Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Beschluss, 07. Aug. 2014 - 3 L 644/14.NW

ECLI:ECLI:DE:VGNEUST:2014:0807.3L644.14.NW.0A
bei uns veröffentlicht am07.08.2014

Tenor

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 22. Juni 2014 gegen die dem Beigeladenen am 30. April 2013 erteilte Baugenehmigung für den Neubau eines Dreifamilienwohnhauses auf dem Grundstück Flurstück-Nr. …. in Ludwigshafen, A-Straße … wird in Bezug auf das Garagengebäude unmittelbar an der Grenze zum Grundstück Flurstück-Nr. …… angeordnet.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 3.750 € festgesetzt.

Gründe

1

Der Antrag, mit dem der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs vom 22. Juni 2014 gegen die dem Beigeladenen am 30. April 2013 erteilte Baugenehmigung für den Neubau eines Dreifamilienwohnhauses und Garage auf dem Grundstück Flurstück-Nr. …. in Ludwigshafen, A-Straße … begehrt, ist zulässig (1.) und begründet (2.).

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1. Der Antrag ist zulässig.

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1.1. Er ist nach §§ 80a Abs. 3 Satz 2, 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. VerwaltungsgerichtsordnungVwGO – i.V.m. § 212 a BaugesetzbuchBauGB – statthaft. Da sich der Antragsteller sowohl im Vorverfahren als auch in seiner Antragsschrift inhaltlich ausschließlich mit dem Bau des an der gemeinsamen Grenze geplanten Garagengebäudes auf dem Grundstück Flurstück-Nr. ….. auseinandergesetzt hat, versteht die Kammer sein Begehren so, dass er sich nicht insgesamt gegen die Baugenehmigung vom 30. April 2013 wendet, sondern nur die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die Baugenehmigung in Bezug auf das Garagengebäude angeordnet werden soll.

4

Zwar sind Baugenehmigungen in aller Regel nicht in dem Sinne teilbar, dass Verstöße gegen Nachbarrechte schützende öffentlich-rechtliche Vorschriften gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO („soweit“) nur zu einer Teilaufhebung führen könnten (s. z.B. BayVGH, Beschluss vom 26. Oktober 2009 – 2 CS 09.2121 –, NVwZ-RR 2010, 346). Betrifft eine einheitliche Baugenehmigung allerdings getrennt voneinander genehmigbare Bauteile, so ist sie insoweit teilbar und eine Teilanfechtung möglich (Bay. VGH, Beschluss vom 10. Februar 2014 – 2 CS 13.2472 –, juris; vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 19. Oktober 2004 – 1 B 11691/04.OVG – zur Verhältnismäßigkeit einer Baueinstellungsverfügung). Dies gilt ebenso, wenn ein Gesamtbauvorhaben, das genehmigungspflichtige und genehmigungsfreie Bauarbeiten betrifft und damit insgesamt genehmigungspflichtig ist (vgl. VG Neustadt, Beschluss vom 28. Februar 2013 – 4 L 44/13.NW –; juris; Lang in: Jeromin/Schmidt/Lang, LBauO RhPf, 3. Auflage 2012, § 80 Rn. 5), teilbar ist. Vorliegend könnte das bei getrennter Verwirklichung gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 1 f) Landesbauordnung – LBauO – baugenehmigungsfreie Garagengebäude unabhängig von dem Wohngebäude auf dem Grundstück Flurstück-Nr. 2291 gebaut werden. Die Teilbarkeit wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass es sich bei der Garage des Beigeladenen um einen sog. notwendigen Stellplatz im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 1 LBauO handelt. Denn die Schaffung von notwendigen Stellplätzen kann lediglich, muss aber nicht durch Garagen erfolgen (s. § § 47 Abs. 1 Satz 3 LBauO).

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1.2. Der Antragsteller ist nach § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt.

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1.2.1. Dem steht zunächst nicht entgegen, dass der Antragsteller offenbar „nur“ Wohnungseigentümer in dem Anwesen auf dem Grundstück Flurstück-Nr. ….. ist. Geht ein Wohnungseigentümer wegen Beeinträchtigung seines Sondereigentums gegen eine für das Nachbargrundstück erteilte Baugenehmigung vor, so kann er sich aus eigenem Recht (§ 13 Abs. 1 Halbsatz 2 Wohnungseigentumsgesetz – WEG –) auf die Vorschrift des § 42 Abs. 2 VwGO berufen (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20. November 2013 – 7 A 2341/11 –, BauR 2014, 252; Bay VGH, Beschluss vom 2. Oktober 2003 – 1 CS 03.1785 –, NVwZ-RR 2004, 248 und Urteil vom 12. Juli 2012 – 2 B 12.1211 –, juris).

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Zu keinem anderen Ergebnis käme die Kammer im Übrigen, wenn der Antragsteller statt Wohnungseigentümer bloßer Bruchteilseigentümer des Grundstücks Flurstück-Nr. ……. wäre. Auch ein Miteigentümer eines Grundstücks ist gegen eine Baugenehmigung auf dem Nachbargrundstück antragsbefugt. Denn als Miteigentümer am Gemeinschaftseigentum ist der Betreffende gemäß § 1011 Bürgerliches GesetzbuchBGB – berechtigt, die Ansprüche aus dem Eigentum Dritten gegenüber in Ansehung der ganzen Sache geltend zu machen (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29. September 2004 – 8 A 10664/04.OVG –).

8

1.2.2. Der Antragsteller kann entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin im Rahmen der erforderlichen Antragsbefugnis nicht nur einen Verstoß gegen das hier in dem Begriff des „Einfügens“ in § 34 Abs. 1 BauGB enthaltene partiell drittschützende Gebot der Rücksichtnahme (s. z.B. BVerwG, Beschluss vom 20. April 2000 – 4 B 25/00 –, BauR 2001, 212 und OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 15. Januar 2010 – 8 A 11151/09.OVG –), sondern auch eine Verletzung des nachbarschützenden bauordnungsrechtlichen Abstandsflächengebots rügen. Zwar wurde die angegriffene Baugenehmigung vom 30. April 2014 formal im vereinfachten Genehmigungsverfahren erteilt, so dass gemäß § 66 Abs. 3 LBauO Vorschriften des Bauordnungsrechts nicht Prüfungsgegenstand waren. Eine im vereinfachten Genehmigungsverfahren erteilte Baugenehmigung hat nur Wirkung in Bezug auf öffentlich-rechtliche Vorschriften, die in diesem Verfahren zu überprüfen waren. Bezüglich der übrigen gesetzlichen Regelungen enthält die Genehmigung weder eine Feststellung noch eine Freigabe, so dass sie insoweit auch weder den Bauherrn begünstigt, indem sie die Übereinstimmung des Vorhabens mit allen Vorschriften des öffentlichen Rechts feststellt, noch den Nachbarn belasten kann. Dieser ist daher durch die Baugenehmigung hinsichtlich der nicht geprüften Vorschriften nicht in seinen Rechten betroffen im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 18. November 1991 – 8 B 11955/91 –, NVwZ-RR 1992, 289).

9

Etwas anderes gilt aber dann, wenn die Bauaufsichtsbehörde abweichend von ihrem gesetzlich vorgegebenen Prüfungsprogramm tatsächlich bestimmte bauordnungsrechtliche Vorschriften geprüft hat. Die Bauaufsichtsbehörde ist nicht daran gehindert, die – entsprechend dem eingeschränkten Prüfungsprogramm – beschränkte Feststellungswirkung einer Baugenehmigung um weitere Feststellungen zur Vereinbarkeit des Vorhabens auch mit bauordnungsrechtlichen Vorschriften zu ergänzen (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 22. November 2011 – 8 A 10636/11 –, LKRZ 2012, 153). Für eine solche Verfahrensweise besteht insbesondere dann Anlass, wenn bereits im vereinfachten Genehmigungsverfahren Einwendungen des Nachbarn hinsichtlich der bauordnungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens vorliegen oder zu erwarten sind und die Behörde deshalb ohnehin gehalten ist, sich mit einem Begehren auf bauaufsichtsbehördliches Einschreiten zu befassen. Ist die Behörde zur isolierten Feststellung der bauordnungsrechtlichen Zulässigkeit befugt, bestehen keine Hinderungsgründe, diese Regelung mit der im vereinfachten Genehmigungsverfahren zu erteilenden „schlanken“ Baugenehmigung zu verbinden (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 22. November 2011 – 8 A 10636/11 –, LKRZ 2012, 153).

10

Vorliegend hat die Antragsgegnerin in der Baugenehmigung vom 30. April 2013 unter der Nr. 1 der Nebenbestimmungen eine Festlegung der Geländeoberfläche nach der bauordnungsrechtlichen Vorschrift des § 2 Abs. 6 LBauO getroffen. Solche Festlegungen erfolgen u.a. wegen der Auswirkungen auf die nach § 8 LBauO einzuhaltenden Abstände im Interesse der Grundstücksnachbarn (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 2. April 2003 – 8 A 10936/02.OVG –, ESOVG). Ferner hat die Antragsgegnerin ausweislich des Genehmigungsstempels vom 30. April 2013 eine Prüfung der Abstandsflächenberechnung des Beigeladenen vorgenommen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 27. Februar 1996 – 8 B 10341/96.OVG –). Schließlich hat sich die Antragsgegnerin auch in der „Verfügung“ vom 4. Juli 2014, mit der er den Antrag des Antragstellers auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung der Baugenehmigung nach § 80 a Abs. 1 Nr. 2 VwGO abgelehnt hat, mit den bauordnungsrechtlichen Vorschriften der §§ 2 Abs. 6 und 8 LBauO auseinandergesetzt. Hat aber eine faktische Prüfung der Abstandsflächen stattgefunden, ist ein Nachbar im Rahmen des § 42 Abs. 2 VwGO befugt, sich auf einen möglichen Verstoß gegen § 8 LBauO zu berufen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschlüsse vom 24. Mai 1993 – 8 B 11124/93.OVG – und 28. Mai 1993 – 8 B 11148/93.OVG –; VG Neustadt, Beschluss vom 2. Juli 2014 – 4 L 553/14.NW –).

11

1.3. Dem Antrag fehlt auch nicht das notwendige Rechtsschutzbedürfnis.

12

1.3.1. Zwar hat der Antragsteller den Widerspruch vom 22. Juni 2014 im Namen der „Eigentümergemeinschaft …… A-Straße …“ eingelegt, ohne von den übrigen Wohnungseigentümern hierzu berechtigt worden zu sein. Eine Auslegung dieses Schreibens ergibt jedoch, dass der Antragsteller den Widerspruch jedenfalls auch im eigenen Namen einlegen wollte.

13

1.3.2. Der Antragsteller hat sein Widerspruchsrecht auch nicht verwirkt. Denn die Baugenehmigung vom 30. April 2013 war ihm zu keinem Zeitpunkt zugestellt worden, so dass eine Frist zunächst nicht zu laufen begann. Erfahren hat der Antragsteller von der Existenz der Baugenehmigung erst nach Aufnahme der Bauarbeiten am 20. Mai 2014, so dass der Widerspruch vom 22. Juni 2014 rechtzeitig einging.

14

2. Der Antrag ist darüber hinaus auch in der Sache begründet.

15

Für die nach § 80a Abs. 3 VwGO zu treffende Ermessensentscheidung des Gerichts sind die gegenläufigen Interessen des Antragstellers und des Beigeladenen für den Zeitraum bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren gegeneinander abzuwägen. Dabei ist die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs anzuordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Vereinbarkeit des Vorhabens mit nachbarschützenden Vorschriften bestehen. Demgegenüber ist der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abzulehnen, wenn die Baugenehmigung offensichtlich nicht gegen nachbarschützende Normen verstößt. Lässt sich auch nach intensiver Prüfung nicht feststellen, ob der Rechtsbehelf des Nachbarn wahrscheinlich zum Erfolg führen wird, sind die Erfolgsaussichten also offen, ist eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen, bei der der Einzelfallbezug gewahrt bleiben muss (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. April 2005 – 4 VR 1005/04 –, NVwZ 2005, 689).

16

In Anwendung dieser Grundsätze muss hier die Interessenabwägung zugunsten des Antragstellers ausfallen. Die gemäß §§ 70, 66 Abs. 1 Nr. 1 LBauO erteilte Baugenehmigung vom 30. April 2013 verstößt zum gegenwärtigen Zeitpunkt gegen von der Bauaufsichtsbehörde zu prüfende baurechtliche oder sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften, die auch dem Schutz des Antragstellers als Nachbarn zu dienen bestimmt sind.

17

2.1. Die Zweifel an der Vereinbarkeit des Vorhabens „Garagengebäude“ mit nachbarschützenden Vorschriften rühren daher, dass die vorgelegten und genehmigten Bauunterlagen hinsichtlich der nachbarrechtsrelevanten Baumaßnahmen so unbestimmt sind, dass sich eine Verletzung von Nachbarrechten nicht ausschließen lässt. Nach § 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz – LVwVfG – i.V.m. § 37 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG – muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Das Bestimmtheitsgebot bezieht sich auf den verfügenden Teil des Verwaltungsakts einschließlich aller seiner Nebenbestimmungen (vgl. Stelkens: in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Auflage 2014, § 37 Rn. 3). Welches Maß an Konkretisierung notwendig ist, hängt von der Art des Verwaltungsakts, den Umständen seines Erlasses und seinem Zweck ab. Eine Genehmigung, deren Inhalt und Reichweite von der Genehmigungsbehörde festgelegt wird, ist hinreichend bestimmt, wenn sich der Umfang der genehmigten Anlage aus dem im Bescheid zum Ausdruck kommenden objektiven Willen der Genehmigungsbehörde unter Heranziehung der Genehmigungsunterlagen erkennen lässt (Bay. VGH, Beschluss vom 5. März 2012 – 2 CS 11.1997 –, juris). Soweit Dritte von einem Verwaltungsakt begünstigt oder belastet werden, muss dieser auch ihnen gegenüber bestimmt sein. Ein Nachbar kann die unzureichende inhaltliche Bestimmtheit einer Genehmigung geltend machen, soweit deswegen nicht sichergestellt ist, dass das genehmigte Vorhaben allen dem Nachbarschutz dienenden Vorschriften entspricht (Bay. VGH, Beschluss vom 5. März 2012 – 2 CS 11.1997 –, juris; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 5. Februar 2003 – 8 A 11423/02.OVG –).

