in: GK-ArbGG, Stand September 2010, § 80 Rn. 49, § 83a Rn. 13; Weth, in: Schwab/Weth, Arbeitsgerichtsgesetz, 3. Aufl. 2011, § 83a Rn. 7; Hauck, in: Hauck/Helml/Biebl, Arbeitsgerichtsgesetz, 4. Aufl. 2011, § 83a Rn. 3).

35

Bei dem Antrag zu 2 handelt es sich zwar nicht um einen konkreten Mitbestimmungsfall, sondern um ein weit gefasstes abstraktes Begehren. Dass der Chef des Bundeskanzleramtes, wenn er beteiligungspflichtige Maßnahmen gegenüber den Beschäftigten des Bundesnachrichtendienstes trifft, den Personalrat der Zentrale zu beteiligen hat, ergibt sich jedoch ohne Weiteres aus den gesetzlichen Bestimmungen in § 82 Abs. 1 und § 86 Nr. 8 Satz 2 BPersVG und der dazu ergangenen Senatsrechtsprechung (vgl. Beschluss vom 26. November 2008 a.a.O. Rn. 44). In diesem Fall wird mit dem Anerkenntnisbeschluss lediglich eine höchstrichterlich bereits geklärte Rechtslage festgeschrieben.

36

C. Der Antrag zu 3 ist nicht begründet.

37

Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 BPersVG trägt die Dienststelle die durch die Tätigkeit des Personalrats entstehenden Kosten. Nach den dazu in der Rechtsprechung anerkannten Grundsätzen hat die Dienststelle die außergerichtlichen Kosten, die dem Personalrat durch Beauftragung eines Rechtsanwalts entstanden sind, immer dann zu tragen, wenn die Rechtsverfolgung nicht von vornherein aussichtslos war oder mutwillig betrieben wurde. Das Begehren des Personalrats auf Feststellung eines Beteiligungsrechts ist von vornherein aussichtslos, wenn sich seine Abweisung nach Maßgabe der einschlägigen Rechtsvorschriften und dazu gegebenenfalls vorliegender Rechtsprechung geradezu aufdrängt (vgl. Beschlüsse vom 25. Februar 2004 - BVerwG 6 P 12.03 - Buchholz 250 § 44 BPersVG Nr. 34 S. 19, vom 11. Oktober 2010 - BVerwG 6 P 16.09 - Buchholz 251.95 § 17 MBGSH Nr. 1 Rn. 14 f. und vom 29. April 2011 - BVerwG 6 PB 21.10 - Buchholz 250 § 44 BPersVG Nr. 39 Rn. 5). Eine Rechtsverfolgung ist insbesondere dann mutwillig, wenn von zwei gleichwertigen prozessualen Wegen der kostspieligere beschritten wird oder wenn die Hinzuziehung des Rechtsanwalts rechtsmissbräuchlich erfolgt und deswegen das Interesse der Dienststelle an der Begrenzung ihrer Kostentragungspflicht missachtet wird (vgl. Beschluss vom 11. Oktober 2010 a.a.O. Rn. 16 m.w.N.). Ein vergleichbarer Fall ist mit Blick auf den Rechtsgedanken in § 93 ZPO gegeben, wenn die Anrufung des Gerichts durch den Personalrat unnötig ist, weil die Dienststelle ihm das geltend gemachte Recht nicht bestreitet.

38

1. Der Antrag zu 1 war hier im Zeitpunkt der Antragstellung am 19. Mai 2011 offensichtlich aussichtslos. Dies ergibt sich mit Blick auf die klarstellenden Schreiben des Beteiligten zu 2 vom 2. Februar und 26. Juli 2010 und mit Blick auf den zitierten Senatsbeschluss vom 2. September 2009 - BVerwG 6 PB 22.09 - (Buchholz 250 § 69 BPersVG Nr. 31), auf den der Beteiligte zu 1 in seinem Schreiben vom 11. Januar 2011 ausdrücklich hingewiesen hat.

39

2. Wegen des Antrages zu 2 war die Rechtsverfolgung mutwillig. Es ist nicht ersichtlich, dass der Beteiligte zu 2 seit Ergehen des Senatsbeschlusses vom 26. November 2008 (a.a.O. Rn. 44) das ihm gegenüber bestehende Beteiligungsrecht des Antragstellers in seiner Eigenschaft als Stufenvertretung gemäß § 82 Abs. 1, § 86 Nr. 8 Satz 2 BPersVG jemals bestritten hat.

Tenor

Es wird festgestellt, dass die am 14.11.2009 von der Polizei vorgenommene Feststellung der Identität des Klägers, die am 14.11.2009 von der Polizei durchgeführte filmische Erfassung seiner Person, der am 14.11.2009 von der Polizei ihm gegenüber ausgesprochene Platzverweis und die am 14.11.2009 von der Polizei zur Durchsetzung des Platzverweises ihm gegenüber ausgesprochene Androhung der Gewahrsamnahme rechtswidrig waren.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen polizeiliche Maßnahmen, die am 14.11.2009 am Rande eines Demonstrationszugs im Bereich O., F., ihm gegenüber getroffenen worden sind.
Am 14.11.2009 beobachtete der Kläger im Bereich O. in F. einen Demonstrationszug. Gegen 19.20 Uhr traten drei Polizeibeamte von hinten an den Kläger heran. Einer dieser Polizeibeamten forderte den Kläger auf, seinen Personalausweis vorzuzeigen. Sodann wurde der Kläger durch einen herbeigerufenen Polizeitrupp mit seinem vor die Brust gehaltenen Ausweis „abgefilmt“. Anschließend erteilte dieser Polizeibeamte dem Kläger einen Platzverweis für die F. Innenstadt und einen Kilometer rings um den Demonstrationsort für zwölf Stunden. Ferner wies er den Kläger darauf hin, dass er ihn in Gewahrsam nehmen werde, wenn er ihn in 15 Minuten noch am Ort der Demonstration sehe. Daraufhin verließ der Kläger die Örtlichkeit.
Nach einer längeren Korrespondenz zwischen dem Prozessbevollmächtigten des Klägers und verschiedenen Polizeidienststellen des Beklagten und dem Beauftragten für Datenschutz des Beklagten hat der Kläger am 15.12.2010 Klage erhoben. In der Begründung wendet er sich gegen die Rechtmäßigkeit der am 14.11.2009 gegen ihn ergangenen Maßnahmen der Polizei.
Der Kläger beantragt:
festzustellen, dass
- die am 14.11.2009 von der Polizei vorgenommene Feststellung seiner Identität,
- die am 14.11.2009 von der Polizei durchgeführte filmische Erfassung seiner Person,
- der am 14.11.2009 von der Polizei ihm gegenüber ausgesprochene Platzverweis und
- die am 14.11.2009 von der Polizei zur Durchsetzung des Platzverweises ihm gegenüber ausgesprochene Androhung der Gewahrsamnahme
rechtswidrig waren.
Die Vertreterin des Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung erklärt,
sie erkenne an, dass
10 
- die am 14.11.2009 von der Polizei vorgenommene Feststellung der Identität des Klägers,
- die am 14.11.2009 von der Polizei durchgeführte filmische Erfassung des Klägers,
- der am 14.11.2009 von der Polizei gegenüber dem Kläger ausgesprochene Platzverweis und
- die am 14.11.2009 von der Polizei zur Durchsetzung des Platzverweises ihm gegenüber ausgesprochene Androhung der Gewahrsamnahme
11 
rechtswidrig waren.
12 
Der Kammer liegen die Akten des Beklagten über die Vorfälle und die Korrespondenz mit dem Kläger aus Anlass der Demonstration am 14.11.2009 (1 Heft) vor. Der Inhalt dieser Akten und der Gerichtsakten war Gegenstand der mündlichen Verhandlung; hierauf wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
13 
1. Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage in entsprechender Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zulässig.
14 
Das berechtigte Interesse des Klägers an der von ihm begehrten Feststellung der Rechtswidrigkeit polizeilicher Maßnahmen, die die Qualität von Verwaltungsakten besitzen (siehe u. a. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.12.2010, NVwZ-RR 2011, 231, m.w.N.), ergibt sich bereits aus der institutionellen Garantie des Rechtsschutzes in Art. 19 Abs. 4 GG. Bei hoheitlichen Maßnahmen, die sich - wie das bei polizeilichen Maßnahmen in der Regel der Fall ist - typischerweise kurzfristig erledigen, kann effektiver gerichtlicher Rechtsschutz grundsätzlich nicht rechtzeitig gewährt werden. Insofern ist die Möglichkeit einer zumindest nachträglichen gerichtlichen Kontrolle rechtsstaatlich geboten (VGH Bad.-Württ., Urteile vom 17.03.2011, DVBl 2011, 626, und 08.05.2008, VBlBW 2008, 375; Urteil der Kammer vom 05.02.2009 - 4 K 961/08 -, m.w.N.). Ob der Kläger ein berechtigtes Feststellungsinteresse auch aus anderen Gründen besitzt, kann hier dahingestellt bleiben.
15 
Das Rechtsschutzinteresse des Klägers ist nicht dadurch (ganz oder teilweise) entfallen, dass der Beklagte ihm gegenüber zunächst mit Schriftsatz vom 30.03.2011 erklärt hat, einzelne Maßnahmen seien auch nach seiner Auffassung rechtswidrig gewesen. Das gilt auch, soweit der Beklagte später, das heißt in der mündlichen Verhandlung, sämtliche von ihm angegriffenen Maßnahmen als rechtswidrig anerkannt hat. Vielmehr besteht ungeachtet dieser Erklärungen aus den Gründen, die für das Vorliegen eines berechtigten Interesses an der begehrten Feststellung sprechen (hier: Art. 19 Abs. 4 GG), das Rechtsschutzinteresse des Klägers an einer gerichtlichen Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser Maßnahmen uneingeschränkt fort.
16 
Allerdings hat der Kläger, soweit der Beklagte zuletzt in der mündlichen Verhandlung die Rechtswidrigkeit aller (streitbefangenen) Maßnahmen förmlich anerkannt hat, - entgegen seiner ursprünglich geäußerten Auffassung - kein Rechtsschutzbedürfnis an dem Erlass eines kontradiktorischen Urteils (vgl. Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 107 RdNr. 24 m.w.N.). Es besteht kein über den Erlass eines Anerkenntnisurteils hinausgehendes Rechtsschutzbedürfnis. Dass im Rahmen eines Anerkenntnisurteils eine Prüfung der Rechtmäßigkeit nicht vorzunehmen ist, steht dem nicht entgegen. Denn der Kläger erlangt prozessual gesehen ein seinem Antrag entsprechendes Urteil. Ein Anspruch auf ein Urteil, das durch eine entsprechende Begründung des Gerichts mit einem „richterlichen Gütesiegel“ versehen ist, besteht genauso wenig, wie sonst ein Anspruch auf ein Urteil mit einer vom Kläger begehrten Begründung besteht. Es ist Ausfluss der Dispositionsmaxime, welche die Verfügungsbefugnis über den Verfahrensgegenstand den Prozessbeteiligten zuweist, dass dem Gericht durch die Handlung der Beteiligten die Überprüfung eines Sachverhalts entzogen werden kann (zu einem hier nicht vorliegenden Ausnahmefall siehe Zöller, ZPO, 27. Aufl. 2009, RdNr. 5).
17 
2. Die Klage ist auch begründet. Die Vertreterin des Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung in aller Form alle (vier) vom Kläger angegriffenen Maßnahmen als rechtswidrig anerkannt.
18 
Ein Anerkenntnisurteil ist auch im Verwaltungsprozess zulässig. Es ist dem Beklagten unbenommen, den gegen ihn mit der Klage geltend gemachten Anspruch anzuerkennen. § 307 ZPO ist Ausdruck der Dispositionsmaxime, die die Befugnis der Beteiligten sichert, über den Streitgegenstand zu verfügen. Dieser Grundsatz gilt auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren. Das Anerkenntnis stellt in diesem Zusammenhang ein geeignetes Mittel dar, den Kläger ganz oder teilweise klaglos zu stellen (BVerwG, Gerichtsbescheid vom 07.01.1997, NVwZ 1997, 576, m.w.N.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 12.09.1990, NJW 1991, 859, m.w.N.; VG Stuttgart, Urteil vom 15.07.2010 - 12 K 1288/10 -, juris, m.w.N.; VG Hannover, Urteil vom 09.08.2001 - 7 A 5046/00 -; Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, § 107 RdNr. 5; Meissner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Bd. II, Stand: Juni 2011, § 173 RdNr. 95; Wolff, a.a.O., § 107 RdNrn. 22 ff. m.w.N.). Entgegen vereinzelten Stimmen in Literatur und Rechtsprechung sind Anerkenntnisurteile nicht nur bei Leistungsklagen zulässig, sondern auch bei Anfechtungsklagen (so ausdrücklich VG Stuttgart, Urteil vom 15.07.2010, und VG Hannover, Urteil vom 09.08.2001, jew. a.a.O.; ebenso Wolff, a.a.O., § 107 RdNr. 22) und anderen Klagearten, insbesondere auch in Fällen der Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO - wie hier -, die mit der Anfechtungsklage systematisch eng verbunden ist (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 113 RdNr. 97 m.w.N.).
19 
Dementsprechend war dem Antrag des Klägers im Wege eines Anerkenntnisurteils nach den §§ 173 Satz 1 VwGO, 307 Satz 1 ZPO umfassend stattzugeben. Einer materiellen Prüfung der Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit der von ihm angegriffenen Maßnahmen bedarf es nicht mehr.
20 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Gericht sieht keinen Grund, diese für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
21 
Gründe des § 124 Abs. 2 Nrn. 3 oder 4 VwGO, aus denen die Berufung vom Verwaltungsgericht zuzulassen wäre, sind nicht gegeben.

Gründe

 
13 
1. Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage in entsprechender Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zulässig.
14 
Das berechtigte Interesse des Klägers an der von ihm begehrten Feststellung der Rechtswidrigkeit polizeilicher Maßnahmen, die die Qualität von Verwaltungsakten besitzen (siehe u. a. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.12.2010, NVwZ-RR 2011, 231, m.w.N.), ergibt sich bereits aus der institutionellen Garantie des Rechtsschutzes in Art. 19 Abs. 4 GG. Bei hoheitlichen Maßnahmen, die sich - wie das bei polizeilichen Maßnahmen in der Regel der Fall ist - typischerweise kurzfristig erledigen, kann effektiver gerichtlicher Rechtsschutz grundsätzlich nicht rechtzeitig gewährt werden. Insofern ist die Möglichkeit einer zumindest nachträglichen gerichtlichen Kontrolle rechtsstaatlich geboten (VGH Bad.-Württ., Urteile vom 17.03.2011, DVBl 2011, 626, und 08.05.2008, VBlBW 2008, 375; Urteil der Kammer vom 05.02.2009 - 4 K 961/08 -, m.w.N.). Ob der Kläger ein berechtigtes Feststellungsinteresse auch aus anderen Gründen besitzt, kann hier dahingestellt bleiben.
15 
Das Rechtsschutzinteresse des Klägers ist nicht dadurch (ganz oder teilweise) entfallen, dass der Beklagte ihm gegenüber zunächst mit Schriftsatz vom 30.03.2011 erklärt hat, einzelne Maßnahmen seien auch nach seiner Auffassung rechtswidrig gewesen. Das gilt auch, soweit der Beklagte später, das heißt in der mündlichen Verhandlung, sämtliche von ihm angegriffenen Maßnahmen als rechtswidrig anerkannt hat. Vielmehr besteht ungeachtet dieser Erklärungen aus den Gründen, die für das Vorliegen eines berechtigten Interesses an der begehrten Feststellung sprechen (hier: Art. 19 Abs. 4 GG), das Rechtsschutzinteresse des Klägers an einer gerichtlichen Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser Maßnahmen uneingeschränkt fort.
16 
Allerdings hat der Kläger, soweit der Beklagte zuletzt in der mündlichen Verhandlung die Rechtswidrigkeit aller (streitbefangenen) Maßnahmen förmlich anerkannt hat, - entgegen seiner ursprünglich geäußerten Auffassung - kein Rechtsschutzbedürfnis an dem Erlass eines kontradiktorischen Urteils (vgl. Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 107 RdNr. 24 m.w.N.). Es besteht kein über den Erlass eines Anerkenntnisurteils hinausgehendes Rechtsschutzbedürfnis. Dass im Rahmen eines Anerkenntnisurteils eine Prüfung der Rechtmäßigkeit nicht vorzunehmen ist, steht dem nicht entgegen. Denn der Kläger erlangt prozessual gesehen ein seinem Antrag entsprechendes Urteil. Ein Anspruch auf ein Urteil, das durch eine entsprechende Begründung des Gerichts mit einem „richterlichen Gütesiegel“ versehen ist, besteht genauso wenig, wie sonst ein Anspruch auf ein Urteil mit einer vom Kläger begehrten Begründung besteht. Es ist Ausfluss der Dispositionsmaxime, welche die Verfügungsbefugnis über den Verfahrensgegenstand den Prozessbeteiligten zuweist, dass dem Gericht durch die Handlung der Beteiligten die Überprüfung eines Sachverhalts entzogen werden kann (zu einem hier nicht vorliegenden Ausnahmefall siehe Zöller, ZPO, 27. Aufl. 2009, RdNr. 5).
17 
2. Die Klage ist auch begründet. Die Vertreterin des Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung in aller Form alle (vier) vom Kläger angegriffenen Maßnahmen als rechtswidrig anerkannt.
18 
Ein Anerkenntnisurteil ist auch im Verwaltungsprozess zulässig. Es ist dem Beklagten unbenommen, den gegen ihn mit der Klage geltend gemachten Anspruch anzuerkennen. § 307 ZPO ist Ausdruck der Dispositionsmaxime, die die Befugnis der Beteiligten sichert, über den Streitgegenstand zu verfügen. Dieser Grundsatz gilt auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren. Das Anerkenntnis stellt in diesem Zusammenhang ein geeignetes Mittel dar, den Kläger ganz oder teilweise klaglos zu stellen (BVerwG, Gerichtsbescheid vom 07.01.1997, NVwZ 1997, 576, m.w.N.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 12.09.1990, NJW 1991, 859, m.w.N.; VG Stuttgart, Urteil vom 15.07.2010 - 12 K 1288/10 -, juris, m.w.N.; VG Hannover, Urteil vom 09.08.2001 - 7 A 5046/00 -; Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, § 107 RdNr. 5; Meissner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Bd. II, Stand: Juni 2011, § 173 RdNr. 95; Wolff, a.a.O., § 107 RdNrn. 22 ff. m.w.N.). Entgegen vereinzelten Stimmen in Literatur und Rechtsprechung sind Anerkenntnisurteile nicht nur bei Leistungsklagen zulässig, sondern auch bei Anfechtungsklagen (so ausdrücklich VG Stuttgart, Urteil vom 15.07.2010, und VG Hannover, Urteil vom 09.08.2001, jew. a.a.O.; ebenso Wolff, a.a.O., § 107 RdNr. 22) und anderen Klagearten, insbesondere auch in Fällen der Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO - wie hier -, die mit der Anfechtungsklage systematisch eng verbunden ist (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 113 RdNr. 97 m.w.N.).
19 
Dementsprechend war dem Antrag des Klägers im Wege eines Anerkenntnisurteils nach den §§ 173 Satz 1 VwGO, 307 Satz 1 ZPO umfassend stattzugeben. Einer materiellen Prüfung der Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit der von ihm angegriffenen Maßnahmen bedarf es nicht mehr.
20 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Gericht sieht keinen Grund, diese für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
21 
Gründe des § 124 Abs. 2 Nrn. 3 oder 4 VwGO, aus denen die Berufung vom Verwaltungsgericht zuzulassen wäre, sind nicht gegeben.

Tenor

Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe für das zweitinstanzliche Verfahren bewilligt und Rechtsanwalt X.       F.      in Y.         beigeordnet.

Die Berufung wird zugelassen.

Die Entscheidung über die Kosten des Antragsverfahrens folgt der Kostenentscheidung in der Hauptsache.

Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 10.000,00 Euro, der Streitwert für das Berufungsverfahren wird vorläufig auf denselben Betrag festgesetzt.


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Gründe

I.

1

Aufgrund einer Bitte, die das Vertrauensgremium des Deutschen Bundestages in seiner Sitzung vom 25. März 2009 geäußert hatte, erstellte der Chef des Bundeskanzleramtes, der Beteiligte zu 2, in seiner Eigenschaft als Koordinator der Nachrichtendienste "Leitlinien für die Genehmigung der Nebentätigkeiten der Beamten, Soldaten und Tarifbeschäftigten bei den Nachrichtendiensten des Bundes". Mit Schreiben vom 21. September 2009 übersandte er die "Leitlinien" dem Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes, dem Beteiligten zu 1, mit der Bitte, die Regelungen im Bundesnachrichtendienst in Kraft zu setzen. Mit Schreiben vom 18. Januar 2010 bat der Personalrat der Zentrale beim Bundesnachrichtendienst, der Antragsteller, den Beteiligten zu 2, ihn bei der Inkraftsetzung der "Leitlinien" für den Bereich des Bundesnachrichtendienstes im Wege der Mitwirkung zu beteiligen. Dies lehnte der Beteiligte zu 2 zunächst mit Schreiben vom 2. Februar 2010 und nochmals mit Schreiben vom 26. Juli 2010 jeweils mit der Begründung ab, in der Erstellung und Übersendung der "Leitlinien" liege keine unmittelbar gegenüber den Beschäftigten des Bundesnachrichtendienstes wirkende und gegebenenfalls beteiligungspflichtige Maßnahme des Bundeskanzleramtes.

2

Mit Schreiben vom 26. März 2010 leitete der Beteiligte zu 1 das Mitwirkungsverfahren zur Neufassung der Dienstvorschrift über die Aufnahme von Nebentätigkeiten ein. Der Antragsteller erhob mit Schreiben vom 4. Mai 2010 Einwände. Mit Schreiben vom 15. Oktober 2010 an den Beteiligten zu 2 regte der Beteiligte zu 1 an, den noch in zwei Punkten verbliebenen Bedenken des Antragstellers Rechnung zu tragen. Dies lehnte der Beteiligte zu 2 mit Schreiben vom 10. November 2010 unter Hinweis auf die Aussagen der "Leitlinien" ab. In der Verhandlung vom 27. Januar 2011 zwischen Antragsteller und Beteiligtem zu 1 konnte in der noch strittigen Frage der Genehmigungsdauer der Nebentätigkeiten keine Einigung erzielt werden. Von einer Anrufung des Beteiligten zu 2 im Rahmen des Stufenverfahrens sah der Antragsteller ab, weil er sich davon nichts versprach. Dies teilte er dem Beteiligten zu 2 mit Schreiben vom 2. Februar 2011 mit, kündigte darin aber zugleich die Anrufung des Bundesverwaltungsgerichts wegen seiner Nichtbeteiligung an den "Leitlinien" an. Am 13. April 2011 setzte der Beteiligte zu 1 die Neufassung der Dienstvorschrift über die Aufnahme der Nebentätigkeiten in Kraft.

3

Bereits mit Schreiben vom 20. Oktober 2010 hatte der Antragsteller beim Beteiligten zu 1 beantragt, die Kosten zu übernehmen, die ihm durch Einschaltung eines Rechtsanwalts im Rahmen eines personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahrens wegen seiner Nichtbeteiligung an den "Leitlinien" entstehen würden. Dies lehnte der Beteiligte zu 1 im Schreiben vom 11. Januar 2011 mit der Begründung ab, die beabsichtigte Rechtsverfolgung sei wegen entgegenstehender Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts offensichtlich aussichtslos.

