Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Urteil, 14. Juli 2016 - 4 K 11/16.NW

ECLI:ECLI:DE:VGNEUST:2016:0714.4K11.16.NW.0A
bei uns veröffentlicht am14.07.2016

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Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt die Klägerin.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt vom Beklagten bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Nutzung eines Stellplatzes auf dem benachbarten Grundstück der Beigeladenen als Abstellplatz für Mülltonnen.

2

Die Klägerin ist Miteigentümerin des in der Ortslage von Meckenheim gelegenen und mit einem Wohngebäude bebauten Grundstücks Flurstück-Nr. …, A-Straße ... Die beigeladene Wohnungseigentümergemeinschaft ist Eigentümerin der südlich angrenzenden Grundstücke Flurstück-Nr. …. und …, A-Straße ...

3

Nach der Satzung der Gemeinde Meckenheim über die Festlegung der Zahl der notwendigen Stellplätze für Wohngebäude vom 18. Dezember 2001 sind bei Mehrfamilienhäusern mit mehr als 60 m² je Wohnung zwei Stellplätze erforderlich.

4

Auf dem Anwesen A-Straße ... steht ein mit Bescheid vom 25. September 2012 genehmigtes Mehrfamilienwohnhaus mit sechs Wohneinheiten, sechs Garagen und sechs Stellplätzen. Die Grundfläche der Wohneinheiten beträgt mehr als 60 m². Von den sechs Garagen stehen vier Garagen im hinteren, südwestlichen Grundstücksbereich. Daneben, unmittelbar an der gemeinsamen Grenze zum Grundstück Flurstück-Nr. …, befindet sich eine mit Pflastersteinen befestigte und als Kfz-Stellplatz vorgesehene Fläche mit einer Länge von 6 m und einer Breite von 3,30 m zulaufend auf 3 m. Diese grenzt an eine Sandsteinmauer, hinter der die Terrasse der Klägerin liegt. Die Bewohner des Mehrfamilienhauses, die über fünf 240-Liter Abfallbehälter und sieben 120-Liter Abfallbehälter verfügen, nutzen u.a. auch den genannten Stellplatz zum Abstellen ihrer Mülltonnen.

5

Dies teilte die Klägerin dem Beklagten im Oktober 2014 mit und bat um Überprüfung. Mit Schreiben vom 5. November 2014 antwortete der Beklagte der Klägerin, sie habe diesbezüglich keinen Anspruch auf baurechtliches Einschreiten.

6

Am 13. November 2014 legte die Klägerin daraufhin gegen die Nutzung eines in der Baugenehmigung ausgewiesenen Kfz-Stellplatzes als Müllabstellplatz Widerspruch ein.

7

Im Juli 2015 informierte die Beigeladene den Beklagten unter Vorlage von Fotos darüber, dass auf der als Stellplatz genehmigten Fläche die Mülltonnen nur noch an der zur Garage hin gewandten Seite abgestellt würden und weitere Tonnen an anderer Stelle untergebracht worden seien.

8

Mit Widerspruchsbescheid vom 8. Dezember 2015 wies der Kreisrechtsausschuss des Beklagten den Widerspruch der Klägerin mit der Begründung zurück, der Widerspruch der Klägerin richte sich gegen die Zweckentfremdung des Kfz-Stellplatzes im westlichen Teil des Nachbargrundstücks Flurstück-Nr. …, so dass die Klägerin bauaufsichtliches Einschreiten hiergegen wünsche. Der Widerspruch sei aber unbegründet. Denn die Klägerin könne sich nicht mit Erfolg auf die Verletzung einer drittschützenden Vorschrift berufen. Dass die nicht zweckgemäße Nutzung des streitigen Kfz-Stellplatzes eine Schädigung der Gesundheit oder gar unzumutbare Beeinträchtigung des Wohnens, Arbeitens, der Ruhe und der Erholung beinhalte, sei nicht ersichtlich. Soweit die Klägerin geltend mache, sie sei als Nachbarin Geruchsbelästigungen und sonstigen Unannehmlichkeiten ausgesetzt, sei dies zu bezweifeln. Der streitige Stellplatz sei durch eine hohe verfugte Sandsteinmauer von nicht unerheblicher Dicke vom Grundstück der Klägerin getrennt. Es erscheine dem Kreisrechtsausschuss äußerst zweifelhaft, dass bei gewöhnlicher Nutzung der Abfallbehälter Geruchsbelästigungen aufträten, die einen Aufenthalt auf der gegenüberliegenden Seite der verfugten Sandsteinmauer unzumutbar machten. Zwar dürften gemäß § 47 Abs. 9 LBauO notwendige Stellplätze und Garagen nicht zweckentfremdet genutzt werden. Hiervon sei auszugehen, wenn die notwendigen Stellplätze oder Garagen wie hier zu einem anderen Zweck als der Aufnahme des von der Wohnanlage ausgelösten Kraftfahrzeugverkehrs verwendet würden. Ein Anspruch der Klägerin auf bauaufsichtliches Einschreiten folge hieraus aber dennoch nicht. Insbesondere die Möglichkeit der Gemeinden nach § 47 Abs. 4 Satz 1 LBauO durch Satzung gänzlich von der Verpflichtung zur Schaffung von Stellplätzen abzusehen, zeige, dass der Gesetzgeber vorrangig die Gemeinden und gerade nicht den Nachbarn als Betroffene angesehen habe. Auch ihrem Sinn nach diene die Stellplatzpflicht nur mittelbar dem Schutz Einzelner, denn die Stellplatzpflicht solle in erster Linie dem durch den Bau ausgelösten Bedarf Rechnung tragen und durch Freihalten der öffentlichen Straßen die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs gewährleisten.

9

Die Klägerin hat am 6. Januar 2016 Klage erhoben. Sie führt aus, einer der zwölf notwendigen Kfz-Stellplätze werde in widerrechtlicher Weise zum Abstellen von Müllbehältern der Eigentümer der Wohnanlage A-Straße ... in Meckenheim genutzt. Dagegen wende sie sich, da insbesondere an warmen Tagen eine unzumutbare Geruchsbelästigung von den auf dem notwendigen Kfz-Stellplatz abgestellten Mülleimern ausgehe und man sich deshalb zum Teil im Freien des Wohngrundstücks der Klägerin bei warmen Temperaturen nicht mehr aufhalten könne.

10

Die Nutzung eines notwendigen Kfz-Stellplatzes zum Abstellen von Müllbehältern einer Wohnanlage verstoße gegen § 2 Abs. 3 der Satzung über die Festlegung der Zahl der notwendigen Stellplätze für Wohngebäude der Ortsgemeinde Meckenheim. § 47 Abs. 7 LBauO beinhalte den Schutz von Nachbarn einer baulichen Anlage, denn durch die Benutzung von Stellplätzen dürfe die Gesundheit nicht geschädigt sowie das Wohnen und Arbeiten, die Ruhe und Erholung in der Umgebung nicht unzumutbar beeinträchtigt werden. Diese Vorschrift diene somit keineswegs ausschließlich dem öffentlichen Interesse.

11

Die Klägerin beantragt,

12

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 5. November 2014 und des Widerspruchsbescheids vom 8. Dezember 2015 zu verpflichten, der Beigeladenen zu untersagen, auf dem Grundstück Flurstück-Nr. … und …, A-Straße ... in Meckenheim, den genehmigten Kfz-Stellplatz unmittelbar an der gemeinsamen Grundstücksgrenze zum Abstellen von Müllbehältern gleich welcher Größe zu nutzen.

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Der Beklagte beantragt,

14

die Klage abzuweisen.

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Er trägt vor, die Anforderungen über die Erforderlichkeit und den Errichtungsort sowie die Erreichbarkeit der notwendigen Stellplätze lägen ausschließlich im öffentlichen Interesse. Mit Ausnahme der Regelung in § 47 Abs. 7 Satz 2 LBauO dienten die übrigen Bestimmungen des § 47 LBauO nicht dem Schutz des Nachbarn. Zur Vermeidung von unzumutbaren Geruchsbelästigungen seien gemäß § 10 Abs. 3 LBauO Standplätze für Abfallbehälter in bestimmten Mindestabständen von der Nachbargrenze herzustellen. Dabei könnten für die Dungstätten geltenden Mindestabstände des § 48 Abs. 5 Satz 3 LBauO als Anhaltspunkte für die Standortauswahl der Abfallbehälter auf dem Grundstück herangezogen werden. Die Mindestabstandsfläche solle im Regelfall bei 0,5 m² liegen. Die strittigen Müllbehälter hielten den empfohlenen Mindestabstand zur Nachbargrenze ein, sodass hier nicht von einer unzumutbaren Beeinträchtigung im Sinne des § 47 Abs. 7 Satz 2 LBauO auszugehen sei.

16

Die Beigeladene beantragt ebenfalls,

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die Klage abzuweisen.

18

Sie führt aus, abgesehen von § 47 Abs. 7 Satz 2 LBauO dienten die übrigen Regelungen gerade nicht dem Schutz der Nachbarn. Auch wenn gemäß § 47 Abs. 9 LBauO notwendige Stellplätze und Garagen nicht zweckentfremdet werden dürften, so sei doch davon auszugehen, dass sich hier ein Anspruch der Klägerin auf bauaufsichtliche Einschreiten nicht ergebe. Auch die Regelung durch die Gemeinde, dass pro Wohnung zwei Stellplätze herzustellen seien, begründe keinen Schutz dem Nachbarn.

19

Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass von den vorhandenen zwölf Stellplätzen fünf Stellplätze nicht zum Abstellen von Kraftfahrzeugen genutzt würden, da im Haus nur insgesamt sieben Fahrzeuge vorhanden seien.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakten und die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die Niederschrift vom 16. Juni 2016 verwiesen.

Entscheidungsgründe

21

Die gemäß § 42 Abs. 1 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO – statthafte Verpflichtungsklage ist auch ansonsten zulässig. Insbesondere ist die beigeladene Wohnungseigentümergemeinschaft beteiligungsfähig (s. § 61 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 10 Abs. 6 Satz 5 Wohnungseigentumsgesetz – WEG –; vgl. z.B. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Juli 2014 – 5 S 1035/13 –, juris).

22

In der Sache ist die Klage jedoch unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf bauaufsichtliches Einschreiten gegenüber der Beigeladenen. Der ablehnende Bescheid des Beklagten vom 5. November 2014 und der Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsauschusses bei der Kreisverwaltung Bad Dürkheim vom 8. Dezember 2015 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

23

Rechtsgrundlage für die Verpflichtung des Beklagten, die begehrte Nutzungsuntersagungsverfügung gegenüber dem Beigeladenen zu erlassen, ist § 81 Satz 1 der Landesbauordnung – LBauO –. Diese Vorschrift regelt nicht ausdrücklich eine Verpflichtung, sondern die Befugnis der Bauaufsichtsbehörde, u.a. die Nutzung zu untersagen, wenn bauliche Anlagen oder andere Anlagen und Einrichtungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 gegen baurechtliche oder sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften über die Errichtung, Änderung, Instandhaltung oder Nutzungsänderung dieser Anlagen verstoßen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände wieder hergestellt werden können. Die Bauaufsichtsbehörde hat hierüber nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Ein Anspruch des Nachbarn gegen die Bauaufsichtsbehörde auf Erlass einer Nutzungsuntersagung besteht nur dann, wenn die tatbestandlichen Eingriffsvoraussetzungen des § 81 Satz 1 LBauO erfüllt sind und die fragliche Nutzung gegen nachbarschützende Vorschriften verstößt (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12. Februar 2016 – 1 A 10530/15.OVG –, juris). Darüber hinaus müssen schließlich Umstände vorliegen, die dazu führen, dass sich das der Behörde durch § 81 Satz 1 LBauO eröffnete Eingriffsermessen auf Null reduziert.

24

1. Bei der streitgegenständlichen Fläche, die die Beigeladene zum Abstellen von Mülltonnen nutzt, handelt es sich um eine bauliche Anlage im Sinne von § 81 Satz 1 LBauO.

25

„Bauliche Anlagen“ im bauordnungsrechtlichen Sinn sind nach § 2 Abs. 1 Satz 1 LBauO mit dem Erdboden verbundene, aus Bauprodukten hergestellte Anlagen. Die mit Pflastersteinen befestigte Fläche auf dem Grundstück FlurNr. … ist aus Bauprodukten künstlich hergestellt und fest mit dem Erdboden verbunden und damit eine bauliche „Anlage“ im oben genannten Sinne.

26

Darüber hinaus greift hier auch die gesetzliche Fiktion des § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 LBauO ein, wonach Stellplätze als bauliche Anlagen gelten. Aber auch wenn man von einer nicht zweckentsprechenden Nutzung der als Stellplatz genehmigten Fläche als Abstellplatz für Mülltonnen ausgeht, greift die gesetzliche Fiktion des § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 LBauO ein, wonach Lager-, Abstell-, Aufstell- und Ausstellungsplätze als bauliche Anlagen gelten.

27

2. Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, ob die Beigeladene die streitgegenständliche Fläche auf dem Grundstück FlurNr. ... unter Verstoß gegen die von der Klägerin in den Mittelpunkt ihrer Argumentation gerückte öffentlich-rechtliche Vorschrift des § 47 Abs. 9 LBauO nutzt. Danach dürfen notwendige Stellplätze und Garagen ihrem Zweck nicht entfremdet werden.

28

2.1. Es ist bereits fraglich, ob die Beigeladene vorliegend überhaupt über zwölf notwendige Stellplätze verfügen muss. Die Zahl der notwendigen Stellplätze richtet sich nach den vorhandenen und zukünftig zu erwartenden Kraftfahrzeugen der Benutzer und Besucher, die sich nach den objektiven Verhältnissen der Anlage unter Berücksichtigung ihrer Art und Zweckbestimmung ergibt (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29. September 2004 – 8 A 11271/04.OVG –, ESOVG). Die Verwaltungsvorschrift über Zahl, Größe und Beschaffenheit der Stellplätze für Kraftfahrzeuge des Ministeriums der Finanzen – jetzige Fassung vom 24. Juli 2000 (MinBl. 2000, 231) – enthält Richtzahlen für den notwendigen Stellplatzbedarf. Bei diesen handelt es sich um sachverständig festgestellte durchschnittliche Erfahrungswerte (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 7. Oktober 2015 – 8 C 10371/15 –, NVwZ-RR 2016, 210). Die Nr. 1.2 sieht für Mehrfamilienhäuser einen Bedarf von 1 – 1,5 Stellplätzen je Wohnung vor, d.h. maximal neun Stellplätze bei sechs Wohnungen. Vorliegend hat die Gemeinde Meckenheim abweichend hiervon auf der Grundlage des § 88 Abs. 1 Nr. 8 LBauO eine Satzung über die Festlegung der Zahl der notwendigen Stellplätze für Wohngebäude vom 18. Dezember 2001 erlassen, nach der bei Mehrfamilienhäusern mit mehr als 60 m² je Wohnung zwei Stellplätze erforderlich sind, hier also zwölf Stellplätze. Die Ermächtigung des § 88 Abs. 1 Nr. 8 LBauO gibt den Gemeinden das Recht, in einer für das Gemeindegebiet pauschalierenden Weise den Begriff der „notwendigen“ Stellplätze im Sinne von § 47 Abs. 1 LBauO zu konkretisieren. Eine darüber hinausgehende Gestaltungsbefugnis wird den Gemeinden damit nicht verliehen (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26. April 2001 – 1 A 11339/00.OVG –, BauR 2002, 74). Will eine Gemeinde bei der satzungsmäßigen Festlegung des Stellplatzbedarfs für Bauvorhaben von den Richtzahlen in der ministeriellen Verwaltungsvorschrift über die Zahl der Stellplätze für Kraftfahrzeuge abweichen, hat sie die hierfür sprechenden Besonderheiten in ihrem Gemeindegebiet darzulegen (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 7. Oktober 2015 – 8 C 10371/15 –, NVwZ-RR 2016, 210). Ob die Satzung der Gemeinde Meckenheim diesen Anforderungen genügt, kann hier offen bleiben.

29

2.2. Ebenso kommt es nicht darauf an, ob hier überhaupt eine Zweckentfremdung vorliegt.

30

Stellplätze und Garagen dienen vorrangig der Unterbringung des ruhenden Verkehrs und der für die Nutzung des Kraftfahrzeuges notwendigen Gegenstände (wie beispielsweise Winter- bzw. Sommerreifen oder die nach § 18 Abs. 3 Satz 2 der Landesverordnung über den Bau und Betrieb von Garagen – GarVO –). Von einer Zweckentfremdung ist auszugehen, wenn die notwendigen Stellplätze oder Garagen zu einem anderen Zweck als der Aufnahme des von der Anlage ausgelösten Kraftfahrzeugverkehrs verwendet werden (z.B. zum Abstellen von Fahrrädern oder Mülltonnen) und dadurch der Stellplatz nicht mehr zum Abstellen des Fahrzeugs genutzt werden kann (vgl. auch Jeromin in: Jeromin, Landesbauordnung RhPf, 4. Auflage 2016, § 47 Rn. 98). Dies hängt zunächst von der Größe des Stellplatzes ab. Gemäß § 4 Abs. 7 i.V.m. Abs. 1 GarVO müssen Stellplätze mindestens 5 m lang und mindestens 2,30 m breit sein. Vorliegend ist die streitgegenständliche Fläche 6 m lang und 3 m bis 3,30 m breit. Nach den unwidersprochen gebliebenen Angaben der Beigeladenen stellen die Bewohner des Mehrfamilienhauses in dem Anwesen A-Straße ... die Mülltonnen nur noch an der zu den Garagen hin gewandten Seite ab. Da ein 240-Liter Abfallbehälter etwa 50 cm breit ist, verbleiben an der engsten Stelle daher noch knapp 2,50 m zum Abstellen eines Fahrzeugs. Ein Kleinfahrzeug wie das auf dem Lichtbild auf Blatt 26 der Widerspruchsakte kann folglich auf der Fläche trotz der Mülltonnen weiterhin abgestellt werden. Eine Zweckentfremdung wäre unter diesen Voraussetzungen zu verneinen.

31

Aber selbst wenn das Fahrzeug auf dem Lichtbild auf Blatt 26 der Widerspruchsakte nur zu Demonstrationszwecken dort geparkt worden sein sollte und die Fläche tatsächlich ausschließlich zum Abstellen von Mülltonnen genutzt werden sollte mit der Folge, dass eine Zweckentfremdung des Stellplatzes vorläge, kann die Klägerin daraus nichts zu ihren Gunsten herleiten. Jedenfalls kann die Klägerin einen eventuellen Verstoß gegen § 47 Abs. 9 LBauO, worauf bereits der Kreisrechtsausschuss zutreffend hingewiesen hat, nicht mit Erfolg rügen. Denn diese Bestimmung ist nicht nachbarschützend (Jeromin in Jeromin, a.a.O., § 47 Rn. 103). Mit Ausnahme des § 47 Abs. 7 Satz 2 LBauO (s. dazu näher unter 3.) dienen die Stellplatzvorschriften ausschließlich den Belangen des öffentlichen Straßenverkehrs. Dieser soll mit Hilfe der zu schaffenden Stellplätze von dem ruhenden Verkehr freigehalten werden, soweit dieser durch die baulichen Anlagen entlang der Straßen verursacht wird. Anhaltspunkte dafür, dass darüber hinaus bei der Entscheidung über die Notwendigkeit von Stellplätzen auch Belange der Nachbarn zu berücksichtigen wären, sind den vorgenannten gesetzlichen Bestimmungen nicht zu entnehmen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26. April 2001 – 1 A 11339/00 –, BauR 2002, 74).

32

3. Die Nutzung der streitgegenständliche Fläche auf dem Grundstück FlurNr. … zum Abstellen von Mülltonnen entlang den Garagen verstößt auch nicht gegen § 47 Abs. 7 Satz 2 LBauO. Zwar dient diese Vorschrift, wonach durch die Benutzung von Stellplätzen die Gesundheit nicht geschädigt sowie das Wohnen und Arbeiten, die Ruhe und Erholung in der Umgebung nicht unzumutbar beeinträchtigt werden darf, dem Schutz des Nachbarn (Jeromin in: Jeromin, a.a.O., Rn. 104). Sie zielt darauf ab, die von Garagen und Stellplätzen ausgehenden Lärm- und Abgasemissionen von Fahrzeugen für die Nachbarschaft auf das zumutbare Maß zu beschränken (vgl. VG Mainz, Beschluss vom 4. Mai 2007 – 3 L 159/07.MZ –, juris). Im Falle der – unterstellten – Zweckentfremdung eines Stellplatzes zum Abstellen von Mülltonnen liegt aber gerade keine Benutzung eines Stellplatzes mehr vor.

33

4. Ferner halten die entlang der Garage abgestellten Mülltonnen auch die von der Landesbauordnung geforderten Mindestabstände zum Nachbargrundstück ein. Gemäß § 10 Abs. 3 LBauO sollen für Abfall- und Wertstoffbehälter befestigte Plätzean geeigneter Stelle hergestellt werden. § 10 Abs. 3 LBauO kann nachbarschützende Wirkung jedenfalls insoweit zukommen, als in entsprechender Anwendung des § 48 Abs. 3 Satz 2 LBauO Mindestabstände von der Grundstücksgrenze einzuhalten sind (vgl. VG Neustadt, Urteil vom 9. Dezember 2015 – 3 K 470/15.NW –, juris; Jeromin in: Jeromin, a.a.O., § 10 Rn. 23). Nach der zuletzt genannten Bestimmung sollen Dungstätten von Öffnungen zu Aufenthaltsräumen 5 m und von Grundstücksgrenzen 2 m entfernt sein. Ungeachtet des Umstands, dass geschlossene 240 l-Abfallbehältnisse nicht mit offenen Dungstätten verglichen werden können, sind die Mülltonnen der Beigeladenen entlang der Garage situiert und damit mehr als 2 m von der gemeinsamen Grundstücksgrenze entfernt. Die Anordnung der Mülltonnen der Beigeladenen genügt somit in Bezug auf Geruchsbelästigungen den Anforderungen der speziellen bauordnungsrechtlichen Regelung des § 10 Abs. 3 LBauO.

34

5. In bauplanungsrechtlicher Hinsicht liegt auch kein Verstoß gegen die nachbarschützende Vorschrift des § 14 Abs. 1 Satz 1 BaunutzungsverordnungBauNVO – vor. Danach sind nur solche untergeordneten Nebenanlagen allgemein zulässig, die dem Nutzungszweck der in dem Baugebiet gelegenen Grundstücke oder des Baugebiets selbst dienen. Zu den Wesensmerkmalen einer untergeordneten Nebenanlage gehört es, dass sie dem primären Nutzungszweck des Grundstücks und der diesem Nutzungszweck entsprechenden Bebauung sowohl in funktioneller als auch in räumlich-gegenständlicher Hinsicht dienend zu- und untergeordnet ist (Stock in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB Kommentar, Stand Februar 2016, § 14 BauNVO, Rn. 27 m.w.N.). Mülltonnen und andere Anlagen zur Abfallsortierung und -beseitigung auf dem Baugrundstück erfüllen die genannten Kriterien für eine untergeordnete Nebenanlage im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1 BauNVO (vgl. Stock in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, a.a.O., § 14 BauNVO, Rn. 49).

35

6. Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf das Gebot der Rücksichtnahme berufen.

36

Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot kann vorliegen, wenn ein Vorhaben zwar in jeder Hinsicht den aus seiner Umgebung hervorgehenden Rahmen wahrt, sich aber gleichwohl in seine Umgebung nicht einfügt, weil das Vorhaben es an der gebotenen Rücksicht auf die sonstige, also vor allem auf die in seiner unmittelbaren Nähe vorhandene Bebauung fehlen lässt (BVerwG, Urteil vom 26. Mai 1978 – IV C 9.77 –, NJW 1978, 2564; zur dogmatischen Verankerung und Bedeutung für den baurechtlichen Nachbarschutz s. Uechtritz, VBlBW 2016, 265).

37

Drittschutz wird gewährt, wenn in qualifizierter und individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist (BVerwG, Urteil vom 5. Dezember 2013 – 4 C 5/12 –, NVwZ 2014, 370; kritisch zu dieser Formel Rieger, UPR 2015, 241).

38

Hiervon ausgehend ist vorliegend kein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme gegeben. Insbesondere kann die Klägerin nicht einwenden, die Situierung der Abfallbehältnisse in der Nähe ihres Grundstücks und die damit zusammenhängenden Geruchsbelästigungen seien für sie unzumutbar. Ob eine Belästigung als erheblich anzusehen ist, muss vom Gericht anhand einer einzelfallbezogenen Würdigung beurteilt werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. Mai 1996 – 4 B 50/96 –, NVwZ 1996, 1001; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23. Juni 2010 – 8 A 10357/10 –, BauR 2010, 1907). Dabei sind insbesondere auch wertende Elemente wie die Herkömmlichkeit, die soziale Adäquanz und die allgemeine Akzeptanz einzubeziehen (vgl. zum Lärm BVerwG, Urteil vom 30. April 1992 – 7 C 25/91 –, NJW 1992, 2779). Hiernach hat ein Grundstücksnachbar im Allgemeinen Müllbehältnisse in der Nähe der gemeinsamen Grundstücksgrenze als sozialadäquat hinzunehmen, zumal Geruchsbelästigungen bei Nutzung ordnungsgemäßer Lagerbehälter ausgeschlossen sein dürften (vgl. auch OLG Koblenz, Urteil vom 28. November 1979 – 1 U 62/79 –, MDR 1980, 578). Ein Bauherr ist auch nicht verpflichtet, die dem jeweiligen Nachbarn verträglichste und günstigste Lösung zu wählen (VG Neustadt, Urteil vom 9. Dezember 2015 – 3 K 470/15.NW –, juris; VG Würzburg, Urteil vom 12. August 2013 – W 5 K 12.623 –, juris). Folglich gewährt das Rücksichtnahmegebot grundsätzlich keinen Anspruch auf anderweitige Situierung von Abfallbehältnissen.

39

Auch kann die Klägerin nicht damit durchdringen, der Beigeladenen stünden auf ihrem Grundstück andere Standorte zur Verfügung, von denen wesentlich weniger bis gar keine Belästigung für sie als Nachbarin ausgehen würden. Wie ausgeführt, hat ein Nachbar keinen Anspruch darauf, von Abfallbehältnissen in der Nähe der gemeinsamen Grundstücksgrenze verschont zu bleiben. Etwas anderes kann im Einzelfall zwar dann gelten, wenn das Vorhaben zu Lasten des betroffenen Nachbarn das Schikaneverbot verletzt. Eine Schikane liegt nur dann vor, wenn die Anordnung der Tonnen keinem anderen Zweck als der Schädigung des Nachbarn dient und der Grundstückseigentümer kein schutzwürdiges Eigeninteresse verfolgt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15. April 2008 – 8 S 98/08 –, VBlBW 2008, 452; VG Neustadt, Urteil vom 9. Dezember 2015 – 3 K 470/15.NW –, juris). Dafür gibt es hier jedoch keine Anhaltspunkte.

40

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs.3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11 ZivilprozessordnungZPO –.

Beschluss

41

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.500 € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 Gerichtskostengesetz – GKG – i.V.m. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom Juli 2013; vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 17. Februar 2010 – 8 E 10278/10.OVG –).

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Urteil, 14. Juli 2016 - 4 K 11/16.NW

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Urteil, 14. Juli 2016 - 4 K 11/16.NW

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur
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(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

