Verwaltungsgericht Karlsruhe Beschluss, 16. Aug. 2007 - 6 K 2446/07

bei uns veröffentlicht am16.08.2007

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 10.08.2007 gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 09.08.2007 wird wiederhergestellt bzw. angeordnet.

2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese auf sich behält.

3. Der Antrag der Beigeladenen auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

4. Der Streitwert wird für das Verfahren auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

 
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen eine polizeiliche Verfügung der Antragsgegnerin, mit welcher ein unter dem 25.07.2007 verfügtes zweiwöchiges Betretensverbot für das Grundstück in ..., ... um weitere zwei Wochen verlängert wurde.
Der Antrag ist zulässig und begründet.
Das Gericht sieht Anlass, dem Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz gemäß § 80 Abs.5 VwGO gegen die in formell ordnungsgemäßer Weise (vgl. § 80 Abs.3 Satz 1 VwGO) für sofort vollziehbar erklärte Verfügung der Antragsgegnerin vom 09.08.2007 zu gewähren. Denn das öffentliche Interesse an der sofortigen Durchsetzung dieses polizeirechtlichen Platzverweises überwiegt nicht das private Interesse des Antragstellers, sich bis zum Ablauf der zeitlichen Geltung des Platzverweises weiterhin in dem in der Verfügung beschriebenen Bereich aufzuhalten. Bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein gebotenen summarischen Betrachtung der Sach- und Rechtslage bestehen im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung überwiegende Zweifel an der Rechtmäßigkeit des verfügten Platzverweises in Anwendung der §§ 1, 3 PolG.
Nach § 1 Abs.1 Satz 1 PolG hat die Polizeibehörde die Aufgabe, von dem Einzelnen oder dem Gemeinwesen Gefahren abzuwehren, durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird, und Störungen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu beseitigen, soweit es im öffentlichen Interesse geboten ist. Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit sind auch subjektive Rechtsgüter und Rechte des Einzelnen. § 1 PolG dient auch der Durchsetzung der in der objektiven Rechtsordnung begründeten Verhaltenspflichten. Hierzu gehört vor allem die Verhütung und vorbeugende Bekämpfung von Straftaten. Im vorliegenden Zusammenhang dürfte das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit betroffen sein, weil eine von dem Antragsteller ausgehende „häusliche Gewalt“, nämlich die Begehung von Körperverletzungsdelikten (vgl. §§ 223 ff. StGB), in Frage steht.
Vor diesem Hintergrund durfte die Polizeibehörde der Antragsgegnerin mit der bestandskräftig gewordenen Verfügung vom 25.07.2007 nach § 3 PolG diejenigen Maßnahmen ergreifen, die ihr nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlich erschienen, um weiteren Störungen der öffentlichen Sicherheit, hier: der Begehung strafbarer Handlungen, vorzubeugen. Der zunächst ausgesprochene Platzverweis dürfte daher dem Grundsatz nach geeignet gewesen sein, der Gefahr „häuslicher Gewalt“ jedenfalls vorübergehend zu begegnen; auch wenn Zweifel hinsichtlich der angeordneten Zeitdauer des polizeilichen Wohnungsverweises bestehen (vgl. die nachfolgenden Ausführungen), denen aber wegen der eingetretenen Bestandskraft nicht weiter nachzugehen ist.
Dies dürfte jedoch nicht mehr für die hier angegriffene Verfügung vom 09.08.2007 zutreffen, mit welcher das Betretensverbot um weitere zwei Wochen verlängert wurde. Wie sich der Begründung der Verlängerungsverfügung entnehmen lässt, verfolgt die Antragsgegnerin mit dieser Maßnahme in erster Linie den Zweck, den Zeitraum bis zum Ergehen einer Entscheidung des Familiengerichts über den Antrag der Beigeladenen auf Erlass richterlicher Entscheidungen nach dem Gewaltschutzgesetz - GewaltschutzG - zu überbrücken. Mit dieser Zwecksetzung begegnet die angefochtene Verfügung aber erheblichen rechtlichen Bedenken, da diese Erwägung ermessensfehlerhaft sein dürfte und die Antragsgegnerin für eine solche Regelung auch nicht zuständig sein dürfte.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (U. v. 22.07.2004 - 1 S 2801/03 -, VBlBW 2005 S. 138 ff.) sperrt zwar das Gewaltschutzgesetz nicht den Rückgriff auf die polizeiliche Generalklausel. Allerdings kann diese nur für einen kurzfristigen Wohnungsverweis dienen. Der polizeiliche Wohnungsverweis stellt nach dieser Rechtsprechung lediglich eine flankierende Maßnahme dar, um der Behörde in Fällen häuslicher Gewalt eine erste kurzfristige Krisenintervention zu ermöglichen und Opfern bereits vor bzw. bis zur Erreichbarkeit zivilrechtlichen Schutzes beizustehen. Darüber hinaus hat das Gewaltschutzgesetz den zivilrechtlichen Schutz bei Gewalttaten und bei bestimmten unzumutbaren Belästigungen erheblich erweitert und einen Verstoß gegen eine familiengerichtliche Schutzanordnung sogar ausdrücklich mit Strafe bewehrt. Das Gewaltschutzgesetz sieht in § 1 auf Antrag des Opfers ein befristetes richterliches Betretungsverbot sowie ein Aufenthaltsverbot in einem bestimmten Umkreis der Wohnung und sonstige richterliche Anordnungen vor. Es ermöglicht auch den Opfern, in ihrer Wohnung zu bleiben und dort vor weiteren Übergriffen geschützt zu werden. Insbesondere kann im Wege eines Eilantrags vor dem Zivil- bzw. Familiengericht erreicht werden, dass die gemeinsame Wohnung dem Opfer zeitlich befristet zur alleinigen Nutzung zugewiesen wird. Auch ermöglicht § 64 b Abs.2 Satz 2 FGG, dass das Familiengericht die sofortige Wirksamkeit einer Entscheidung nach den §§ 1 und 2 GewaltschG und die Zulässigkeit einer Vollstreckung bereits vor der Zustellung an den Antragsgegner anordnet. Das Familiengericht kann auch gemäß § 64 b Abs.3 Satz 1 FGG auf Antrag in einem Verfahren nach den §§ 1und 2 GewaltschutzG im Wege einer einstweiligen Anordnung vorläufige Regelungen erlassen. Bis zur Erlangung von Eilrechtsschutz vor dem Familiengericht bleibt es bei der Anwendung der polizeilichen Generalklausel, um dem von häuslicher Gewalt betroffenen Opfer angemessene Zeit zur Einholung zivilrechtlichen Rechtsschutzes zu gewähren. Der polizeiliche Wohnungsverweis stellt aber lediglich eine flankierende, kurzfristige Maßnahme dar, um der Behörde in Fällen häuslicher Gewalt eine erste kurzfristige Krisenintervention zu ermöglichen und Opfern bereits vor bzw. bis zur Erreichbarkeit zivilrechtlichen Schutzes beizustehen. Von einer kurzfristigen Krisenintervention dürfte aber dann nicht mehr die Rede sein, wenn sich der polizeiliche Wohnungsverweis - wie hier - über einen Zeitraum von insgesamt vier Wochen erstrecken soll.
Auch kann die polizeiliche Generalklausel wohl nicht dazu herangezogen werden, Zeiträume bis zu einer Entscheidung des Amtsgerichts im Verfahren nach dem Gewaltschutzgesetz zu überbrücken. Denn nach der oben genannten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (a.a.O.) kommt die polizeiliche Generalklausel als Ermächtigungsgrundlage für einen Wohnungsverweis mit Rückkehrverbot nur dann in Betracht, wenn diese wegen eines Eingriffs in Art. 11 Abs. 1 GG und des Gesetzesvorbehalts in Art. 11 Abs. 2 GG verfassungskonform ausgelegt und angewandt wird. Nach dem qualifizierten Gesetzesvorbehalt in Art. 11 Abs. 2 GG darf das Recht auf Freizügigkeit nur durch Gesetz u. a. nur für die Fälle eingeschränkt werden, in denen eine derartige Einschränkung erforderlich ist, „um strafbaren Handlungen vorzubeugen“. Es reicht danach nicht aus, dass die Voraussetzungen einer allgemeinen polizeilichen Gefahr im Sinne von §§ 1, 3 PolG vorliegen. Vielmehr müssen bei verfassungskonformer Auslegung der polizeilichen Generalklausel die qualifizierten Voraussetzungen des Art. 11 Abs. 2 GG gegeben sein. Freizügigkeitsbeschränkende Maßnahmen wie ein Wohnungsverweis sind danach grundsätzlich nur zur Vorbeugung strafbarer Handlungen, mithin regelmäßig nur in Fällen häuslicher Gewalt zur Verhinderung von Gewalt- und Nötigungsdelikten zulässig.
Für die hier angefochtene Verfügung ist jedoch nicht der Gesichtspunkt der Verhinderung von Straftaten bestimmend, sondern derjenige der Überbrückung des Zeitraums bis zum Ergehen einer zivilrichterlichen Entscheidung nach dem Gewaltschutzgesetz. Abgesehen davon, dass hiergegen bereits erhebliche Bedenken unter dem Gesichtspunkt eines fehlerhaften Gebrauchs des durch §§ 1, 3 PolG eingeräumten Ermessens bestehen, dürfte es für eine solche polizeiliche Maßnahme auch an der Zuständigkeit mangeln. Denn nach § 2 Abs. 2 PolG obliegt der Polizei der Schutz privater Rechte nur dann, wenn gerichtlicher Schutz nicht zu erlangen ist und wenn ohne polizeiliche Hilfe die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung eines Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Wie den dem Gericht vorliegenden Unterlagen zu entnehmen ist, hat die Prozessbevollmächtigte der Beigeladenen mit Schriftsatz vom 25.07.2007 einen Antrag auf Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz beim Amtsgericht Rastatt - Familiengericht - gestellt, über den aber bisher noch nicht entschieden ist und über den nach Auskunft des Amtsgerichts Rastatt vom heutigen Tag im Laufe dieser Woche nicht mehr entschieden wird. Es fällt nicht in die Zuständigkeit der Ortspolizeibehörde, quasi im Vorgriff auf etwaige amtsrichterliche Regelungen nach dem Gewaltschutzgesetz vorläufige Maßnahmen zu treffen, die ausschließlich dem Amtsgericht im Rahmen der Anwendung des Gewaltschutzgesetzes vorbehalten sind.
10 
Auf den Antrag des Antragstellers war daher die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs wiederherzustellen, bzw. hinsichtlich der in Ziff. 5 der Verfügung vom 09.08.2007 ausgesprochenen Zwangsgeldandrohung anzuordnen.
11 
Die beschließende Kammer weist klarstellend darauf hin, dass die Antragsgegnerin durch diese Entscheidung nicht gehindert ist, bei einem erneuten Anlass häuslicher Gewalt (wieder) einen polizeilichen Wohnungsverweis zur Vorbeugung strafbarer Gewalt- und Nötigungsdelikte als Maßnahme einer kurzfristigen Krisenintervention i. S. d. Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg (a.a.O.) auszusprechen.
12 
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Der Antrag der Beigeladenen auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gem. § 80 Abs. 5 VwGO war mangels hinreichender Erfolgsaussicht abzulehnen (§ 166 VwGO i. V. m. § 114 ZPO). Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG. Eine Halbierung des Auffangstreitwertes im Hinblick auf den vorläufigen Charakter der vorliegenden Entscheidung kommt nicht in Betracht, da mit dieser - angesichts der Dauer der Verlängerung des Platzverweises um weitere zwei Wochen - eine Vorwegnahme der Hauptsache verbunden ist.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Karlsruhe Beschluss, 16. Aug. 2007 - 6 K 2446/07

