Verwaltungsgericht Hamburg Beschluss, 21. Nov. 2016 - 9 E 5604/16

bei uns veröffentlicht am21.11.2016

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

Der Streitwert wird auf 5.000,-- Euro festgesetzt.

Gründe

A

1

Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen eine sofort vollziehbare Nutzungsuntersagung.

2

Die Antragstellerin ist Eigentümerin zweier Wohnungen (Apartment 1 und 2) in dem Gebäude …. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans … und ist als allgemeines Wohngebiet ausgewiesen.

3

Im August 2012 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass sie erfahren habe, dass in den Apartments 1 bis 4 des genannten Gebäudes eine ungenehmigte Bordellnutzung stattfinde. Im Oktober 2012 teilte der damalige Rechtsanwalt der Antragstellerin mit, dass sie sich entschieden habe, das Apartment 2 neu zu vermieten. Der bisherigen Mieterin sei zum Ende Oktober 2012 gekündigt worden. Außerdem habe sich die Antragstellerin mit erstem Wohnsitz im Apartment 1 angemeldet und bewohne dieses nunmehr auch. Daraufhin wurde das Verfahren gegen die Antragstellerin nicht fortgeführt.

4

Im Juni 2014 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass ihr erneut mitgeteilt worden sei, dass die Apartments 1 und 2 ungenehmigt bordellartig genutzt würden. Bei einer Internetrecherche am 23. Mai 2014 sei festgestellt worden, dass eine „…“ im Apartment 1 unter dem Namen „…“ zu erreichen sei. Im Apartment 2 sei eine „…“ unter dem Namen „…“ zu erreichen. Im Juni 2014 erklärte ein anderer Rechtsanwalt der Antragstellerin, dass die Apartments 1 und 2 nicht zweckfremd genutzt würden. Das Apartment 2 werde in Kürze neu vermietet und in das Apartment 1 werde die Antragstellerin wieder selbst einziehen und sich auch anmelden. Im Juli 2014 übersandte ihr Rechtsanwalt der Antragsgegnerin einen mit Herrn … hinsichtlich des Apartments 2 geschlossenen Mietvertrag sowie eine Meldebestätigung vom 24. Juni 2014, aus der sich ergibt, dass die Antragstellerin seit dem 24. Juni 2014 in dem Apartment 1 wohne.

5

Ein Foto des Klingelschildes des Gebäudes vom 5. November 2014 zeigt für das Apartment 1 den Namen „…“ und für das Apartment 2 den Namen „…“. Am 25. November 2014 überprüften Mitarbeiter des Landeskriminalamtes, ob in den Apartments 1 und 2 bordellartige Tätigkeiten ausgeübt würden. Dabei trafen die Beamten im Apartment 1 (Wohnung …) die Antragstellerin an, die angegeben habe, dass sie unter dem Arbeitsname „…“ in dem Apartment 1 der Prostitution nachgehe und dort auch selbst wohne. Das Apartment 2 habe sie normal vermietet. Prostitution finde dort nicht statt.

6

Mit Bescheid vom 8. Dezember 2014 forderte die Antragsgegnerin die Antragstellerin auf, die ungenehmigte bordellartige Nutzung der Apartments 1 und 2 bis spätestens zum 5. Januar 2015 einzustellen. Für den Fall, dass die Antragstellerin der Anordnung nicht fristgerecht nachkomme, setzte sie ein Zwangsgeld in Höhe von 2.500,-- Euro gegen die Antragstellerin fest. Zur Begründung führte sie aus, dass es sich bei der bordellartigen Nutzung um eine gewerbliche handele, die in einem allgemeinen Wohngebiet unzulässig sei.

7

Dagegen legte der jetzige Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin im Dezember 2014 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, dass das Apartment 2 seit dem 12. Juli 2014 an Herrn … vermietet worden sei und die Übergabe der Wohnung am selben Tag stattgefunden habe. Aufgrund von Zahlungsrückständen habe das Mietverhältnis bereits mit Schreiben vom 26. August 2014 gekündigt werden müssen. Die Rückübergabe der Wohnung habe am 2. September 2014 stattgefunden. Mit Mietvertrag vom 15. Oktober 2014 sei das Apartment 2 an Frau „…“ aus Lettland vermietet worden. Nach Informationen der Antragstellerin wohne Frau „…“ in dem Apartment als alleinigem Wohnsitz und sei dort auch gemeldet. Zu keinem Zeitpunkt habe Frau „…“ das Apartment bordellartig genutzt. Seit dem 24. Juni 2014 habe die Antragstellerin ihren Wohnsitz im Apartment 1. Zwar gehe sie in diesem Apartment der sogenannten Gelegenheitsprostitution nach. Das Apartment werde jedoch in keiner Weise bordellartig genutzt, sondern allenfalls in zeitlicher Hinsicht teilgewerblich für wenige Stunden am Tag.

8

Gemäß einer Melderegisterauskunft vom 23. Mai 2016 war die Antragstellerin wie folgt gemeldet: Vom 1. Juni 2012 bis 1. Juni 2013 mit Hauptwohnung im …, vom 1. Juni 2013 bis 24. Juni 2014 mit alleiniger Wohnung im …, vom 24. Juni 2014 bis zum 5. Mai 2015 mit Nebenwohnung im … und mit Hauptwohnung im … und seit dem 5. Mai 2015 mit alleiniger Wohnung im …. Laut Melderegisterauskunft vom selben Tag ist Frau … seit dem 15. Oktober 2014 mit alleiniger Wohnung im … gemeldet.