18

Vorliegend ist trotz der Tatsache, dass das Gelände in dem betreffenden Bereich der A-Straße Höhenunterschiede von offenbar bis zu 2 m aufweist, in den der Genehmigung zugrunde gelegten Bauzeichnungen (Ansichten und Schnitte) weder der natürliche Geländeverlauf auf dem Grundstück Flurstück-Nr. …. vor Beginn der Bauarbeiten noch der Geländeverlauf nach Verwirklichung des Bauvorhabens eingezeichnet. Aber selbst wenn man aufgrund der vom Beigeladenen eingereichten Bauzeichnungen den Versuch unternimmt, das Ausmaß, insbesondere die Höhe des Bauvorhabens ausgehend von der bisherigen natürlichen Geländeoberfläche zu ermitteln, ergeben sich erhebliche Zweifel, ob das Vorhaben hinsichtlich seines Abstandes zur Grundstücksgrenze die bauordnungsrechtlichen Abstandsvorschriften einhält bzw. die gemäß § 34 Abs. 1 BauGB gebotene Rücksichtnahme wahrt.

19

2.2. Grundsätzlich sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 LBauO vor Außenwänden oberirdischer Gebäude Abstandsflächen einzuhalten, deren Tiefe mindestens 3 m beträgt (§ 8 Abs. 6 Satz 3 LBauO). Diesen Abstand hält die Garage des Beigeladenen nicht ein, da sie nach den eingereichten Bauplänen unmittelbar an der Grenze errichtet werden soll.

20

Es bestehen ernstliche Bedenken, ob das Garagengebäude gemäß § 8 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 LBauO privilegiert an der Grenze zulässig ist. Nach dieser Bestimmung sind Garagen ohne oder mit einer geringeren Tiefe der Abstandsfläche zulässig, wenn sie eine mittlere Wandhöhe von 3,20 m über der Geländeoberfläche nicht überschreiten, eine Länge von 12 m an einer Grundstücksgrenze und von insgesamt 18 m an allen Grundstücksgrenzen einhalten, ihre Dächer nicht mehr als 45 Grad zur Grundstücksgrenze geneigt sind und der Giebel nicht höher als 4 m ist. Die Tiefe der vor Außenwänden oberirdischer Gebäude einzuhaltenden Abstandsflächen bemisst sich nach der Höhe der Wand oder des Wandteils, die senkrecht zur Wand gemessen wird. Als Wandhöhe gilt das Maß von der Geländeoberfläche bis zur Schnittlinie der Wand mit der Dachhaut oder bis zum oberen Abschluss der Wand (§ 8 Abs. 4 Satz 1 und 2 LBauO). Maßgebend ist gemäß § 8 Abs. 4 Satz 4 LBauO die im Mittel gemessene Höhe der Wand oder des Wandteils. Die Wandhöhe ist als arithmetisches Mittel der jeweils gemessenen Wandhöhen zu bestimmen. Der untere Bezugspunkt ist gemäß § 8 Abs. 4 Satz 2 LBauO die Geländeoberfläche, d.h. die Fläche, die sich aus den Festsetzungen des Bebauungsplanes ergibt oder von der Bauaufsichtsbehörde festgelegt ist, im Übrigen die natürliche, an das Gebäude angrenzende Geländeoberfläche, § 2 Abs. 6 LBauO.

21

2.3. Vorliegend hat die Antragsgegnerin in der Nr. 1 der Nebenbestimmungen zu der Baugenehmigung vom 30. April 2013 eine Festlegung der Geländeoberfläche nach § 2 Abs. 6 LBauO getroffen. Darin heißt es:

22

Maßgebende Geländeoberfläche ist die Höhe der Gehweghinterkante, soweit nicht durch Bebauungsplan eine andere Regelung getroffen wird. Liegt die natürliche Geländeoberfläche mehr als 1 m tiefer als die Gehweghinterkante, gilt für Nebenanlagen (z.B. Garagen), die hinter der rückwärtig zulässigen Baugrenze eines Hauptgebäudes errichtet werden soll, die natürliche Geländeoberfläche als maßgebende Geländeoberfläche.“

23

Bei einer solchen Festlegung, die den Zweck hat, eine angemessene Bebauung des Grundstücks zu ermöglichen, handelt es sich um einen gesonderten Verwaltungsakt; sie betrifft die Festsetzung eines rechnerischen Höhenmesspunkts (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 2. April 2003 – 8 A 10936/02.OVG –, ESOVG; VG Trier, Urteil vom 12. Juli 2006 – 5 K 46/06.TR –; Jeromin in: Jeromin/Schmidt/Lang, a.a.O., § 2 Rn. 80). Damit wird ohne Rücksicht auf den tatsächlichen Geländeverlauf die für die Anwendung der baurechtlichen Vorschriften maßgebliche Höhenlage – abstrakt – festgelegt mit der Folge, dass z.B. bei der Anwendung des § 8 LBauO der untere Bezugspunkt für die Ermittlung der Wandhöhe dieser Höhenlage entspricht.

24

Eine Festlegung nach § 2 Abs. 6 LBauO ist in formeller Hinsicht nur wirksam, wenn sich die maßgebliche Größe aus der Regelung - gegebenenfalls zusammen mit den genehmigten Plänen - mit hinreichender Bestimmtheit ergibt; das kann z.B. durch die Festlegung einer Höhe über NN oder einer Höhe bezogen auf andere feste Größen, wie etwa die Straßenoberfläche an einem bestimmten Punkt, geschehen (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 2. April 2003 – 8 A 10936/02.OVG –, ESOVG). Materiell ist die Festlegung der Geländeoberfläche nur zulässig, wenn ein Bedürfnis dafür besteht. Dies ist z.B. der Fall bei schwierigen topographischen Verhältnissen, wenn es die Sicherheit oder gestalterische Gesichtspunkte erfordern, die natürliche Geländeoberfläche aufgrund von Aufschüttungen bzw. großer Unregelmäßigkeiten und Schwankungen nicht mehr feststellbar ist, oder eine Harmonisierung des Geländes aus sonstigen Gründen unerlässlich ist (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 27. Februar 1996 – 8 B 10341/96.OVG –; VG Trier, Urteil vom 12. Juli 2006 – 5 K 46/06.TR –; vgl. auch OVG Saarland, Beschluss vom 17. September 1979 – II W 1.204/79 –, BauR 1980, 158). Ferner sind die Auswirkungen einer Festlegung der Geländeoberfläche im Hinblick auf die Anwendung von nachbarschützenden Vorschriften zu beachten und abzuwägen (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 2. April 2003 – 8 A 10936/02.OVG –, ESOVG). So würde die Festlegung der Geländeoberfläche nach einer Aufschüttung dazu führen, dass nachbarschützende Bestimmungen umgangen würden. Daher ist die Baugenehmigungsbehörde gehalten, nachbarschützende Vorschriften zu beachten und in ihre Entscheidung mit einzustellen. Die Abstandsflächenregelungen des § 8 LBauO stellen solche nachbarschützende Vorschriften dar. Sie dienen neben dem Brandschutz und der Gestaltung auch der Beleuchtung mit Tageslicht und der Lüftung sowie dem Schutz benachbarter Grundstücke vor Gefahren und unzumutbaren Belästigungen (Amtl. Begründung zum Entwurf der Landesbauordnung, Landtagsdrucksache 10/1344, Seite 76). Es muss deshalb gewährleistet werden, dass die Festlegung der Geländeoberfläche und die Errichtung etwaiger baulicher Anlagen mit dem Nachbarinteresse vereinbar sind; darauf hat der Grundstücksnachbar einen Anspruch (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 23. August 1996 – 8 B 12041/96.OVG –). Eine abweichende Festlegung der Geländeoberfläche durch die Bauaufsichtsbehörde darf daher nicht dazu führen, dass die in Abhängigkeit von der Höhenlage getroffenen Festsetzungen generell unterlaufen werden. Dies würde ein Missbrauch der Festlegungsbefugnis darstellen, durch welche Verstöße gegen Bauvorschriften, die an die Höhe von Gebäudeteilen über der Geländeoberfläche anknüpfen, unrechtmäßig ausgeräumt würden.

25

Im vorliegenden Fall bedarf es zumindest der näheren Prüfung im Hauptsacheverfahren, ob die getroffene Festlegung der Grundstücksoberfläche die Belange des Antragstellers nicht unangemessen beeinträchtigt. Das Baugrundstück zeichnet sich – ebenso wie die Nachbargrundstücke – durch eine Hängigkeit zumindest von West nach Ost aus. Auf den in den Verwaltungsakten enthaltenen Lichtbildern ist zu erkennen, dass die südlich der A-Straße gelegenen Anliegergrundstücke mit den Hausnummern …, …, …, … und … im vorderen an die Straße angrenzenden Grundstücksbereich auf Straßenniveau aufgeschüttet worden sind. Dieses befindet sich auf ca. 96 m NN (s. Landschaftsinformationssystem der Naturschutzverwaltung von Rheinland-Pfalz, http://map1.naturschutz.rlp.de /mapserver_lanis/). Im weiteren Grundstücksverlauf fällt, soweit ersichtlich, das Gelände auf den genannten Grundstücken auf eine Höhe von rund 95 m NN im hinteren Grundstücksbereich ab. Genauere Daten stehen der Kammer momentan nicht zur Verfügung.

26

Es ist einsichtig, dass hängiges Gelände Probleme bei der (Grenz-)Bebauung verursacht. Es ist daher im Grundsatz nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin versucht hat, dem durch eine gesonderte Festlegung Rechnung zu tragen.

27

Aus der in Nr. 1 der Nebenbestimmungen zu der Baugenehmigung vom 30. April 2013 allgemein gehaltenen Regelung folgt für das streitgegenständliche Garagengebäude, dass die Gehweghinterkante der maßgebliche Bezugspunkt für die Bestimmung der Geländeoberfläche sein soll, denn ausweislich der Baupläne soll dieses vor der rückwärtig zulässigen Baugrenze des Hauptgebäudes errichtet werden. Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Antragstellers und den im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens von dem Beigeladenen eingereichten Bauplänen geht die Kammer nach summarischer Prüfung davon aus, dass die natürliche Geländeoberfläche, d.h. die gewachsene und nicht die durch Aufschüttungen oder Abgrabungen veränderte Geländeoberfläche, an der gemeinsamen Grundstücksgrenze auf Höhe des geplanten Garagengebäudes des Beigeladenen um etwa 2 m unterhalb der Gehweghinterkante liegt. In den Baueingabeplänen sind, wie oben ausgeführt, bei der Darstellung der Schnitte und Ansichten weder die natürliche Geländeoberfläche vor Beginn der Bauarbeiten noch die (natürliche) Geländeoberfläche nach Verwirklichung des Bauvorhabens eingezeichnet. Dem Schnitt A-A ist lediglich zu entnehmen, dass der Fußboden des „Gartengeschosses“ etwa 1,80 m unterhalb der Gehweghinterkante – die Kammer setzt wegen fehlender Unterlagen diese mit der Straßenbegrenzungslinie gleich – liegt. Die Höhe der – nicht eingezeichneten und nicht als solche bezeichneten – Stützmauer an der Grenze dürfte nach der „Hofansicht“ rund 2 m betragen; sie läge damit offenbar auf der Höhe der Gehweghinterkante. Damit weicht die festgelegte Geländeoberfläche von der natürlichen Geländeoberfläche offenbar um 2 m ab. Hinzu kommt eine Höhe von ca. 2,70 m für das Garagengebäude als solches. Zusammen erhöht sich damit das aus Stützmauer und Garage bestehende Bauwerk um mindestens 4,70 m gegenüber dem bisherigen natürlichen Geländeniveau. Gegenüber der Regelung in § 8 Abs. 9 Nr. 1 LBauO, wonach Garagen an der Grundstücksgrenze zulässig sind, sofern sie u.a. eine mittlere Wandhöhe von 3,20 m nicht überschreiten, wäre die genehmigte Garage des Beigeladenen von der natürlichen Geländeoberfläche aus gemessen um 1,50 m höher.

28

Die Antragsgegnerin hat sich mit dieser Problematik bisher nicht hinreichend auseinandergesetzt. Bei der Abwägung zwischen dem Interesse des Beigeladenen als Eigentümer eines hängigen Grundstücks, dieses angemessen bebauen zu können und dem Interesse des Antragstellers als Nachbarn, von unzumutbaren Beeinträchtigungen des Bauwerks verschont zu bleiben, darf nach Auffassung der Kammer nicht außer Acht gelassen werden, dass die Antragsgegnerin für die vom Antragsteller bewohnte Souterrainwohnung in dem Anwesen A-Straße … am 26. Februar 1991 eine Tekturgenehmigung in Bezug auf das am 20. November 1989 genehmigte Wohnbauvorhaben erteilt hatte und beide Genehmigungen gerade keine Festlegungen der Geländeoberfläche enthielten. Es ist der Kammer auch nicht bekannt, ob bei der Erteilung der Baugenehmigungen für die Anwesen im näheren Umfeld in der A-Straße ebenfalls Festlegungen nach § 2 Abs. 6 LBauO erfolgt sind. Der Genehmigung vom 30. April 2013 kann jedenfalls nicht deutlich genug entnommen werden, warum in dem konkreten Fall ein Bedürfnis für die Festlegung der Geländeoberfläche auf das Niveau der Gehweghinterkante auf Höhe des Garagengebäudes besteht. Es versteht sich nicht von selbst, warum der Antragsteller künftig ein aus Stützmauer und Garage bestehendes Grenzbauwerk von mindestens 4,70 m hinnehmen muss.

29

Ein Bedürfnis für die Festlegung der Geländeoberfläche auf das Niveau der Gehweghinterkante ergibt sich im Übrigen auch nicht zwingend aus den Verwaltungsakten. Zwar befindet sich, worauf die Antragsgegnerin im gerichtlichen Eilverfahren hingewiesen hat, auf dem Anwesen A-Straße … an der südwestlichen Grenze eine ca. 12 m lange Garage, die offensichtlich vollständig auf Straßenniveau errichtet wurde. Jedoch steht bei dem Anwesen A-Straße … eine Doppelgarage im hinteren, tiefergelegenen Teil des Grundstücks mit einer Abfahrt vom Niveau der A-Straße bis zum Niveau des Gartens. Soweit die Antragsgegnerin in der der Antragserwiderung vom 25. Juli 2014 beigefügten Stellungnahme des Bereichs Bauaufsicht die Auffassung vertreten hat, die Errichtung der Garage wie beim Anwesen A-Straße … im hinteren Grundstücksbereich wäre mit dem Bau einer Rampe entlang der gesamten Grundstücksgrenze zum Antragssteller und damit entlang seiner Wohnungsfenster verbunden mit der Folge, dass der Antragsteller bei Benutzung einer derartigen Garage gerade auch in den Nachtstunden die Fahrbewegungen sicher als störend empfunden und kritisiert hätte, rechtfertigt dies nicht ohne Rücksprache mit dem Antragsteller die Festlegung der Geländeoberfläche auf das Niveau der Gehweghinterkante.