Fähig, am Verfahren beteiligt zu sein, sind

1.
natürliche und juristische Personen,
2.
Vereinigungen, soweit ihnen ein Recht zustehen kann,
3.
Behörden, sofern das Landesrecht dies bestimmt.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin wendet sich gegen den Planänderungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes vom 26.02.2013 für die 2. Planänderung betreffend die „Umgestaltung des Bahnknotens Stuttgart“ im Planfeststellungsabschnitt 1.2 (Fildertunnel).
Mit - gegenüber der Klägerin bestandskräftig gewordenem - Planfeststellungsbeschluss vom 19.08.2005 stellte das Eisenbahn-Bundesamt den Plan für den Umbau des Bahnknotens Stuttgart „Projekt Stuttgart 21“ im Planfeststellungsabschnitt 1.2 (Fildertunnel) fest. Der Fildertunnel ist zentraler Bestandteil des neu zu gestaltenden Stuttgarter Bahnknotens. Er verbindet auf einer Länge von 9,5 km den im Talkassel liegenden Hauptbahnhof (Planfeststellungsabschnitt 1.1) mit der rund 155 m höher liegenden Filderebene. Er schließt dabei, unter der Urbanstraße, unmittelbar an den neuen Hauptbahnhof an. Auf einer Länge von rund 250 m verläuft er zunächst gemeinsam mit dem Tunnel Obertürkheim in zwei je zweigleisigen Tunnelabschnitten, bevor er sich von diesem Tunnel trennt. Von hier aus führt der Fildertunnel weiter auf die Fildern und unterquert dabei die Stuttgarter Stadtteile Degerloch und Möhringen. Der Planfeststellungsabschnitt endet südöstlich des Stadtteils Fasanenhof im Bereich der Autobahn-Anschlussstelle Degerloch unmittelbar neben der A 8 („Filderportal“). Auf der Trasse steigt das Bauwerk von rund 230 m auf 385 m an. Die Überdeckung liegt zu Beginn bei wenigen Metern und steigt rasch auf bis zu rund 220 m an (vgl. www.bahnprojekt-stuttgart-ulm.de/de-tails/s21-neu-ordnung-bahnknoten-stuttgart/die-bauabschnitte-pfa/fildertunnel/).
Ca. vier Kilometer des (unteren) Tunnels führen durch unausgelaugten Gipskeuper. Die Bauarbeiten sollen - zur Begrenzung der Bauzeit - zeitgleich von den Anfahrgruben „Hauptbahnhof Süd“ und „Filderportal“ sowie - in beiden Richtungen - über einen Stollen von dem „Zwischenangriff Sigmaringer Straße“ in Stuttgart-Degerloch aus erfolgen. Um zu vermeiden, dass das Grundwasser entgegen seiner natürlichen Fließrichtung an den Tunnel- bzw. Stollenbauwerken entlang läuft und seinen Weg in tiefer liegende Grundwasserleiter sucht, sind an den Übergangsbereichen der einzelnen geologischen Schichten Dammringe und Querschotte vorgesehen (vgl. PFB, S. 285).
Nach dem festgestellten Plan soll das mit einem Mehrfamilienhaus bebaute, 937 m2 große Grundstück Flst. Nr. .../4 (G... Straße .../H... Straße ...) der Klägerin in einer Tiefe von ca. 80 m durch eine der Tunnelröhren unterfahren und durch die andere Tunnelröhre südwestlich angeschnitten werden. Insofern soll eine Fläche von 373 m2 ihres Grundstücks für den Tunnelbau dinglich belastet werden.
Im Anhörungsverfahren hatte die Klägerin keine Einwendungen gegen das Vorhaben erhoben. Auch Rechtsmittel hatte sie gegen den Planfeststellungsbeschluss nicht eingelegt.
Anfang September 2010 - noch vor Beginn der Tunnelbauarbeiten - beantragte die Beigeladene beim Eisenbahn-Bundesamt eine Änderung des festgestellten Plans („2. Änderung“). Gegenstand der Planänderung ist zunächst die Errichtung von neun zusätzlichen Verbindungsbauwerken („Querschlägen“) zwischen den beiden Tunnelröhren, mit denen der Abstand zueinander von bisher 1.000 m auf 500 m verkürzt werden soll. Darüber hinaus sollen - aufgrund des fortgeschrittenen Erkenntnisstandes - zusätzliche Abdichtungsbauwerke (3 Damm- und 6 Injektionsringe) eingebaut und die insgesamt 15 Damm- und 20 Injektionsringe - zur Einschränkung der Längsläufigkeit des Grundwassers - neu angeordnet werden (vgl. PÄB, S. 29, 39, 62 f.; Anl. 20.1: Erläuterungsbericht Hydrogeologie und Wasserwirtschaft, S. 4, 23).
Auch unter dem Grundstück der Kläger sollen nunmehr bei km 0,9 + 50 um beide Tunnelröhren je zwei Dammringe angeordnet werden (vgl. Grunderwerbsplan, Lageplan km 0,910 … 1,538, Anl. 9.2 Bl. 2B-E1). Zu diesem Zweck soll nach dem Grunderwerbsverzeichnis (vgl. Anl. 9.1, lfd. Nr. 2.067) eine weitere Fläche ihres Grundstücks von insgesamt 196 m2 (98 m2 + 98 m2) für den Tunnelbau dinglich belastet werden.
Ferner wurden notwendige Korrekturen an der Gleistrassierung im Anschluss an den Südkopf des neuen Hauptbahnhofs sowie Veränderungen im Bereich des „Filderportals“ eingearbeitet und sollen die neuen Gleisanlagen neue Anlagen der Leit- und Sicherungstechnik erhalten. Schließlich soll für einzelne Tunnelabschnitte der optionale Einsatz einer Tunnelvortriebsmaschine ermöglicht werden. Um deren Durchzug zu ermöglichen, sollen nach einer Ergänzung zur Planänderung auch die Durchmesser der unter dem Grundstück der Klägerin angeordneten Dammringe vergrößert werden. Im Hinblick darauf wurde im Grunderwerbsverzeichnis bei der dinglichen Belastung des klägerischen Grundstücks die Zulassung des maschinellen Vortriebs vermerkt.
Nach Überarbeitung der Planunterlagen führte das Regierungspräsidium Stuttgart auf Ersuchen des Eisenbahn-Bundesamts ein Anhörungsverfahren durch.
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Die Klägerin erhob mit Schreiben vom 17.10.2011 innerhalb der Einwendungsfrist im Wesentlichen die nachfolgenden Einwendungen gegen das Änderungsvorhaben: Aufgrund des erforderlichen Eingriffs in den Wasserhaushalt und des Einsatzes einer Tunnelvortriebsmaschine in einem geologisch schwierigen und unberechenbaren Gebirge bestehe eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass gipsführende Keuperschichten aufquellten. Renommierte Ingenieure hätten auf „relativ große“ vortriebsbedingte Senkungen im Gründungsbereich der zu unterfahrenden Gebäude hingewiesen. Aufgrund des sensiblen Gesteins und des vorhandenen Anhydrits sei schon während der Bauphase mit unvorhergesehenen Hebungen und Setzungen zu rechnen. Durch Quellvorgänge könnten die Grundstücke, durch die der Tunnel gebohrt werden solle, aber auch die benachbarten Grundstücke beeinträchtigt werden. Um abschätzen und prüfen zu können, ob der Tunnel entsprechenden Quelldrücken standhalten könne, müsse in die einschlägigen geologischen Gutachten Einsicht genommen werden. Ausgelegt worden sei jedoch nur das tunnelbautechnische Gutachten zum TVM-Vortrieb vom 09.04.2010. Aus Gründen der Kostenersparnis sollten nunmehr niedrigere Quelldrücke in Ansatz gebracht werden, um die Tunnelwandstärken und damit die Ausbruchsquerschnitte verringern zu können. Stehe im ausgelaugten Gipskeuper Grundwasser an und schneide der Tunnel die wasserführende Auslaugungsfront an, sei es nahezu unmöglich, das anstehende, Anhydrit führende Gebirge trocken zu halten. Da die an den Grenzen zu den Auslaugungsfronten vorgesehenen Abdichtungen diese Gefahren begrenzen sollten, werde offenbar mit Quellungen und Gebirgshebungen gerechnet. Da in den anhydrithaltigen Schichten des Gipskeupers zwischen km 0,6 und km 5,0 teilweise eine geringe Grundwasserführung festgestellt worden sei, könne dies auch nicht ausgeschlossen werden. Auch fehle es an wissenschaftlichen Nachweisen, dass die vorgesehenen Dammringe das Eindringen von Wasser dauerhaft verhindern könnten. Durch die Tunnelbohrarbeiten könnten Risse im Gebirge hervorgerufen und wasserführende Schichten und Klüfte angebohrt werden, wodurch sich auch jenseits der Dammringe Wasserwege entlang des Tunnels ergäben. Um lokale Besonderheiten, Hohlräume und Wasserwegsamkeiten erkennen und entsprechende Vorsorgemaßnahmen ergreifen zu können, müssten die Grundstücke individuell überprüft werden. Es bestehe das Risiko, dass sich Quellvorgänge durch neu entstehende Grundwasserströme oder schadhafte Infiltrationsbrunnen verstärkten, zumal höhere Infiltrationsmengen vorgesehen seien. Quellungen könnten auch den Tunnel beeinträchtigen und eine umfangreiche Sanierung erfordern, mit der weitere Eingriffe verbunden wären. Eine erhebliche Grundwasserentnahme über einen langen Zeitraum erhöhe im Bereich des Absenktrichters die Gefahr von Setzungen. Dieser reiche weit in den Abhang hinein und über das Tunnelportal hinaus. Auch die Risiken, die sich aus einer Durchbohrung mineralwasserführender Schichten und einer Verwerfungszone ergäben, seien nicht untersucht worden. Die Spannungen im Untergrund könnten durch den Tunnelbau, die Injektions- und Bohrmaßnahmen mit der Folge von Böschungs- und/oder Hanginstabilitäten gestört werden. Zu hohe Injektionsdrücke könnten je nach Überdeckung und Beschaffenheit des Baugrundes Hebungen an der Oberfläche und damit auch Gebäudeschäden verursachen. Injektionen könnten darüber hinaus eine Reduktion der Durchlässigkeit des Untergrunds bewirken und zu Veränderungen der Grundwasserströme führen, was sich wiederum nachteilig auf die Hangstabilität auswirken und zur Bildung von Hohlräumen führen könne. Aufgrund der bestehenden Risiken müssten jedenfalls Grundstücke mit quellfähigem bzw. ausgelaugtem Gestein, Hanggrundstücke und von Injektionen betroffene Grundstücke in ein umfassendes, qualifiziertes Beweissicherungsverfahren einbezogen werden. Die Planungen zum Grundwassermanagement beruhten schließlich auf inzwischen überholten Modellen zum Strömungsverlauf des Grund- und Mineralwassers. Eine Realisierung des Vorhabens sei nicht zuletzt deshalb ausgeschlossen, weil eine verfassungsgemäße Regelung der Gesamtfinanzierung praktisch ausgeschlossen sei.
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Das Eisenbahn-Bundesamt stellte mit Beschluss vom 26.02.2013 die beantragten Änderungen zum Planfeststellungsbeschluss vom 19.08.2005 fest und wies die Einwendungen - auch der Klägerin - zurück. Trotz der höheren Anzahl an Damm- und Injektionsringen und deren Lageverschiebung seien keine Gefahren für die Umgebung zu erwarten. Da zwischen den Abdichtungsbauwerken größere Abstände lägen, träten auch keine Summationseffekte auf. Es bestehe daher auch keine Gefahr für Hebungen an der Oberfläche oder Hangrutschungen. Weitreichende Änderungen seien auch aufgrund der Injektionen nicht zu erwarten, da diese lediglich einen Bereich von 3 m um die Tunnelröhren beträfen. Auch beschränkten sich die Abdichtungen auf den Nahbereich des Tunnels, sodass ein großräumiger Aufstau des Grundwassers ausgeschlossen sei. Zwar erfordere die veränderte Anordnung von Dammringen die Eintragung von Grunddienstbarkeiten. Jedoch würden die Grundstücke dadurch nicht unmittelbar in Anspruch genommen und auch nicht in ihrer gewöhnlichen Nutzung beschränkt. Reale Nutzungseinbußen seien mit der nur unterirdischen Eigentumsinanspruchnahme nicht verbunden. Die zusätzliche oder erstmalige Inanspruchnahme von Grundstücken sei deshalb erforderlich und verhältnismäßig. Etwaige Wertminderungen könnten angesichts der Bedeutung des Vorhabens und der mit den Änderungen verbundenen Sicherheitsvorteile nur finanziell ausgeglichen werden. - Der Planänderungsbeschluss wurde am 21.03.2013 öffentlich bekannt gemacht; er wurde mit einer Ausfertigung des festgestellten Plans in der Zeit vom 02.04. bis 15.04.2013 zur allgemeinen Einsichtnahme beim Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung der Landeshauptstadt Stuttgart ausgelegt.
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Gegen diesen Beschluss hat die Klägerin am 15.05.2013 Klage zum erkennenden Gerichtshof erhoben. Hierzu hat sie zu ihrer Aktivlegitimation ausgeführt, dass sie Eigentümerin eines Mehrfamilienhauses sei, welches durch eine der beiden Tunnelröhren unterfahren werde. Diese sollten nun im Rahmen der 2. Planänderung mit zwei Damm-/Injektionsringen verstärkt werden. Die andere ebenfalls mit zwei Damm-/Injektionsringen verstärkte Tunnelröhre grenze unmittelbar an ihr Grundstück an. Durch die dauerhafte Errichtung von Damm-/ Injektionsringen werde in einem sehr sensiblen Bereich in den Wasserhaushalt und die Geologie eingegriffen. Mit dem der Klage beigefügten, 26 Seiten umfassenden Schriftsatz vom 17.10.2011 hätten sie im Anhörungsverfahren umfangreiche Einwendungen erhoben; darauf werde vollumfänglich Bezug genommen. Der Klageantrag wie auch die Begründung bleibe einem gesonderten Schriftsatz nach Erhalt der Verwaltungsakte vorbehalten.
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„Aufgrund der drohenden ablaufenden Frist“ hat die Klägerin am 24.06.2013 beantragt, den nachträglichen Klagevortrag nach der erhaltenen Akteneinsicht innerhalb von drei Wochen nicht als verspätet zurückzuweisen.
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Am 11.07.2013 wurden der Klägerin die inzwischen vorliegenden Verfahrensakten der Beklagten zur Einsicht übersandt.
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Mit gerichtlicher Verfügung vom 16.09.2013, der Klägerin zugestellt am 18.09.2013, teilte der Berichterstatter der Klägerin mit, dass, nachdem die Klage noch immer nicht begründet sei, nunmehr beabsichtigt sei, über die Klage durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Es wurde Gelegenheit gegeben, hierzu bis zum 11.10.2013 Stellung zu nehmen.
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Am 11.10.2013 hat sich die Klägerin dann wie folgt geäußert: Mit ihrer Klageschrift habe sie bereits die wesentliche Einwendung erhoben, dass durch die Einbringung sog. „Damm- und Injektionsringe“ in den direkt unterhalb ihres Grundstücks vorgesehenen Fildertunnel eine erhebliche Gefährdung „der Standsicherheit ihres Gebäudes“ höchst wahrscheinlich sei. Im Übrigen seien die umfangreichen Einwendungen aus ihrem Schreiben vom 17.10.2011 schon mit der Klage ins Verfahren „eingebracht“ worden. Damit sei sie bereits mit Klageerhebung ihrer Begründungspflicht im Wesentlichen nachgekommen. Dass zur Bewertung des Falles weiterer technischer Sachverstand erforderlich sei, dürfe ihr nicht angelastet werden. Zudem verfüge die Beklagte, die seit 1996 an dem Projekt arbeite, über technisches „Sonderwissen“, das noch nicht einmal aus den Planunterlagen hervorgehe. Sich aufdrängende Risiken würden dort „verschwiegen“. Auch eine eingehende geologische Untersuchung des Plangebiets sei unterblieben. Dass ihre erheblichen Zweifel berechtigt seien, bestätige die öffentliche Erörterung zur 7. Planänderung. Nach alldem „widerspräche es einem fairen gerichtlichen Verfahren unter Berücksichtigung des grundgesetzlich gewährleisteten Rechtsstaatsprinzips aus Art. 20 GG, dass insofern bei der Bewertung über den Umfang der Klagebegründung es sachgerecht ist, ergänzenden Vortrag auch nach der Sechs-Wochen-Frist zu berücksichtigen“. Jede andere Bewertung würde den in seinem Eigentumsrecht direkt Betroffenen faktisch „entmündigen“, da er innerhalb dieser Frist nie an die weiteren Unterlagen „herankomme“. Auch sei die erforderliche Akteneinsicht erst Ende August 2013 möglich gewesen.
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Größtenteils erst aufgrund neuer Erkenntnisse könne sie ihre bereits in der Klage angesprochenen Bedenken weiter erläutern. Genau unterhalb ihres Grundstücks seien zur zusätzlichen Stabilisierung des Tunnels Dammringe vorgesehen. Insofern bestünden indes erhebliche geologische Risiken, die bis heute nicht geklärt seien. Unter ihrem Grundstück seien noch nicht einmal Probebohrungen durchgeführt worden. Die geologischen Risiken seien bereits in ihrem Einwendungsschriftsatz beschrieben worden; darauf werde ausdrücklich Bezug genommen. Da durch die zusätzlich angebrachten Dammringe die Längsläufigkeit des Grundwassers entlang des Tunnels eingeschränkt werde, nehme es einen anderen Verlauf und könne so in andere - quellfähiges Anhydrit enthaltende - geologische Schichten gelangen. Auch die mit den zusätzlichen Injektionen verbundenen Risiken für Geologie und Wasserhaushalt, welche sich direkt auf die Standsicherheit von Grundstücken auswirkten, seien nicht untersucht worden. Das für ihr Grundstück bestehende Risiko werde durch die zusätzlichen Damm- und Injektionsringe erheblich erhöht, da sie direkt ins Gebirge ragten, wo quellfähiges Gestein vorhanden sei; insoweit werde auf einen, in der Erörterungsverhandlung am 25.04.2012 abgegebenen Kommentar von Dr. B. Bezug genommen. Wegen der weiteren Risiken werde auf ihren Einwendungsschriftsatz verwiesen. Bereits Winkelverdrehungen von 1/500 könnten zu erheblichen Bauschäden führen. Im Planänderungsbeschluss würden die Problematik zusätzlicher Damm- und Injektionsringe sowie die weitergehenden Risiken für die sensiblen Gesteinsschichten unzureichend erkannt. Im Rahmen der Erörterung der 7. Planänderung habe sich auch herausgestellt, dass das von der Beigeladenen verwendete Grundwassermodell unbrauchbar sei. Beim Tunnelvortrieb müssten zudem zahlreiche tektonische Störungen durchquert werden, die aufgrund von Bohrungen nicht erkennbar seien. Insofern könne die Wasserführung von Störungen, insbesondere von Horizontalverschiebungen aktiviert werden, was wiederum zum Quellen des Anhydrits führen könne.
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Nach jüngsten Erkenntnissen stelle sich immer mehr heraus, dass der geplante Tiefbahnhof verkehrstechnisch einen Rückbau darstelle. Letztlich werde die Kapazität des Bahnhofs um 30% reduziert. Insofern sei die Planrechtfertigung entfallen, der ursprüngliche Planfeststellungsbeschluss vom 19.08.2005 sei nichtig, durch unrichtige und vollständige Angaben zustande gekommen und zu widerrufen. Insofern bestehe auch keine Berechtigung zu der angefochtenen Änderung. Alle Planänderungen müssten im Kontext gesehen werden.
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Am 07.07.2014 hat die Klägerin weiter wie folgt vorgetragen: Die vorgesehenen Injektionen führten zu Beeinträchtigungen der Bodenfunktionen und damit auch ihrer Wohnungen. Schon geringe Hebungen könnten zu starken Rissen oder Winkelverdrehungen führen, was auch durch den Verlust der „Dichtfunktion“ auftreten könne. Nachdem in diesem Bereich keine geologische Untersuchungen stattgefunden hätten, seien die genauen geologischen Schichten unbekannt. Aktive Blattverschiebungen könnten die Funktion der Damm-/Injektionsringe aufheben. Aufgrund des Betriebs von Tunnelvortriebsmaschinen sei schließlich mit erhöhten Erschütterungen zu rechnen. Mit dem Einbringen zusätzlicher Damm-/Injektionsringe in den unausgelaugten Gipskeuper erhöhe sich das Risiko für ihr Grundstück. Die vorgesehenen Dichtinjektionen könnten schließlich zu gravierenden Wasserverschmutzungen führen. Auch bestehe die Gefahr, dass die Dichtungsmaßnahmen im Laufe der Zeit an Wirksamkeit verlören und das an der Tunnelaußenwand entlangfließende Wasser doch noch in die unausgelaugten Gipskeuperschichten gelange. Trotz der Überdeckung seien erhebliche Bauschäden zu besorgen.
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Die Klägerin beantragt zuletzt,
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den Planänderungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamtes vom 26. Februar 2013 für die 2. Planänderung betreffend die „Umgestaltung des Bahnknotens Stuttgart“ im Planfeststellungsabschnitt 1.2 (Fildertunnel) aufzuheben,
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hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, den Planänderungsbeschluss vom 26. Februar 2013 im Abschnitt A.3 um folgende Auflagen zu erweitern:
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1. Die Vorhabenträgerin hat permanent aktive Messtechnik und Datenaufzeichnungen von Feuchtigkeit beidseitig jedes Dammrings und Druckmessung an der Tunnelwand im Bereich des klägerischen Grundstücks vorzunehmen.
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2. Die Vorhabenträgerin hat Kontrolleinrichtungen durch einen unabhängigen Sachverständigen vorzunehmen und die Kontrollen durch einen unabhängigen Sachverständigen durchzuführen.
25 
3. Die Vorhabenträgerin hat eine qualifizierte Beweissicherung durch einen neutralen Sachverständigen im Bereich des klägerischen Grundstücks vorzunehmen.
26 
Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Hierzu führt das Eisenbahn-Bundesamt im Wesentlichen aus: Lage und Verlauf der Tunnelröhren blieben gegenüber der ursprünglichen Planung unverändert. Allerdings kämen Damm- und Injektionsringe hinzu. Mit dem Grundwasserströmungsmodell, das der Kontrolle der Grundwasserentnahmen in anderen Planfeststellungsabschnitten diene, habe dies freilich nichts zu tun. Gefahren für die Umgebung des Tunnels gingen von den Damm- und Injektionsringen nicht aus. Zwischen den Abdichtungsbauwerken lägen größere Abstände, sodass auch keine Summationseffekte auftreten könnten. Die Gefahr von Hebungen an der Oberfläche bzw. von Hangrutschungen gehe von ihnen nicht aus. Den Planänderungsbeschluss könne die Klägerin lediglich im Hinblick auf die veränderte Lage der nun auf ihrem Grundstück vorgesehenen Damm- und Injektionsringe und die damit verbundene dingliche Belastung angreifen. Inanspruchnahmen in einer Tiefe von mehr als 80 m führten zu keiner relevanten Nutzungsbeeinträchtigung. Mit dem Einwand eines erheblichen Leistungsrückbaus des Hauptbahnhofs sei sie ausgeschlossen. Abgesehen davon habe der Senat dessen Leistungsfähigkeit im Urteil vom 06.04.2006 - 5 S 847/06 - bejaht; die Planrechtfertigung sei zudem gegenüber der Klägerin bestandskräftig festgestellt.
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Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
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die Klage abzuweisen.
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Hierzu führt sie im Wesentlichen aus: Es werde angeregt, das Vorbringen der Klägerin nach § 87b Abs. 3 VwGO zurückzuweisen. Die neu hinzukommenden, unterirdischen Abdichtungsbauwerke hätten mit dem der 7. Planänderung zugrundeliegenden Grundwasserströmungsmodell nichts zu tun. Gefahren für die Umgebung des Tunnels gingen von den Abdichtungsbauwerken nicht aus. Mit diesen solle gerade der Schutz der Eigentümer erhöht werden. Insbesondere lösten sie an der Oberfläche keine Hebungen oder Rutschungen aus. Das Eisenbahn-Bundesamt habe das „Mehr“ an unterirdischer Inanspruchnahme abwägungsfehlerfrei zugelassen. Es sei auch nicht zu erkennen, inwiefern ein Abdichtungsbauwerk in 80 m Tiefe ein abwägungsrelevantes Ausschließungsinteresse begründen sollte. Mit dem Einwand eines angeblichen Leistungsrückbaus des Hauptbahnhofs sei sie ohnehin ausgeschlossen. Abgesehen davon bestünden an der auch vom Senat bejahten Leistungsfähigkeit des Tiefbahnhofs keine Zweifel. Die Planrechtfertigung stehe zudem bereits bestandskräftig fest.
32 
Der Senat hat die Gutachter der Klägerin und der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung informatorisch gehört. Die von der Klägerin noch gestellten Beweisanträge hat er abgelehnt; insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
33 
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten und der zur Sache gehörenden Gerichtsakten sowie die Verfahrensakten des Eisenbahn-Bundesamts verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
34 
Die auf eine Aufhebung, hilfsweise auf eine Ergänzung des Planänderungsbeschlusses für die 2. Planänderung betreffend die Umgestaltung des Bahnknotens Stuttgart“ im Planfeststellungsabschnitt 1.2. (Fildertunnel) gerichtete Klage hat keinen Erfolg.
35 
1. Die auf eine Aufhebung bzw. Ergänzung des Planänderungsbeschlusses gerichtete Klage ist als Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsklage (vgl. § 42 Abs. 1 VwGO) zulässig.
36 
a) Der erkennende Gerichtshof ist nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 VwGO für den vorliegenden Rechtsstreit erstinstanzlich zuständig. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 VwGO entscheidet das Oberverwaltungsgericht bzw. der Verwaltungsgerichtshof im ersten Rechtszug über sämtliche Streitigkeiten, die ein Planfeststellungsverfahren für den Bau oder die Änderung der Strecken von öffentlichen Eisenbahnen betreffen.
37 
Eine ein Vorhaben nach § 18e Abs. 1 AEG betreffende Streitigkeit, für die das Bundesverwaltungsgericht erstinstanzlich zuständig wäre (vgl. § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO), liegt nicht vor. Die in der Anlage zu § 18e Abs. 1 Nr. 4 AEG bezeichneten Vorhaben für den Aus- und Neubau von Schienenwegen umfassen nicht die Knotenpunkte, an denen die Schienenwege mit dem bestehenden Netz verbunden sind (vgl. Senatsbeschl. v. 11.11.2013 - 5 S 1036/13 -). Der hier in Rede stehende Planfeststellungsabschnitt 1.2 betrifft noch den Bahnknoten Stuttgart („Projekt Stuttgart 21“) und gehört daher nicht zu einem der in der Anlage zu § 18e Abs. 1 AEG aufgeführten Vorhaben.
38 
b) Die Klage ist auch noch innerhalb eines Monats nach dem auf den 15.04.2013 fallenden Ende der Auslegungsfrist, mit dem der Beschluss als zugestellt galt, beim erkennenden Gerichtshof erhoben worden (§ 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO i.V.m. § 74 Abs. 5 Satz 3 VwVfG).
39 
c) Die klagende Wohnungseigentümergemeinschaft ist, da sie ersichtlich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum folgende Abwehransprüche verfolgt, auch beteiligtenfähig (vgl. § 61 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 10 Abs. 6 Sätze 3 u. 5 WEG; bereits Senatsbeschl. v. 11.03.1982 - 5 S 2452/81 -; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 09.01.2008 - 3 S 2016/07 -, VBlBW 2008, 197; OVG NW, Urt. v. 06.07.2012 - 2 D 27/11.NE -,UPR 2012, 397 m.w.N.; Urt. v. 26.08.2009 - 11 D 31/08.AK -; anders noch BVerwG, Beschl. v. 06.05.1992 - 4 B 139.91 -, Buchholz 310 § 65 VwGO Nr. 104).
40 
d) Der Klägerin kann auch die erforderliche Klagebefugnis (vgl. § 42 Abs. 2 VwGO) nicht abgesprochen werden. So lässt sich nicht von vornherein und eindeutig von der Hand weisen, dass sie durch den Planänderungsbeschluss weitergehend als bisher in ihren Rechten als Eigentümerin des unterirdisch in Anspruch genommenen, mit einem Mehrfamilienhaus bebauten Grundstücks G... Straße .../H... Straße ... betroffen wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 02.10.2013 - 9 A 23.12 -, NVwZ 2014, 367; Urt. v. 19.12.2007 - 9 A 22.06 -, BVerwGE 130, 138). Denn aufgrund der nunmehr um die ihr Mehrfamilienhaus unterfahrende und um die ihr Grundstück schneidende Tunnelröhre angeordneten Dammringe könnten sich die bereits aufgrund des am 19.08.2005 planfestgestellten Vorhabens hinzunehmenden Auswirkungen der Tunnelbaumaßnahmen mit der Folge verstärken, dass es ggf. zu (weiteren) für ihr Mehrfamilienhaus schädlichen Senkungen oder Hebungen kommt.
41 
e) Einer vorherigen Durchführung eines Vorverfahrens bedurfte es nicht (§§ 18d Satz 2, 18 Satz 3 AEG, §§ 74 Abs. 1 Satz 2, 70 VwVfG).
42 
2. Die in erster Linie erhobene Anfechtungsklage ist jedoch unbegründet.
43 
Der Planänderungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamts vom 26.02.2013 für die 2. Planänderung betreffend die „Umgestaltung des Bahnknotens Stuttgart“ im Planfeststellungsabschnitt 1.2 (Fildertunnel) ist, soweit das Klagevorbringen überhaupt Anlass zur Prüfung gab, rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher auch nicht in ihrem (gemeinschaftlichen) Eigentum (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
44 
Da der Planfeststellungsbeschluss vom 19.08.2005 für den Umbau des Bahnknotens Stuttgart „Projekt Stuttgart 21“ Planfeststellungsabschnitt 1.2 (Fildertunnel) auch gegenüber der Klägerin bestandskräftig geworden ist, kann sie von vornherein nur Änderungen oder Ergänzungen dieser Planung angreifen, durch die sie mit ihrem Grundstück erstmals oder weitergehend als bisher in ihren Rechten beeinträchtigt wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 02.10.2013, a.a.O.; Urt. v. 19.12.2007 - 9 A 22.06 -, BVerwGE 130, 138 u. Beschl. v. 17.09.2004 - 9 VR 3.04 - Buchholz 316 § 76 VwVfG Nr. 13; Beschl. v. 22.09.2005 - 9 B 13.05 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 189). Dass der Planfeststellungsbeschluss vom 19.08.2005, wie die Klägerin geltend macht, nach § 44 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG nichtig wäre, weil ihn aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen könnte, womit die Planänderung schon aus diesem Grunde keinen Bestand hätte, vermag der Senat nicht zu erkennen.
45 
Mit den erstmals im Schriftsatz vom 07.07.2014 erhobenen Einwendungen gegen die im Zusammenhang mit dem Betrieb einer Tunnelvortriebsmaschine zu erwartenden Erschütterungen ist die Klägerin allerdings ungeachtet dessen, dass der optionale Einsatz einer solchen Maschine erst durch den Planänderungsbeschluss zugelassen wurde, bereits nach § 18a Nr. 7 AEG materiell ausgeschlossen. Denn entsprechende, für ihr Grundstück damit möglicherweise verbundene Beeinträchtigungen hatte sie im Anhörungsverfahren nicht geltend gemacht.
46 
Ihr weiteres Klagevorbringen in ihren erst am 11.10.2013 und 07.07.2014 vorgelegten Klagebegründungen war zwar, da damit keineswegs eine bereits bei Klageerhebung gegebene Begründung lediglich vertieft wurde, deutlich verspätet und auch nicht genügend entschuldigt, mangels Verzögerung des Rechtsstreits jedoch gleichwohl nicht zurückzuweisen (vgl. § 18e Abs. 5 Sätze 1 u. 2 AEG i.V.m. § 87b Abs. 3 VwGO).
47 
Konkrete Hinweise, dass die Klägerin gerade aufgrund des angefochtenen Planänderungsbeschlusses (weitergehenden) Beeinträchtigungen ihres Grundeigentums ausgesetzt sein könnte, hat der Senat auch nach Anhörung der von der Klägerin und der Beigeladenen zur mündlichen Verhandlung mitgebrachten Gutachter nicht feststellen können. Vor dem Hintergrund der von den Gutachtern der Beigeladenen, insbesondere von Prof. Dr.-Ing. W... (WBI), in der mündlichen Verhandlung gegebenen fachlichen Erläuterungen zu den angegriffenen Planänderungen und der inzwischen vorliegenden - allgemein zugänglichen - „Zusammenfassenden Stellungnahme Geotechnik“ der ARGE WUG, CDM und WBI vom 25.03.2013 erweisen sich die von der Klägerin erhobenen Bedenken vielmehr als unberechtigt. Die entsprechenden fachlichen Einschätzungen haben die Gutachter der Klägerin, insbesondere Dr. L..., nicht erfolgreich in Zweifel zu ziehen vermocht.
48 
Soweit die Klägerin auf Risiken verweist, die sich gerade aus der Neuanordnung der Dammringe unter ihrem Grundstück ergäben, ist zunächst klarzustellen, dass mit diesen nicht - wie die Klägerin zunächst angenommen hat -, die Tunnelröhren verstärkt oder stabilisiert, sondern eine ansonsten zu besorgende Längsläufigkeit des Grundwassers entlang der bereits vorgesehenen Tunnelröhren („Verschleppung von Bergwasser“) verhindert werden sollen, damit dieses gerade nicht - wie von der Klägerin befürchtet - in den quellfähiges Anhydrit enthaltenden unausgelaugten Gipskeuper gelangen kann (vgl. hierzu Anl. 11.1 u. 2 sowie die instruktive Zusammenfassende Stellungnahme Geotechnik ARGE WUG/CDM/WBI v. März 2013, S. 134 ff. u. 24 f.).
49 
Die Klägerin hat ihre Befürchtung, dass es infolge der 2. Planänderung zu für ihr Mehrfamilienhaus schädlichen Auswirkungen an der Geländeoberfläche komme, in der mündlichen Verhandlung maßgeblich damit begründet, dass die nunmehr unter ihrem Grundstück vorgesehenen - jeweils aus zwei Dammringen bestehenden - Abdichtungsbauwerke anders als bisher, als bei km 0,8 + 50 noch einfache Dammringe vorgesehen waren, im anhydrithaltigen, unausgelaugten Gipskeuper angeordnet werden sollen. Letzteres trifft zwar zu. Doch war dies gerade beabsichtigt, um die Dammringe jedenfalls im trockenen, Anhydrit führenden Gestein setzen zu können, damit die Abdichtungsbauwerke die ihnen zugedachte Funktion möglichst wirksam erfüllen könnten, den dahinter liegenden Bereich gegen an den Tunnelröhren entlang laufendes Wasser abzudichten. Dies wäre möglicherweise in Frage gestellt, würden die Dammringe ganz oder teilweise in der nicht anhydrithaltigen Schicht des Gipskeupers gesetzt. Denn dort bestünden nach Einschätzung von Prof. Dr.-Ing. W... möglicherweise - auch von darüber liegenden Schichten ausgehende - Wasserwegsamkeiten; etwaige Quellvorgänge in dem kleinen Bereich vor dem Abdichtungsbauwerk würden dabei in Kauf genommen (vgl. auch das Tunnelbautechnische Gutachten TVM-Vortrieb v. April 2010, S. 84); die dortigen Tunnelwände seien deshalb vorsorglich auf einen vollen Quelldruck von 5 bis 6 MPa ausgelegt worden; Auswirkungen bis an die Geländeoberfläche seien ohnedies nicht zu besorgen.
50 
Soweit Dr. L... dem entgegenhält, auch bei der bisherigen Anordnung hätten die Dammringe im Trockenen gesetzt werden können, weil sich dort allenfalls „ein paar Wassertropfen“ fänden, sodass in der bisherigen Lage jeglicher Quellvorgang verhindert worden wäre, vermag dies nicht zu überzeugen. Denn für seine Behauptung, dass diesseits des Anhydritspiegels - abgesehen von „ein paar Wassertropfen“ - kein Wasser anzutreffen sei, gibt es gerade keine gesicherten Erkenntnisse. Vielmehr ist aufgrund neuerer Untersuchungen (vgl. Anl. 20.1 E, Erläuterungsbericht Hydrogeologie und Wasserwirtschaft, Anhang Wasserrechtliche Tatbestände, S. 11), auf die sich auch die Klägerin in ihrer Klagbegründung vom 07.07.2014 bezogen hat, zu vermuten, dass sich die - wenn auch im Regelfall gering durchlässigen - Dunkelroten Mergel im Abschnitt bis zum Anhydritspiegel möglicherweise doch noch als grundwasserführend und relativ durchlässig erweisen. Dem entsprechend wird auch im Erläuterungsbericht Hydrogeologie und Wasserwirtschaft (Anl. 20.1) ausgeführt, dass die Grundwasserbewegung in den Sedimenten des Gipskeupers überwiegend entlang der Auslaugungsfront u. a. im Niveau der Dunkelroten Mergel sowie vor allem auch an die im Schichtprofil auftretenden Steinmergel- und Karbonatbänke im Niveau der (darüber liegenden) Bleiglanzbankschichten (km1BB) gebunden sei (Anl. 20.1 E, S. 8; Ingenieur- und hydrogeologischer Längsschnitt, Anl. 1.2.2 Bl. 1 zur Zusammenfassenden Stellungnahme Geotechnik v. März 2013). Insofern kann aber von einer Risikoerhöhung zu Lasten der Klägerin nicht die Rede sein. Denn das - nunmehr auf den relativ kurzen Abschnitt vor dem Abdichtungsbauwerk beschränkte - Risiko eines Quellvorgangs bestand schon bisher, da die zunächst bei km 0,8 + 50 gesetzten - zumal nur einfachen - Dammringe den Bereich nach dem nunmehr gesetzten Dammringen, wie die neueren Untersuchungen erweisen, voraussichtlich nicht wirksam abgedichtet hätten. Auch davon, dass in diesem Teilbereich fortan erheblich größere Grundwassermengen aufgestaut würden, kann nicht ausgegangen werden, nachdem sich die Abdichtungen auf den Nahbereich der Tunnelröhren beschränken, diese zum Anhydritspiegel ansteigen und zusätzlich bei km 0,9 +10 Injektionsringe gesetzt werden sollen, die nach Einschätzung der Gutachter der Beigeladenen ebenfalls die Längsläufigkeit des Grundwassers erschwerten (vgl. auch das Tunnelbautechnische Gutachten TVM-Vortrieb v. April 2010, S. 86). Darüber hinaus soll eine Längsläufigkeit des Grundwassers auch noch durch weitere Maßnahmen unterbunden werden (vgl. Anl. 11.1 Erläuterungsbericht; Tunnelbautechnisches Gutachten TVM-Vortrieb v. April 2010, S. 85).
51 
Darauf, dass aufgrund der nach wie vor in einem Teilbereich - aufgrund dorthin gelangenden Wassers - möglichen Quellvorgänge schädliche Auswirkungen für ihr Mehrfamilienhaus an der Geländeoberfläche zu besorgen sein könnten, kann sich die Klägerin schon nicht mehr berufen. Denn dies geltend zu machen, bestand bereits Anlass im ursprünglichen Planfeststellungsverfahren (vgl. Senatsurt. v. 11.02.2004 - 5 S 402/03 -, DVBl 2004, 1123; Beschl. v. 11.11.2013 - 5 S 1036/13 -), nachdem bereits dem damaligen Erläuterungsbericht Hydrogeologie und Wasserwirtschaft, Anhang Wasserrechtliche Tatbestände (Anl. 20.1, S. 11) entnommen werden konnte, dass der Abschnitt bis zum Anhydritspiegel möglichweise doch wasserführend ist. Insofern waren ungeachtet der bei km 0,8 + 50 gesetzten Dammringe Quellvorgänge im Bereich ihres Grundstücks schon bisher zu besorgen.
52 