4

Am 19. Mai 2011 hat der Antragsteller das Bundesverwaltungsgericht angerufen. Er trägt vor: Seine Beteiligung in der Funktion der Stufenvertretung umfasse Maßnahmen des Beteiligten zu 2 in seiner Eigenschaft als oberste Dienstbehörde gegenüber dem nachgeordneten Bundesnachrichtendienst. Bei den "Leitlinien" handele es sich um mitwirkungspflichtige Verwaltungsanordnungen in innerdienstlichen Angelegenheiten der beim Bundesnachrichtendienst beschäftigten Beamten, Arbeitnehmer und Soldaten. Durch sie würden Entscheidungen des Beteiligten zu 1 zur Genehmigung einer Nebentätigkeit gesteuert, die ihrerseits beteiligungspflichtig seien. Unerheblich sei, dass von den "Leitlinien" auch Personal des Bundesamtes für Verfassungsschutz und des militärischen Abschirmdienstes betroffen sei, für welches es an seiner, des Antragstellers, Zuständigkeit fehle.

5

Der Antragsteller beantragt,

1. festzustellen, dass die "Leitlinien für die Genehmigung von Nebentätigkeiten der Beamten, Soldaten und Tarifbeschäftigten bei den Nachrichtendiensten des Bundes" (Bundeskanzleramt - ... vom 21. September 2009), soweit sie Personal des Bundesnachrichtendienstes erfassen, der Mitwirkung des Antragstellers unterliegen,

2. festzustellen, dass der Chef des Bundeskanzleramtes den Antragsteller als Stufenvertretung zu beteiligen hat, wenn er als Dienststellenleiter gegenüber der nachgeordneten Dienststelle Bundesnachrichtendienst Maßnahmen trifft, die dessen Beamte, Arbeitnehmer und Soldaten betreffen und dem Grunde nach einer Beteiligung der Personalvertretung unterliegen,

3. festzustellen, dass die Kosten des Antragstellers in diesem Verfahren durch die Dienststelle zu tragen sind.

6

Der Beteiligte zu 2 beantragt,

den Antrag zu 1 abzulehnen.

7

Er trägt vor: Der Antrag zu 1 sei bereits wegen Verwirkung unzulässig. Im Anschluss an das Schreiben vom 26. Juli 2010 habe sich der Antragsteller auf das Mitwirkungsverfahren beim Bundesnachrichtendienst zur Dienstvorschrift über die Aufnahme von Nebentätigkeiten eingelassen. Er, der Beteiligte zu 2, habe daher darauf vertraut, dass der Antragsteller nicht an den zu derselben Angelegenheit ergangenen "Leitlinien" beteiligt werden wolle. Abgesehen davon sei der Antrag zu 1 unbegründet. Die personalvertretungsrechtlichen Beteiligungstatbestände beträfen das Rechtsverhältnis zwischen Dienststelle und Personalrat. Der Chef des Bundeskanzleramtes in seiner Eigenschaft als Beauftragter der Bundesregierung für die Nachrichtendienste und sein Vertreter in dieser Funktion seien keine Dienststellen im personalvertretungsrechtlichen Sinne. Das Umsetzungsschreiben vom 21. September 2009 an den Bundesnachrichtendienst sei nicht als Vorbereitung einer Verwaltungsanordnung mitwirkungspflichtig. Denn dieses Schreiben habe der Abteilungsleiter X in seiner Funktion als Koordinator für die Nachrichtendienste verfasst und damit erst den Anstoß zur Vorbereitung der Verwaltungsanordnung durch den Bundesnachrichtendienst gegeben. Der Antrag zu 2 werde anerkannt. Das Bundeskanzleramt habe dem Antragsteller keine Veranlassung gegeben, dieses Begehren gerichtlich durchzusetzen.

8

Der Beteiligte zu 1 hält den Antrag zu 3 für unbegründet. Zur Begründung nimmt er auf sein Schreiben vom 11. Januar 2011 Bezug. Im Übrigen bezweifelt er seine Passivlegitimation.

II.

9

Der Senat hat eine dem Antrag zu 2 entsprechende Feststellung zu treffen, nachdem der Beteiligte zu 2 das dahingehende Begehren des Antragstellers anerkannt hat. Nach Maßgabe des Tenors hat somit der Beteiligte zu 2 den Antragsteller als Stufenvertretung zu beteiligen, wenn er als Dienststellenleiter für die Beschäftigten des Bundesnachrichtendienstes beteiligungspflichtige Maßnahmen trifft. Dagegen sind die Anträge im Übrigen abzulehnen. Die Leitlinien für die Genehmigung von Nebentätigkeiten der Beamten, Soldaten und Tarifbeschäftigten bei den Nachrichtendiensten des Bundes unterliegen nicht der Mitwirkung des Antragstellers (Antrag zu 1). Der Beteiligte zu 1 ist nicht verpflichtet, die außergerichtlichen Kosten zu ersetzen, die dem Antragsteller durch das vorliegende Verfahren entstanden sind (Antrag zu 3).

10

A. Der Antrag zu 1 ist zulässig, aber nicht begründet.

11

1. Der Antrag zu 1 ist nicht wegen Verwirkung unzulässig.

12

Der Beteiligte zu 2 hat die "Leitlinien" unter dem 21. September 2009 dem Beteiligten zu 1 übermittelt. Dass der Antragsteller von der Existenz der "Leitlinien" unterrichtet war, bevor sie der Beteiligte zu 1 am 9. November 2009 in sein dienststelleninternes elektronisches Informationssystem eingestellt hat, ist nicht ersichtlich. Angesichts dessen war das an den Beteiligten zu 2 gerichtete Begehren des Antragstellers vom 18. Januar 2010, an der Inkraftsetzung der "Leitlinien" im Geschäftsbereich des Bundesnachrichtendienstes beteiligt zu werden, nicht verspätet.

13

Dass der Antragsteller im Anschluss an das Schreiben des Beteiligten zu 2 vom 26. Juli 2010 sein Mitwirkungsrecht diesem gegenüber nicht weiter verfolgt, sondern sich auf das Mitwirkungsverfahren beim Bundesnachrichtendienst zur Dienstvorschrift über die Aufnahme von Nebentätigkeiten eingelassen hat, kann ihm nicht vorgehalten werden. Dieses Verhalten war schon deswegen sach- und interessengerecht, weil der Antragsteller seine Rechte für den Fall wahren musste, dass sich seine Auffassung vom Maßnahmecharakter der "Leitlinien" des Bundeskanzleramtes später als nicht zutreffend herausstellen sollte. Abgesehen davon durfte er es als möglich in Erwägung ziehen, seine Einwände gegen die "Leitlinien" im Mitwirkungsverfahren beim Bundesnachrichtendienst erfolgreich geltend machen zu können. Erst nachdem sich diese Vorstellung aufgrund des Schreibens des Beteiligten zu 2 vom 10. November 2010 zerschlagen hatte, hat er seine Beteiligung an den "Leitlinien" gegenüber dem Beteiligten zu 2 erneut aufgegriffen. Dass er davon abgesehen hat, das Mitwirkungsverfahren beim Bundesnachrichtendienst durch Anrufung des Beteiligten zu 2 auf die zweite Stufe zu bringen (§ 86 Nr. 8 Satz 3 BPersVG), beruhte darauf, dass er dieses Verfahren zur Wahrung seines Mitwirkungsrechts - anders als die direkte Beteiligung durch den Beteiligten zu 2 - nicht als effektiv betrachtet hat. Diese Rechtsauffassung ist zwar unzutreffend, wie noch darzulegen sein wird, die daraus gezogene Schlussfolgerung des Antragstellers kann aber nicht als missbräuchliches Verhalten dem Beteiligten zu 2 gegenüber gewertet werden.

14

2. Der Antrag zu 1 ist jedoch nicht begründet.

15

Rechtsgrundlage für das streitige Mitwirkungsbegehren des Antragstellers ist § 78 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG. Danach wirkt der Personalrat - vorbehaltlich der hier nicht gegebenen Beteiligung der Spitzenorganisationen nach § 118 BBG - bei der Vorbereitung von Verwaltungsanordnungen einer Dienststelle für die innerdienstlichen Angelegenheiten der Beschäftigten ihres Geschäftsbereichs mit.

16

a) Nicht einschlägig sind hier die Mitwirkungstatbestände nach § 75 Abs. 1 Nr. 7, § 76 Abs. 1 Nr. 7, § 86 Nr. 9 BPersVG betreffend Versagung oder Widerruf der Genehmigung einer Nebentätigkeit. Die Mitbestimmungskataloge in § 75 Abs. 1 und § 76 Abs. 1 BPersVG erfassen ausschließlich Maßnahmen des Dienststellenleiters, welche sich auf das einzelne Beschäftigungsverhältnis beziehen (vgl. Altvater, in: Altvater/Baden/Kröll/Lemcke/Peiseler, Bundespersonalvertretungsgesetz, 7. Aufl. 2011, § 75 Rn. 7, § 76 Rn. 4; Fischer/Goeres/Gronimus, in: GKÖD Bd. V, Stand Januar 2007, K § 75 Rn. 10, § 76 Rn. 5; Rehak, in: Lorenzen/Etzel/Gerhold/Schlatmann/Rehak/Faber, Bundespersonalvertretungsgesetz, Stand Juli 2008, § 75 Rn. 10, § 76 Rn. 8; Kaiser, in: Richardi/Dörner/Weber, Personalvertretungsrecht, 3. Aufl. 2008, § 75 Rn. 1). Mitbestimmungspflichtig nach § 75 Abs. 1 Nr. 7, § 76 Abs. 1 Nr. 7 BPersVG ist daher die konkrete Entscheidung des Dienststellenleiters, mit welcher er dem einzelnen Beschäftigten die Genehmigung der Nebentätigkeit versagt oder die erteilte Genehmigung widerruft. Darum geht es hier nicht. Die in Rede stehenden "Leitlinien" behandeln vielmehr in abstrakt-genereller Hinsicht die formellen und materiellen Voraussetzungen, unter denen bei den Nachrichtendiensten des Bundes eine Nebentätigkeit genehmigt wird.

17

b) Nicht zu behandeln sind ferner andere Mitbestimmungstatbestände wie etwa § 75 Abs. 3 Nr. 8 und 15 und § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BPersVG, die ihrem Gegenstand nach durch die "Leitlinien" erfasst sein mögen. Denn da die Beteiligungsrechte des Personalrats im Bereich des Bundesnachrichtendienstes ohnehin auf ein Mitwirkungsrecht beschränkt sind (§ 86 Nr. 9 BPersVG), verlieren die speziellen Mitbestimmungstatbestände im Verhältnis zu § 78 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG ihre sonst gegebene Trennschärfe. Sie gestatten dem Antragsteller keine Einwände, die er nicht auch bei Wahrnehmung seines Mitwirkungsrechts nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG vorbringen kann (vgl. Beschluss vom 16. April 2008 - BVerwG 6 P 8.07 - Buchholz 250 § 86 BPersVG Nr. 5 Rn. 20 ff.).

18

c) Das Mitwirkungsrecht des Antragstellers kann nicht schon mit der Begründung verneint werden, der Beteiligte zu 2 habe hier nicht als personalvertretungsrechtlich verantwortlicher Dienststellenleiter gehandelt.

19

Solange der Beteiligte zu 2 in seiner ressortübergreifenden Eigenschaft als Beauftragter für die Nachrichtendienste damit befasst war, in Abstimmung mit den anderen Ministerien und den nachgeordneten Diensten die "Leitlinien" zu erarbeiten, war das Stadium des Mitwirkungsverfahrens noch nicht erreicht. Dessen Einleitung setzt nach § 72 Abs. 1 BPersVG voraus, dass der Dienststellenleiter beabsichtigt, eine Maßnahme für die Beschäftigten seines Geschäftsbereichs zu erlassen. Dieser Zeitpunkt war bis zum Ende der ressortübergreifenden Tätigkeit des Beteiligten zu 2 in Bezug auf die "Leitlinien" noch nicht erreicht.

20

Dies änderte sich, als der Beteiligte zu 2 unter dem 21. September 2009 die "Leitlinien" dem Beteiligten zu 1 übermittelte und darum bat, deren Regelungen im Geschäftsbereich des Bundesnachrichtendienstes in Kraft zu setzen. Damit handelte er der Sache nach als Leiter der obersten Dienstbehörde, welcher gegenüber der ihm nachgeordneten Dienststelle, dem Bundesnachrichtendienst, von seinem Weisungsrecht Gebrauch machte. Dass der Abteilungsleiter X, der zugleich mit der Koordination der Nachrichtendienste befasst ist, das Schreiben vom 21. September 2009 unterzeichnet hat, steht nicht entgegen. Denn er hat dabei für die Dienststelle Bundeskanzleramt und unter Verantwortung ihres Leiters, des Beteiligten zu 2, gehandelt (vgl. Beschluss vom 16. April 2008 a.a.O. Rn. 9). Dass er gleich lautende Schreiben an die Bundesministerien des Innern und der Verteidigung verfasst hat, ist unerheblich. Denn während er den anderen Ministerien gegenüber lediglich Empfehlungen aussprechen konnte, war sein Handeln im eigenen nachgeordneten Geschäftsbereich verbindlich (vgl. in diesem Zusammenhang Beschlüsse vom 7. Mai 1981 - BVerwG 6 P 35.79 - Buchholz 238.38 § 60 RhPPersVG Nr. 1 und vom 19. Oktober 1983 - BVerwG 6 P 16.81 - Buchholz 238.31 § 79 BaWüPersVG Nr. 4 S. 8).

21

d) Die "Leitlinien" des Beteiligten zu 2 sind jedoch keine Maßnahme gegenüber den Beschäftigten des Bundesnachrichtendienstes.

22

aa) Das Mitbestimmungsrecht des Personalrats setzt voraus, dass der zuständige Dienststellenleiter beabsichtigt, eine Maßnahme zu treffen (§ 69 Abs. 2 Satz 1 BPersVG). Nichts anderes gilt für das Mitwirkungsrecht (§ 72 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BPersVG). Dieser Grundsatz findet auch im Mitwirkungsverfahren beim Bundesnachrichtendienst Anwendung (vgl. § 86 Nr. 8 Satz 3 BPersVG).

23

bb) Nach ständiger Senatsrechtsprechung ist unter einer Maßnahme im personalvertretungsrechtlichen Sinne jede Handlung oder Entscheidung zu verstehen, die den Rechtsstand der Beschäftigten berührt. Die Maßnahme muss auf eine Veränderung des bestehenden Zustandes abzielen. Nach Durchführung der Maßnahme müssen das Beschäftigungsverhältnis oder die Arbeitsbedingungen eine Änderung erfahren haben (vgl. Beschluss vom 5. November 2010 - BVerwG 6 P 18.09 - Buchholz 251.95 § 51 MBGSH Rn. 11 m.w.N.).

24

cc) In der Senatsrechtsprechung ist ferner geklärt, dass die Entscheidungsbefugnis einer Dienststelle der nachgeordneten Verwaltungsebene nicht dadurch aufgehoben wird, dass das Handeln dieser Dienststelle von internen Weisungen der übergeordneten, weisungsbefugten Dienststelle ganz oder teilweise bestimmt wird. Derartige interne Weisungen berühren die Entscheidungszuständigkeit des Dienststellenleiters nicht; er trifft vielmehr eine Entscheidung innerhalb der Dienststelle und nach außen eigenverantwortlich. Das Beteiligungsrecht einer Personalvertretung an einer Maßnahme des Dienststellenleiters kann zwar durch eine unmittelbar gestaltende Anordnung einer vorgesetzten Dienststelle ausgeschlossen sein, wenn diese dem Dienststellenleiter keinen eigenen Regelungsspielraum lässt. Dies ist der Fall, wenn sich das Handeln der übergeordneten Dienststelle nicht in einer internen Weisung erschöpft, sondern im Wege des Selbsteintritts den nachgeordneten Dienststellen die Zuständigkeit für die Regelung entzieht. Die Entscheidungszuständigkeit der nachgeordneten Dienststelle wird somit nicht dadurch berührt, dass sie eine strikte Weisung der übergeordneten Dienststelle befolgt. Anders liegt es nur, wenn die übergeordnete Dienststelle die Entscheidung im Einzelfall an sich zieht und sich zu deren Übermittlung der nachgeordneten Dienststelle als Boten bedient. Daraus ergibt sich, dass der Erlass einer obersten Dienstbehörde keine Maßnahme ist, wenn er Rechte und Pflichten für die Beschäftigten des Geschäftsbereichs nicht begründet, sondern sich darin erschöpft, den nachgeordneten Dienststellen Instruktionen zu erteilen, und ihnen auf dieser Grundlage die Durchführung überlässt (vgl. Beschlüsse vom 30. März 2009 - BVerwG 6 PB 29.08 - Buchholz 250 § 75 BPersVG Nr. 107 Rn. 10 sowie vom 2. September 2009 - BVerwG 6 PB 22.09 - Buchholz 250 § 69 BPersVG Nr. 31 Rn. 4 f.). So liegt es hier.

25

dd) Der Beteiligte zu 2 hat im Schreiben vom 21. September 2009 den Beteiligten zu 1 gebeten, "die Regelungen im Bundesnachrichtendienst in Kraft zu setzen". Daraus ergibt sich zunächst, dass der Beteiligte zu 2 davon abgesehen hat, durch die Veröffentlichung der "Leitlinien" in einem eigenen, ministerialen Mitteilungsblatt Rechte und Pflichten für die Beschäftigten des nachgeordneten Bundesnachrichtendienstes zu begründen. Darüber hinaus spricht die Formulierung "in Kraft setzen" dagegen, dass der Beteiligte zu 2 den Beteiligten zu 1 hinsichtlich der Veröffentlichung der "Leitlinien" lediglich als Boten benutzen wollte. Letzteres liegt im Übrigen deswegen fern, weil die "Leitlinien" hinsichtlich der Thematik einer Nebentätigkeit beim Bundesnachrichtendienst sowohl in verfahrens- als auch in materiellrechtlicher Hinsicht allenfalls eine Teilregelung darstellen. Wie allen Beteiligten des vorliegenden Verfahrens bekannt war, existierte im September 2009 bereits die Dienstvorschrift über die Aufnahme von Nebentätigkeiten vom 21. März 2007 in der Fassung vom 8. Dezember 2008. Zwar ist denkbar, dass die oberste Dienstbehörde eine für die Beschäftigten des nachgeordneten Bereichs verbindliche Rahmenrichtlinie erlässt, die vom Leiter der nachgeordneten Dienststelle auszufüllen ist. Dass solches hier vom Beteiligten zu 2 vorgesehen war, lässt sich seinem Schreiben vom 21. September 2009 nicht ansatzweise entnehmen.

26

ee) Abgesehen davon hat der Beteiligte zu 2 im Schreiben vom 2. Februar 2010 und nochmals im Schreiben vom 26. Juli 2010 klargestellt, dass er mit der Abfassung und Übermittlung der "Leitlinien" keine Rechte und Pflichten für die Beschäftigten des Bundesnachrichtendienstes begründen wollte. Diese Klarstellung ist personalvertretungsrechtlich beachtlich. Die oberste Dienstbehörde ist befugt, über ihre Erlasse, auch soweit sie beteiligungspflichtig sind, zu verfügen. Sie kann sie aufheben oder ändern. Sie kann auch klarstellen, ob ihr Erlass selbst Rechte und Pflichten der Beschäftigten des nachgeordneten Bereichs begründen oder ob es sich dabei lediglich um eine verwaltungsinterne Weisung handeln soll, die es der nachgeordneten Dienststelle überlässt, allgemeine Regelungen mit Wirkung auf die Beschäftigungsverhältnisse zu treffen. Durch eine derartige Klarstellung werden Rechte der Personalvertretungen nicht beeinträchtigt. Denn im einen wie im anderen Fall ist eine effiziente Beteiligung sichergestellt.

27

Angesichts der vorbezeichneten Klarstellungen ist unerheblich, dass der Beteiligte zu 1 mit seiner Bekanntgabe der "Leitlinien" am 9. November 2009 im Kommunikationssystem des Bundesnachrichtendienstes dem Antragsteller möglicherweise Anlass zu der Annahme gegeben hat, die Regelungen in den "Leitlinien" seien für die Beschäftigten des Bundesnachrichtendienstes sofort verbindlich.

28

ff) Für die Effektivität der Beteiligung ist es unerheblich, ob der Chef des Bundeskanzleramtes oder der Präsident des Bundesnachrichtendienstes die Maßnahme trifft.

29

Wenn der Chef des Bundeskanzleramtes gegenüber Beschäftigten des Bundesnachrichtendienstes eine Maßnahme zu treffen beabsichtigt, so ist der Personalrat der Zentrale in der Funktion der Stufenvertretung zu beteiligen (§ 82 Abs. 1, § 86 Nr. 8 Satz 2 BPersVG). Das einstufige Mitwirkungsverfahren richtet sich nach § 72 Abs. 1 bis 3 BPersVG (vgl. Beschluss vom 26. November 2008 - BVerwG 6 P 7.08 - BVerwGE 132, 276 = Buchholz 250 § 86 BPersVG Nr. 6 Rn. 44; Altvater, a.a.O. § 86 Rn. 31; Fischer/Goeres/Gronimus, a.a.O. K § 86 Rn. 21a). Der Personalrat der Zentrale kann in den Verhandlungen mit dem Chef des Bundeskanzleramtes alle Einwendungen geltend machen, welche sich dem Beteiligungstatbestand zuordnen lassen. Er kann vorbringen, dass der vorgesehene Erlass mit Rechtsvorschriften nicht im Einklang steht oder dass durch ihn bestehende Entscheidungsspielräume nicht den Interessen der Beschäftigten entsprechend ausgefüllt werden.

30

Gleichwertig ist die Beteiligung, wenn der Präsident des Bundesnachrichtendienstes für die Maßnahme zuständig ist. Der Personalrat der Zentrale ist zur Beteiligung berufen, wenn der Präsident des Bundesnachrichtendienstes Maßnahmen für seinen gesamten Geschäftsbereich zu treffen beabsichtigt (vgl. Beschluss vom 26. November 2008 a.a.O. Rn. 46; Altvater, a.a.O. § 86 Rn. 29; Fischer/Goeres/Gronimus, a.a.O., Stand Februar 2010, K § 86 Rn. 21a). Eine Weisung des Chefs des Bundeskanzleramtes in seiner Eigenschaft als oberste Dienstbehörde bindet zwar den Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes, nicht aber den dort gebildeten Personalrat. Dieser ist daher nicht gehindert, im Mitwirkungsverfahren auf der ersten Stufe die Recht- oder Zweckmäßigkeit der Weisung in Frage zu stellen. Das Personalvertretungsrecht verbietet es in einem solchen Fall dem Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes nicht, beim Chef des Bundeskanzleramtes mit der Bitte um Überprüfung Rücksprache zu nehmen, anstatt sich der Argumentation des Personalrats mit Rücksicht auf den entgegenstehenden Erlass von vornherein zu verschließen (vgl. Beschluss vom 2. September 2009 a.a.O. Rn. 7). Kommt es zwischen dem Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes und dem Personalrat der Zentrale nicht zu einer Einigung, so gelangt das Mitwirkungsverfahren gemäß § 72 Abs. 4 Satz 1, § 86 Nr. 8 Satz 3 BPersVG auf die zweite und letzte Stufe; der Chef des Bundeskanzleramtes entscheidet nach Verhandlung mit dem Personalrat der Zentrale endgültig (vgl. Beschluss vom 26. November 2008 a.a.O. Rn. 44; Altvater, a.a.O. § 86 Rn. 30; Fischer/Goeres/Gronimus, a.a.O. K § 86 Rn. 22). Auch auf der zweiten Stufe kann der Personalrat der Zentrale alle Einwendungen erheben, welche sich dem Beteiligungstatbestand zuordnen lassen. Dazu gehört die Befugnis, die Recht- oder Zweckmäßigkeit einer Weisung des Bundeskanzleramtes in Zweifel zu ziehen.