9

Mit Widerspruchsbescheid vom 8. September 2016 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch zurück, setzte der Antragstellerin für die Umsetzung der Nutzungsuntersagung eine Frist von zwei Monaten ab Zustellung des Widerspruchsbescheids und ordnete die sofortige Vollziehung an. Gleichzeitig setzte sie für den Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld in Höhe von 2.500,-- Euro gegen die Antragstellerin fest. Zur Begründung führte sie ergänzend aus, dass gemäß Internetrecherchen am 30. April, 1. Mai und 22. August 2016 auf der Internetseite … mehrere Frauen einschlägige Dienstleistungen in den Apartments 1 und 2 angeboten hätten. Zur Überzeugung der Antragsgegnerin stehe damit fest, dass in den Apartments 1 und 2 eine bordellartige und damit gewerbliche Nutzung stattfinde. Der Vortrag der Antragstellerin, sie habe das Apartment 1 seit dem 24. Juni 2014 als alleinige Wohnung bezogen, entspreche nicht den Meldedaten und stelle ebenso wie die Behauptung, dass das Apartment 2 zu Wohnzwecken vermietet worden sei, eine bloße Schutzbehauptung dar. Auch eine sogenannte Wohnungsprostitution stelle eine gewerbliche Nutzung dar. Diese Nutzung sei nicht ausnahmsweise gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zulässig. Denn es handele sich um eine typischerweise störende gewerbliche Nutzung. Die Nutzungsuntersagung sei verhältnismäßig. Ein milderes gleich effektives Mittel sei nicht ersichtlich. Das besondere Vollzugsinteresse für die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Nutzungsuntersagung ergebe sich daraus, dass die Nutzung ohne die erforderliche Genehmigung erfolge.

10

Gegen den am 16. September 2016 zugestellten Widerspruchsbescheid hat die Antragstellerin am 10. Oktober 2016 Klage erhoben (9 K 5603/16) und den vorliegenden Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt. Zur Begründung trägt sie ergänzend vor, dass das Hausgrundstück abgeschieden durch Grundflächen nicht in unmittelbarer Nachbarschaft ausschließlicher Wohngebäude liege. Es befinde sich vielmehr eine allgemeinmedizinische Praxis im übernächsten Nachbargebäude, ein Gewerbebetrieb im östlich hiervon gelegenen Hausgrundstück sowie im Umkreis von 100 m eine Vielzahl anderer Gewerbebetriebe. Das Apartmentgebäude im ... sei ursprünglich als Kurzzeitunterbringung mit Pensionscharakter mit jeweils möblierten Apartments gebaut und genehmigt worden. Da dieses Geschäftsmodell in der Nähe des Flughafens nicht erfolgreich gewesen sei, seien die einzelnen Apartments verkauft worden und würden der Vermietung an Dritte dienen. Aufgrund einer gewollten Schwangerschaft habe die Antragstellerin jegliche gewerbliche Tätigkeit eingestellt und sich am 18. Mai 2015 arbeitslos gemeldet. Deshalb sei sie auch in die angemietete Wohnung … umgezogen. Ob Frau … das Apartment 2 ohne Kenntnis der Antragstellerin an Prostituierte untervermietet habe, wisse sie nicht. Sie bestreite, dass hinter den Klingelschildern „…“ und „…“ die in ihrem Eigentum stehenden Apartments stehen würden. Im Internet würden eine Reihe von Prostituierten ihre Dienste für die Apartments 3 und 22 in dem Gebäude ... anbieten. Bei einer teilgewerblichen Nutzung zur Wohnungsprostitution handele es sich nicht um eine genehmigungsbedürftige Nutzungsänderung. Ein Bordellbetrieb setze eine durchstrukturierte Nutzung der Räumlichkeiten ausschließlich zu gewerblichen Zwecken, traditionell mit Barbetrieb, Kontakträumen, Kennzeichnung nach Außen und gemeinsamer Werbung für mehrere Prostituierte voraus. Eine solche Nutzung habe die Antragsgegnerin nicht nachgewiesen und gebe es auch nicht. Ein verstärkter Kraftfahrzeugverkehr sei nicht möglich, weil das Grundstück zurückliegend sei und keinen Kraftfahrzeugzugang habe. Es sei niemals zu Ruhestörungen oder lautstarken Auseinandersetzungen oder gar gewalttätigen Begleiterscheinungen gekommen. Sowohl die Freier einer Wohnungsprostitution als auch die Prostituierten seien darum bemüht, möglichst anonym und unerkannt zu bleiben. Das Störpotential der Wohnungsprostitution bemesse sich letztendlich an Beschwerden der Nachbarn, die es hinsichtlich der beiden Apartments der Antragstellerin nicht gebe. Das sofortige Vollzugsinteresse bestehe schon deshalb nicht, weil die Antragsgegnerin das Widerspruchsverfahren nicht beschleunigt betrieben habe. Im laufenden Verwaltungsverfahren sei es zu keinerlei weiteren Beschwerden oder Störungen gekommen. Schließlich sei es der Antragsgegnerin zumutbar, die Nutzungsuntersagung demjenigen gegenüber auszusprechen, der die Wohnung zu Prostitutionszwecken nutze. Die Antragstellerin nutze die beiden Apartments spätestens seit ihrem Auszug im Jahre 2015 ausschließlich zur angemessenen Vermietung als möblierte Apartments.

11

Die Antragstellerin beantragt,

12

die aufschiebende Wirkung ihrer Klage anzuordnen.

13

Die Antragsgegnerin beantragt,

14

den Antrag abzulehnen.

15

Zur Begründung verweist sie auf die Begründung des Widerspruchsbescheids.

B

I.

16

Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage (9 K 5603/16) gegen die Nutzungsuntersagung ist zulässig (1.), aber nicht begründet (2.).

17

1. Der Antrag ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 2. Alt. VwGO statthaft, da die Klage der Antragstellerin vom 10. Oktober 2016 gegen die Nutzungsuntersagung der Antragsgegnerin vom 8. Dezember 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. September 2016 entgegen § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO keine aufschiebende Wirkung hat, da die Antragsgegnerin im Widerspruchsbescheid gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung angeordnet hat. Der Antrag ist auch im Übrigen zulässig.

18

2. Der Antrag ist jedoch nicht begründet.Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Nutzungsuntersagung ist weder in formeller [a)] noch in materieller [b)] Hinsicht zu beanstanden.