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Karlsruhe Beschluss, 16. Aug. 2007 - 6 K 2446/07

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der
Verwaltungsgericht Karlsruhe Beschluss, 16. Aug. 2007 - 6 K 2446/07 zitiert 10 §§.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 53 Einstweiliger Rechtsschutz und Verfahren nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes


(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung: 1. über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlas

Zivilprozessordnung - ZPO | § 114 Voraussetzungen


(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 166


(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmäc

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 11


(1) Alle Deutschen genießen Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet. (2) Dieses Recht darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes und nur für die Fälle eingeschränkt werden, in denen eine ausreichende Lebensgrundlage nicht vorhanden ist und der

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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 22. Juli 2004 - 1 S 2801/03

bei uns veröffentlicht am 22.07.2004

Tenor Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 6. Mai 2003 - 5 K 4439/01 - geändert. Es wird festgestellt, dass der Platzverweis des Beklagten vom 30. Oktober 2000 rechtswidrig war. Der Beklagte träg

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 6. Mai 2003 - 5 K 4439/01 - geändert.

Es wird festgestellt, dass der Platzverweis des Beklagten vom 30. Oktober 2000 rechtswidrig war.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines polizeilichen Platzverweises.
Vom 27.6.1999 bis zum 30.10.2000 bewohnte der Kläger gemeinsam mit seinem damaligen Lebenspartner R. M. eine Wohnung in der xxx xxx, xxx xxx. Am 26.10.2000 eröffnete der Kläger seinem Partner, R. M., dass er gedenke, zum 31.1.2001 auszuziehen. Aufgrund dieser Mitteilung kam es zu Unstimmigkeiten zwischen den Lebenspartnern. R. M. drohte dem Kläger, ihn nicht mehr in die Wohnung zu lassen. Der Kläger beanspruchte demgegenüber durch Schreiben eines beauftragten Rechtsanwalts vom 27.10.2000, noch bis zum 31.1.2001 in der Wohnung verbleiben zu können.
Am 30.10.2000 kam es aus Anlass der bevorstehenden Trennung erneut zu einer Meinungsverschiedenheit zwischen den beiden Partnern. Nach der Darstellung des Klägers erhielt er an seinem Arbeitsplatz am frühen Nachmittag eine SMS von R. M., aus der hervorging, dass dieser sich das Leben nehmen wolle. Hierüber informierte der Kläger (um 17.30 Uhr) seine Hausärztin, Frau Dr. K. N., die durch den Kläger von mehreren zurückliegenden Suizidversuchen seines Partners wusste, und ließ sich von ihr vorsorglich eine „Verordnung von Krankenhausbehandlung“ für R. M. erteilen, die als Begründung „Suizidgefahr“ sowie „Selbst- und Fremdgefährdung“ auswies. Nach der Rückkehr des Klägers in die Wohnung um 19.30 Uhr kündigte sein Partner erneut einen Suizid an und verließ mit Rucksack und Schlaftabletten die Wohnung. Hierüber verständigte der Kläger die Polizei auf dem Polizeirevier xxx-xxx-xxx, wo er kurz vor 20.00 Uhr eintraf und dort auch die ärztliche Einweisung vorlegte. Die dortigen Beamten informierten das für das Wohngebiet zuständige Polizeirevier xxx und das Führungs- und Lagezentrum der LPD Stuttgart II, die eine Funkstreife (PHM xxx und Polizeimeisterin xxx) beauftragten, R. M. aufzusuchen, um der Angelegenheit nachzugehen. Die Besatzung des Funkstreifenwagens traf R. M. in seiner Wohnung an, nahm ihn in Gewahrsam und brachte ihn zunächst auf das Polizeirevier xxx. Von den dortigen Beamten, denen weitere zurückliegende Suizidversuche von R. M bekannt waren, wurde Kontakt zu der vom Kläger informierten Hausärztin aufgenommen, die sich bereit erklärte, R. M. zu untersuchen. Diese erklärte nach einem Gespräch mit R.M. gegenüber den Polizeibeamten, dass bei R. M. keine akute Suizidgefahr bestehe, so dass dieser in seine Wohnung zurückkehren könne. Es solle jedoch vermieden werden, dass die beiden Kontrahenten in der Nacht nochmals zusammentreffen. Als die beiden Beamten gegen 22.30 Uhr mit R. M. in die xxx xxx zurückkehrten, befand sich dort der Kläger. Da sich R. M. als Hauptmieter zu erkennen gab, forderten die Beamten den Kläger zum Verlassen der Wohnung sowie unter Androhung von Zwangsmaßnahmen zur Herausgabe des Wohnungsschlüssels auf und übergaben den Schlüssel dem Partner. Der Kläger kam dem Wohnungsverweis nach, nachdem ihm zuvor Gelegenheit gegeben worden war, einige persönlichen Sachen zusammen zu packen; er wurde von der Polizei noch bis zu seinem Fahrzeug begleitet.
Am 29.10.2001 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben und die Feststellung beantragt, dass der Platzverweis vom 30.10.2000 rechtswidrig war. Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen, dass das polizeiliche Vorgehen rechtswidrig und insbesondere von keiner Rechtsgrundlage gedeckt sei. Nicht er, sondern sein ehemaliger Partner sei mit seinen häufigen Suizidversuchen Störer gewesen. Der Platzverweis habe ihn in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt. Infolge des Platzverweises sei R. M. die Möglichkeit eröffnet worden, auf sein noch in der Wohnung befindliches Eigentum zuzugreifen, was auch geschehen sei. Schließlich sei er aufgrund des Vorfalls über einen längeren Zeitraum arbeitsunfähig erkrankt und habe hohe Verdienstausfälle erlitten. Das Land sei ihm deshalb zum Schadensersatz verpflichtet.
Mit Urteil vom 6.5.2003 - 5 K 4439/01 - hat das Verwaltungsgericht - dem Antrag des beklagten Landes entsprechend - die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die statthafte Fortsetzungsfeststellungsklage sei bereits unzulässig, weil der Kläger kein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung habe. Insbesondere ergebe sich ein solches nicht aus dem Gesichtspunkt der Rehabilitierung oder mit Blick auf die geltend gemachten Schadensersatzansprüche. Im Übrigen sei die Klage auch unbegründet, da das Handeln der Polizeibeamten nach §§ 1, 3 PolG rechtmäßig gewesen sei. Nach der maßgeblichen ex-ante-Betrachtung habe eine Gefahrenlage bestanden. Die Störerauswahl sei angesichts der Aussage der Ärztin und der vertraglichen Mietverhältnisse ebenfalls nicht zu beanstanden. Schließlich stelle der Platzverweis auch die adäquate Eingriffsmöglichkeit dar, da er ein milderes Mittel zum (möglichen) Mittel des Beseitigungsgewahrsams gemäß § 28 PolG sei.
Mit Beschluss vom 15.12.2003 hat der Senat auf Antrag des Klägers die Berufung zugelassen.
Zur Begründung seiner Berufung vertieft der Kläger seine Ausführungen zum Feststellungsinteresse und trägt des weiteren folgendes vor: Das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht von einer konkreten polizeilichen Gefahr ausgegangen, denn ein weiterer Streit zwischen ihm und seinem ehemaligen Partner hätte in der fraglichen Nacht nicht mehr gedroht. Jedenfalls habe es keinerlei Anhaltspunkte dafür gegeben, dass es zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen ihnen kommen würde. Es habe allenfalls erwogen werden können, dass es zu einem weiteren Suizidversuch durch R. M. kommen könne. Für diesen Fall wäre aber die Gefahr durch seine Anwesenheit eher verringert worden. Davon abgesehen sei auch die Auswahlentscheidung ermessensfehlerhaft getroffen worden. Denn ein Platzverweis hätte nicht ihm, sondern, wenn überhaupt, R. M. gegenüber erteilt werden müssen. Unter dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr sei unerheblich, wer Haupt- oder Untermieter gewesen sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 6. Mai 2003 - 5 K 4439/01 - abzuändern und festzustellen, dass der Platzverweis  des Beklagten vom 30.10.2000 rechtswidrig war.
10 
Der Beklagte beantragt,
11 
die Berufung zurückzuweisen.
12 
Er verteidigt die angegriffene Entscheidung und führt ergänzend aus, dass die Polizeibeamten zu Recht von einer polizeilichen Gefahr ausgegangen seien. Auch wenn eine akute Selbstmordgefahr nicht bestanden habe, so sei doch zu befürchten gewesen, dass die Situation, falls der Kläger in der Wohnung verbleibe, eskalieren könne und R.M. schließlich doch seine Selbstmorddrohung in die Tat umsetze. Dieser Gefahr habe durch eine Trennung der Partner vorgebeugt werden müssen. Gegenüber einer - auch nur zwangsweise - möglichen Einweisung von R. M. in ein Krankenhaus habe der gegenüber dem Kläger ausgesprochene Wohnungsverweis der „geringere“ Eingriff dargestellt.
13 
Dem Senat liegen die einschlägigen Behörden- und Gerichtsakten vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf diese Akten und die im Berufungszulassungs- und Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Beteiligten verwiesen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