31

Zu Recht hat sich daher der Beteiligte zu 1 mit Schreiben vom 15. Oktober 2010 an den Beteiligten zu 2 mit der Bitte gewandt, dem Anliegen des Antragstellers in zwei Punkten zu entsprechen. Nach ablehnender Antwort und Abschluss des Mitwirkungsverfahrens auf der ersten Stufe stand es dem Antragsteller frei, nach Maßgabe von § 72 Abs. 4 Satz 1, § 86 Nr. 8 Satz 3 BPersVG den Beteiligten zu 2 anzurufen und diesem gegenüber seine Argumentation weiter zu verfolgen. Das Anliegen des Beteiligten zu 2, nach Möglichkeit mit den "Leitlinien" eine einheitliche Vorgabe für alle drei Nachrichtendienste des Bundes zu schaffen, hinderte ihn daran nicht. Dem Beteiligten zu 2 ist es gesetzlich nicht untersagt, Änderungswünschen des Antragstellers für Richtlinienentwürfe zu entsprechen, welche er in seiner Eigenschaft als Beauftragter für die Nachrichtendienste erarbeitet hat.

32

B. Den Antrag zu 2 hat der Beteiligte zu 2 anerkannt. In diesem Umfang ergeht ein Anerkenntnisbeschluss gemäß § 307 ZPO. Bedenken gegen die Zulässigkeit dieses Ausspruchs bestehe nicht.

33

1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können allerdings die Parteien grundsätzlich nicht über Prozess- und Rechtsmittelvoraussetzungen verfügen, so dass diese auch im Falle eines Anerkenntnisses vom Gericht zu prüfen sind (vgl. BGH, Urteile vom 8. Oktober 1953 - III ZR 206/51 - BGHZ 10, 333 <335>, vom 25. November 1993 - IX ZR 51/93 - juris Rn. 6 und vom 20. März 2001 - VI ZR 325/99 - juris Rn. 8 sowie Beschluss vom 10. November 2009 - XI ZB 15/09 - juris Rn. 15; ebenso BAG, Urteil vom 20. März 1974 - 4 AZR 266/73 - juris Rn. 22). Andererseits bringt die Kostenregelung in § 93 ZPO zum Ausdruck, dass unter dem Gesichtspunkt der Prozessvoraussetzungen gegen den Erlass eines Anerkenntnisurteils dann keine Bedenken bestehen, wenn der Beklagte durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage keine Veranlassung gegeben hat (vgl. BAG, Urteil vom 19. April 2005 - 9 AZR 184/04 - AP Nr. 43 zu § 15 BErzGG S. 141; Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, Band 4, 22. Aufl. 2008, § 307 Rn. 49; Rensen, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 3. Aufl. 2007, § 307 Rn. 19; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 70. Aufl. 2012, § 93 Rn. 1). Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis steht daher dem Erlass eines Anerkenntnisurteils nicht entgegen.

34

2. Voraussetzung für einen Anerkenntnisbeschluss im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren ist, dass die Beteiligten über den streitigen Gegenstand im Sinne von § 83a Abs. 1 ArbGG verfügen können. Dies ist für den konkreten streitigen Mitbestimmungsfall zu bejahen, in Bezug auf Mitbestimmungsrechte in künftigen Fällen im Allgemeinen zu verneinen (vgl. Matthes, in: Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, Arbeitsgerichtsgesetz, 7. Aufl. 2009, § 80 Rn. 57, § 83a Rn. 8; Dörner, in: GK-ArbGG, Stand September 2010, § 80 Rn. 49, § 83a Rn. 13; Weth, in: Schwab/Weth, Arbeitsgerichtsgesetz, 3. Aufl. 2011, § 83a Rn. 7; Hauck, in: Hauck/Helml/Biebl, Arbeitsgerichtsgesetz, 4. Aufl. 2011, § 83a Rn. 3).

35

Bei dem Antrag zu 2 handelt es sich zwar nicht um einen konkreten Mitbestimmungsfall, sondern um ein weit gefasstes abstraktes Begehren. Dass der Chef des Bundeskanzleramtes, wenn er beteiligungspflichtige Maßnahmen gegenüber den Beschäftigten des Bundesnachrichtendienstes trifft, den Personalrat der Zentrale zu beteiligen hat, ergibt sich jedoch ohne Weiteres aus den gesetzlichen Bestimmungen in § 82 Abs. 1 und § 86 Nr. 8 Satz 2 BPersVG und der dazu ergangenen Senatsrechtsprechung (vgl. Beschluss vom 26. November 2008 a.a.O. Rn. 44). In diesem Fall wird mit dem Anerkenntnisbeschluss lediglich eine höchstrichterlich bereits geklärte Rechtslage festgeschrieben.

36

C. Der Antrag zu 3 ist nicht begründet.

37

Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 BPersVG trägt die Dienststelle die durch die Tätigkeit des Personalrats entstehenden Kosten. Nach den dazu in der Rechtsprechung anerkannten Grundsätzen hat die Dienststelle die außergerichtlichen Kosten, die dem Personalrat durch Beauftragung eines Rechtsanwalts entstanden sind, immer dann zu tragen, wenn die Rechtsverfolgung nicht von vornherein aussichtslos war oder mutwillig betrieben wurde. Das Begehren des Personalrats auf Feststellung eines Beteiligungsrechts ist von vornherein aussichtslos, wenn sich seine Abweisung nach Maßgabe der einschlägigen Rechtsvorschriften und dazu gegebenenfalls vorliegender Rechtsprechung geradezu aufdrängt (vgl. Beschlüsse vom 25. Februar 2004 - BVerwG 6 P 12.03 - Buchholz 250 § 44 BPersVG Nr. 34 S. 19, vom 11. Oktober 2010 - BVerwG 6 P 16.09 - Buchholz 251.95 § 17 MBGSH Nr. 1 Rn. 14 f. und vom 29. April 2011 - BVerwG 6 PB 21.10 - Buchholz 250 § 44 BPersVG Nr. 39 Rn. 5). Eine Rechtsverfolgung ist insbesondere dann mutwillig, wenn von zwei gleichwertigen prozessualen Wegen der kostspieligere beschritten wird oder wenn die Hinzuziehung des Rechtsanwalts rechtsmissbräuchlich erfolgt und deswegen das Interesse der Dienststelle an der Begrenzung ihrer Kostentragungspflicht missachtet wird (vgl. Beschluss vom 11. Oktober 2010 a.a.O. Rn. 16 m.w.N.). Ein vergleichbarer Fall ist mit Blick auf den Rechtsgedanken in § 93 ZPO gegeben, wenn die Anrufung des Gerichts durch den Personalrat unnötig ist, weil die Dienststelle ihm das geltend gemachte Recht nicht bestreitet.

38

1. Der Antrag zu 1 war hier im Zeitpunkt der Antragstellung am 19. Mai 2011 offensichtlich aussichtslos. Dies ergibt sich mit Blick auf die klarstellenden Schreiben des Beteiligten zu 2 vom 2. Februar und 26. Juli 2010 und mit Blick auf den zitierten Senatsbeschluss vom 2. September 2009 - BVerwG 6 PB 22.09 - (Buchholz 250 § 69 BPersVG Nr. 31), auf den der Beteiligte zu 1 in seinem Schreiben vom 11. Januar 2011 ausdrücklich hingewiesen hat.

39

2. Wegen des Antrages zu 2 war die Rechtsverfolgung mutwillig. Es ist nicht ersichtlich, dass der Beteiligte zu 2 seit Ergehen des Senatsbeschlusses vom 26. November 2008 (a.a.O. Rn. 44) das ihm gegenüber bestehende Beteiligungsrecht des Antragstellers in seiner Eigenschaft als Stufenvertretung gemäß § 82 Abs. 1, § 86 Nr. 8 Satz 2 BPersVG jemals bestritten hat.

(1) Wird durch Versäumnisurteil, Anerkenntnisurteil oder Verzichtsurteil erkannt, so bedarf es nicht des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe. Das Urteil ist als Versäumnis-, Anerkenntnis- oder Verzichtsurteil zu bezeichnen.

(2) Das Urteil kann in abgekürzter Form nach Absatz 1 auf die bei den Akten befindliche Urschrift oder Abschrift der Klage oder auf ein damit zu verbindendes Blatt gesetzt werden. Die Namen der Richter braucht das Urteil nicht zu enthalten. Die Bezeichnung der Parteien, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Prozessbevollmächtigten sind in das Urteil nur aufzunehmen, soweit von den Angaben der Klageschrift abgewichen wird. Wird nach dem Antrag des Klägers erkannt, so kann in der Urteilsformel auf die Klageschrift Bezug genommen werden. Wird das Urteil auf ein Blatt gesetzt, das mit der Klageschrift verbunden wird, so soll die Verbindungsstelle mit dem Gerichtssiegel versehen oder die Verbindung mit Schnur und Siegel bewirkt werden.

(3) Absatz 1 ist nicht anzuwenden, wenn zu erwarten ist, dass das Versäumnisurteil oder das Anerkenntnisurteil im Ausland geltend gemacht werden soll.

(4) Absatz 2 ist nicht anzuwenden, wenn die Prozessakten elektronisch geführt werden.

Tenor

Es wird festgestellt, dass die am 14.11.2009 von der Polizei vorgenommene Feststellung der Identität des Klägers, die am 14.11.2009 von der Polizei durchgeführte filmische Erfassung seiner Person, der am 14.11.2009 von der Polizei ihm gegenüber ausgesprochene Platzverweis und die am 14.11.2009 von der Polizei zur Durchsetzung des Platzverweises ihm gegenüber ausgesprochene Androhung der Gewahrsamnahme rechtswidrig waren.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen polizeiliche Maßnahmen, die am 14.11.2009 am Rande eines Demonstrationszugs im Bereich O., F., ihm gegenüber getroffenen worden sind.
Am 14.11.2009 beobachtete der Kläger im Bereich O. in F. einen Demonstrationszug. Gegen 19.20 Uhr traten drei Polizeibeamte von hinten an den Kläger heran. Einer dieser Polizeibeamten forderte den Kläger auf, seinen Personalausweis vorzuzeigen. Sodann wurde der Kläger durch einen herbeigerufenen Polizeitrupp mit seinem vor die Brust gehaltenen Ausweis „abgefilmt“. Anschließend erteilte dieser Polizeibeamte dem Kläger einen Platzverweis für die F. Innenstadt und einen Kilometer rings um den Demonstrationsort für zwölf Stunden. Ferner wies er den Kläger darauf hin, dass er ihn in Gewahrsam nehmen werde, wenn er ihn in 15 Minuten noch am Ort der Demonstration sehe. Daraufhin verließ der Kläger die Örtlichkeit.
Nach einer längeren Korrespondenz zwischen dem Prozessbevollmächtigten des Klägers und verschiedenen Polizeidienststellen des Beklagten und dem Beauftragten für Datenschutz des Beklagten hat der Kläger am 15.12.2010 Klage erhoben. In der Begründung wendet er sich gegen die Rechtmäßigkeit der am 14.11.2009 gegen ihn ergangenen Maßnahmen der Polizei.
Der Kläger beantragt:
festzustellen, dass
- die am 14.11.2009 von der Polizei vorgenommene Feststellung seiner Identität,
- die am 14.11.2009 von der Polizei durchgeführte filmische Erfassung seiner Person,
- der am 14.11.2009 von der Polizei ihm gegenüber ausgesprochene Platzverweis und
- die am 14.11.2009 von der Polizei zur Durchsetzung des Platzverweises ihm gegenüber ausgesprochene Androhung der Gewahrsamnahme
rechtswidrig waren.
Die Vertreterin des Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung erklärt,
sie erkenne an, dass
10 
- die am 14.11.2009 von der Polizei vorgenommene Feststellung der Identität des Klägers,
- die am 14.11.2009 von der Polizei durchgeführte filmische Erfassung des Klägers,
- der am 14.11.2009 von der Polizei gegenüber dem Kläger ausgesprochene Platzverweis und
- die am 14.11.2009 von der Polizei zur Durchsetzung des Platzverweises ihm gegenüber ausgesprochene Androhung der Gewahrsamnahme
11 
rechtswidrig waren.
12 
Der Kammer liegen die Akten des Beklagten über die Vorfälle und die Korrespondenz mit dem Kläger aus Anlass der Demonstration am 14.11.2009 (1 Heft) vor. Der Inhalt dieser Akten und der Gerichtsakten war Gegenstand der mündlichen Verhandlung; hierauf wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
13 
1. Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage in entsprechender Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zulässig.
14 
Das berechtigte Interesse des Klägers an der von ihm begehrten Feststellung der Rechtswidrigkeit polizeilicher Maßnahmen, die die Qualität von Verwaltungsakten besitzen (siehe u. a. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.12.2010, NVwZ-RR 2011, 231, m.w.N.), ergibt sich bereits aus der institutionellen Garantie des Rechtsschutzes in Art. 19 Abs. 4 GG. Bei hoheitlichen Maßnahmen, die sich - wie das bei polizeilichen Maßnahmen in der Regel der Fall ist - typischerweise kurzfristig erledigen, kann effektiver gerichtlicher Rechtsschutz grundsätzlich nicht rechtzeitig gewährt werden. Insofern ist die Möglichkeit einer zumindest nachträglichen gerichtlichen Kontrolle rechtsstaatlich geboten (VGH Bad.-Württ., Urteile vom 17.03.2011, DVBl 2011, 626, und 08.05.2008, VBlBW 2008, 375; Urteil der Kammer vom 05.02.2009 - 4 K 961/08 -, m.w.N.). Ob der Kläger ein berechtigtes Feststellungsinteresse auch aus anderen Gründen besitzt, kann hier dahingestellt bleiben.
15 
Das Rechtsschutzinteresse des Klägers ist nicht dadurch (ganz oder teilweise) entfallen, dass der Beklagte ihm gegenüber zunächst mit Schriftsatz vom 30.03.2011 erklärt hat, einzelne Maßnahmen seien auch nach seiner Auffassung rechtswidrig gewesen. Das gilt auch, soweit der Beklagte später, das heißt in der mündlichen Verhandlung, sämtliche von ihm angegriffenen Maßnahmen als rechtswidrig anerkannt hat. Vielmehr besteht ungeachtet dieser Erklärungen aus den Gründen, die für das Vorliegen eines berechtigten Interesses an der begehrten Feststellung sprechen (hier: Art. 19 Abs. 4 GG), das Rechtsschutzinteresse des Klägers an einer gerichtlichen Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser Maßnahmen uneingeschränkt fort.
16 
Allerdings hat der Kläger, soweit der Beklagte zuletzt in der mündlichen Verhandlung die Rechtswidrigkeit aller (streitbefangenen) Maßnahmen förmlich anerkannt hat, - entgegen seiner ursprünglich geäußerten Auffassung - kein Rechtsschutzbedürfnis an dem Erlass eines kontradiktorischen Urteils (vgl. Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 107 RdNr. 24 m.w.N.). Es besteht kein über den Erlass eines Anerkenntnisurteils hinausgehendes Rechtsschutzbedürfnis. Dass im Rahmen eines Anerkenntnisurteils eine Prüfung der Rechtmäßigkeit nicht vorzunehmen ist, steht dem nicht entgegen. Denn der Kläger erlangt prozessual gesehen ein seinem Antrag entsprechendes Urteil. Ein Anspruch auf ein Urteil, das durch eine entsprechende Begründung des Gerichts mit einem „richterlichen Gütesiegel“ versehen ist, besteht genauso wenig, wie sonst ein Anspruch auf ein Urteil mit einer vom Kläger begehrten Begründung besteht. Es ist Ausfluss der Dispositionsmaxime, welche die Verfügungsbefugnis über den Verfahrensgegenstand den Prozessbeteiligten zuweist, dass dem Gericht durch die Handlung der Beteiligten die Überprüfung eines Sachverhalts entzogen werden kann (zu einem hier nicht vorliegenden Ausnahmefall siehe Zöller, ZPO, 27. Aufl. 2009, RdNr. 5).
17 
2. Die Klage ist auch begründet. Die Vertreterin des Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung in aller Form alle (vier) vom Kläger angegriffenen Maßnahmen als rechtswidrig anerkannt.
18 
Ein Anerkenntnisurteil ist auch im Verwaltungsprozess zulässig. Es ist dem Beklagten unbenommen, den gegen ihn mit der Klage geltend gemachten Anspruch anzuerkennen. § 307 ZPO ist Ausdruck der Dispositionsmaxime, die die Befugnis der Beteiligten sichert, über den Streitgegenstand zu verfügen. Dieser Grundsatz gilt auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren. Das Anerkenntnis stellt in diesem Zusammenhang ein geeignetes Mittel dar, den Kläger ganz oder teilweise klaglos zu stellen (BVerwG, Gerichtsbescheid vom 07.01.1997, NVwZ 1997, 576, m.w.N.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 12.09.1990, NJW 1991, 859, m.w.N.; VG Stuttgart, Urteil vom 15.07.2010 - 12 K 1288/10 -, juris, m.w.N.; VG Hannover, Urteil vom 09.08.2001 - 7 A 5046/00 -; Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, § 107 RdNr. 5; Meissner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Bd. II, Stand: Juni 2011, § 173 RdNr. 95; Wolff, a.a.O., § 107 RdNrn. 22 ff. m.w.N.). Entgegen vereinzelten Stimmen in Literatur und Rechtsprechung sind Anerkenntnisurteile nicht nur bei Leistungsklagen zulässig, sondern auch bei Anfechtungsklagen (so ausdrücklich VG Stuttgart, Urteil vom 15.07.2010, und VG Hannover, Urteil vom 09.08.2001, jew. a.a.O.; ebenso Wolff, a.a.O., § 107 RdNr. 22) und anderen Klagearten, insbesondere auch in Fällen der Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO - wie hier -, die mit der Anfechtungsklage systematisch eng verbunden ist (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 113 RdNr. 97 m.w.N.).
19 
Dementsprechend war dem Antrag des Klägers im Wege eines Anerkenntnisurteils nach den §§ 173 Satz 1 VwGO, 307 Satz 1 ZPO umfassend stattzugeben. Einer materiellen Prüfung der Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit der von ihm angegriffenen Maßnahmen bedarf es nicht mehr.
20 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Gericht sieht keinen Grund, diese für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
21 
Gründe des § 124 Abs. 2 Nrn. 3 oder 4 VwGO, aus denen die Berufung vom Verwaltungsgericht zuzulassen wäre, sind nicht gegeben.

Gründe

 
13 
1. Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage in entsprechender Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zulässig.
14 
Das berechtigte Interesse des Klägers an der von ihm begehrten Feststellung der Rechtswidrigkeit polizeilicher Maßnahmen, die die Qualität von Verwaltungsakten besitzen (siehe u. a. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.12.2010, NVwZ-RR 2011, 231, m.w.N.), ergibt sich bereits aus der institutionellen Garantie des Rechtsschutzes in Art. 19 Abs. 4 GG. Bei hoheitlichen Maßnahmen, die sich - wie das bei polizeilichen Maßnahmen in der Regel der Fall ist - typischerweise kurzfristig erledigen, kann effektiver gerichtlicher Rechtsschutz grundsätzlich nicht rechtzeitig gewährt werden. Insofern ist die Möglichkeit einer zumindest nachträglichen gerichtlichen Kontrolle rechtsstaatlich geboten (VGH Bad.-Württ., Urteile vom 17.03.2011, DVBl 2011, 626, und 08.05.2008, VBlBW 2008, 375; Urteil der Kammer vom 05.02.2009 - 4 K 961/08 -, m.w.N.). Ob der Kläger ein berechtigtes Feststellungsinteresse auch aus anderen Gründen besitzt, kann hier dahingestellt bleiben.
15 
Das Rechtsschutzinteresse des Klägers ist nicht dadurch (ganz oder teilweise) entfallen, dass der Beklagte ihm gegenüber zunächst mit Schriftsatz vom 30.03.2011 erklärt hat, einzelne Maßnahmen seien auch nach seiner Auffassung rechtswidrig gewesen. Das gilt auch, soweit der Beklagte später, das heißt in der mündlichen Verhandlung, sämtliche von ihm angegriffenen Maßnahmen als rechtswidrig anerkannt hat. Vielmehr besteht ungeachtet dieser Erklärungen aus den Gründen, die für das Vorliegen eines berechtigten Interesses an der begehrten Feststellung sprechen (hier: Art. 19 Abs. 4 GG), das Rechtsschutzinteresse des Klägers an einer gerichtlichen Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser Maßnahmen uneingeschränkt fort.
16 
Allerdings hat der Kläger, soweit der Beklagte zuletzt in der mündlichen Verhandlung die Rechtswidrigkeit aller (streitbefangenen) Maßnahmen förmlich anerkannt hat, - entgegen seiner ursprünglich geäußerten Auffassung - kein Rechtsschutzbedürfnis an dem Erlass eines kontradiktorischen Urteils (vgl. Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 107 RdNr. 24 m.w.N.). Es besteht kein über den Erlass eines Anerkenntnisurteils hinausgehendes Rechtsschutzbedürfnis. Dass im Rahmen eines Anerkenntnisurteils eine Prüfung der Rechtmäßigkeit nicht vorzunehmen ist, steht dem nicht entgegen. Denn der Kläger erlangt prozessual gesehen ein seinem Antrag entsprechendes Urteil. Ein Anspruch auf ein Urteil, das durch eine entsprechende Begründung des Gerichts mit einem „richterlichen Gütesiegel“ versehen ist, besteht genauso wenig, wie sonst ein Anspruch auf ein Urteil mit einer vom Kläger begehrten Begründung besteht. Es ist Ausfluss der Dispositionsmaxime, welche die Verfügungsbefugnis über den Verfahrensgegenstand den Prozessbeteiligten zuweist, dass dem Gericht durch die Handlung der Beteiligten die Überprüfung eines Sachverhalts entzogen werden kann (zu einem hier nicht vorliegenden Ausnahmefall siehe Zöller, ZPO, 27. Aufl. 2009, RdNr. 5).
17 
2. Die Klage ist auch begründet. Die Vertreterin des Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung in aller Form alle (vier) vom Kläger angegriffenen Maßnahmen als rechtswidrig anerkannt.
18 
Ein Anerkenntnisurteil ist auch im Verwaltungsprozess zulässig. Es ist dem Beklagten unbenommen, den gegen ihn mit der Klage geltend gemachten Anspruch anzuerkennen. § 307 ZPO ist Ausdruck der Dispositionsmaxime, die die Befugnis der Beteiligten sichert, über den Streitgegenstand zu verfügen. Dieser Grundsatz gilt auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren. Das Anerkenntnis stellt in diesem Zusammenhang ein geeignetes Mittel dar, den Kläger ganz oder teilweise klaglos zu stellen (BVerwG, Gerichtsbescheid vom 07.01.1997, NVwZ 1997, 576, m.w.N.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 12.09.1990, NJW 1991, 859, m.w.N.; VG Stuttgart, Urteil vom 15.07.2010 - 12 K 1288/10 -, juris, m.w.N.; VG Hannover, Urteil vom 09.08.2001 - 7 A 5046/00 -; Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, § 107 RdNr. 5; Meissner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Bd. II, Stand: Juni 2011, § 173 RdNr. 95; Wolff, a.a.O., § 107 RdNrn. 22 ff. m.w.N.). Entgegen vereinzelten Stimmen in Literatur und Rechtsprechung sind Anerkenntnisurteile nicht nur bei Leistungsklagen zulässig, sondern auch bei Anfechtungsklagen (so ausdrücklich VG Stuttgart, Urteil vom 15.07.2010, und VG Hannover, Urteil vom 09.08.2001, jew. a.a.O.; ebenso Wolff, a.a.O., § 107 RdNr. 22) und anderen Klagearten, insbesondere auch in Fällen der Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO - wie hier -, die mit der Anfechtungsklage systematisch eng verbunden ist (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 113 RdNr. 97 m.w.N.).
19 
Dementsprechend war dem Antrag des Klägers im Wege eines Anerkenntnisurteils nach den §§ 173 Satz 1 VwGO, 307 Satz 1 ZPO umfassend stattzugeben. Einer materiellen Prüfung der Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit der von ihm angegriffenen Maßnahmen bedarf es nicht mehr.
20 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Gericht sieht keinen Grund, diese für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
21 
Gründe des § 124 Abs. 2 Nrn. 3 oder 4 VwGO, aus denen die Berufung vom Verwaltungsgericht zuzulassen wäre, sind nicht gegeben.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

Tatbestand

1

Der Kläger ist Rechtsanwalt. Er begehrt die Feststellung, dass der Bundesnachrichtendienst durch die im Jahr 2012 durchgeführte Überwachung des E-Mail-Verkehrs im Rahmen der strategischen Fernmeldeüberwachung nach § 5 G10 sein Fernmeldegeheimnis aus Art. 10 GG verletzt hat.