19

a) Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Nutzungsuntersagung ist formell rechtmäßig. Gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist bei der Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Im Falle einer bauaufsichtsrechtlichen Untersagung einer ungenehmigten Nutzung genügt die Behörde dem besonderen Begründungserfordernis bereits dann, wenn sie auf die fehlende Genehmigung hinweist, da sie hiermit zugleich das öffentliche Interesse an der Einhaltung des bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahrens zum Ausdruck bringt (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 22.5.2000, 2 Bs 55/00, juris, Rn. 9; Alexejew, Hamburgisches Bauordnungsrecht, 28. Ergänzungslieferung 2016, § 76 Rn. 82). Einer zusätzlichen oder ausführlicheren Begründung bedarf es in diesen Fällen in der Regel nicht. Die Antragsgegnerin hat das besondere Vollzugsinteresse mit der fehlenden Genehmigung für die Nutzung der Apartments zur Prostitution begründet. Anhaltspunkte dafür, dass vorliegend ausnahmsweise von einem erhöhten Begründungsbedarf auszugehen ist, hat die Antragstellerin nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich.

20

b) Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist in materieller Hinsicht gerechtfertigt. Im Rahmen der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 2. Alt. VwGO bedarf es einer Abwägung der gegenseitigen Interessen der Beteiligten. Maßgeblich ist, ob das Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsbehelfs oder das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegen. Bei dieser Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsbehelfs zu beachten. Ist der angefochtene Verwaltungsakt nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein gebotenen summarischen Prüfung rechtmäßig, überwiegt das Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin, wenn zusätzlich ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts besteht.

21

Nach diesem Maßstab überwiegt vorliegend das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Nutzungsuntersagung das Interesse der Antragstellerin, bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens die Gebäude weiter zur Prostitution bzw. zur Vermietung an Personen, die der Prostitution nachgehen, zu nutzen. Die angefochtene Nutzungsuntersagung vom 8. Dezember 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. September 2016 ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts aller Voraussicht nach rechtmäßig [aa)]. Zudem besteht ein besonderes öffentliches Vollzugsinteresse [bb)].

22

aa) Die Nutzungsuntersagung ist rechtmäßig. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 76 Abs. 1 Satz 2 HBauO und ist formell rechtmäßig ergangen. Sie ist auch materiell rechtmäßig, denn die Tatbestandsvoraussetzungen liegen vor [(1)] und die Antragsgegnerin hat ihr Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt [(2)].

23

(1) Gemäß § 76 Abs. 1 Satz 2 HBauO kann die Nutzung baulicher Anlagen untersagt werden, wenn diese im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 22.5.2000, 2 Bs 55/00, juris; Beschl. v. 2.3.2009, 2 Bs 3/09, n.V.; Beschl. v. 8.12.2010, 2 Bs 215/10, n.V.), der sich die Kammer anschließt, berechtigt in der Regel bereits die formelle Illegalität einer Nutzung die Bauaufsichtsbehörde, die Nutzung auf der Grundlage des § 76 Abs. 1 Satz 2 HBauO zu untersagen. Die Nutzung der Apartments 1 und 2 ist formell illegal [(a)], es liegt keine Ausnahme von dem Grundsatz vor, dass die formelle Illegalität die Nutzungsuntersagung rechtfertigt [(b)] und die Antragstellerin ist auch die richtige Adressatin der Untersagungsverfügung [(c)].

24

(a) Bei summarischer Prüfung steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Apartments 1 und 2 zumindest auch zu Zwecken der Prostitution genutzt wurden und werden [(aa)]. Für diese Nutzung ist eine Genehmigung erforderlich, welche die Antragstellerin nicht eingeholt hat [(bb)].

25

(aa) Die Apartments 1 und 2 werden nach Einschätzung der Kammer zumindest auch zu Zwecken der Prostitution genutzt. Diese Überzeugung beruht auf den folgenden Indizien, die unabhängig voneinander diese Einschätzung tragen. Bereits in dem ersten bauaufsichtsrechtlichen Verfahren wegen des Verdachts der Nutzung der beiden Apartments zu Prostitutionszwecken im Jahre 2012 hat der damalige Rechtsanwalt der Antragstellerin eine solche Nutzung für die Vergangenheit nicht bestritten, sondern lediglich mitgeteilt, dass sich die Umstände geändert hätten und eine Nutzung zu Prostitutionszwecken in der Zukunft nicht mehr stattfinden werde. Bei einer Internetrecherche am 23. Mai 2014 stellte die Antragsgegnerin fest, dass auf der Internetseite … im Apartment 1 eine „…“ (erreichbar unter dem Namen „…“) und im Apartment 2 eine „…“ (erreichbar unter dem Namen „…“) einschlägige Dienstleistungen anboten. Hinsichtlich des Apartments 1 deckt sich dies mit den Angaben der Antragstellerin bei der Überprüfung durch Mitarbeiter des Landeskriminalamts am 25. November 2014, dass sie unter dem Arbeitsnamen „…“ in dem Apartment 1 der Prostitution nachgehe, und mit dem Foto des Klingelschildes des Gebäudes vom 5. November 2014, auf dem für das Apartment 1 der Name „…“ zu erkennen ist.

26

Zwar gab die Antragstellerin bei der Überprüfung im November 2014 an, dass das Apartment 2 nicht zu Zwecken der Prostitution genutzt werde. Außerdem trägt sie im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vor, dass sie die beiden Apartments spätestens seit ihrem Auszug aus dem Apartment 1 im Mai 2015 ausschließlich zur angemessenen Vermietung als möblierte Apartments nutze. Jedoch ist dieser Vortrag unsubstantiiert und nicht glaubhaft. Es bleibt schon unklar, was mit angemessener Vermietung als möbliertes Apartment gemeint ist. Selbst wenn zu Gunsten der Antragstellerin unterstellt wird, dass damit eine Vermietung nicht zu Prostitutionszwecken gemeint ist, ist dieser Vortrag zu unsubstantiiert, um die für eine Nutzung der Apartments zu Prostitutionszwecken sprechenden Indizien zu entkräften. Die Antragstellerin hat insbesondere nicht dargelegt, an wen sie das Apartment 1 derzeit vermietet und insoweit auch keinen Mietvertrag vorgelegt. Sie hat nicht erläutert, wie sie überprüft und sicherstellt, dass die Apartments 1 und 2 nicht zu Prostitutionszwecken genutzt werden. Als Eigentümerin und Vermieterin ist sie zu solchen Überprüfungs- und Sicherungsmaßnahmen zumindest ab dem Moment verpflichtet, ab dem sie – wie vorliegend sogar zweimal (2012 und 2014) – auf den Verdacht der Nutzung ihrer Apartments zu Prostitutionszwecken hingewiesen wurde (vgl. zu den Sorgfaltspflichten des Eigentümers bzw. Vermieters: VG Hamburg, Beschl. v. 8.11.2016, 7 E 5703/16, n.v.).