 
14 
Die vom Senat zugelassene und auch sonst zulässige Berufung des Klägers hat Erfolg.
15 
Das Verwaltungsgericht hätte die Klage nicht abweisen dürfen. Sie ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts zulässig und auch begründet; der mit der Klage angegriffene Platzverweis vom 30.10.2000 war rechtswidrig und verletzte den Kläger in seinen Rechten.
16 
Gegenstand des vom Kläger im Berufungsverfahren weiterverfolgten Klageantrags ist die Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Platzverweises vom 30.10.2000. Davon umfasst ist nach dem erkennbaren Zweck seines Rechtsschutzbegehrens nicht nur der Wohnungsverweis, sondern auch das Rückkehrverbot sowie die Anordnung der Herausgabe des Schlüssels an seinen ehemaligen Lebenspartner.
17 
1. Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft und zulässig.
18 
Bei der gegenüber dem Kläger erfolgten polizeilichen Anordnung vom 30.10.2000, die mit seinem ehemaligen Lebenspartner gemeinsam geführte Wohnung zu verlassen und den Wohnungsschlüssel an diesen herauszugeben, handelt es sich um einen Verwaltungsakt, gegen den nach erfolgloser Durchführung eines Widerspruchsverfahrens die Anfechtungsklage statthaft gewesen wäre. Dieser Verwaltungsakt hat sich jedoch vor Klageerhebung erledigt, so dass § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO entsprechende Anwendung findet (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 113 RdNr. 99). Dabei sind - entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts - die Wirkungen des Verwaltungsakts nicht bereits durch das Verlassen der Wohnung weggefallen. Denn die Aufforderung, die Wohnung zu verlassen, hatte zugleich ein - zeitlich nicht befristetes - Rückkehrverbot zum Inhalt. Nach den insoweit übereinstimmenden Bekundungen des Klägers und des PHM xxx in der mündlichen Verhandlung wurde das Rückkehrverbot in zeitlicher Hinsicht nicht ausdrücklich befristet, so dass darauf abzustellen ist, wie der Adressat den Verwaltungsakt nach Treu und Glauben verstehen musste bzw. durfte (analog §§ 157, 133 BGB; vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 35 RdNr. 19). Dem Kläger wurde hier nicht nur aufgegeben, die Wohnung zu verlassen, sondern er wurde auch aufgefordert, den Wohnungsschlüssel an seinen Partner heraus zu geben. Zudem sollte er seine persönlichen Sachen packen und er wurde, um eine Rückkehr in die Wohnung zu verhindern, zu seinem Auto gebracht. Dem Kläger und seinem früheren Partner wurde von Seiten der Polizeibeamten der Rat erteilt, am nächsten Tag die mietrechtliche Situation und den Verbleib des Klägers anwaltlich klären zu lassen, so dass der Kläger nicht davon ausgehen konnte, dass das Rückkehrverbot auf die Nacht beschränkt war. Eine derartige zeitliche Begrenzung war für den Kläger auch nicht aus den sonstigen Umständen erkennbar. Davon hätte man ausgehen können, wenn ihm die ärztliche Empfehlung, es solle vermieden werden, dass die beiden Kontrahenten in der Nacht nochmals aufeinandertreffen, sinngemäß wiedergegeben worden wäre. Dies war aber nicht der Fall. Der Kläger konnte sich nicht erinnern, dass ihm von diesem ärztlichen Rat berichtet worden wäre. Auch nach Aussage von PHM xxx in der mündlichen Verhandlung wurde dem Kläger die Erklärung der Ärztin Dr. K. N. nicht übermittelt. Der Kläger durfte daher den Platzverweis in zeitlicher Hinsicht so verstehen, dass er bis auf weiteres die Wohnung nicht wieder betreten dürfe.
19 
Der zugrundeliegende Verwaltungsakt hat sich jedoch durch Zeitablauf - spätestens zum 31.1.2001, dem Zeitpunkt, als der Kläger ohnehin die gemeinsame Wohnung verlassen wollte - erledigt.
20 
Die Fortsetzungsfeststellungsklage unterlag auch keiner Klagefrist. Hat sich ein Verwaltungsakt - wie hier - vor Eintritt der Bestandskraft erledigt, so ist eine Klage, die auf Feststellung seiner Rechtswidrigkeit gerichtet ist, nicht an die Fristen der §§ 74 Abs. 1 bzw. 58 Abs. 2 VwGO gebunden (BVerwG, Urteil vom 14.7.1999 - 6 C 7.98 -, VBlBW 2000, 22).
21 
Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts besteht auch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts.
22 
Nicht zu beanstanden ist allerdings die Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass sich das berechtigte Interesse nicht unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr ergebe. Nachdem der Kläger nicht mehr mit seinem ehemaligen Partner zusammen lebt und außerdem nach München umgezogen ist, lässt sich eine hinreichend bestimmte Gefahr, ein gleichartiger Verwaltungsakt werde unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen erneut ergehen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16.10.1989 - 7 B 108.89 -, NVwZ 1990, 360 m.w.N.), nicht erkennen.
23 
Auch mit Blick auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen besteht entgegen der Auffassung des Klägers kein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung. Denn ein solches wird in diesen Fällen nach ständiger Rechtsprechung nur dann anerkannt, wenn die Erledigung des Verwaltungsakts erst nach Klageerhebung eingetreten ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.1.1989 - 8 C 30.87 -, BVerwGE 81, 226 f.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 8.2.1993 - 8 S 515/92 -, VBlBW 1993, 300). Denn nur dann rechtfertigt es der vom Kläger bereits entfaltete prozessuale Aufwand, die Anfechtungsklage als Fortsetzungsfeststellungsklage weiterzuführen und dem Kläger so die „Früchte“ des Prozesses zu erhalten (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 113 RdNr. 136).
24 
Dem Kläger kommt jedoch ein schutzwürdiges ideelles Interesse zu. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kommt ein ideelles Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit einer erledigten Verwaltungsmaßnahme nicht nur in Betracht, wenn von dieser eine nachwirkende Diskriminierung ausgeht. Vielmehr kann auch die Art des Eingriffs, insbesondere im grundrechtlich geschützten Bereich, verbunden mit dem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz, es erfordern, das Feststellungsinteresse anzuerkennen (vgl. Beschluss vom 30.4.1999 - 1 B 36.99 -, Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 6 m.w.N.). Dazu zählen namentlich Feststellungsbegehren, die polizeiliche Maßnahmen zum Gegenstand haben. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist ein Rechtsschutzinteresse über die Fälle hinaus, in denen ein gerichtliches Verfahren dazu dienen kann, eine gegenwärtige Beschwer auszuräumen, einer Wiederholungsgefahr zu begegnen oder eine fortwirkende Beeinträchtigung durch einen an sich beendeten Eingriff zu beseitigen, auch in Fällen tiefgreifender Grundrechtseingriffe gegeben, in denen die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene die gerichtliche Entscheidung in der von der Prozessordnung gegebenen Instanz kaum erlangen kann. Dies ist hier der Fall. Der Wohnungsverweis mit Rückkehrverbot greift erheblich in die Grundrechte u.a. der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), der Freizügigkeit (Art. 11 Abs. 1 GG), der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 GG) und in das Eigentumsrecht nach Art. 14 Abs. 1 GG, dessen Schutzbereich auch das Besitzrecht des Mieters einer Wohnung umfasst (BVerfGE 89, 1 ff), ein. Da die polizeiliche Maßnahme in aller Regel auf einen kurzen Zeitraum beschränkt ist, innerhalb dessen allenfalls gerichtlicher Eilrechtsschutz in Anspruch genommen werden kann, wäre dem Betroffenen andernfalls eine gerichtliche Überprüfung der polizeilichen Maßnahme verwehrt, was mit Art. 19 Abs. 4 GG nicht zu vereinbaren wäre (vgl. zur Möglichkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage bei Wohnungsverweisung mit Rückkehrverbot auch BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 22.2.2002 - 1 BvR 300/02 -,NJW 2002, 2225).
25 
2. Die Klage ist auch begründet. Die polizeiliche Anordnung vom 30.10.2000 gegenüber dem Kläger, die mit dem Lebenspartner gemeinsam geführte Wohnung zu verlassen und vorerst nicht mehr zu betreten, ist in materieller Hinsicht rechtswidrig gewesen und hat den Kläger in subjektiven Rechten verletzt.
26 
Als Ermächtigungsgrundlage kommt nur die polizeiliche Generalklausel (§ 3 i.V.m. § 1 PolG) in Betracht, da im Gegensatz zu anderen Bundesländern (vgl. den Überblick über die Rechtslage in den Ländern bei Naucke-Lömker, NJW 2002, 3525 f.; siehe ferner OVG Münster, NJW 2002, 2195 f.) der polizeiliche Verweis aus der eigenen Wohnung und das Rückkehrverbot in Baden-Württemberg weder spezialgesetzlich noch als eigenständige Standardmaßnahme geregelt worden sind.
27 
Es bestehen keine grundsätzlichen verfassungs- oder einfachrechtlichen Bedenken, die polizeiliche Generalklausel als Rechtsgrundlage für derartige Maßnahmen heranzuziehen.
28 
Es verstößt insbesondere nicht gegen die Gesetzgebungskompetenz des Landesgesetzgebers, einen Wohnungsverweis auf die polizeiliche Generalklausel zu stützen. Gemäß Art. 73 Nr. 3 1. Fall GG hat der Bund zwar die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für die „Freizügigkeit“. Dadurch ist jedoch eine Begrenzung des Grundrechts auf Freizügigkeit aus Art. 11 Abs. 1 GG, dessen Schutzbereich auch nach Auffassung des Senats bei Wohnungsverweisen mit Rückkehrverbot tangiert ist, durch Landesrecht nicht ausgeschlossen. Soweit der Senat in der Vergangenheit für Aufenthaltsverbote den Schutzbereich des Art. 11 Abs. 1 GG nicht als eröffnet betrachtet hat, wird daran nicht mehr festgehalten. Denn Art. 11 Abs. 1 GG schützt das Recht, am selbstgewählten Ort Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen; damit zielen die Maßnahmen des Wohnungsverweises mit Rückkehrverbot wie auch des Aufenthaltsverbots bei objektiver Betrachtung auf eine dahingehende Einschränkung ab (so auch die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur, vgl. die Nachweise bei Schnapp, NWVBl. 2003, 484 f., Fußnote 20 sowie Wuttke, Polizeirecht und Zitiergebot, Diss. 2003, S. 60 f. mit zahlreichen weiteren Nachweisen auch zur Gegenauffassung auf S. 54 f.; a.A. auch Ruder, Platz- bzw. Hausverweis, Betretungs- und Rückkehrverbot für gewalttätige Ehepartner?, VBlBW 2002, 11 ff., <14>). Aus der Wortlautidentität des Begriffes „Freizügigkeit“ in Art. 73 Nr. 3 GG und Art. 11 Abs. 1 GG folgt jedoch nicht die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Vielmehr ist der Begriff der „Freizügigkeit“ in Art. 73 Nr. 3 GG enger auszulegen als jener des Art. 11 Abs. 1 GG (eingehende Diskussion und weitere Nachweise bei Seiler, Der polizeiliche Verweis aus der eigenen Wohnung, VBlBW 2004, 93 f. sowie bei Schnapp, a.a.O.). Für diese Auffassung spricht vor allem, dass der Kriminalvorbehalt in Art. 11 Abs. 2 GG („um strafbaren Handlungen vorzubeugen“) sich auf Landesrecht bezieht, da die Verhütung und Unterbindung strafbarer Handlungen nach allgemeinem Polizeirecht in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder fällt. Der Gesetzesvorbehalt des Art. 11 Abs. 2 GG würde ansonsten weitgehend leer laufen. Daher ist das in die Landeskompetenz fallen Recht der Gefahrenabwehr von der Bundeskompetenz nach Art. 73 Nr. 3 GG auszunehmen.
29 
Der Vorbehalt des Parlamentsgesetzes hindert ebenfalls nicht, die polizeiliche Generalklausel als Ermächtigungsgrundlage für Verweisungen aus der eigenen Wohnung anzuerkennen.
30 
Zwar werden teilweise in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte (vgl. VG Stuttgart, Beschluss vom 17.5.2001 - 5 K 1912/01 -, VBlBW 2002, 43) im Hinblick auf die vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Wesentlichkeitstheorie (vgl. BVerfG, NJW 1998, 669, 670) Zweifel daran angemeldet, ob die polizeiliche Generalklausel als Ermächtigungsgrundlage für eine Wohnungsverweisung mit Rückkehrverbot ausreicht und damit dem Parlamentsvorbehalt genügt. Diese rechtlichen Bedenken teilt der Senat jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht. Die Regelungsmaterie „Gefahrenabwehr“ erfordert einen weiten Gestaltungsspielraum der Verwaltung und eine flexible Handhabung des ordnungsbehördlichen Instrumentariums. Gerade das Recht der Gefahrenabwehr mit seinen von Rechtsprechung und Schrifttum konkretisierten Leitlinien des Opportunitäts- und Verhältnismäßigkeitsprinzips kann deshalb mit sprachlich offen gefassten Ermächtigungen auskommen, die gegebenenfalls verfassungskonform auszulegen und anzuwenden sind (vgl. auch Seiler, Der polizeiliche Verweis aus der eigenen Wohnung, VBlBW 2004, 93 f. <94>; ebenso Ruder, VBlBW 2002, 11 <14>). Bei der Wohnungsverweisung mit Rückkehrverbot handelt es sich zudem um eine relativ neuartige als Modellversuch angelegte polizeiliche Vorgehensweise zur Bekämpfung häuslicher Gewalt, so dass jedenfalls wegen des Experimentiercharakters für eine Übergangszeit der Rückgriff auf die Generalklausel hinzunehmen ist (vgl. auch Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, 2. Aufl. 2004, § 7 RdNr. 20; Wuttke, a.a.O. S. 108 m.w.N.). Allerdings handelt es sich angesichts der Intensität des Zugriffs auf die Individualsphäre des Betroffenen auch nach Auffassung des Senats um einen Grenzfall zulässiger Ausgestaltung, weshalb eine verbleibende Zweifelsfragen klärende Normierung als Standardmaßnahme nach einer Phase der Erprobung angezeigt wäre.
31 
 