2

Der Kläger bezieht sich auf den Bericht des Parlamentarischen Kontrollgremiums vom 19. Dezember 2013, durch den dieses den Deutschen Bundestag gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 G10 über Beschränkungsmaßnahmen unter anderem nach § 5 G10 in dem Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2012 unterrichtete (BT-Drs. 18/218 S. 7 f.). Danach ordnete das Bundesministerium des Innern mit Zustimmung der G10-Kommission im Jahr 2012 zu drei der in § 5 Abs. 1 Satz 3 G10 bezeichneten Gefahrenbereiche Beschränkungsmaßnahmen an. Es handelte sich um die Gefahrenbereiche internationaler Terrorismus (§ 5 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 G10), Proliferation und konventionelle Rüstung (§ 5 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 G10) sowie illegale Schleusung (§ 5 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 G10). Für den Gefahrenbereich internationaler Terrorismus führte die Anordnung von 1 164 Suchbegriffen (76 inhaltliche und 1 088 formale) im ersten Halbjahr und 1 065 Suchbegriffen (88 inhaltliche und 977 formale) im zweiten Halbjahr dazu, dass sich 1 804 Telekommunikationsverkehre qualifizierten. Davon stammten 595 aus der E-Mail-Erfassung, 290 aus der Telefax-Erfassung, neun aus der Telex-Erfassung und 58 aus der Spracherfassung. Daneben wurden 816 Verkehrsdatensätze und 36 SMS-Nachrichten erfasst. Im Ergebnis wurden 137 der ausgesonderten Verkehre als nachrichtendienstlich relevant eingestuft. Im Gefahrenbereich Proliferation und konventionelle Rüstung hatte die Anordnung von 13 023 Suchbegriffen (1 432 inhaltliche und 11 591 formale) im ersten Halbjahr und 11 752 Suchbegriffen (1 432 inhaltliche und 10 320 formale) im zweiten Halbjahr die Qualifikation von 849 497 Telekommunikationsverkehren zur Folge, von denen 107 nachrichtendienstliche Relevanz aufwiesen. Im Gefahrenbereich illegale Schleusung wurden im ersten Halbjahr 282 und im zweiten Halbjahr 150 formale Suchbegriffe angeordnet, anhand derer sich 390 Telekommunikationsverkehre qualifizierten, wobei wiederum 44 Verkehren nachrichtendienstliche Relevanz zukam. Eine Aufgliederung nach der Betroffenheit der verschiedenen Arten der Telekommunikationsverkehre, wie sie der Bericht für den Gefahrenbereich des internationalen Terrorismus enthält, wird für die beiden anderen hier in Rede stehenden Gefahrenbereiche nicht ausgewiesen.

3

Der Kläger macht im Hinblick auf die Zulässigkeit der Feststellungsklage geltend, er habe 2012 über seinen der Überwachung unterliegenden Provider weit mehr als 1 000 E-Mails in das Ausland verschickt oder von dort erhalten. Er habe auf diese Weise Kontakt zu zahlreichen ausländischen Mandanten und Kollegen in dem von dem Bundesnachrichtendienst überwachten Gebiet gehabt. Bei dem Inhalt dieser E-Mails habe es sich vielfach um Angelegenheiten gehandelt, die der rechtsanwaltlichen Schweigepflicht unterlegen und sich auf technische Sachverhalte bezogen hätten. Angesichts der Vielzahl der bei der Überwachung verwandten Suchbegriffe, der hohen Zahl erzielter Treffer, die sich aus der Überprüfung einer weitaus höheren Anzahl von E-Mails ergeben hätten, und der weiten Ausdehnung des überwachten Gebiets sei es wahrscheinlich, dass seine (anwaltliche) E-Mail-Korrespondenz erfasst und auf nachrichtendienstliche Relevanz überprüft worden sei. Dies reiche vor dem Hintergrund der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG für die Annahme eines feststellungsfähigen konkreten Rechtsverhältnisses im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO aus. Die absolute Sicherheit einer persönlichen Betroffenheit dürfe wegen der Heimlichkeit und Anlasslosigkeit der mit der strategischen Fernmeldeüberwachung in großer Zahl einhergehenden Grundrechtseingriffe nicht gefordert werden. Der Kläger ist der Ansicht, seine Klage müsse in der Sache schon deshalb Erfolg haben, weil die Rechtsgrundlagen der strategischen Fernmeldeüberwachung verfassungswidrig seien. Jedenfalls habe die Überwachung in ihrer im Jahr 2012 angeordneten Gestalt auf der Anwendungsebene gegen das Übermaßverbot verstoßen.

4

Der Kläger beantragt,

festzustellen, dass der Bundesnachrichtendienst im Jahre 2012 sein Fernmeldegeheimnis verletzt hat, indem der Bundesnachrichtendienst im Zuge der strategischen Fernmeldeüberwachung nach § 5 Abs. 1 G10 für E-Mails Suchbegriffe in Art und Zahl so beantragt und E-Mails mit den angeordneten Suchbegriffen so durchsucht hat, dass mehr als 850 000 E-Mails mit Treffern ermittelt und der weiteren Bearbeitung zugeleitet wurden, ohne geeignete Vorkehrungen zu treffen, um zu vermeiden, dass E-Mails gelesen werden, die dem Anwaltsgeheimnis unterliegen.

5

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

6

Sie hält die Klage für unzulässig, jedenfalls aber für unbegründet.

7

Der Senat hat eine abgesonderte Verhandlung über die Zulässigkeit der Klage angeordnet und durchgeführt.

8

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des von der Beklagten teilgeschwärzt vorgelegten Jahreshauptantrags gemäß § 5 G10 zum Gefahrenbereich des internationalen Terrorismus für das Jahr 2012 verwiesen.

Entscheidungsgründe

9

Die Feststellungsklage ist unzulässig.

10

Zwar ist der Rechtsweg für das Begehren des Klägers, das sich auf die Rechtmäßigkeit der im Jahr 2012 durchgeführten strategischen Überwachung des E-Mail-Verkehrs nach § 5 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2, 3 und 7 des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10-Gesetz - G10) vom 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1254, 2298), hier anwendbar in seiner zuletzt durch das Gesetz vom 7. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2576) geänderten Fassung, bezieht, nicht ausgeschlossen. Ferner ist die sachliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts nach § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO gegeben. In beiderlei Hinsicht kann uneingeschränkt auf die Ausführungen in dem Urteil vom 28. Mai 2014 - 6 A 1.13 - (BVerwGE 149, 359 Rn. 15 ff.) verwiesen werden, durch das der Senat eine die strategische Überwachung des E-Mail-Verkehrs nach § 5 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2, 3 und 7 G10 im Jahr 2010 betreffende Feststellungsklage des Klägers abgewiesen hat. Jedoch ist die Sachurteilsvoraussetzung eines feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO nicht erfüllt. Auch insoweit hält der Senat im Ergebnis an seiner Entscheidung in dem genannten Vorgängerverfahren fest.

11

Nach § 43 Abs. 1 VwGO feststellungsfähig ist ein Rechtsverhältnis, das sich auf einen konkreten, gerade den jeweiligen Kläger betreffenden Sachverhalt bezieht (1.). Ein Rechtsverhältnis in diesem Sinne wäre im vorliegenden Fall zu bejahen, wenn es im Zuge der in Rede stehenden Beschränkungsmaßnahmen nach § 5 G10 im Jahr 2012 zu einem Eingriff in das durch Art. 10 GG geschützte Fernmeldegeheimnis des Klägers gekommen wäre (2.). Indes ist ein solcher Eingriff nicht mehr feststellbar und damit ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis nicht gegeben, weil sich unter den E-Mails, die der Bundesnachrichtendienst im Jahr 2012 erfasst sowie als nachrichtendienstlich relevant eingestuft und gespeichert hat, kein E-Mail-Verkehr des Klägers befindet, und der Bundesnachrichtendienst ansonsten erfasste, aber nachrichtendienstlich belanglose E-Mails in rechtmäßiger Weise unverzüglich und vollständig gelöscht hat (3.). Der Beurteilung, dass aus diesem Grund eine zulässige Feststellungsklage nicht erhoben werden kann, steht die Garantie effektiven Rechtsschutzes in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG nicht entgegen. Diese Gewährleistung wird durch das auch grundrechtlich verankerte Gebot zur Löschung erfasster, aber für die Aufgabenerfüllung des Bundesnachrichtendienstes nicht erforderlicher E-Mails und die Bestimmungen des Artikel 10-Gesetzes zur erforderlichen Unterrichtung der von Beschränkungsmaßnahmen nach § 5 G10 Betroffenen in zulässiger Weise begrenzt (4.). Die damit verbundene Erschwerung des gerichtlichen Individualrechtsschutzes ist auch deshalb hinnehmbar, weil die G10-Kommission die Rechtmäßigkeit von Beschränkungsmaßnahmen nach § 5 G10 laufend und umfassend kontrolliert und dadurch einen kompensatorischen Grundrechtsschutz gewährleistet (5.).

12

1. Nach § 43 Abs. 1 VwGO kann durch eine auf Grund eines berechtigten Interesses legitimierte Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses - auch eines in der Vergangenheit liegenden - begehrt werden. Unter einem Rechtsverhältnis sind die rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt auf Grund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von natürlichen oder juristischen Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 23. August 2007 - 7 C 2.07 - BVerwGE 129, 199 Rn. 21). Die Beteiligten müssen über die Anwendung einer Rechtsnorm auf einen bestimmten, überschaubaren, gerade auch den jeweiligen Kläger betreffenden Sachverhalt streiten und dürfen den Verwaltungsgerichten nicht lediglich ab-strakte Rechtsfragen, die sich auf der Grundlage eines nur erdachten oder als möglich vorgestellten Sachverhalts stellen, zur Klärung vorlegen (vgl. zu dieser ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts seit dem Urteil vom 8. Juni 1962 - 7 C 78.61 - BVerwGE 14, 235 <236> die Nachweise in: BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2014 - 6 A 1.13 - BVerwGE 149, 359 Rn. 20 f.; aus dem Schrifttum ebenso: Sodan, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 43 Rn. 43 f.; Pietzcker, in: Schoch/Schneider/Bier , VwGO, Band 1, Stand Juni 2016, § 43 Rn. 17).

13

2. Greift der Bundesnachrichtendienst feststellbar auf einen Telekommunikationsverkehr in einer Weise zu, die als Eingriff in das durch Art. 10 GG geschützte Fernmeldegeheimnis zu qualifizieren ist, ist dies geeignet, rechtliche Beziehungen zwischen der Behörde und dem betroffenen Telekommunikationsteilnehmer im Sinne eines nach § 43 Abs. 1 VwGO feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses zu begründen (BVerwG, Urteile vom 23. Januar 2008 - 6 A 1.07 - BVerwGE 130, 180 Rn. 26 und vom 28. Mai 2014 - 6 A 1.13 - BVerwGE 149, 359 Rn. 23). Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem grundlegenden Urteil zur strategischen Fernmeldeüberwachung vom 14. Juli 1999 - 1 BvR 2226/94 u.a. - (BVerfGE 100, 313 <366 f.>) die Grenzen für den Tatbestand des Eingriffs in Art. 10 GG, der die Vertraulichkeit der Kommunikation schützen will, weit gezogen. Danach liegt in jeder Kenntnisnahme, Aufzeichnung und Verwertung von Kommunikationsdaten durch den Staat ein Grundrechtseingriff. Ein Eingriff ist danach schon die Erfassung selbst, insofern sie die Kommunikation für den Bundesnachrichtendienst verfügbar macht und die Basis des nachfolgenden Abgleichs mit den nach § 5 Abs. 1 und 2 G10 angeordneten Suchbegriffen bildet. An einem Eingriff fehlt es nur, soweit Fernmeldevorgänge zwischen deutschen Anschlüssen ungezielt und allein technikbedingt zunächst miterfasst, aber unmittelbar nach der Signalaufbereitung technisch wieder spurenlos ausgesondert werden. Die sich an die Erfassung anschließenden Informations- und Datenverarbeitungsprozesse - insbesondere der Abgleich mit den Suchbegriffen, die weitere Überprüfung durch Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes sowie die Aufbewahrung und Verwendung der als nachrichtendienstlich relevant eingestuften Daten - stellen weitere eigene Eingriffe in das Grundrecht aus Art. 10 GG dar. An diese von dem Bundesverfassungsgericht bei der Beurteilung der strategischen Fernmeldeüberwachung zu Grunde gelegte Definition des Eingriffs in Art. 10 GG ist der Senat gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG gebunden, zumal sie das Bundesverfassungsgericht später in anderem Zusammenhang wiederholt hat (BVerfG, Urteil vom 2. März 2010 - 1 BvR 256/08 u.a. - BVerfGE 125, 260 <309 f.>). Der Senat ist dementsprechend gehindert, an restriktivere Tendenzen anzuknüpfen, die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Hinblick auf die Umschreibung von Eingriffen in das in Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verankerte Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung bei der Erhebung und Filterung von Daten zur Gewinnung von Informationen erkennbar geworden sind (etwa: BVerfG, Beschluss vom 4. April 2006 - 1 BvR 518/02 - BVerfGE 115, 320 <343 f.>, Urteil vom 11. März 2008 - 1 BvR 2074/05 u.a. - BVerfGE 120, 378 <398 f.> vgl. dazu: BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 2014 - 6 C 7.13 - Buchholz 402.41 Allgemeines Polizeirecht Nr. 104 Rn. 26 ff.).

14

3. Zwischen den Beteiligten steht außer Streit, dass sich unter den insgesamt 288 Telekommunikationsverkehren, die der Bundesnachrichtendienst im Rahmen der im Jahr 2012 durchgeführten Beschränkungen nach § 5 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2, 3 und 7 G10 erfasst, als nachrichtendienstlich relevant eingestuft und weiterhin nachweisbar gespeichert hat, kein E-Mail-Verkehr des Klägers befindet. Der Bundesnachrichtendienst hat insoweit nicht in das Grundrecht des Klägers aus Art. 10 GG eingegriffen, so dass in dieser Hinsicht ein Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO nicht entstanden ist.

15

Zu einem derartigen Eingriff mit einer ein Rechtsverhältnis begründenden Wirkung wäre es ferner dann - noch - nicht gekommen, wenn sich ein E-Mail-Verkehr des Klägers unter den rein innerdeutschen Telekommunikationsverkehren befunden haben sollte, die ganz am Anfang des von dem Bundesnachrichtendienst bei der strategischen Fernmeldeüberwachung ins Werk gesetzten Erfassungsvorgangs, das heißt unmittelbar nach der Zuleitung des kopierten Rohdatenstroms aus dem von der Anordnung einer Beschränkungsmaßnahme erfassten Übertragungsweg automatisch spurenlos ausgesondert und sofort gelöscht worden sind. Allein technisch bedingte und umgehend neutralisierte Erfassungen dieser Art haben nach ausdrücklicher Maßgabe des Bundesverfassungsgerichts nicht den Charakter von Eingriffen in das Fernmeldegeheimnis.

16

Nicht ausgeschlossen werden kann demgegenüber zum einen, dass sich ein E-Mail-Verkehr des Klägers in dem von dem Bundesnachrichtendienst erfassten, von rein innerdeutschen Telekommunikationsverkehren bereinigten Strom von Daten befunden hat, der anhand der angeordneten Suchbegriffe automatisch durchsucht worden ist, ohne sich bei dieser Durchsuchung als sogenannter Treffer zu qualifizieren. Nicht auszuschließen ist zum anderen, dass sich ein E-Mail-Verkehr des Klägers bei dem automatischen Durchlauf der Suchbegriffe als Treffer qualifiziert hat, sich dann jedoch bei der unverzüglichen Prüfung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 G10 durch Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes als nachrichtendienstlich irrelevant erwiesen hat. In dem einen wie dem anderen Fall wäre der durch einen Eingriff in das Grundrecht des Klägers aus Art. 10 GG erfasste E-Mail-Verkehr von dem Bundesnachrichtendienst sofort ausgesondert sowie unverzüglich und vollständig gelöscht worden, wie dies mit allen nachrichtendienstlich irrelevanten E-Mails geschehen ist.

17

Diese Löschung wäre in rechtmäßiger Weise vorgenommen worden. Schon unmittelbar aus dem Grundrecht des Art. 10 GG und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergibt sich das auch in der speziellen Regelung des § 6 Abs. 1 Satz 2 G10 normierte Erfordernis, dass Daten, die aus Eingriffen in das Fernmeldegeheimnis stammen, sogleich gelöscht werden, sobald sie für die den Eingriff rechtfertigenden Zwecke nicht mehr erforderlich sind (BVerfG, Urteil vom 14. Juli 1999 - 1 BvR 2226/94 u.a. - BVerfGE 100, 313 <400>; ebenso mit Bezug auf Art. 13 Abs. 1 GG: BVerfG, Urteil vom 3. März 2004 - 1 BvR 2378/98 u.a. - BVerfGE 109, 279 <380>; vgl. zu Art. 8 EMRK: EGMR, Entscheidung vom 29. Juni 2006 - Nr. 54934/00, Weber und Saravia/Deutschland - Rn. 132; EGMR , Urteil vom 4. Dezember 2015 - Nr. 47143/06, Zakharov/Russland - Rn. 255).

18

Weil der Bundesnachrichtendienst seiner Verpflichtung zur Löschung der im Rahmen der strategischen Fernmeldeüberwachung erfassten, aber für seine Aufgabenerfüllung nicht erforderlichen E-Mail-Verkehre nachgekommen ist, hätte er auch einen etwaigen Eingriff in das Grundrecht des Klägers aus Art. 10 GG unverzüglich und folgenlos beseitigt. Ein derartiger Eingriff ist, sofern er stattgefunden hat, nicht mehr feststellbar. Dementsprechend ist ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO nicht gegeben.

19

4. Die Garantie effektiven Rechtsschutzes in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gebietet keine andere Beurteilung. Zwar fordert diese grundsätzlich die Möglichkeit Grundrechtseingriffe gerichtlich nachprüfen zu lassen. Die verfassungsrechtliche Rechtsschutzgarantie erfährt durch die dargestellte Verpflichtung des Bundesnachrichtendienstes zur Datenlöschung in ihrem durch § 6 Abs. 1 Satz 6 G10 geregelten Zusammenspiel mit den in § 12 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 G10 geregelten Maßgaben für die behördliche Pflicht zur Unterrichtung der von Beschränkungsmaßnahmen nach § 5 G10 Betroffenen jedoch eine verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Begrenzung. Denn diese gesetzliche Regelung verhindert im Ergebnis eine Perpetuierung von Grundrechtseingriffen.

20

Das - auch grundrechtlich verankerte - Gebot zur Löschung von für die behördliche Aufgabenerfüllung nicht (mehr) erforderlichen Daten muss im Hinblick auf eine in Frage kommende gerichtliche Kontrolle staatlicher Informations- und Datenverarbeitungsmaßnahmen mit der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG so abgestimmt werden, dass der Rechtsschutz nicht unterlaufen oder vereitelt wird (BVerfG, Urteile vom 14. Juli 1999 - 1 BvR 2226/94 u.a. - BVerfGE 100, 313 <364 f., 400> und vom 3. März 2004 - 1 BvR 2378/98 u.a. - BVerfGE 109, 279 <380>). Diese Abstimmung wird für den Bereich der strategischen Fernmeldeüberwachung durch die genannten Vorschriften des Artikel 10-Gesetzes in nicht zu beanstandender Weise sichergestellt.

21

Gemäß § 12 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 G10 sind Beschränkungsmaßnahmen nach § 5 G10 grundsätzlich nach ihrer Einstellung dem Betroffenen mitzuteilen. Nach § 12 Abs. 2 Satz 1 G10 gilt dies jedoch dann nicht, wenn die personenbezogenen Daten unverzüglich gelöscht wurden. Durch diese Regelung wird eine Mitteilungspflicht für alle diejenigen Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis ausgeschlossen, die von der Erfassung des von rein innerdeutschen Telekommunikationsverkehren bereinigten Rohdatenstroms bis einschließlich der Prüfung der durch die angeordneten Suchbegriffe generierten Treffer auf nachrichtendienstliche Relevanz stattfinden. Mit dem derart umschriebenen Regelungsgehalt trägt die Vorschrift den Vorgaben Rechnung, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zur strategischen Fernmeldeüberwachung aus dem Jahr 1999 zu der Mitteilungsregelung in § 3 Abs. 8 G10 a.F. aufgestellt hat.

22

Nach diesen Vorgaben entspricht es im Grundsatz sowohl dem Erfordernis eines effektiven Schutzes des Grundrechts aus Art. 10 GG als auch einem aus der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG ableitbaren Gebot, dass die von heimlichen Maßnahmen der strategischen Fernmeldeüberwachung Betroffenen nachträglich hierüber informiert werden, weil sie ohne eine solche Mitteilung, sofern sie nicht auf andere Weise von der Erfassung ihres Telekommunikationsverkehrs erfahren haben, weder die Unrechtmäßigkeit der Eingriffe in ihr Fernmeldegeheimnis noch etwaige Rechte auf Löschung oder Berichtigung geltend machen können. Gesetzliche Einschränkungen der Mitteilungspflicht sind jedoch nach Art. 10 Abs. 2 Satz 1 GG und in Ausgestaltung des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG nicht ausgeschlossen. Angesichts der großen Zahl von Erfassungen und des Umstandes, dass das gewonnene Material sich in weitem Umfang als irrelevant erweist und alsbald vernichtet wird, kann ein Verzicht auf die Mitteilung gerechtfertigt sein, wenn die erfassten Daten ohne weitere Schritte sogleich als irrelevant vernichtet worden sind (BVerfG, Urteil vom 14. Juli 1999 - 1 BvR 2226/94 u.a. - BVerfGE 100, 313 <361, 364, 397 ff.>; der Einschätzung nach dem Maßstab des Art. 8 EMRK im Ergebnis zustimmend: EGMR, Entscheidung vom 29. Juni 2006 - Nr. 54934/00, Weber und Saravia/Deutschland - Rn. 135 ff.). Auch wenn das Bundesverfassungsgericht hiernach eine Datenvernichtung ohne weitere Schritte verlangt, bezieht es sich doch auf eine Vernichtung der Daten als irrelevant und setzt damit eine vorherige Relevanzprüfung voraus. Erst bei einer weiteren und die Betroffenen stärker belastenden Verwendung der erhobenen Daten sieht es die Grenze für einen gesetzlich angeordneten Verzicht auf eine Mitteilung erreicht.