27

Dass die Apartments 1 und 2 auch nach Mai 2015 zu Prostitutionszwecken genutzt wurden, ergibt sich unabhängig davon daraus, dass gemäß der Internetrecherchen der Antragsgegnerin am 30. April 2016, 1. Mai 2016 und 22. August 2016 auf der Internetseite … mehrere Frauen einschlägige Dienstleistungen in den Apartments 1 und 2 angeboten haben. Dass die Antragstellerin bestreitet, dass die Klingelschilder „…“ und „…“ zu ihren Apartments gehören, ist unerheblich. Denn sie setzt sich nicht mit den Ergebnissen der Internetrecherche der Antragsgegnerin auseinander. Insbesondere trägt sie nicht substantiiert vor, weshalb das Apartment 1, das bei der Überprüfung am 25. November 2014 auch nach ihren Angaben mit der Bezeichnung „…“ am Klingelschild versehen war, nicht mit dem auf den Internetseiten genannten Apartment 1/… identisch sein soll. Soweit der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin darauf hinweist, dass im Internet eine Reihe von Prostituierten ihre Dienste für die Apartments 3 und 22 in dem Gebäude ... anbieten würden, bleibt schon unklar inwieweit sich diese Nutzung auf das vorliegende Verfahren auswirken soll. Wenn der Prozessbevollmächtigte damit zum Ausdruck bringen wollte, dass sich die Antragsgegnerin bei der Zuordnung der Werbung im Internet zu den Apartments 1 und 2 geirrt habe, so vermag er damit nicht durchzudringen. Aus den in der Sachakte dokumentierten Internetrecherchen der Antragsgegnerin ergibt sich, dass einschlägige Dienstleistungen sowohl in den Apartments 1 und 2 als auch in den Apartments 3 und 22 (die nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind) angeboten wurden.

28

(bb) Diese Nutzung ist selbst dann gewerblich, wenn zugunsten der Antragstellerin im Folgenden unterstellt wird, dass die Apartments 1 und 2 lediglich zur Wohnungsprostitution genutzt werden, dass also die Prostituierten in den Apartments wohnen – dies hat die Antragstellerin bisher allerdings nicht substantiiert vorgetragen. Denn eine solche Mischnutzung wäre im bauplanungsrechtlichen Sinne nicht allein der Wohnnutzung, sondern zumindest auch der gewerblichen Nutzung zuzurechnen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.6.1995, 4 B 137/95, juris, Rn. 3; Beschl. v. 29.10.1997, 4 B 8.97, juris, Rn. 8).

29

Die Änderung der Nutzung des Wohngebäudes als Bordell zum Zwecke der Ausübung gewerblicher Prostitution – auch im Rahmen der sogenannten Wohnungsprostitution – ist genehmigungsbedürftig (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 8.12.2010, 2 Bs 215/10, n.V.). Grundsätzlich genehmigungsbedürftig im Sinne des § 59 Abs. 1 Satz 1 HBauO ist eine Nutzungsänderung dann, wenn sich die neue Nutzung von der bisherigen dergestalt unterscheidet, dass die Zulässigkeit des geänderten Vorhabens nach anderen Bauvorschriften beurteilt werden muss als die vorherige. Dies ist schon deshalb der Fall, weil es sich bei der Wohnungsprostitution um eine (teil)gewerbliche Tätigkeit handelt, die im allgemeinen Wohngebiet – anders als die Wohnnutzung – nicht allgemein zulässig ist.

30

(b) Von dem Grundsatz, dass die formelle Illegalität die Nutzungsuntersagung rechtfertigt, liegt keine Ausnahme unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit vor. Insbesondere ist die Nutzung der Apartments 1 und 2 nicht offensichtlich genehmigungsfähig, weil der maßgebliche Bebauungsplan … das Vorhabengrundstück als allgemeines Wohngebiet ausweist. Die Wohnungsprostitution ist im allgemeinen Wohngebiet weder allgemein nach § 4 Abs. 2 BauNVO [(aa)] noch ausnahmsweise gemäß § 4 Abs. 3 BauNVO [(bb)] zulässig. Die Festsetzung des allgemeinen Wohngebiets ist auch nicht funktionslos geworden [(cc)].

31

(aa) Die Wohnungsprostitution ist eine Mischnutzung, die als zumindest auch gewerbliche Nutzung im allgemeinen Wohngebiet gemäß § 4 Abs. 2 BauNVO nicht allgemein zulässig ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.6.1995, 4 B 137/95, juris, Rn. 3; Beschl. v. 29.10.1997, 4 B 8.97, juris, Rn. 8).

32

(bb) Die Wohnungsprostitution ist auch nicht gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO als sonstiger nicht störender Gewerbebetrieb ausnahmsweise zulässig. Bei der Wohnungsprostitution handelt es sich nämlich nicht um eine nicht störende gewerbliche Nutzung. Die Frage, ob eine Nutzung als sonstiger nicht störender Gewerbebetrieb im Sinne des § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zugelassen werden kann, ist auf der Grundlage einer typisierenden Betrachtungsweise zu beantworten. Danach ist eine Ausnahme unzulässig, wenn das Vorhaben – bezogen auf den Wohngebietscharakter – aufgrund seiner typischen Nutzungsweise störend wirkt (VG Hamburg, Urt. v. 30.1.2012, 7 K 2382/11, n.V.). Eine Wohnungsprostitution ist aufgrund des typischerweise mit ihr verbundenen Störpotentials im allgemeinen Wohngebiet unzulässig (BVerwG, Beschl. v. 28.6.1995, a.a.O.; OVG Hamburg, Beschl. v. 8.12.2010, 2 Bs 215/10, n.V.; VG Hamburg, Urt. v. 30.1.2012, 7 K 2382/11, n.V.).