30

Bestehen nach dem Vorgesagten daher ernstliche Zweifel daran, dass das streitgegenständliche Garagengebäude nach § 8 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 LBauO privilegiert ist, so war dem vorläufigen Rechtsschutzgesuch des Antragstellers wegen Verstoßes gegen die nachbarschützende Bestimmung des § 8 Abs. 1 Satz 1 LBauO stattzugeben. Ob daneben auch ein Verstoß gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme gegeben ist, bedarf im Hinblick auf das getroffene Ergebnis keiner Entscheidung mehr.

31

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 154 Abs. 3 VwGO. Mangels Antragstellung war der Beigeladene nicht an den Verfahrenskosten zu beteiligen.

32

Die Festsetzung des Wertes des Verfahrensgegenstandes beruht auf den §§ 52, 53 GKG.

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Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Beschluss, 07. Aug. 2014 - 3 L 644/14.NW zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 10. Feb. 2014 - 2 CS 13.2472

bei uns veröffentlicht am 10.02.2014

Tenor I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen. II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,- Euro festgesetzt. Grü

Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Beschluss, 28. Feb. 2013 - 4 L 44/13.NW

bei uns veröffentlicht am 28.02.2013

Tenor Die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der Antragsteller gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffer 4 der Bescheide der Antragsgegnerin vom 9. Januar 2013 wird wiederhergestellt. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 22. Nov. 2011 - 8 A 10636/11

bei uns veröffentlicht am 22.11.2011

Tenor Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 17. November 2010 abgeändert und die Änderungsbaugenehmigung vom 21. Juni 2007 und der Widerspruchsbescheid vom 5. Juni 2008 aufgehoben.
5 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Beschluss, 07. Aug. 2014 - 3 L 644/14.NW.

Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Beschluss, 03. März 2017 - 4 L 216/17.NW

bei uns veröffentlicht am 03.03.2017

Diese Entscheidung zitiert Tenor Der Antrag des Beigeladenen auf Abänderung des Beschlusses vom 16. Februar 2017 – 4 L 73/17.NW –, mit dem dem Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung aufgegeben wurde, die Bauarbeiten auf dem Gr

Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Urteil, 08. Sept. 2016 - 4 K 395/16.NW

bei uns veröffentlicht am 08.09.2016

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt die Klägerin. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Tatbestand 1 Die Klägerin wendet

Verwaltungsgericht Mainz Urteil, 13. Juli 2016 - 3 K 741/15.MZ

bei uns veröffentlicht am 13.07.2016

Tenor Die Beklagte wird unter Aufhebung der Bescheide vom 20. September 2014 und vom 20. Februar 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Juli 2015 verpflichtet, bauaufsichtlich gegen das Bauvorhaben der Beigeladenen auf dem Grundstü

Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Beschluss, 09. Sept. 2015 - 3 L 793/15.NW

bei uns veröffentlicht am 09.09.2015

Tenor Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 8. Juni 2015 gegen die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 11. Mai 2015 für den Neubau eines Wohngebäudes auf den Grundstücken Flurstück-Nrn. … und … in Schiffer

Referenzen

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

III.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde (§ 146 Abs. 1 VwGO) hat keinen Erfolg. Die dargelegten Gründe rechtfertigen es nicht, die angefochtene Entscheidung abzuändern oder aufzuheben. Der Verwaltungsgerichtshof sieht nach einer einem Eilverfahren wie diesem angemessenen summarischen Prüfung (vgl. BVerfG, B. v. 24.2.2009 - 1 BvR 165/09 - NVwZ 2009, 582) im Ergebnis keine Notwendigkeit für die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der vom Antragsteller erhobenen Anfechtungsklage gegen den Baueinstellungsbescheid der Antragsgegnerin vom 19. Juli 2013 (§ 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Anfechtungsklage wird aller Voraussicht nach erfolglos bleiben.

1. Die Baueinstellung im Bescheid vom 19. Juli 2013 ist voraussichtlich zu Recht erfolgt. Gemäß Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde die Einstellung der Arbeiten anordnen, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet, geändert oder beseitigt werden. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn die Ausführung des Bauvorhabens entgegen den Vorschriften des Art. 68 Abs. 5 Nr. 2 i. V. m. Art. 62 Abs. 3 BayBO begonnen wurde (Art. 75 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BayBO) oder bei der Ausführung eines genehmigungsbedürftigen Bauvorhabens von den genehmigten Bauvorlagen abgewichen wird (Art. 75 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 a) BayBO).

Nach Art. 62 Abs. 1 Satz 1 BayBO ist die Standsicherheit eines Gebäudes durch einen Standsicherheitsnachweis gemäß §§ 10, 15 BauVorlV nachzuweisen. Muss nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 a) BayBO (Gebäudeklasse 3) der Standsicherheitsnachweis nicht bauaufsichtlich geprüft oder durch einen Prüfsachverständigen bescheinigt werden, ist spätestens mit Beginn der Bauanzeige eine Erklärung des Tragwerkplaners hierüber nach Maßgabe des Kriterienkatalogs der Anlage 2 zur Bauvorlagenverordnung vorzulegen (§ 15 Abs. 3 BauVorlV). Bei Gebäuden der Gebäudeklasse 4 muss der Standsicherheitsnachweis nach Art. 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BayBO durch einen Prüfsachverständigen bescheinigt sein.

a) Im vorliegenden Fall liegt ein Gebäude der Gebäudeklasse 4 vor (Art. 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 BayBO), also ein Gebäude mit einer Höhe bis zu 13 m und Nutzungseinheiten mit jeweils nicht mehr als 400 m². Dabei ist Höhe im Sinn des Satzes 1 des Art. 2 Abs. 3 BayBO das Maß der Fußbodenoberkante des höchstgelegenen Geschosses, in dem ein Aufenthaltsraum möglich ist, über der Geländeoberfläche im Mittel (Art. 2 Abs. 3 Satz 2 BayBO). Aufenthaltsräume sind gemäß Art. 2 Abs. 5 BayBO Räume, die zum nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt oder geeignet sind. Ergänzt wird diese Definition durch Art. 45 Abs. 1 Satz 1 BayBO, wonach Aufenthaltsräume eine lichte Raumhöhe von mindestens 2,40 m, im Dachgeschoss über der Hälfte der (Raum-)Nutzfläche 2,20 m haben müssen, wobei Raumteile mit einer lichten Höhe unter 1,50 m für die Berechnung der Nutzfläche außer Betracht bleiben.

Entscheidend im vorliegenden Fall ist der Begriff „möglich“ in Art. 2 Abs. 3 Satz 2 BayBO. Es muss also im höchstgelegenen Geschoss kein Aufenthaltsraum vorhanden sein, sondern es genügt als Minimum dessen bloße Möglichkeit. Die Möglichkeit eines Aufenthaltsraums hängt allein davon ab, ob die Gebäudeausmaße es zulassen, dass ein Raum entsteht, der die für einen Aufenthaltsraum nötigen Voraussetzungen aufweist. Dabei ist immer zu berücksichtigen ein höchstgelegener möglicher, ein höchstgelegener geplanter oder ein höchstgelegener bestehender Aufenthaltsraum (vgl. Lechner in Simon/Busse, BayBO, Stand Dez. 2013, Art. 2 Rn. 719; ähnlich Molodovsky in Molodovsky/Famers/Kraus, BayBO, Stand 1. Oktober 2013, Art. 2 Rn. 94).

Ein höchstgelegener geplanter Aufenthaltsraum ist dabei ein solcher, der bei baugenehmigungspflichtigen Vorhaben in den Bauvorlagen geplant ist. Ein solcher höchstgelegener geplanter Aufenthaltsraum ist bereits in vorliegendem Fall gegeben. Der Antragsteller hat ausweislich der Eingabepläne, die mit Bescheid vom 21. Juni 2012 genehmigt worden sind, im zweiten Dachgeschoss die obere Ebene der Wohnung 10 mit einem Duschbad, einem zweiten Kinderzimmer, einem Zimmer Gast/Arbeit sowie einer Galerie geplant, wobei das Kinderzimmer und das weitere Zimmer als Aufenthaltsräume zu berücksichtigen sind. Das Gebälk weist in diesem zweiten Dachgeschoss eine Höhe zwischen 9,26 m und 9,41 m ausweislich des Schnitts A-A auf. Als Fußbodenoberkante ist in diesem Schnitt eine die Neigung des Gebäudes ausgleichende Höhe von 9,45 m eingezeichnet und vermaßt. Das Gebälk zum dritten Dachgeschoss weist an der Oberkante eine Höhe von 11,66 m bis 11,79 m auf. Die Fußbodenoberkante des dritten Dachgeschosses ist ebenfalls einnivelliert und mit 11,90 m vermaßt. Somit besteht ein Abstand von der Fußbodenoberkante des zweiten Dachgeschosses zur Fußbodenoberkante des dritten Dachgeschosses von 2,45 m. Unter Berücksichtigung der Mindestraumhöhe in Dachgeschossen von 2,20 m gemäß Art. 45 Abs. 1 Satz 1 BayBO, verbleiben 25 cm für den nötigen Deckenaufbau und Fußboden (mit einer Konstruktionshöhe von 10 cm, vgl. Lechner in Simon/Busse, BayBO, Stand Dez. 2013, Art. 2 Rn. 736). In den genehmigten Eingabeplänen hat der Antragsteller somit bereits Aufenthaltsräume geplant, die höher als 7 m liegen, so dass von der Gebäudeklasse 4 auszugehen ist.

Dies ändert sich auch nicht durch den mit Schreiben vom 30. Oktober 2013 gegenüber der Antragsgegnerin erklärten Verzicht „auf die Nutzbarkeit der zweiten Dachgeschossebene gem. Baugenehmigung“. Es ist bereits unklar, was genau der Antragsteller hiermit ausdrücken wollte. Die Rückgabe der Baugenehmigung bzw. des Bauantrags hinsichtlich des Ausbaus des zweiten Dachgeschosses scheitert wohl bereits an der fehlenden Teilbarkeit der Baugenehmigung als solcher. Ein Bauantrag und damit eine Baugenehmigung ist dann teilbar, wenn sie getrennt voneinander genehmigbare Bauteile betrifft (so BayVGH, U. v. 18.4.2013 - 2 B 13.423 - juris, hinsichtlich eines Bauantrags für einen Drogeriemarkt und einen in einem separaten Gebäude befindlichen Backshop mit getrennter Betriebsbeschreibung und Stellplatzberechnung). Das zweite Dachgeschoss ist jedoch vorliegend Bestandteil der sich über das erste und zweite Dachgeschoss erstreckenden Wohnung 10, so dass schon aus diesem Grund eine Teilbarkeit ausscheidet. Im vorliegenden Fall wäre wohl eine Tektur erforderlich, um die Genehmigungswirkung hinsichtlich des zweiten Dachgeschosses zu beseitigen.

Allerdings ändert insbesondere bei Dachgeschossen mit steilerer Dachneigung der bloße Verzicht des Bauherrn auf den Ausbau oder die Nutzung eines Dachgeschosses, etwa des Kehlgebälks, nichts an dem Vorliegen eines möglichen Aufenthaltsraums (vgl. Lechner in Simon/Busse, BayBO, Stand Dez. 2013, Art. 2 Rn. 721). Unabhängig davon, ob Decken vorgesehen sind, sind dabei fiktive Decken unter Zugrundelegung einer im Dachgeschoss ausreichenden lichten Höhe von 2,20 m anzusetzen. Für die Mindestmaße von Aufenthaltsräumen kann eine Größe von ca. 8 m² bei einer Mindestbreite von 2 m im fertigen Zustand angenommen werden (vgl. Lechner in Simon/Busse, BayBO, Stand Dez. 2013, Art. 2 Rn. 721). Dabei kommt es hinsichtlich der Größe von ca. 8 m² lediglich auf die Raumnutzfläche an. Bei der Berechnung der Raumnutzfläche bleiben gemäß Art. 45 Abs. 1 Satz 1 BayBO Flächen mit einer lichten Höhe von unter 1,50 m außer Betracht. Nicht relevant ist somit die gesamte Fläche des Dachgeschosses. Mit der genehmigten Eingabeplanung hat der Antragsteller gerade gezeigt, dass Aufenthaltsräume mit der nötigen Raumhöhe von 2,20 m im zweiten Dachgeschoss möglich sind. Weder aus den Eingabeplänen noch den sonst im Baugenehmigungsverfahren eingereichten Unterlagen lässt sich der nunmehrige Vortrag des Antragstellers entnehmen, dass beabsichtigt gewesen sei, die Decke zum dritten Dachgeschoss unterhalb des vorhandenen Gebälks anzubringen. Zudem kommt es bei der Möglichkeit eines Aufenthaltsraums insoweit nicht auf die nun behauptete Bauausführung an, denn unbestritten ist, dass jedenfalls bei Ausführung der Decke oberhalb des bestehenden Gebälks die nötige Raumhöhe erreicht werden kann. Ferner bestünde auch die Möglichkeit gar keine Decke als Abtrennung zum sogenannten dritten Dachgeschoss auszuführen, sondern den Raum nach oben offen zu lassen. Diese denkbare Variante der Bauausführung zeigt deutlich, dass die nötige Raumhöhe im zweiten Dachgeschoss jedenfalls erreichbar und damit ein Aufenthaltsraum möglich ist.