23

Diese Maßgaben für die Zulässigkeit einer Einschränkung der Mitteilungspflicht hat das Bundesverfassungsgericht in seiner späteren Rechtsprechung zur unbemerkten Erhebung und Verarbeitung von Telekommunikationsdaten bekräftigt. In diesem Zusammenhang könne es in großem Umfang Personen geben, deren Daten nur zufällig miterfasst worden seien und die selbst nicht im Fokus behördlichen Handelns gestanden hätten. In Bezug auf diese Personen müsse das kurzfristige Bekanntwerden von Daten nicht mit der Hinterlassung von Spuren oder mit Folgen für die Betroffenen verbunden gewesen sein. Deshalb könne im Hinblick auf die von einer Benachrichtigung im Einzelfall ausgehenden Vertiefung des Grundrechtseingriffs eine Benachrichtigung auch ohne eine richterliche Bestätigung grundsätzlich schon dann unterbleiben, wenn die Betroffenen von der Maßnahme nur unerheblich berührt worden seien und anzunehmen sei, dass sie kein Interesse an der Benachrichtigung hätten (BVerfG, Urteil vom 2. März 2010 - 1 BvR 256/08 u.a. - BVerfGE 125, 260 <337>, Beschluss vom 12. Oktober 2011 - 2 BvR 236/08 u.a. - BVerfGE 129, 208 <251>).

24

Diese Voraussetzungen durfte der Gesetzgeber nach der von ihm zu Grunde zu legenden generalisierenden Sichtweise für die hier in Rede stehenden Fallgestaltungen als erfüllt ansehen. Bei der strategischen Fernmeldeüberwachung nach § 5 G10 werden zwar die Telekommunikationsverkehre nicht in einem strengen Sinne nur zufällig miterfasst, denn die Beschränkungsmaßnahmen haben gerade zum Ziel, aus sehr vielen erfassten Verkehren wenige Informationen herauszufiltern. Die Beschränkungen richten sich jedoch - abgesehen von der hier nicht entscheidungserheblichen Überwachung eines Auslandsanschlusses nach § 5 Abs. 2 Satz 3 G10 - nicht gezielt gegen einzelne Personen. Ihr Charakter ist nicht primär personenbezogen, sondern sachbezogen (BVerwG, Urteil vom 23. Januar 2008 - 6 A 1.07 - BVerwGE 130, 180 Rn. 27). Bei den unverzüglich durchgeführten Prüfungen der erfassten Telekommunikationsverkehre auf nachrichtendienstliche Relevanz in Gestalt des automatischen Abgleichs mit den angeordneten Suchbegriffen und der anschließenden Kontrolle durch Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes verbleiben die betroffenen Personen gewissermaßen verborgen im Hintergrund. Sie müssten, damit ihnen die durchgeführten Beschränkungen mitgeteilt werden könnten, durch nicht auf Einzelfälle begrenzbare Maßnahmen erst in den Lichtkegel einer näheren Untersuchung gezogen werden, die durch den Zweck der strategischen Fernmeldeüberwachung in keiner Weise veranlasst wäre. Hierzu müssten sehr große Mengen von Daten, die ansonsten sofort gelöscht werden könnten, über beachtliche Zeiträume gespeichert werden. Alles dies würde für eine unüberschaubare Zahl von Personen Grundrechtseingriffe, die in dem betroffenen Stadium der Relevanzprüfung eine nur geringe Intensität aufweisen, erheblich vertiefen.

25

Nach § 6 Abs. 1 Satz 6 G10 unterbleibt die Löschung von Daten außer in den Fällen der erstmaligen Relevanzprüfung im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 G10, soweit die Daten für eine Mitteilung nach § 12 Abs. 2 G10 oder für eine gerichtliche Nachprüfung der Rechtmäßigkeit der Beschränkungsmaßnahmen von Bedeutung sein können. Die in dieser Vorschrift normierte, mit Blick auf die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gebotene gesetzliche Ausnahme von der ansonsten bestehenden Pflicht zur Löschung nicht mehr benötigter Daten beginnt dort, wo die den Rechtsschutz regelmäßig erst ermöglichende Mitteilungspflicht nach § 12 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 G10 einsetzt, nämlich bei einer Aufbewahrung erhobener Daten über den Zeitpunkt der unverzüglichen Prüfung ihrer Relevanz hinaus. Ebenso wenig wie es vor dem Hintergrund des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG zu beanstanden ist, dass die vor dem besagten Zeitpunkt liegenden Stadien eines Eingriffs in Art. 10 GG nicht der Mitteilungspflicht unterliegen, bestehen aus Gründen der verfassungsrechtlichen Rechtsschutzgarantie Bedenken dagegen, dass die entsprechenden Daten unverzüglich gelöscht werden. Während nämlich die Mitteilung dem Betroffenen die für die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes notwendige Kenntnis von den Beschränkungsmaßnahmen verschafft, sichert die Aufbewahrung der Daten das Beweismaterial für eine gerichtliche Prüfung. Demgegenüber ist der Gesetzgeber, soweit er ein Absehen von der rechtsschutzermöglichenden Mitteilung vorsehen darf, auch nicht gehalten, Beweissicherung für ein etwaiges Gerichtsverfahren zu betreiben.

26

Aus dem beschriebenen Zusammenhang der Pflicht zur nachträglichen Mitteilung von Beschränkungsmaßnahmen und dem Unterbleiben einer Löschung von Daten ergibt sich ferner, dass auch die Regelungen in § 5 Abs. 2 Satz 6 und § 6 Abs. 1 Satz 5 G10 über die Löschung von Protokolldaten am Ende des auf die Protokollierung folgenden Kalenderjahres - im vorliegenden Fall des Jahres 2013 - mit der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG vereinbar sind. Sofern das Bundesverfassungsgericht vergleichbare Löschungsregelungen wegen der Kürze der Protokollaufbewahrungsfrist beanstandet hat, betraf dies nur Konstellationen, in denen - anders als hier - eine uneingeschränkte Mitteilungspflicht bestand (BVerfG, Urteil vom 20. April 2016 - 1 BvR 966/09 u.a. - NJW 2016, 1781 Rn. 205, 246, 269 i.V.m. Rn. 138 und 272).

27

5. Die Erschwerung des Individualrechtsschutzes, die sich aus den beschriebenen Bestimmungen des Artikel 10-Gesetzes ergibt und schon wegen der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelungen keinen Bedenken unterliegt, wird überdies durch den Grundrechtsschutz kompensiert, der aus der Kontrolltätigkeit der G10-Kommission erwächst.

28

Die G10-Kommission entscheidet nach § 15 Abs. 5 G10 i.V.m. § 1 Abs. 2 G10 von Amts wegen oder auf Grund von Beschwerden über die Zulässigkeit und Notwendigkeit von Beschränkungsmaßnahmen. Ihre Kontrollbefugnis erstreckt sich auf die gesamte Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der nach dem Artikel 10-Gesetz erlangten personenbezogenen Daten durch Nachrichtendienste des Bundes einschließlich der Entscheidung über die Mitteilung an Betroffene.

29

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil aus dem Jahr 1999 betont, dass wegen der Rechtsschutzerschwerung, die sich - auch außerhalb des durch den Rechtswegausschluss nach Art. 10 Abs. 2 Satz 2 GG und § 13 G10 erfassten Bereichs - aus der Unbemerkbarkeit der Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis, der Undurchsichtigkeit des anschließenden Datenverarbeitungsvorgangs und der Möglichkeit von Mitteilungsbeschränkungen ergebe, eine Kontrolle durch unabhängige und an keine Weisung gebundene staatliche Organe und Hilfsorgane grundrechtlich geboten sei (BVerfG, Urteil vom 14. Juli 1999 - 1 BvR 2226/94 u.a. - BVerfGE 100, 313 <361>; zum Erfordernis verfahrensmäßiger Kompensation für Einschränkungen individuellen Rechtsschutzes in vergleichbaren Zusammenhängen: BVerfG, Urteile vom 24. April 2013 - 1 BvR 1215/07 - BVerfGE 133, 277 Rn. 213 ff. und vom 20. April 2016 - 1 BvR 966/09 u.a. - NJW 2016, 1781 Rn. 135, 140 f.; vor dem Hintergrund von Art. 8 EMRK: EGMR, Entscheidung vom 29. Juni 2006 - Nr. 54934/00, Weber und Saravia/Deutschland - Rn. 115 ff.; Urteil vom 12. Januar 2016 - Nr. 37138/14 - Szabó und Vissy/Ungarn - Rn. 75 ff.). In einer neuen Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht dargelegt, dass die G10-Kommission als neutrale Instanz zum einen der Einbindung der Exekutive und zum anderen der kompensatorischen Repräsentation der Interessen der Betroffenen durch eine laufende und umfassende Rechtskontrolle diene. Durch ihre Kontrolltätigkeit werde die Rechtmäßigkeit heimlicher staatlicher Überwachungsmaßnahmen prozedural abgesichert (BVerfG, Beschluss vom 20. September 2016 - 2 BvE 5/15 - NVwZ 2016, 1701 Rn. 54, 57).

30

Es steht in Übereinstimmung mit diesen Maßgaben, dass der Senat in seiner Vorgängerentscheidung aus dem Jahr 2014 unter Verweis auf die Befugnisse und den spezialisierten Sachverstand der G10-Kommission einen effektiven kompensatorischen Grundrechtsschutz als gewährleistet erachtet hat (BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2014 - 6 A 1.13 - BVerwGE 149, 359 Rn. 40 f.; in diesem Sinne bereits zuvor: BVerwG, Urteil vom 23. Januar 2008 - 6 A 1.07 - BVerwGE 130, 180 Rn. 44 f.).

31

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

Tenor

Es wird festgestellt, dass die Klägerinnen nicht kraft Gesetzes verpflichtet sind, das von dem Beklagten veranstaltete Fernsehprogramm „NDR Fernsehen“ sowie das von dem Beklagten mitveranstaltete Fernsehprogramm „Das Erste“ unentgeltlich zu verbreiten.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Widerklage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerinnen zu 1/3 und der Beklagte zu 2/3. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten für jeden Gläubiger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der jeweils festzusetzenden Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Kabelnetze betreibenden Klägerinnen begehren in erster Linie die Feststellung, gegenüber dem Beklagten einen Anspruch auf Vertragsschluss wegen der Netzeinspeisung von ihm veranstalteter und mitveranstalteter Fernsehprogramme zu besitzen; hilfsweise wollen sie weitere auf die Verbreitung bezogene Feststellungen erlangen. Widerklagend erstrebt der Beklagte die Feststellung, die auf den Abschluss solcher Verträge gerichteten Angebote der Klägerinnen seien aus im Einzelnen geltend gemachten Gründen unzulässig.

2

Die Klägerinnen betreiben regionale Breitbandkabelnetze im Zuständigkeitsbereich der drei beigeladenen Landesmedienanstalten. Der Beklagte ist eine der in der ARD zusammengeschlossenen öffentlich-rechtlich verfassten Landesrundfunkanstalten. Er veranstaltet u.a. das Fernsehprogramm „NDR Fernsehen“ und ist Mitveranstalter des Fernsehprogramms „Das Erste“.

3

Die Klägerinnen verbreiten diese Programme neben weiteren öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Rundfunkprogrammen in ihren Netzen, mit denen sie ihren Endkunden darüber hinaus zahlreiche weitere Telekommunikationsdienstleistungen anbieten. Unter den vom Beklagten genutzten Verbreitungswegen für die streitgegenständlichen Programme – terrestrische Verbreitung (DVBT), Verbreitung über Satellit sowie per Internet (Streaming) – erreichen die Netze der Klägerinnen mit über 40 % die relativ meisten Rundfunkteilnehmer. In der Vergangenheit hatte der Beklagte – wie sämtliche anderen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten – mit den Klägerinnen über die Verbreitung ihrer Programme privatrechtliche Verträge geschlossen. Darin waren (für sämtliche Rundfunkanstalten) Einspeisegebühren in Höhe von rund ... Mio. Euro jährlich und bestimmte technische Modalitäten zur Einspeisung der Signale in die Netze der Klägerinnen vereinbart. Diese Verträge hat der Beklagte – wie sämtliche anderen öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter – zum 31.12.2012 gekündigt. Die Wirksamkeit der Kündigungen greifen die Klägerinnen – bislang erfolglos – vor den Zivilgerichten an. Die technische Einspeisung der streitgegenständlichen Programme in die Netze der Klägerinnen erfolgt ungeachtet dessen unverändert auf die vertraglich vereinbarte Weise.

4

Die Klägerinnen haben dem Beklagten wiederholt und vergeblich Vertragsangebote über den Abschluss neuer Einspeiseverträge unterbreitet.

5

Am 30.4.2013 haben die Klägerinnen die vorliegende Klage anhängig gemacht. Sie machen geltend, der Beklagte sei wie die anderen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nach dem gesetzlichen Auftrag verpflichtet, die Verbreitung ihrer Programme über ihre Breitbandkabelnetze, das sog. „Fernsehkabel“, sicherzustellen. Die privilegierte rechtliche Ausgestaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und seine finanzielle Ausstattung durch die von allen Haushalten erhobenen Rundfunkbeiträge werde durch seine Aufgabe zur Versorgung der Bevölkerung mit vielfältigen Programmen und insbesondere der Grundversorgung mit Rundfunkprogrammen gerechtfertigt. Daher gehörten gemäß §§ 11 Abs. 1 Satz 1, 19 Rundfunkstaatsvertrag (RStV) nicht nur die Herstellung, sondern auch die Verbreitung ihrer Programme zu dem ihm obliegenden gesetzlichen Auftrag. Nach § 19 RStV könne der Beklagte dieser Aufgabe durch Nutzung geeigneter Übertragungswege nachkommen. Damit sei ihm ein Ermessen eröffnet, welches er nach dem Zweck der Ermessenseinräumung und unter Berücksichtigung ihrer Grundrechte auszuüben habe. Dabei komme es entscheidend auf die tatsächlichen Gegebenheiten des Rundfunkempfangs an. Daher könne auf die Verbreitung über die von ihnen betriebenen Netze, die mit Abstand populärste Art der Verbreitung, schlechthin nicht verzichtet werden. Dies gelte auch unter dem gemäß § 19 Satz 2 RStV maßgeblichen Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Der von ihnen angebotene Verbreitungsweg sei erheblich preisgünstiger als die Verbreitung über andere Infrastrukturen. Solange ein ganz wesentlicher Anteil der Rundfunkhaushalte die Programme über das Kabelnetz empfange, sei das Ermessen des Beklagten, ob er diesen Verbreitungsweg nutzen wolle, auf die allein rechtmäßige Auswahlentscheidung, nämlich die Verpflichtung seine Programme über ihre Netze zu verbreiten, reduziert. Mangels hoheitlicher Mittel zur Erfüllung dieser Verpflichtung müsse der Beklagte zur Erfüllung dieser Aufgabe mit ihnen zivilrechtliche Einspeiseverträge schließen.

6

Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus den Vorschriften über die Plattformregulierung. In § 52b RStV und den entsprechenden landesgesetzlichen Pflichten für den mit analogen Programmen belegten Bereich des Kabels sei ihre Verpflichtung statuiert, bestimmte Kapazitäten für die in den Vorschriften näher bestimmten Programme bereitzuhalten und den jeweiligen Programmveranstaltern die Einspeisung dieser Programme zu angemessenen Bedingungen anzubieten. Das ergebe sich bereits aus dem Wortlaut des § 52b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 RStV, wonach sie als Plattformbetreiber sicherzustellen hätten, dass die erforderlichen Kapazitäten für die dort bezeichneten Programme „zur Verfügung stehen“. Hierin sei keine Pflicht zur Einspeisung oder Verbreitung der Programme zu erkennen. Ebenso wenig wie die privaten Rundfunkveranstalter könnten die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten mit dem in § 52b RStV geregelten Must-Carry-Status ihrer Programme einen Anspruch auf kostenlose Verbreitung begründen. Dass der rundfunkrechtlichen Ausgestaltung keine Verpflichtung zur unentgeltlichen Verbreitung zugrunde liege, ergebe sich insbesondere auch daraus, dass bestimmte Programme des Bürgerfunks (offene Kanäle) nach den Landesmediengesetzen ausdrücklich kostenlos einzuspeisen seien. Dies bedeute im Umkehrschluss, dass alle übrigen Programmveranstalter sich gerade nicht auf einen Anspruch auf kostenlose Verbreitung berufen könnten, sondern für die Einspeisung ein angemessenes Entgelt zu zahlen hätten. Für ihren hieraus folgenden Anspruch auf Abschluss entsprechender Einspeiseverträge sei es unerheblich, dass der Rundfunkauftrag der öffentlich-rechtlichen Anstalten nicht in ihrem Interesse, sondern im Interesse der Allgemeinheit bestehe. Denn die Einschränkung ihrer grundrechtlich geschützten Kabelbelegungsfreiheit wäre unverhältnismäßig, wenn die Rundfunkanstalten nicht zur Einspeisung der zur Verbreitung vorgesehenen Must-Carry-Programme verpflichtet wären. Bestünde für den Beklagten keine Pflicht zum Vertragsschluss, würde der verfassungsrechtliche Grund für ihre Angebotspflicht entfallen.

7

Darüber hinaus sei es unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung mit den anderen von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zur Erfüllung ihres Verbreitungsauftrags genutzten Telekommunikationsdienstleistern geboten, dass der Beklagte mit ihnen, ebenso wie mit den Betreibern der anderen Verbreitungswege, entgeltliche Verträge schließe.

8

Die Klägerinnen beantragen,

9

festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, mit ihnen einen Vertrag über die Verbreitung des von ihm veranstalteten Fernsehprogramms „NDR Fernsehen“ sowie des von ihm mitveranstalteten Fernsehprogramms „Das Erste“ unter Einschluss der Regelung eines für die Verbreitung zu entrichtenden Einspeiseentgelts zu schließen,

10

hilfsweise festzustellen, dass sie ohne Abschluss eines solchen Vertrags nicht verpflichtet sind, das von dem Beklagten veranstaltete Fernsehprogramm „NDR Fernsehen“ sowie das von dem Beklagten mitveranstaltete Fernsehprogramm „Das Erste“ zu verbreiten,

11

weiter hilfsweise festzustellen, dass sie nicht kraft Gesetzes verpflichtet sind, das von dem Beklagten veranstaltete Fernsehprogramm „NDR Fernsehen“ sowie das von dem Beklagten mitveranstaltete Fernsehprogramm „Das Erste“ unentgeltlich zu verbreiten.

12

Der Beklagte beantragt,

13

die Klage abzuweisen.

14

Er wendet ein, die Klage sei bereits unzulässig. Die begehrte Feststellung sei jedenfalls im Hinblick auf die Entgeltlichkeit keine öffentlich-rechtliche Streitigkeit. Damit sei schon der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet. Den Klägerinnen fehle auch das erforderliche Feststellungsinteresse. Sie setzten sich mit der vorliegenden Klage in Widerspruch zu den parallel betriebenen zivilrechtlichen Streitigkeiten. Würde der Einspeisevertrag, wie dort von den Klägerinnen geltend gemacht, fortbestehen, sei für die hier begehrte Feststellung von vornherein kein Raum. Im Hinblick darauf sei die Feststellungsklage auch subsidiär, weil der in § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO geregelte Grundsatz rechtswegübergreifend gelte. In offenkundiger Ermangelung eines subjektiven öffentlichen Rechts fehle den Klägerinnen die Klagebefugnis für den Hauptantrag. Der Antrag sei zudem entgegen § 82 Abs. 1 Satz 2 VwGO unbestimmt, weil völlig unklar bleibe, was mit dem Begriff der Entgeltlichkeit gemeint sei. Die Klägerinnen erhielten von ihm und den anderen öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstaltern wertvolle Programmsignale, worin aktuell bereits eine „Entgeltlichkeit“, nämlich das Zurverfügungstellen eines werthaltigen Produktes, zu sehen sei. Im Falle einer antragsgemäßen Verurteilung wäre es ihm mangels Vorgaben zum Inhalt des Vertrages unmöglich, das Urteil zu befolgen und umzusetzen. Eine Befriedung des Rechtsstreits wäre nicht erreicht.

15

Die Klage sei überdies unzulässig, weil „Das Erste“ als Gemeinschaftsprogramm von allen ARD-Rundfunkanstalten veranstaltet werde. Es könne daher auch nur von allen diesen Anstalten gemeinschaftlich zur Verfügung gestellt werden. Insoweit sei er nicht passiv legitimiert, vielmehr bestehe eine notwendige Streitgenossenschaft.

16

Der Hauptantrag sei jedenfalls unbegründet. Für die geltend gemachte Verpflichtung fehle es an jedem Rechtsgrund. Es bestehe allenfalls seine rein objektiv-rechtliche Verpflichtung zur Verbreitung der von ihm veranstalteten Programme. Eine solche Verpflichtung könnten die Klägerinnen nicht durchsetzen, dies obliege der für ihn bestehenden Rechtsaufsicht. Der Grundversorgungsauftrag enthalte keine subjektiv-rechtliche Dimension. Er diene unter keinem Gesichtspunkt auch dem Schutz der Klägerinnen. Nach der verfassungsrechtlichen Ausgestaltung in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG und der hierzu ergangenen verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung ziele der Grundversorgungsauftrag allein auf die Versorgung der Bevölkerung als Allgemeinheit. Ein abgrenzbarer Kreis Begünstigter sei nicht zu erkennen. Dies treffe auch auf die in § 19 RStV erfolgte einfachgesetzliche Ausgestaltung zu. Die den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zugewiesene Autonomie in der Veranstaltung von Rundfunk umfasse notwendigerweise auch die Modalitäten der Verbreitung der im Einzelnen veranstalteten Programme. Im Rahmen seiner Ausgestaltungskompetenz habe der Gesetzgeber sichergestellt, dass die Klägerinnen als markt- und meinungsmächtige Plattformbetreiber nicht den Rezipienten insbesondere die Vielfalt sichernden öffentlich-rechtlichen Programme vorenthielten, indem er ihnen Must-Carry-Pflichten auferlegt habe. Eine Pflicht der Rundfunkanstalten zur Zahlung von Einspeiseentgelten habe er dabei nicht normiert. Dies sei auch folgerichtig. Denn eine Zahlungspflicht könne zu nichts anderem führen als zu einer Subventionierung des Geschäftsmodells der Klägerinnen. Dieses profitiere aber ohnehin schon von der Verbreitung der werthaltigen öffentlich-rechtlichen Programme. Einem weiteren Wertzufluss in Form von Einspeiseentgelten fehle es an jeder sachlichen Rechtfertigung. Darin liege auch nicht etwa eine Ungleichbehandlung im Hinblick auf andere mit der Verbreitung befasste Dienstleister. Denn im Gegensatz zu diesen verfügten die Klägerinnen über Endkundenbeziehungen, aus denen sie sich, wie die tatsächlichen Verhältnisse zeigten, außerordentlich auskömmlich finanzieren könnten.

17

Aus der Vorschrift des § 19 RStV könnten die Klägerinnen bereits deshalb nichts für sich herleiten, weil der den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten dort eingeräumte Spielraum nicht als Ermessen aufzufassen sei. Hinsichtlich der technischen Ausgestaltung des Verbreitungsauftrages könne er davon ausgehen, dass die Erreichbarkeit der „Kabelkunden“ zum einen durch das wirtschaftliche Eigeninteresse der Klägerinnen an der gewinnbringenden Verbreitung und Vermarktung der wertvollen öffentlich-rechtlichen Programme und andererseits durch die gesetzlichen Must-Carry-Verpflichtungen hinlänglich abgesichert sei.