33

Vor dem Hintergrund der gebotenen typisierten Betrachtungsweise bedarf es keiner Fest-stellungen zum tatsächlichen Störpotential der Wohnungsprostitution in den Apartments 1 und 2. Insoweit ist auch der Vortrag des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin unerheblich, dass es nicht zu Nachbarbeschwerden gekommen sei und aufgrund der „zurückliegenden“ Lage (es bleibt unklar, was der Prozessbevollmächtigte damit meint, denn das Gebäude ist ausweislich der im FHH-Atlas vorhandenen Luftbilder und Karten vom … problemlos zu erreichen) ein verstärkter Kraftfahrzeugverkehr nicht zu erwarten sei.

34

(cc) Die Festsetzung des allgemeinen Wohngebiets ist nicht funktionslos geworden. Die von dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin genannten Beispiele von Nutzungen, die nicht zu Wohnzwecken erfolgen, können eine Funktionslosigkeit nicht begründen. Die allgemeinmedizinische Praxis im übernächsten Nachbargebäude ist als Anlage für gesundheitliche Zwecke nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO im allgemeinen Wohngebiet allgemein zulässig. Hinsichtlich des Gewerbebetriebes auf dem östlich hiervon gelegenen Hausgrundstück fehlt es an Anhaltspunkten dafür, dass es sich um einen störenden Gewerbebetrieb handelt. Der Vortrag, dass im Umkreis von 100 m eine Vielzahl anderer Gewerbebetriebe gegeben sei, ist schon deshalb zu unsubstantiiert, weil nicht ersichtlich ist, ob diese im selben Plangebiet wie die Apartments 1 und 2 liegen. Andere Anhaltspunkte für eine Funktionslosigkeit sind nicht ersichtlich.

35

(c)Die Antragstellerin ist die richtige Adressatin der Untersagungsverfügung.Verantwortlich für die Übereinstimmung einer Nutzung mit den öffentlich-rechtlichen Vorschriften ist nicht nur derjenige, der die bauliche Anlage konkret nutzt, sondern jeder über die bauliche Anlage Verfügungsberechtigte (OVG Hamburg, Beschl. v. 8.12.2010, 2 Bs 215/10, n.V.). Die Antragstellerin ist als Eigentümerin der beiden Apartments verfügungsberechtigt.

36

(2) Die Antragsgegnerin hat auch das ihr nach § 76 Abs. 1 Satz 2 HBauO zustehende Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Denn es entspricht Sinn und Zweck der Vorschrift und damit pflichtgemäßem Ermessen, eine baurechtswidrige Nutzung zu untersagen. Ein Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip lässt sich im Hinblick darauf, dass die formell illegale Nutzung nicht offensichtlich genehmigungsfähig ist, nicht erkennen (s.o.).

37

Die Antragsgegnerin hat insbesondere ihr Auswahlermessen bei der Störerauswahl fehlerfrei ausgeübt. Es besteht keine Verpflichtung, vorrangig vor dem jeweiligen Eigentümer die Mieter oder sonstigen Nutzungsberechtigten als Verantwortliche heranzuziehen (OVG Hamburg, Beschl. v. 10.6.2005, 2 Bs 144/05, juris, Rn. 12 ff.). Denn die jeweiligen Mieter bzw. Nutzungsberechtigten sind für die Antragsgegnerin in der Regel nur schwer zu ermitteln und ihnen gegenüber ausgesprochene Untersagungen sind nicht gleich effektiv wie eine Inanspruchnahme des Eigentümers (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 8.12.2010, 2 Bs 215/10, n.V.).

38

bb) Es besteht auch ein überwiegendes Vollzugsinteresse. Nach der bereits erwähnten ständigen Rechtsprechung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 22.5.2000, 2 Bs 55/00, juris; Beschl. v. 2.3.2009, 2 Bs 3/09, n.V.; Beschl. v. 8.12.2010, 2 Bs 215/10, n.V.), der sich die Kammer auch insoweit anschließt, berechtigt in der Regel bereits die formelle Illegalität einer Nutzung die Bauaufsichtsbehörde zur Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der Nutzungsuntersagung. Anhaltspunkte für einen atypischen Ausnahmefall sind nicht ersichtlich. Dass das Widerspruchsverfahren knapp zwei Jahre gedauert hat, weil die Antragsgegnerin vor einer endgültigen Entscheidung den Sachverhalt (auch im Interesse der Antragstellerin) weiter aufgeklärt hat, spricht nicht gegen das besondere Vollzugsinteresse. Zwar kann das besondere Vollzugsinteresse ausnahmsweise entfallen, wenn die Bauaufsichtsbehörde ein vollstreckbares Nutzungsverbot über einen längeren Zeitraum nicht durchsetzt oder wenn die Behörde die betroffene Anlage jahrelang geduldet hat, ohne auf das Genehmigungserfordernis hinzuweisen (OVG Greifswald, Beschl. v. 6.2.2008, 3 M 9/08, juris, Rn. 15; Alexejew, a.a.O., § 76 Rn. 82). Jedoch hat die Antragsgegnerin die Nutzung der Apartments 1 und 2 zu Prostitutionszwecken weder geduldet noch hat sie ein Nutzungsverbot trotz bestehender Vollstreckungsmöglichkeit über einen längeren Zeitraum nicht durchgesetzt. Vielmehr wurde die Nutzungsuntersagung erst durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung im Widerspruchsbescheid vollstreckbar. Davon unabhängig handelt es sich bei der Dauer des Widerspruchsverfahrens von unter zwei Jahren noch nicht um einen längeren Zeitraum im Sinne dieser Rechtsprechung.

II.