Abgesehen davon liegen bzw. lagen freilich auch keine Hinweise vor, dass sich etwaige Quellvorgänge an der Geländeoberfläche auswirken könnten. Zwar wurden insoweit, was Prof. Dr.-Ing. W... in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, keine weiteren Untersuchungen bzw. Berechnungen mehr angestellt, doch liegt es bei einer derart hohen Überdeckung von 80 m, die zudem aus 30 m festem Fels besteht, fern, dass etwaige, auf diesen Teilbereich beschränkte Quellvorgänge Auswirkungen bis an die Geländeoberfläche haben könnten. So sind in diesem Bereich aufgrund des vergleichsweise großen Verformungsmoduls noch nicht einmal mehr vortriebsbedingte Senkungen an der Geländeoberfläche zu erwarten (vgl. die Zusammenfassende Stellungnahme Geotechnik v. März 2013, S. 114). Insofern ist auch nicht ersichtlich, inwiefern allein infolge der neu angeordneten Dammringe bauschädliche Winkelverdrehungen zu befürchten sein sollten. Auch in Anbetracht der Tatsache, dass bereits durch eine entsprechende Ausbildung der Tunnelinnenschale mit einer Dicke von ca. 0,8 - 1 m Quelldrücke von 5 bis 6 MPa auf den Tunnel abgefangen werden können (vgl. auch das Tunnelbautechnische Gutachten TVM-Vortrieb v. April 2010, S. 84), fehlt es an Anhaltspunkten dafür, dass die Überdeckung mit einer 30 m mächtigen Felsschicht bis an die Geländeoberfläche reichende Hebungen der gesamten Tunnelüberdeckung nicht verhindern können sollte; auch die Klägerin hat solche nicht aufzuzeigen vermocht. Die mit anderen Tunnelbaumaßnahmen gemachten Erfahrungen, dass es infolge von Quellvorgängen nur dort zu Hebungen an der Oberfläche kommen könne, wo der Anhydritspiegel durch „relativ weiche“ geologische Schichten überdeckt wird, hat im Übrigen auch Dr. L... nicht in Zweifel gezogen. Vielmehr beanstandet er letztlich nur, dass allein unter Verweis auf Referenzfälle projektbezogene Berechnungen unterblieben seien. Dieser Vorwurf trifft indessen so nicht zu. Zwar waren allein im Hinblick auf die Veränderung der Lage der Dammringe keine Berechnungen und Untersuchungen mehr angestellt worden. Vor dem Hintergrund der bereits im ursprünglichen Planfeststellungbeschluss im Zusammenhang mit der Auslegung der Tunnelinnenschalen und der Frage nach vortriebsbedingten Senkungen und infolge einer Grundwasserabsenkung veranlasste Setzungen angestellten Berechnungen, Überprüfungen und Messungen waren solche jedoch - jedenfalls für den hier in Rede stehenden Bereich - auch nicht veranlasst.
53 
Auch mit ihrem allgemeinen Einwand, beim Tunnelvortrieb würden zahlreiche, aufgrund von Erkundungsbohrungen noch nicht erkennbare tektonische Störungen durchörtert, welche zu einer Störung der dortigen Wasserführung führen könnten (vgl. zu diesem Einwand bereits die Stellungnahme von WBI v. 16.04.2012), kann die Klägerin im streitgegenständlichen Planänderungsverfahren nicht mehr gehört werden, da dies bereits gegenüber der bestandskräftig gewordenen ursprünglichen Planung geltend zu machen gewesen wäre. Gleiches gilt für ihren Einwand, dass kein umfassendes geologisches Gutachten eingeholt worden sei.
54 
Konkrete Hinweise, dass es gerade aufgrund der unter ihrem Grundstück neu angeordneten Dammringe und der dort vorgesehenen Injektionen zu Beeinträchtigungen der Bodenfunktionen oder Störungen bzw. Veränderungen der Wasserführung in den „Auflockerungschläuchen“ kommen könnte, die ggf. durch unerkannte Blattverschiebungen begünstigt würden, hat auch der Gutachter der Klägerin nicht gegeben. Dieser hat sich vielmehr auf die allgemeine Einschätzung beschränkt, dass aufgrund der geologischen Verhältnisse im Verlaufe des Fildertunnels solches eben nicht ausgeschlossen werden könne. Auch sonst vermag der Senat keine konkreten Anhaltspunkte für einen solchen Kausalverlauf zu erkennen. Nachdem die nunmehr vorgesehenen, jeweils aus zwei Dammringen bestehenden Abdichtungsbauwerke nur ca. 1 m „weiter ins Gebirge hineinragen“ und die zusätzlich vorgesehenen Injektionen nur in einem Bereich von ca. 3 m um die Tunnelröhren herum erfolgen sollen liegt es vielmehr fern, dass allein dadurch neue Wasserläufigkeiten im nicht wasserführenden unausgelaugten, Anhydrit enthaltenden Gipskeuper aktiviert werden könnten, die nunmehr erstmals besorgen ließen, dass Grundwasser (Bergwasser) eben doch - wenn auch „jenseits“ der Dammringe - seinen Weg in quellfähige Gesteinsschichten finden könnte. Sollten Wasserwegsamkeiten aufgrund unerkannter Blattverschiebungen bereits entstanden sein, wären diese aufgrund bereits stattgefundener Quellvorgänge ohnehin wieder geschlossen (vgl. Dr. Westhoff, Sten. Protokoll des Erörterungstermins v. 31.01.2012, S. 3). Schließlich wäre noch immer nicht ersichtlich, inwiefern sich etwaige Quellvorgänge trotz einer Überdeckung durch feste, 30 m mächtige Gesteinsschichten bis an die Geländeoberfläche auswirken sollten. Inwiefern aufgrund der Planänderungen im fraglichen Bereich gar das Risiko von Hangrutschungen oder (weiterer) Blattverschiebungen erhöht würde, vermag der Senat dem Klagevorbringen ebenso wenig zu entnehmen.
55 
Dass es zu einer verlässlichen Beurteilung der änderungsbedingten Auswirkungen über die etwa aus dem einschlägigen ingenieur- und hydrogeologischen Längsschnitt ersichtlichen Erkundungsbohrungen (vgl. Anlage 1.2.2 Bl. 1 zur Zusammenfassenden Stellungnahme Geotechnik v. März 2013) hinaus weiterer Untersuchungen gerade des hier in Rede stehenden Bereichs bedurft hätte, ist schließlich nicht zu erkennen, zumal sich die genaue Lage der Dammringe aufgrund des unregelmäßigen Verlaufs des Anhydritspiegels ohnehin erst im Zuge der Bauausführung bestimmen lässt (vgl. Anl. 11.2 Bl. 1Neu von 1; etwa durch „vorauseilende“ Erkundungsbohrungen und mineralogische Untersuchungen, hierzu das Tunnelbautechnische Gutachten TVM-Vortrieb v. April 2010, S. 85; Prof. Dr.-Ing. W..., Sten. Protokoll des Erörterungstermins v. 31.01.2012, S. 6). Insofern hätten weitere Erkundungsbohrungen auch kaum zu einem nennenswerten, weiteren Erkenntnisgewinn führen können. Die von der Klägerin für erforderlich gehalten Erkundungsbohrungen unmittelbar unter ihrem Grundstück erscheinen zudem eher kontraproduktiv, weil dies zu einer (unerwünschten) zusätzlichen Gesteinsauflockerung im Bereich der vorgesehenen Tunnelröhren führte.
56 
Inwiefern es schließlich zu einer verlässlichen Beurteilung der änderungsbedingten Auswirkungen auf die Brauchbarkeit des zur Prognostizierung des Grundwasserandrangs insbesondere im Planfeststellungsabschnitt 1.1. eingesetzten Grundwasserströmungsmodells der Beigeladenen ankommen könnte, erschließt sich dem Senat nicht. Es trifft im Übrigen nicht zu, dass sich, wie die Klägerin zu meinen scheint, der Grundwasserandrang aufgrund der 2. Planänderung erhöhte. So wird sich die insgesamt zu entnehmende Grundwassermenge lediglich deshalb erhöhen, weil die Entnahmedauer im oberen Bereich des Fildertunnels von 2,5 auf 4,5 Jahre erweitert wurde (vgl. PÄB, S. 20).
57 
Der von der Klägerin geäußerten Besorgnis, es könne infolge der vorgesehenen Injektionen zu einer Verunreinigung des Grundwassers kommen, wurde unabhängig davon, ob sie sich darauf überhaupt berufen könnte, bereits durch die dem Planänderungsbeschluss beigefügte Auflage A. 4.2.3 Rechnung getragen, wonach zuvor die Grundwasserverträglichkeit der für die Gebirgsabdichtung vorgesehenen Kunstharzprodukte nachzuweisen ist (vgl. PÄB, S. 22).
58 
Der zuletzt noch erhobene Einwand eines angeblichen Leistungsrückbaus des Hauptbahnhofs betrifft schon nicht das Planvorhaben Fildertunnel, sondern das auch der Klägerin gegenüber mit Planfeststellungsbeschluss vom 28.01.2005 bestandskräftig festgestellte Vorhaben „Talquerung mit neuem Hauptbahnhof“ im Planfeststellungsabschnitt 1.1 (vgl. hierzu bereits Senatsurt. v. 06.04.2006 - 5 S 848/05 -; Senatsbeschl. v. 11.11.2013 - 5 S 1036/13 -). Abgesehen davon wäre die Klägerin mit diesem Einwand auch nach § 18a Nr. 7 AEG ausgeschlossen (vgl. zur Präklusion solcher Einwendungen Senatsbeschl. v. 11.11.2013, a.a.O.).
59 
Eine im Hinblick auf die entsprechenden Ausführungen im Planänderungsbeschluss (S. 73 f.) freilich auch nicht ersichtliche fehlerhafte Abwägung zu der mit der Neuordnung der Dammringe verbundenen, weitergehenden dinglichen Belastung hat die Klägerin schon nicht geltend gemacht. Anders als die Beigeladene meint, ging es freilich nicht um die Abwägung eines nicht abwägungserheblichen Ausschließungsinteresses, sondern um die einer unmittelbaren dinglichen Inanspruchnahme ihres Grundeigentums. Eine solche war auch noch nicht bereits nach § 905 Satz 3 BGB hinzunehmen, weil aufgrund des Anhydrit führenden Untergrunds schädliche Quellvorgänge nicht von vornherein von der Hand zu weisen waren.
60 
3. Die Klage muss auch mit ihren hilfsweise gestellten Verpflichtungsanträgen erfolglos bleiben. So kann die Klägerin nicht verlangen, dass über ihr Begehren, dem Planänderungsbeschluss weitere Auflagen beizufügen, antragsgemäß oder doch abwägungsfehlerfrei entschieden wird (vgl. § 113 Abs. 5 VwGO). Denn auf die Beifügung der von ihr erstrebten weiteren Auflagen hat die Klägerin jedenfalls keinen Anspruch. Denn etwaige Beeinträchtigungen ihres Grundstücks, die sich aus einem nach Ablauf der Lebensdauer der Abdichtungsbauwerke ergebenden Funktionsverlust ergeben könnten, wären - abgesehen von den obigen Erwägungen - schon deshalb nicht zu besorgen, weil durch auch hier - entsprechend dem Standard beim Tunnelbau - vorgesehene Kontrollmechanismen ohnehin gewährleistet ist, dass ein anstehender Sanierungsbedarf rechtzeitig erkannt werden kann. Mehr könnten die Kläger selbst dann nicht verlangen, sollten die Dammringe, wofür sich freilich in der mündlichen Verhandlung keine Hinweise ergeben haben, auch ihrem Schutz dienten. So hat Prof. Dr.-Ing. W... (WBI) außer auf die umlaufende Kontrolldrainage, die das Auftreten von Wasser nach dem Abdichtungsbauwerk anzeigte, u. a. auf radial in die Tunnelwand einzubauende Spannungsmesssensoren, anzubringende Extensometer sowie auf regelmäßig stattfindende Untersuchungen von Radialverschiebungen außerhalb des Tunnels verwiesen. Insofern brauchte der Senat auch den Beweisanträgen nicht nachzugehen, mit denen die Klägerin durch Einholung eines Sachverständigengutachtens hat klären lassen wollen, dass es keinen wissenschaftlichen Nachweis dafür gebe, dass die vorgesehenen Damm- und Injektionsringe ihre Funktion, Längsläufigkeiten des Grundwassers zu verhindern, dauerhaft erfüllen können. Abgesehen davon, dass schon nicht ersichtlich ist, was die Kläger unter einer „dauerhaften“ Funktionsfähigkeit verstehen, kommt es vor dem Hintergrund der vorstehenden Erwägungen jedenfalls nicht darauf an, ob - wovon auch die Beigeladene ausgeht - auch die Lebensdauer der eingebrachten Damm- und Injektionsringe wie das Tunnelbauwerk selbst auf 100 Jahre begrenzt wäre, sollte die für jedes Bauwerk irgendwann anstehende Sanierung unterbleiben.
61 
Soweit die Klägerin schließlich im Wege einer dem Planänderungsbeschluss beizufügenden Auflage noch eine „qualifizierte Beweissicherung durch einen neutralen Gutachter“ einfordert, ist schon nicht erkennen, woraus sich ein solcher Anspruch ergeben sollte.
62 
Nach alledem war die Klage insgesamt mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO abzuweisen. Der Senat sieht nach § 167 Abs. 2 VwGO davon ab, die Kostenentscheidung für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
63 
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
64 
Beschluss vom 9. Juli 2014
65 
Der Streitwert wird nach §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 i.V.m. Nr. 34.2., 2.2.1 des Streitwertkatalogs 2004 endgültig auf 50.000,-- EUR festgesetzt (vgl. hierzu den Senatsbeschl. v. 08.08.2013 - 5 S 2327/12 -).
66 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
34 
Die auf eine Aufhebung, hilfsweise auf eine Ergänzung des Planänderungsbeschlusses für die 2. Planänderung betreffend die Umgestaltung des Bahnknotens Stuttgart“ im Planfeststellungsabschnitt 1.2. (Fildertunnel) gerichtete Klage hat keinen Erfolg.
35 
1. Die auf eine Aufhebung bzw. Ergänzung des Planänderungsbeschlusses gerichtete Klage ist als Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsklage (vgl. § 42 Abs. 1 VwGO) zulässig.
36 
a) Der erkennende Gerichtshof ist nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 VwGO für den vorliegenden Rechtsstreit erstinstanzlich zuständig. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 VwGO entscheidet das Oberverwaltungsgericht bzw. der Verwaltungsgerichtshof im ersten Rechtszug über sämtliche Streitigkeiten, die ein Planfeststellungsverfahren für den Bau oder die Änderung der Strecken von öffentlichen Eisenbahnen betreffen.
37 
Eine ein Vorhaben nach § 18e Abs. 1 AEG betreffende Streitigkeit, für die das Bundesverwaltungsgericht erstinstanzlich zuständig wäre (vgl. § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO), liegt nicht vor. Die in der Anlage zu § 18e Abs. 1 Nr. 4 AEG bezeichneten Vorhaben für den Aus- und Neubau von Schienenwegen umfassen nicht die Knotenpunkte, an denen die Schienenwege mit dem bestehenden Netz verbunden sind (vgl. Senatsbeschl. v. 11.11.2013 - 5 S 1036/13 -). Der hier in Rede stehende Planfeststellungsabschnitt 1.2 betrifft noch den Bahnknoten Stuttgart („Projekt Stuttgart 21“) und gehört daher nicht zu einem der in der Anlage zu § 18e Abs. 1 AEG aufgeführten Vorhaben.
38 
b) Die Klage ist auch noch innerhalb eines Monats nach dem auf den 15.04.2013 fallenden Ende der Auslegungsfrist, mit dem der Beschluss als zugestellt galt, beim erkennenden Gerichtshof erhoben worden (§ 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO i.V.m. § 74 Abs. 5 Satz 3 VwVfG).
39 
c) Die klagende Wohnungseigentümergemeinschaft ist, da sie ersichtlich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum folgende Abwehransprüche verfolgt, auch beteiligtenfähig (vgl. § 61 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 10 Abs. 6 Sätze 3 u. 5 WEG; bereits Senatsbeschl. v. 11.03.1982 - 5 S 2452/81 -; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 09.01.2008 - 3 S 2016/07 -, VBlBW 2008, 197; OVG NW, Urt. v. 06.07.2012 - 2 D 27/11.NE -,UPR 2012, 397 m.w.N.; Urt. v. 26.08.2009 - 11 D 31/08.AK -; anders noch BVerwG, Beschl. v. 06.05.1992 - 4 B 139.91 -, Buchholz 310 § 65 VwGO Nr. 104).
40 
d) Der Klägerin kann auch die erforderliche Klagebefugnis (vgl. § 42 Abs. 2 VwGO) nicht abgesprochen werden. So lässt sich nicht von vornherein und eindeutig von der Hand weisen, dass sie durch den Planänderungsbeschluss weitergehend als bisher in ihren Rechten als Eigentümerin des unterirdisch in Anspruch genommenen, mit einem Mehrfamilienhaus bebauten Grundstücks G... Straße .../H... Straße ... betroffen wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 02.10.2013 - 9 A 23.12 -, NVwZ 2014, 367; Urt. v. 19.12.2007 - 9 A 22.06 -, BVerwGE 130, 138). Denn aufgrund der nunmehr um die ihr Mehrfamilienhaus unterfahrende und um die ihr Grundstück schneidende Tunnelröhre angeordneten Dammringe könnten sich die bereits aufgrund des am 19.08.2005 planfestgestellten Vorhabens hinzunehmenden Auswirkungen der Tunnelbaumaßnahmen mit der Folge verstärken, dass es ggf. zu (weiteren) für ihr Mehrfamilienhaus schädlichen Senkungen oder Hebungen kommt.
41 
e) Einer vorherigen Durchführung eines Vorverfahrens bedurfte es nicht (§§ 18d Satz 2, 18 Satz 3 AEG, §§ 74 Abs. 1 Satz 2, 70 VwVfG).
42 
2. Die in erster Linie erhobene Anfechtungsklage ist jedoch unbegründet.
43 
Der Planänderungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamts vom 26.02.2013 für die 2. Planänderung betreffend die „Umgestaltung des Bahnknotens Stuttgart“ im Planfeststellungsabschnitt 1.2 (Fildertunnel) ist, soweit das Klagevorbringen überhaupt Anlass zur Prüfung gab, rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher auch nicht in ihrem (gemeinschaftlichen) Eigentum (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
44 
Da der Planfeststellungsbeschluss vom 19.08.2005 für den Umbau des Bahnknotens Stuttgart „Projekt Stuttgart 21“ Planfeststellungsabschnitt 1.2 (Fildertunnel) auch gegenüber der Klägerin bestandskräftig geworden ist, kann sie von vornherein nur Änderungen oder Ergänzungen dieser Planung angreifen, durch die sie mit ihrem Grundstück erstmals oder weitergehend als bisher in ihren Rechten beeinträchtigt wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 02.10.2013, a.a.O.; Urt. v. 19.12.2007 - 9 A 22.06 -, BVerwGE 130, 138 u. Beschl. v. 17.09.2004 - 9 VR 3.04 - Buchholz 316 § 76 VwVfG Nr. 13; Beschl. v. 22.09.2005 - 9 B 13.05 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 189). Dass der Planfeststellungsbeschluss vom 19.08.2005, wie die Klägerin geltend macht, nach § 44 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG nichtig wäre, weil ihn aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen könnte, womit die Planänderung schon aus diesem Grunde keinen Bestand hätte, vermag der Senat nicht zu erkennen.
45 
Mit den erstmals im Schriftsatz vom 07.07.2014 erhobenen Einwendungen gegen die im Zusammenhang mit dem Betrieb einer Tunnelvortriebsmaschine zu erwartenden Erschütterungen ist die Klägerin allerdings ungeachtet dessen, dass der optionale Einsatz einer solchen Maschine erst durch den Planänderungsbeschluss zugelassen wurde, bereits nach § 18a Nr. 7 AEG materiell ausgeschlossen. Denn entsprechende, für ihr Grundstück damit möglicherweise verbundene Beeinträchtigungen hatte sie im Anhörungsverfahren nicht geltend gemacht.
46 
Ihr weiteres Klagevorbringen in ihren erst am 11.10.2013 und 07.07.2014 vorgelegten Klagebegründungen war zwar, da damit keineswegs eine bereits bei Klageerhebung gegebene Begründung lediglich vertieft wurde, deutlich verspätet und auch nicht genügend entschuldigt, mangels Verzögerung des Rechtsstreits jedoch gleichwohl nicht zurückzuweisen (vgl. § 18e Abs. 5 Sätze 1 u. 2 AEG i.V.m. § 87b Abs. 3 VwGO).
47 
Konkrete Hinweise, dass die Klägerin gerade aufgrund des angefochtenen Planänderungsbeschlusses (weitergehenden) Beeinträchtigungen ihres Grundeigentums ausgesetzt sein könnte, hat der Senat auch nach Anhörung der von der Klägerin und der Beigeladenen zur mündlichen Verhandlung mitgebrachten Gutachter nicht feststellen können. Vor dem Hintergrund der von den Gutachtern der Beigeladenen, insbesondere von Prof. Dr.-Ing. W... (WBI), in der mündlichen Verhandlung gegebenen fachlichen Erläuterungen zu den angegriffenen Planänderungen und der inzwischen vorliegenden - allgemein zugänglichen - „Zusammenfassenden Stellungnahme Geotechnik“ der ARGE WUG, CDM und WBI vom 25.03.2013 erweisen sich die von der Klägerin erhobenen Bedenken vielmehr als unberechtigt. Die entsprechenden fachlichen Einschätzungen haben die Gutachter der Klägerin, insbesondere Dr. L..., nicht erfolgreich in Zweifel zu ziehen vermocht.
48 
Soweit die Klägerin auf Risiken verweist, die sich gerade aus der Neuanordnung der Dammringe unter ihrem Grundstück ergäben, ist zunächst klarzustellen, dass mit diesen nicht - wie die Klägerin zunächst angenommen hat -, die Tunnelröhren verstärkt oder stabilisiert, sondern eine ansonsten zu besorgende Längsläufigkeit des Grundwassers entlang der bereits vorgesehenen Tunnelröhren („Verschleppung von Bergwasser“) verhindert werden sollen, damit dieses gerade nicht - wie von der Klägerin befürchtet - in den quellfähiges Anhydrit enthaltenden unausgelaugten Gipskeuper gelangen kann (vgl. hierzu Anl. 11.1 u. 2 sowie die instruktive Zusammenfassende Stellungnahme Geotechnik ARGE WUG/CDM/WBI v. März 2013, S. 134 ff. u. 24 f.).
49 
Die Klägerin hat ihre Befürchtung, dass es infolge der 2. Planänderung zu für ihr Mehrfamilienhaus schädlichen Auswirkungen an der Geländeoberfläche komme, in der mündlichen Verhandlung maßgeblich damit begründet, dass die nunmehr unter ihrem Grundstück vorgesehenen - jeweils aus zwei Dammringen bestehenden - Abdichtungsbauwerke anders als bisher, als bei km 0,8 + 50 noch einfache Dammringe vorgesehen waren, im anhydrithaltigen, unausgelaugten Gipskeuper angeordnet werden sollen. Letzteres trifft zwar zu. Doch war dies gerade beabsichtigt, um die Dammringe jedenfalls im trockenen, Anhydrit führenden Gestein setzen zu können, damit die Abdichtungsbauwerke die ihnen zugedachte Funktion möglichst wirksam erfüllen könnten, den dahinter liegenden Bereich gegen an den Tunnelröhren entlang laufendes Wasser abzudichten. Dies wäre möglicherweise in Frage gestellt, würden die Dammringe ganz oder teilweise in der nicht anhydrithaltigen Schicht des Gipskeupers gesetzt. Denn dort bestünden nach Einschätzung von Prof. Dr.-Ing. W... möglicherweise - auch von darüber liegenden Schichten ausgehende - Wasserwegsamkeiten; etwaige Quellvorgänge in dem kleinen Bereich vor dem Abdichtungsbauwerk würden dabei in Kauf genommen (vgl. auch das Tunnelbautechnische Gutachten TVM-Vortrieb v. April 2010, S. 84); die dortigen Tunnelwände seien deshalb vorsorglich auf einen vollen Quelldruck von 5 bis 6 MPa ausgelegt worden; Auswirkungen bis an die Geländeoberfläche seien ohnedies nicht zu besorgen.
50 
Soweit Dr. L... dem entgegenhält, auch bei der bisherigen Anordnung hätten die Dammringe im Trockenen gesetzt werden können, weil sich dort allenfalls „ein paar Wassertropfen“ fänden, sodass in der bisherigen Lage jeglicher Quellvorgang verhindert worden wäre, vermag dies nicht zu überzeugen. Denn für seine Behauptung, dass diesseits des Anhydritspiegels - abgesehen von „ein paar Wassertropfen“ - kein Wasser anzutreffen sei, gibt es gerade keine gesicherten Erkenntnisse. Vielmehr ist aufgrund neuerer Untersuchungen (vgl. Anl. 20.1 E, Erläuterungsbericht Hydrogeologie und Wasserwirtschaft, Anhang Wasserrechtliche Tatbestände, S. 11), auf die sich auch die Klägerin in ihrer Klagbegründung vom 07.07.2014 bezogen hat, zu vermuten, dass sich die - wenn auch im Regelfall gering durchlässigen - Dunkelroten Mergel im Abschnitt bis zum Anhydritspiegel möglicherweise doch noch als grundwasserführend und relativ durchlässig erweisen. Dem entsprechend wird auch im Erläuterungsbericht Hydrogeologie und Wasserwirtschaft (Anl. 20.1) ausgeführt, dass die Grundwasserbewegung in den Sedimenten des Gipskeupers überwiegend entlang der Auslaugungsfront u. a. im Niveau der Dunkelroten Mergel sowie vor allem auch an die im Schichtprofil auftretenden Steinmergel- und Karbonatbänke im Niveau der (darüber liegenden) Bleiglanzbankschichten (km1BB) gebunden sei (Anl. 20.1 E, S. 8; Ingenieur- und hydrogeologischer Längsschnitt, Anl. 1.2.2 Bl. 1 zur Zusammenfassenden Stellungnahme Geotechnik v. März 2013). Insofern kann aber von einer Risikoerhöhung zu Lasten der Klägerin nicht die Rede sein. Denn das - nunmehr auf den relativ kurzen Abschnitt vor dem Abdichtungsbauwerk beschränkte - Risiko eines Quellvorgangs bestand schon bisher, da die zunächst bei km 0,8 + 50 gesetzten - zumal nur einfachen - Dammringe den Bereich nach dem nunmehr gesetzten Dammringen, wie die neueren Untersuchungen erweisen, voraussichtlich nicht wirksam abgedichtet hätten. Auch davon, dass in diesem Teilbereich fortan erheblich größere Grundwassermengen aufgestaut würden, kann nicht ausgegangen werden, nachdem sich die Abdichtungen auf den Nahbereich der Tunnelröhren beschränken, diese zum Anhydritspiegel ansteigen und zusätzlich bei km 0,9 +10 Injektionsringe gesetzt werden sollen, die nach Einschätzung der Gutachter der Beigeladenen ebenfalls die Längsläufigkeit des Grundwassers erschwerten (vgl. auch das Tunnelbautechnische Gutachten TVM-Vortrieb v. April 2010, S. 86). Darüber hinaus soll eine Längsläufigkeit des Grundwassers auch noch durch weitere Maßnahmen unterbunden werden (vgl. Anl. 11.1 Erläuterungsbericht; Tunnelbautechnisches Gutachten TVM-Vortrieb v. April 2010, S. 85).
51 
Darauf, dass aufgrund der nach wie vor in einem Teilbereich - aufgrund dorthin gelangenden Wassers - möglichen Quellvorgänge schädliche Auswirkungen für ihr Mehrfamilienhaus an der Geländeoberfläche zu besorgen sein könnten, kann sich die Klägerin schon nicht mehr berufen. Denn dies geltend zu machen, bestand bereits Anlass im ursprünglichen Planfeststellungsverfahren (vgl. Senatsurt. v. 11.02.2004 - 5 S 402/03 -, DVBl 2004, 1123; Beschl. v. 11.11.2013 - 5 S 1036/13 -), nachdem bereits dem damaligen Erläuterungsbericht Hydrogeologie und Wasserwirtschaft, Anhang Wasserrechtliche Tatbestände (Anl. 20.1, S. 11) entnommen werden konnte, dass der Abschnitt bis zum Anhydritspiegel möglichweise doch wasserführend ist. Insofern waren ungeachtet der bei km 0,8 + 50 gesetzten Dammringe Quellvorgänge im Bereich ihres Grundstücks schon bisher zu besorgen.
52 
Abgesehen davon liegen bzw. lagen freilich auch keine Hinweise vor, dass sich etwaige Quellvorgänge an der Geländeoberfläche auswirken könnten. Zwar wurden insoweit, was Prof. Dr.-Ing. W... in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, keine weiteren Untersuchungen bzw. Berechnungen mehr angestellt, doch liegt es bei einer derart hohen Überdeckung von 80 m, die zudem aus 30 m festem Fels besteht, fern, dass etwaige, auf diesen Teilbereich beschränkte Quellvorgänge Auswirkungen bis an die Geländeoberfläche haben könnten. So sind in diesem Bereich aufgrund des vergleichsweise großen Verformungsmoduls noch nicht einmal mehr vortriebsbedingte Senkungen an der Geländeoberfläche zu erwarten (vgl. die Zusammenfassende Stellungnahme Geotechnik v. März 2013, S. 114). Insofern ist auch nicht ersichtlich, inwiefern allein infolge der neu angeordneten Dammringe bauschädliche Winkelverdrehungen zu befürchten sein sollten. Auch in Anbetracht der Tatsache, dass bereits durch eine entsprechende Ausbildung der Tunnelinnenschale mit einer Dicke von ca. 0,8 - 1 m Quelldrücke von 5 bis 6 MPa auf den Tunnel abgefangen werden können (vgl. auch das Tunnelbautechnische Gutachten TVM-Vortrieb v. April 2010, S. 84), fehlt es an Anhaltspunkten dafür, dass die Überdeckung mit einer 30 m mächtigen Felsschicht bis an die Geländeoberfläche reichende Hebungen der gesamten Tunnelüberdeckung nicht verhindern können sollte; auch die Klägerin hat solche nicht aufzuzeigen vermocht. Die mit anderen Tunnelbaumaßnahmen gemachten Erfahrungen, dass es infolge von Quellvorgängen nur dort zu Hebungen an der Oberfläche kommen könne, wo der Anhydritspiegel durch „relativ weiche“ geologische Schichten überdeckt wird, hat im Übrigen auch Dr. L... nicht in Zweifel gezogen. Vielmehr beanstandet er letztlich nur, dass allein unter Verweis auf Referenzfälle projektbezogene Berechnungen unterblieben seien. Dieser Vorwurf trifft indessen so nicht zu. Zwar waren allein im Hinblick auf die Veränderung der Lage der Dammringe keine Berechnungen und Untersuchungen mehr angestellt worden. Vor dem Hintergrund der bereits im ursprünglichen Planfeststellungbeschluss im Zusammenhang mit der Auslegung der Tunnelinnenschalen und der Frage nach vortriebsbedingten Senkungen und infolge einer Grundwasserabsenkung veranlasste Setzungen angestellten Berechnungen, Überprüfungen und Messungen waren solche jedoch - jedenfalls für den hier in Rede stehenden Bereich - auch nicht veranlasst.
53 
Auch mit ihrem allgemeinen Einwand, beim Tunnelvortrieb würden zahlreiche, aufgrund von Erkundungsbohrungen noch nicht erkennbare tektonische Störungen durchörtert, welche zu einer Störung der dortigen Wasserführung führen könnten (vgl. zu diesem Einwand bereits die Stellungnahme von WBI v. 16.04.2012), kann die Klägerin im streitgegenständlichen Planänderungsverfahren nicht mehr gehört werden, da dies bereits gegenüber der bestandskräftig gewordenen ursprünglichen Planung geltend zu machen gewesen wäre. Gleiches gilt für ihren Einwand, dass kein umfassendes geologisches Gutachten eingeholt worden sei.
54 
Konkrete Hinweise, dass es gerade aufgrund der unter ihrem Grundstück neu angeordneten Dammringe und der dort vorgesehenen Injektionen zu Beeinträchtigungen der Bodenfunktionen oder Störungen bzw. Veränderungen der Wasserführung in den „Auflockerungschläuchen“ kommen könnte, die ggf. durch unerkannte Blattverschiebungen begünstigt würden, hat auch der Gutachter der Klägerin nicht gegeben. Dieser hat sich vielmehr auf die allgemeine Einschätzung beschränkt, dass aufgrund der geologischen Verhältnisse im Verlaufe des Fildertunnels solches eben nicht ausgeschlossen werden könne. Auch sonst vermag der Senat keine konkreten Anhaltspunkte für einen solchen Kausalverlauf zu erkennen. Nachdem die nunmehr vorgesehenen, jeweils aus zwei Dammringen bestehenden Abdichtungsbauwerke nur ca. 1 m „weiter ins Gebirge hineinragen“ und die zusätzlich vorgesehenen Injektionen nur in einem Bereich von ca. 3 m um die Tunnelröhren herum erfolgen sollen liegt es vielmehr fern, dass allein dadurch neue Wasserläufigkeiten im nicht wasserführenden unausgelaugten, Anhydrit enthaltenden Gipskeuper aktiviert werden könnten, die nunmehr erstmals besorgen ließen, dass Grundwasser (Bergwasser) eben doch - wenn auch „jenseits“ der Dammringe - seinen Weg in quellfähige Gesteinsschichten finden könnte. Sollten Wasserwegsamkeiten aufgrund unerkannter Blattverschiebungen bereits entstanden sein, wären diese aufgrund bereits stattgefundener Quellvorgänge ohnehin wieder geschlossen (vgl. Dr. Westhoff, Sten. Protokoll des Erörterungstermins v. 31.01.2012, S. 3). Schließlich wäre noch immer nicht ersichtlich, inwiefern sich etwaige Quellvorgänge trotz einer Überdeckung durch feste, 30 m mächtige Gesteinsschichten bis an die Geländeoberfläche auswirken sollten. Inwiefern aufgrund der Planänderungen im fraglichen Bereich gar das Risiko von Hangrutschungen oder (weiterer) Blattverschiebungen erhöht würde, vermag der Senat dem Klagevorbringen ebenso wenig zu entnehmen.
55 
Dass es zu einer verlässlichen Beurteilung der änderungsbedingten Auswirkungen über die etwa aus dem einschlägigen ingenieur- und hydrogeologischen Längsschnitt ersichtlichen Erkundungsbohrungen (vgl. Anlage 1.2.2 Bl. 1 zur Zusammenfassenden Stellungnahme Geotechnik v. März 2013) hinaus weiterer Untersuchungen gerade des hier in Rede stehenden Bereichs bedurft hätte, ist schließlich nicht zu erkennen, zumal sich die genaue Lage der Dammringe aufgrund des unregelmäßigen Verlaufs des Anhydritspiegels ohnehin erst im Zuge der Bauausführung bestimmen lässt (vgl. Anl. 11.2 Bl. 1Neu von 1; etwa durch „vorauseilende“ Erkundungsbohrungen und mineralogische Untersuchungen, hierzu das Tunnelbautechnische Gutachten TVM-Vortrieb v. April 2010, S. 85; Prof. Dr.-Ing. W..., Sten. Protokoll des Erörterungstermins v. 31.01.2012, S. 6). Insofern hätten weitere Erkundungsbohrungen auch kaum zu einem nennenswerten, weiteren Erkenntnisgewinn führen können. Die von der Klägerin für erforderlich gehalten Erkundungsbohrungen unmittelbar unter ihrem Grundstück erscheinen zudem eher kontraproduktiv, weil dies zu einer (unerwünschten) zusätzlichen Gesteinsauflockerung im Bereich der vorgesehenen Tunnelröhren führte.
56 
Inwiefern es schließlich zu einer verlässlichen Beurteilung der änderungsbedingten Auswirkungen auf die Brauchbarkeit des zur Prognostizierung des Grundwasserandrangs insbesondere im Planfeststellungsabschnitt 1.1. eingesetzten Grundwasserströmungsmodells der Beigeladenen ankommen könnte, erschließt sich dem Senat nicht. Es trifft im Übrigen nicht zu, dass sich, wie die Klägerin zu meinen scheint, der Grundwasserandrang aufgrund der 2. Planänderung erhöhte. So wird sich die insgesamt zu entnehmende Grundwassermenge lediglich deshalb erhöhen, weil die Entnahmedauer im oberen Bereich des Fildertunnels von 2,5 auf 4,5 Jahre erweitert wurde (vgl. PÄB, S. 20).
57 
Der von der Klägerin geäußerten Besorgnis, es könne infolge der vorgesehenen Injektionen zu einer Verunreinigung des Grundwassers kommen, wurde unabhängig davon, ob sie sich darauf überhaupt berufen könnte, bereits durch die dem Planänderungsbeschluss beigefügte Auflage A. 4.2.3 Rechnung getragen, wonach zuvor die Grundwasserverträglichkeit der für die Gebirgsabdichtung vorgesehenen Kunstharzprodukte nachzuweisen ist (vgl. PÄB, S. 22).
58 
Der zuletzt noch erhobene Einwand eines angeblichen Leistungsrückbaus des Hauptbahnhofs betrifft schon nicht das Planvorhaben Fildertunnel, sondern das auch der Klägerin gegenüber mit Planfeststellungsbeschluss vom 28.01.2005 bestandskräftig festgestellte Vorhaben „Talquerung mit neuem Hauptbahnhof“ im Planfeststellungsabschnitt 1.1 (vgl. hierzu bereits Senatsurt. v. 06.04.2006 - 5 S 848/05 -; Senatsbeschl. v. 11.11.2013 - 5 S 1036/13 -). Abgesehen davon wäre die Klägerin mit diesem Einwand auch nach § 18a Nr. 7 AEG ausgeschlossen (vgl. zur Präklusion solcher Einwendungen Senatsbeschl. v. 11.11.2013, a.a.O.).
59 
Eine im Hinblick auf die entsprechenden Ausführungen im Planänderungsbeschluss (S. 73 f.) freilich auch nicht ersichtliche fehlerhafte Abwägung zu der mit der Neuordnung der Dammringe verbundenen, weitergehenden dinglichen Belastung hat die Klägerin schon nicht geltend gemacht. Anders als die Beigeladene meint, ging es freilich nicht um die Abwägung eines nicht abwägungserheblichen Ausschließungsinteresses, sondern um die einer unmittelbaren dinglichen Inanspruchnahme ihres Grundeigentums. Eine solche war auch noch nicht bereits nach § 905 Satz 3 BGB hinzunehmen, weil aufgrund des Anhydrit führenden Untergrunds schädliche Quellvorgänge nicht von vornherein von der Hand zu weisen waren.
60 
3. Die Klage muss auch mit ihren hilfsweise gestellten Verpflichtungsanträgen erfolglos bleiben. So kann die Klägerin nicht verlangen, dass über ihr Begehren, dem Planänderungsbeschluss weitere Auflagen beizufügen, antragsgemäß oder doch abwägungsfehlerfrei entschieden wird (vgl. § 113 Abs. 5 VwGO). Denn auf die Beifügung der von ihr erstrebten weiteren Auflagen hat die Klägerin jedenfalls keinen Anspruch. Denn etwaige Beeinträchtigungen ihres Grundstücks, die sich aus einem nach Ablauf der Lebensdauer der Abdichtungsbauwerke ergebenden Funktionsverlust ergeben könnten, wären - abgesehen von den obigen Erwägungen - schon deshalb nicht zu besorgen, weil durch auch hier - entsprechend dem Standard beim Tunnelbau - vorgesehene Kontrollmechanismen ohnehin gewährleistet ist, dass ein anstehender Sanierungsbedarf rechtzeitig erkannt werden kann. Mehr könnten die Kläger selbst dann nicht verlangen, sollten die Dammringe, wofür sich freilich in der mündlichen Verhandlung keine Hinweise ergeben haben, auch ihrem Schutz dienten. So hat Prof. Dr.-Ing. W... (WBI) außer auf die umlaufende Kontrolldrainage, die das Auftreten von Wasser nach dem Abdichtungsbauwerk anzeigte, u. a. auf radial in die Tunnelwand einzubauende Spannungsmesssensoren, anzubringende Extensometer sowie auf regelmäßig stattfindende Untersuchungen von Radialverschiebungen außerhalb des Tunnels verwiesen. Insofern brauchte der Senat auch den Beweisanträgen nicht nachzugehen, mit denen die Klägerin durch Einholung eines Sachverständigengutachtens hat klären lassen wollen, dass es keinen wissenschaftlichen Nachweis dafür gebe, dass die vorgesehenen Damm- und Injektionsringe ihre Funktion, Längsläufigkeiten des Grundwassers zu verhindern, dauerhaft erfüllen können. Abgesehen davon, dass schon nicht ersichtlich ist, was die Kläger unter einer „dauerhaften“ Funktionsfähigkeit verstehen, kommt es vor dem Hintergrund der vorstehenden Erwägungen jedenfalls nicht darauf an, ob - wovon auch die Beigeladene ausgeht - auch die Lebensdauer der eingebrachten Damm- und Injektionsringe wie das Tunnelbauwerk selbst auf 100 Jahre begrenzt wäre, sollte die für jedes Bauwerk irgendwann anstehende Sanierung unterbleiben.
61 
Soweit die Klägerin schließlich im Wege einer dem Planänderungsbeschluss beizufügenden Auflage noch eine „qualifizierte Beweissicherung durch einen neutralen Gutachter“ einfordert, ist schon nicht erkennen, woraus sich ein solcher Anspruch ergeben sollte.
62 
Nach alledem war die Klage insgesamt mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO abzuweisen. Der Senat sieht nach § 167 Abs. 2 VwGO davon ab, die Kostenentscheidung für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
63 
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
64 
Beschluss vom 9. Juli 2014
65 
Der Streitwert wird nach §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 i.V.m. Nr. 34.2., 2.2.1 des Streitwertkatalogs 2004 endgültig auf 50.000,-- EUR festgesetzt (vgl. hierzu den Senatsbeschl. v. 08.08.2013 - 5 S 2327/12 -).
66 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Die Satzung der Antragsgegnerin über die Festlegung der Zahl der notwendigen Stellplätze vom 17. März 2014 wird für unwirksam erklärt.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Antragsteller wendet sich gegen die Stellplatzsatzung der Antragsgegnerin, durch die er sich in der Verwirklichung verschiedener Bauprojekte beeinträchtigt sieht.