Somit verbleibt es unter allen denkbaren Umständen und Varianten bei der Gebäudeklasse 4. Es steht dem Antragsteller nicht frei durch Rechenbeispiele sein Gebäude „klein zu rechnen“. Maßgeblich sind die Möglichkeiten entsprechend den Gebäudeausmaßen.

b) Da ein Gebäude der Gebäudeklasse 4 vorliegt, genügt die am 30. Oktober 2013 vorgelegte „Erklärung über die Erfüllung des Kriterienkatalogs gemäß Anlage 2 der BauVorlV“ nicht. Vielmehr muss der Standsicherheitsnachweis nach Art. 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BayBO durch einen Prüfsachverständigen bescheinigt sein. Eine solche Prüfbescheinigung hat der Antragsteller bis heute nicht vorgelegt. Die „Beschreibung des Dachstuhls mit Sicherungsmaßnahmen“ des Dipl.-Ing. (FH) H. (Bl. 242-245 der Behördenakte) sowie der „Statische Nachweis für den Dachstuhl nach Einbau der senkrechten Endgiebel“ vom 20. Juni 2013 (vorgelegt mit Schreiben vom 24. Juni 2013, Bl. 269-280 der Behördenakte) genügen diesen Anforderungen nicht, da sie sich zum einen auf eine Bauausführung beziehen, die nicht mit dem Landesamt für Denkmalschutz abgesprochen wurde, und zum anderen lediglich die Statik des Dachs als solches berechnet wird, nicht aber die Lastenableitung auf die unteren Geschosse. Auch die neuerlich vorgelegten Unterlagen des Dipl.-Ing. (FH) H. (datiert 30.11.2013) sind insoweit nicht ausreichend, da sie sich weiterhin auf die nicht mit dem Landesamt für Denkmalpflege abgestimmte und von diesem als denkmalfachlich nicht hinnehmbar bezeichnete Bauausführung beziehen. Es ist darauf hinzuweisen, dass die Auflage 1.8 zur Baugenehmigung vom 21. Juni 2012 nicht nur das planerische Einvernehmen mit der Denkmalpflege hinsichtlich der Instandsetzung des Dachtragwerks beinhaltet, welches unter Umständen noch in der Erstellung des Tragwerkgutachtens gesehen werden kann. Sondern die Auflage enthält auch die Anforderung, dass „ausführungstechnisch“ das Einvernehmen mit der Denkmalpflege herzustellen ist. Dies ist jedenfalls nicht erfolgt. Auch die Auflage 1.9 „Sämtliche Maßnahmen sind mit der Denkmalpflege abzustimmen. Entsprechend des Baufortschritts sind Abstimmungstermine mit der Denkmalpflege vor Ort zu vereinbaren.“ ist entgegen der Auffassung des Antragstellers weder zu unbestimmt noch nicht einhaltbar. Es wird gerade nicht, wie vom Antragsteller behauptet, angenommen, dass ein Vertreter der Denkmalpflege jederzeit vor Ort ist. Vielmehr sind in dem vom Antragsteller nicht zitierten zweiten Satz der Auflage ausdrücklich entsprechend dem Baufortschritt Termine vor Ort zur Abstimmung zu vereinbaren.

Es ist auch nicht erheblich, dass die Antragsgegnerin die Prüfbescheinigung erst im Lauf der Bauausführung gefordert hat. Die Prüfbescheinigung ist grundsätzlich nach Art. 68 Abs. 6 Satz 3 BayBO bei Baubeginn vorzulegen. Da im vorliegenden Fall die konkrete Bauausführung nach dem Tragwerksgutachten zunächst mit dem Denkmalschutz abzustimmen war, konnte aber eine Prüfbescheinigung erst nach der Abstimmung erstellt werden. Diese# Abstimmung ist bis heute nicht erfolgt.

2. Angesichts des Ergebnisses der summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage fällt auch die Interessenabwägung des Senats zulasten des Antragstellers aus. Hier überwiegen das Interesse der Allgemeinheit daran, dass vor Prüfung der Angelegenheit im Hauptsachverfahren nicht vollendete Tatsachen geschaffen werden, sowie der Schutz von Leib und Leben der künftigen Bewohner des Gebäudes gegenüber dem rein wirtschaftlichen Interesse des Antragstellers, das Vordergebäude möglichst schnell zum Zweck der Vermietung nutzen zu können.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1, § 47 GKG.

Tenor

Die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der Antragsteller gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffer 4 der Bescheide der Antragsgegnerin vom 9. Januar 2013 wird wiederhergestellt. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller zu 4/5 und die Antragsgegnerin 1/5.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 12.500 € festgesetzt.

Gründe

1

Das Begehren der Antragsteller hat mit ihrem zuletzt sinngemäß gestellten Antrag, festzustellen, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist (I.), keinen Erfolg. Dagegen ist der sinngemäß gestellte Hilfsantrag, die aufschiebende Wirkung der Widersprüche gegen die für sofort vollziehbar erklärten Verfügungen der Antragsgegnerin vom 9. Januar 2013 wiederherzustellen (II.), zum Teil begründet.

I.

2

Die Antragsteller haben im Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 12. Februar 2013 ausdrücklich den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Antragsgegnerin hat dieser Erledigungserklärung mit Schreiben vom 19. Februar 2013 jedoch mit der Begründung widersprochen, der Rechtsstreit habe sich nicht erledigt. Damit hat sich der Streitgegenstand geändert. Der Rechtsstreit ist nunmehr auf die Feststellung beschränkt, ob die Hauptsache erledigt ist (vgl. VGH Baden-Württemberg, NVwZ-RR 2011, 932 m.w.N.). Fällt diese Prüfung positiv aus, so ist dem Feststellungsantrag stattzugeben, anderenfalls ist das Rechtsschutzbegehren abzulehnen (vgl. BVerwG, NVwZ 1998, 1064).

3

Der Erledigungsfeststellungsantrag der Antragsteller ist zulässig (1.), aber unbegründet (2.).

4

1. Die Abkehr der Antragsteller von ihrem ursprünglichen Sachantrag, nach § 80 Abs. 5 Satz 1 2. Alt. Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - die aufschiebende Wirkung ihrer Widersprüche gegen die für sofort vollziehbar erklärten Verfügungen der Antragsgegnerin vom 9. Januar 2013 wiederherzustellen, zum (sinngemäßen) Erledigungsfeststellungsantrag ist zulässig. Die Umstellung stellt eine zulässige Antragsänderung dar, denn der Übergang vom Sachantrag zur Erledigungserklärung oder zum Erledigungsfeststellungsantrag ist nicht den Einschränkungen des § 91 VwGO unterworfen (vgl. BVerwG, NVwZ 1999, 404). Während ein Fortsetzungsfeststellungsantrag in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO bei Erledigung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich unzulässig ist, bestehen gegen die Zulässigkeit eines Erledigungsfeststellungsstreits im vorläufigen Rechtsschutzverfahren keine Bedenken (VGH Baden-Württemberg, NVwZ-RR 2011, 932 m.w.N.). Die Antragsänderung bewirkt, dass sich das gerichtliche Verfahren auf die Erledigungsfrage beschränkt.

5

2. Der Erledigungsfeststellungsantrag hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

6

Als erledigendes Ereignis kommt jede nach Antragstellung eingetretene außerprozessuale Änderung der Sach- und Rechtslage in Betracht, die bereits für sich betrachtet die Ablehnung des Antrags als unzulässig oder unbegründet rechtfertigen würde (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 18. Auflage 2012, § 161 Rn. 21).

7

Das von den Antragstellern beim beschließenden Gericht am 16. Januar 2013 anhängig gemachte einstweilige Rechtschutzverfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1 2. Alt. VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Widersprüche vom 11. Januar 2013 bzw. 15. Januar 2013 gegen die für sofort vollziehbar erklärten Verfügungen der Antragsgegnerin vom 9. Januar 2013 hat sich nach Auffassung der Kammer während des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens nicht erledigt.

8

Mit den an die Antragsteller gerichteten inhaltsgleichen Bescheiden vom 9. Januar 2013 stellte die Antragsgegnerin den Bau und die Herrichtung der Grundstücksentwässerungsanlage und aller Baulichkeiten, die dieser Wasser zuführen könnten, auf dem Grundstück in Neustadt an der Weinstraße, ... mit der Flurstücksnummer ... mit sofortiger Wirkung ein (Ziffer 1). Ferner verfügte die Antragsgegnerin, dass auf dem Grundstück ab sofort, bis zur Überprüfung und Abnahme der Grundstücksentwässerungseinrichtung, kein Schmutzwasser anfallen darf (Ziffer 2). Gemäß der Ziffer 3 sind von der Einstellung auch bauliche Maßnahmen erfasst, die zu einer späteren Behinderung bei der ordnungsgemäßen Herstellung der Grundstücksentwässerungsanlage führen könnten. Zuletzt hob die Antragsgegnerin die bisher für das oben genannte Grundstück ergangenen Entwässerungsgenehmigungen mit sofortiger Wirkung auf (Ziffer 4).

9

Entgegen der Ansicht der Antragsteller hat sich das von ihnen gegen die beiden Verfügungen vom 9. Januar 2013 angestrengte Eilverfahren durch die nachträglich ergangene Baueinstellungsverfügung vom 6. Februar 2013 nicht erledigt. In dieser nur an die Antragstellerin zu 1) gerichteten Verfügung hat die Antragsgegnerin „die Einstellung der genehmigungspflichtigen Bauarbeiten zum Umbau und zur Nutzungsänderung in den Obergeschossen des o.g. Gebäudes zu sechs Wohnungen aufgrund der fehlenden Genehmigung gemäß § 80 Abs. 1 LBauO“ angeordnet. In den Gründen des Bescheids führt die Antragsgegnerin aus, in Anwendung von § 62 Abs.1 Nr.10 a - Landesbauordnung - LBauO - sei bei Gebäuden der Gebäudeklasse 3, die ein Kulturdenkmal im Sinne des Denkmalschutzgesetzes - DSchG - seien, die Änderung von tragenden und aussteifenden Bauteilen genehmigungspflichtig. Die durchgeführten Arbeiten seien zumindest teilweise auch gemäß § 13 DSchG genehmigungspflichtig. Die diesbezügliche Genehmigung werde im Zuge des Baugenehmigungsverfahrens erteilt. Wörtlich heißt es weiter:

10

Des Weiteren verstoßen die durchgeführten Arbeiten der Satzung (Anmerkung der Kammer: richtig: … gegen die Satzung …) der Stadt Neustadt an der Weinstraße über die Entwässerung und den Anschluss an die öffentlichen Abwasseranlagen (AllgE) vom 17. April 2001 in den nachfolgenden Punkten:

11

1.) Pro Nutzungseinheit darf nur eine Fallleitung durch das EG vom OG zum KG führen.
2) Die Durchführung muss geradlinig erfolgen.
3.) Übereinanderliegende Einheiten dürfen eine gemeinsame Fallleitung benutzen.
4) Die Lüftungsleitung ist in der Verlängerung der Fallleitung geradlinig über das Dach zu ziehen.
5) Im Keller muss die Fallleitung in allgemein zugänglichen Räumen liegen. Ebenso die sich anschließende Sammelleitung.
Die Zugänglichkeit der Leitungen und eine Reinigungsmöglichkeit sind für die Nutzer im OG nicht möglich.
6) Reinigungsöffnungen sind in Bereichen, in denen Lebensmittel gelagert, hergestellt oder verarbeitet werden nicht zulässig!

12

Die Kammer hegt Zweifel an der Bestimmtheit der genannten Baueinstellungsverfügung im Hinblick darauf, was vorliegend unter dem Begriff der „genehmigungspflichtigen Bauarbeiten“ zu verstehen sein soll. Offenbar ist die Bauaufsichtsbehörde der Antragsgegnerin der Auffassung, dass bei dem Bauvorhaben ... in Neustadt an der Weinstraße lediglich die Änderung von tragenden und aussteifenden Bauteilen genehmigungspflichtig sein soll. Dies ist aber ebenso unzutreffend wie die von den Antragstellern geäußerte Rechtsansicht, die Bauarbeiten an den Abwasserbeseitigungsanlagen des Gebäudes seien gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 3 c LBauO baugenehmigungsfrei. Bei dem Umbau des bisherigen Sparkassengebäudes in einen Lebensmittelmarkt im Erdgeschoss sowie sechs Wohneinheiten im Obergeschoss des Gebäudes handelt es sich um eine nicht nach § 62 Abs. 2 Nr. 5 a LBauO genehmigungsfreie, sondern um eine nach § 61 LBauO genehmigungspflichtige Nutzungsänderung. Eine Nutzungsänderungsgenehmigung ist eine Baugenehmigung im Sinne des § 70 LBauO, die vor Aufnahme der Bauarbeiten und nicht erst vor Aufnahme der Nutzung vorliegen muss. Alles andere widerspräche dem Sinn des Baugenehmigungsverfahrens bei genehmigungspflichtigen Vorhaben, das sicherstellen soll, dass ein Bauvorhaben nicht ohne die vorherige Einholung der erforderlichen Gestattung verwirklicht wird.

13

Infolgedessen durfte vor Erteilung der erforderlichen Nutzungsänderungsgenehmigung(en) - sowie vor Ergehen der neben der Baugenehmigung ebenso notwendigen denkmalschutzrechtlichen Genehmigung nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 DSchG (s. OVG Rheinland-Pfalz, BauR 2007, 1857) - mit den Bauarbeiten an dem gesamten Bauwerk nicht begonnen werden und zwar unabhängig davon, ob einzelne Baumaßnahmen grundsätzlich genehmigungsfrei sind. Denn ein Gesamtbauvorhaben ist insgesamt genehmigungspflichtig, wenn an ihm genehmigungspflichtige und genehmigungsfreie Bauarbeiten durchgeführt werden (s. z.B. Lang in: Jeromin/Schmidt/Lang, LBauO RhPf, 3. Auflage 2012, § 80 Rn. 5; vgl. auch VG Neustadt, Urteil vom 16. März 2005 - 1 K 2490/04.NW -). Die Genehmigungsfreiheit nach § 62 LBauO greift nur dann ein, wenn die dort aufgeführten Bauvorhaben - wie Bauarbeiten an den Abwasserbeseitigungsanlagen des Gebäudes gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 3 c LBauO - als selbständige Einzelvorhaben ausgeführt werden, was vorliegend indessen nicht der Fall ist. Damit sind hier auch die Entwässerungseinrichtungen in dem Gebäude und auf dem Grundstück baugenehmigungspflichtig (zum Umfang der Prüfungslast der Bauaufsichtsbehörde s. VG Neustadt, Urteil vom 16. März 2005 - 1 K 2490/04.NW -; Jeromin in: Jeromin/Schmidt/Lang, LBauO RhPf, a.a.O., § 41 Rn. 3).