32 
Schließlich scheitert die Anwendbarkeit der polizeilichen Generalklausel nicht an der Sperrwirkung speziellerer Bundes- oder Landesgesetze. Das am 1.1.2002 in Kraft getretene Gewaltschutzgesetz vom 11.12.2001 - GewSchG - (BGBl. I, S. 3513) steht im vorliegenden Fall schon deshalb nicht entgegen, weil es zum Zeitpunkt der mündlichen Anordnung der angegriffenen Maßnahme (30.10.2000) noch nicht galt. Davon abgesehen sperrt es nicht den Rückgriff auf die polizeiliche Generalklausel für einen kurzfristigen Wohnungsverweis. Der polizeiliche Wohnungsverweis stellt vielmehr eine flankierende Maßnahme dar, um der Behörde in Fällen häuslicher Gewalt eine erste kurzfristige Krisenintervention zu ermöglichen und Opfern bereits vor bzw. bis zur Erreichbarkeit zivilrechtlichen Schutzes beizustehen (vgl. insoweit BVerfG, Beschluss vom 22.2.2002, a.a.O.). Es würde Sinn und Zweck des Gewaltschutzgesetzes, den Opfern häuslicher Gewalt beizustehen und deren Schutz zu verbessern, zuwider laufen, wenn hierdurch der Rückgriff auf den in aller Regel schnelleren polizeilichen Schutz, den die polizeiliche Generalklausel gewährleistet, ausgeschlossen wäre.
33 
 
34 
Stehen dem Rückgriff auf die polizeiliche Generalklausel nach alledem keine grundsätzlichen verfassungs- oder einfachrechtlichen Bedenken entgegen, so kommt die polizeiliche Generalklausel als Ermächtigungsgrundlage für einen Wohnungsverweis mit Rückkehrverbot gleichwohl nur dann in Betracht, wenn diese wegen des Eingriffs in Art. 11 Abs. 1 GG und des Gesetzesvorbehalts in § 11 Abs. 2 GG verfassungskonform ausgelegt und angewandt wird. Nach dem qualifizierten Gesetzesvorbehalt in Art. 11 Abs. 2 GG darf das Recht auf Freizügigkeit nur durch Gesetz und u.a. nur für die Fälle eingeschränkt werden, in denen eine derartige Einschränkung erforderlich ist, „um strafbaren Handlungen vorzubeugen“. Es reicht danach nicht aus, dass die Voraussetzungen einer allgemeinen polizeilichen Gefahr im Sinne von §§ 1, 3 PolG vorliegen. Vielmehr müssen bei verfassungskonformer Auslegung der polizeilichen Generalklausel die qualifizierten Voraussetzungen des Art. 11 Abs. 2 GG gegeben sein. Freizügigkeitsbeschränkende Maßnahmen wie ein Wohnungsverweis sind demnach grundsätzlich nur zur Vorbeugung strafbarer Handlungen, mithin regelmäßig nur in Fällen häuslicher Gewalt zur Verhinderung von Gewalt- und Nötigungsdelikten zulässig.
35 
Diese besonderen Voraussetzungen lagen hier nicht vor.
36 
Nach dem maßgeblichen Kenntnisstand der Polizei im Zeitpunkt ihres Einschreitens („Ex-ante-Sicht“) bestanden keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass durch den Kläger Gewalttätigkeiten oder sonstige strafbare Handlungen drohten. Auch der Beklagte hat dies zu keinem Zeitpunkt behauptet. Insbesondere bestand auch kein Anlass zu der Annahme, der Kläger werde durch strafbares Tun oder Unterlassen dazu beitragen, dass sein Partner die Selbstmordandrohung realisieren würde. Vielmehr lässt die Tatsache, dass er die Selbstmorddrohung seines Partners am Nachmittag zum Anlass nahm, ärztlichen Rat einzuholen und dies bei der Polizei zu melden, darauf schließen, dass er sich der sozialen Verantwortung für seinen Partner bewusst war und gerade vermeiden wollte, dass dieser seine Selbstmorddrohung in die Tat umsetzen würde. Bestand danach keine Gefahr, dass vom Kläger selbst zum Zeitpunkt des Einschreitens die Gefahr strafbaren Verhaltens gegenüber seinem Partner ausgehen könnte, so lassen sich die angegriffenen Maßnahmen schon aus diesem Grunde nicht auf die polizeiliche Generalklausel stützen.
37 
Aber selbst wenn man den Kriminalvorbehalt des Art. 11 Abs. 2 GG so versteht, dass er nicht ausdrücklich die Verhinderung von strafbaren Handlungen gerade des durch den Wohnungsverweis Betroffenen fordert (vgl. hierzu Schnapp, a.a.O. S. 491 m.w.N.), ergibt sich nichts anderes. Angesichts der grundsätzlichen Straflosigkeit des Selbstmordversuches war auch vom Partner des Klägers keine strafbare Handlung im Sinne des Art. 11 Abs. 2 GG zu befürchten.
38 
Eine darüber hinausgehende Heranziehung der polizeilichen Generalklausel für einen Wohnungsverweis auf Fälle einer unmittelbaren Selbsttötungsgefahr eines Mitbewohners, ohne dass der vom Wohnungsverweis Betroffene sich strafbar verhält oder auch nur als Störer in Betracht kommt, ließe nach Auffassung des Senats die Eingriffsschwelle des Art. 11 Abs. 2 GG unberücksichtigt und erscheint angesichts der im Polizeigesetz geregelten Standardmaßnahme des Schutzgewahrsams gegenüber dem Selbstmordgefährdeten (§ 28 Abs. 1 Nr. 2 lit. c PolG) - abgesehen von den weiteren rechtlichen Möglichkeiten nach dem Gesetz über die Unterbringung psychisch Kranker - UBG - (GBl. S.794) - auch mit Blick auf die Schutzpflicht des Staates gegenüber Lebens- und Gesundheitsgefahren nicht gerechtfertigt.
39 
Diese Frage bedarf indes für den vorliegenden Fall keiner abschließenden Erörterung. Denn es bestand zum allein maßgeblichen Zeitpunkt des polizeilichen Einschreitens schon keine unmittelbare Suizidgefahr bei R. M. Dies ergibt sich aus der Beurteilung der von den Polizeibeamten aufgesuchten Ärztin, die als Hausärztin mit der menschlichen und medizinischen Situation der beiden Partner vertraut war, um die zurückliegenden Suizidversuche von R. M. wusste und diesen auch am fraglichen Abend gesprochen hatte. Auch war der Partner des Klägers nach den Bekundungen der Polizeibeamten in ruhiger Verfassung und damit nicht in seiner Fähigkeit eingeschränkt, seinen Willen frei zu bestimmen.
40 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
41 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.  