2

Weil die Erfahrungen der letzten Jahre gezeigt hätten, dass die bislang bei Bauvorhaben ausgewiesenen Stellplätze oft nicht ausreichten, um den Ziel- und Quellverkehr aufzufangen, fasste die Antragsgegnerin am 17. März 2014 den Beschluss über die Satzung zur Festlegung der Zahl der notwendigen Stellplätze. Danach bestimmt sich bei Wohngebäuden der Stellplatzbedarf nach folgender Anlage:

Lfd. Nr.

Verkehrsquelle

Zahl der Stellplätze (Stpl.)
Je Wohneinheit

        

Wohngebäude

        

1       

Einfamilienhäuser,

freistehend, als Doppelhaus oder als Reihenhaus


2,0 Stpl.

2       

Wohnungen in Mehrfamilienhäusern
entsprechend der Wohnfläche

bis    45 m²:    1,0 Stpl.
über  45 m²:    2,0 Stpl.

3

Im Übrigen bestimmt sich die Zahl der notwendigen Stellplätze nach dem Höchstwert der Richtzahl der Anlage zur Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Finanzen vom 24. Juli 2000 (MinBl. S. 231).

4

Zur Begründung des dagegen gerichteten Normenkontrollantrags trägt der Antragsteller im Wesentlichen vor: Die Satzung sei materiell rechtswidrig. Die Antragsgegnerin habe in zweckwidriger Weise von der Ermächtigung zum Erlass von Stellplatzsatzungen Gebrauch gemacht, um nämlich indirekt das Nutzungsmaß und die Zahl der Wohnungen in Mehrfamilienwohnhäusern zu beschränken. Die Satzung sei auch nicht erforderlich, weil ausreichend öffentliche Parkplätze vorhanden seien, wie etwa die 100 Plätze bei der Freizeitanlage B. Würde man die von der Antragsgegnerin behaupteten Parkplatzprobleme als wahr unterstellen, erwiese sich die Satzung als unzureichend zur Problembewältigung; erforderlich sei dann vielmehr zusätzlich eine weitergehende Stellplatzverpflichtung für bestehende bauliche Anlagen nach § 88 Abs. 3 Nr. 1 LBauO. Verschärfte Stellplatzanforderungen allein für neue Bauherren stellten eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung dar. Es lägen keine Bedürfnisse des Verkehrs oder städtebauliche Missstände vor, die die festgesetzte Anhebung der Stellplatzzahl i.S.v. § 88 Abs. 3 Nr. 1 LBauO rechtfertigen könnten. Schließlich genüge die Ausgestaltung der Satzungsregelung nicht den rechtlichen Anforderungen. So werde der Stellplatzbedarf je Wohnung für Einfamilienhäuser einerseits und Mehrfamilienhäuser andererseits unterschiedlich festgelegt. Auch im Übrigen sei eine Begründung für die von der Antragsgegnerin vorgenommenen Abweichungen gegenüber den Richtzahlen der Verwaltungsvorschrift oder auch gegenüber der Mustersatzung des Gemeinde- und Städtebundes nicht gegeben worden. Insbesondere fehle eine sachliche Rechtfertigung dafür, Wohnungen ab einer Fläche von 45 m² mit Einfamilienhäusern gleichzustellen.

5

Der Antragsteller beantragt,

6

die Satzung der Antragsgegnerin über die Festlegung der Zahl der notwendigen Stellplätze vom 17. März 2014 für unwirksam zu erklären.

7

Die Antragsgegnerin beantragt,

8

den Antrag abzulehnen.

9

Nach ihrer Auffassung steht die Satzung mit höherrangigem Recht in Einklang: Die Voraussetzungen der gesetzlichen Ermächtigung in § 88 Abs. 1 Nr. 8 LBauO lägen vor. Ein besonderer Nachweis für ein Satzungsbedürfnis werde nicht verlangt. Im Übrigen läge ein solches Satzungsbedürfnis vor, weil innerhalb des Gemeindegebiets ein akutes Parkplatzproblem bestehe, insbesondere mangels ausreichenden öffentlichen Parkraums. Auf die Anforderungen nach § 88 Abs. 3 Nr. 1 LBauO komme es hier nicht an, weil die Satzung zukünftige Bauvorhaben und nicht bestehende bauliche Anlagen betreffe. Die Satzung stelle auch keine Verhinderungsplanung für bestimmte Bauvorhaben des Antragstellers dar. Schließlich sei auch die Ausgestaltung der Regelung rechtmäßig. Die Richtzahlen der Verwaltungsvorschrift und das Satzungsmuster des Gemeinde- und Städtebundes stellten lediglich eine Orientierung dar. In der Satzung würden alle Wohnungen grundsätzlich gleichbehandelt, unabhängig davon, ob sie in Einfamilien- oder Mehrfamilienhäusern lägen. Lediglich für kleine Wohnungen in Mehrfamilienhäusern mit einer Wohnfläche bis 45 m² sei eine Ausnahme vorgesehen worden. Die Grenzziehung bei 45 m² Wohnfläche sei sachgerechter als die in der Mustersatzung vorgeschlagene Differenzierung. Kleine Wohnungen bis 45 m² Wohnfläche würden typischerweise nur von einer Person bewohnt, während Wohnungen mit einer Grundfläche von mehr als 45 m² typischerweise mehrere Räume hätten und in der Regel von mindestens zwei Personen bewohnt würden. Diese verfügten über zwei Kraftfahrzeuge, weil die Gemeinde Kenn relativ schlecht an den öffentlichen Personennahverkehr angebunden sei und über viele Grenzpendler nach Luxemburg verfüge.

10

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Akten zur Stellplatzsatzung sowie die Schriftsätze der Beteiligten, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.

Entscheidungsgründe

11

Der nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 AGVwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Normenkontrollantrag ist begründet.

12

Rechtsgrundlage für die Satzung ist § 88 Abs. 1 Nr. 8 LBauO. Danach sind die Gemeinden ermächtigt, die Zahl der notwendigen Stellplätze nach § 47 LBauO festzulegen. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass den Gemeinden damit keine Befugnis zu planerischer Gestaltung eingeräumt, sondern nur die Ermächtigung zur Konkretisierung dessen erteilt wird, was im Gebiet der jeweiligen Gemeinde das notwendige Maß an Stellplätzen ist. Zahl und Größe der Stellplätze richtet sich gemäß § 47 Abs. 1 Satz 2 LBauO nach Art und Zahl der vorhandenen und zu erwartenden Kraftfahrzeuge der Benutzerinnen und Benutzer sowie der Besucherinnen und Besucher der Anlagen, wobei die Möglichkeit der Inanspruchnahme öffentlicher Verkehrsmittel zu berücksichtigen ist. Einen Orientierungsrahmen für den notwendigen Stellplatzbedarf bietet die in der Verwaltungsvorschrift über Zahl, Größe und Beschaffenheit der Stellplätze für Kraftfahrzeuge des Ministeriums der Finanzen vom 24. Juli 2000 (MinBl. 2000, S. 231). Die dort genannten Richtzahlen sind ihrerseits allerdings nicht absolut. Sie stellen aber taugliche Erfahrungswerte dar. Nach den Einschätzungen der bei Erlass der Verwaltungsvorschrift mitwirkenden Sachverständigen reicht die Beachtung der genannten Richtzahlen im Allgemeinen aus, um die Stellplatzpflicht zu erfüllen. Eine Abweichung hiervon ist aufgrund der konkreten Verhältnisse im jeweiligen Gemeindegebiet möglich, bedarf aber hinreichender Rechtfertigung (vgl. zum Vorstehenden insgesamt das bereits von den Beteiligten zitierte Urteil des Senats vom 27. Juni 2001 – 8 C 11919/00.OVG –, S. 6 ff. d.U.). Diese Voraussetzungen gelten für die Anforderungen an künftige Bauvorhaben. Daneben enthält § 88 Abs. 3 Nr. 1 LBauO eine eigenständige Ermächtigung, um auch für bestehende bauliche Anlagen die Herstellung weiterer Stellplätze verlangen zu können, dies allerdings nur bei einem Bedürfnis des Verkehrs oder bei städtebaulichen Missständen. Die separaten Ermächtigungsgrundlagen belegen, dass die Gemeinde nicht zu einem einheitlichen Vorgehen gezwungen ist, sich unter den gegebenen Umständen vielmehr auch bloß auf die Steuerung des hinzukommenden Stellplatzbedarfs beschränken darf.

13

1. Die von der Antragsgegnerin erlassene Satzung verstößt jedenfalls deshalb gegen höherrangiges Recht, weil sie beim Stellplatzbedarf in nicht gerechtfertigter Art und Weise zwischen Wohnungen in Einfamilienhäusern und solchen in Mehrfamilienhäusern unterscheidet.

14

Nach der Satzungsregelung werden nämlich in Einfamilienhäusern für jede Wohneinheit 2 Stellplätze verlangt, während dies in Mehrfamilienhäusern erst ab einer Wohnfläche von 45 m² der Fall ist. Dies bedeutet, dass etwa für eine kleine Einliegerwohnung in einem Einfamilienhaus zwei Stellplätze hergestellt werden müssen, während dafür in einem Mehrfamilienhaus ein Stellplatz genügt. Dabei geht der Senat bei der Interpretation der Anlage zu § 1 der Stellplatzsatzung davon aus, dass sich die Vorgabe in der Überschrift zu Spalte 3 „Zahl der Stellplätze (Stpl.) je Wohneinheit“ auch auf die Zeile Nr. 1 (Einfamilienhäuser) bezieht. Denn die Stellplatzforderung für Mehrfamilienhäuser in Zeile Nr. 2 bezieht sich schon nach dem Text in Spalte 2 jeweils auf die einzelnen Wohnungen, so dass es zum Verständnis der Vorgabe in Spalte 3 nicht auf die Überschrift „je Wohneinheit“ ankommt. Im Übrigen entspricht es allgemeinem Sprachverständnis, dass ein Einfamilienhaus auch beim Vorhandensein einer sog. Einliegerwohnung weiterhin als solches bezeichnet und durch diese Zweitwohnung nicht zum Mehrfamilienhaus wird. Dieses Verständnis liegt auch der Verwaltungsvorschrift des Ministeriums der Finanzen vom 24. Juli 2000 zugrunde, wonach für Einfamilienhäuser ein bis zwei Stellplätze „je Wohnung“ verlangt wird. Dieses Begriffsverständnis wird nicht zuletzt durch den Eintrag in der online-Enzyklopädie Wikipedia bestätigt; darin heißt es:

15

„Ein Mehrfamilienhaus … ist ein Wohngebäude, das für mehrere Familien bzw. Nutzer oder Mietparteien konzipiert ist. Es steht damit im Gegensatz zum Einfamilienwohnhaus (mit oder ohne Einliegerwohnung).“

16

Ein solcher Fall der sachwidrigen Ungleichbehandlung war tragender Grund für das stattgebende Normenkontrollurteil vom 27. Juni 2001 (vgl. a.a.O., S. 6 d.U. sowie den hierauf bezogenen Vermerk des Vertreters des Gemeinde- und Städtebundes, Bl. 2 der Behördenakte).

17

Der aufgezeigte Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) führt zur vollständigen Unwirksamkeit der Satzung. Eine bloße Teilunwirksamkeit etwa dergestalt, in der Überschrift zu Spalte 3 der Anlage zu § 1 die Worte „je Wohneinheit“ zu streichen, scheidet aus. Denn dies hätte zur Folge, dass für Einfamilienhäuser immer nur zwei Stellplätze verlangt würden, auch wenn diese über eine zusätzliche (Einlieger-)Wohnung verfügten. Dies wäre mit dem mutmaßlichen Willen des Normgebers nicht vereinbar (vgl. zu diesem Kriterium für die Teilnichtigkeit einer Norm: BVerwG, Urteil vom 3. April 2008 – 4 CN 3.07 –, BVerwGE 131, 86, Rn. 30).

18

2. Angesichts des dargelegten Fehlers bei der Ausgestaltung der Stellplatzpflicht kann letztlich dahingestellt bleiben, ob die angegriffene Satzungsregelung auch deshalb gegen höherrangiges Recht verstößt, weil die angeordnete Zahl der notwendigen Stellplätze die Zahl der vorhandenen und zu erwartenden Kraftfahrzeuge der Benutzerinnen und Benutzer sowie der Besucherinnen und Besucher der Anlagen i.S.v. § 47 Abs. 1 Satz 2 LBauO verfehlt.

19

Während die Satzung beim Stellplatzbedarf für Einfamilienhäuser den Höchstwert nach der Verwaltungsvorschrift (1 bis 2 Stellplätze je Wohnung) übernimmt, geht sie bei Mehrfamilienwohnhäusern deutlich über die in der Verwaltungsvorschrift enthaltene Richtzahl von 1 bis 1,5 Stellplätzen je Wohnung hinaus. Wie der Senat bereits in dem zitierten Urteil vom 27. Juni 2001 (a.a.O., S. 8 d.U.) festgestellt hat, ist es nicht ohne Weiteres plausibel, dass im Bereich der Antragsgegnerin nahezu für jede Wohnung 2 Stellplätze erforderlich sind. Die Antragsgegnerin hat dies damit begründet, dass in den größeren Wohnungen in der Regel zwei Personen wohnten, die wegen der schlechten ÖPNV-Anbindung über zwei Kraftfahrzeuge verfügten. Darüber hinaus erscheint fraglich, ob die Grenze für das Ansteigen des Stellplatzbedarfs von einem auf zwei Plätze sachgerecht bei einer Wohnfläche von 45 m² markiert worden ist. Auch insofern hatte der Senat in dem Urteil vom 27. Juni 2001 für eine Grenzziehung bei 50 m² Wohnfläche bereits Zweifel angemeldet (vgl. a.a.O., S. 8 d.U.). Hier erweist sich die Mustersatzung des Gemeinde- und Städtebundes als differenzierter, wenn dort für Mehrfamilienhäuser 1 Stellplatz für Wohnungen bis 60 m² Wohnfläche, 1,5 Stellplätze bis 120 m² Wohnfläche und 2 Stellplätze erst ab einer Wohnfläche von 120 m² verlangt wird.

20

Der Antragsgegnerin ist zuzugeben, dass die Ermittlung des zu erwartenden Kraftfahrzeugbestandes eine Prognose des potentiellen Stellplatzbedarfs in der Zukunft verlangt. Dieser Gesichtspunkt ist jedoch bereits in die Richtzahlen nach der Verwaltungsvorschrift und den Vorschlag des Gemeinde- und Städtebundes in seiner Mustersatzung eingeflossen. Die Antragsgegnerin wäre deshalb gehalten gewesen, die Abweichungen von diesen Einschätzungen durch tatsächliche Erkenntnisse zu der besonderen Situation in ihrem Gebiet zu erläutern. So hätte die Behauptung ihrer Vertreter über einen deutlich erhöhten Fahrzeugbestand in ihrem Gemeindegebiet durch tatsächliche Erhebungen über die derzeit vorhandene Fahrzeugdichte unterlegt werden müssen. Dies gilt auch für die behaupteten Behinderungen bei der aktuellen Abwicklung des Busverkehrs. Eine solche tatsächliche Begründung für die Notwendigkeit, von den der Verwaltungsvorschrift zugrundeliegenden Erkenntnissen wegen der Besonderheiten im Ortsbereich der Antragsgegnerin abzuweichen, hätte noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nachgetragen werden können. Denn bei der richterlichen Kontrolle von untergesetzlichen Normen ist das Ergebnis des Rechtssetzungsaktes maßgeblich; eine Prüfung des Abwägungsvorgangs (einschließlich der ihm zugrundeliegenden Ermittlungen) erfolgt nur, wenn der Normgeber – wie etwa im Bauplanungsrecht (§ 1 Abs. 7 BauGB) – einer besonders ausgestalteten Bindung an Abwägungsdirektiven unterliegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. April 2006 – 6 C 19.05 –, BVerwGE 125, 384, Rn. 16; Urteil vom 26. Juni 2014 – 4 C 3.13 –, BVerwGE 150, 114, Rn. 25). Nähere Nachforschungen konnten hier indes unterbleiben, weil die Satzung bereits aus den oben dargelegten Gründen wegen widersprüchlicher Ausgestaltung der Stellplatzpflicht unwirksam ist.

21

Erweist sich die Satzung somit bereits hinsichtlich der Ausgestaltung des Stellplatzbedarfs als rechtswidrig, kann dahingestellt bleiben, ob hier die Ermächtigung in § 88 Abs. 1 Nr. 8 LBauO missbräuchlich zur Verfolgung städteplanerischer Ziele in Anspruch genommen worden ist, wofür allerdings hinreichende Anhaltspunkte nicht erkennbar sind.

22

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

23

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 ff. ZPO.

24

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Beschluss

25

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 € festgesetzt (§ 52 Abs. 2 GKG).

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Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für einen Müllgefäßabstellplatz.

2

Die Klägerin ist Eigentümerin des im unbeplanten Innenbereich von K... gelegenen Grundstücks Flurstück-Nr. … in der A-Straße ... . Dieses ist im vorderen Bereich mit einem Wohngebäude bebaut, das etwa 3,35 m von der Grundstücksgrenze zum südlich unmittelbar benachbarten Grundstück A-Straße ..., Flurstück-Nr. …, entfernt ist. Auf diesem betreibt die Beigeladene ein Seniorenwohnheim mit 63 stationären Pflegeplätzen. Das Seniorenwohnheim liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplanes „Seniorenresidenz" der Ortsgemeinde A-Dorf, der das Seniorenwohnheim als Sonderbaufläche „Seniorenresidenz“ festsetzt. Für das Seniorenwohnheim hatte der Beklagte der Beigeladenen am 4. April 2012 eine Baugenehmigung erteilt. Darin enthalten waren mehrere Nebenbestimmungen zur Abfalllagerung wie z.B. die Verpflichtung, Speisereste gekühlt zu lagern, Lebensmittelabfälle, ungenießbare Nebenerzeugnisse und andere Abfälle in verschließbaren Behältern zu lagern sowie alle Abfälle hygienisch einwandfrei zu entsorgen.

3

Auf Antrag der Beigeladenen vom 1. März 2013 genehmigte ihr der Beklagte am 16. April 2013 auch die Errichtung eines Bankautomatengebäudes sowie eines überdachten Müllgefäßabstellplatzes. Ausweislich der genehmigten Planzeichnungen sollte der Mülltonnenaufstellplatz 7,50 m lang und 5 m breit werden und in einer Entfernung von 4,40 m zu der Grundstücksgrenze der Klägerin errichtet werden. Nach der Ansicht Nord-Ost in den Bauplänen sollte die zum Grundstück der Klägerin ausgerichtete Rückwand des Müllgefäßaufstellplatzes vollständig geschlossen mit einer Holzverkleidung versehen werden. Zwischen Müllgebäude und dem Grundstück der Klägerin befindet sich noch ein Trafogebäude (Breite 2,22 m, Länge 2,22 m). Der Abstand zum Wohngebäude der Klägerin beträgt ca. 7,40 m. Zur Veranschaulichung der örtlichen Verhältnisse mag die nachfolgende Zeichnung der betroffenen Straßenabschnitte dienen (gelb = Grundstück der Klägerin, violett = Grundstück der Beigeladenen, grün = Trafohäuschen, rot = Mülltonnenaufstellplatz):

4

Es folgt die Zeichnung

5

Gegen die Baugenehmigung vom 16. April 2013 legte die Klägerin am 18. April 2013 Widerspruch mit der Begründung ein, sie werde durch die Lagerung des Abfalls dauerhaft erheblich belästigt. Die Lagerung erfolge mehr oder weniger in den dafür vorgesehenen Abfallcontainern. Die Kapazität der vorhandenen Container reiche dabei bei weitem nicht aus. Zum gelagerten Müll zählten neben einer beträchtlichen Menge an Essensresten auch gebrauchte Windeln mit entsprechendem Inhalt. Bis der Müll abgeholt werde, gleiche der Abholplatz einer Müllhalde. Fäkalien in Windeln würden außerhalb geeigneter Container einfach lose auf den Boden geworfen. Die Deckel der Abfallcontainer ließen sich oftmals nicht schließen, da die Behältnisse maßlos vollgestopft seien. Von dem gelagerten Müll gehe ein abstoßender und ekelerregender Gestank aus. Durch die Lagerung würden Ratten, Mäuse, Katzen, Fliegen und sonstige diverse Tiere zahlreich angezogen. Einige dieser Tiere seien auch geeignet, Krankheiten zu übertragen. Am gravierendsten seien die Verhältnisse einige Tage vor der 14-tägigen Container-Leerung.

6

In seiner Sitzung vom 27. Juni 2014 setzte der Kreisrechtsausschuss das Verfahren aus, um den Beteiligten des Vorverfahrens die Möglichkeit einer einvernehmlichen Lösung einzuräumen. In der Folgezeit teilte die Klägerin mit, es habe sich nach der mündlichen Verhandlung vor dem Kreisrechtsausschuss keine Verbesserung ergeben. Die Beigeladene erklärte daraufhin mit Schreiben vom 22. September 2014, sie sei bereit, zur gütlichen Beilegung des Verfahrens das strittige Müllhaus zu verkleiden. Ferner habe sie mit der Firma B zusätzlich zur Regelentsorgung einen Vertrag geschlossen, gemäß dem sie 2,2 m³ zusätzliches Müllvolumen zur Entsorgung vorhalten werde und eine Müllentsorgung bei Bedarf auf Abruf erfolge.

7

Die Klägerin führte hierzu mit Schreiben vom 3. März 2015 aus, die Deckel der Restmüllbehälter stünden weiterhin häufig grundlos offen oder könnten aufgrund von Überfüllung nicht mehr geschlossen werden. In diesen würden auch gebrauchte Windeln entsorgt, was nach wie vor zu erheblichen großen Belästigungen führe. Sie sehe darin nach wie vor ein erhebliches hygienisches und gesundheitliches Problem. Eine Besserung sei nicht in Sicht. Aktuelle Lichtbilder aus den Monaten September 2014 bis Januar 2015 würden dies belegen.

8

Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Mai 2015 wies der Kreisrechtsausschuss des Beklagten den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung führte er aus, die Baugenehmigung vom 16. April 2013 verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Das Müllcontainerhaus stelle eine Nebenanlage zur Hauptnutzung, der Seniorenresidenz auf dem Grundstück gemäß § 14 BaunutzungsverordnungBauNVO – dar. Es sei bauplanungsrechtlich in diesem Bereich grundsätzlich zulässig. Eine Unzumutbarkeit im Sinne des § 15 BauNVO sei vorliegend nicht erkennbar. Der Müllgefäßabstellplatz sei aus organisatorischen Gründen sinnvollerweise im vorderen Grundstücksbereich zu errichten, da die Leerung der Müllgefäße ansonsten erheblich erschwert würde. Aus organisatorischen Gründen sei auch davon auszugehen, dass eine Nähe zum Ein-/Ausgangsbereich des Seniorenheims gegeben sein müsse, um die Verbringung des Abfalls in die Müllcontainer organisatorisch nicht zu erschweren. Gerade durch die Errichtung eines überdachten und weitestgehend geschlossenen Müllgefäßabstellplatzes werde auch gewährleistet, dass die Klägerin vor unzumutbaren optischen Beeinträchtigungen geschützt werde. Soweit die Klägerin einwende, die Kapazität der vorhandenen Müllcontainer sei nicht ausreichend, sei darauf hinzuweisen, dass die Beigeladene durch Vorlage einer Vereinbarung nachgewiesen habe, dass jederzeit Abfuhren möglich seien. Dass die Container und Abfallsäcke an den Tagen, an denen der Müll abgeholt werde, nicht im Müllhaus untergebracht seien, ergebe sich aus der Natur der Sache.

9

Auch ein Verstoß gegen die bauordnungsrechtliche Vorschrift des § 10 Absatz 3 Landesbauordnung – LBauO – sei nicht gegeben. Das Müllcontainergebäude halte im Hinblick auf den Nachbarschutz mit 4,40 m ausreichend Abstand zur Nachbargrenze und mit 7,40 m zum Wohngebäude der Klägerin ein.