14

Ob die Baueinstellungsverfügung im Hinblick auf ihre möglicherweise fehlende Bestimmtheit rechtswidrig ist, bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung. Jedenfalls ersetzt die ergangene Baueinstellungsverfügung inhaltlich nicht die streitgegenständlichen Bescheide vom 9. Januar 2013. In Bezug auf den Antragsteller zu 2) folgt dies bereits aus dem Umstand, dass dieser nicht Adressat der Baueinstellungsverfügung ist und daher hiervon nicht betroffen ist. Darüber hinaus beschränkt sie in ihrem Tenor die Baueinstellung ausdrücklich „nur“ auf Baumaßnahmen in den Obergeschossen des Gebäudes. Zwar führt die Antragsgegnerin in den Gründen der Verfügung mehrere Verstöße gegen ihre Satzung über die Entwässerung und den Anschluss an die öffentlichen Abwasseranlagen vom 17. April 2001 auf, trifft diesbezüglich im Tenor aber keinen verbindlichen Ausspruch. Demgegenüber regeln die Bescheide vom 9. Januar 2013 die Einstellung des Baus und der Herrichtung der Grundstücksentwässerungsanlage und aller Baulichkeiten, die dieser Wasser zuführen könnten, auf dem Grundstück ... in Neustadt an der Weinstraße. Ferner verlangt der genannte Bescheid, dass auf dem Grundstück ab sofort, bis zur Überprüfung und Abnahme der Grundstücksentwässerungseinrichtung, kein Schmutzwasser anfallen darf, dass von der Einstellung auch bauliche Maßnahmen erfasst sein sollen, die zu einer späteren Behinderung bei der ordnungsgemäßen Herstellung der Grundstücksentwässerungsanlage führen könnten sowie die Aufhebung der bisher für das genannte Grundstück ergangenen Entwässerungsgenehmigungen mit sofortiger Wirkung. Hat damit die Baueinstellungsverfügung vom 6. Februar 2013 den an die Antragstellerin zu 1) gerichteten Bescheid vom 9. Januar 2013 inhaltlich nicht, auch nicht teilweise, ersetzt, liegt kein erledigendes Ereignis im Laufe des Eilverfahrens vor. Das ursprüngliche Rechtsschutzziel der Antragsteller, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den für sofort vollziehbar erklärten Bescheid vom 9. Januar 2013 durch das Gericht wiederherzustellen, ist nach wie vor erreichbar (vgl. BVerwG, NVwZ 1998, 1064).

II.

15

Der sinngemäß gestellte Hilfsantrag, die aufschiebende Wirkung der Widersprüche gegen die für sofort vollziehbar erklärte Verfügung der Antragsgegnerin vom 9. Januar 2013 wiederherzustellen, ist zulässig (1.), hat in der Sache aber nur zum Teil Erfolg (2.).

16

1. Der Zulässigkeit des nach § 80 Abs. 5 Satz 1 2. Alt. VwGO statthaften Antrages steht nicht entgegen, dass er nur hilfsweise gestellt worden ist.

17

Die Antragsteller haben in dem Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 26. Februar 2013 ausgeführt, sie hätten „die im Schriftsatz des Kollegen mitgeteilte Verfügung des Oberbürgermeisters so verstanden, dass nunmehr abschließend eine Regelung durch die Bauaufsichtsbehörde getroffen worden sei. Wenn dem nicht so sei, dürften sie abschließend vortragen. ….“. Die Kammer versteht die Formulierung “Wenn dem nicht so seials hilfsweise Aufrechterhaltung des ursprünglichen Antrags. Das Stellen eines solchen Hilfsantrages ist zulässig für den Fall, dass das Gericht - wie hier - die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache verneint (s. z.B. BVerwG, NVwZ-RR 1988, 56; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29. Juli 2011 - 8 B 558/11 -, juris; Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Auflage 2010, § 161 Rn. 51 und 127 f.).

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2. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche gegen die für sofort vollziehbar erklärten Verfügungen der Antragsgegnerin vom 9. Januar 2013 ist teilweise begründet.

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2.1. In formeller Hinsicht ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffern 1 - 3 der Bescheide vom 9. Januar 2013 im Ergebnis nicht zu beanstanden (2.1.1.). Dagegen ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffer 4 der genannten Bescheide formell fehlerhaft (2.1.2.).

20

2.1.1. Gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist bei der Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Dies soll den Betroffenen in die Lage versetzen, in Kenntnis dieser Gründe seine Rechte wirksam wahrzunehmen und die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs abzuschätzen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz AS 19, 237, 238). Der Behörde wird zugleich der Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung verdeutlicht und eine besonders sorgfältige Prüfung des Vollzugsinteresses auferlegt. Dementsprechend muss die Begründung nachvollziehbar machen, dass und aus welchen besonderen Gründen die Behörde im konkreten Fall dem besonderen öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts Vorrang vor dem Aufschubinteresse des Betroffenen einräumt mit der Folge, dass dessen Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung hat. Pauschale und nichts sagende formelhafte Wendungen genügen nicht.

21

Eines Eingehens auf den Einzelfall bedarf es dann nicht, wenn sich das besondere öffentliche Interesse unabhängig vom Einzelfall ausnahmsweise bereits aus der Art der getroffenen Verwaltungsmaßnahme ergibt. Dies gilt dann, wenn die Gründe für die Anordnung der sofortigen Vollziehung praktisch mit denen des seiner Natur nach eilbedürftigen Verwaltungsakts identisch sind (z.B. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. März 2009 - 13 B 1910/08 -, juris). In offenkundigen Eilfällen, in denen erhebliche Gefahren von der Allgemeinheit abgewehrt werden sollen, liefe eine auf den Einzelfall bezogene Begründung der sofortigen Vollziehung auf eine zwecklose Wiederholung von bereits Gesagtem hinaus. Dem Begründungserfordernis nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in solchen Fällen daher Genüge getan, wenn die Begründung der Vollziehungsanordnung auf die Gründe des zu vollziehenden Verwaltungsakt Bezug nimmt, aus der die besondere Dringlichkeit der Vollziehung im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO hinreichend deutlich hervorgeht und im Übrigen die von der Behörde getroffene Interessenabwägung klar erkennbar wird (vgl. VGH Baden-Württemberg, NJW 2012, 3321). In solch einem Fall genügt statt einer Bezugnahme auf die Darlegungen in der Sache selbst eine lediglich formelhafte Sofortvollzugsbegründung.

22

Nach diesen Grundsätzen hat die Antragsgegnerin die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ausreichend begründet. Die Kammer lässt in diesem Zusammenhang offen, on die Begründung in den Bescheiden vom 9. Januar 2013, in denen sich die Antragsgegnerin auf den Satz beschränkt hat, zur Gefahrenabwehr werde deshalb auch die sofortige Vollziehung dieser Verfügung angeordnet, noch als ausreichend angesehen werden kann. Jedenfalls hat die Antragsgegnerin in ihrer Antragserwiderungsschrift vom 29. Januar 2013 ausführlich zum besonderen Vollzugsinteresse Stellung genommen und damit den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügt. Darin heißt es u.a., die Antragsteller wären nicht gehindert, die regelwidrige und nicht genehmigungsfähige Installation der Abwasserbeseitigungseinrichtungen in dem Gebäude aufrecht zu erhalten, käme ihren Widersprüchen aufschiebende Wirkung zu. Sei das Gebäude erst einmal in beiden Etagen bezugsfertig hergestellt und werde es genutzt, werde niemand mehr an der regelwidrigen Installation rühren wollen. Komme es später einmal zu einer Verstopfung oder zu einem anderen Schaden an dieser Installation, könnten einzelne Eigentümer/Nutzer geschädigt werden. Ferner könnte die diesbezügliche Abwasserentsorgung gefährdet sein. Derzeit sei noch die Möglichkeit gegeben, die Fehler zu beheben. Es müsse also vermieden werden, dass die Antragsteller Tatsachen schaffen, die später jedenfalls faktisch nicht oder kaum mehr rückgängig gemacht werden könnten. Damit liegt eine auf den konkreten Einzelfall abgestellte und nicht lediglich formelhafte Begründung des besonderen Vollzugsinteresses vor.

23

Die Kammer durfte die Ausführungen der Antragsgegnerin im Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 29. Januar 2013 zum besonderen Vollzugsinteresse berücksichtigen. Zwar verneint eine Ansicht in Rechtsprechung und Literatur (s. z.B. VGH Baden-Württemberg, NVwZ-RR 2012, 54; Kopp/Schenke, VwGO, a.a.O., § 80 Rn. 87) die Heilbarkeit eines Begründungsmangels nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO unter Hinweis darauf, andernfalls bestehe die Gefahr, dass die Begründungspflicht des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO leer liefe und ihre Funktion nicht mehr erfüllen könne, nicht nur den Betroffenen über die für die Behörde maßgeblichen Gesichtspunkte für die Anordnung der sofortigen Vollziehung zu unterrichten, sondern auch die Verwaltung selbst zu einer besonders sorgfältigen Prüfung anzuhalten. Nach der Gegenmeinung (s. z.B. OVG Rheinland-Pfalz, BauR 2012, 1362; OVG Berlin-Brandenburg, NVwZ-RR 2008, 727; Finkelnburg/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 6. Auflage 2011, Rn. 750) kann eine fehlende bzw. unzureichende Begründung der Anordnung des Sofortvollzuges im Laufe des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens nachgeholt werden. Dieser Ansicht folgt die Kammer in ständiger Rechtsprechung (s. z.B. Beschluss vom 11. März 2005 - 4 L 389/05.NW -, juris). Da nach § 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz - LVwVfG - i.V.m. § 45 Abs. 2 Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG - Verfahrensfehler bis zum Abschluss des gerichtlichen Verfahrens geheilt werden können, sind keine Gründe ersichtlich, die gegen eine Anwendung des Rechtsgedankens des § 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 VwVfG im Falle des Begründungsmangels nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO sprechen. Eine solche Heilungsmöglichkeit ist auch unter prozessökonomischen Gesichtspunkten zu befürworten. Berücksichtigt man ferner, dass das Verwaltungsgericht nicht an die – ordnungsgemäße – Begründung der Verwaltungsbehörde gebunden ist, sondern eine eigene Ermessensentscheidung über die Frage trifft, ob der Sofortvollzug materiell gerechtfertigt ist, gibt es keine tragenden Gründe dafür, die Heilungsmöglichkeit nicht bereits während des noch laufenden Verfahrens nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zuzulassen. Ein Antragsteller wird durch diese Verfahrensweise auch nicht unzumutbar in seinen Rechten verletzt, denn er kann hierauf prozessual mit einer Erledigungserklärung reagieren, die regelmäßig zur Folge haben dürfte, dass die Behörde die Kosten des Verfahrens zu tragen hat.

24

2.1.2. Dagegen genügt die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffer 4 der Bescheide vom 9. Januar 2013 nicht den oben dargestellten Anforderungen an die Begründungspflicht nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Weder hat die Antragsgegnerin in den Gründen der Bescheide Ausführungen zum besonderen Vollzugsinteresse der Ziffer 4 des Tenors gemacht noch findet sich im Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 29. Januar 2013 (s. dort die Seiten 19 – 21) eine entsprechende Begründung dazu.

25

2.1.3. Die Kammer braucht nicht näher darauf einzugehen, wie zu tenorieren ist, wenn der Antrag nur deshalb Erfolg hat, weil die Behörde ihrer Begründungspflicht nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht (ausreichend) nachgekommen ist (s. dazu einerseits z.B. BVerwG, Beschluss vom 18. September 2001 – 1 DB 26.01 –, juris; VGH Baden-Württemberg, NVwZ-RR 2012, 54, die lediglich die Anordnung der sofortigen Vollziehung aufheben; andererseits OVG Sachsen-Anhalt, DÖV 1994, 352; Puttler in: Sodan/Ziekow, VwGO, a.a.O., § 80 Rn. 154, die die vorbehaltslose Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs befürworten). Nach der Rechtsprechung des OVG Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 24. August 1994 – 7 B 12.083/94.OVG –, juris), der die Kammer folgt, darf sich das Verwaltungsgericht jedenfalls dann nicht auf die Prüfung des formellen Begründungserfordernisses nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO beschränken, wenn das Begehren des Antragstellers - wie hier - auf die uneingeschränkte Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gerichtet ist. Das Rechtsschutzbedürfnis für dieses weitergehende Begehren ist grundsätzlich auch in dem Fall zu bejahen, in dem die Voraussetzungen für die Aufhebung der Vollziehungsanordnung vorliegen. Denn der von einem Verwaltungsakt Betroffene hat in der Regel ein schutzwürdiges Interesse daran, möglichst rasch zu erfahren, ob dieser Verwaltungsakt für die gesamte Dauer des Hauptsacheverfahrens vollziehbar sei oder nicht. Im Übrigen sprechen Gründe der Prozessökonomie dafür, die Frage der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts möglichst umfassend zu klären. Die Kammer war daher nicht gehalten, wegen des Verstoßes gegen die Begründungspflicht gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nur die Anordnung der sofortigen Vollziehung aufzuheben, da die Antragsteller in Bezug auf die Ziffer 4 der Bescheide vom 9. Januar 2013, wie noch auszuführen sein wird, die uneingeschränkte Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung verlangen können.

26

2.2. In materieller Hinsicht ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Verfügungen vom 9. Januar 2013 hinsichtlich der Ziffern 1 – 3 rechtlich nicht zu beanstanden. Dagegen ist dem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche der Antragsteller gegen die Ziffer 4 der Bescheide stattzugeben.