18

Aus den von den Klägerinnen in Anspruch genommenen Grundrechten aus Art. 12 GG und Art. 14 GG ergebe sich ebenfalls nichts für einen Kontrahierungsanspruch. Diese Grundrechte seien prinzipiell als reine Abwehrrechte gegenüber dem Staat ausgestaltet. Er sei jedoch selbst Grundrechtsträger. Soweit aus Art. 12 GG überhaupt Teilhaberechte abzuleiten seien, seien diese an den Gesetzgeber adressiert. Individualansprüche kämen allenfalls bei evidenter Verletzung eines Verfassungsauftrages in Betracht. Aus den Must-Carry-Bestimmungen des Rundfunkstaatsvertrages lasse sich ebenso wenig ein Vergütungsanspruch oder ein Anspruch auf Vertragsschluss herleiten. Dies gelte schon deshalb, weil sie sich zur Frage eines solchen Anspruches offenkundig gar nicht äußern würden. Vielmehr verpflichte die Regelung des § 52b Abs. 1 Satz 1 lit. a RStV die Klägerinnen zur unbedingten Weiterverbreitung der öffentlich-rechtlichen Programme. Diese Verpflichtung umfasse nicht nur die Bereitstellung von Kapazität im Sinne einer bloßen Vorhaltung („must provide“), sondern sie fordere die tatsächliche Einspeisung und Verbreitung der Programme über die Netze der Klägerinnen. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut der Norm („zur Verfügung stehen“ und „zu verbreiten“) sowie aus der Systematik, der Entstehungsgeschichte und Sinn und Zweck der Vorschriften. An den Abschluss eines Einspeisevertrages oder auch nur einer Vergütungsregelung sei die Verbreitungsverpflichtung nicht geknüpft. Darüber hinaus sei für einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsfreiheit der Klägerinnen schon deshalb nichts ersichtlich, weil den Klägerinnen ihre Berufsausübung – die Belieferung und Vermarktung von Rundfunksignalen an Betreiber nachgelagerter Netze und Haushalte – gerade erst durch die Überlassung der wertvollen öffentlich-rechtlichen Programmsignale ermöglicht werde. Damit erhielten die Klägerinnen von ihm eine Leistung, die ihnen erst ihr Geschäftsmodell ermögliche. Schließlich würde die Annahme eines Kontrahierungszwangs auch unmittelbar in Grundrechte der Rundfunkveranstalter eingreifen. Dies würde zum einen einen Eingriff in die Rundfunkfreiheit darstellen, für den eine Rechtsgrundlage nicht ersichtlich sei. Wollte man hingegen eine Vergütungspflicht annehmen, würde das zu einer enormen Belastung der Allgemeinheit führen. Denn jedes Unternehmen, welches über Telekommunikationsnetze und mehr als 10.000 angeschlossene Wohnungen verfüge, könne dann für die Verbreitung öffentlich-rechtlicher Rundfunkprogramme eine Vergütung verlangen. Dies sei angesichts der Vielzahl entsprechender Betreiber und Anbieter, von denen bislang niemand ein Einspeiseentgelt erhalten habe, ein naheliegendes und wirtschaftlich folgenreiches Risiko. Der von den Klägerinnen in Anspruch genommene Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sei von vornherein nicht verletzt, weil die Klägerinnen im Gegensatz zu den anderen „Verbreitungsdienstleistern“ über Endkundenbeziehungen verfügten.

19

Die Hilfsanträge seien ebenfalls unzulässig. Er sei der falsche Klagegegner. Richtiger Klagegegner der Feststellungsklage sei derjenige, dem gegenüber das Rechtsverhältnis oder, wie hier, das Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses festgestellt werden solle. Die Must-Carry-Pflichten der Klägerinnen bestünden indes nicht ihm gegenüber. Er habe sich nie eines eigenen Anspruches gegen die Klägerinnen berühmt. Vielmehr bestünden diese Verpflichtungen lediglich im Verhältnis zu den jeweils zuständigen Beigeladenen. Die Feststellungsklage sei auch nicht im Hinblick auf ein Drittrechtsverhältnis zulässig. Das Bundesverwaltungsgericht habe dies für Fälle zugelassen, in denen die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses zwischen dem Beklagten und einem Dritten begehrt wurde. Vorliegend solle jedoch das Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses zwischen den Klägerinnen und einem Dritten, nämlich der jeweiligen Landesmedienanstalt, festgestellt werden. Deshalb sei auch kein Feststellungsinteresse der Klägerinnen gerade ihm gegenüber anzuerkennen. Die Klage sei auch hinsichtlich der Hilfsanträge deshalb unzulässig, weil die ARD-Rundfunkanstalten in Bezug auf diese Klagegegenstände eine notwendige Streitgenossenschaft bildeten.

20

Jedenfalls seien auch die Hilfsanträge unbegründet. Die Klägerinnen seien nämlich gesetzlich verpflichtet, die streitgegenständlichen Programme in ihre Netze einzuspeisen, soweit ihnen in diesen Netzen Must-Carry-Status zukomme. Zu berücksichtigen sei schließlich, dass die von den Klägerinnen mit Haupt- und Hilfsanträgen begehrten Feststellungen angesichts der rundfunk- und kartellrechtlichen Unzulässigkeit der Erhebung von Einspeiseentgelten ins Leere liefen. Die Klägerinnen könnten die von ihnen begehrten Einspeiseentgelte nicht geltend machen, da sie hierdurch gegen das Angemessenheitsgebot des § 52d Satz 2 RStV, das Missbrauchsverbot des § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB sowie die Diskriminierungsverbote aus § 52d RStV, § 19 GWB verstießen.

21

Widerklagend beantragt der Beklagte und Widerkläger für den Fall des Erfolgs der Klägerinnen im Haupt- oder einem Hilfsantrag,

22

festzustellen, dass die Forderung eines Entgelts für die Einspeisung und Weiterverbreitung der Programme „NDR Fernsehen“ und „DasErste“ über die Netze der Klägerinnen unzulässig ist,

23

hilfsweise festzustellen, dass die Forderung eines Entgelts für die Einspeisung und Weiterverbreitung der Programme „NDR Fernsehen“ und „DasErste“ über die Netze der Klägerinnen unzulässig ist, solange und soweit dieses Entgelt der Höhe nach dem Saldo aus den Einspeiseentgelten und der Rückvergütung, die die privaten Rundfunkveranstalter der RTL-Gruppe und der ProSieben.SAT 1 Media-Gruppe von den Klägerinnen erhalten, je erreichter Wohneinheit übersteigt.

24

Die Klägerinnen und Widerbeklagten treten dem entgegen und beantragen,

25

die Widerklage abzuweisen.

26

Die Beigeladenen stellen ausdrücklich keinen Antrag.

27

In der Sache ziehen sie das Bestehen eines Feststellungsinteresses der Klägerinnen in Bezug auf den Hauptantrag nicht in Zweifel. Allerdings sei dieser Antrag wohl unzulässig, weil man die verwaltungsgerichtliche Feststellungsklage gegenüber den anhängigen zivilgerichtlichen Leistungsklagen als nachrangig anzusehen haben werde. Der Hauptantrag sei jedenfalls unbegründet, weil sich die Klägerinnen auf kein ihre Feststellungen tragendes subjektives öffentliches Recht stützen könnten. Sämtliche öffentlich-rechtlichen Normen, welche die Klägerinnen anführten, bestünden im Allgemeininteresse und vermittelten ihnen keine subjektiven Rechtspositionen. Hinsichtlich der Hilfsanträge sei das Bestehen eines der Feststellung fähigen Rechtsverhältnisses zu dem Beklagten zu bezweifeln. Zulässigkeitszweifel würden sich weiter daraus ergeben, dass die Klägerinnen die Möglichkeit hätten, die von ihnen vorliegend aufgeworfenen Rechtsfragen auch durch sie, die Beigeladenen, im Rahmen eines auf Erlass eines entsprechendes Feststellungsbescheids gerichteten Verwaltungsverfahrens klären zu lassen. Materiell-rechtlich sei es hingegen zweifelhaft, ob die Klägerinnen einer gesetzlichen Verpflichtung zur unentgeltlichen Verbreitung der streitgegenständlichen Programme unterlägen.

28

Wegen der Einzelheiten des sehr umfangreichen Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf deren Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

29

Über die Frage der Zulässigkeit des Verwaltungsrechtsweges hat die Kammer mit Beschluss vom 28.5.2014 bejahend vorab entschieden. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Beklagten hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 8.10.2014 (4 So 62/14) zurückgewiesen.

30

Das Gericht hat mit den Klägerinnen und dem Beklagten die Sach- und Rechtslage am 28.5.2014 erörtert. Auf die Verhandlungsniederschrift (Bl. 625 ff. d.A.) wird Bezug genommen.

31

Mit Beschluss vom 14.10.2014 hat die Kammer die für das Verbreitungsgebiet der Klägerinnen zuständigen drei Landesmedienanstalten beigeladen.

32

Am 29.4.2015 hat die Kammer über den Rechtsstreit mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

33

Die Klägerinnen können mit ihrem Hauptantrag nicht durchdringen. Das hiermit angebrachte Feststellungsbegehren ist zulässig, aber unbegründet (1.). Der erste Hilfsantrag ist ebenfalls abzuweisen. Er ist bereits unzulässig (2.). Hingegen ist das mit dem zweiten Hilfsantrag verfolgte Rechtsschutzbegehren der Klägerinnen zulässig und begründet (3.). Die Widerklage ist mit beiden Anträgen unzulässig und daher abzuweisen (4.).

34

1. Der Hauptantrag ist zulässig (a), aber unbegründet (b).

35

a) Der Hauptantrag ist zulässig.

36

aa) Für das Feststellungsbegehren der Klägerinnen ist der Verwaltungsrechtsweg gemäß § 40 Abs. 1 VwGO eröffnet. Es handelt sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art, für die eine anderweitige Gerichtswegzuständigkeit nicht vorgeschrieben ist. Weiterer Ausführungen hierzu bedarf es nicht, weil der diesbezügliche Beschluss der Kammer vom 28.5.2014 nach der die Beschwerde des Beklagten zurückweisenden Entscheidung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts rechtskräftig geworden ist. Zwischenzeitlich ist die in den angeführten Entscheidungen vertretene Auffassung auch vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt worden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 4.3.2015 – 6 B 58/14 – juris).

37

bb) Zweifel an der Zulässigkeit der Klage sind nicht wegen der vom Beklagten geltend gemachten Unbestimmtheit des Antrages veranlasst. Was unter einem „für die Verbreitung zu entrichtenden Einspeiseentgelt“ zu verstehen ist, ist eindeutig, nämlich die Gegenleistung für die von den Klägerinnen erbrachte Telekommunikationsdienstleistung. Hierdurch wird der angestrebte Vertrag kategorial als entgeltlicher gekennzeichnet. Die bloße Überlassung der Programmsignale durch den Beklagten würde ersichtlich nicht die Kategorie der Entgeltlichkeit erfüllen. Im Übrigen wäre es nach der in § 13 Satz 2 RStV enthaltenen Bewertung – dem Verbot, für vom Verbreitungsauftrag umfasste Programme ein besonderes Entgelt zu verlangen – ohnehin ausgeschlossen, die Programmsignalüberlassung als Entgelt anzusehen.

38

Dass in dem Klagantrag „Entgeltlichkeit“ als bloße Kategorie und nicht etwa als bezifferter Betrag enthalten ist, begründet ebenfalls keine Unbestimmtheit. Über die Höhe eines solchen Entgelts wäre im vorliegenden Verfahren offenkundig nicht zu befinden. Hierin kann mithin keine Unbestimmtheit des Antrages liegen.

39

cc) Die Klagebefugnis der Klägerinnen ist unter dem Gesichtspunkt eines ihr Begehren stützenden subjektiven Rechts nicht zu bezweifeln. Ob ein solches besteht, ist gerade wesentlicher sachlicher Inhalt des Rechtsstreits. Hierüber ist daher im Rahmen der Begründetheit der Klage und nicht bereits bei der Prüfung ihrer Zulässigkeit zu befinden.

40

dd) Der Zulässigkeit der Klage steht auch nicht der von Amts wegen zu berücksichtigende Einwand der anderweitigen Rechtshängigkeit gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 GVG entgegen. Die Vorschrift dient der Prozessökonomie und zugleich der Vermeidung einander widersprechender Entscheidungen. Sie setzt voraus, dass der identische Streitgegenstand bereits zur Entscheidung durch ein anderes Gericht bzw. eine andere Gerichtsbarkeit gestellt worden ist. Daran fehlt es hier. Die von dem Beklagten insoweit genannten parallelen zivilgerichtlichen Verfahren betreffen einen anderen Streitgegenstand, nämlich die Frage der Wirksamkeit der Kündigung zivilrechtlicher Verträge. Dieser Streitgegenstand ist nicht identisch mit dem vorliegenden Rechtsschutzbegehren, welches auf die Feststellung eines öffentlich-rechtlichen Kontrahierungszwanges gerichtet ist (vgl. a. OVG Hamburg, a.a.O., juris Rn 16). Einander widersprechende Gerichtsentscheidungen sind folglich nicht zu besorgen.

41

ee) Ferner bezieht sich die Klage auf ein im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO der Feststellung zugängliches Rechtsverhältnis zwischen den Klägerinnen und dem Beklagten. Nach der Rechtsbehauptung der Klägerinnen soll sich aus öffentlich-rechtlichen Vorschriften oder Rechtsinstituten die Verpflichtung des Beklagten ergeben, mit ihnen einen (zivilrechtlichen) Vertrag zu schließen. Ein derartiger öffentlich-rechtlicher Kontrahierungszwang würde unmittelbar Rechte bzw. Pflichten zwischen den Klägerinnen und dem Beklagten begründen und stellt danach ein der (positiven) Feststellung zugängliches Rechtsverhältnis dar. Das diesbezügliche Feststellungsinteresse der Klägerinnen wird auch von dem Beklagten zu recht nicht in Zweifel gezogen.

42

ff) Die Feststellungsklage ist auch nicht nach § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO unzulässig. Danach kann die Feststellung nicht begehrt werden, soweit die Klägerinnen ihre Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen können oder hätten verfolgen können. Die hiermit ausgesprochene Subsidiarität wirkt rechtswegübergreifend. Indes sind die parallelen zivilgerichtlichen Streitigkeiten entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten nicht im Sinne von § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO vorrangig. Dies folgt unmittelbar daraus, dass sie, wie ausgeführt, einen anderen Streitgegenstand betreffen. Die Klägerinnen können daher in diesem Verfahren auch keinen gleichwertigen und im Sinne der in Rede stehenden Vorschrift vorrangig zu verfolgenden Rechtsschutz erlangen. Denn ein der materiellen Rechtskraft zugänglicher Ausspruch des Inhalts, dass zwischen den Klägerinnen und dem Beklagten ein öffentlich-rechtlicher Kontrahierungszwang besteht, ist in den zivilgerichtlichen Verfahren nicht zu erlangen.

43

gg) Der Zulässigkeit der Klage kann schließlich auch nicht mit Erfolg der vom Beklagten geltend gemachte Einwand der fehlenden Passivlegitimation im Hinblick auf das Fernsehprogramm „Das Erste“ entgegen gehalten werden.

44

(1) Zwar handelt es sich bei diesem Fernsehprogramm fraglos um ein von allen in der eigener Rechtspersönlichkeit ermangelnden ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten gemeinschaftlich veranstaltetes Programm (vgl. § 11b Abs. 1 Ziff. 1 RStV). Doch folgt hieraus keine notwendige Streitgenossenschaft der übrigen Mitveranstalter. Dies dürfte schon deshalb gelten, weil insoweit ein der Gesamthand entsprechendes Rechtsverhältnis der in der ARD zusammengeschlossenen Anstalten anzunehmen ist. Im Außenverhältnis dürfte mithin jede Landesrundfunkanstalt als Veranstalter des Gemeinschaftsprogramms aufzufassen sein (vgl. Binder in Hahn/Vesting, Rundfunkrecht, 3. Aufl. 2012, § 11b RStV Rn. 63).

45

(2) Darauf kommt es jedoch nicht entscheidend an. Denn aus dem Antrag der Klägerinnen ergibt sich, dass sie gerade auf die rundfunkrechtliche Position des Beklagten als Mitveranstalter des Gemeinschaftsprogramms Bedacht nehmen. Es ist daher nicht zu erkennen, weshalb sie gehindert sein sollten, einzelne Landesrundfunkanstalten – und damit auch den Beklagten – auf den Abschluss eines solchen Vertrages als Mitveranstalter des Gemeinschaftsprogramms in Anspruch zu nehmen. Ob die Klägerinnen parallel sämtliche oder nur einzelne Landesrundfunkanstalten verklagen oder sich auf die vorliegende Klage konzentrieren, steht ihnen im Rahmen ihrer prozessualen Dispositionsbefugnis frei.

46

b) Der zulässige Hauptantrag ist jedoch unbegründet. Weder aus Vorschriften des einfachen Rechts noch aus den von den Klägerinnen in Anspruch genommenen verfassungsrechtlichen Normen lässt sich ein subjektives öffentliches Recht – und eine entsprechende Verpflichtung des Beklagten – auf den Abschluss eines die streitgegenständlichen Fernsehprogramme betreffenden Einspeisevertrages herleiten.

47

aa) Als einfachgesetzliche Grundlage für das Feststellungsbegehren der Klägerinnen kommen von vornherein nur die Vorschriften des Rundfunkstaatsvertrages in Betracht. Kraft Übernahme dieses Vertragswerks in gleichlautenden Landesgesetzen wirkt er als bundeseinheitlich geltendes Landesrecht. Nur diese Normen können einschlägig sein, weil der Beklagte die streitgegenständlichen Fernsehprogramme ebenso wie die anderen Landesrundfunkanstalten unstreitig und unzweifelhaft nur noch in der Form digitaler Signale ausstrahlt. Die daneben geltenden Rundfunkgesetze der Länder betreffen indes nur die Übermittlung analoger Signale und scheiden daher als mögliche Grundlage für den geltend gemachten Anspruch aus.

48

bb) Der Rundfunkstaatsvertrag enthält keine Vorschrift, aus der sich unmittelbar und ausdrücklich eine Verpflichtung der Klägerinnen als Plattformanbieter (§ 52 RStV) und des Beklagten als Rundfunkveranstalter ergäbe, einen Vertrag über die Einspeisung und Verbreitung von dem Beklagten (mit)veranstalteter Programme gegen Entgelt zu schließen. Das ist, wie auch die Klägerinnen nicht in Abrede stellen, offenkundig und muss daher nicht weiter ausgeführt werden.

49

cc) Das nach dem Begehren der Klägerinnen festzustellende Rechtsverhältnis lässt sich indes auch nicht mittelbar aus Bestimmungen des Rundfunkstaatsvertrages herleiten. Der Rechtsauffassung der Klägerinnen, aus dem Versorgungsauftrag des Beklagten als öffentlich-rechtlicher Rundfunkveranstalter ergebe sich (in Zusammenschau mit verfassungsrechtlichen Vorgaben) ein solches Rechtsverhältnis, vermag die Kammer nicht zu folgen.

50

(1) Allerdings folgt die Kammer den von den Klägerinnen aufgestellten Prämissen: Aus dem in § 11 Absätze 1 und 2 RStV beschriebenen Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist die wesentliche Legitimation für deren Existenz und damit für ihre bevorzugte rechtliche und ökonomische Ausstattung herzuleiten. Die überragende Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit seiner Verpflichtung zur Vielfalt und inhaltlichen Qualität – namentlich Objektivität und Unparteilichkeit – für die Meinungs- und Willensbildung der demokratischen Gesellschaft ist in der Rundfunkrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts immer wieder betont und ausdifferenziert worden. Die Verpflichtung des Beklagten auf die Erfüllung dieses Auftrages beinhaltet fraglos auch die Sorge für die in § 19 RStV angesprochene Verbreitung der Programme. Beides, Veranstaltung und Verbreitung, wird nach allgemeiner Auffassung von der Verfassungsverbürgung in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 GG umfasst (vgl. etwa Jarass, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 5 Rn. 51 m.w.Nw.). Es obliegt dem Beklagten daher sicherzustellen, dass die von ihm (mit)veranstalteten Programme die Rundfunkteilnehmer auch tatsächlich erreichen. Maßgeblich ist dabei auf das tatsächliche Rezeptionsverhalten der Rundfunkteilnehmer abzustellen (vgl. nur Binder, a.a.O. Rn. 7, 48). Es steht insofern für die Kammer außer Frage, dass aus diesem Grund der Verbreitung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks über die von den Klägerinnen betriebenen Brandbandkabelnetze eine hohe rechtliche Relevanz zukommt.

51

(2) Den hieraus von den Klägerinnen gezogenen Schlussfolgerungen vermag sich das Gericht jedoch nicht anzuschließen. Denn bei den genannten Vorgaben handelt es sich um eine dem Beklagten ausschließlich im gesellschaftlichen und damit öffentlichen Interesse obliegende Verpflichtung zur Erfüllung seines Verbreitungsauftrages. Diese ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folgerichtig von der Programmautonomie der öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter umfasst. Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist die von den Klägerinnen zur Stützung ihres Begehrens in den Blick genommene Bestimmung des § 19 Satz 1 RStV zu verstehen, wonach die in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten (und die anderen öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter) ihrem gesetzlichen Auftrag (vgl. § 11 RStV) durch Nutzung geeigneter Übertragungswege nachkommen können. Aus dem rechtlichen Begriff „können“ lässt sich demnach keine Verpflichtung der Normadressaten begründen, bei der konkreten Erfüllung ihres gesetzlichen Auftrages auf subjektive Rechte Dritter im Sinne einer Ermessensbetätigung Bedacht zu nehmen.

52

Vielmehr stellt die Vorschrift zum einen klar, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter nicht etwa gehalten sind, die Verbreitung ihrer Programme ausschließlich durch eigene Mittel und Einrichtungen sicherzustellen. Vielmehr  k ö n n e n  sie hierbei die ganze Palette der zur Verfügung stehenden geeigneten Übertragungswege nutzen. Das „können“ ist insofern als weitgehend deklaratorische Ermächtigung zu verstehen. Zugleich beinhaltet die Bestimmung eine Selbstverpflichtung der (Haushalts)Gesetzgeber, den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten vor allem zukunftsgerichtet die finanziellen, technischen und rechtlichen Voraussetzungen dafür zu gewähren, ihrem Versorgungsauftrag in einer ständigem Wandel unterliegenden Medienlandschaft angemessen nachkommen zu können. Damit will das Gesetz offenkundig die Erfüllung des Versorgungsauftrages sicherstellen. Insofern setzt das Normverständnis nicht nur die diesbezügliche Autonomie der Rundfunkanstalten voraus, sondern stärkt sie in der Tendenz im Sinne einer Zukunftssicherung. Das ist von Verfassungs wegen geboten, weil sich der Grundversorgungsauftrag nur erfüllen lässt, wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk in materieller aber auch technischer Hinsicht in seiner künftigen Entwicklung gesichert ist (vgl. etwa BVerfG, Urt. v. 5.2.1991 – sechstes Rundfunkurteil – BVerfGE 83. 238, zit. n. juris Rn. 406). Die Vorschrift des § 19 RStV dient unmittelbar dem Zweck der in diesem Sinne technischen Zukunftssicherung (vgl. BVerfG, a.a.O. Rn. 418 zu einer insoweit inhaltsgleichen Regelung des nordrhein-westfälischen Rundfunkrechts). Schon deshalb kann nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber die Autonomie der öffentlich-rechtlichen Veranstalter in irgendeiner Weise einschränken wollte. Eine Einschränkung würde es jedoch fraglos bedeuten, die Norm als klassische verwaltungsrechtliche Ermessensvorschrift zu lesen. Es wäre deshalb gleichsam ein normimmanenter Widerspruch, die autonomen Handlungsmöglichkeiten der Rundfunkanstalten einerseits zu sichern und auszuweiten und sie auf der anderen Seite durch die Festlegung auf ein – wie stets im Verwaltungsrecht – bei der konkreten Erfüllung und Umsetzung ihres Versorgungsauftrages pflichtgemäß zu betätigendes Ermessen festzulegen.

53

Sofern vereinzelt in der Literatur geäußert wird, in § 19 Satz 1 RStV sei ein „Ermessen“ der öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter verankert (etwa Hartstein, Rundfunkstaatsvertrag, 1999, § 19 Rn. 8) wird dies im untechnischen Sinne als Einräumung unterschiedlicher Handlungsoptionen zu verstehen sein. Jede andere Auslegung wäre, ohne durch den Normwortlaut erzwungen zu sein, mit dem Normzweck und der Regelungssystematik nicht zu vereinbaren.