39

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Gemäß Ziffer 9.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 18. Juli 2013 orientiert sich der Streitwert einer Nutzungsuntersagung an der Höhe des Schadens der Antragstellerin. Mangels näherer Angaben dazu nimmt das Gericht den Schaden für die Nutzungsuntersagung mit dem Auffangwert von 5.000,-- Euro pro Apartment an. Im Verfahren einstweiligen Rechtsschutzes war der Wert (10.000,-- Euro) nach Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Nutzungsuntersagung zu halbieren.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 4 Allgemeine Wohngebiete


(1) Allgemeine Wohngebiete dienen vorwiegend dem Wohnen. (2) Zulässig sind 1. Wohngebäude,2. die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe,3. Anlagen für kirchliche, kulture
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bei uns veröffentlicht am 06.02.2008

Gründe 1 Die Beschwerde des Antragstellers hat nach Maßgabe des gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu berücksichtigenden Beschwerdevorbringens Erfolg. 2 Das Verwaltungsgericht hat in dem angefochtenen Beschl

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(1) Allgemeine Wohngebiete dienen vorwiegend dem Wohnen.

(2) Zulässig sind

1.
Wohngebäude,
2.
die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe,
3.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Betriebe des Beherbergungsgewerbes,
2.
sonstige nicht störende Gewerbebetriebe,
3.
Anlagen für Verwaltungen,
4.
Gartenbaubetriebe,
5.
Tankstellen.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Allgemeine Wohngebiete dienen vorwiegend dem Wohnen.

(2) Zulässig sind

1.
Wohngebäude,
2.
die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe,
3.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Betriebe des Beherbergungsgewerbes,
2.
sonstige nicht störende Gewerbebetriebe,
3.
Anlagen für Verwaltungen,
4.
Gartenbaubetriebe,
5.
Tankstellen.

Gründe

1

Die Beschwerde des Antragstellers hat nach Maßgabe des gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu berücksichtigenden Beschwerdevorbringens Erfolg.

2

Das Verwaltungsgericht hat in dem angefochtenen Beschluss angenommen, dass die angefochtenen Verwaltungsakte des Antragstellers offensichtlich rechtmäßig sind, insbesondere das Vorgehen des Antragstellers nunmehr dem Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG genügt. Es hat jedoch die besondere Rechtfertigung für die Anordnung der sofortigen Vollziehung verneint, nachdem der Antragsteller etwa 6 Jahre nach Kenntniserlangung von dem baurechtswidrigen Zustand nicht eingeschritten sei. Hiergegen wendet sich die Beschwerde im Ergebnis zu Recht.

3

Widerspruch und Anfechtungsklage haben entsprechend der gesetzlichen Regelung des § 80 Abs. 1 VwGO grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Ausnahmsweise kann die Behörde jedoch die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs dadurch beseitigen, dass sie nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung dieser Verfügung anordnet. Sie ist zu einer solchen Anordnung aber nur berechtigt, wenn die sofortige Vollziehung der Verfügung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten geboten erscheint. Vor Erlass der Anordnung muss die Behörde einerseits die Interessen der Öffentlichkeit und eines etwaigen Beteiligten an einer sofortigen Durchführung der Maßnahme sowie andererseits die entgegenstehenden Interessen des Betroffenen an dem Bestand der aufschiebenden Wirkung des eingelegten Widerspruchs gegeneinander abwägen. Das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung der Verfügung ist gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO grundsätzlich schriftlich zu begründen.

4

Grundsätzlich scheidet die Anordnung der sofortigen Vollziehung einer bauordnungsrechtlichen Beseitigungsverfügung aus. Die Gefahr eines nicht unerheblichen wirtschaftlichen Nachteils für den Betroffenen wiegt schwerer als die Nachteile, die mit dem vorläufigen weiteren Bestand dieses Baukörpers für die öffentlichen Belange verbunden sind. Es entspricht dem in Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten Schutz des Eigentums, dass mit erheblichem Aufwand geschaffene Substanzwerte grundsätzlich nicht zerstört werden, so lange nicht sicher ist, ob sie erhalten bleiben dürfen. Ist diese Frage Gegenstand eines Rechtsstreits, ist es deshalb grundsätzlich geboten, mit der Vollziehung einer Verfügung, die eine solche Zerstörung vorschreibt, zu warten, bis rechtskräftig über die Genehmigungsfähigkeit einer mit erheblichem Aufwand geschaffenen Bausubtanz entschieden ist (vgl. nur OVG Hamburg, B. v. 28.02.1997 - Bs II 5/97, zit. nach juris; Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 5. Aufl. 2008, Rn. 1288 m.w.N.).

5

Die sofortige Vollziehung einer rechtmäßigen Beseitigungsanordnung ist aber im Wesentlichen aus vier Gesichtspunkten heraus zulässig (Senat, B. v. 02.11.1993 - 3 M 89/93 - NVwZ 1995, 608; B.v. 12.02.2003 - 3 M 124/02 - NordÖR 2003, 167 = LKV 2003, 477; vgl. auch VGH Kassel, B. v. 29.06.1995 - 4 TG 703/95 - zit. nach juris; Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Rn. 1288 m.w.N.):

6

1. wenn die Beseitigung einem Nutzungsverbot gleichgestellt werden kann, weil sie ohne Substanzverlust und andere hohe Kosten zu bewerkstelligen ist,

7

2. wenn die Vorbildwirkung eines illegal ausgeführten Vorhabens eine Nachahmung in solchem Maße schon bis zum bestands- oder rechtskräftigen Abschluss der Hauptsache befürchten lässt, dass der Ausweitung der Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung rasch vorgebeugt werden muss,

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3. wenn ein beharrlicher und notorischer Schwarzbauer nur auf diese Weise erfolgversprechend an der Fortsetzung seiner rechtswidrigen Betätigung gehindert werden kann, oder

9

4. wenn die von dem Bauwerk ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ein sofortiges Einschreiten durch Beseitigung der baulichen Anlagen erfordert.

10

Diese Gesichtspunkte stehen grundsätzlich selbständig nebeneinander. Das gilt namentlich für die des fehlenden Substanzverlustes und der Vorbildwirkung (vgl. auch OVG Lüneburg, B. v. 10.05.1994 - 1 M 1046/94 - BRS 56 Nr. 208; OVG Münster, B. v. 13.09.1996 - 11 B 1083/96 - BRS 58 Nr. 128). Sie können auch kumulativ die Dringlichkeit begründen ( vgl. Senat, B. v. 12.02.2003 - 3 M 124/02).