27

2.2.1. Für das Interesse des Betroffenen, einstweilen nicht dem Vollzug der behördlichen Maßnahmen ausgesetzt zu sein, sind zunächst die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs von Belang (vgl. BVerfG, NVwZ 2009, 581). Ein überwiegendes Interesse eines Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist in der Regel anzunehmen, wenn die im Eilverfahren allein mögliche und gebotene Überprüfung ergibt, dass der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist. Denn an der Vollziehung eines ersichtlich rechtswidrigen Verwaltungsakts kann kein öffentliches Vollzugsinteresse bestehen. Ist der Verwaltungsakt dagegen offensichtlich rechtmäßig, so überwiegt das Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse des Antragstellers nur dann, wenn zusätzlich ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts besteht (vgl. BVerfG, NVwZ 2009, 240; OVG Schleswig-Holstein, NordÖR 2007, 452; s. auch Finkelnburg/Külpmann, a.a.O., Rn. 975). Kann aufgrund der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Überprüfung nicht festgestellt werden, ob der Verwaltungsakt offensichtlich rechtmäßig oder offensichtlich rechtswidrig ist, so beschränkt sich die verwaltungsgerichtliche Kontrolle des Sofortvollzuges des Verwaltungsakts auf die Durchführung einer Interessenabwägung, die je nach Fallkonstellation zugunsten des Antragstellers oder des Antragsgegners ausgehen kann (BVerfG, NVwZ 2007, 1176, 1177). Das Gericht nimmt – da § 80 Abs. 5 VwGO keinerlei inhaltliche Einschränkungen enthält – die Abwägung in eigener Verantwortung vor. Es prüft eigenständig, ob unter Berücksichtigung und Gewichtung aller für und wider den Sofortvollzug sprechenden Umstände – auch solcher, die der Behörde nicht bekannt waren – die aufschiebende Wirkung von Widerspruch oder Anfechtungsklage zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes in der Hauptsache oder aus anderen Gründen wiederherzustellen ist (vgl. Finkelnburg/Külpmann, a.a.O., Rn. 963); maßgebend für die Interessenabwägung sind mangels Vorliegens eines Widerspruchsbescheids dabei die Gegebenheiten zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 05. August 2009 - 18 B 331/09 -, juris; OVG Niedersachsen, NVwZ-RR 2008, 483).

28

Nach diesen Grundsätzen überwiegt vorliegend das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Ziffern 1 – 3 der Verfügungen vom 9. Januar 2013 das private Interesse der Antragsteller, diesen bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens einstweilen nicht nachkommen zu müssen. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung ergibt sich daraus, dass die angefochtenen Ziffern 1 – 3 der Bescheide offensichtlich rechtmäßig sind und mit ihrer Durchsetzung nicht bis zur Bestandskraft, deren Eintritt noch nicht abzusehen ist, abgewartet werden kann.

29

2.2.2. Verfahrensrechtliche Bedenken gegen die Verfügungen vom 9. Januar 2013 bestehen nicht.

30

Eine schriftliche Anhörung gemäß § 1 Abs. 1 LVwVfG i.V.m. § 28 Abs. 1 VwVfG hat die Antragsgegnerin nach Aktenlage zwar nicht vorgenommen. Allerdings hat es am 8. Januar 2013 einen Ortstermin gegeben, so dass davon auszugehen ist, dass die Antragsteller bei diesem Termin mündlich angehört worden sind. Sollte dem nicht so sein, ist dies unschädlich. Von der gemäß § 1 Abs. 1 LVwVfG i.V.m. § 28 Abs. 1 VwVfG vor Erlass eines Verwaltungsakts grundsätzlich erforderlichen Anhörung konnte hier nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG abgesehen werden, weil eine sofortige Entscheidung im öffentlichen Interesse lag (vgl. zur Baueinstellungsverfügung OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 10. Januar 1995 - 8 B 13301/94.OVG -).

31

2.2.3. In materieller Hinsicht finden die Ziffern 1 – 3 der Bescheide vom 9. Januar 2013 ihre rechtliche Grundlage in § 52 Abs. 1 und Abs. 3 Landeswassergesetz - LWG - in Verbindung mit der Allgemeinen Entwässerungssatzung der Antragsgegnerin sowie § 26 Abs. 1 Gemeindeordnung - GemO -.

32

2.2.3.1. Gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 LWG, der auf der Grundlage des § 56 Wasserhaushaltsgesetz - WHG - n.F. weitergilt (s. Beile, LWG Kommentar, Stand Februar 2011, § 52 Anm. 1), haben die kreisfreien Städte, die verbandsfreien Gemeinden und die Verbandsgemeinden als Pflichtaufgabe der Selbstverwaltung sicherzustellen, dass das in ihrem Gebiet anfallende Abwasser ordnungsgemäß beseitigt wird; sie haben die dafür erforderlichen Einrichtungen und Anlagen nach den jeweils in Betracht kommenden Regeln der Technik zu errichten und zu betreiben. Die nach Absatz 1 Verpflichteten regeln gemäß § 52 Abs. 3 Satz 1 LWG durch Satzung die Voraussetzungen der Vorhaltung und der Benutzung ihrer Einrichtungen zur Abwasserbeseitigung. Nach § 25 Abs. 4 der Satzung der Antragsgegnerin über die Entwässerung und den Anschluss an die öffentlichen Abwasseranlagen - AllgE - vom 17. April 2001 kann der Eigenbetrieb Stadtentsorgung Neustadt an der Weinstraße (ESN) bei Zuwiderhandlungen gegen Anordnungen, Genehmigungen oder Vorgaben dieser Satzung die Baustellen bzw. Bautätigkeiten durch Verfügung einstellen. Nach § 26 Abs. 1 GemO können die Gemeinden bei öffentlichem Bedürfnis durch Satzung für Grundstücke ihres Gebiets den Anschluss u.a. an die Abwasserbeseitigung vorschreiben (Anschlusszwang). Sie können durch Satzung bei öffentlichem Bedürfnis auch die Benutzung dieser und anderer dem Gemeinwohl dienender Einrichtungen vorschreiben (Benutzungszwang).

33

2.2.3.2. Entgegen der Auffassung der Antragsteller stellen diese Vorschriften eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die Ziffern 1- 3 der ergangenen Bescheide dar (vgl. VG Neustadt, Urteil vom 16. März 2005 - 1 K 2490/04.NW - und OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 17. Oktober 2005 sowie VG Neustadt, Beschluss vom 29. November 2000 - 1 L 2692/00.NW -).

34

2.2.3.2.1. Für den Erlass eines Verwaltungsakts, mit dem eine verbindliche Regelung getroffen wird, bedarf die Behörde nach dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes einer gesetzlichen Grundlage, die sich ausdrücklich (auch) auf die Handlungsform Verwaltungsakt beziehen muss (sog. Verwaltungsakt-Befugnis). Aus der Rechtsgrundlage muss ersichtlich sein, dass die Verwaltung befugt ist, gegenüber dem Normunterworfenen gerade in der Form des Verwaltungsakts zu handeln. Für die Frage, aus welchen Bestimmungen sich die „Verwaltungsakt-Befugnis“ ergibt, ist das materielle Recht maßgebend. Es reicht aus, wenn sich die Verwaltungsakt-Befugnis dem Gesetz im Wege der Auslegung entnehmen lässt (BVerwG, NVwZ 2012, 1123). Dies ist hier der Fall.

35

Die Aufgaben der Abwasserbeseitigung gehören gemäß § 52 Abs. 1 LWG zum eigenen Wirkungskreis der Gemeinden. § 52 Abs. 3 Satz 1 LWG ermächtigt die abwasserbeseitigungspflichtige Körperschaft zum Erlass von Satzungen zur Regelung der Voraussetzungen der Vorhaltung und der Benutzung ihrer Einrichtungen zur Abwasserbeseitigung. Daneben befugt § 26 Abs. 1 GemO die Gemeinden, bei öffentlichem Bedürfnis durch Satzung für Grundstücke ihres Gebiets einen Anschluss- und Benutzungszwang u.a. für die Abwasserbeseitigung vorzuschreiben. Dementsprechend hat die Antragsgegnerin in § 6 Abs. 1 AllgE die nach § 3 AllgE zum Anschluss berechtigen Grundstückseigentümer verpflichtet, Grundstücke, auf denen Abwasser anfällt oder anfallen kann, an die öffentliche Abwasserbeseitigungseinrichtung anzuschließen (Anschlusszwang), wenn für diese Grundstücke eine betriebsfertige öffentliche Abwasseranlage hergestellt wurde und vorgehalten wird. Gemäß § 6 Abs. 12 a AllgE ist das gesamte auf einem angeschlossenen Grundstück anfallende Abwasser ist in die öffentlichen Abwasseranlagen einzuleiten (Benutzungszwang). Mit der Ermächtigung zum Erlass einer Satzung über den Anschluss und Benutzungszwang wird den Gemeinden zugleich auch die Befugnis eingeräumt sei, Verfügungen gegenüber einzelnen Personen zur Durchsetzung des Anschluss- und Benutzungszwangs zu erlassen (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 4. Juni 1993 - 7 B 11203/93.OVG -).

36

Daneben enthält § 25 Abs. 4 AllgE eine wirksame Ermächtigungsgrundlage für die angefochtenen Verfügungen. Im Bereich der gemeindlichen Einrichtungen stellt die Befugnis zum Erlass von Satzungen eine ausreichende Grundlage für die Regelung von Eingriffen dar, die mit dem Einrichtungszweck notwendigerweise verbunden sind (OVG Rheinland-Pfalz, LKRZ 2010, 146; vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, DVBl 2009, 261 und OVG Niedersachsen, NVwZ-RR 2012, 286).

37

2.2.3.2.2. Die Antragsgegnerin war auch befugt, durch ihr unselbständiges Organ „Eigenbetrieb Stadtentsorgung Neustadt an der Weinstraße (ESN) die Verwaltungsakte vom 9. Januar 2013 gegenüber den Antragstellern zu erlassen.

38

Maßgebend für die Beurteilung der Rechtsqualität von Erklärungen ist ihr objektiver Sinngehalt, d.h. wie ein verständiger Empfänger sie insbesondere unter Berücksichtigung der äußeren Form, Abfassung, Begründung und etwaig vorhandener Rechtsmittelbelehrung verstehen musste (vgl. BVerwGE 99, 101; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Auflage 2012, § 35 Rn. 16). Zwar wird im Briefkopf der Bescheide der Eigenbetrieb der Antragsgegnerin ohne ausdrücklichen Hinweis darauf genannt, dass er in seiner Eigenschaft als Eigenbetrieb der Antragsgegnerin tätig wurde. Auch in der Unterschriftszeile fehlt es an einem entsprechenden Hinweis. Die Bescheide enthalten aber auf Seite 1 den Zusatz, dass der Eigenbetrieb „als für die Abwasserbeseitigung der Stadt Neustadt an der Weinstraße zuständigen Stelle (§ 1 der Betriebssatzung der Stadt Neustadt an der Weinstraße)“ die Verfügungen erlasse. Hieraus wird deutlich, dass der Eigenbetrieb auf der Grundlage einer kommunalen Satzung und damit für die Antragsgegnerin als Satzungsgeberin tätig geworden ist. Hiermit steht es im Einklang, dass auch der Stadtrechtsausschuss der Antragsgegnerin in den den Bescheiden beigefügten Rechtsmittelbelehrungen als Adressat eines etwaigen Widerspruches benannt wurde. Im Übrigen bestehen keine Zweifel, dass die Betriebsleitung des ESN als deren Organ für die Antragsgegnerin tätig wird.

39

Diese führt gemäß § 1 Abs. 1 der Betriebssatzung für den Eigenbetrieb Stadtentsorgung ihre Einrichtungen der Abwasserbeseitigung und Abfallentsorgung als Eigenbetrieb nach der Eigenbetriebs- und Anstaltsverordnung - EigAnVO - und den Bestimmungen dieser Satzung unter dem Namen „ESN“. Zweck des ESN ist es u.a., nach § 1 Abs. 2 a der Betriebssatzung, Abwasser von den im Stadtgebiet gelegenen Grundstücken abzuleiten und unschädlich zu beseitigen.Als Eigenbetrieb der Antragsgegnerin ist der durch seine Werksleitung handelnde ESN befugt, Verwaltungsakte zu erlassen. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 EigAnVO vertritt die Werksleitung den Eigenbetrieb der Gemeinde im Rechtsverkehr. Im Rahmen dieses Zuständigkeitsbereichs handelt die Werksleitung des ESN als Organ für die Antragsgegnerin, welche als juristische Person hinter dem ESN steht, der selbst keine eigene Rechtspersönlichkeit besitzt (vgl. Oster in: Gabler/Höhlein u.a., Kommunalverfassungsrecht RhPf, § 86 GemO Anm. 1.2). In § 25 Abs. 4 AllgE hat die Antragsgegnerin den ESN ausdrücklich ermächtigt, bei Zuwiderhandlungen gegen Anordnungen, Genehmigungen oder Vorgaben dieser Satzung, die Baustellen bzw. Bautätigkeiten durch Verfügung einstellen.

40

2.2.3.2.3. Soweit die Antragsteller in diesem Zusammenhang ferner gerügt haben, die Satzung der Antragsgegnerin sei rechtswidrig, weil sie in § 17 Abs. 4 AllgE auf die DIN 1986 und DIN EN 752 verweise, ohne dass diese Normen den betroffenen Normadressaten ohne weiteres zugänglich seien, können sie damit im vorliegenden Verfahren nicht durchdringen. In einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO, in dem nur eine kursorische Überprüfung der Sach- und Rechtslage stattfinden kann, bedarf es grundsätzlich keiner Entscheidung darüber, ob eine verfahrensgegenständliche Satzung wirksam ist. Etwas anderes gilt nur dann, wenn ein zur Unwirksamkeit der Satzung führender Fehler offensichtlich ist (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 31. Januar 2013 - 1 B 11201/12.OVG -, juris zu einem Bebauungsplan; Bay. VGH, Beschluss vom 17. Mai 2006 - 23 CS 06.928 -, juris zu einer Abgabensatzung; OVG Sachsen Beschluss vom 23. Oktober 2012 - 5 B 287/12 -, juris zu einer Vergnügungssteuersatzung).