10

Die Klägerin hat am 29. Mai 2015 Klage erhoben. Sie führt aus, die streitgegenständliche bauliche Anlage verletze das Rücksichtnahmegebot. Insbesondere durch die von der Müllanlage ausgehenden Geruchsbelästigungen werde sie, die Klägerin, in ihren Rechten massivst verletzt. Bei der Seniorenresidenz handele es sich um eine gewerblich genutzte Anlage und somit auch um gewerblichen Abfall, der nach Art bei weitem das im Baugebiet gewöhnliche Maß überschreite. In der Anlage befänden sich insgesamt 63 stationäre Pflegeplätze mit entsprechend hohem Müllaufkommen. Auch die Art des Mülls sei vorliegend nicht mit gewöhnlichem Hausmüll zu vergleichen, da in der Seniorenanlage u.a. auch in erheblichem Umfang Fäkalien in Windeln zu entsorgen seien. Weiterhin fielen Essensreste in nicht unerheblichem Umfang als Abfall an, welche ebenfalls unmittelbar an der Grundstücksgrenze zur Klägerin bis zur Abholung gelagert würden. Zur gegenständlichen Anlage hin befinde sich sowohl ihr Küchenfenster als auch ihr Schlafzimmerfenster. Insbesondere in den Sommermonaten sei sie erheblichen Geruchsbelästigungen ausgesetzt, da zu der bereits an sich problematischen Art und des Umfangs des Abfalls noch hinzukomme, dass dieser in der gegenständlichen Anlage sehr häufig unsachgemäß, z.B. in offen stehenden Müllbehältern, gelagert werde.

11

Von der Anlage gehe neben den vorhandenen Geruchsbelästigungen aufgrund der Art und des Umfangs des Mülls weiterhin auch eine erhebliche gesundheitliche Gefahr und Beeinträchtigung durch das Anlocken von Fliegen, Mäusen und Ratten aus.

12

Im Bebauungsplan sei an der betreffenden Stelle, an der sich nun die streitgegenständliche Anlage befinde, die Errichtung von vier PKW-Stellplätzen vorgesehen. Die Abweichung von dieser Regelung des Bebauungsplans sei rechtswidrig und grob unverhältnismäßig, zumal für die Errichtung der streitgegenständlichen Anlage auf dem Grundstück zahlreiche alternative Standorte zur Verfügung gestanden hätten und auch weiterhin noch stünden, von welchen wesentlich weniger bis gar keine Belästigung für angrenzende Nachbarn ausgehen würden. Es habe keinerlei Veranlassung dazu bestanden, von den Festsetzungen des Bebauungsplans vorliegend abzuweichen und anstelle der geplanten Stellplätze ihr, der Klägerin, einen massivst störenden Müllplatz direkt „vor die Nase zu setzen“.

13

Die Müllanlage weiche im Übrigen von den für die Errichtung der Anlage gefertigten Plänen ab. Auf diesen Plänen sei eindeutig zu erkennen, dass die Anlage abgesehen von der Frontseite sowohl in den Seitenbereichen als auch am Rückbereich vollständig geschlossen sein sollte. Auch diese Abweichung stelle zumindest in der Art der Ausführung eine rechtswidrige Baumaßnahme dar.

14

Die Klägerin beantragt,

15

die vom Beklagten der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 16. April 2013 und den hierzu ergangenen Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses des Rhein-Pfalz-Kreises vom 19. Mai 2015 aufzuheben.

16

Der Beklagte und die Beigeladene beantragen,

17

die Klage abzuweisen

18

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakten und die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die Niederschrift vom 9. Dezember 2015 verwiesen.

Entscheidungsgründe

19

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die angefochtene Baugenehmigung vom 16. April 2013 und der hierzu ergangene Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses des Rhein-Pfalz-Kreises vom 19. Mai 2015 verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO –).

20

Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Baugenehmigung beurteilt sich vorliegend nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung am 16. April 2013. Allerdings sind nachträgliche Änderungen der am 1. August 2015 in Kraft getretenen Fassung der Landesbauordnung vom 15. Juni 2015 (GVBl Seite 77), die sich insgesamt zu Gunsten des Vorhabens der Beigeladenen auswirken, zu berücksichtigen (BVerwG, Beschluss vom 23. April 1998 – 4 B 40/98 –, NVwZ 1998, 1179 und Urteil vom 20. August 2008 – 4 C 11/07 –, NVwZ 2008, 1349).

21

Hiernach verstößt die gemäß § 70 Abs. 1 Satz 1 LBauO erteilte Baugenehmigung vom 16. April 2013 nicht gegen von der Bauaufsichtsbehörde zu prüfende öffentlich-rechtliche Vorschriften, die auch dem Schutz der Klägerin als Nachbarin zu dienen bestimmt sind. Weder liegt in bauplanungsrechtlicher Hinsicht ein Verstoß gegen den Gebietserhaltungsanspruch (1.) noch gegen das Gebot der Rücksichtnahme vor (2.). Das Bauvorhaben der Beigeladenen steht schließlich auch mit der nachbarschützenden bauordnungsrechtlichen Vorschrift des § 10 Abs. 3 LBauO in Einklang (3.).

22

1. Der Klägerin steht ein Abwehranspruch im Sinne eines Gebietserhaltungsanspruchs gegenüber dem streitgegenständlichen Vorhaben unter dem von der Klägerin geltend gemachten Gesichtspunkt der fehlenden Gebietstypik des Müllcontainerhauses von vornherein nicht zu. Der streitgegenständliche Müllabstellplatz auf dem Grundstück der Beigeladenen befindet sich in einem durch Bebauungsplan festgesetzten Sondergebiet gemäß § 11 BauNVO, während das Grundstück der Klägerin im angrenzenden unbeplanten Innenbereich liegt. Ohne näher darauf eingehen zu müssen, ob das Müllcontainerhaus eine nach § 14 BauNVO zulässige gebietstypische Nebenanlage ist, käme vorliegend zugunsten der Klägerin allein der „gebietsübergreifende Gebietserhaltungsanspruch“ in Betracht. Ein gebietsübergreifender Schutz des Nachbarn vor (behaupteten) gebietsfremden Nutzungen im lediglich angrenzenden Plangebiet besteht unabhängig von konkreten Beeinträchtigungen grundsätzlich jedoch nicht (s. z.B. BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 2007 – 4 B 55/07 –, NVwZ 2008, 427; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. Februar 2010 – 1 C 10852/09 –, juris). Allenfalls bei einem erkennbaren Willen des Satzungsgebers, dass Gebietsausweisungen in einem Bebauungsplan auch dem Schutz der jenseits der Gebietsgrenze liegenden benachbarten Bebauung dienen sollen, kann ein solcher gebietsübergreifender Erhaltungsanspruch eingreifen (s. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. Januar 2000 – 1 A 11751/99 –, BauR 2000, 527). Eine solche Konstellation ist hier aber nicht gegeben.

23

2. Die streitgegenständliche Baugenehmigung vom 16. April 2013 verstößt auch nicht gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme.

24

2.1. Ein an ein nach § 11 BauNVO festgesetztes Sondergebiet angrenzender Nachbar kann sich auf die Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme nach § 30 Abs. 1 BaugesetzbuchBauGB – i.V.m. § 15 Abs. 1 BauNVO berufen. Das Gebot der Rücksichtnahme, das auch gebietsübergreifend wirkt, soll als Bestandteil des einfachen Rechts nachbarliche Nutzungskonflikte lösen helfen. Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot setzt dabei einen Verstoß gegen das objektive Recht voraus (BVerwG, Urteil vom 05. Dezember 2013 – 4 C 5/12 –, NVwZ 2014, 370). Er kann vorliegen, wenn ein Vorhaben zwar in jeder Hinsicht den aus seiner Umgebung hervorgehenden Rahmen wahrt, sich aber gleichwohl in seine Umgebung nicht einfügt, weil das Vorhaben es an der gebotenen Rücksicht auf die sonstige, also vor allem auf die in seiner unmittelbaren Nähe vorhandene Bebauung fehlen lässt (BVerwG, Urteil vom 26. Mai 1978 – IV C 9.77 –, NJW 1978, 2564). Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot kann auch gegeben sein, wenn sich ein Vorhaben objektiv-rechtlich nach seinem Maß der baulichen Nutzung, seiner Bauweise oder seiner überbauten Grundstücksfläche nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt (vgl. Beschluss vom 11. Januar 1999 – BVerwG 4 B 128.98 –, NVwZ 1999, 879). Drittschutz wird gewährt, wenn in qualifizierter und individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist (BVerwG, Urteil vom 05. Dezember 2013 – 4 C 5/12 –, NVwZ 2014, 370; kritisch zu dieser Formel Rieger, UPR 2015, 241).

25

Die an das Gebot der Rücksichtnahme zu stellenden Anforderungen hängen wesentlich von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung derer ist, denen die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, umso mehr kann an Rücksichtnahme verlangt werden. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Dabei kommt es für die sachgerechte Beurteilung des Einzelfalls wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem an, was einerseits den Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmepflichtigen nach Lage der Dinge zuzumuten ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 1999 – 4 C 6/98 –, NVwZ 2000, 1050; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 29. Mai 2015 – 8 B 10423/15.OVG –). Die Bestimmung der Grenzen, jenseits derer die Belästigungen oder Störungen unzumutbar sind, unterliegt der uneingeschränkten richterlichen Beurteilung. Im Rahmen der (Zumutbarkeits-)Abwägung können die Interessen der Beteiligten ein unterschiedliches Gewicht haben, je nachdem, ob es um ein Vorhaben geht, das grundsätzlich zulässig und nur ausnahmsweise unzulässig ist oder umgekehrt. Voraussetzung für eine solche Abwägung ist aber, dass derjenige, der ein Vorhaben abwehren will, eine abwägungserhebliche schutzwürdige Position gegenüber dem Vorhaben besitzt. Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot scheidet regelmäßig aus, wenn alle durch das Gebot geschützten, möglicherweise beeinträchtigten Belange auch durch spezielle bauordnungsrechtliche Regelungen (meist die Vorschriften über Abstandsflächen und Stellplätze) geschützt sind und das Vorhaben deren Anforderungen genügt (BVerwG, Urteil vom 7. Dezember 2000 – 4 C 3/00 –, NVwZ 2001, 813; s. auch OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 27. April 2015 – 8 B 10304/15.OVG –). Andererseits kann das Rücksichtnahmegebot, das selbständig neben den bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften steht, im Hinblick auf diese Belange auch dann verletzt sein, wenn die Abstandsflächenvorschriften eingehalten sind (BVerwG, Beschluss vom 11. Januar 1999 – 4 B 128/98 –, NVwZ 1999, 879). Daraus folgt aber im Umkehrschluss nicht, dass bei jedem Verstoß gegen Abstandsflächenvorschriften ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot vorliegt; diesbezüglich kommt es vielmehr stets auf die tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalls an.

26

2.2. Nach diesen Grundsätzen liegt hier kein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme vor.

27

2.2.1. Insbesondere kann die Klägerin nicht mit Erfolg einwenden, die Situierung des Müllcontainerhauses in der Nähe ihres Grundstücks und die damit zusammenhängenden Geruchsbelästigungen seien für sie unzumutbar. Ob eine Belästigung als erheblich anzusehen ist, muss vom Gericht anhand einer einzelfallbezogenen Würdigung beurteilt werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. Mai 1996 – 4 B 50/96 –, NVwZ 1996, 1001; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23. Juni 2010 – 8 A 10357/10 –, BauR 2010, 1907). Dabei sind insbesondere auch wertende Elemente wie die Herkömmlichkeit, die soziale Adäquanz und die allgemeine Akzeptanz einzubeziehen (vgl. zum Lärm BVerwG, Urteil vom 30. April 1992 – 7 C 25/91 –, NJW 1992, 2779).

28

Hiernach hat ein Grundstücksnachbar im Allgemeinen eine Müllsammelstelle in der Nähe der gemeinsamen Grundstücksgrenze als sozialadäquat hinzunehmen, zumal Geruchsbelästigungen bei Nutzung ordnungsgemäßer Lagerbehälter ausgeschlossen sein dürften (vgl. auch OLG Koblenz, Urteil vom 28. November 1979 – 1 U 62/79 –, MDR 1980, 578). Ein Bauherr ist auch nicht verpflichtet, die dem jeweiligen Nachbarn verträglichste und günstigste Lösung zu wählen (VG Würzburg, Urteil vom 12. August 2013 – W 5 K 12.623 –, juris). Folglich gewährt das Rücksichtnahmegebot grundsätzlich keinen Anspruch auf anderweitige Situierung von baulichen Anlagen. Vorliegend wirkt im Übrigen die zum Grundstück der Klägerin komplett verschlossene Rückwand der Entstehung von unzumutbaren Geruchsbelästigungen der auf dem Grundstück der Beigeladenen im Müllcontainerhaus abgestellten Container und Mülltonnen entgegen (vgl. VG Trier, Urteil vom 11. Oktober 2005 – 5 K 700/05.TR –, juris). Auch ist die Beigeladene aufgrund der in der Baugenehmigung vom 4. April 2012 enthaltenen Nebenbestimmungen zur Abfalllagerung zu einer ordnungsgemäßen Abfallbeseitigung verpflichtet. Der Umstand, dass die Beigeladene das streitgegenständliche Gebäude entgegen der eingereichten und genehmigten Baupläne zum Grundstück der Klägerin hin bisher nicht vollständig verschlossen hat, ist im Rahmen des vorliegenden Verfahrens irrelevant, da hier allein die von der Klägerin angefochtene Baugenehmigung im Streit steht und nicht die davon abweichende tatsächliche Bebauung.

29

2.2.2. Ferner hält das Müllcontainerhaus auch die von der Landesbauordnung geforderten Mindestabstände zum Nachbargrundstück ein. Gemäß § 10 Abs. 3 LBauO sollen für Abfall- und Wertstoffbehälter befestigte Plätzean geeigneter Stelle hergestellt werden. § 10 Abs. 3 LBauO kommt nachbarschützende Wirkung jedenfalls insoweit zu, als in entsprechender Anwendung des § 48 Abs. 5 Satz 2 LBauO a.F. bzw. § 48 Abs. 3 Satz 2 LBauO n.F. Mindestabstände von der Grundstücksgrenze einzuhalten sind (vgl. Jeromin in: Jeromin/Schmidt/Lang, LBauO RhPf, 3. Auflage 2012, § 10 Rn. 23). Diese Mindestabstände betragen 5 m zu Öffnungen von Aufenthaltsräumen und 2 m von Grundstücksgrenzen. Vorliegend wurde der Mülltonnenaufstellplatz ausweislich der genehmigten Planzeichnungen in einer Entfernung von 4,40 m zu der Grundstücksgrenze der Klägerin situiert. Ferner beträgt der Abstand zum Wohngebäude der Klägerin 7,40 m. Da das Bauvorhaben der Beigeladenen in Bezug auf die Geruchsbelästigungen somit den Anforderungen der speziellen bauordnungsrechtlichen Regelung des § 10 Abs. 3 LBauO genügt, spricht unter diesem Aspekt nichts für einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot.

30

2.2.3. Soweit die Klägerin weiter moniert hat, die Beigeladene habe das Müllcontainerhaus abweichend von den Festsetzungen des Bebauungsplans unmittelbar vor ihrem Grundstück errichtet, kann sie damit nicht gehört werden. Zum einen trifft dies nicht zu, denn der Bebauungsplan sieht für den betreffenden Grundstücksbereich u.a. Flächen für Nebenanlagen vor. Zu den Nebenanlagen im Sinne des § 14 BauNVO zählen auch Räume für Müllcontainer (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Juni 1988 – 4 B 91/88 –, juris). Zum anderen ist die Anordnung der Flächen für Nebenanlagen in Bebauungsplänen nicht drittschützend.

31

2.2.4. Auch kann die Klägerin nicht damit durchdringen, der Beigeladenen stünden auf ihrem Grundstück zahlreiche andere Standorte zur Verfügung, von denen wesentlich weniger bis gar keine Belästigung für angrenzende Nachbarn ausgehen würden. Wie oben ausgeführt, hat ein Nachbar keinen Anspruch darauf, von einer Müllsammelstelle an der Grenze verschont zu bleiben. Etwas anderes kann im Einzelfall zwar dann gelten, wenn das Bauvorhaben zu Lasten des betroffenen Nachbarn das Schikaneverbot verletzt. Eine Schikane liegt nur dann vor, wenn die Anordnung eines Gebäudes (hier des Müllcontainerhauses) keinem anderen Zweck als der Schädigung des Nachbarn dient und der Bauherr kein schutzwürdiges Eigeninteresse verfolgt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15. April 2008 – 8 S 98/08 –, VBlBW 2008, 452). Dafür gibt es hier jedoch keine Anhaltspunkte.

32

2.2.5. Soweit die Klägerin schließlich unter Vorlage zahlreicher Fotos vorgetragen hat, der Abfall werde in der Müllsammelstelle der Beigeladenen sehr häufig unsachgemäß, z.B. in offen stehenden Müllbehältern, gelagert und das Gebäude, in dem der Abfall bis zur Abholung aufbewahrt werde, sei unterdimensioniert, ist anzumerken, dass die Klägerin sich hierauf im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht berufen kann. Hier geht es ausschließlich um die Frage, ob die angefochtene Baugenehmigung in ihrem genehmigten Umfang gegen drittschützende Bestimmungen verstößt, nicht aber darum, ob die Beigeladene sich in der Praxis an die Vorgaben der Baugenehmigung hält. Eine Abweichung von der genehmigten Nutzung würde im Falle ihres Vorliegens die hier alleine streitgegenständliche Baugenehmigung als solche grundsätzlich unberührt lassen, und lediglich ein bauaufsichtliches Einschreiten gegen die dann ungenehmigte tatsächliche Nutzung rechtfertigen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 15. Dezember 2014 – 1 A 10503/14.OVG –). Zwar mögen insoweit einzelne Ausnahmen denkbar sein, in denen Fragen der tatsächlichen Nutzung auch auf die Ebene der Rechtmäßigkeit der Genehmigung durchschlagen können, beispielsweise in Fällen, in denen die genehmigte Baulichkeit für die zur Genehmigung gestellte Nutzung objektiv ungeeignet ist und mithin für diesen Zweck von vorneherein gar nicht genutzt werden könnte (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 15. Dezember 2014 – 1 A 10503/14.OVG –). Ein solcher Fall ist hier jedoch nicht gegeben.

33

3. Das Bauvorhaben der Beigeladenen verstößt schließlich auch nicht gegen nachbarschützende bauordnungsrechtliche Vorschriften. Wie oben bereits unter 2.2.2. ausgeführt, steht das genehmigte Müllcontainerhaus mit § 10 Abs. 3 LBauO in Einklang. Die Abstandsflächen des § 8 LBauO werden eingehalten. Auch gibt es keine Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen die drittschützende den Schutz gegen schädliche Einwirkungen regelnde Bestimmung des § 14 LBauO.

34

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO.

35

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten beruht auf § 167 VwGO.

36

Beschluss

37

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.500 € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 Gerichtskostengesetz – GKG –).

(1) Außer den in den §§ 2 bis 13 genannten Anlagen sind auch untergeordnete Nebenanlagen und Einrichtungen zulässig, die dem Nutzungszweck der in dem Baugebiet gelegenen Grundstücke oder des Baugebiets selbst dienen und die seiner Eigenart nicht widersprechen. Soweit nicht bereits in den Baugebieten nach dieser Verordnung Einrichtungen und Anlagen für die Tierhaltung, einschließlich der Kleintiererhaltungszucht, zulässig sind, gehören zu den untergeordneten Nebenanlagen und Einrichtungen im Sinne des Satzes 1 auch solche für die Kleintierhaltung. Zu den untergeordneten Nebenanlagen und Einrichtungen im Sinne des Satzes 1 gehören auch Anlagen zur Erzeugung von Strom oder Wärme aus erneuerbaren Energien. Im Bebauungsplan kann die Zulässigkeit der Nebenanlagen und Einrichtungen eingeschränkt oder ausgeschlossen werden.

(1a) In den Baugebieten nach den §§ 2 bis 11 sind Nebenanlagen, die der öffentlichen Versorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen dienen, zulässig; Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend.

(2) Die der Versorgung der Baugebiete mit Elektrizität, Gas, Wärme und Wasser sowie zur Ableitung von Abwasser dienenden Nebenanlagen können in den Baugebieten als Ausnahme zugelassen werden, auch soweit für sie im Bebauungsplan keine besonderen Flächen festgesetzt sind. Dies gilt auch für fernmeldetechnische Nebenanlagen sowie für Anlagen für erneuerbare Energien, soweit nicht Absatz 1 Satz 1 oder Absatz 1a Anwendung findet.

(3) Soweit baulich untergeordnete Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie in, an oder auf Dach- und Außenwandflächen oder Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen innerhalb von Gebäuden nicht bereits nach den §§ 2 bis 13 zulässig sind, gelten sie auch dann als Anlagen im Sinne des Absatzes 1 Satz 1, wenn die erzeugte Energie vollständig oder überwiegend in das öffentliche Netz eingespeist wird. In Gewerbe-, Industrie- und sonstigen Sondergebieten gilt Satz 1 auch für sonstige baulich untergeordnete Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie.

(4) In einem Gebiet nach § 11 Absatz 2 für Anlagen, die der Nutzung solarer Strahlungsenergie dienen, sind Anlagen zur Herstellung oder Speicherung von Wasserstoff zulässig, wenn die Voraussetzungen entsprechend § 249a Absatz 4 gegeben sind. In Gewerbe- und Industriegebieten gilt Satz 1 entsprechend, wenn dort eine Anlage, die der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient und die keine Nebenanlage im Sinne dieser Vorschrift ist, tatsächlich vorhanden ist. Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen einen dem Beigeladenen erteilten Vorbescheid für eine grenzständige Bebauung.

2

Kläger und Beigeladener sind Eigentümer zweier benachbarter Grundstücke in K.... Diese sind mit einem Doppelwohnhaus mit jeweils zwei Geschossen und einem Dachgeschoss bebaut. Das Gebäude verfügt über ein Satteldach mit einer Firsthöhe von 11,60 m. Die Haushälften stehen mit vier bzw. sechs Metern Abstand zur festgesetzten Baufluchtlinie. Die Haushälfte des Beigeladenen wurde 1954, die des Klägers 1971 errichtet. Die übrige Bebauung der Straße besteht auf der einen Straßenseite - abgesehen von einem freistehenden zweigeschossigen Wohngebäude - aus zwei- oder mehrgeschossigen Häusern, Doppelhäusern oder Hausgruppen, auf der anderen Straßenseite herrscht eine zwei- bis dreigeschossige Bebauung mit Doppelhäusern oder Hausgruppen vor. Außer einem Fluchtlinienplan fehlen bauplanerische Festsetzungen.

3

Der Beigeladene beabsichtigt auf seinem Grundstück die Errichtung eines 15 m hohen viergeschossigen Wohn- und Geschäftshauses mit zusätzlichem Staffelgeschoss und Flachdach. Es soll anstelle der bestehenden Haushälfte ohne Einhaltung von Grenzabständen und unter Ausnutzung der Baufluchtlinie errichtet werden. Für das Vorhaben erteilte das Bauaufsichtsamt der Beklagten den streitgegenständlichen planungsrechtlichen Vorbescheid.

4

Das Verwaltungsgericht wies die gegen den Vorbescheid erhobene Klage ab. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht der Klage stattgegeben und den streitgegenständlichen Vorbescheid aufgehoben. Der Vorbescheid sei rechtswidrig, weil das geplante Vorhaben mit § 34 Abs. 1 BauGB unvereinbar sei. Es füge sich nach seiner Bauweise nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein, die in offener Bauweise gebaut sei. Das Vorhaben des Beigeladenen beseitige das bestehende Doppelhaus, ohne ein neues Doppelhaus zu schaffen. Die beiden Haushälften würden vielmehr bei Realisierung des Vorhabens den Eindruck disproportionaler, zufällig in grenzständiger Weise nebeneinander gestellter Baukörper erwecken. Auf diesen Verstoß gegen § 34 Abs. 1 BauGB könne sich der Kläger berufen. Denn mit der Doppelhausbebauung gingen die Grundstückseigentümer ein nachbarliches Austauschverhältnis ein, das nicht einseitig aufgehoben oder aus dem Gleichgewicht gebracht werden dürfe.

5

Mit seiner vom Bundesverwaltungsgericht zugelassenen Revision macht der Beigeladene geltend, die Rechtsprechung zur nachbarschützenden Wirkung von Festsetzungen nach § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO (Urteil vom 24. Februar 2000 - BVerwG 4 C 12.98 - BVerwGE 110, 355 <362 f.>) könne auf den unbeplanten Innenbereich nicht übertragen werden. Die maßgeblichen Fälle seien über das Gebot der Rücksichtnahme nach § 34 Abs. 1 BauGB zu lösen. Danach sei die Klage abzuweisen. Auf den Kläger sei umso weniger Rücksicht zu nehmen, als dieser sein Grundstück baulich nicht vollständig ausnutze.

6

Die Beklagte schließt sich dem Standpunkt des Beigeladenen an.

7

Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts beruht nicht auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Der streitgegenständliche Vorbescheid ist rechtswidrig (1.) und verletzt den Kläger in seinen Rechten (2.) (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

9

1. Das Oberverwaltungsgericht hat ohne Verstoß gegen Bundesrecht angenommen, dass sich das Vorhaben des Beigeladenen entgegen § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB nach der Bauweise nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt.

10

a) Das Vorhaben des Beigeladenen ist hinsichtlich seiner Bauweise planungsrechtlich an § 34 Abs. 1 BauGB zu messen, da es insoweit an bauplanerischen Festsetzungen fehlt und das Vorhaben innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles liegt. Maßstabsbildend im Sinne dieser Vorschrift ist die Umgebung, insoweit sich die Ausführung eines Vorhabens auf sie auswirken kann und insoweit, als die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst (stRspr, Urteil vom 26. Mai 1978 - BVerwG 4 C 9.77 - BVerwGE 55, 369 <380> = Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 63 S. 48). Das Oberverwaltungsgericht hat als nähere Umgebung die beiden Seiten der R...straße in den Blick genommen (UA S. 9), die Beteiligten haben hiergegen Einwände nicht erhoben.

11

b) In dieser Umgebung befindet sich nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts eine Bebauung mit Doppelhäusern, Hausgruppen und wenigen Einzelhäusern, die das Oberverwaltungsgericht als offene Bauweise bezeichnet.

12

Mit diesen Bezeichnungen greift das Oberverwaltungsgericht ohne Rechtsfehler auf Begriffe der Baunutzungsverordnung zurück. Denn deren Vorschriften können im unbeplanten Innenbereich als Auslegungshilfe herangezogen werden (Beschluss vom 27. Juli 2011 - BVerwG 4 B 4.11 - BRS 78 Nr. 102 Rn. 4; Urteile vom 23. März 1994 - BVerwG 4 C 18.92 - BVerwGE 95, 277 <278> = Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 168 S. 9 und vom 15. Dezember 1994 - BVerwG 4 C 19.93 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 173 S. 30). Sie enthalten definitorische Grundsätze, was etwa die Begriffe der offenen oder geschlossenen Bauweise meinen (Beschlüsse vom 7. Juli 1994 - BVerwG 4 B 131.94 - juris Rn. 3 und vom 11. März 1994 - BVerwG 4 B 53.94 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 166 S. 6). Aus diesem Grund konnte das Oberverwaltungsgericht auch auf den Begriff des Doppelhauses der Baunutzungsverordnung zurückgreifen, als es die Eigenart der Umgebungsbebauung, die bestehende Bebauung auf den Grundstücken des Klägers und des Beigeladenen und das streitgegenständliche Vorhaben gewürdigt hat.

13

Im Sinne des § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO ist ein Doppelhaus eine bauliche Anlage, die dadurch entsteht, dass zwei Gebäude auf benachbarten Grundstücken durch Aneinanderbauen an der gemeinsamen Grundstücksgrenze zu einer Einheit zusammengefügt werden. Kein Doppelhaus bilden dagegen zwei Gebäude, die sich zwar an der gemeinsamen Grundstücksgrenze noch berühren, aber als zwei selbständige Baukörper erscheinen. Ein Doppelhaus verlangt ferner, dass die beiden Haushälften in wechselseitig verträglicher und abgestimmter Weise aneinandergebaut werden (Urteil vom 24. Februar 2000 - BVerwG 4 C 12.98 - a.a.O. S. 357 ff. = Buchholz 406.12 § 22 BauNVO Nr. 7 S. 3 ff.; Beschluss vom 23. April 2013 - BVerwG 4 B 17.13 - BauR 2013, 1427 Rn. 5). Diese Begriffsbestimmung bezeichnet den Begriff des Doppelhauses im Sinne bauplanungsrechtlicher Vorschriften (Beschluss vom 10. April 2012 - BVerwG 4 B 42.11 - ZfBR 2012, 478, juris Rn. 9), also auch für den unbeplanten Innenbereich.

14

Die knappen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts zur Umgebungsbebauung bieten keinen Anlass für die Annahme, das Oberverwaltungsgericht habe bei der Feststellung von Doppelhäusern in der näheren Umgebung einen hiervon abweichenden Begriff des Doppelhauses zugrunde gelegt. Nach den Urteilsgründen handelt es sich bei dem gegenwärtigen Gebäude des Klägers und des Beigeladenen "auch" um ein Doppelhaus (UA S. 9). Diese Formulierung setzt einen einheitlichen Begriffsinhalt voraus. Damit steht fest, dass sich in der näheren Umgebung des klägerischen Grundstücks nur solche einseitig grenzständigen Haushälften befinden, die das begrifflich geforderte Mindestmaß an Übereinstimmung aufweisen und deshalb Doppelhäuser im Sinne des Senatsurteils vom 24. Februar 2000 (a.a.O.) sind. Diese mit Revisionsrügen nicht angegriffene Feststellung bindet den Senat (§ 137 Abs. 2 VwGO), insbesondere ist sie nicht zweifelsfrei aktenwidrig (vgl. Kraft, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 137 Rn. 70).

15

c) Damit prägen solche Gebäude die nähere Umgebung, die bei bauplanerischer Festsetzung einer offenen Bauweise zulässig sind (vgl. § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO). Dennoch bestimmt sich die Zulässigkeit des Vorhabens des Beigeladenen hinsichtlich der Bauweise nicht nach § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO. Die Vorschrift richtet sich an die planende Gemeinde (vgl. Urteil vom 16. September 1993 - BVerwG 4 C 28.91 - BVerwGE 94, 151 <154> = Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 118 S. 97). Anders als § 34 Abs. 2 BauGB für die Art der baulichen Nutzung verweist § 34 Abs. 1 BauGB hinsichtlich des Einfügens nach der Bauweise selbst dann nicht auf den Maßstab der Baunutzungsverordnung, wenn die nähere Umgebung der dort definierten offenen oder geschlossenen Bauweise entspricht. Den rechtlichen Maßstab bestimmt vielmehr § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB, wonach sich das Vorhaben des Beigeladenen nach seiner Bauweise in die nähere Umgebung einfügen muss.

16

Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts beseitigt das Vorhaben des Beigeladenen das bestehende Doppelhaus, führt aber nicht zur Entstehung eines neuen Doppelhauses. Es stützt sich für diese Würdigung auf quantitative Abweichungen, die zwei zusätzlichen Vollgeschosse und ein Staffelgeschoss, die unterschiedliche Höhe der Gebäudehälften und die Erweiterung im viergeschossigen Bereich sowie die zusätzliche Erweiterung im zweigeschossigen Bereich. Hinzu träten qualitative Gesichtspunkte, insbesondere die unterschiedlichen Dachformen (Satteldach auf der einen, Flachdach auf der anderen Seite). Diese Würdigung verstößt nicht gegen Bundesrecht. Zwar mahnt das Urteil vom 24. Februar 2000, den Begriff des Doppelhauses nicht bauordnungsrechtlich zu überladen. In dem städtebaulichen Regelungszusammenhang beurteilt sich die Frage, ob zwei an der gemeinsamen Grundstücksgrenze errichtete Gebäude noch ein Doppelhaus bilden, allein nach dem Merkmal des wechselseitigen Verzichts auf seitliche Grenzabstände, mit dem eine spezifisch bauplanerische Gestaltung des Orts- und Stadtbildes verfolgt wird (BVerwGE 110, 355 <361> = Buchholz 406.12 § 22 BauNVO Nr. 7 S. 6). Dennoch hängt die Qualifizierung zweier Gebäude als Doppelhaus nicht allein davon ab, in welchem Umfang die beiden Gebäude an der gemeinsamen Grundstücksgrenze aneinander gebaut sind. Es kann daher das Vorliegen eines Doppelhauses mit Blick auf die bauplanungsrechtlichen Ziele der Steuerung der Bebauungsdichte sowie der Gestaltung des Orts- und Stadtbildes geprüft und ein Mindestmaß an Übereinstimmung verlangt werden (Beschluss vom 10. April 2012 - BVerwG 4 B 42.11 - a.a.O. Rn. 12). Die Würdigung des Oberverwaltungsgerichts, bei Verwirklichung des Vorhabens des Beigeladenen entstände der Eindruck disproportionaler, zufällig in grenzständiger Weise nebeneinander gestellter Baukörper, wahrt diesen bundesrechtlichen Maßstab.

17

d) Das Vorhaben des Beigeladenen fügt sich damit in den Rahmen der Umgebungsbebauung nicht ein. Denn seine Verwirklichung führt nicht zu einem Doppelhaus, sondern zu einer einseitig grenzständigen Bebauung, für die es in der Umgebung an Vorbildern fehlt. Das Oberverwaltungsgericht hat auch ohne Verstoß gegen Bundesrecht angenommen, dass das Vorhaben geeignet ist, bodenrechtlich beachtliche Spannungen zu begründen (Urteile vom 26. Mai 1978 - BVerwG 4 C 9.77 - BVerwGE 55, 369 <386> = Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 63 S. 53 und vom 13. März 1981 - BVerwG 4 C 1.78 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 44 S. 7). Bodenrechtlich beachtliche und bewältigungsbedürftige Spannungen sind dadurch gekennzeichnet, dass das Vorhaben die vorhandene Situation in bauplanungsrechtlich relevanter Weise verschlechtert, stört oder belastet und das Bedürfnis hervorruft, die Voraussetzungen für seine Zulassung unter Einsatz der Mittel der Bauleitplanung zu schaffen (Urteil vom 16. September 2010 - BVerwG 4 C 7.10 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 212 Rn. 23). Hierfür reicht die mögliche Vorbildwirkung des Vorhabens (Urteil vom 26. Mai 1978 a.a.O.), die ein Bedürfnis nach planerischer Gestaltung auslösen kann (vgl. § 22 Abs. 4 BauNVO).