Gründe

 
14 
Die vom Senat zugelassene und auch sonst zulässige Berufung des Klägers hat Erfolg.
15 
Das Verwaltungsgericht hätte die Klage nicht abweisen dürfen. Sie ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts zulässig und auch begründet; der mit der Klage angegriffene Platzverweis vom 30.10.2000 war rechtswidrig und verletzte den Kläger in seinen Rechten.
16 
Gegenstand des vom Kläger im Berufungsverfahren weiterverfolgten Klageantrags ist die Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Platzverweises vom 30.10.2000. Davon umfasst ist nach dem erkennbaren Zweck seines Rechtsschutzbegehrens nicht nur der Wohnungsverweis, sondern auch das Rückkehrverbot sowie die Anordnung der Herausgabe des Schlüssels an seinen ehemaligen Lebenspartner.
17 
1. Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft und zulässig.
18 
Bei der gegenüber dem Kläger erfolgten polizeilichen Anordnung vom 30.10.2000, die mit seinem ehemaligen Lebenspartner gemeinsam geführte Wohnung zu verlassen und den Wohnungsschlüssel an diesen herauszugeben, handelt es sich um einen Verwaltungsakt, gegen den nach erfolgloser Durchführung eines Widerspruchsverfahrens die Anfechtungsklage statthaft gewesen wäre. Dieser Verwaltungsakt hat sich jedoch vor Klageerhebung erledigt, so dass § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO entsprechende Anwendung findet (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 113 RdNr. 99). Dabei sind - entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts - die Wirkungen des Verwaltungsakts nicht bereits durch das Verlassen der Wohnung weggefallen. Denn die Aufforderung, die Wohnung zu verlassen, hatte zugleich ein - zeitlich nicht befristetes - Rückkehrverbot zum Inhalt. Nach den insoweit übereinstimmenden Bekundungen des Klägers und des PHM xxx in der mündlichen Verhandlung wurde das Rückkehrverbot in zeitlicher Hinsicht nicht ausdrücklich befristet, so dass darauf abzustellen ist, wie der Adressat den Verwaltungsakt nach Treu und Glauben verstehen musste bzw. durfte (analog §§ 157, 133 BGB; vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 35 RdNr. 19). Dem Kläger wurde hier nicht nur aufgegeben, die Wohnung zu verlassen, sondern er wurde auch aufgefordert, den Wohnungsschlüssel an seinen Partner heraus zu geben. Zudem sollte er seine persönlichen Sachen packen und er wurde, um eine Rückkehr in die Wohnung zu verhindern, zu seinem Auto gebracht. Dem Kläger und seinem früheren Partner wurde von Seiten der Polizeibeamten der Rat erteilt, am nächsten Tag die mietrechtliche Situation und den Verbleib des Klägers anwaltlich klären zu lassen, so dass der Kläger nicht davon ausgehen konnte, dass das Rückkehrverbot auf die Nacht beschränkt war. Eine derartige zeitliche Begrenzung war für den Kläger auch nicht aus den sonstigen Umständen erkennbar. Davon hätte man ausgehen können, wenn ihm die ärztliche Empfehlung, es solle vermieden werden, dass die beiden Kontrahenten in der Nacht nochmals aufeinandertreffen, sinngemäß wiedergegeben worden wäre. Dies war aber nicht der Fall. Der Kläger konnte sich nicht erinnern, dass ihm von diesem ärztlichen Rat berichtet worden wäre. Auch nach Aussage von PHM xxx in der mündlichen Verhandlung wurde dem Kläger die Erklärung der Ärztin Dr. K. N. nicht übermittelt. Der Kläger durfte daher den Platzverweis in zeitlicher Hinsicht so verstehen, dass er bis auf weiteres die Wohnung nicht wieder betreten dürfe.
19 
Der zugrundeliegende Verwaltungsakt hat sich jedoch durch Zeitablauf - spätestens zum 31.1.2001, dem Zeitpunkt, als der Kläger ohnehin die gemeinsame Wohnung verlassen wollte - erledigt.
20 
Die Fortsetzungsfeststellungsklage unterlag auch keiner Klagefrist. Hat sich ein Verwaltungsakt - wie hier - vor Eintritt der Bestandskraft erledigt, so ist eine Klage, die auf Feststellung seiner Rechtswidrigkeit gerichtet ist, nicht an die Fristen der §§ 74 Abs. 1 bzw. 58 Abs. 2 VwGO gebunden (BVerwG, Urteil vom 14.7.1999 - 6 C 7.98 -, VBlBW 2000, 22).
21 
Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts besteht auch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts.
22 
Nicht zu beanstanden ist allerdings die Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass sich das berechtigte Interesse nicht unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr ergebe. Nachdem der Kläger nicht mehr mit seinem ehemaligen Partner zusammen lebt und außerdem nach München umgezogen ist, lässt sich eine hinreichend bestimmte Gefahr, ein gleichartiger Verwaltungsakt werde unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen erneut ergehen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16.10.1989 - 7 B 108.89 -, NVwZ 1990, 360 m.w.N.), nicht erkennen.
23 
Auch mit Blick auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen besteht entgegen der Auffassung des Klägers kein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung. Denn ein solches wird in diesen Fällen nach ständiger Rechtsprechung nur dann anerkannt, wenn die Erledigung des Verwaltungsakts erst nach Klageerhebung eingetreten ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.1.1989 - 8 C 30.87 -, BVerwGE 81, 226 f.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 8.2.1993 - 8 S 515/92 -, VBlBW 1993, 300). Denn nur dann rechtfertigt es der vom Kläger bereits entfaltete prozessuale Aufwand, die Anfechtungsklage als Fortsetzungsfeststellungsklage weiterzuführen und dem Kläger so die „Früchte“ des Prozesses zu erhalten (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 113 RdNr. 136).
24 
Dem Kläger kommt jedoch ein schutzwürdiges ideelles Interesse zu. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kommt ein ideelles Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit einer erledigten Verwaltungsmaßnahme nicht nur in Betracht, wenn von dieser eine nachwirkende Diskriminierung ausgeht. Vielmehr kann auch die Art des Eingriffs, insbesondere im grundrechtlich geschützten Bereich, verbunden mit dem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz, es erfordern, das Feststellungsinteresse anzuerkennen (vgl. Beschluss vom 30.4.1999 - 1 B 36.99 -, Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 6 m.w.N.). Dazu zählen namentlich Feststellungsbegehren, die polizeiliche Maßnahmen zum Gegenstand haben. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist ein Rechtsschutzinteresse über die Fälle hinaus, in denen ein gerichtliches Verfahren dazu dienen kann, eine gegenwärtige Beschwer auszuräumen, einer Wiederholungsgefahr zu begegnen oder eine fortwirkende Beeinträchtigung durch einen an sich beendeten Eingriff zu beseitigen, auch in Fällen tiefgreifender Grundrechtseingriffe gegeben, in denen die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene die gerichtliche Entscheidung in der von der Prozessordnung gegebenen Instanz kaum erlangen kann. Dies ist hier der Fall. Der Wohnungsverweis mit Rückkehrverbot greift erheblich in die Grundrechte u.a. der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), der Freizügigkeit (Art. 11 Abs. 1 GG), der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 GG) und in das Eigentumsrecht nach Art. 14 Abs. 1 GG, dessen Schutzbereich auch das Besitzrecht des Mieters einer Wohnung umfasst (BVerfGE 89, 1 ff), ein. Da die polizeiliche Maßnahme in aller Regel auf einen kurzen Zeitraum beschränkt ist, innerhalb dessen allenfalls gerichtlicher Eilrechtsschutz in Anspruch genommen werden kann, wäre dem Betroffenen andernfalls eine gerichtliche Überprüfung der polizeilichen Maßnahme verwehrt, was mit Art. 19 Abs. 4 GG nicht zu vereinbaren wäre (vgl. zur Möglichkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage bei Wohnungsverweisung mit Rückkehrverbot auch BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 22.2.2002 - 1 BvR 300/02 -,NJW 2002, 2225).
25 
2. Die Klage ist auch begründet. Die polizeiliche Anordnung vom 30.10.2000 gegenüber dem Kläger, die mit dem Lebenspartner gemeinsam geführte Wohnung zu verlassen und vorerst nicht mehr zu betreten, ist in materieller Hinsicht rechtswidrig gewesen und hat den Kläger in subjektiven Rechten verletzt.
26 
Als Ermächtigungsgrundlage kommt nur die polizeiliche Generalklausel (§ 3 i.V.m. § 1 PolG) in Betracht, da im Gegensatz zu anderen Bundesländern (vgl. den Überblick über die Rechtslage in den Ländern bei Naucke-Lömker, NJW 2002, 3525 f.; siehe ferner OVG Münster, NJW 2002, 2195 f.) der polizeiliche Verweis aus der eigenen Wohnung und das Rückkehrverbot in Baden-Württemberg weder spezialgesetzlich noch als eigenständige Standardmaßnahme geregelt worden sind.
27 
Es bestehen keine grundsätzlichen verfassungs- oder einfachrechtlichen Bedenken, die polizeiliche Generalklausel als Rechtsgrundlage für derartige Maßnahmen heranzuziehen.
28 
Es verstößt insbesondere nicht gegen die Gesetzgebungskompetenz des Landesgesetzgebers, einen Wohnungsverweis auf die polizeiliche Generalklausel zu stützen. Gemäß Art. 73 Nr. 3 1. Fall GG hat der Bund zwar die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für die „Freizügigkeit“. Dadurch ist jedoch eine Begrenzung des Grundrechts auf Freizügigkeit aus Art. 11 Abs. 1 GG, dessen Schutzbereich auch nach Auffassung des Senats bei Wohnungsverweisen mit Rückkehrverbot tangiert ist, durch Landesrecht nicht ausgeschlossen. Soweit der Senat in der Vergangenheit für Aufenthaltsverbote den Schutzbereich des Art. 11 Abs. 1 GG nicht als eröffnet betrachtet hat, wird daran nicht mehr festgehalten. Denn Art. 11 Abs. 1 GG schützt das Recht, am selbstgewählten Ort Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen; damit zielen die Maßnahmen des Wohnungsverweises mit Rückkehrverbot wie auch des Aufenthaltsverbots bei objektiver Betrachtung auf eine dahingehende Einschränkung ab (so auch die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur, vgl. die Nachweise bei Schnapp, NWVBl. 2003, 484 f., Fußnote 20 sowie Wuttke, Polizeirecht und Zitiergebot, Diss. 2003, S. 60 f. mit zahlreichen weiteren Nachweisen auch zur Gegenauffassung auf S. 54 f.; a.A. auch Ruder, Platz- bzw. Hausverweis, Betretungs- und Rückkehrverbot für gewalttätige Ehepartner?, VBlBW 2002, 11 ff., <14>). Aus der Wortlautidentität des Begriffes „Freizügigkeit“ in Art. 73 Nr. 3 GG und Art. 11 Abs. 1 GG folgt jedoch nicht die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Vielmehr ist der Begriff der „Freizügigkeit“ in Art. 73 Nr. 3 GG enger auszulegen als jener des Art. 11 Abs. 1 GG (eingehende Diskussion und weitere Nachweise bei Seiler, Der polizeiliche Verweis aus der eigenen Wohnung, VBlBW 2004, 93 f. sowie bei Schnapp, a.a.O.). Für diese Auffassung spricht vor allem, dass der Kriminalvorbehalt in Art. 11 Abs. 2 GG („um strafbaren Handlungen vorzubeugen“) sich auf Landesrecht bezieht, da die Verhütung und Unterbindung strafbarer Handlungen nach allgemeinem Polizeirecht in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder fällt. Der Gesetzesvorbehalt des Art. 11 Abs. 2 GG würde ansonsten weitgehend leer laufen. Daher ist das in die Landeskompetenz fallen Recht der Gefahrenabwehr von der Bundeskompetenz nach Art. 73 Nr. 3 GG auszunehmen.
29 
Der Vorbehalt des Parlamentsgesetzes hindert ebenfalls nicht, die polizeiliche Generalklausel als Ermächtigungsgrundlage für Verweisungen aus der eigenen Wohnung anzuerkennen.
30 
Zwar werden teilweise in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte (vgl. VG Stuttgart, Beschluss vom 17.5.2001 - 5 K 1912/01 -, VBlBW 2002, 43) im Hinblick auf die vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Wesentlichkeitstheorie (vgl. BVerfG, NJW 1998, 669, 670) Zweifel daran angemeldet, ob die polizeiliche Generalklausel als Ermächtigungsgrundlage für eine Wohnungsverweisung mit Rückkehrverbot ausreicht und damit dem Parlamentsvorbehalt genügt. Diese rechtlichen Bedenken teilt der Senat jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht. Die Regelungsmaterie „Gefahrenabwehr“ erfordert einen weiten Gestaltungsspielraum der Verwaltung und eine flexible Handhabung des ordnungsbehördlichen Instrumentariums. Gerade das Recht der Gefahrenabwehr mit seinen von Rechtsprechung und Schrifttum konkretisierten Leitlinien des Opportunitäts- und Verhältnismäßigkeitsprinzips kann deshalb mit sprachlich offen gefassten Ermächtigungen auskommen, die gegebenenfalls verfassungskonform auszulegen und anzuwenden sind (vgl. auch Seiler, Der polizeiliche Verweis aus der eigenen Wohnung, VBlBW 2004, 93 f. <94>; ebenso Ruder, VBlBW 2002, 11 <14>). Bei der Wohnungsverweisung mit Rückkehrverbot handelt es sich zudem um eine relativ neuartige als Modellversuch angelegte polizeiliche Vorgehensweise zur Bekämpfung häuslicher Gewalt, so dass jedenfalls wegen des Experimentiercharakters für eine Übergangszeit der Rückgriff auf die Generalklausel hinzunehmen ist (vgl. auch Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, 2. Aufl. 2004, § 7 RdNr. 20; Wuttke, a.a.O. S. 108 m.w.N.). Allerdings handelt es sich angesichts der Intensität des Zugriffs auf die Individualsphäre des Betroffenen auch nach Auffassung des Senats um einen Grenzfall zulässiger Ausgestaltung, weshalb eine verbleibende Zweifelsfragen klärende Normierung als Standardmaßnahme nach einer Phase der Erprobung angezeigt wäre.