11

Die erste Fallgruppe betrifft diejenigen Fälle, in denen im Einzelfall die Entfernung einer genehmigungspflichtigen, aber ungenehmigten Anlage mangels wesentlichen Substanzverlusts ohne schwerwiegenden Nachteil möglich ist. Sie stellt dann keinen schwereren Eingriff dar als die Untersagung der Nutzung einer ungenehmigt fertig gestellten Anlage. Ein Nutzungsverbot kann in einem solchen Falle regelmäßig schon zur Sicherung der Ordnungsfunktion des formellen Baurechts unter Anordnung der sofortigen Vollziehung erlassen werden, um die Effektivität des Baugenehmigungsverfahrens zu sichern (Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Rn. 1287). Nach der Rechtsprechung des Senats kann zudem dann, wenn zur formellen Baurechtswidrigkeit noch eine materielle hinzu kommt und diese offensichtlich ist, unter Umständen auch die sofortige Vollziehung einer Abbruchverfügung geboten sein, selbst wenn diese zu einem Substanzverlust führt, wenn eine besondere Dringlichkeit des Eingreifens besteht (OVG Greifswald, B. v. 12.02.2003, a.a.O.).

12

Die zweite Fallgruppe setzt voraus, dass die Vorbildwirkung eines illegal ausgeführten Vorhabens eine Nachahmung in solchem Maße schon bis zum bestands- oder rechtskräftigen Abschluss der Hauptsache befürchten lässt, dass der Ausweitung der Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung rasch vorgebeugt werden muss. Eine negative Vorbildwirkung in diesem Sinne setzt grundsätzlich eine Einzelfallbetrachtung voraus (VGH Kassel, B. v. 28.01.1992 - 4 TH 1539/91 -, HessVGRspr. 1992, 90 [92], zit. nach juris). Es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das Vorhandensein der baulichen Anlage bereits Nachahmung gefunden hat oder mit Wahrscheinlichkeit finden wird. Dabei sind das betroffene Grundstück, seine Situation bzw. Umgebung, das betroffene Gebiet sowie ggf. sonstige bedeutsame Umstände konkret in den Blick zu nehmen (vgl. Senat, B. v. 02.11.1993 - 3 M 89/93 - NVwZ 1995, 608; B. v. 12.02.2003 - 3 M 124/02 - DÖV 2003, 637).

13

Danach ist im vorliegenden Fall die besondere Dringlichkeit schon nach Maßgabe der ersten Fallgruppe zu bejahen. Die Anlage ist - wie der Senat in seinem Beschluss vom 13.08.2007 ausgeführt hat - formell rechtswidrig und auch offensichtlich materiell nicht genehmigungsfähig. Die Beseitigungsverfügung kommt angesichts der leichten Abbaubarkeit der Werbetafel einer Nutzungsuntersagung gleich. Ein Nutzungsverbot würde, wenn es nicht sofort wirksam ist, seinen Zweck verfehlen, weil der erstrebte Nutzen oder Erfolg aus der illegal aufgestellten Anlage vom Aufsteller bereits (weitgehend) erzielt ist, bevor eine Verbotsverfügung bestandskräftig wird. Bei Werbeträgern kommt hinzu, dass bei einer - wie vorliegend - vollständig fertig gestellten Anlage ein "reines" Nutzungsverbot ins Leere geht, weil die Werbeanlage allein durch ihre Existenz den vom Antragsteller gewünschten Erfolg bringt (OVG Münster, B. v. 29.10.1979 - XI B 1447/79 - BRS 35 Nr. 143; Finkelnburg u.a., a.a.O., Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Rn. 1289).

14

Was die Vorbildwirkung angeht, so ist zu berücksichtigen, dass die Aufsteller von Werbeanlagen sich praktisch in allen Verfahren auf andere angeblich illegal aufgestellte oder rechtswidrig genehmigte Werbeanlagen in der Umgebung berufen. Erfahrungsgemäß ermutigt ein solches Vorgehen, wie es der Antragsgegner praktiziert hat, zur Nachahmung in anderen Fällen, so dass die Ordnungsfunktion des formellen Baurechts unterlaufen wird (vgl. OVG Münster, B. v. 13.09.1996 a.a.O.). Dies wird auch im vorliegenden Fall deutlich: Der Antragsgegner beruft sich auf eine Vielzahl von anderen Fällen, in denen der Antragsteller nicht gegen illegale Werbetafeln eingeschritten sei. Mit den in der Antragserwiderung vom 01.10.2007 aufgeführten mehr als 57 Werbeanlagen geht der Antragsgegner davon aus, dass es sich jeweils um vergleichbare Fälle handele, in denen der Antragsteller nicht eingeschritten sei. Allein der äußere Anschein des Nichteinschreitens, der durch das Vorhandensein der Werbeanlagen vermittelt wird, löst hier die Vorbildwirkung aus. Sie tritt wechselseitig zwischen den verschiedenen Werbeanlagen ein.

15

Der Antragsteller macht in der Beschwerdeschrift zu Recht geltend, dass der Anordnung des Sofortvollzugs nicht der Zeitablauf von Kenntnisnahme der rechtswidrigen Errichtung der Anlage bis zum Einschreiten durch den Antragsteller entgegensteht. Ein langes Nichttätigwerden der zuständigen Ordnungsbehörde kann allerdings dazu führen, dass die Eilbedürftigkeit im Sinne des §80 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. Abs. 3 VwGO nicht vorliegt. Dies bedarf aber jeweils einer den Einzelfall berücksichtigenden Würdigung. Der vom Verwaltungsgericht herangezogenen Entscheidung des OVG Münster (Beschluss vom 25.06.1987 - 7 B 1183/87 - BRS 47 Nr. 198) lässt sich für den vorliegenden Fall keine parallele Wertung entnehmen. Dieser Beschluss betrifft eine Fallgestaltung, in der die zuständige Behörde bereits über eine vollstreckbare Verfügung gegenüber einem der Störer verfügte, aus der sie jahrelang nicht vollstreckt hatte, während sie nun gegenüber dessen Ehefrau unter Anordnung des Sofortvollzugs vorging. Diese Fallgestaltung ist mit der vorliegenden nicht vergleichbar. Der hier zu beurteilende Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass - wie dargelegt - einerseits die Werbeanlage ihre Nutzung entfaltet, solange sie unter dem Schutz der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage trotz ihrer formellen und materiellen Rechtswidrigkeit stehen bleibt, und andererseits eine Vorbildwirkung entfaltet. Würde in einem solchen Falle die Dringlichkeit verneint werden, nachdem die Behörde sich entschlossen hat, unter Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes gegen derartige rechtswidrige Zustände einzuschreiten, müsste sie diese möglicherweise mehrere Jahre lang hinnehmen, weil sämtliche Verantwortliche für illegale Werbetafeln sich auf die fehlende Dringlichkeit berufen könnten. Gerade die angesprochene Vorbildwirkung bedingt aber, dass die zuständige Behörde, hat sie sich nunmehr zu einem effektiven Einschreiten entschlossen, entsprechend verfahren kann. Ansonsten würde eine Perpetuierung des formell und materiell rechtswidrigen Zustandes eintreten.