18

2. Das Oberverwaltungsgericht hat in Übereinstimmung mit Bundesrecht angenommen, dass dieser Rechtsverstoß Rechte des Klägers verletzt. Diese Auffassung wird in der Literatur geteilt (Blechschmidt, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Juni 2013, § 22 BauNVO Rn. 50; Upmeier, Mampel, BRS-Info 4/2012, S. 19; Aschke, in: Ferner/Kröninger/Aschke, BauGB, 3. Aufl. 2013, § 22 BauNVO Rn. 16; Wolf, Drittschutz im Bauplanungsrecht, Band 11, 2012, S. 175 f.).

19

a) Ein Drittschutz kann weder direkt noch analog aus § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO hergeleitet werden. Die Vorschrift entfaltet selbst im beplanten Bereich keinen Nachbarschutz. Nachbarschutz vermittelt hier vielmehr die planerische Festsetzung (Urteil vom 24. Februar 2000 a.a.O. S. 362 = Buchholz 406.12 § 22 BauNVO Nr. 7 S. 7), an der es im unbeplanten Bereich fehlt.

20

b) Der vom Oberverwaltungsgericht angenommene Drittschutz folgt vielmehr aus dem Gebot der Rücksichtnahme.

21

Ein Nachbar, der sich auf der Grundlage des § 34 Abs. 1 BauGB gegen ein Vorhaben im unbeplanten Innenbereich wendet, kann mit seiner Klage nur durchdringen, wenn eine angefochtene Baugenehmigung oder ein planungsrechtlicher Vorbescheid gegen das im Tatbestandsmerkmal des Einfügens enthaltene Gebot der Rücksichtnahme verstößt (stRspr, Beschluss vom 13. November 1997 - BVerwG 4 B 195.97 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 189 S. 59; Urteil vom 23. Mai 1986 - BVerwG 4 C 34.85 - Buchholz 406.11 § 34 BBauGB Nr. 114 S. 64). Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme setzt dabei einen Verstoß gegen das objektive Recht voraus (Urteil vom 26. September 1991 - BVerwG 4 C 5.87 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 103 S. 76 ). Er kann vorliegen, wenn ein Vorhaben zwar in jeder Hinsicht den aus seiner Umgebung hervorgehenden Rahmen wahrt, sich aber gleichwohl in seine Umgebung nicht einfügt, weil das Vorhaben es an der gebotenen Rücksicht auf die sonstige, also vor allem auf die in seiner unmittelbaren Nähe vorhandene Bebauung fehlen lässt (Urteil vom 26. Mai 1978 - BVerwG 4 C 9.77 - BVerwGE 55, 369 <385 f.> = Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 63 S. 52). Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot kann auch vorliegen, wenn sich ein Vorhaben objektiv-rechtlich nach seinem Maß der baulichen Nutzung, seiner Bauweise oder seiner überbauten Grundstücksfläche nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt (Beschluss vom 11. Januar 1999 - BVerwG 4 B 128.98 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 159 S. 3). Drittschutz wird gewährt, wenn in qualifizierter und individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist (Urteil vom 13. März 1981 - BVerwG 4 C 1.78 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 44 S. 99). Es kommt darauf an, dass sich aus den individualisierenden Tatbestandsmerkmalen der Norm ein Personenkreis entnehmen lässt, der sich von der Allgemeinheit unterscheidet (Urteil vom 19. September 1986 - BVerwG 4 C 8.84 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 71 S. 56).

22

Dies ist hier der Fall: Die Zulässigkeit einer Bebauung als Doppelhaus setzt den wechselseitigen Verzicht auf seitliche Grenzabstände an der gemeinsamen Grundstücksgrenze voraus. Dieser Verzicht bindet die benachbarten Grundeigentümer bauplanungsrechtlich in ein Verhältnis des gegenseitigen Interessenausgleichs ein. Ihre Baufreiheit wird zugleich erweitert und beschränkt. Durch die Möglichkeit des Grenzanbaus wird die bauliche Nutzbarkeit der Grundstücke erhöht. Das wird durch den Verlust seitlicher Grenzabstände an der gemeinsamen Grenze, die Freiflächen schaffen und dem Wohnfrieden dienen, "erkauft" (Urteil vom 24. Februar 2000 - BVerwG 4 C 12.98 - BVerwGE 110, 355 <359> = Buchholz 406.12 § 22 BauNVO Nr. 7 S. 4). Diese Interessenlage rechtfertigt es, dem Bauherrn eine Rücksichtnahmeverpflichtung aufzuerlegen, die eine grenzständige Bebauung ausschließt, wenn er den bisher durch das Doppelhaus gezogenen Rahmen überschreitet. Sie ist im beplanten und unbeplanten Bereich identisch. Dass die Rücksichtnahmepflichten im beplanten Gebiet auf einer planerischen Konzeption beruhen, führt auf keinen Unterschied. Denn im Fall des § 34 Abs. 1 BauGB ergeben sich die Beschränkungen der Baufreiheit regelmäßig aus der Umgebungsbebauung und nicht aus einer planerischen Konzeption.

23

Sachgesetzlichkeiten (Beschluss vom 19. Oktober 1995 - BVerwG 4 B 215.95 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 131 S. 12) fordern keine unterschiedliche Behandlung. Dass der Zulässigkeitsmaßstab bei § 34 Abs. 1 BauGB stets weniger scharf ist, lässt sich nicht sagen. Allerdings ist einzuräumen, dass den Nachbarn größere Hinnahmepflichten treffen, wenn die maßgebliche Umgebungsbebauung eine größere Wahlfreiheit als eine planerische Festsetzung eröffnet (vgl. Beschluss vom 11. März 1994 - BVerwG 4 B 53.94 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 166). So liegt es hier nicht, weil die Umgebungsbebauung nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts einen vergleichsweise engen Rahmen setzt. Anders als bei Festsetzungen nach den §§ 16 ff. BauNVO und § 23 BauNVO (vgl. Beschluss vom 19. Oktober 1995 a.a.O. S. 13) hängt es im Übrigen auch im beplanten Gebiet nicht vom Willen der Gemeinde ab, ob Festsetzungen nach § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO hinsichtlich der Nachbarn von Doppelhäusern dem Schutz des Nachbarn dienen. Schließlich kann für die "Doppelhaus"-Fälle eine so einheitliche Interessenlage angenommen werden, dass es jedenfalls grundsätzlich einer Betrachtung der konkreten Situation nicht bedarf. Dass hier ausnahmsweise etwas Anderes gelten könnte, ist nicht ersichtlich. Namentlich reicht der Hinweis des Beigeladenen nicht aus, dass die bestehenden Haushälften die Bebauungsmöglichkeiten derzeit nicht vollständig ausnutzen. Dies betrifft das Maß der baulichen Nutzung, berührt aber das nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB zu erfüllende Erfordernis eines Einfügens nach der Bauweise nicht.


Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Mainz vom 6. November 2009 wird zurückgewiesen. Auf die Berufung des Beklagten wird dieses Urteil abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge hat der Kläger zu tragen, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Entfernung von Altglassammelbehältern, die gegenüber seinem Wohngebäude aufgestellt wurden. Zudem streiten die Beteiligten über die Verpflichtung der Beklagten, an den Sammelbehältern Hinweise darauf anzubringen, dass eine Benutzung außerhalb der zugelassenen Zeiten eine bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit darstelle.

2

Der Kläger ist Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Anwesens H. (Flurstück Nr. ...) in I. Das Grundstück befindet sich im Geltungsbereich des Bebauungsplans „H. - 7. Änderung“, der das entsprechende Gebiet als allgemeines Wohngebiet ausweist.

3

Bis Oktober 2008 waren auf der gegenüberliegenden Seite der Straße „H.“ in etwa 25 m Entfernung vom Grundstück des Klägers in nordwestlicher Richtung sechs Altglascontainer ebenerdig aufgestellt. Ende Oktober 2008 wurde der Containerstandort um etwa 40 m in östlicher Richtung auf das Grundstück Flurstück Nr. ... in die Nähe des Einmündungsbereiches der A.straße in die Straße „H.“ verlegt, so dass sich der Altglassammelplatz nun in nordöstlicher Richtung zum Wohngebäude des Klägers in einer Entfernung von etwa 18 m befindet. Der neue Containerstandort wurde mit 6 Unterflursammelbehältern ausgestattet, bei denen die Sammelbehältnisse mit Ausnahme eines Einwurfschachtes unterirdisch eingebaut sind. Diese Sammelbehälter weisen üblicherweise eine Auskleidung mit Polyurethan im Boden- und Deckenbereich sowie mit Recyclinggummi an den Seitenwänden auf. Zur Minderung des Aufpralls sind in den Containern Textilbänder angebracht.

4

Grundlage der Containeraufstellung ist ein zwischen der Beklagten und der Beigeladenen am 14. März 2006 geschlossener Vertrag über die Bereitstellung von Iglu-Standplätzen, wonach die Beklagte entsprechende Standplätze zur Sondernutzung zur Verfügung stellt. Soweit einzelne Standplätze mit Unterflur-Containern ausgestattet werden, behält sich die Beklagte das Eigentum an den Containern vor. An den Containern ist ein Hinweis mit folgendem Inhalt angebracht: „Bitte nehmen Sie Rücksicht auf Ihre Mitbürger und werfen Sie das Altglas nur werktags von 7.00 bis 19.00 Uhr ein. Vielen Dank!“

5

Vor Einrichtung des neuen Containerstandortes wandte sich der Kläger mit Schreiben vom 9. September 2008 an die Beklagte und führte Beschwerde darüber, dass er bereits durch den bisherigen Standort Lärmbelästigungen ausgesetzt sei. Diese ergäben sich etwa daraus, dass die Sammelbehälter nachts und an Sonn- und Feiertagen genutzt würden. Zudem befürchte er eine Gefährdung dadurch, dass - wie auch bislang schon wegen auf der gegenüberliegenden Straßenseite geparkter Fahrzeuge - der Kraftfahrzeugverkehr auf den Bürgersteig ausweiche. Mit weiteren an die Beklagte nach Einrichtung des neuen Standortes gerichteten Schreiben verwies er darauf, dass die Lärmbelästigung durch die Container unzumutbar sei und Einwürfe nachts und an Sonntagen erfolgten. Er forderte die Beklagte auf, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Zeiten des Flascheneinwurfs verbindlich zu regeln.

6

Die Beklagte erwiderte auf die Einwände des Klägers, der Einsatz von Unterflurcontainern führe dazu, dass keine Abfälle mehr illegal an den Standorten abgelagert würden. Zudem verursachten diese Container aufgrund ihrer Bauweise eine nur noch geringe Lärmbelästigung. Schließlich sei zu erwarten, dass das Auftreten von Ratten, wie dies am bisherigen Standort festgestellt worden sei, unterbleibe.

7

Am 11. März 2009 hat der Kläger Klage erhoben, zu deren Begründung er dargelegt hat, ihm stehe ein öffentlich-rechtlicher Folgenbeseitigungsanspruch mit dem Ziel zu, die Container zu entfernen. Das Einwerfen von Altglas außerhalb der zugelassenen Nutzungszeiten verursache unzumutbare Lärmbelästigungen. Der Standort an der Zufahrtsstraße zum Wohngebiet lege eine Nutzung außerhalb der zugelassenen Zeiten nahe. Die aufgeklebten Hinweise würden als unverbindliche Anweisungen verstanden. Zudem finde keine Kontrolle der Nutzungszeiten durch die Beklagte statt. Bei Gegenverkehr seien die Fahrzeugführer vielfach gezwungen, auf den Bürgersteig vor dem Anwesen des Klägers auszuweichen. Weshalb die Unterflurcontainer nicht am bisherigen Standort hätten aufgestellt werden können, sei nicht nachvollziehbar.

8

Der Kläger hat beantragt,

9

die Beklagte zu verpflichten, die in der Straße „H.“ in I. aufgestellten 6 Altglas-Container zu entfernen sowie den Standort der Beigeladenen auch ansonsten nicht zur Verfügung zu stellen, hilfsweise der Beklagten aufzugeben, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass die Altglas-Container nur werktags von 7.00 bis 20.00 Uhr genutzt werden können.

10

Die Beklagte hat beantragt,

11

die Klage abzuweisen.

12

Sie hat darauf verwiesen, dass sie sich im Rahmen der vertraglichen Vereinbarung darauf beschränke, Standorte für Altglas-Container zur Verfügung zu stellen. Die weiteren mit der Nutzung der Standorte verbundenen Verpflichtungen trage die Beigeladene. Die eingesetzten Unterflurcontainer seien als besonders geräuscharm anzusehen. Standortalternativen hätten sich nicht ergeben. Ein jenseits der Einmündung A.straße gelegenes Gelände sei wegen der schwierigen Anfahrbarkeit und aus Platzgründen nicht in Betracht gekommen. Der von den Containern ausgehende Schallleistungspegel belaufe sich bei leerem Container auf 73 d(B)A und bei teilgefülltem Container auf 74 d(B)A. Der Containerstandort animiere nicht in besonderem Maße dazu, Altglas außerhalb der zugelassenen Nutzungszeiten einzuwerfen. Die Aufstellung entsprechender Sammelbehälter innerhalb eines Wohngebietes sei als sozial-adäquate Nutzung anzusehen. Die Hinweise auf die Benutzungszeiten seien hinreichend. Der Containerstandort werde in unregelmäßigen Abständen durch Mitarbeiter des Ordnungsamtes der Beklagten kontrolliert.

13

Die Beigeladene hat sich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht geäußert.

14

Mit Urteil vom 06. November 2009 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet, die Hinweisschilder auf die Einwurfzeiten an dem Altglas-Sammelstandort „H.“ auszutauschen gegen Hinweisschilder, auf denen auf die 32. BImSchV, die Einwurfzeiten nach deren § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 sowie darauf hingewiesen werde, dass ein Zuwiderhandeln eine bußgeldbewerte Ordnungswidrigkeit darstelle. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen darauf abgestellt, dass das Aufstellen von Sammelbehältern in einem allgemeinen Wohngebiet zulässig sei. Eine Unzumutbarkeit entstehe erst dann, wenn die Belastung der Nachbarschaft über das hinausgehe, was typischerweise mit dem Betrieb eines derartigen Standortes verbunden sei. Die Auswahl des neuen Sammelplatzes sei nachvollziehbar. Der Kläger werde keinen Geräuschimmissionen ausgesetzt, die nach dem Stand der Technik vermeidbar wären. Die Lärmimmissionen lägen erheblich unter den zulässigen Werten. Der Vortrag des Klägers lasse nicht erkennen, dass eine Erhöhung der Gefahr durch den Straßenverkehr vor seinem Haus eingetreten sei, die ein behördliches Einschreiten erforderlich mache. Indessen habe der Kläger einen Anspruch darauf, dass die Beklagte Benutzer unmissverständlich darauf hinweise, dass der Altglaseinwurf nur an Werktagen in der Zeit von 7.00 bis 20.00 Uhr erlaubt sei und Zuwiderhandlungen eine Ordnungswidrigkeit darstellten. Die entsprechenden Vorgaben ergäben sich aus der 32. Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes. Hiernach handele ordnungswidrig, wer einen Altglassammelbehälter außerhalb der in der Verordnung vorgesehenen Zeiten, werktags zwischen 7.00 und 20.00 Uhr, betreibe. Betreiber im Sinne der Verordnung sei jeder, der Altglas in einen Sammelbehälter einwerfe.

15

Mit seiner vom Senat zugelassenen Berufung begehrt der Kläger weiterhin die Entfernung der Altglas-Container. Er legt hierzu dar, dass weitere Standorte zur Verfügung stünden, bei denen eine geringere Belastung zu erwarten sei als am derzeitigen Altglas-Sammelplatz. So bestehe die Möglichkeit, die Container auf dem Flurstück Nr. ... entlang der A.straße aufzustellen. Die Straße erlaube die Zufahrt mit Entsorgungsfahrzeugen. Dass der Gegenverkehr bei der Vorbeifahrt an dem Container-Standort den Bürgersteig unter bestimmten Voraussetzungen in Anspruch nehmen müsse, belege der Umstand, dass eine vor dem Anwesen des Klägers stehende Mülltonne angefahren und von dem Unfallfahrer entwendet worden sei.

16

Der Kläger beantragt,

17

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Mainz vom 6. November 2009 die Beklagte zu verurteilen, die in der Straße „H.“ in I. aufgestellten 6 Altglas-Container zu entfernen sowie den Standort der Beigeladenen auch ansonsten nicht zu Verfügung zu stellen.

18

Die Beklagte beantragt,

19

die Berufung zurückzuweisen

20

und legt dar, dass beabsichtigt sei, das Grundstück Flurstück Nr. ... zu bebauen, was eine Nutzung als Container-Standort ausschließe. Zudem sei die A.straße nur für Fahrzeuge bis zu einer Nutzlast von 22 t ausgelegt. Die Entsorgungsfahrzeuge wiesen indessen ein zulässiges Gesamtgewicht von 26 t auf. Weiterhin kreuze die geplante Verlängerung eines Radwegs die Einmündung A.straße und damit die Zufahrt zu dem Container-Standort. Östlich der A.straße beginne zudem das Naturschutzgebiet „Hangflächen am B. Weg“. Das gelegentliche Überfahren des Bürgersteigs sei nicht ursächlich auf den Container-Standort zurückzuführen, sondern auch bei unabhängig von dem Sammelplatz geparkten Fahrzeugen denkbar.

21

Mit ihrer ebenfalls vom Senat zugelassenen Berufung greift die Beklagte das verwaltungsgerichtliche Urteil insoweit an, als sie zum Austausch der Hinweisschilder verpflichtet wurde, und führt hierzu aus, dass sie lediglich für die Bereitstellung der Standorte zuständig sei. Alle weiteren mit der Benutzung der Behälter zusammenhängenden Pflichten träfen die Beigeladene. Zudem sei nicht sicher, dass die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts zur ordnungswidrigkeitenrechtlichen Relevanz eines Einwurfs außerhalb der Nutzungszeiten auch von dem für diese Beurteilung zuständigen Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit geteilt würde. Der verwaltungsgerichtliche Ausspruch sei zudem nicht geeignet, dem Antrag des Klägers zu genügen, wonach sichergestellt werden soll, dass die Container nicht außerhalb der Einwurfzeiten genutzt werden könnten.

22

Die Beklagte beantragt,

23

unter Abänderung des Urteils vom 6. November 2009 die Klage insgesamt abzuweisen.

24

Der Kläger beantragt,

25

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

26

Die Beklagte sei, da sie sich nicht darauf beschränkt habe, einen Standort für den Sammelplatz zur Verfügung zu stellen, als Betreiberin des Container-Standortes anzusehen. Auch zur Warnung der die Container benutzenden Bürger sei es geboten, auf die Einhaltung der Nutzungszeiten und die Möglichkeit der Ahndung von Verstößen hinzuweisen.

27

Die Beigeladene hat sich auch im Berufungsverfahren nicht geäußert.

28

Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus der Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens und den beigezogenen Verwaltungsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

I.

29

Die Berufung des Klägers bleibt erfolglos.

30

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass dem Kläger kein Anspruch darauf zusteht, dass die Beklagte die in der Straße „H.“ in I. aufgestellten sechs Altglascontainer entfernt und den Standort der Beigeladenen auch ansonsten nicht zur Verfügung stellt.

31

1. Die Voraussetzungen eines öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungs- oder -unterlassungsanspruchs, der als Grundlage für das Begehren des Klägers alleine in Betracht kommt, liegen in seinem Falle nicht vor.

32

Mit einem solchen Anspruch, dessen Grundlage aus einem grundrechtlichen Abwehranspruch nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG oder aus einer analogen Anwendung der §§ 1004 und 906 BGB hergeleitet wird, kann sich der Betroffene gegen eine Beeinträchtigung zur Wehr setzen, die Folge eines schlicht-hoheitlichen Handelns der Verwaltung ist und sich als unzumutbar erweist (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Januar 1989, BVerwGE 81, 197, 199 f. und juris, Rn. 17; Sächs.OVG, Beschluss vom 17. Dezember 2007 - 4 B 612/06 - juris, Rn. 21 ff.; HessVGH, Urteil vom 24. August 1999, NVwZ-RR 2000, 668, 669 und juris, Rn. 38).

33

2. Der Kläger wendet sich zwar gegen Beeinträchtigungen, die sich auf ein schlicht-hoheitliches Handeln der Beklagten zurückführen lassen. Bei der Festlegung der Standorte für Altglas-Sammelbehälter nimmt die Beklagte eine hoheitliche Aufgabe war. Ihre Verwaltung kommt insoweit der in § 4 Abs. 5 Landesabfallwirtschaftsgesetz - LAbfWG - umschriebenen Aufgabe nach, den Landkreis Mainz-Bingen als öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger (§ 3 Abs. 1 Satz 1 LAbfWG) bei seiner Tätigkeit zu unterstützen. Dieser wiederum wirkt bei der Einrichtung von Sammelsystemen nach der Verordnung über die Vermeidung und Verwertung von Verpackungsabfällen (Verpackungsverordnung) mit. Auch § 4 Abs. 1 der Satzung über die Vermeidung, Verwertung und sonstige Entsorgung von Abfällen im Landkreis Mainz-Bingen (Abfallwirtschaftssatzung - AWS -) sieht vor, dass die Gemeinde-, Verbandsgemeindeverwaltungen und die Verwaltungen der großen kreisangehörigen Städte dem Landkreis bei der Erfüllung seiner Aufgaben zur Abfallentsorgung zur Hand gehen. Neben dieser gesetzlich und satzungsmäßig vorgesehenen Beteiligung der Beklagten bei der Aufgabenerfüllung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers spricht auch die in der Vereinbarung zwischen Beklagter und Beigeladener vom 14. März 2006 gewählte Formulierung, wonach die Beklagte die Standplätze zur Sondernutzung zur Verfügung stellt, dafür, dass sie hierbei eine öffentlich-rechtliche Aufgabe wahrnimmt.

34

Mit der Auswahl des Containerstandorts sowie der Bestimmung von Art und Anzahl der Sammelbehälter legt die Beklagte Anknüpfungspunkte fest, aus denen sich mögliche Beeinträchtigungen der Nachbarschaft ergeben können und trägt hiermit neben dem Betreiber der Sammelbehälter die Verantwortung dafür, dass durch diese Festlegung keine Störung verursacht wird, die von den Anwohnern nicht mehr hingenommen werden muss (vgl. HessVGH, Urteil vom 24. August 1999, a.a.O., S. 669 und juris, Rn. 41).

35

3. Der Kläger wird indessen durch die in der Straße „H.“ eingerichteten Unterflurglascontainer nicht unzumutbar beeinträchtigt.

36

a. Der Kläger wird durch die Sammelbehälter in der Straße „H.“ keiner unzumutbaren Lärmbelastung ausgesetzt.

37

Maßstab für die Beurteilung der Lärmeinwirkung sind die §§ 22 Abs. 1 und 3 Abs. 1 des Bundesimmissionsschutzgesetzes - BImSchG -. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG sind nicht genehmigungsbedürftige Anlagen - um eine solche handelt es sich bei den Altglascontainern - so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen entweder verhindert werden, sofern sie nach dem Stand der Technik vermeidbar sind (Nr. 1), oder auf ein Mindestmaß beschränkt werden, soweit sie nach dem Stand der Technik nicht vermieden werden können (Nr. 2). Schädliche Umwelteinwirkungen sind dabei nach der gesetzlichen Definition des § 3 Abs. 1 BImSchG Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Januar 1989, a.a.O. und juris, Rn. 17, BayVGH, Beschluss vom 27. Oktober 1993 - 26 CE 92.2699 - juris, Rn. 8, OVG NRW, Beschluss vom 28. Februar 2001, NVwZ 2001, 1181 und juris, Rn. 7).

38

Ob eine Belästigung als erheblich anzusehen ist, kann nicht alleine anhand der Vorgaben technischer Regelwerke beurteilt werden, vielmehr ist die Beurteilung dieser Frage Teil einer einzelfallbezogenen Würdigung durch das Gericht (BVerwG, Beschluss vom 3. Mai 1996, NVwZ 1996, 1001, 1002 und juris, Rn. 8). Hierbei spielt insbesondere auch der Begriff der sozialen Adäquanz einer Lärmeinwirkung eine Rolle. Hierunter sind Verhaltensweisen oder Zustände zu verstehen, die sich im sozialen Zusammenleben ergeben und die sich möglicherweise für den Einzelnen sogar nachteilig auswirken, von der Bevölkerung insgesamt aber hingenommen werden, weil sie sich noch in den Grenzen des sozial Üblichen und Tolerierbaren handeln (vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. Mai 1996, a.a.O., S.1001 und juris, Rn. 5).

39

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs sind Wertstoffcontainer grundsätzlich innerhalb von (allgemeinen) Wohngebieten als sozial adäquat und damit als nicht erheblich störend anzusehen. Dies ist maßgeblich darauf zurückzuführen, dass die Sammelsysteme nach der Verpackungsverordnung, die in der Bevölkerung eine hohe Akzeptanz genießen, für ihr Funktionieren darauf angewiesen sind, dass die erforderlichen Sammelbehälter in der Nähe der Haushalte aufgestellt werden (vgl. BayVGH, Beschluss vom 27. Oktober 1993 - 26 CE 92.2699 -, juris, Rn. 12; HessVGH, Urteil vom 24. August 1999, a.a.O., S. 669 und juris, Rn. 49). Standorte für Wertstoffcontainer sind deshalb innerhalb eines als allgemeines Wohngebiet festgesetzten Gebietes als untergeordnete Nebenanlagen gemäß § 14 Abs. 1 BauNVO bauplanungsrechtlich allgemein zulässig (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Oktober 1998, NVwZ 1999, 298 und juris, Rn. 4).

40

Ist hiernach grundsätzlich von der Sozialadäquanz des in der Straße „H.“ eingerichteten Containerstandortes auszugehen, so erweist sich der Sammelplatz nur dann als unzulässig, wenn besondere Umstände hinzutreten, die die Belastung über das Maß hinaus ansteigen lassen, das typischerweise zugemutet wird (BVerwG, Beschluss vom 3. Mai 1996, a.a.O., S. 1002 und juris, Rn. 7). Hiervon kann indessen im Falle des Klägers nicht ausgegangen werden. Gegen eine außergewöhnliche Beeinträchtigung, die über die in einem allgemeinen Wohngebiet üblicherweise zu erwartende Belastung durch Altglascontainer hinausgeht, spricht bereits der Umstand, dass die eingesetzten Unterflurcontainer die derzeit geltenden Vorgaben des RAL Deutschen Instituts für Gütesicherung und Kennzeichnung e.V. aus dem Februar 2007 für lärmgeminderte Sammelbehälter (RAL-UZ 21 - www.blauer-engel.de/de/produkte_marken/produktsuche/ produkttyp.php?id=206) erfüllen. Nach Ziffer 3.1 dieser Kriterien muss ein mit dem Umweltzeichen „Der blaue Engel“ gekennzeichneter Altglascontainer einen Schallleistungspegel von höchstens 91 db(A) einhalten. Hiervon ist angesichts des in der Verwaltungsakte befindlichen Prüfzeugnisses (Bl. 36) auszugehen, das Messwerte von 73 db(A) als Schallleistungspegel für den leeren und 74 db(A) für den teilgefüllten Container ausweist. Selbst wenn die Messung nicht den Vorgaben der damals noch nicht in Geltung befindlichen Richtlinie 2000/14/EG entsprochen haben sollte, ist angesichts der großen Differenz zwischen Messwerten und dem Grenzwert davon auszugehen, dass die Container auch die heute geltenden Erfordernisse erfüllen. Auch hinsichtlich seiner räumlichen Anordnung zur Wohnbebauung befindet sich der Containerstandort innerhalb eines Bereichs, der nach dem Merkblatt „Vermeidung von Lärmproblemen bei der Altglassammlung in Wohngebieten“ des Umweltbundesamtes innerhalb eines Wohngebietes als mit der Wohnnutzung verträglich angesehen werden kann (www.umweltbundesamt.de/laermprobleme/publikationen/altglas.html). Das Umweltbundesamt sieht bei Verwendung von Altglascontainern der Geräuschklasse I/UZ 21 einen Abstand zwischen Container und Immissionsort von mindestens 12 m als ausreichend an. Das Wohngebäude des Klägers liegt etwa 18 m von dem Containerstandort entfernt und genügt damit diesen Anforderungen.

41

b. Der Kläger kann sich zur Begründung eines Folgenbeseitigungsanspruchs weiterhin auch nicht darauf berufen, dass er durch die Standortentscheidung der Beklagten in unverhältnismäßiger Weise beeinträchtigt wird. Da es sich bei der Festlegung der Standorte für Altglassammelbehälter um eine abfallrechtliche Konzeption der Behörde mit planerischen Elementen handelt, steht ihr bei der Festlegung der Containerstandorte ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Die Entscheidung der Beklagten erweist sich danach nur dann als fehlerhaft, wenn sie einen Standort nicht berücksichtigt hat, der bei zumindest vergleichbarer Eignung im Hinblick auf die Wirksamkeit des Sammelsystems sich in erheblichem Umfang weniger störend auf die Wohnnutzung in der Umgebung auswirkt und sich deshalb der Behörde als für die umgebende Bebauung schonenderer Sammelplatz hätte aufdrängen müssen (vgl. HessVGH, Urteil vom 24. August 1999, a.a.O., S. 670 und juris, Rn. 62 ff.; SächsOVG, Beschluss vom 17. Dezember 2007 - 4 B 612/06 -, juris, Rn. 29).

42

Die Beklagte hat hierzu nachvollziehbar dargelegt, dass in Betracht kommende Alternativstandorte am Rande des Wohngebietes gegenüber dem ausgewählten Sammelplatz weniger geeignet sind. So müsste ein auf dem Grundstück Flurstück Nr. 100/2 gelegener Sammelplatz über die H.straße angefahren werden. Dies bereitet allerdings deshalb Probleme, weil die Straße lediglich für eine Nutzlast von 22 t ausgebaut und damit nicht für das Gewicht eines Entsorgungsfahrzeuges mit bis zu 26 t ausgelegt ist. Auf die Nutzung der Straße durch vergleichbar schwere Fahrzeuge zur Abfallentsorgung im Rahmen der Abholsysteme kann sich der Kläger nicht berufen, da hier eine Notwendigkeit besteht, die an der Straße gelegenen Wohngrundstücke anzufahren. Des Weiteren ergeben sich Schwierigkeiten, weil die geplante Verlängerung eines Radweges die A.straße im Einmündungsbereich zur Straße „H.“ kreuzen soll und damit eine Querung mit dem Anlieferverkehr zum Containerstandort bestünde. Zudem ist für das betreffende Grundstück eine Wohnbebauung vorgesehen. Insoweit kann der Kläger nicht verlangen, dass sein Ruhebedürfnis in jedem Fall gegenüber den Nutzungsabsichten der Beklagten Vorrang genießt. Vielmehr handelt es sich hierbei um einen Gesichtspunkt, der neben anderen Aspekten in die gestalterische Abwägung der Beklagten einfließt. Dass die Beklagte die einzelnen Belange fehlerhaft gewichtet hätte, ist indessen nicht ersichtlich. Eine Verlegung auf das Grundstück Flurstück Nr. 100/1 bereitet insoweit Schwierigkeiten, als dort Versorgungsleitungen verlegt sind. Zudem ist der Abstand zur Wohnbebauung mit dem derzeitigen Standort vergleichbar. Eine Umgestaltung des ursprünglichen Containerstellplatzes scheitert wiederum daran, dass aufgrund einer vergleichbaren Entfernung zur dortigen Wohnbebauung keine geringere Beeinträchtigung zu erwarten ist. Zudem war der dort aufgetretene Rattenbefall gerade Anlass dafür, den Sammelplatz zu verlagern.

43

Für die vom Kläger im Berufungsverfahren weiterhin benannten Parzellen Flurstück-Nr. ... und ... ergeben sich die gleichen Probleme der verkehrlichen Erschließung, wie dies bei den anderen in der A.straße gelegenen Standorten der Fall ist. Zudem befinden sich diese Flächen im Geltungsbereich der Rechtsverordnung über das Naturschutzgebiet „Hangflächen um den B. Weg“, nach deren § 4 Abs. 1 Nr. 1 die Errichtung baulicher Anlagen grundsätzlich verboten ist.

44

c. Im Hinblick auf die vom Kläger dargelegte Nutzung der Sammelbehälter außerhalb der vorgesehenen Einwurfzeiten ist schließlich nicht ersichtlich, dass der Standort Besonderheiten aufweist, die eine solche missbräuchliche Nutzung nahelegen. Diese Besonderheiten können sich gerade nicht aus der Tatsache ergeben, dass der Containerstandort verkehrsgünstig gelegen ist und dadurch die Nutzer animiert, auch außerhalb der zugelassenen Zeiten Altglas einzuwerfen. Vielmehr ist eine Lage zum Wohngebiet, die eine hohe Akzeptanz der Sammelbehälter mit sich bringt, gerade Voraussetzung für das Funktionieren der Wertstoffsammlung und daher als abfallwirtschaftlich erwünscht anzusehen. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang einen unzureichenden Hinweis auf die zulässigen Einwurfzeiten rügt, kann hieraus keine Beeinträchtigung erwachsen, die die Entfernung der Sammelbehälter zur Folge hat. Vielmehr ist sein Abwehrrecht darauf beschränkt, eine Anbringung geeigneter Hinweisschilder zu fordern.