54

dd) Doch selbst wenn man im von den Klägerinnen vertretenen Sinne die Vorschrift als Ermessensnorm verstehen wollte, könnten die Klägerinnen daraus nichts für ihren Rechtsstandpunkt herleiten.

55

(1) Nach der (in allen Landesverwaltungsverfahrensgesetzen gleichlautenden) Vorschrift des § 40 VwVfG ist der Adressat einer Ermessensnorm verpflichtet, dieses Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Zweck eines etwaigen Ermessens in § 19 Satz 1 RStV könnte es jedoch allenfalls sein, die öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter zwecks Verbreitung ihrer Programme auf die Nutzung geeigneter Übertragungswege festzulegen. Den Klägerinnen wird ohne weiteres zu konzedieren sein, dass die von ihnen betriebenen Breitbandkabelnetze geeignete Übertragungswege darstellen. Man mag ferner zugunsten der Klägerinnen annehmen, dass diese Übertragungswege durch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter im Zuge einer Ermessensbetätigung infolge des tatsächlichen Rezeptionsverhaltens der Rundfunkteilnehmer schlechterdings nicht ausgeblendet werden dürften. Doch träfe den Beklagten selbst dann nicht der Vorwurf ermessenswidrigen Verhaltens, weil er diese gleichsam in der Natur der Sache liegenden Festlegungen bei einer etwaigen Ermessensbetätigung unberücksichtigt gelassen hätte. Vielmehr ist rein empirisch festzustellen, dass der Beklagte den von den Klägerinnen vorgehaltenen Übertragungsweg (weiterhin) im Sinne von § 19 RStV tatsächlich nutzt. Er verhindert keineswegs, dass die betreffenden Programme in Gestalt digitaler Signale in die Netze der Klägerinnen gelangen. Er verhält sich diesbezüglich, wie im Erörterungstermin unstreitig gestellt wurde, sogar ungeachtet der Kündigung der Einspeiseverträge weiterhin kooperativ. Insofern wäre selbst bei einer „subjektiv-rechtlichen Aufladung“ der Norm kein Ermessensfehler des Beklagten und damit keine Verletzung der Klägerinnen in eigenen subjektiven Rechten festzustellen.

56

(2) Die Frage, welche rechtlichen Implikationen mit der „Nutzung geeigneter Übertragungswege“ für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter und die Betreiber der jeweiligen Übertragungsinfrastrukturen verbunden sind, hat der Rundfunkstaatsvertragsgesetzgeber ersichtlich nicht angesprochen. Dazu besteht auch keine Notwendigkeit, weil dies von vornherein außerhalb seines Regelungsprogramms läge. Es fehlt insbesondere an jedem Anhaltspunkt dafür, dass er in die für die freiheitliche Rechts- und Wirtschaftsordnung konstitutive Privatautonomie habe regulierend eingreifen wollen, um einen rundfunkrechtlichen Kontrahierungszwang zu schaffen. Ganz abgesehen davon, dass es für einen derartigen gleichsam doppelten Freiheitseingriff, einmal in die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte wirtschaftliche Betätigungsfreiheit und zum anderen in die spezifische Rundfunkfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 GG, an jeder inneren Rechtfertigung fehlen würde, hätte für den Normgeber auch in rein tatsächlicher Hinsicht nicht der geringste Anlass bestanden, einen derartigen Kontrahierungszwang zu regeln oder auch nur vorauszusetzen. Denn die tatsächliche Umsetzung und Miterfüllung des dem Beklagten obliegenden Versorgungsauftrages durch Inanspruchnahme (auch) der von den Klägerinnen betriebenen Netze war in der Vergangenheit ohne die geringste Notwendigkeit des Rekurses auf § 19 Satz 1 RStV durch zivilrechtliche Verträge umgesetzt worden.

57

ee) Verfassungsrecht gebietet keine andere Bewertung. Verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab ist die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährte Freiheit der Berufsausübung und nicht etwa das durch Art. 14 GG verbürgte Eigentumsrecht. Der aktuelle Betrieb der Netze ist als „dynamischer“ Erwerbsvorgang anzusehen. Alle diesbezüglich relevanten Verhaltensweisen werden vom Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG erfasst, während Art. 14 GG „statisch“ die Gesamtheit der erworbenen Rechtspositionen umfasst.

58

Freilich erschöpft sich der Gehalt der grundrechtlichen Freiheitsverbürgungen nicht in einer bloßen Abwehr staatlicher Eingriffe. Er kann unter bestimmten Voraussetzungen auch Rechte auf Teilhabe gewähren. Für das durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Recht der Berufsausübungsfreiheit ist anerkannt, dass für die Grundrechtsträger aus Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 GG auch ein Anspruch auf Marktzulassung und chancengleiche Teilhabe am Marktgeschehen erwachsen kann (vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 10.12.2013 – 8 C 5/12 – juris Rn. 42 f). Doch können die Klägerinnen hieraus nichts für ihr Begehren herleiten. Weder entscheidet der Beklagte als solcher noch die Gesamtheit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter in rechtlicher oder auch nur tatsächlicher Hinsicht über einen Marktzugang, noch ist das Begehren der Klägerinnen als auf einen Marktzugang gerichtet zu bewerten.

59

(1) Der Beklagte disponiert in keiner Weise darüber, dass die Klägerinnen sich privatautonom am Markt der Telekommunikationsdienstleistungen betätigen können. Das ist rein empirisch offenkundig und bedarf keiner näheren Darlegung, denn die Klägerinnen haben unabhängig von irgendwelchen Entscheidungen des Beklagten an diesem Markt eine überaus starke wirtschaftliche Stellung.

60

(2) Die Klägerinnen erstreben in Wahrheit auch keineswegs den allgemeinen Marktzugang als von dem Beklagten zu treffende Entscheidung. Sie erstreben vielmehr im Rahmen des bestehenden Marktes eine auf das Herstellen einer rechtlichen Sonderverbindung mit ihnen gerichtete Entscheidung des Beklagten, der ebenso wie sie selber Teilnehmer dieses Marktes ist. Die Entscheidung eines Marktteilnehmers, ob er mit einem anderen Marktteilnehmer einen Vertrag eingeht, ist jedoch offenkundig weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht identisch mit einer solchen über den Marktzugang. Die Freiheit zu dieser Entscheidung ist, wie bereits angesprochen, von der Rechtsordnung sowohl in Form der allgemein wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit, die durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Privatautonomie, als auch in der speziellen Ausprägung der Rundfunkfreiheit, Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 GG, geschützt.

61

(3) Es wäre verfassungsdogmatisch schlechthin nicht begründbar, in diesen Freiheitsspielraum unter Berufung auf ein anderes Freiheitsrecht massiv beschränkend einzugreifen. Es ist nicht im Ansatz erkennbar, dass bei einem Kontrahierungszwang diese grundlegenden Freiheitsverbürgungen und die grundrechtlich geschützten Positionen der Klägerinnen im Sinne praktischer Konkordanz zum Ausgleich gebracht werden könnten. Vielmehr liegt hier der für eine freiheitlich verfasste Gesellschaft gerade kennzeichnende Regelfall vor, dass ein Marktakteur, eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt, allein an rundfunkpolitischen und medienökonomischen Erwägungen orientiert und nicht etwa durch rechtliche Regelungen gebunden, darüber entscheidet, ob er mit anderen Marktakteuren, den Klägerinnen als Betreiberinnen von Breitbandkabelnetzen, rechtliche Sonderverbindungen eingeht oder nicht.

62

(4) Der von den Klägerinnen ebenfalls angeführte allgemeine Gleichheitssatz, Art. 3 Abs. 1 GG, gebietet keine andere Bewertung. Es ist von vornherein zweifelhaft, ob der Beklagte als Grundrechtsträger überhaupt etwaigen durch Art. 3 Abs. 1 GG geschaffenen Bindungen unterliegt. Es kann ferner dahingestellt bleiben, ob die von dem Beklagten angeführte Rechtfertigung dafür, mit anderen Telekommunikationsdienstleistern hinsichtlich der Verbreitung seiner Programme (weiterhin) Verträge zu schließen, dass diese nämlich über keine Endkundenbeziehungen verfügten, sachlich zutreffend und ggf. als tragfähiges rechtliches Differenzierungsmerkmal zu bewerten ist. Denn es ist anerkannt, dass eine Ungleichbehandlung, welche allein die Folge privatautonom ausgehandelter Verträge ist, von vornherein der Bewertung am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG entzogen ist (vgl. BVerfG Urt. v.10.1.1995 – 1 BvF 1/90 - BVerfGE, 92, 26, zit. n. juris Rn. 91). Die Vertragsfreiheit hat grundsätzlich Vorrang (so bereits BAG, Urt. v. 4.5.1962, BAGE 13, 103, zit. n. juris Rn. 12.).

63

Zusammengefasst ist somit festzustellen, dass den Klägerinnen durch Vorschriften des öffentlichen Rechts kein Anspruch vermittelt wird, mit dem Beklagten einen Vertrag über die Verbreitung der streitgegenständlichen Programme zu schließen. Dem Beklagten ist es in seiner (verfassungs)rechtlich geschützten Stellung als privatautonom agierender Marktteilnehmer und zusätzlich in seiner Stellung als Träger der speziellen Rundfunkfreiheit unbenommen, seine Entscheidung, über die Verbreitung seiner Programme entgeltliche Verträge einzugehen, allein an rundfunkpolitischen und medienökonomischen Erwägungen zu orientieren. Er wird sie entsprechend in der medienpolitischen Diskussion zu vertreten und ggf. gegenüber Aufsichtsgremien zu begründen haben. Der Beklagte unterliegt dabei jedoch keiner rechtlichen Bindung, welche den Klägerinnen subjektive öffentliche Rechte vermitteln könnte.

64

2. Mit ihrem ersten Hilfsantrag können die Klägerinnen ebenfalls nicht durchdringen. Ihr Begehren festzustellen, dass sie ohne Abschluss eines Verbreitungsvertrages nicht verpflichtet seien, die streitgegenständlichen Fernsehprogramme zu verbreiten, ist bereits unzulässig. Diesbezüglich fehlt es an einem der Feststellung gemäß § 43 Abs. 1 VwGO zugänglichen Rechtsverhältnis.

65

Hierunter sind nach allgemeiner Auffassung diejenigen rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer diesen Sachverhalt betreffenden öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von natürlichen oder juristischen Personen untereinander, unter Umständen auch in Bezug auf eine Sache, ergeben (vgl. etwa Sodan in: Sodan/Ziekow, VwGO 4. Aufl. 2014, § 43 Rn 7 m.w.Nw.).

66

Ob zwischen den Klägerinnen und dem Beklagten in Bezug auf die streitgegenständliche Verpflichtung zur Verbreitung der fraglichen Fernsehprogramme überhaupt rechtliche Beziehungen bestehen, oder ob diese nicht, wie der Beklagte einwendet, allein zwischen den Klägerinnen und den Beigeladenen existieren, bedarf in diesem Zusammenhang keiner Erörterung. Denn jedenfalls liegt hinsichtlich des zur gerichtlichen Feststellung gestellten Merkmales „ohne einen solchen Vertrag“ kein feststellungsfähiger Gegenstand vor.

67

Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, ist der Rechtsordnung gerade keine öffentlich-rechtliche Verpflichtung zum Abschluss eines privatrechtlichen Verbreitungsvertrages zu entnehmen. Mithin fehlt es an einer öffentlich-rechtlichen Norm, welche die Notwendigkeit eines Vertragsschlusses ausspricht. Damit liegt auch die Frage, wie sich die Rechtslage ohne einen solchen Vertragsschluss darstellt, außerhalb des Regelungsprogramms öffentlich-rechtlicher Normen. Es handelt sich mit der von den Klägerinnen erstrebten Feststellung der Sache nach vielmehr um eine bloße rechtliche Schlussfolgerung, dass nämlich ohne vorherigen Vertragsschluss für sie keine Verbreitungspflicht bezogen auf die streitgegenständlichen Programme bestehe. Eine solche Schlussfolgerung wird aber von vornherein nicht durch Normen des öffentlichen Rechts determiniert. Zudem würde sie sich auf einen nicht gesondert feststellungsfähigen Teilaspekt beziehen. Unterstellt, die Frage des Bestehens oder Nichtbestehens einer Verbreitungspflicht der Klägerinnen sei (auch) im Verhältnis zu dem Beklagten grundsätzlich feststellungsfähig, würde gleichwohl mit der aufgeworfenen Frage „ohne einen solchen Vertrag“ lediglich ein einzelnes Element des Rechtsverhältnisses angesprochen sein. Das aber ist einer verwaltungsgerichtlichen Feststellung nach § 43 Abs. 1 VwGO nicht zugänglich (vgl. etwa Sodan, a.a.O. Rn 28).

68

3. Der zweite Hilfsantrag der Klägerinnen führt jedoch zum Erfolg. Er erweist sich als zulässig (a) und begründet (b).

69

a) Unter Zulässigkeitsgesichtspunkten hält es die Kammer allein für problematisch, ob mit der zur gerichtlichen Feststellung gestellten Frage, dass die Klägerinnen nicht kraft Gesetzes verpflichtet seien, die streitgegenständlichen Fernsehprogramme unentgeltlich zu verbreiten, ein der Feststellung zugängliches Rechtsverhältnis gerade gegenüber dem Beklagten angesprochen ist. Das ist nach der Überzeugung des erkennenden Gerichts zu bejahen.

70

Gegenstand einer verwaltungsgerichtlichen Feststellung gemäß § 43 Abs. 1 1. Alternative VwGO kann, wie bereits angesprochen, das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses sein, welches durch die rechtlichen Beziehungen gekennzeichnet ist, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von (natürlichen oder juristischen) Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben, kraft deren eine der beteiligten Personen etwas Bestimmtes tun muss, kann oder darf oder nicht zu tun braucht (vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 26.1.1996, BVerwGE 100, 262, zit. n. juris Rn 10). Dabei haben sich rechtliche Beziehungen nur dann zu einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis konkretisiert, wenn die Anwendung einer bestimmten Norm des öffentlichen Rechts auf einen bereits übersehbaren Sachverhalt streitig ist (BVerwG, ebenda). Sämtliche dieser Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt.

71

aa) Es geht den Klägerinnen um die Feststellung des Nichtbestehens einer Verpflichtung, für die entscheidend eine öffentlich-rechtliche Norm, nämlich die Vorschrift des § 52b RStV, maßgeblich ist. Fraglich ist, ob diese Norm die Klägerinnen unmittelbar und voraussetzungslos verpflichtet, die streitgegenständlichen Programme zu verbreiten. Entscheidend ist somit ersichtlich die Frage, ob die Klägerinnen kraft gesetzlicher Regelung etwas Bestimmtes, die Verbreitung der Programme, auf eine bestimmte Weise, nämlich unentgeltlich, tun müssen, oder ob sie dies nicht zu tun brauchen, weil das Gesetz keine diesbezügliche Verpflichtung ausspricht.

72

bb) Diese Frage betrifft auch das Verhältnis der Klägerinnen zu dem Beklagten. Denn eine etwaige gesetzliche Inpflichtnahme der Klägerinnen wäre, wie nicht weiter ausgeführt werden muss, kein Selbstzweck, sondern diente zur Erfüllung des dem Beklagten im öffentlichen Interesse obliegenden Auftrages, (auch) die streitgegenständlichen Programme zu verbreiten. Es geht demnach um die Frage, ob und in welchem Umfang in grundrechtlich geschützte Positionen der Klägerinnen durch Gesetz eingegriffen wird, um eine dem Beklagten obliegende öffentliche Aufgabe zu erfüllen. Nimmt das Gesetz jedoch einen Privaten in die Pflicht, um den im Interesse der Allgemeinheit liegenden Auftrag eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers zu erfüllen, werden hierdurch unmittelbar öffentlich-rechtliche Beziehungen zwischen den genannten Beteiligten begründet.

73

cc) Unerheblich ist es für die hier anzustellende Zulässigkeitserwägung, ob ein der Feststellung zugängliches Rechtsverhältnis nicht auch zwischen den Klägerinnen und den Beigeladenen besteht. Das wird unter Einbeziehung ihrer Organe im Hinblick auf die Reglung der §§ 35 Abs. 1 Satz 1, 36 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 5 RStV ohne weiteres zu bejahen sein. Das Bestehen des vorgenannten ebenfalls feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses der Klägerinnen zu dem Beklagten und die hieran anknüpfende Eröffnung verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes werden hierdurch jedoch nicht berührt. Mehrpolige Rechtsverhältnisse sind der Rechtsordnung in zahlreichen Zusammenhängen bekannt.

74

dd) Ferner ist es für die Bejahung der Zulässigkeit nicht etwa, wie der Beklagte meint, entscheidend, ob er sich bestimmter Rechtspositionen berühmt. Nach allgemeiner Auffassung, welcher die vorgenannte Definition entspricht, ist es lediglich erforderlich, dass die Anwendung einer bestimmten Norm des öffentlichen Rechts und damit auch die Frage ihrer Reichweite bezogen auf einen bereits überschaubaren Sachverhalt streitig ist. Das aber ist im vorliegenden Fall, wie schon die sehr ausführlichen gerade dieser Frage gewidmeten gegensätzlichen Rechtsausführungen der Beteiligten belegen, eindeutig der Fall.

75

ee) Das Bestehen eines feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses kann auch nicht etwa deshalb in Zweifel gezogen werden, weil der Beklagte über keine exekutiven Kompetenzen zur etwaigen Durchsetzung einer unentgeltlichen Verbreitungspflicht der Klägerinnen verfügt.

76

Zum einen reicht es für die Bejahung eines feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses aus, allein auf das Bestehen oder Nichtbestehen einer Pflicht des Rechtsschutzsuchenden abzustellen (vgl. etwa Sodan, a.a.O. Rn 10). Zum anderen ist der erwähnte Umstand der verfassungsrechtlich begründeten Besonderheit geschuldet, dass der Beklagte in Ansehung der Erfüllung seines besonderen Auftrags staatsfern organisiert zu sein hat (BVerfG, Urt. v. 25.3.2014 – 1 BvF 1/11 – juris Rn. 43 ff). Damit wäre es unvereinbar, ihm auf die Erfüllung seines Auftrages bezogene exekutive Kompetenzen zuzusprechen. Folgerichtig sind diese vom Rundfunkstaatsvertragsgesetzgeber den Landesmedienanstalten, mithin den Beigeladenen, verliehen worden. Diese Besonderheit ändert indes nichts daran, dass die Klägerinnen die berechtigte Frage aufwerfen, ob sie durch das Gesetz in die unbedingte Pflicht genommen werden, zur Erfüllung des im überragenden öffentlichen Interesse bestehenden Versorgungsauftrages des Beklagten durch unentgeltliche Verbreitung seiner Programme beizutragen, oder ob dies nicht der Fall ist.

77

ff) Prozessökonomische Erwägungen gebieten keine andere Bewertung. Die Reichweite der gesetzlichen Inpflichtnahme der Klägerinnen zwecks Erfüllung des dem Beklagten obliegenden Auftrags muss grundsätzlich auch im Lichte des durch Art. 19 Abs. 4 GG verbürgten effektiven Rechtsschutzes gerade gegenüber diesem Rechtsträger zur verwaltungsgerichtlichen Klärung gestellt werden können. Es gibt keine tragfähigen prozessökonomischen Erwägungen, mit denen sich begründen ließe, diese Feststellung allein im Verhältnis zu den Beigeladenen erreichen zu können. Es ist im Gegenteil gerade prozessökonomisch, dies im Zusammenhang mit dem von den Klägerinnen gestellten Hauptantrag gegenüber dem Beklagten zu klären. Denn der zweite Hilfsantrag ist in wesentlicher Hinsicht die Kehrseite der mit dem Hauptantrag verfolgten Rechtsbehauptung, es bestehe eine im öffentlichen Recht wurzelnde Verpflichtung zum Abschluss eines Verbreitungsvertrages. Auf diesen Gesichtspunkt haben die Beigeladenen zutreffend hingewiesen. Der enge und unmittelbare sachliche Zusammenhang des Hilfsantrages zu der mit dem Hauptantrag aufgeworfenen Frage liegt auf der Hand: Es geht um die Feststellung, ob, auf welche Weise und in welchem Umfang die Rechtsordnung die Erfüllung des dem Beklagten obliegenden Versorgungsauftrags unter dem Gesichtspunkt der Verbreitung seiner Programme sicherstellt. Auch wegen dieses engen sachlichen Zusammenhanges wäre es gerade nicht prozessökonomisch, die hier zu entscheidende Rechtsfrage einem gesonderten Verfahren, welches die Klägerinnen im Verhältnis zu den Beigeladenen einzuleiten hätten, zu überantworten.

78

gg) Selbst wenn man der hier vertretenen Rechtsauffassung nicht folgen wollte, wäre ein der Feststellung fähiges Rechtsverhältnis vorliegend jedenfalls nach den von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien für sogenannte Drittrechtsverhältnisse zu bejahen. Nach herrschender Meinung, welcher auch das erkennende Gericht folgt, kann nämlich Gegenstand der Feststellungsklage sowohl ein Rechtsverhältnis zwischen dem Beklagten und einem Dritten als auch ein solches zwischen dem Kläger und einem Dritten sein (vgl. etwa Sodan, a.a.O. Rn 37). Der von dem Beklagten vertretenen Rechtsmeinung, es könne sich insoweit nur um Rechtsverhältnisse handeln, welche zwischen ihm als Beklagten und einem Dritten bestehen, ist nicht zu folgen. Um in einer Konstellation wie der vorliegenden die unnötige Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes möglichst auszuschließen, mithin aus prozessökonomischen Erwägungen, wird dabei ein spezifisches berechtigtes Feststellungsinteresse verlangt. Zu fordern ist daher, dass ein individuelles Feststellungsinteresse gerade gegenüber dem Beklagten besteht (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.6.1997 – 8 C 23/96 – juris Rn. 17). Das aber ist vorliegend schon deshalb zu bejahen, weil erfahrungsgemäß der Beklagte das tatsächliche Verbreitungsverhalten der Breitbandkabelnetzbetreiber gleichsam mit Argusaugen beobachtet und jede seiner Meinung nach nicht gerechtfertigte Nichterfüllung der ebenfalls seiner Meinung nach bestehenden unbedingten Verbreitungspflicht durch die Klägerinnen unmittelbar gegenüber den Beigeladenen mit dem Ziel einer rundfunkrechtlichen Sanktionierung geltend machen wird.

79

hh) Der Grundsatz der Subsidiarität der Feststellungsklage, § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO, steht dem Begehren der Klägerinnen ebenfalls nicht entgegen.

80

Es ist nicht ersichtlich, dass die Klägerinnen ihre Rechte gleich effektiv durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen könnten. Ob der von den Beigeladenen in die Diskussion gebrachte Weg zur rechtlichen Klärung der hier zur Feststellung gestellten Rechtsfragen, nämlich die Einleitung eines auf Erlass eines feststellenden Verwaltungsakts gerichteten Verfahrens ihnen gegenüber, rechtlich gangbar wäre, erscheint als zweifelhaft. Eine gesetzliche Grundlage hierfür vermag die Kammer nicht zu erkennen. Es bedürfte indes einer solchen auch für den Erlass feststellender Verwaltungsakte jedenfalls dann, wenn sie auch belastende Auswirkungen entfalten könnten (vgl. nur Jarass, a.a.O. Art. 20 Rn.49). Doch muss das nicht weiter erörtert werden. Zum einen ist es, wie ausgeführt, gerade prozessökonomisch, die Frage im Verhältnis zu dem Beklagten zu klären. Zum anderen wäre mit einem präventiven Feststellungsbegehren der Klägerinnen gegenüber den Beigeladenen auch keine der nach § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO vorrangigen Rechtsschutzformen eröffnet.