16

Die angefochtenen Bescheide genügen entgegen der Ansicht des Antragsgegners, die er in seinem Schriftsatz vom 01.10.2007 geäußert hat, nunmehr auch dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art.3 Abs. 1 GG. Dieser Grundsatz verpflichtet die Baurechtsbehörde, ihre bauordnungsrechtliche Tätigkeit maßgeblich auch am Gleichheitssatz auszurichten. Sie muss das eingeräumte Ermessen in gleichgelagerten Fällen gleichmäßig ausüben. Ergreift oder unterlässt die Behörde Maßnahmen zur Bekämpfung baurechtswidriger Zustände, so hat sie in allen vergleichbaren Fällen in der gleichen Art und Weise zu verfahren. Das bedeutet bei einer Vielzahl von Verstößen jedoch nicht, dass sie gleichzeitig tätig werden muss; entschließt sie sich zu einem Einschreiten, so ist es ihr unbenommen, die Verhältnisse nach und nach zu bereinigen; ihr ist es lediglich verwehrt, systemlos oder willkürlich vorzugehen; beschränkt sie sich darauf, einen Einzelfall herauszugreifen, so handelt sie dem Gleichbehandlungsgebot zuwider, es sei denn, dass sie hierfür sachliche Gründe anzuführen vermag (BVerwG, B. v. 22.04.1995 - IV B 55.95 - BRS 57 Nr. 248 m.w.N.). Der Senat hat in seinem Beschluss vom 13.08.2007 - 3 M 48/07 - weiter ausgeführt:

17

"Die Bauaufsichtsbehörde muss bei ihren Anordnungen das Gleichbehandlungsgebot nach Art. 3 Abs. 1 GG beachten und darf nicht einzelne Bürger gegenüber anderen willkürlich, d.h. ohne rechtfertigenden Grund, benachteiligen. Daraus folgt allerdings nicht, dass rechtswidrige Zustände, die bei einer Vielzahl von Grundstücken vorliegen, stets "flächendeckend" zu bekämpfen sind. Vielmehr darf die Behörde - etwa in Ermangelung ausreichender personeller und sachlicher Mittel - auch anlassbezogen vorgehen und sich auf die Regelung von Einzelfällen beschränken, sofern sie hierfür sachliche Gründe anzuführen vermag (vgl. BVerwG, B. v. 19.07.1976 - 4 B 22.76 - Buchholz 406.17 Bauordnungsrecht Nr. 5). So kann es rechtmäßig sein, wenn die Behörde einen geeigneten Fall als "Musterfall" auswählt, um erst nach einer gerichtlichen Bestätigung ihrer Rechtsauffassung gleichartige Fälle aufzugreifen. Ebenso ist es mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, wenn die Behörde zunächst nur Fälle aufgreift, in denen eine Verschlechterung des bestehenden Zustands droht (BVerwG, B. v. 19.02.1992 - 7 B 106/91 - NVwZ-RR 1992, 360)."

18

Im vorliegenden Fall hat der Antragsgegner keine in diesem Sinne gleichgelagerten Fälle benannt, hinsichtlich derer dem Antragsteller der Vorwurf der Ungleichbehandlung gemacht werden könnte. Der Gleichbehandlungsgrundsatz verpflichtet die Behörde zu einem nach Zeitpunkt und Modalitäten gleichmäßigen Vorgehen gegen rechtswidrige Zustände, soweit nicht in der Sache begründete Unterschiede Abweichungen rechtfertigen. Die Rechtsprechung hat im Baurecht den räumlichen Bezug des Gleichheitssatzes bei einer entsprechenden Rüge im Prozess aus der Erkenntnis eingeschränkt, dass der Bauaufsichtsbehörde ein gleichmäßiges Einschreiten in ihrem gesamten Bereich aus verschiedenen praktischen Gründen unmöglich ist. Eine Verletzung des Gleichheitssatzes führt somit nur dann zur Aufhebung einer Maßnahme, wenn die Behörde in räumlich benachbarten Fällen unterschiedlich vorgeht (OVG Weimar, B. v. 07.07.1994 - 1 EO 182/93 - ThürVBl 1994, 291; VG Oldenburg, U. v. 21.04.2005 - 4 A 59/03). Maßgebend ist ein bestimmter topographischer Bereich (VGH Mannheim, U. v. 29.02.1996 - 8 S 3371/95 - NVwZ-RR1997, 465).

19

Nach diesen Grundsätzen kann der Antragsgegner von vornherein nicht eine Gleichbehandlung mit denjenigen Werbetafeln verlangen, die außerhalb der Ortschaft A. aufgestellt worden sein sollen. Der Anspruch auf Gleichbehandlung mit Anlagen endet somit an den Ortsgrenzen. Für die Ortschaft A. hat der Antragsgegner auf die Werbeanlagen der B. GmbH verwiesen. Insoweit führt der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 30.11.2007 zu Recht aus, dass der Antragsteller durch die jeweils angemessenen Maßnahmen zur Beseitigung der Werbetafeln geschritten ist.

20

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 47, 53 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.

21

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz2 GKG).

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.