45

d. Der Kläger wird schließlich auch nicht im Zusammenhang mit dem von ihm angesprochenen Umstand, dass dem Gegenverkehr ausweichende Kraftfahrzeugführer den Bürgersteig vor seinem Anwesen nutzen, in unzumutbarer Weise durch den Standort der Altglassammelbehälter beeinträchtigt. Einerseits ist aus seiner Schilderung nicht ersichtlich, dass die hierdurch entstehende Gefährdung ein solches Ausmaß angenommen hätte, dass von einer außergewöhnlichen Beeinträchtigung des Klägers ausgegangen werden könnte. Zum anderen kann nicht ohne weiteres darauf geschlossen werden, dass die Wahl des Containerstandortes ursächlich für das vom Kläger beobachtete Verhalten der Kraftfahrzeugführer ist. Vielmehr kann Auslöser für ein solches Verhalten, wie es nach seiner Darstellung auch schon vor der Standortverlegung der Fall war, jedes auf der gegenüberliegenden Seite der Straße „H.“ geparkte Fahrzeuge sein.

II.

46

Die Berufung der Beklagten hat hingegen Erfolg.

47

Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte, dass an dem Altglassammelstandort Hinweisschilder auf die Einwurfzeiten angebracht werden, die unter Berücksichtigung der Vorgaben des Verwaltungsgerichtes formuliert werden. Auch für diesen, auf den Hilfsantrag des Klägers im erstinstanzlichen Verfahren ergangenen Ausspruch kommt als Grundlage der öffentlich-rechtliche Folgenbeseitigungs- bzw. Unterlassungsanspruch in Betracht.

48

1. Insoweit ist allerdings bereits nicht ersichtlich, dass die Beklagte nicht das ihr zu Gebote Stehende getan hätte, um einer rechtswidrigen Benutzung der Altglasbehälter vorzubeugen.

49

In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine unrechtmäßige Benutzung durch Dritte der Körperschaft, die nur für die Standortentscheidung verantwortlich ist, dann nicht zugerechnet werden kann, wenn die Behörde einer missbräuchlichen Nutzung durch einen an den Containern angebrachten Hinweis auf die Einhaltung der Einwurfzeiten Rechnung trägt (vgl. BayVGH, Beschluss vom 27. Oktober 1993 - 26 CE 92.2699 -, juris Rn. 15; HessVGH Urteil vom 24.08.1999, a.a.O., S. 670 und juris Rn. 41)

50

Eine entsprechende Beschränkung der Vorkehrungen stellt sich als folgerichtig dar, da sich die Verantwortlichkeit der Behörde lediglich aus ihrer Mitwirkung bei der Standortwahl ergibt – sowie im Falle der Beklagten aus der Vorgabe der Containerart - und sie daher nur insoweit zur Verantwortung gezogen werden kann, als sich mögliche Beeinträchtigungen als Konsequenzen aus dieser Standortentscheidung ergeben. Auswirkungen, die sich aus dem Betrieb der Anlage selbst oder aus einer trotz der getroffenen Vorkehrungen erfolgenden missbräuchlichen Benutzung durch Dritte ergeben, sind indes im Regelfall dem Verantwortungsbereich des Betreibers der Altglassammelbehälter und damit der Beigeladenen zuzuordnen. Ausnahmen von diesem Grundsatz können sich allenfalls dann ergeben, wenn die Beeinträchtigungen ein solches Ausmaß annehmen, dass die Standortentscheidung selbst hierdurch in Frage gestellt wird. Dabei ist zu berücksichtigen, dass einer Nutzung außerhalb der zugelassenen Zeiten zwar so weit wie möglich vorgebeugt werden muss, sie mit vertretbaren Mitteln letztlich aber nicht vollständig verhindert werden kann und in gewissem Umfang von den betroffenen Anwohnern hinzunehmen ist.

51

Im Falle der Beklagten ist nicht ersichtlich, dass sie mit den von ihr veranlassten Hinweisschildern die erforderlichen Vorkehrungen zur Vermeidung einer missbräuchlichen Nutzung nicht getroffen hat. Die an den Behältern angebrachten Hinweise genügten den Anforderungen, dem Schutzbedürfnis der Anwohner Rechnung zu tragen, dann nicht, wenn sie lediglich eine unverbindliche Empfehlung aussprächen und nicht herausstellten, dass sie auf eine verbindlich einzuhaltende Regelung Bezug nehmen. Der von der Beklagten konzipierte Aufkleber geht jedoch über eine bloße Empfehlung hinaus.

52

Zwar ist der Text des Hinweises lediglich als Appell formuliert, indem die Nutzer des Sammelplatzes um Rücksichtnahme auf ihre Mitbürger gebeten werden. Dass mit der Angabe der Öffnungszeiten aber eine verbindliche Festlegung erfolgen soll, ergibt sich einerseits aus der roten Farbgebung des Textes, andererseits aus dem Umstand, dass die Angabe der Einwurfzeiten nochmals gesondert unterstrichen wurde und der auf sie verweisende Teilsatz mit dem Wort „nur“ eingeleitet wird. Hieraus kann der Leser entnehmen, dass ein Einwurf ausschließlich zu den benannten Zeiten zulässig sein soll. Hiernach hat aber die Beklagte die erforderlichen Vorkehrungen zur Vermeidung einer missbräuchlichen Benutzung der Sammelbehälter getroffen. Überdies hat sie bereits in der Vergangenheit Kontrollen des Standortes durch ihr Ordnungsamt veranlasst und in der mündlichen Verhandlung des Senates angekündigt, die Überprüfungen auch auf Zeiten außerhalb der üblichen Dienstzeiten ausdehnen zu wollen. Auch insoweit trägt sie aber ergänzend zu der Veranlassung der Hinweisschilder ihrer Verantwortung im Hinblick auf die Auswahl des Containerstandortes Rechnung.

53

2. Hinzu kommt, dass der Behörde bei der Ausgestaltung der Hinweisschilder und der Formulierung der entsprechenden Texte ein auch vom Gericht zu beachtender Gestaltungsspielraum zuzubilligen ist. Dieser ergibt sich daraus, dass die Behörde und das mit dem Betrieb des Sammelplatzes beauftragte Unternehmer über entsprechende Erfahrungen mit anderen Standorten verfügen und die Gegebenheiten vor Ort besser einschätzen können. So lässt sich nicht von vorneherein feststellen, dass ein restriktiv formulierter Hinweistext wirkungsvoller ist, als ein an das Verantwortungsgefühl der Nutzer appellierender Hinweis. Soweit der Kläger hierzu in der mündlichen Verhandlung des Senates auf die Situation des Straßenverkehrsrechtes verwiesen hat, ist ihm entgegen zu halten, dass es gerade in diesem Bereich häufig trotz des Bewusstseins, eine bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit zu begehen, zu Übertretungen kommt.

54

Dass das Verwaltungsgericht die Grenzen der Kontrolle des behördlichen Spielraums bei seiner Entscheidung im Hinblick auf den Nutzungshinweis überschritten hat, zeigt sich auch daran, dass es im Ergebnis den Anwohnerschutz eingeschränkt hat. Während die Beklagte Einwurfzeiten werktags von 7.00 bis 19.00 Uhr vorsah, wäre sie aufgrund der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung gezwungen, die Einwurfzeiten um eine Stunde bis 20.00 Uhr hinauszuschieben. Hiermit greift das Gericht aber in die Schutzkonzeption der Beklagten ein.

55

Schließlich kann die Beklagte auch deshalb nicht in dem vom Verwaltungsgericht vorgesehenen Umfang verpflichtet werden, weil der Formulierung des Tenors die Überlegung zugrunde liegt, dass der Ordnungswidrigkeitentatbestand des § 9 Abs. 2 Nr. 1 der 32. Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes - 32. BImSchV -, wonach derjenige ordnungswidrig handelt, der entgegen § 7 Abs. 1 Satz 1 ein Gerät oder eine Maschine betreibt, von demjenigen verwirklicht wird, der innerhalb der in § 7 Abs. 1 Nr. 1 32. BImSchV genannten Zeiten Altglas in die Container einwirft.

56

Die Benutzer eines Altglassammelbehälters können indessen nicht als Betreiber im Sinne der genannten Vorschriften angesehen werden. § 7 Abs. 1 Nr. 1 32. BImSchV bestimmt, dass Geräte und Maschinen nach dem Anhang zu dieser Verordnung an Sonn- und Feiertagen ganztägig sowie an Werktagen in der Zeit zwischen 20.00 und 7.00 Uhr nicht betrieben werden dürfen. Nach Nr. 22 des Anhangs fallen Altglassammelbehälter in den Anwendungsbereich der Verordnung. Wer als Betreiber eines solchen Altglassammelbehälters anzusehen ist, ergibt sich indessen aus der der Verordnung zugrunde liegenden Richtlinie 2000/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Mai 2000 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über umweltbelastende Geräuschimmissionen von zur Verwendung im Freien vorgesehenen Geräten und Maschinen (ABl. L 162 vom 3.7.2000, S. 1). In Anhang I dieser Richtlinie ist der Altglassammelbehälter umschrieben als Behälter aus beliebigem Material zur Einsammlung von Flaschen. Hiernach ist aber nach Wortlaut und Zwecksetzung der Definition Betreiber nicht derjenige, der den Behälter zur Entsorgung seines Altglases nutzt. Vielmehr setzt die Betreiberschaft voraus, dass der Container zweckentsprechend zur Einsammlung von Flaschen bereit gehalten wird. Hinzu kommt, dass das Betreiben eines Gerätes oder einer Maschine die tatsächliche Sachherrschaft über dieses Objekt voraussetzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2003 - 3 C 47/02 – juris, Rn. 21). Betreiber ist hiernach derjenige, der den Betrieb eines Gerätes oder einer Maschine steuert und sie während ihres Betriebes überwacht, und nicht derjenige, der lediglich kurzzeitig die Gegenstände in Anspruch nimmt, ohne die tatsächliche Sachherrschaft zu ergreifen.

57

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1 und 2 und 155 Abs. 1 VwGO. Die Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, da sie im Verfahren keinen Antrag gestellt hat (§§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).

58

Die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten ergibt sich aus den § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO.

59

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der hierfür in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

60

Beschluss

61

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10.000,00 € festgesetzt (§§ 45 Abs. 1, 47 und 52 Abs. 2 GKG).

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Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für einen Müllgefäßabstellplatz.

2

Die Klägerin ist Eigentümerin des im unbeplanten Innenbereich von K... gelegenen Grundstücks Flurstück-Nr. … in der A-Straße ... . Dieses ist im vorderen Bereich mit einem Wohngebäude bebaut, das etwa 3,35 m von der Grundstücksgrenze zum südlich unmittelbar benachbarten Grundstück A-Straße ..., Flurstück-Nr. …, entfernt ist. Auf diesem betreibt die Beigeladene ein Seniorenwohnheim mit 63 stationären Pflegeplätzen. Das Seniorenwohnheim liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplanes „Seniorenresidenz" der Ortsgemeinde A-Dorf, der das Seniorenwohnheim als Sonderbaufläche „Seniorenresidenz“ festsetzt. Für das Seniorenwohnheim hatte der Beklagte der Beigeladenen am 4. April 2012 eine Baugenehmigung erteilt. Darin enthalten waren mehrere Nebenbestimmungen zur Abfalllagerung wie z.B. die Verpflichtung, Speisereste gekühlt zu lagern, Lebensmittelabfälle, ungenießbare Nebenerzeugnisse und andere Abfälle in verschließbaren Behältern zu lagern sowie alle Abfälle hygienisch einwandfrei zu entsorgen.

3

Auf Antrag der Beigeladenen vom 1. März 2013 genehmigte ihr der Beklagte am 16. April 2013 auch die Errichtung eines Bankautomatengebäudes sowie eines überdachten Müllgefäßabstellplatzes. Ausweislich der genehmigten Planzeichnungen sollte der Mülltonnenaufstellplatz 7,50 m lang und 5 m breit werden und in einer Entfernung von 4,40 m zu der Grundstücksgrenze der Klägerin errichtet werden. Nach der Ansicht Nord-Ost in den Bauplänen sollte die zum Grundstück der Klägerin ausgerichtete Rückwand des Müllgefäßaufstellplatzes vollständig geschlossen mit einer Holzverkleidung versehen werden. Zwischen Müllgebäude und dem Grundstück der Klägerin befindet sich noch ein Trafogebäude (Breite 2,22 m, Länge 2,22 m). Der Abstand zum Wohngebäude der Klägerin beträgt ca. 7,40 m. Zur Veranschaulichung der örtlichen Verhältnisse mag die nachfolgende Zeichnung der betroffenen Straßenabschnitte dienen (gelb = Grundstück der Klägerin, violett = Grundstück der Beigeladenen, grün = Trafohäuschen, rot = Mülltonnenaufstellplatz):

4

Es folgt die Zeichnung

5

Gegen die Baugenehmigung vom 16. April 2013 legte die Klägerin am 18. April 2013 Widerspruch mit der Begründung ein, sie werde durch die Lagerung des Abfalls dauerhaft erheblich belästigt. Die Lagerung erfolge mehr oder weniger in den dafür vorgesehenen Abfallcontainern. Die Kapazität der vorhandenen Container reiche dabei bei weitem nicht aus. Zum gelagerten Müll zählten neben einer beträchtlichen Menge an Essensresten auch gebrauchte Windeln mit entsprechendem Inhalt. Bis der Müll abgeholt werde, gleiche der Abholplatz einer Müllhalde. Fäkalien in Windeln würden außerhalb geeigneter Container einfach lose auf den Boden geworfen. Die Deckel der Abfallcontainer ließen sich oftmals nicht schließen, da die Behältnisse maßlos vollgestopft seien. Von dem gelagerten Müll gehe ein abstoßender und ekelerregender Gestank aus. Durch die Lagerung würden Ratten, Mäuse, Katzen, Fliegen und sonstige diverse Tiere zahlreich angezogen. Einige dieser Tiere seien auch geeignet, Krankheiten zu übertragen. Am gravierendsten seien die Verhältnisse einige Tage vor der 14-tägigen Container-Leerung.

6

In seiner Sitzung vom 27. Juni 2014 setzte der Kreisrechtsausschuss das Verfahren aus, um den Beteiligten des Vorverfahrens die Möglichkeit einer einvernehmlichen Lösung einzuräumen. In der Folgezeit teilte die Klägerin mit, es habe sich nach der mündlichen Verhandlung vor dem Kreisrechtsausschuss keine Verbesserung ergeben. Die Beigeladene erklärte daraufhin mit Schreiben vom 22. September 2014, sie sei bereit, zur gütlichen Beilegung des Verfahrens das strittige Müllhaus zu verkleiden. Ferner habe sie mit der Firma B zusätzlich zur Regelentsorgung einen Vertrag geschlossen, gemäß dem sie 2,2 m³ zusätzliches Müllvolumen zur Entsorgung vorhalten werde und eine Müllentsorgung bei Bedarf auf Abruf erfolge.

7

Die Klägerin führte hierzu mit Schreiben vom 3. März 2015 aus, die Deckel der Restmüllbehälter stünden weiterhin häufig grundlos offen oder könnten aufgrund von Überfüllung nicht mehr geschlossen werden. In diesen würden auch gebrauchte Windeln entsorgt, was nach wie vor zu erheblichen großen Belästigungen führe. Sie sehe darin nach wie vor ein erhebliches hygienisches und gesundheitliches Problem. Eine Besserung sei nicht in Sicht. Aktuelle Lichtbilder aus den Monaten September 2014 bis Januar 2015 würden dies belegen.

8

Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Mai 2015 wies der Kreisrechtsausschuss des Beklagten den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung führte er aus, die Baugenehmigung vom 16. April 2013 verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Das Müllcontainerhaus stelle eine Nebenanlage zur Hauptnutzung, der Seniorenresidenz auf dem Grundstück gemäß § 14 BaunutzungsverordnungBauNVO – dar. Es sei bauplanungsrechtlich in diesem Bereich grundsätzlich zulässig. Eine Unzumutbarkeit im Sinne des § 15 BauNVO sei vorliegend nicht erkennbar. Der Müllgefäßabstellplatz sei aus organisatorischen Gründen sinnvollerweise im vorderen Grundstücksbereich zu errichten, da die Leerung der Müllgefäße ansonsten erheblich erschwert würde. Aus organisatorischen Gründen sei auch davon auszugehen, dass eine Nähe zum Ein-/Ausgangsbereich des Seniorenheims gegeben sein müsse, um die Verbringung des Abfalls in die Müllcontainer organisatorisch nicht zu erschweren. Gerade durch die Errichtung eines überdachten und weitestgehend geschlossenen Müllgefäßabstellplatzes werde auch gewährleistet, dass die Klägerin vor unzumutbaren optischen Beeinträchtigungen geschützt werde. Soweit die Klägerin einwende, die Kapazität der vorhandenen Müllcontainer sei nicht ausreichend, sei darauf hinzuweisen, dass die Beigeladene durch Vorlage einer Vereinbarung nachgewiesen habe, dass jederzeit Abfuhren möglich seien. Dass die Container und Abfallsäcke an den Tagen, an denen der Müll abgeholt werde, nicht im Müllhaus untergebracht seien, ergebe sich aus der Natur der Sache.

9

Auch ein Verstoß gegen die bauordnungsrechtliche Vorschrift des § 10 Absatz 3 Landesbauordnung – LBauO – sei nicht gegeben. Das Müllcontainergebäude halte im Hinblick auf den Nachbarschutz mit 4,40 m ausreichend Abstand zur Nachbargrenze und mit 7,40 m zum Wohngebäude der Klägerin ein.

10

Die Klägerin hat am 29. Mai 2015 Klage erhoben. Sie führt aus, die streitgegenständliche bauliche Anlage verletze das Rücksichtnahmegebot. Insbesondere durch die von der Müllanlage ausgehenden Geruchsbelästigungen werde sie, die Klägerin, in ihren Rechten massivst verletzt. Bei der Seniorenresidenz handele es sich um eine gewerblich genutzte Anlage und somit auch um gewerblichen Abfall, der nach Art bei weitem das im Baugebiet gewöhnliche Maß überschreite. In der Anlage befänden sich insgesamt 63 stationäre Pflegeplätze mit entsprechend hohem Müllaufkommen. Auch die Art des Mülls sei vorliegend nicht mit gewöhnlichem Hausmüll zu vergleichen, da in der Seniorenanlage u.a. auch in erheblichem Umfang Fäkalien in Windeln zu entsorgen seien. Weiterhin fielen Essensreste in nicht unerheblichem Umfang als Abfall an, welche ebenfalls unmittelbar an der Grundstücksgrenze zur Klägerin bis zur Abholung gelagert würden. Zur gegenständlichen Anlage hin befinde sich sowohl ihr Küchenfenster als auch ihr Schlafzimmerfenster. Insbesondere in den Sommermonaten sei sie erheblichen Geruchsbelästigungen ausgesetzt, da zu der bereits an sich problematischen Art und des Umfangs des Abfalls noch hinzukomme, dass dieser in der gegenständlichen Anlage sehr häufig unsachgemäß, z.B. in offen stehenden Müllbehältern, gelagert werde.

11

Von der Anlage gehe neben den vorhandenen Geruchsbelästigungen aufgrund der Art und des Umfangs des Mülls weiterhin auch eine erhebliche gesundheitliche Gefahr und Beeinträchtigung durch das Anlocken von Fliegen, Mäusen und Ratten aus.

12

Im Bebauungsplan sei an der betreffenden Stelle, an der sich nun die streitgegenständliche Anlage befinde, die Errichtung von vier PKW-Stellplätzen vorgesehen. Die Abweichung von dieser Regelung des Bebauungsplans sei rechtswidrig und grob unverhältnismäßig, zumal für die Errichtung der streitgegenständlichen Anlage auf dem Grundstück zahlreiche alternative Standorte zur Verfügung gestanden hätten und auch weiterhin noch stünden, von welchen wesentlich weniger bis gar keine Belästigung für angrenzende Nachbarn ausgehen würden. Es habe keinerlei Veranlassung dazu bestanden, von den Festsetzungen des Bebauungsplans vorliegend abzuweichen und anstelle der geplanten Stellplätze ihr, der Klägerin, einen massivst störenden Müllplatz direkt „vor die Nase zu setzen“.

13

Die Müllanlage weiche im Übrigen von den für die Errichtung der Anlage gefertigten Plänen ab. Auf diesen Plänen sei eindeutig zu erkennen, dass die Anlage abgesehen von der Frontseite sowohl in den Seitenbereichen als auch am Rückbereich vollständig geschlossen sein sollte. Auch diese Abweichung stelle zumindest in der Art der Ausführung eine rechtswidrige Baumaßnahme dar.

14

Die Klägerin beantragt,

15

die vom Beklagten der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 16. April 2013 und den hierzu ergangenen Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses des Rhein-Pfalz-Kreises vom 19. Mai 2015 aufzuheben.

16

Der Beklagte und die Beigeladene beantragen,

17

die Klage abzuweisen

18

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakten und die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die Niederschrift vom 9. Dezember 2015 verwiesen.

Entscheidungsgründe

19

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die angefochtene Baugenehmigung vom 16. April 2013 und der hierzu ergangene Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses des Rhein-Pfalz-Kreises vom 19. Mai 2015 verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO –).

20

Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Baugenehmigung beurteilt sich vorliegend nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung am 16. April 2013. Allerdings sind nachträgliche Änderungen der am 1. August 2015 in Kraft getretenen Fassung der Landesbauordnung vom 15. Juni 2015 (GVBl Seite 77), die sich insgesamt zu Gunsten des Vorhabens der Beigeladenen auswirken, zu berücksichtigen (BVerwG, Beschluss vom 23. April 1998 – 4 B 40/98 –, NVwZ 1998, 1179 und Urteil vom 20. August 2008 – 4 C 11/07 –, NVwZ 2008, 1349).

21

Hiernach verstößt die gemäß § 70 Abs. 1 Satz 1 LBauO erteilte Baugenehmigung vom 16. April 2013 nicht gegen von der Bauaufsichtsbehörde zu prüfende öffentlich-rechtliche Vorschriften, die auch dem Schutz der Klägerin als Nachbarin zu dienen bestimmt sind. Weder liegt in bauplanungsrechtlicher Hinsicht ein Verstoß gegen den Gebietserhaltungsanspruch (1.) noch gegen das Gebot der Rücksichtnahme vor (2.). Das Bauvorhaben der Beigeladenen steht schließlich auch mit der nachbarschützenden bauordnungsrechtlichen Vorschrift des § 10 Abs. 3 LBauO in Einklang (3.).

22

1. Der Klägerin steht ein Abwehranspruch im Sinne eines Gebietserhaltungsanspruchs gegenüber dem streitgegenständlichen Vorhaben unter dem von der Klägerin geltend gemachten Gesichtspunkt der fehlenden Gebietstypik des Müllcontainerhauses von vornherein nicht zu. Der streitgegenständliche Müllabstellplatz auf dem Grundstück der Beigeladenen befindet sich in einem durch Bebauungsplan festgesetzten Sondergebiet gemäß § 11 BauNVO, während das Grundstück der Klägerin im angrenzenden unbeplanten Innenbereich liegt. Ohne näher darauf eingehen zu müssen, ob das Müllcontainerhaus eine nach § 14 BauNVO zulässige gebietstypische Nebenanlage ist, käme vorliegend zugunsten der Klägerin allein der „gebietsübergreifende Gebietserhaltungsanspruch“ in Betracht. Ein gebietsübergreifender Schutz des Nachbarn vor (behaupteten) gebietsfremden Nutzungen im lediglich angrenzenden Plangebiet besteht unabhängig von konkreten Beeinträchtigungen grundsätzlich jedoch nicht (s. z.B. BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 2007 – 4 B 55/07 –, NVwZ 2008, 427; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. Februar 2010 – 1 C 10852/09 –, juris). Allenfalls bei einem erkennbaren Willen des Satzungsgebers, dass Gebietsausweisungen in einem Bebauungsplan auch dem Schutz der jenseits der Gebietsgrenze liegenden benachbarten Bebauung dienen sollen, kann ein solcher gebietsübergreifender Erhaltungsanspruch eingreifen (s. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. Januar 2000 – 1 A 11751/99 –, BauR 2000, 527). Eine solche Konstellation ist hier aber nicht gegeben.

23

2. Die streitgegenständliche Baugenehmigung vom 16. April 2013 verstößt auch nicht gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme.

24

2.1. Ein an ein nach § 11 BauNVO festgesetztes Sondergebiet angrenzender Nachbar kann sich auf die Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme nach § 30 Abs. 1 BaugesetzbuchBauGB – i.V.m. § 15 Abs. 1 BauNVO berufen. Das Gebot der Rücksichtnahme, das auch gebietsübergreifend wirkt, soll als Bestandteil des einfachen Rechts nachbarliche Nutzungskonflikte lösen helfen. Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot setzt dabei einen Verstoß gegen das objektive Recht voraus (BVerwG, Urteil vom 05. Dezember 2013 – 4 C 5/12 –, NVwZ 2014, 370). Er kann vorliegen, wenn ein Vorhaben zwar in jeder Hinsicht den aus seiner Umgebung hervorgehenden Rahmen wahrt, sich aber gleichwohl in seine Umgebung nicht einfügt, weil das Vorhaben es an der gebotenen Rücksicht auf die sonstige, also vor allem auf die in seiner unmittelbaren Nähe vorhandene Bebauung fehlen lässt (BVerwG, Urteil vom 26. Mai 1978 – IV C 9.77 –, NJW 1978, 2564). Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot kann auch gegeben sein, wenn sich ein Vorhaben objektiv-rechtlich nach seinem Maß der baulichen Nutzung, seiner Bauweise oder seiner überbauten Grundstücksfläche nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt (vgl. Beschluss vom 11. Januar 1999 – BVerwG 4 B 128.98 –, NVwZ 1999, 879). Drittschutz wird gewährt, wenn in qualifizierter und individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist (BVerwG, Urteil vom 05. Dezember 2013 – 4 C 5/12 –, NVwZ 2014, 370; kritisch zu dieser Formel Rieger, UPR 2015, 241).

25

Die an das Gebot der Rücksichtnahme zu stellenden Anforderungen hängen wesentlich von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung derer ist, denen die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, umso mehr kann an Rücksichtnahme verlangt werden. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Dabei kommt es für die sachgerechte Beurteilung des Einzelfalls wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem an, was einerseits den Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmepflichtigen nach Lage der Dinge zuzumuten ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 1999 – 4 C 6/98 –, NVwZ 2000, 1050; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 29. Mai 2015 – 8 B 10423/15.OVG –). Die Bestimmung der Grenzen, jenseits derer die Belästigungen oder Störungen unzumutbar sind, unterliegt der uneingeschränkten richterlichen Beurteilung. Im Rahmen der (Zumutbarkeits-)Abwägung können die Interessen der Beteiligten ein unterschiedliches Gewicht haben, je nachdem, ob es um ein Vorhaben geht, das grundsätzlich zulässig und nur ausnahmsweise unzulässig ist oder umgekehrt. Voraussetzung für eine solche Abwägung ist aber, dass derjenige, der ein Vorhaben abwehren will, eine abwägungserhebliche schutzwürdige Position gegenüber dem Vorhaben besitzt. Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot scheidet regelmäßig aus, wenn alle durch das Gebot geschützten, möglicherweise beeinträchtigten Belange auch durch spezielle bauordnungsrechtliche Regelungen (meist die Vorschriften über Abstandsflächen und Stellplätze) geschützt sind und das Vorhaben deren Anforderungen genügt (BVerwG, Urteil vom 7. Dezember 2000 – 4 C 3/00 –, NVwZ 2001, 813; s. auch OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 27. April 2015 – 8 B 10304/15.OVG –). Andererseits kann das Rücksichtnahmegebot, das selbständig neben den bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften steht, im Hinblick auf diese Belange auch dann verletzt sein, wenn die Abstandsflächenvorschriften eingehalten sind (BVerwG, Beschluss vom 11. Januar 1999 – 4 B 128/98 –, NVwZ 1999, 879). Daraus folgt aber im Umkehrschluss nicht, dass bei jedem Verstoß gegen Abstandsflächenvorschriften ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot vorliegt; diesbezüglich kommt es vielmehr stets auf die tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalls an.

26

2.2. Nach diesen Grundsätzen liegt hier kein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme vor.

27

2.2.1. Insbesondere kann die Klägerin nicht mit Erfolg einwenden, die Situierung des Müllcontainerhauses in der Nähe ihres Grundstücks und die damit zusammenhängenden Geruchsbelästigungen seien für sie unzumutbar. Ob eine Belästigung als erheblich anzusehen ist, muss vom Gericht anhand einer einzelfallbezogenen Würdigung beurteilt werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. Mai 1996 – 4 B 50/96 –, NVwZ 1996, 1001; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23. Juni 2010 – 8 A 10357/10 –, BauR 2010, 1907). Dabei sind insbesondere auch wertende Elemente wie die Herkömmlichkeit, die soziale Adäquanz und die allgemeine Akzeptanz einzubeziehen (vgl. zum Lärm BVerwG, Urteil vom 30. April 1992 – 7 C 25/91 –, NJW 1992, 2779).

28

Hiernach hat ein Grundstücksnachbar im Allgemeinen eine Müllsammelstelle in der Nähe der gemeinsamen Grundstücksgrenze als sozialadäquat hinzunehmen, zumal Geruchsbelästigungen bei Nutzung ordnungsgemäßer Lagerbehälter ausgeschlossen sein dürften (vgl. auch OLG Koblenz, Urteil vom 28. November 1979 – 1 U 62/79 –, MDR 1980, 578). Ein Bauherr ist auch nicht verpflichtet, die dem jeweiligen Nachbarn verträglichste und günstigste Lösung zu wählen (VG Würzburg, Urteil vom 12. August 2013 – W 5 K 12.623 –, juris). Folglich gewährt das Rücksichtnahmegebot grundsätzlich keinen Anspruch auf anderweitige Situierung von baulichen Anlagen. Vorliegend wirkt im Übrigen die zum Grundstück der Klägerin komplett verschlossene Rückwand der Entstehung von unzumutbaren Geruchsbelästigungen der auf dem Grundstück der Beigeladenen im Müllcontainerhaus abgestellten Container und Mülltonnen entgegen (vgl. VG Trier, Urteil vom 11. Oktober 2005 – 5 K 700/05.TR –, juris). Auch ist die Beigeladene aufgrund der in der Baugenehmigung vom 4. April 2012 enthaltenen Nebenbestimmungen zur Abfalllagerung zu einer ordnungsgemäßen Abfallbeseitigung verpflichtet. Der Umstand, dass die Beigeladene das streitgegenständliche Gebäude entgegen der eingereichten und genehmigten Baupläne zum Grundstück der Klägerin hin bisher nicht vollständig verschlossen hat, ist im Rahmen des vorliegenden Verfahrens irrelevant, da hier allein die von der Klägerin angefochtene Baugenehmigung im Streit steht und nicht die davon abweichende tatsächliche Bebauung.

29

2.2.2. Ferner hält das Müllcontainerhaus auch die von der Landesbauordnung geforderten Mindestabstände zum Nachbargrundstück ein. Gemäß § 10 Abs. 3 LBauO sollen für Abfall- und Wertstoffbehälter befestigte Plätzean geeigneter Stelle hergestellt werden. § 10 Abs. 3 LBauO kommt nachbarschützende Wirkung jedenfalls insoweit zu, als in entsprechender Anwendung des § 48 Abs. 5 Satz 2 LBauO a.F. bzw. § 48 Abs. 3 Satz 2 LBauO n.F. Mindestabstände von der Grundstücksgrenze einzuhalten sind (vgl. Jeromin in: Jeromin/Schmidt/Lang, LBauO RhPf, 3. Auflage 2012, § 10 Rn. 23). Diese Mindestabstände betragen 5 m zu Öffnungen von Aufenthaltsräumen und 2 m von Grundstücksgrenzen. Vorliegend wurde der Mülltonnenaufstellplatz ausweislich der genehmigten Planzeichnungen in einer Entfernung von 4,40 m zu der Grundstücksgrenze der Klägerin situiert. Ferner beträgt der Abstand zum Wohngebäude der Klägerin 7,40 m. Da das Bauvorhaben der Beigeladenen in Bezug auf die Geruchsbelästigungen somit den Anforderungen der speziellen bauordnungsrechtlichen Regelung des § 10 Abs. 3 LBauO genügt, spricht unter diesem Aspekt nichts für einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot.

30

2.2.3. Soweit die Klägerin weiter moniert hat, die Beigeladene habe das Müllcontainerhaus abweichend von den Festsetzungen des Bebauungsplans unmittelbar vor ihrem Grundstück errichtet, kann sie damit nicht gehört werden. Zum einen trifft dies nicht zu, denn der Bebauungsplan sieht für den betreffenden Grundstücksbereich u.a. Flächen für Nebenanlagen vor. Zu den Nebenanlagen im Sinne des § 14 BauNVO zählen auch Räume für Müllcontainer (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Juni 1988 – 4 B 91/88 –, juris). Zum anderen ist die Anordnung der Flächen für Nebenanlagen in Bebauungsplänen nicht drittschützend.

31

2.2.4. Auch kann die Klägerin nicht damit durchdringen, der Beigeladenen stünden auf ihrem Grundstück zahlreiche andere Standorte zur Verfügung, von denen wesentlich weniger bis gar keine Belästigung für angrenzende Nachbarn ausgehen würden. Wie oben ausgeführt, hat ein Nachbar keinen Anspruch darauf, von einer Müllsammelstelle an der Grenze verschont zu bleiben. Etwas anderes kann im Einzelfall zwar dann gelten, wenn das Bauvorhaben zu Lasten des betroffenen Nachbarn das Schikaneverbot verletzt. Eine Schikane liegt nur dann vor, wenn die Anordnung eines Gebäudes (hier des Müllcontainerhauses) keinem anderen Zweck als der Schädigung des Nachbarn dient und der Bauherr kein schutzwürdiges Eigeninteresse verfolgt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15. April 2008 – 8 S 98/08 –, VBlBW 2008, 452). Dafür gibt es hier jedoch keine Anhaltspunkte.