81

b) Die zulässige Klage ist auch begründet.

82

§ 52b Abs. 1 Satz 1 Ziffer 1 lit. a RStV ist keine Verpflichtung der Klägerinnen zu entnehmen, die streitgegenständlichen Programme unentgeltlich zu verbreiten.

83

Nach der genannten Vorschrift haben die Klägerinnen als Plattformanbieter innerhalb einer technischen Kapazität im Umfang von höchstens einem Drittel der für digitale Verbreitung von Rundfunk zur Verfügung stehenden Gesamtkapazität sicherzustellen, dass die erforderlichen Kapazitäten für die bundesweite Verbreitung der gesetzlich bestimmten beitragsfinanzierten Programme sowie für die dritten Programme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks „zur Verfügung stehen“. Die im Rahmen der dritten Programme verbreiteten Landesfenster sind nur innerhalb der Länder zu verbreiten, für die sie gesetzlich bestimmt sind.

84

aa) Bereits nach dem Normwortlaut wird keine gesetzliche Pflicht der Klägerinnen zur unentgeltlichen Verbreitung der streitgegenständlichen Programme begründet.

85

(1) Nach seinem Wortlaut nimmt das Gesetz die Klägerinnen als Plattformbetreiber in die Pflicht. Die Reichweite dieser Verpflichtung ergibt sich aus den vom Gesetzgeber verwendeten Verben. Danach haben die Klägerinnen „sicherzustellen“, dass die abstrakt umschriebenen technischen Kapazitäten ihrer Netze für die vom Gesetz benannten Zwecke „zur Verfügung stehen“. Ein ausdrücklich auf die Verbreitung der Programme gerichteter Normbefehl ist damit nicht ersichtlich. Wer als Netzbetreiber sicherzustellen hat, dass bestimmte Netzkapazitäten zwecks Verbreitung (auch) der streitgegenständlichen Programme zur Verfügung stehen, unterliegt nach allgemeinem Sprachverständnis keiner Verpflichtung zur Verbreitung der benannten Programme, sondern lediglich einer solchen zur Kapazitätsvorhaltung. Der Gesetzgeber verpflichtet die Klägerinnen mit anderen Worten dazu, in dem abstrakt beschriebenen Umfang ihre Netzkapazitäten nicht anderweitig ökonomisch zu nutzen, sondern sie für die im öffentlichen Interesse privilegierten Zwecke der Verbreitung (auch) der streitgegenständlichen Fernsehprogramme zu reservieren.

86

(2) Die Kammer vermag dem Normwortlaut auch keine implizit geregelte unbedingte Verbreitungspflicht zu entnehmen.

87

Unter der Geltung des im Rechtsstaatsprinzip, Art. 20 Abs. 1 GG, wurzelnden Grundsatzes der Normenklarheit sind an die eindeutige Fassung belastender, in Freiheitsrechte eingreifender gesetzlicher Bestimmungen hohe Anforderungen zu stellen. Der Normadressat muss Art und Umfang seiner Normunterworfenheit so konkret erkennen können, dass er sein Verhalten daran orientieren kann. Das Gleiche gilt unter dem Aspekt der diesbezüglichen verwaltungsgerichtlichen Kontrolle (vgl. etwa BVerfG, Beschl. v. 2.6.2008 – 1 BvR 394/04 – juris Rn. 23). In Ansehung dessen lässt der Normwortlaut keine andere Deutung als die einer Verpflichtung der Klägerinnen zur Kapazitätsreservierung bzw. zur Kapazitätsvorhaltung zu.

88

Dass das Gesetz, worauf der Beklagte hinweist, in § 52b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. a 2. Halbsatz RStV regelt, dass die im Rahmen der dritten Programme verbreiteten Landesfenster „nur innerhalb der Länder zu verbreiten“ seien, für welche sie gesetzlich bestimmt seien, rechtfertigt die Annahme einer implizit geregelten Verbreitungspflicht nicht. Das Gericht folgt dem Beklagten nicht, der hierin einen Widerspruch insofern sieht, als das Gesetz damit eine Verbreitungsverpflichtung für die Landesfenster angeordnet habe, während es, bei der hier vertretenen Auslegung, im Übrigen nur eine Vorhaltepflicht geregelt habe. Denn die Wendung „zu verbreiten“ ist keineswegs zwingend als Normbefehl zu verstehen. Es ist nicht ausgeschlossen, sondern liegt vielmehr nahe, sie rein deskriptiv in dem Sinne aufzufassen, dass bestimmte Programme eben nur zur Verbreitung in einem bestimmten Sendegebiet vorgesehen sind. Keineswegs ist damit mit der für einen Normbefehl erforderlichen Klarheit geregelt, dass das Gesetz selbst unmittelbar eine Verbreitungsverpflichtung begründen will.

89

bb) Systematische Erwägungen bestätigen die Richtigkeit dieser Auslegung.

90

(1) Dies wird, worauf neben den Klägerinnen auch die Beigeladenen zutreffend hinweisen, bereits durch den Umstand nahegelegt, dass der Gesetzgeber die Frage der Entgeltlichkeit in § 52d RStV angesprochen und einer Angemessenheitskontrolle unterstellt hat. Es unterstreicht ferner die Richtigkeit der hier vertretenen Auffassung, dass das Gesetz in § 52d Satz 5 RStV ausdrücklich auf die landesrechtlichen Sondervorschriften für Offene Kanäle Bezug nimmt, in denen durchweg die Unentgeltlichkeit der Verbreitung dieser Inhalte geregelt ist.

91

(2) Die Richtigkeit der Normauslegung durch die Kammer ergibt sich weiterhin aus verfassungssystematischen Erwägungen. Hätte der Normgeber eine unmittelbare Verbreitungspflicht der Klägerinnen als Plattformanbieter anordnen wollen, hätte er zugleich regeln müssen, ob dies unentgeltlich oder gegen angemessene Entschädigung bzw. angemessenes Entgelt zu erfolgen hat. Das folgt bereits aus dem verfassungsrechtlichen Prinzip der Normenklarheit. Es muss für den Normunterworfenen hinlänglich deutlich werden, in welchem Umfang er im öffentlichen Interesse in die Pflicht genommen wird. Zum Umfang der Inpflichtnahme zählt unmittelbar auch die Frage der Entgeltlichkeit einer im öffentlichen Interesse zu erbringenden Leistung. Das jedenfalls dann, wenn diese, wie es hier der Fall ist, ihrem Wesen nach einen bezifferbaren Marktwert hat. Die Relevanz des kategorialen Unterschiedes der Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit einer Leistung für eine Rechts- und Wirtschaftsordnung, die wesentlich auf dem Prinzip der Privatautonomie beruht und die privatnützige Erwerbstätigkeit ebenso schützt wie die Privatnützigkeit des Eigentums, liegt auf der Hand und muss nicht vertieft dargelegt werden.

92

Daher verfängt auch der Einwand des Beklagten nicht, die in Rede stehende Belastung sei für die Klägerinnen angesichts der von ihnen insgesamt erwirtschafteten Umsätze unerheblich. Schon die tatsächliche Stichhaltigkeit dieses Argumentes wird im Hinblick auf die in den früheren Einspeiseverträgen mit den öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstaltern vereinbarten Vergütungen zu bezweifeln sein. Einen Betrag von mehr als ... Mio. Euro als Äquivalent für die Programmverbreitung wird man kaum als unerheblich ansehen können. Im Übrigen trifft dieser Einwand nicht die rechtlich entscheidende Kategorie. Es geht um die Bestimmtheit einer abstrakt-generellen Regelung und die hiermit verbundene Frage, ob ein für deren Eingriffsintensität wesentlicher Aspekt, die Frage der Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit einer Inpflichtnahme, aus verfassungsrechtlichen Gründen regelungsbedürftig wäre. Was insoweit als erhebliche oder unerhebliche Belastung anzusehen ist, bedarf der Regelung durch den Gesetzgeber. Allein ihm obliegt es, die schutzwürdigen Interessen des Grundrechtsinhabers und die Belange des Gemeinwohls zu einem gerechten Ausgleich und in ein abgewogenes Verhältnis zu bringen (vgl. etwa BVerfG, Beschl. v. 25.8.1999 – 1 BvR 1499/97 – juris Rn. 9 m.w.Nw.).

93

Auch aus diesen Erwägungen folgt, dass das vom Beklagten vertretene Normverständnis unzutreffend ist. Wollte man in die bestehende Regelung des § 52b Abs. 1 Satz 1 Ziffer 1 RStV eine Verpflichtung der Klägerinnen zur unentgeltlichen Verbreitung (auch) der streitgegenständlichen Programme hineinlesen, würde die Bestimmung aus den dargelegten Gründen dem rechtsstaatlichen Erfordernis der Normklarheit nicht genügen. Zudem wäre dem rechtsstaatlichen Prinzip des Gesetzesvorbehalts nicht entsprochen, wonach jeder wesentliche Eingriff in Grundrechte auf der Grundlage eines förmlichen Gesetzes beruhen muss. Eine Gesetzesauslegung, die im Ergebnis zu einer verfassungsrechtlich defizitären gesetzlichen Regelung führen würde, verbietet sich jedoch nach Auffassung der Kammer gleichsam von selbst.

94

cc) Die von dem Beklagten vertretene Gesetzesauslegung im Sinne einer gesetzesunmittelbaren Verbreitungspflicht wird auch nicht etwa durch den Sinn und Zweck der in § 52b RStV geregelten Plattformbelegung gefordert.

95

(1) Die Norm dient der Vielfaltssicherung. Sie soll, kurz gesagt, gewährleisten, dass die im öffentlichen Interesse (zu Recht) für unverzichtbar gehaltenen „privilegierten“ Programme (auch) des Beklagten Berücksichtigung finden und nicht etwa durch möglicherweise ökonomisch einträglichere Inhalte verdrängt werden. Doch bedarf es hierzu nicht der von dem Beklagten für gegeben gehaltenen unmittelbaren gesetzlichen Verpflichtung der Klägerinnen als Plattformanbieter zur unentgeltlichen Verbreitung der streitgegenständlichen Programme.

96

(2) Allerdings ist dem Beklagten darin zu folgen, dass es zur Erreichung des Vielfalt sichernden Gesetzeszweckes keineswegs ausreichen würde, wenn die naturgemäß primär ihren privatnützigen ökonomischen Interessen folgenden Plattformanbieter Kapazitäten lediglich vorhielten. Selbstverständlich kommt es entscheidend auf das Ergebnis an. Das Gesetz will und muss sicherstellen, dass die vorzuhaltenden Kapazitäten auch tatsächlich zur Verbreitung der „privilegierten“ Programme genutzt werden und diese von den Rundfunkteilnehmern tatsächlich empfangen werden können. Doch lässt diese am Normzweck orientierte und für sich genommen unmittelbar einleuchtende Erwägung keineswegs den Schluss zu, der Gesetzgeber habe damit auch eine unbedingte gesetzliche Verpflichtung zur unentgeltlichen Verbreitung begründen wollen oder dies sachgerechter Weise tun müssen. Einer solchen gesetzesunmittelbaren Verpflichtung bedürfte es nämlich dann nicht, wenn aus der Sicht des Normgebers die Erfüllung des Gesetzeszwecks auf andere Weise hinlänglich sichergestellt wäre. Genau das ist vorliegend jedoch der Fall.

97

Der Gesetzgeber konnte davon ausgehen, dass die Verpflichtung der Plattformanbieter zur Kapazitätsvorhaltung ausreichen würde, um die Erfüllung des von ihm verfolgten Vielfaltszwecks sicherzustellen. Denn in der Kapazitätsreservierungsverpflichtung liegt ein unmittelbarer ökonomischer Appell an die erwerbsorientierten Plattformbetreiber, die fraglichen Ressourcen nicht etwa „brachliegen“ zu lassen, sondern sie für die Verbreitung der „privilegierten“ Programme zu nutzen. Nach der hier angesprochenen ökonomischen Logik würde dies den Abschluss entsprechender Verträge mit den öffentlich-rechtlichen Programmveranstaltern erfordern, was ein aus der gesetzgeberischen Sicht naheliegendes – und empirisch im Übrigen langjährig bewährtes – Modell wäre, um die im öffentlichen Interesse erforderliche Verbreitung der Programme (auch) des Beklagten rechtlich abzusichern.

98

(3) Ein solches Normverständnis würde zudem dem grundsätzlich unter der Geltung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gebotenen Prinzip des geringsten erforderlichen Eingriffs entsprechen. Die Verpflichtung zur Kapazitätsreservierung greift in die durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Eigentumsrechte der Plattformbetreiber ein, insofern sie deren rechtlich geschützten „statischen“ Eigentumsbestand betrifft. Wie auch von den Klägerinnen nicht in Abrede gestellt, ist der hierin liegende Eingriff eine zulässige Ausprägung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Gemeinwohlbindung des Eigentums in Art. 14 Abs. 2 GG. Eine solche verfassungsunmittelbare Beschränkung durch das Gemeinwohl kennt das Grundrecht der Berufsfreiheit in Art. 12 Abs. 1 GG nicht. Eine gesetzesunmittelbare Verpflichtung der Klägerinnen zur unentgeltlichen Verbreitung würde jedoch einen Eingriff in das durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Recht der Plattformanbieter auf freie Berufsausübung bedeuten, insofern es „dynamisch“ ihre aktuelle Erwerbstätigkeit, die Berechtigung, ihre Netze gewinnbringend zu betreiben, beträfe. Eines solch weitreichenden Eingriffes bedarf es überdies unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten dann nicht, wenn der im Allgemeininteresse verfolgte gesetzgeberische Zweck der Vielfaltssicherung auch auf weniger eingriffsintensive Weise erreicht werden könnte. Eben dies wird jedoch mit der zur Überzeugung der Kammer allein zutreffenden Auslegung des Gesetzes bewirkt. Anstelle der gesetzlichen Verpflichtung zur unentgeltlichen Verbreitung setzt die Regelung des § 52b Abs. 1 Satz 1 RStV auf die Erfüllung des Gesetzeszwecks durch ökonomischen Anreiz. Die Tauglichkeit dieses Ansatzes hat sich in der Vergangenheit erwiesen.

99

(4) Demgegenüber verfängt der Einwand des Beklagten nicht, die vermeintliche „Must-Carry-Pflicht“ der Klägerinnen schaffe taugliche und marktkonforme Rahmenbedingungen für die Auswahl unter verschiedenen Verbreitungsmodellen. Mit den Klägerinnen ist festzustellen, dass eine solche Regelung dies gerade nicht leisten würde. Sie würde nämlich den Verzicht des Beklagten und der anderen öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter auf den Abschluss von Einspeiseverträgen für die Netze der Klägerinnen ökonomisch gerade prämieren. Abgesehen davon bezweckt die fragliche Regelung auch keineswegs die Sicherung einer Vielfalt an Verbreitungsmodellen, sondern schlicht die Sicherung der Verbreitung (auch) der streitgegenständlichen Programme. Dazu aber bedarf es keiner gesetzesunmittelbaren unentgeltlichen Verbreitungspflicht.

100

(5) Vor diesem Hintergrund hält die Kammer die Reduzierung der Gesetzesauslegung auf zwei vermeintlich gegenläufige Kategorien, die einer bloßen Vorhaltepflicht („must provide“) und die einer Verbreitungspflicht („must carry“) für unergiebig und nicht zielführend. Beide Kategorien sind vielmehr komplementär zu verstehen. Die Plattformbetreiber sollen Kapazitäten vorhalten, damit eben auf diese Weise das im Interesse der Vielfaltssicherung bestehende gesetzgeberische Anliegen der Programmverbreitung erfüllt wird. Dabei überlässt das Gesetz indes, vorbehaltlich der in § 52d RStV geregelten Entgeltkontrolle, die konkrete Ausgestaltung der Verbreitung der privatautonomen Entscheidung der Plattformanbieter auf der einen und der öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter auf der anderen Seite. Man mag insofern von einem „Shall-Carry-Status“ der in § 52b Abs. 1 Satz 1 Ziffer 1 lit. a RStV genannten Programme sprechen. Der vielfach und auch von den Beteiligten verwendete Begriff des „must carry“ ist vor dem Hintergrund der hier vertretenen Gesetzesauslegung missverständlich und in der Sache deshalb unangebracht, weil er das differenzierte, sachgerechte, effektive und verfassungsrechtlich gebotenen Beschränkungen verpflichtete Regelungsprogramm des Rundfunkstaatsvertrags verfehlt.

101

dd) Dieses Normverständnis entspricht schließlich auch dem Willen des Rundfunkstaatsvertragsgesetzgebers. Das kann mit hinlänglicher Eindeutigkeit den Gesetzesmaterialien entnommen werden. So heißt es in der amtlichen Begründung zum Zehnten Änderungsgesetz zum Rundfunkstaatsvertrag vom 22.7.2008 zu § 52d wie folgt:

102

„Der Inhalt des Verbreitungsvertrages, insbesondere das zu zahlende Entgelt, ist wesentliche Grundlage für die tatsächliche Einspeisung eines Programms und daher entscheidender Faktor für eine vielfältige Belegung der Plattform“ (Bürgerschafts-Drucksache 19/466, S. 27).“

103

Dies lässt keine Zweifel daran zu, dass der Gesetzgeber der privatautonomen Absicherung des Vielfaltszieles den Vorzug vor einer hoheitlichen Eingriffslösung gegeben hat. Hieran anknüpfend werden, soweit ersichtlich, auch im Schrifttum keine Zweifel an der sich aus der Rechtslage ergebenden Notwendigkeit geäußert, die (ökonomischen) Modalitäten der Nutzung der Übertragungswege vertraglich zu regeln (vgl. etwa Binder, a.a.O. § 19 Rn. 58; Jahn in Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 3. Aufl. 2014, § 52b RStV Rn. 5).

104

Zusammengenommen steht damit zur Überzeugung des Gerichts fest, dass durch den für die Verbreitung von Rundfunkprogrammen in digitaler Form maßgeblichen Rundfunkstaatsvertrag keine Verpflichtung der Klägerinnen begründet wird, die streitgegenständlichen Programme unentgeltlich zu verbreiten. Dem hierauf gerichteten Feststellungsbegehren ist mithin zu entsprechen.

105

4. Die von dem Beklagten erhobene Widerklage muss erfolglos bleiben, weil sie bereits unzulässig ist. Es fehlt diesem Rechtsschutzbegehren bereits das allgemeine, auch für eine als Widerklage erhobene Feststellungsklage erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.

106

Dieses ist nicht anzuerkennen, wenn im Einzelfall Umstände vorliegen, welche das subjektive oder objektive Interesse an der begehrten gerichtlichen Rechtsschutzgewährung entfallen lassen (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.1.1989 – 9 C 44/87 – BVerwGE 81, 164, zit. n. juris Rn. 9). So verhält es sich bei den von dem widerklagenden Beklagten begehrten Feststellungen, dass die Forderung eines Entgeltes für die Einspeisung und Weiterverbreitung der streitgegenständlichen Programme über die Netze der Klägerinnen unzulässig sei, bzw. nach Maßgabe bestimmter medienökonomischer Parameter unzulässig sei. Der Beklagte ist bei der aktuell bestehenden Sachlage auf die erstrebte verwaltungsgerichtliche Feststellung unter keinem stichhaltigen Gesichtspunkt angewiesen.

107

a) Wie vorstehend dargelegt, verhalten sich rundfunkrechtliche Normen zu der Frage der rechtlichen Ausgestaltung und Umsetzung der Verbreitung der (auch) vom Beklagten veranstalteten Programme durch die Klägerinnen als Plattformanbieter nicht. Vielmehr belässt es die Rundfunkrechtsordnung aus wohlerwogenen Gründen dabei, dies der privatautonomen Ausgestaltung der beteiligten Akteure, vorliegend der Klägerinnen und des Beklagten, zu überlassen. Der Beklagte ist zur Erfüllung der sich ihm auch insoweit stellenden Aufgaben von der Rechtsordnung sowohl in ökonomischer als auch in rechtlicher Hinsicht angemessen ausgestattet worden. Da der Beklagte zudem noch über beträchtliche publizistische Wirkungsmacht verfügt, ist er als durchaus einflussreicher und mächtiger Marktteilnehmer anzusehen. So wie er keineswegs Anlass sah, davor zurückzuschrecken, die langjährige Praxis der Verbreitungsverträge mit den Klägerinnen und den anderen Breitbandkabelnetzbetreibern aufzukündigen, wird der Beklagte und Widerkläger auch imstande sein, eine von ihm als „unzulässig“ bewertete Entgeltforderung der Klägerinnen abzulehnen. Es ist ein alltäglicher und üblicher Vorgang im durch Vertragsschlüsse geprägten Wirtschaftsleben, wenn ein Marktteilnehmer die von ihm als seinen Interessen nicht entsprechend erachtete Forderung eines anderen Teilnehmers oder ein auf Abschluss eines Vertrages gerichtetes Angebot dieses anderen Teilnehmers schlicht ablehnt. Es ist nicht zu erkennen, unter welchem rechtlichen Gesichtspunkt der Beklagte nicht darauf verwiesen werden könnte, mit der Forderung der Klägerinnen nach einem Entgelt, welche in Form der von ihnen unterbreiteten Angebote auf Abschluss von (neuen) Verbreitungsverträgen erhoben wird, ebenso zu verfahren. Der Beklagte ist angesichts der bestehenden Rechts- und Sachlage nicht darauf angewiesen, sich gleichsam die Richtigkeit oder Berechtigung der Zurückweisung des entsprechenden Angebots der Klägerinnen etwa verwaltungsgerichtlich bestätigen zu lassen. Dies ist umso weniger veranlasst, als seine entsprechende Entscheidung nicht allein als privatautonom getroffene zu qualifizieren ist, sondern, wie dargelegt und vom Beklagten zu Recht in Anspruch genommen, eine Ausübung seiner Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 GG darstellt.

108

b) Für eine präventive Inhaltskontrolle der auf Abschluss eines Vertrages gerichteten Angebote der Klägerinnen auf ihre ökonomische Angemessenheit nach Maßgabe der Regelung des § 52d RStV, wie sie der Beklagte der Sache nach begehrt, ist aktuell kein Raum. Bereits im Ansatz dürfte dieses Anliegen von der Norm nicht gedeckt sein. Sie bezweckt nicht etwa die Erhaltung eines funktionsfähigen Wettbewerbs und entsprechend die Wahrung der ökonomischen Belange eines Marktteilnehmers, sondern allein die Sicherung der Medien- und Meinungsvielfalt (vgl. etwa Wagner, in Hahn/Vesting, a.a.O., § 52 d RStV Rn 9 m.w.Nw.). Abgesehen davon ist der Beklagte weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht einer unabweisbar bestehenden Entgeltforderung der Klägerinnen ausgesetzt, die er nur unter Inanspruchnahme verwaltungsgerichtlichen Feststellungsrechtsschutzes abwehren könnte.

109

Dem Beklagten ist deshalb das rechtsschutzwürdige Interesse an einer gerichtlichen Sachentscheidung über das widerklagend vorgebrachte Feststellungsbegehren abzusprechen.

II.

110

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative VwGO.

111

Die tenorierte Verteilung der Kosten entspricht dem streitwertorientierten Ausmaß des jeweiligen Obsiegens und Unterlegens der Klägerinnen/Widerbeklagten und des Beklagten/Widerklägers. Die Beigeladenen sind von der Kostenverteilung auszunehmen, weil sie keine eigenen Anträge gestellt haben, § 154 Abs. 3 1. Halbsatz VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen, § 162 Abs. 3 VwGO.

112

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO, 709 ZPO.

III.

113

Die Berufung ist gemäß §§ 124a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, weil der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommt.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.