41

Derartige formelle oder materiell-rechtliche Mängel, die für eine Nichtigkeit der AllgE der Antragsgegnerin sprächen, sind hier aber nicht offensichtlich. Zwar genügt in den Fällen, in denen erst eine in den textlichen Festsetzungen eines Bebauungsplans in Bezug genommene DIN-Vorschrift bestimmt, unter welchen Voraussetzungen bauliche Anlagen im Plangebiet zulässig sind, nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (NVwZ 2010, 1567; s. auch OVG Rheinland-Pfalz, LKRZ 2011, 381 und OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21. Mai 2012 - 10 D 145/09.NE -, juris) nur dann rechtsstaatlichen Anforderungen an die Verkündung von Rechtsnormen, wenn die Gemeinde sicherstellt, dass die Betroffenen von der DIN-Vorschrift verlässlich und in zumutbarer Weise Kenntnis erlangen können. Auf diese Rechtsprechung können sich die Antragsteller im vorliegenden Fall jedoch nicht berufen. Die Antragsgegnerin weist zutreffend darauf hin, dass § 17 Abs. 4 AllgE nicht erst durch einen schlichten Verweis auf die DIN 1986 und DIN EN 752 bestimmt, nach welchen Maßgaben Grundstücksentwässerungsanlagen herzustellen und zu betreiben sind. Vielmehr regelt die genannte Vorschrift, dass Grundstücksentwässerungsanlagen nach den Bestimmungen dieser Satzung und den hierfür jeweils in Betracht kommenden Verfahren nach dem Stand der Technik, insbesondere DIN 1986 und DIN EN 752 „Grundstücksentwässerungsanlagen, technische Bestimmungen für den Bau und Betrieb“, herzustellen und zu betreiben seien. § 17 Abs. 4 AllgE verweist daher primär auf andere Bestimmungen in der Satzung sowie auf den „Stand der Technik“. Der Begriff des „Stands der Technik“ im Wasserrecht wird in § 3 Nr. 11 WHG definiert als „Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt (s. zur gleichlautenden Definition auch § 3 Abs. 6 Bundesimmissionsschutzgesetz - BImSchG - und § 3 Abs. 28 Kreislaufwirtschaftsgesetz - KrwG -). Die Bezugnahme auf die DIN 1986 und DIN EN 752 in § 17 Abs. 4 AllgE erfolgt lediglich „insbesondere“. Vor diesem Hintergrund kann von einer in einem Eilverfahren geforderten offensichtlichen Unwirksamkeit der genannten Vorschrift keine Rede sein.

42

2.2.3.3. Die Voraussetzungen des § 25 Abs. 4 AllgE liegen vor, denn die Antragsteller haben gegen Anordnungen, Genehmigungen oder Vorgaben dieser Satzung verstoßen.

43

Das fragliche Grundstück ist gemäß § 6 AllgE an die öffentliche Abwasserbeseitigung anzuschließen. Die Antragsteller sind aufgrund von § 17 Abs. 1 AllgE verpflichtet, die Grundstücksentwässerungsanlagen auf ihre Kosten herzustellen. Grundstücksentwässerungsanlagen sind gemäß § 2 Abs. 7 AllgE alle Einrichtungen, die der Sammlung, Verwertung bzw. Versickerung, Vorbehandlung, Prüfung und Ableitung des Abwassers (Schmutz – und Niederschlags- und sonstiges Wasser) auf dem Grundstück bis zum Grundstücksanschluss dienen. Dazu gehören insbesondere Leitungen, die im Erdreich oder in der Grundplatte verlegt sind und das Abwasser dem Anschlusskanal zuführen (Grundleitungen, DIN 1986 Teil 1 Nr. 3.1.2 und DIN EN 752), Prüfschächte, Kleinkläranlagen und Abscheider sowie Abwassergruben. Somit werden vom Begriff der Grundstücksentwässerungsanlage alle Einrichtungen erfasst von der Anfallstelle des Abwassers bis hin zum Grundstücksanschluss und auch Leitungen neben solchen, die im Erdreich oder in der Grundplatte verlegt sind. Die Antragsgegnerin weist in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hin, dass damit auch Abwasserleitungen in Gebäuden und in einzelnen Wohneinheiten, insbesondere Schmutzwasserfallleitungen zählen. Mit Arbeiten für den Anschlusskanal und die Grundstücksentwässerungsanlagen darf gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 AllgE erst begonnen werden, wenn ein entsprechender Antrag von der Antragsgegnerin genehmigt ist. Nach § 19 AllgE ist ein Antrag auf Genehmigung einer Entwässerungseinrichtung mittels eines Entwässerungsantrages einen Monat vor dem geplanten Herstellungsbeginn der Grundstücksentwässerungsanlage schriftlich beim ESN einzureichen. Gemäß § 18 Abs. 10 i.V.m. § 23 Abs. 7 AllgE sind Abweichungen von der Genehmigung oder von einem Entwässerungsantrag dem ESN unverzüglich schriftlich mitzuteilen und ein erneuter Antrag unverzüglich zur Genehmigung einzureichen. Nach § 18 Abs. 11 AllgE darf ohne schriftliche Genehmigung oder ohne schriftliche Genehmigung einer Änderung die Ausführung nicht begonnen oder fortgesetzt werden.

44

Gegen diese Vorgaben haben die Antragsteller verstoßen, denn sie haben mit den Bauarbeiten an den Grundstücksentwässerungsanlagen begonnen, ohne zuvor eine Entwässerungsgenehmigung (sowie eine Baugenehmigung für das Gesamtbauvorhaben) eingeholt zu haben. Die Arbeiten an den Grundstücksentwässerungsanlagen waren somit bereits formell illegal. Die Antragsgegnerin war daher berechtigt, auf der Grundlage des § 25 Abs. 4 AllgE die erfolgten Bauarbeiten an den Grundstücksentwässerungsanlagen aufgrund der formellen Illegalität einzustellen (vgl. zur baurechtlichen Einstellung von Bauarbeiten wegen formeller Illegalität Lang in: Jeromin/Schmidt/Lang, LBauO RhPf, a.a.O., § 80 Rn. 5; VG Neustadt, Beschluss vom 27. Februar 2012 - 5 L 97/12.NW -).

45

Die Ermessensentscheidung der Antragsgegnerin ist rechtlich nicht zu beanstanden. Es entspricht pflichtgemäßem Ermessen, wenn die Antragsgegnerin als zuständige Abwasserbeseitigungsbehörde bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 25 Abs. 4 AllgE eine Ordnungsverfügung gegenüber dem Störer erlässt und damit im Regelfall von ihrem Ermessen (sog. intendiertes Ermessen) in einer dem Zweck des Gesetzes entsprechenden Weise Gebrauch macht. Deshalb bedurfte es keiner weitergehenden Begründung nach § 1 LVwVfG i.V.m. § 39 Abs. 1 Satz 3 VwVfG.

46

Das besondere Vollzugsinteresse ist ebenfalls gegeben. Um sicherzustellen, dass die Antragsteller nicht weiter Fakten zu schaffen versuchen durch bauliche Maßnahmen, die zu einer späteren Behinderung bei der ordnungsgemäßen Herstellung der Grundstücksentwässerungsanlage führen können, waren diese sofort anzuhalten, alles zu unterlassen, was zu einer Verfestigung des möglicherweise regelwidrigen Zustands führen kann.

47

2.2.3.4. Die in Ziffer 4 der Bescheide vom 9. Januar 2013 verfügte Aufhebung der „bisher für das oben genannte Grundstück ergangenen Entwässerungsgenehmigungen“ ist dagegen nach summarischer Prüfung offensichtlich rechtwidrig. In den Gründen der Bescheide, in denen die Antragsgegnerin im Übrigen keine Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Entwässerungsgenehmigungen angegeben hat, heißt es dazu lediglich, mit Datum vom 20. Juni 1957 sei eine Entwässerungsgenehmigung für einen Betrieb des Bankwesens erteilt worden. Das Grundstück werde einer neuen Nutzung (6 Wohnungen, 1 Supermarkt mit Lebensmittelhandel) zugeführt, welche eine Veränderung der Grundstücksentwässerung zur Folge habe. In den Verwaltungsakten der Antragsgegnerin findet sich die angesprochene Entwässerungsgenehmigung vom 20. Juni 1957 nicht, sondern lediglich eine Kopie eines Genehmigungsbescheids vom 20. Juni 1956. Es ist somit unklar, welche Entwässerungsgenehmigungen die Antragsgegnerin meint. Dies führt zur Unbestimmtheit des Ausspruchs. Ungeachtet dessen erschließt sich der Kammer nicht die Notwendigkeit der für sofort vollziehbar erklärten Aufhebung der Entwässerungsgenehmigung(en) angesichts des Umstands, dass die Antragsteller für ihr umfangreiches (Bau-)vorhaben neben einer Baugenehmigung und denkmalschutzrechtlichen Genehmigung wegen einschneidender Änderungen an den Entwässerungseinrichtungen auf dem Grundstück und in dem Gebäude eine neue Entwässerungsgenehmigung benötigen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. Mai 2002 - 8 A 10169/02.OVG – zur Erledigung eines Verwaltungsakts „auf andere Weise“ gemäß § 43 Abs. 2 VwVfG bei Nutzungsänderung einer baulichen Anlage).

48

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO.

49

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG. Da es sich vorliegend um eine objektive Antragshäufung im Sinne des § 44 VwGO handelt, waren gemäß § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG sowohl für den Hauptantrag als auch den Hilfsantrag ein Streitwert festzusetzen. Hinsichtlich des Hauptantrages setzt die Kammer gemäß § 52 Abs. 2 GKG und Nr. 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit einen Betrag von 2.500 € fest. In Bezug auf den Hilfsantrag hält die Kammer im Hinblick auf die wirtschaftliche Bedeutung des Streits für die Antragsteller einen Betrag von 10.000 € für angemessen, wobei je Ziffer der Bescheide vom 9. Januar 2013 ein Betrag von 2.500 € in Ansatz gebracht wurde.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

Jeder Miteigentümer kann die Ansprüche aus dem Eigentum Dritten gegenüber in Ansehung der ganzen Sache geltend machen, den Anspruch auf Herausgabe jedoch nur in Gemäßheit des § 432.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.


Tenor

Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 17. November 2010 abgeändert und die Änderungsbaugenehmigung vom 21. Juni 2007 und der Widerspruchsbescheid vom 5. Juni 2008 aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge haben der Beklagte und die Beigeladene jeweils zur Hälfte zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Beklagter und Beigeladene dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des festzusetzenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Kläger wenden sich gegen eine der Beigeladenen erteilte Änderungsbaugenehmigung, mit der die abstandsflächenrechtliche Zulässigkeit des geänderten Vorhabens festgestellt wird.

2

Sie sind zusammen mit der Beigeladenen Miteigentümer des unbebauten Wegegrundstücks (Fahrweg) Flurstück-Nr. … in H. Dieser Fahrweg dient sowohl dem Wohngrundstück der Beigeladenen (F.straße …) als auch dem im Miteigentum der Kläger stehenden und östlich an den Fahrweg angrenzenden Wohngrundstück F.straße … als Zuwegung.

3

Die Beigeladene beantragte im Januar 2006 die Erteilung einer Baugenehmigung für den Umbau und die Erweiterung ihres Wohnhauses F.straße … . Der zweigeschossige, ca. 13 m lange Anbau an den vorhandenen Baubestand verläuft in seinem ersten Teil mit einer Länge von 1,25 m noch parallel zu der Wegeparzelle, die dann aber endet, so dass der weitere Teil des Anbaus wegen des dann breiteren Baugrundstücks abstandsflächenrechtlich keine Probleme aufwirft. Nach den vorgelegten Plänen sollte im Erdgeschoss des Wohnhausanbaus zum Fahrweg hin ein Kinderzimmer und im Obergeschoss ein Esszimmer errichtet werden.

4

Der Beklagte erteilte der Beigeladenen am 31. Januar 2006 die beantragte Baugenehmigung im vereinfachten Genehmigungsverfahren.

5

Nachdem der Vater der Kläger als damaliger Miteigentümer des Fahrwegs Verletzungen des erforderlichen Grenzabstandes im Bereich des Kinder-/Esszimmers geltend gemacht hatte, zur Bewilligung einer Abstandsflächenbaulast auf der Wegefläche allerdings nicht bereit war, reichte die Beigeladene im Mai 2007 eine Tektur bei dem Beklagten des Inhalts ein, dass für das ursprünglich im Erdgeschoss des Wohnhausanbaus geplante Kinderzimmer nunmehr eine Nutzung als Abstellraum geplant sei. Nach dem vorgelegten Plan soll dieser Raum sowohl einen eigenen Eingang von dem Fahrweg aus als auch – wie bisher – eine Tür zum Flur des Wohnhauses aufweisen. Im Obergeschoss soll die Außenwand des dortigen Esszimmers derart zurückgebaut werden, dass in dem Bereich parallel des Fahrwegs ein Grenzabstand von 3 m eingehalten wird.

6

Mit Bescheid vom 21. Juni 2007 erteilte der Beklagte der Beigeladenen antragsgemäß die entsprechende Änderungsbaugenehmigung. Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde – nach zwischenzeitlichem Scheitern von Vergleichsverhandlungen – durch Widerspruchsbescheid vom 5. Juni 2008 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Genehmigung sei rechtmäßig. Insbesondere könne die Beigeladene für den geplanten Abstellraum das Abstandsflächenprivileg nach § 8 Abs. 9 LBauO in Anspruch nehmen.

7

Zur Begründung ihrer dagegen erhobenen Klage haben die Kläger im Wesentlichen geltend gemacht, bei dem Abstellraum im Erdgeschoss handele es sich nicht um ein eigenständiges Gebäude, was jedoch Voraussetzung zur Anwendung des § 8 Abs. 9 LBauO sei.

8

Nach dem neuerlichen Scheitern von Einigungsbemühungen zwischen den Klägern und der Beigeladenen hat das Verwaltungsgericht die Klage durch das aufgrund mündlicher Verhandlung vom 17. November 2010 ergangene Urteil abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage stelle sich als rechtsmissbräuchlich dar, weil für das geltend gemachte Rückbaubegehren bezüglich des lediglich auf einer Länge von ca. 1,25 m vorliegenden Abstandsflächenverstoßes kein nachvollziehbarer sachlicher Grund erkennbar sei, ein faktisch wahrnehmbarer Vorteil für die Kläger als Nachbarn durch einen Rückbau des Erdgeschossraumes nicht entstünde und sie ganz offensichtlich die Klage als Druckmittel benutzten, um von einer Abstandsflächeneinhaltung völlig losgelöste Ziele zu verfolgen. Die Treuwidrigkeit sei umso mehr deshalb anzunehmen, weil der Abstandsflächenverstoß nur gering sei und für das Bauvorhaben eine Abweichung gemäß § 69 LBauO erteilt werden könnte. Den Klägern gehe es letztlich gar nicht um die Einhaltung der notwendigen Abstandsfläche des Vorhabens der Beigeladenen zu dem Fahrweg, sondern um die Einräumung von – ansonsten in einem separaten Zivilrechtsstreit gegen die Beigeladene zu verfolgenden – Sonderrechten an dem Fahrweg in Form der Einrichtung eines Stellplatzes und der Bewilligung eines Leitungsrechts.