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Schließlich scheitert die Anwendbarkeit der polizeilichen Generalklausel nicht an der Sperrwirkung speziellerer Bundes- oder Landesgesetze. Das am 1.1.2002 in Kraft getretene Gewaltschutzgesetz vom 11.12.2001 - GewSchG - (BGBl. I, S. 3513) steht im vorliegenden Fall schon deshalb nicht entgegen, weil es zum Zeitpunkt der mündlichen Anordnung der angegriffenen Maßnahme (30.10.2000) noch nicht galt. Davon abgesehen sperrt es nicht den Rückgriff auf die polizeiliche Generalklausel für einen kurzfristigen Wohnungsverweis. Der polizeiliche Wohnungsverweis stellt vielmehr eine flankierende Maßnahme dar, um der Behörde in Fällen häuslicher Gewalt eine erste kurzfristige Krisenintervention zu ermöglichen und Opfern bereits vor bzw. bis zur Erreichbarkeit zivilrechtlichen Schutzes beizustehen (vgl. insoweit BVerfG, Beschluss vom 22.2.2002, a.a.O.). Es würde Sinn und Zweck des Gewaltschutzgesetzes, den Opfern häuslicher Gewalt beizustehen und deren Schutz zu verbessern, zuwider laufen, wenn hierdurch der Rückgriff auf den in aller Regel schnelleren polizeilichen Schutz, den die polizeiliche Generalklausel gewährleistet, ausgeschlossen wäre.
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Stehen dem Rückgriff auf die polizeiliche Generalklausel nach alledem keine grundsätzlichen verfassungs- oder einfachrechtlichen Bedenken entgegen, so kommt die polizeiliche Generalklausel als Ermächtigungsgrundlage für einen Wohnungsverweis mit Rückkehrverbot gleichwohl nur dann in Betracht, wenn diese wegen des Eingriffs in Art. 11 Abs. 1 GG und des Gesetzesvorbehalts in § 11 Abs. 2 GG verfassungskonform ausgelegt und angewandt wird. Nach dem qualifizierten Gesetzesvorbehalt in Art. 11 Abs. 2 GG darf das Recht auf Freizügigkeit nur durch Gesetz und u.a. nur für die Fälle eingeschränkt werden, in denen eine derartige Einschränkung erforderlich ist, „um strafbaren Handlungen vorzubeugen“. Es reicht danach nicht aus, dass die Voraussetzungen einer allgemeinen polizeilichen Gefahr im Sinne von §§ 1, 3 PolG vorliegen. Vielmehr müssen bei verfassungskonformer Auslegung der polizeilichen Generalklausel die qualifizierten Voraussetzungen des Art. 11 Abs. 2 GG gegeben sein. Freizügigkeitsbeschränkende Maßnahmen wie ein Wohnungsverweis sind demnach grundsätzlich nur zur Vorbeugung strafbarer Handlungen, mithin regelmäßig nur in Fällen häuslicher Gewalt zur Verhinderung von Gewalt- und Nötigungsdelikten zulässig.
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Diese besonderen Voraussetzungen lagen hier nicht vor.
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Nach dem maßgeblichen Kenntnisstand der Polizei im Zeitpunkt ihres Einschreitens („Ex-ante-Sicht“) bestanden keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass durch den Kläger Gewalttätigkeiten oder sonstige strafbare Handlungen drohten. Auch der Beklagte hat dies zu keinem Zeitpunkt behauptet. Insbesondere bestand auch kein Anlass zu der Annahme, der Kläger werde durch strafbares Tun oder Unterlassen dazu beitragen, dass sein Partner die Selbstmordandrohung realisieren würde. Vielmehr lässt die Tatsache, dass er die Selbstmorddrohung seines Partners am Nachmittag zum Anlass nahm, ärztlichen Rat einzuholen und dies bei der Polizei zu melden, darauf schließen, dass er sich der sozialen Verantwortung für seinen Partner bewusst war und gerade vermeiden wollte, dass dieser seine Selbstmorddrohung in die Tat umsetzen würde. Bestand danach keine Gefahr, dass vom Kläger selbst zum Zeitpunkt des Einschreitens die Gefahr strafbaren Verhaltens gegenüber seinem Partner ausgehen könnte, so lassen sich die angegriffenen Maßnahmen schon aus diesem Grunde nicht auf die polizeiliche Generalklausel stützen.
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Aber selbst wenn man den Kriminalvorbehalt des Art. 11 Abs. 2 GG so versteht, dass er nicht ausdrücklich die Verhinderung von strafbaren Handlungen gerade des durch den Wohnungsverweis Betroffenen fordert (vgl. hierzu Schnapp, a.a.O. S. 491 m.w.N.), ergibt sich nichts anderes. Angesichts der grundsätzlichen Straflosigkeit des Selbstmordversuches war auch vom Partner des Klägers keine strafbare Handlung im Sinne des Art. 11 Abs. 2 GG zu befürchten.
38 
Eine darüber hinausgehende Heranziehung der polizeilichen Generalklausel für einen Wohnungsverweis auf Fälle einer unmittelbaren Selbsttötungsgefahr eines Mitbewohners, ohne dass der vom Wohnungsverweis Betroffene sich strafbar verhält oder auch nur als Störer in Betracht kommt, ließe nach Auffassung des Senats die Eingriffsschwelle des Art. 11 Abs. 2 GG unberücksichtigt und erscheint angesichts der im Polizeigesetz geregelten Standardmaßnahme des Schutzgewahrsams gegenüber dem Selbstmordgefährdeten (§ 28 Abs. 1 Nr. 2 lit. c PolG) - abgesehen von den weiteren rechtlichen Möglichkeiten nach dem Gesetz über die Unterbringung psychisch Kranker - UBG - (GBl. S.794) - auch mit Blick auf die Schutzpflicht des Staates gegenüber Lebens- und Gesundheitsgefahren nicht gerechtfertigt.
39 
Diese Frage bedarf indes für den vorliegenden Fall keiner abschließenden Erörterung. Denn es bestand zum allein maßgeblichen Zeitpunkt des polizeilichen Einschreitens schon keine unmittelbare Suizidgefahr bei R. M. Dies ergibt sich aus der Beurteilung der von den Polizeibeamten aufgesuchten Ärztin, die als Hausärztin mit der menschlichen und medizinischen Situation der beiden Partner vertraut war, um die zurückliegenden Suizidversuche von R. M. wusste und diesen auch am fraglichen Abend gesprochen hatte. Auch war der Partner des Klägers nach den Bekundungen der Polizeibeamten in ruhiger Verfassung und damit nicht in seiner Fähigkeit eingeschränkt, seinen Willen frei zu bestimmen.
40 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
41 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.  

(1) Alle Deutschen genießen Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet.

(2) Dieses Recht darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes und nur für die Fälle eingeschränkt werden, in denen eine ausreichende Lebensgrundlage nicht vorhanden ist und der Allgemeinheit daraus besondere Lasten entstehen würden oder in denen es zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes, zur Bekämpfung von Seuchengefahr, Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglücksfällen, zum Schutze der Jugend vor Verwahrlosung oder um strafbaren Handlungen vorzubeugen, erforderlich ist.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.

(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.

(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.