9

Der Kläger trägt zur Begründung der vom Senat zugelassenen Berufung im Wesentlichen vor: Ihr Klagebegehren sei nicht rechtsmissbräuchlich. Der jetzige Streit sei Teil eines bereits Jahrzehnte schwelenden, unter den Rechtsvorgängern der jetzigen Parteien begonnenen Nachbarrechtsstreits. Es sei nicht treuwidrig, wenn im Rahmen der Erörterung einer einvernehmlichen Lösung des jetzigen Rechtsstreits für ein Nachgeben zusätzliche Forderungen erhoben würden. Dass sie sich auf solche Vergleichsgespräche eingelassen hätten, dürfe nicht zu ihren Lasten gewertet werden.

10

Die Kläger beantragen,

11

das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 17. November 2010 abzuändern und die Änderungsbaugenehmigung vom 21. Juni 2007 und den Widerspruchsbescheid vom 5. Juni 2008 aufzuheben.

12

Der Beklagte beantragt,

13

die Berufung zurückzuweisen.

14

Nach seiner Auffassung habe das Verwaltungsgericht zu Recht darauf abgestellt, dass die Voraussetzungen zur Erteilung einer Abweichung vom Abstandsflächengebot vorlägen. Ob die Geltendmachung der Abstandsflächenverletzung darüber hinaus rechtsmissbräuchlich erfolgt sei, könne dahingestellt bleiben.

15

Die Beigeladene beantragt ebenfalls,

16

die Berufung zurückzuweisen.

17

Das Verwaltungsgericht habe zu Recht entschieden, dass das Geltendmachen der Abstandsflächenverletzung rechtsmissbräuchlich sei, weil dieser Verstoß durch eine Abweichungszulassung legalisiert werden könne. Im Übrigen nutzten die Kläger auch weiterhin ihre Rechtsposition dazu aus, wirtschaftliche Vorteile von allen Seiten zu erzielen. Der Termin zur Beurkundung des ausgehandelten Vertrages sei kurzfristig mit der Begründung abgesagt worden, dass noch Regelungen mit dem Architekten zu treffen seien. Obwohl sie zwischenzeitlich den Zwischentrakt nicht nur im Obergeschoss, sondern auch im Untergeschoss zurückgebaut habe, sei sie nicht bereit, auf die Rechte aus der Änderungsbaugenehmigung zu verzichten.

18

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die beigezogenen Behördenakten, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.

Entscheidungsgründe

19

Die Berufung ist begründet.

20

Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben müssen, weil die angefochtene Änderungsbaugenehmigung vom 21. Juni 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Juni 2008 rechtswidrig ist und die Kläger in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

21

Die angefochtene Baugenehmigung enthält die Feststellung, dass das geänderte Bauvorhaben der Beigeladenen mit den abstandsflächenrechtlichen Regelungen der Landesbauordnung vereinbar ist. Diese Feststellung ist rechtswidrig.

22

1. Zunächst begegnet es keinen Bedenken, dass der Beklagte die bauordnungsrechtliche Zulässigkeit des Bauvorhabens festgestellt hat, obwohl es sich um ein Bauvorhaben nach § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LBauO handelt und das Prüfungsprogramm der Bauaufsichtsbehörde nach § 66 Abs. 3 Satz 1 LBauO auf die Kontrolle der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens sowie dessen Vereinbarkeit mit sonstigen öffentlichen Vorschriften, allerdings unter Ausklammerung bauordnungsrechtlicher Bestimmungen, beschränkt ist.

23

Wenn auch die Bauaufsichtsbehörde im vereinfachten Genehmigungsverfahren nicht befugt ist, das ihr gesetzlich vorgegebene Prüfungsprogramm und damit die gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen für die zu erteilende Baugenehmigung zu erweitern, so ist sie umgekehrt dennoch nicht gehindert, die – entsprechend dem eingeschränkten Prüfungsprogramm – beschränkte Feststellungswirkung einer Baugenehmigung um weitere Feststellungen zur Vereinbarkeit des Vorhabens auch mit bauordnungsrechtlichen Vorschriften zu ergänzen. Besteht auf den Erlass einer dahingehenden Feststellung wegen der Zurücknahme des präventiven Kontrollprogramms auch kein Anspruch, so bleibt es der Bauaufsichtsbehörde doch unbenommen, zur Klärung der Rechtslage die aus ihrer Sicht gegebene bauordnungsrechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens festzustellen. Für eine solche Verfahrensweise besteht insbesondere dann Anlass, wenn bereits im vereinfachten Genehmigungsverfahren Einwendungen des Nachbarn hinsichtlich der bauordnungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens vorliegen und die Behörde deshalb ohnehin gehalten ist, sich mit einem Begehren auf bauaufsichtsbehördliches Einschreiten zu befassen. Ist die Behörde zur isolierten Feststellung der bauordnungsrechtlichen Zulässigkeit befugt, bestehen keine Hinderungsgründe, diese Regelung mit der im vereinfachten Genehmigungsverfahren zu erteilenden „schlanken“ Baugenehmigung zu verbinden (vgl. zum Vorstehenden insgesamt: Urteil des Senats vom 22. Oktober 2008 – 8 A 10942/08.OVG –, BauR 2009, 799 und juris, Rn. 26; OVG Hamburg, Urteil vom 30. März 2011 -2 Bf 374/06-, NVwZ-RR 2011, 591[593]: Befugnis zu zusätzlichen Anordnungen).

24

Der Beklagte hat hier eine solche erweiterte Feststellungsregelung getroffen. Zwar äußert sich die Änderungsbaugenehmigung vom 21. Juni 2007 nicht ausdrücklich zur bauordnungsrechtlichen Zulässigkeit, diese war indes wesentlicher Inhalt des Tekturantrags der Beigeladenen vom 18. Mai 1987; darüber hinaus hat die Bauaufsichtsbehörde in ihrem Begleitschreiben zur Baugenehmigung an die Kläger vom 22. Juni 2007 ausdrücklich erklärt, auch bauordnungsrechtliche Fragen geprüft zu haben; Letzteres ergibt sich auch aus dem Widerspruchsbescheid vom 5. Juni 2008.

25

2. Das geänderte Bauvorhaben der Beigeladenen verstößt im Bereich des an den Altbestand unmittelbar anschließenden Bauteils (sog. Zwischentrakt) im Bereich des Erdgeschosses gegen das Abstandsflächenrecht.

26

Die Außenwand im Südostteil des Zwischentrakts hält die gebotene Abstandsfläche von mindestens 3 m (§ 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 6 Satz 3 LBauO) nicht ein. Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 LBauO muss die Abstandsfläche auf dem Grundstück selbst liegen. Die Außenwand der Südostecke des Zwischentrakts hält zu der benachbarten Wegeparzelle Nr. … jedoch nur einen Abstand von etwa 50 cm ein. Die in § 8 Abs. 2 Satz 2 LBauO erlaubte Erstreckung der Abstandsfläche bis zur Mitte einer Verkehrsfläche führt hier nicht zur Zulässigkeit des Vorhabens. Zum einen ist diese Erstreckung nur bei öffentlichen Verkehrsflächen, nicht hingegen bei privaten Wegeflächen – wie hier – erlaubt. Zum anderen beträgt die Hälfte der Wegeparzelle Nr. … nur etwa 2 m. Sie reicht damit nicht aus, um im Anschluss an die östliche Außenwand des Gebäudes eine Abstandsfläche von 3 m abzubilden.

27

Während im Obergeschoss des Zwischentraktes die gebotene Abstandsfläche infolge des vorgesehenen Rückbaus der Außenwand eingehalten wird, ragt die Abstandsfläche im genehmigten Erdgeschoss des Zwischentraktes über die eigene Grundstücksparzelle der Beigeladenen hinaus. Wie das Verwaltungsgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, kann sich die Beigeladene hierfür nicht auf das Abstandsflächenprivileg gemäß § 8 Abs. 9 Satz 1 Nr. 3 LBauO berufen. Danach dürfen ohne Abstandsfläche oder mit einer geringeren Tiefe der Abstandsfläche „sonstige Gebäude ohne Aufenthaltsräume und Feuerstätten“ errichtet werden. Nach der Rechtsprechung beider Bausenate des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz findet das Abstandsflächenprivileg nach § 8 Abs. 9 Satz 1 LBauO nur Anwendung auf selbstständige Gebäude, was eine konstruktive und funktionale Trennung zwischen dem Hauptgebäude und dem – privilegierten – Nebengebäude voraussetzt (vgl. OVG RP, Urteil vom 25. Juni 2009 – 1 A 10050/09.OVG –, ESOVGRP; Beschluss des Senats vom 30. November 2009 – 8 A 10925/09.OVG –, Urteil vom 25. November 2009 – 8 A 10636/09.OVG –, ESOVGRP). An einer solchen konstruktiven und funktionalen Trennung fehlt es hier bereits deshalb, weil zwischen dem jetzt geplanten Abstellraum und der Wohnnutzung in den benachbarten Räumen eine Verbindungstür besteht. Aber auch im Übrigen fehlt es an der gebotenen Selbstständigkeit des Abstellraums, weil er konstruktiv in den ansonsten einheitlichen Baukörper integriert ist.

28

Weil die genannten abstandsflächenrechtlichen Bestimmungen nachbarschützend sind, folgt aus dem objektiv-rechtlichen Verstoß zugleich eine Verletzung der Klägerin in ihren Rechten.

29

Dass möglicherweise die Voraussetzungen für die Zulassung einer Abweichung vom Abstandsflächengebot nach § 69 Abs. 1 Satz 1 LBauO vorliegen, wie der Beklagte annimmt, ist für die Rechtmäßigkeit der hier zu beurteilenden Änderungsbaugenehmigung ohne Belang. Denn der Beklagte hat dem Abweichungsantrag der Beigeladenen vom 19. November 2010 bislang noch nicht stattgegeben. Das bloße Vorliegen einer Abweichungslage genügt indessen nicht, die ohne Abweichungszulassung ergangene Baugenehmigung als rechtmäßig ansehen zu können (vgl. OVG RP, Beschluss vom 5. Februar 2010 – 1 B 11356/09.OVG –, ESOVGRP, für das Vorliegen einer Befreiungslage nach § 31 Abs. 2 BauGB).

30

3. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts hält der Senat das Anfechtungsbegehren der Kläger unter Berufung auf die Abstandsflächenwidrigkeit des Bauvorhabens der Beigeladenen nicht für rechtsmissbräuchlich.

31

Es ist grundsätzlich legitim, bestehende Rechte geltend zu machen. Zwar unterliegt die Geltendmachung von Rechten dem die gesamte Rechtsordnung prägenden Grundsatz von Treu und Glauben, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat. So kann die Ausübung eines – materiellen oder auch verfahrensrechtlichen – Rechts sich im Einzelfall als treuwidrig und damit unzulässig erweisen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Januar 1974 – IV C 2.72 -, BverwGE 44, 294 [298 f.]). Eine solche, ohnehin nur in engen Grenzen anzunehmende Fallgestaltung liegt hier nach Auffassung des Senats indes nicht vor.

32

Das Verwaltungsgericht führt zutreffend aus, dass sich ein Nachbar grundsätzlich gegen jede Unterschreitung der Mindestabstandsfläche zur Wehr setzen kann, ohne den Nachweis einer gerade dadurch hervorgerufenen tatsächlichen Beeinträchtigung führen zu müssen (vgl. VGH BW, Urteil vom 6. Juni 2008 – 8 S 18/07 –, VBlBW 2008, 483 und juris, Rn. 44). Einschränkungen mögen bei Abstandsflächenverstößen im Bagatellbereich angebracht sein (vgl. für den Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten: OVG RP, Urteil vom 7. Dezember 2005 – 8 A 11062/05.OVG –). Im vorliegenden Fall überschreitet die Abstandsfläche vor der Außenwand an der Südostecke des Zwischentrakts das gebotene Maß indes um ca. 2,50 m.

33

Der Senat vermag auch nicht zu erkennen, dass die Kläger ihr Begehren treuwidrig allein als Druckmittel zur Durchsetzung völlig anderer Ziele einsetzen. Dass die Kläger im Rahmen der Vergleichsverhandlungen ihre Bereitschaft zur Duldung der Abstandsflächenverletzung mit der Forderung nach einem Entgegenkommen der Beigeladenen in anderer Hinsicht verbinden, macht diese Verfahrensweise noch nicht rechtsmissbräuchlich. Diese Praxis entspricht vielmehr dem üblichen Vorgang des Aushandelns einer einvernehmlichen Konfliktlösung. Eine unzulässige Kopplung der geltend gemachten Rechtsverletzung mit den Forderungen der Kläger liegt auch deshalb nicht vor, weil sich sowohl der Abstandsflächenverstoß der Beigeladenen als auch die Forderungen der Kläger nach Ausweisung eines Stellplatzes und Einräumung eines Leitungsrechts auf dieselbe Wegeparzelle beziehen. Auch kann ein schikanöses Überziehen der Kläger in ihren Forderungen mit der dafür gebotenen Offensichtlichkeit nicht festgestellt werden. Schließlich macht die vom Verwaltungsgericht angenommene Abweichungsfähigkeit des Bauvorhabens nach § 69 LBauO das Geltendmachen der durch die erteilte Baugenehmigung eingetretenen Rechtsverletzung nicht rechtsmissbräuchlich. Vielmehr fällt es in den Verantwortungsbereich des Beklagten und der Beigeladenen, von den Möglichkeiten zur Legalisierung des Abstandsflächenverstoßes Gebrauch zu machen.

34

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und Abs. 3 VwGO.

35

Die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 ff. ZPO.

36

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

37

Beschluss

38

Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 7.500,00 € festgesetzt (§§ 47, 52 GKG).

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Legt ein Dritter einen Rechtsbehelf gegen den an einen anderen gerichteten, diesen begünstigenden Verwaltungsakt ein, kann die Behörde

1.
auf Antrag des Begünstigten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen,
2.
auf Antrag des Dritten nach § 80 Abs. 4 die Vollziehung aussetzen und einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der Rechte des Dritten treffen.

(2) Legt ein Betroffener gegen einen an ihn gerichteten belastenden Verwaltungsakt, der einen Dritten begünstigt, einen Rechtsbehelf ein, kann die Behörde auf Antrag des Dritten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen.

(3) Das Gericht kann auf Antrag Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 ändern oder aufheben oder solche Maßnahmen treffen. § 80 Abs. 5 bis 8 gilt entsprechend.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.