32

2.2.5. Soweit die Klägerin schließlich unter Vorlage zahlreicher Fotos vorgetragen hat, der Abfall werde in der Müllsammelstelle der Beigeladenen sehr häufig unsachgemäß, z.B. in offen stehenden Müllbehältern, gelagert und das Gebäude, in dem der Abfall bis zur Abholung aufbewahrt werde, sei unterdimensioniert, ist anzumerken, dass die Klägerin sich hierauf im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht berufen kann. Hier geht es ausschließlich um die Frage, ob die angefochtene Baugenehmigung in ihrem genehmigten Umfang gegen drittschützende Bestimmungen verstößt, nicht aber darum, ob die Beigeladene sich in der Praxis an die Vorgaben der Baugenehmigung hält. Eine Abweichung von der genehmigten Nutzung würde im Falle ihres Vorliegens die hier alleine streitgegenständliche Baugenehmigung als solche grundsätzlich unberührt lassen, und lediglich ein bauaufsichtliches Einschreiten gegen die dann ungenehmigte tatsächliche Nutzung rechtfertigen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 15. Dezember 2014 – 1 A 10503/14.OVG –). Zwar mögen insoweit einzelne Ausnahmen denkbar sein, in denen Fragen der tatsächlichen Nutzung auch auf die Ebene der Rechtmäßigkeit der Genehmigung durchschlagen können, beispielsweise in Fällen, in denen die genehmigte Baulichkeit für die zur Genehmigung gestellte Nutzung objektiv ungeeignet ist und mithin für diesen Zweck von vorneherein gar nicht genutzt werden könnte (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 15. Dezember 2014 – 1 A 10503/14.OVG –). Ein solcher Fall ist hier jedoch nicht gegeben.

33

3. Das Bauvorhaben der Beigeladenen verstößt schließlich auch nicht gegen nachbarschützende bauordnungsrechtliche Vorschriften. Wie oben bereits unter 2.2.2. ausgeführt, steht das genehmigte Müllcontainerhaus mit § 10 Abs. 3 LBauO in Einklang. Die Abstandsflächen des § 8 LBauO werden eingehalten. Auch gibt es keine Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen die drittschützende den Schutz gegen schädliche Einwirkungen regelnde Bestimmung des § 14 LBauO.

34

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO.

35

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten beruht auf § 167 VwGO.

36

Beschluss

37

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.500 € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 Gerichtskostengesetz – GKG –).

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 3. Juli 2007 - 6 K 2666/07 - geändert. Die Baugenehmigung des Landratsamtes Ostalbkreis vom 7. Juni 2006 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 14. Februar 2007 werden aufgehoben.

Das beklagte Land trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen eine Baugenehmigung, die seinem Nachbarn, dem Beigeladenen, die Errichtung eines Schuppens gestattet.
Der Kläger ist Eigentümer des mit einem Wohnhaus und einer Garage bebauten Grundstücks Flst. Nr. 178 (H. Straße 39) der Gemarkung .... Dem Beigeladenen gehört das nördlich angrenzende Anwesen H. Straße 41 (Flst. Nr. 177/5) und das westlich angrenzende, 3.146 m 2 große Grünlandgrundstück Flst. Nr. 177. Dieses Grundstück erstreckt sich hinter den bebauten Grundstücken auf der Westseite der H. Straße vom ...bach im Nordwesten bis zum Grundstück H. Straße 37 (Flst. Nr. 178/1) im Südosten. Es fällt von Osten nach Westen zum ...bach hin leicht ab.
Der Beigeladene hat im südöstlichen Bereich dieses Grundstücks, gegenüber dem Wohnhaus des Klägers und in einem Abstand von 2,5 m zu der gemeinsamen Grundstücksgrenze, einen 12 m langen, 5 m breiten sowie zwischen 4 und 5 m hohen Geräte- und Brennholzschuppen mit einem Pultdach errichtet.
Die örtliche Situation stellt sich wie folgt dar:
Der Beigeladene reichte am 27.3.2006 einen entsprechenden Bauantrag ein. Der Kläger erhob Einspruch und machte geltend, unter dem Gesichtspunkt des Lichtzutritts und der Feuchtigkeit ergäben sich aus dem Bauvorhaben nicht unerhebliche Nachteile für sein Grundstück. Außerdem sei der Grenzabstand nicht eingehalten.
Unter dem 7.6.2006 erteilte das Landratsamt Ostalbkreis die beantragte Baugenehmigung und wies den Einspruch des Klägers mit im Wesentlichen folgender Begründung zurück: Das Baugrundstück liege im Außenbereich. Das Bauvorhaben des Beigeladenen sei als sonstiges Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 2 BauGB zulässig. Die beteiligten Stellen hätten eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange verneint. Der geplante Schuppen halte auch die erforderlichen Abstandsflächen ein.
Der Kläger legte hiergegen am 21.6.2006 Widerspruch ein. Er begründete diesen damit, das genehmigte Vorhaben verstoße zu seinen Lasten gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Der Schuppen solle unmittelbar an der Terrasse und vor dem Wohnzimmer seines Hauses errichtet werden. Dadurch werde die Lichtzufuhr zu diesen beeinträchtigt. Von dem Bauvorhaben gehe eine erdrückende Wirkung aus. Es verstoße ferner gegen Treu und Glauben und das Schikaneverbot, weil der Beigeladene die Möglichkeit habe, auf seinem großen Grundstück den Schuppen an einer Stelle zu errichten, die nicht an ein bestehendes Gebäude angrenze.
Am 2.8.2006 beantragte der Kläger beim Verwaltungsgericht Stuttgart mit derselben Begründung, seinem Widerspruch aufschiebende Wirkung beizumessen. Der Beigeladene führte in seiner Erwiderung auf diesen Antrag vier Gründe für die Wahl des Schuppenstandorts an: Zum einen habe er in den naturbelassenen Bachlauf mit altem Baumbestand nicht eingreifen wollen. Zum anderen könne er den Schuppen nicht an der Grenze zur „Parzelle 171 ... ...“ (Südwesten) erstellen, weil es sich dabei um den tiefsten Teil des Geländes handele, das oft knöcheltief unter Wasser stehe. Das Gleiche gelte ferner für den Bereich an der Grenze zum „Flurstück Nr. 178/1 ...“ (Südosten). Hier plane er zudem eine bepflanzte Sickergrube, die das Dachwasser des Schuppens aufnehmen solle. Schließlich sei der Bereich an der Grenze zum Grundstück des Klägers im Jahre 1964 mit Erdaushub aufgefüllt worden; das Gelände liege dort deshalb um etwa 1 bis 1,5 m höher. Ein Gebäude füge sich hier nahtlos in die Baulinie bestehender Gebäude ein.
Mit Beschluss vom 31.8.2006 lehnte das Verwaltungsgericht Stuttgart den Aussetzungsantrag des Klägers ab und führte zur Begründung aus: Der genehmigte Schuppen verstoße nicht gegen das Gebot der nachbarlichen Rücksichtnahme, da die Abstandsvorschriften der Landesbauordnung eingehalten seien. Es bestehe grundsätzlich kein schutzwürdiges Vertrauen eines Nachbarn, dass ein bisher unbebautes, im Außenbereich liegendes Grundstück auch künftig nicht bebaut werde. Dass der Blick auf den an der Grenze geplanten Schuppen den zuvor freien Blick auf die Landschaft beeinträchtige, begründe keine Verletzung des Rücksichtnahmegebots.
10 
Der Senat wies die hiergegen eingelegte Beschwerde des Klägers mit Beschluss vom 6.12.2006 - 8 S 2184/06 - zum einen deshalb zurück, weil der Beschwerdebegründung zufolge der Schuppen schon bei ihrer Abfassung errichtet war. Zum anderen spreche vieles dafür, dass das Verwaltungsgericht zu Recht einen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme verneint habe. Der Beigeladene habe gegenüber dem Verwaltungsgericht vier Gründe angeführt, die gegen eine Errichtung des Schuppens an anderer Stelle sprächen. Da die Beschwerde sich damit nicht auseinandersetze, habe der Senat von ihrer Stichhaltigkeit auszugehen.
11 
Mit Bescheid vom 14.2.2007 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Widerspruch des Klägers gegen die Baugenehmigung vom 7.6.2006 mit denselben Argumenten zurück, die das Verwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 31.8.2006 verwendet hatte.
12 
Am 15.3.2007 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage mit dem Antrag erhoben, die Baugenehmigung in der Gestalt des Widerspruchsbescheids aufzuheben. Er hat ausgeführt: Entgegen der Auffassung der Behörden liege eine erhebliche Beeinträchtigung seines Wohnhauses im Hinblick auf Belichtung, Belüftung und Besonnung vor. Von entscheidender Bedeutung sei jedoch, dass die Wahl des Schuppenstandorts schikanös sei, weil er an verschiedenen anderen Stellen auf dem Baugrundstück ohne Schwierigkeiten hätte errichtet werden können. Die vom Bauherrn angegebenen Gründe seien nicht nachvollziehbar. Die von ihm erwähnten Bäume stünden unmittelbar am Ufer und würden von der Errichtung des Schuppens nicht tangiert. Am ...bach befinde sich auch kein Gartenteich, vielmehr stünden dort bereits heute mehrere Schuppen. Bei dem Bereich entlang der Grenze zum Grundstück Flst. Nr. 171 handele es sich nicht um den tiefsten Teil des Geländes, vielmehr habe der Vater des Beigeladenen ihn mit Aushub aufgefüllt. Die Sickergrube entlang der Grenze zum Grundstück Flst. Nr. 178/1 führe zu einer zusätzlichen Belastung seines Hausgrundstücks. Diese hätte weiter nach unten verlagert werden können. Bei Aufstellung des Schuppens am ...bach hätte das Regenwasser im Übrigen unmittelbar in diesen eingeleitet werden können. Ferner habe der Beigeladene inzwischen den Bach mit Felsbrocken aufgestaut und leite das Bachwasser in die Sickergrube ein. Es könne keine Rede davon sein, dass hier Oberflächenwasser abgeführt werden solle. Richtig sei zwar, dass das Gelände auch entlang der Grenze zu seinem Grundstück aufgefüllt worden sei, was jedoch lediglich dazu führe, dass der Schuppen noch höher stehe und noch mehr Licht wegnehme. Von einer vorhandenen Baulinie könne keine Rede sein.
13 
Das beklagte Land hat Klagabweisung beantragt und im Wesentlichen auf die Begründung der angefochtenen Bescheide verwiesen. Im Hinblick auf die Standortwahl hat es ausgeführt, auf die Frage, ob das Gebäude an anderer Stelle auf dem Baugrundstück errichtet werden könne, komme es nicht an.
14 
Der Beigeladene hat zur Frage der Standortwahl wie folgt Stellung genommen: Der Baumbestand entlang der Bachgrenze sei etwa 10 bis 12 m breit; der Maschinenschuppen, auf den sich der Kläger berufe, stehe nicht am Bach. Der Bereich entlang der Grenze zur Parzelle 171 sei nicht mit Erdaushub aufgefüllt worden, dies sei lediglich entlang der Grenze zum Grundstück des Klägers geschehen. Dies werde durch ein Gerichtsurteil des Amtsgerichts Schwäbisch Gmünd vom 24.5.1966 bestätigt. Die Baugenehmigung sei vom Landratsamt erst nach dem Nachweis einer ordnungsgemäßen Entwässerung erteilt worden. Er habe eine Sickergrube gewählt, die zum Grundstück des Klägers einen Abstand von 8 m und zu den anderen angrenzenden Grundstücken einen solchen von mindestens 6 m aufweise. Das anfallende Regenwasser werde zudem zur Bewässerung eines neu geschaffenen Gemüsegartens genutzt. Eine Entwässerung in den Bach werde seit Mitte der siebziger Jahre nicht mehr akzeptiert. Für eine Wasserentnahme aus dem Bach bestehe keine Notwendigkeit. Es gebe deshalb auch keinen Grund, den Bach aufzustauen.
15 
Mit Urteil vom 3.7.2007 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Es hat im Wesentlichen zur Begründung ausgeführt: Der genehmigte Schuppen verstoße nicht gegen das Rücksichtnahmegebot, da er keine für den Kläger unzumutbare Beeinträchtigungen zur Folge habe. Dies ergebe sich daraus, dass die Abstandsflächenbestimmungen eingehalten seien. Nicht entscheidungserheblich sei, ob der Beigeladene sein Bauvorhaben auch an einer anderen Stelle seines Grundstücks zulässigerweise errichten könnte.
16 
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat mit Beschluss vom 10.1.2008 - 8 S 1961/07 - zugelassene Berufung des Klägers, mit der er beantragt,
17 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 3. Juli 2007 - 6 K 2666/07 -zu ändern und die Baugenehmigung des Landratsamtes Ostalbkreis vom 7. Juni 2006 sowie den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 14. Februar 2007 aufzuheben.
18 
Er macht geltend: Das Verwaltungsgericht habe die Grundsätze des Rücksichtnahmegebots verkannt und deshalb keine Abwägung der Empfindlichkeit und Schutzwürdigkeit des Begünstigten einerseits mit der Verständlichkeit und Unabweisbarkeit der mit dem Vorhaben verfolgten Interessen des Bauherrn andererseits vorgenommen. Der beigeladene Bauherr habe kein nachvollziehbares Interesse daran, das Gebäude unmittelbar vor sein (des Klägers) Anwesen zu platzieren. Vielmehr bringe dieser Standort nur Nachteile mit sich, weil der Schuppen vom Wohngebäude des Beigeladenen sehr weit entfernt sei. Demgegenüber habe er (der Kläger) eindeutig dargelegt, dass er durch das wuchtige Bauwerk und dessen erdrückende Wirkung erheblich beeinträchtigt werde. Er habe die Nutzungsbereiche seines Hauses so ausgerichtet, dass Schlafzimmer, Wohnzimmer und Terrasse in die bislang unbebaute Richtung wiesen. Der Beigeladene habe dagegen aus schikanösen Gründen gehandelt. Er habe zunächst geplant, in dem Bereich, in dem der Schuppen heute stehe, Nordmanntannen anzupflanzen. Er (der Kläger) habe den Beigeladenen damals darauf hingewiesen, dass er mit den Tannen einen Abstand von mindestens 8 m einzuhalten habe. Darauf hin habe der Beigeladene gegenüber einem Dritten erklärt, dass wenn der Kläger die Nordmanntannen nicht wolle, er eben einen Schuppen vor sein Haus setzen werde, was er schließlich auch getan habe.
19 
Das beklagte Land beantragt,
20 
die Berufung zurückzuweisen.
21 
Es erwidert: Das Gebot der Rücksichtnahme werde durch den genehmigten Schuppen nicht verletzt. Deshalb könne eine Interessenabwägung unterbleiben, weil der Kläger keine wehrfähige Position besitze. Ein Nachbar könne unter dem Gesichtspunkt der Sicherstellung einer ausreichenden Belichtung, Belüftung und Besonnung seines Grundstücks grundsätzlich keine Rücksichtnahme verlangen, die über den Schutz des bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenrechts hinausgehe, weil diese landesrechtlichen Grenzabstandsvorschriften ihrerseits eine Konkretisierung des Gebots zur nachbarlichen Rücksichtnahme darstellten. Dies gelte allerdings nur „grundsätzlich“, was bedeute, dass Ausnahmen möglich sein müssten, da Bundesrecht nicht zur Disposition des Landesgesetzgebers stehe. Im vorliegenden Fall lägen Besonderheiten, die unter den genannten Gesichtspunkten eine Ausnahme vom angeführten Grundsatz geböten, nicht vor. Der Kläger könne sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass seine Aussicht in die freie Landschaft beeinträchtigt werde. Ebenso unbeachtlich sei seine Einlassung, er habe sein Haus so ausgerichtet, dass die Wohnbereiche in die unbebaute Richtung wiesen. Denn eine Baugenehmigung verleihe demjenigen, der sich seine Bauwünsche erfülle, nicht die Rechtsmacht, durch die Art und Weise der Bauausführung unmittelbaren Einfluss auf die Bebaubarkeit der Nachbargrundstücke zu nehmen. Selbst wenn Tatsachen vorlägen, die eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots zulasten des Klägers begründen könnten, müssten sie in der Abwägung hinter die Interessen des Beigeladenen zurücktreten. Denn diesem stünden berechtigte Belange zur Seite, sein Bauvorhaben genau an der streitgegenständlichen Stelle zu errichten. Andere denkbare Standorte seien überschwemmungsgefährdet oder hätten eine Gefahr für den naturbelassenen Bachlauf mit altem Baumbestand mit sich gebracht. Zudem liege das erstellte Bauwerk in einer günstigen Entfernung zum schon bestehenden Wohnhaus. Selbst wenn schließlich die Interessen des Klägers und des Beigeladenen als gleichwertig eingestuft würden, müsse der Beigeladene seine berechtigten Belange nicht zurückstellen, um gleichwertige fremde Belange des Klägers zu schonen.
22 
Der Beigeladene stellt keinen eigenen Antrag, Er trägt vor: Durch den Bau des Schuppens habe der Kläger nicht beeinträchtigt oder gar schikaniert werden sollen. Ausschlaggebend für den gewählten Standort seien die Topografie des Geländes, das Einfügen in die Baulinie bestehender Gebäude und die erforderlichen Baukosten gewesen. Das Baugrundstück sei zwar relativ groß, aber er habe versucht, mit der zur Verfügung stehenden Fläche sorgsam und platzsparend umzugehen. Bei mehreren Ortsterminen mit der Baubehörde sei der Standort als ideal erkannt worden. Letztlich habe auch die räumliche Nähe (18 m) zu seinem neu errichteten Wohnhaus und der Umstand eine Rolle gespielt, dass der Bereich an der gemeinsamen Grundstücksgrenze im Jahre 1964 mit Erdaushub aufgefüllt worden sei und wegen dieser Erhöhung um etwa 1 m von Überschwemmungen verschont bleibe.
23 
Der Senat hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 9.4.2008 einen Augenschein eingenommen. Hinsichtlich der dabei getroffenen Feststellungen wird auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift verwiesen. Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten auf die Verwaltungs- und Gerichtsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
24 
Die Berufung des Klägers ist nach ihrer Zulassung im Beschluss des Senats vom 10.1.2008 statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben und die angefochtene Baugenehmigung aufheben müssen, denn sie ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), weil das genehmigte Bauvorhaben nicht die gebotene Rücksicht auf seine nachbarlichen Rechte nimmt, sondern sich ihm gegenüber als schikanös darstellt.
25 
Der durch die Baugenehmigung zugelassene Schuppen des Beigeladenen hält zwar zum Grundstück des Klägers - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - die nach den bauordnungsrechtlichen Vorschriften des § 5 LBO gebotenen Abstandsflächentiefen ein, was grundsätzlich indiziert, dass im Hinblick auf diese Belange auch das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot eingehalten ist, weil diese landesrechtlichen Abstandsflächenvorschriften ihrerseits eine Konkretisierung des Gebots nachbarlicher Rücksichtnahme darstellen (BVerwG, Beschluss vom 6.12.1996 - 4 B 215.96 - ZfBR 1997, 227; Beschluss des Senats vom 12.10.2004 - 8 S 1661/04 - VBlBW 2005, 74). Dies gilt aber nur „grundsätzlich“, was bedeutet, dass Ausnahmen möglich sein müssen, zumal das bauplanungsrechtliche Bundesrecht nicht zur Disposition des Landesgesetzgebers steht (BVerwG, Beschluss vom 11.1.1999 - 4 B 128.98 - BauR 1999, 615; Urteil vom 31.8.2000 - 4 CN 6.99 - BVerwGE 112, 41; Beschluss des Senats vom 12.10.2004, a. a. O.).
26 
Eine solche Ausnahme greift hier, denn der genehmigte Schuppen verstößt trotz Einhaltung der Abstandsflächenvorschriften der Landesbauordnung gegen das Schikaneverbot (§ 226 BGB) und verletzt damit das Gebot der nachbarlichen Rücksichtnahme zulasten des Klägers. Dieses Gebot schützt nach seinem objektivrechtlichen Gehalt die Nachbarschaft vor unzumutbaren Einwirkungen, die von einem Vorhaben ausgehen (BVerwG, Urteil vom 13.3.1981 - 4 C 1.78 - BRS 38 Nr. 186; Beschluss vom 11.12.2006 - 4 B 72.06 - BauR 2007, 674). Eine besondere gesetzliche Ausformung hat es für Vorhaben im Außenbereich wie dem vorliegend streitigen in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB mit dem Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen gefunden. Es greift jedoch auch als in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB unbenannter öffentlicher Belang in Fällen Platz, in denen sonstige nachteilige Wirkungen in Rede stehen (BVerwG, Urteile vom 21.1.1983 - 4 C 59.78 - BRS 40 Nr. 199 und vom 18.11.2004 - 4 C 1.04 - UPR 2005, 150). Dazu zählt die Rechtsprechung etwa „optisch bedrängende“ Wirkungen, die von einem Bauvorhaben auf bewohnte Nachbargrundstücke ausgehen (vgl. BVerwG, Urteile vom 13.3.1981 - 4 C 1.78 - a. a. O. und vom 23.5.1986 - 4 C 34.85 - BRS 46 Nr. 176; Beschluss vom 11.12.2006 - 4 B 72.06 - a. a. O.). Rücksichtslos kann aber auch ein Bauvorhaben sein, das zulasten des betroffenen Nachbarn das auch im öffentlichen Recht geltende Schikaneverbot (vgl. etwa: OVG Saarland, Urteil vom 30.3.1993 - 2 R 17/92 - BRS 55 Nr. 158; Beschluss vom 23.2.2000 - 2 W 2/00 - BRS 63 Nr. 132; OVG NRW, Beschluss vom 12.6.1995 - 7 E 1130/94 - NVwZ-RR 1996, 126) verletzt.
27 
Eine Schikane im Sinne des § 226 BGB liegt vor, wenn die Geltendmachung eines Rechts keinen anderen Zweck haben kann als die Schädigung eines anderen, wenn der Rechtsausübung kein schutzwürdiges Eigeninteresse zugrunde liegt oder wenn das Recht nur geltend gemacht wird, um ein unlauteres Ziel zu erreichen (BGH, Beschluss vom 9.7.2007 - II ZR 95/06 - juris m. w. N.). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben. Nach den Feststellungen, die der Senat beim Augenschein im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 9.4.2008 getroffen hat, hat der Beigeladene mit der Errichtung des Schuppens unmittelbar vor dem Wohnhaus des Klägers in einer Entfernung zur gemeinsamen Grundstücksgrenze, die lediglich der abstandsflächenrechtlich vorgeschriebenen Mindestentfernung entspricht, nur dessen Schädigung bezweckt, ohne damit auch nur entfernt ein eigenes Interesse zu verfolgen. Im Einzelnen ergibt sich dies aus folgendem:
28 
Der Beigeladene beruft sich zum einen darauf, die räumliche Nähe zu seinem Wohnhaus habe für den gewählten Schuppenstandort gesprochen. Diese Darstellung ist aber kaum nachvollziehbar. Denn wenn er das Ziel verfolgt hätte, den Schuppen - etwa wegen des darin zu lagernden Brennholzes - möglichst nahe an seinem Wohngebäude zu platzieren, so hätte es sich aufdrängen müssen, einen Standort in zentraler Lage des großen Baugrundstücks, z. B. in westlicher Fortsetzung des neben seinem Wohnhaus stehenden (blauen) Containers in dem Bereich zu wählen, in dem heute ein aus dem früheren Dachgiebel seines alten Wohnhauses bestehender Holzschuppen steht. Unter dem Gesichtspunkt seiner Erreichbarkeit auf möglichst kurzem Wege erscheint die nach Südosten abgerückte Situierung des Schuppens dagegen wenig plausibel. Es kommt hinzu, dass seine Ausrichtung in Nord-Süd-Richtung, wodurch er sich riegelartig vor den Wohn- und Terrassenbereich des Klägers stellt, für den Beigeladenen ersichtlich keinerlei Vorteile bietet. Denn schon eine leichte Verschiebung nach Norden und Drehung des Baukörpers, was einen Zugang von Norden her ermöglicht hätte, hätte die Zugangsentfernung vom Wohnhaus des Beigeladenen deutlich verkürzt und zugleich den Wohnbereich des Klägers vor einer den Blick in die freie Landschaft abschottenden Wirkung bewahrt.
29 
Einer solchermaßen die Belange des Klägers schonende und den geltend gemachten Wünschen des Beigeladenen entgegen kommende Anordnung des Schuppens steht auch nicht die Topografie entgegen. Denn das Gelände fällt zum einen von der H. Straße nach Westen nicht so stark ab, dass eine Anordnung des Schuppens im unmittelbaren westlichen oder südlichen Anschluss an den vorhanden Zufahrtsbereich über das Wohngrundstück des Beigeladenen (Flst. Nr. 177/5) eine zu steile Rampe erforderlich gemacht hätte. Im Übrigen hätten es die Platzverhältnisse ohne weiteres erlaubt, die Zufahrt geschwungen anzulegen, um zusätzlich Höhe abzubauen. Die Topografie des Geländes hätte bei einer Errichtung des Schuppens hinter dem (blauen) Container des Beigeladenen oder westlich der Garage des Klägers auch keine Mehrkosten erfordert. Insbesondere trägt das Argument des Beigeladenen nicht, hierzu wären erhebliche Abgrabungen und Aufschüttungen erforderlich gewesen. Denn nach den im Augenschein getroffenen Feststellungen des Senats mussten auch zur Errichtung des vorhandenen Schuppens Abgrabungen bis zu einer Höhe von etwa 1,20 m vorgenommen werden. Umfänglicherer Abtragungen hätte es auch bei einer anderen Situierung nicht bedurft.
30 
Zum anderen will der Beigeladene mit seinem Hinweis auf die Topografie wohl geltend machen, alle anderen denkbaren Standorte für den Schuppen auf dem Grundstück Flst. Nr. 177 seien von Überschwemmungen bedroht. Diesem Vorbringen vermag der Senat aus mehreren Gründen nicht zu folgen: Hätte er einen näher zu seinem Wohnhaus hin gelegenen Standort gewählt, hätte sich wegen des ansteigenden Geländes die Überschwemmungsgefahr von selbst verringert. Im Übrigen wird diese Gefahr ersichtlich nur vorgeschützt. Denn einerseits stehen in unmittelbarer Nähe des ...baches auf einem tiefer liegenden Terrain als dasjenige des Beigeladenen die beiden Schuppen der Landwirte ... und ... und es spricht nichts dafür, dass diese dort errichtet worden wären, würde tatsächlich ihre Überflutung drohen. Sie wurden zudem zu einer Zeit errichtet, als noch keine Hochwasserrückhaltemaßnahmen am ...bach getroffen worden waren und demgemäß eine Überschwemmungsgefahr - so sie denn bestünde - weit höher gewesen wäre. Andererseits belegen die seitens des Klägers vorgelegten Fotos, dass der Beigeladene am Bachlauf, auf den am tiefsten gelegenen Bereichen des Baugrundstücks selbst umfängliche Holzlagerungen vorgenommen und Maschinen (Kompressor) abgestellt hatte, was er ebenfalls nicht getan hätte, hätte er damit rechnen müssen, dass das Holz fortgeschwemmt und der Kompressor beschädigt werde.
31 
Auch die weiteren Gründe, die der Beigeladene dafür anführt, dass der gewählte Standort für den Schuppen ideal sei, entsprechen ersichtlich nicht der Realität. Das Ziel der Erhaltung des naturbelassenen Bachlaufs mit seinem Baumbestand spricht keinesfalls für die Entscheidung, den Schuppen - zumal mit seiner ganzen Breitseite - exakt vor den Wohnbereich des Klägers zu platzieren. Denn das Baugrundstück grenzt nur mit seiner Nordwestseite an den ...bach. Seine gesamte Tiefe hätte damit für die Errichtung des Bauwerks zur Verfügung gestanden. Ferner ist nicht zu erkennen, dass die „Sickergrube“, die der Beigeladene südlich des Schuppens angelegt hat, für dessen Situierung eine Rolle gespielt haben kann. Denn sie hätte neben jedem anderen Schuppenstandort ebenso angelegt werden können. Auch die Aufnahme- und Durchleitungsfähigkeit des Untergrunds für das anfallende Dachwasser kann keine Rolle gespielt haben. Denn tatsächlich handelt es sich nicht um eine Anlage, die der Versickerung des Niederschlagswassers dient, sondern um ein Überlaufbecken, in dem das Dachwasser zunächst zurückgehalten wird. Schließlich ist das Vorbringen des Beigeladenen, er habe den Schuppen in die Baulinie bestehender Gebäude einfügen wollen, nicht nachvollziehbar. Denn eine (faktische) Baulinie, die den Schuppenstandort mit umfasst, existiert offensichtlich nicht. Eine solche lässt sich weder den vorliegenden Plänen entnehmen, noch hat der Senat bei der Einnahme des Augenscheins eine derartige Linie feststellen können.
32 
Nach allem ist davon auszugehen, dass die Anordnung des streitigen Schuppens unmittelbar vor dem Wohnhaus des Klägers unter Einhaltung (lediglich) des bauordnungsrechtlich einzuhaltenden Minimalabstandes zur gemeinsamen Grundstücksgrenze keinem anderen Zweck dient als der Schädigung des Klägers und ihr kein schutzwürdiges Eigeninteresse des Beigeladenen zugrunde liegt. Sie verstößt damit zulasten des Klägers gegen das Schikaneverbot und damit zugleich gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot. Unter Abänderung des angefochtenen Urteils ist deshalb der Klage stattzugeben und die für diesen Schuppen erteilte Baugenehmigung mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO aufzuheben.
33 
Gründe für eine Zulassung der Revision (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO) sind nicht gegeben.
34 
Beschluss
35 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß den §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 63 Abs. 2 GKG in Anlehnung an Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2004 (VBlBW 2004, 467, 469) auf EUR 7.500,-- festgesetzt.
36 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Gründe

 
24 
Die Berufung des Klägers ist nach ihrer Zulassung im Beschluss des Senats vom 10.1.2008 statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben und die angefochtene Baugenehmigung aufheben müssen, denn sie ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), weil das genehmigte Bauvorhaben nicht die gebotene Rücksicht auf seine nachbarlichen Rechte nimmt, sondern sich ihm gegenüber als schikanös darstellt.
25 
Der durch die Baugenehmigung zugelassene Schuppen des Beigeladenen hält zwar zum Grundstück des Klägers - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - die nach den bauordnungsrechtlichen Vorschriften des § 5 LBO gebotenen Abstandsflächentiefen ein, was grundsätzlich indiziert, dass im Hinblick auf diese Belange auch das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot eingehalten ist, weil diese landesrechtlichen Abstandsflächenvorschriften ihrerseits eine Konkretisierung des Gebots nachbarlicher Rücksichtnahme darstellen (BVerwG, Beschluss vom 6.12.1996 - 4 B 215.96 - ZfBR 1997, 227; Beschluss des Senats vom 12.10.2004 - 8 S 1661/04 - VBlBW 2005, 74). Dies gilt aber nur „grundsätzlich“, was bedeutet, dass Ausnahmen möglich sein müssen, zumal das bauplanungsrechtliche Bundesrecht nicht zur Disposition des Landesgesetzgebers steht (BVerwG, Beschluss vom 11.1.1999 - 4 B 128.98 - BauR 1999, 615; Urteil vom 31.8.2000 - 4 CN 6.99 - BVerwGE 112, 41; Beschluss des Senats vom 12.10.2004, a. a. O.).
26 
Eine solche Ausnahme greift hier, denn der genehmigte Schuppen verstößt trotz Einhaltung der Abstandsflächenvorschriften der Landesbauordnung gegen das Schikaneverbot (§ 226 BGB) und verletzt damit das Gebot der nachbarlichen Rücksichtnahme zulasten des Klägers. Dieses Gebot schützt nach seinem objektivrechtlichen Gehalt die Nachbarschaft vor unzumutbaren Einwirkungen, die von einem Vorhaben ausgehen (BVerwG, Urteil vom 13.3.1981 - 4 C 1.78 - BRS 38 Nr. 186; Beschluss vom 11.12.2006 - 4 B 72.06 - BauR 2007, 674). Eine besondere gesetzliche Ausformung hat es für Vorhaben im Außenbereich wie dem vorliegend streitigen in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB mit dem Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen gefunden. Es greift jedoch auch als in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB unbenannter öffentlicher Belang in Fällen Platz, in denen sonstige nachteilige Wirkungen in Rede stehen (BVerwG, Urteile vom 21.1.1983 - 4 C 59.78 - BRS 40 Nr. 199 und vom 18.11.2004 - 4 C 1.04 - UPR 2005, 150). Dazu zählt die Rechtsprechung etwa „optisch bedrängende“ Wirkungen, die von einem Bauvorhaben auf bewohnte Nachbargrundstücke ausgehen (vgl. BVerwG, Urteile vom 13.3.1981 - 4 C 1.78 - a. a. O. und vom 23.5.1986 - 4 C 34.85 - BRS 46 Nr. 176; Beschluss vom 11.12.2006 - 4 B 72.06 - a. a. O.). Rücksichtslos kann aber auch ein Bauvorhaben sein, das zulasten des betroffenen Nachbarn das auch im öffentlichen Recht geltende Schikaneverbot (vgl. etwa: OVG Saarland, Urteil vom 30.3.1993 - 2 R 17/92 - BRS 55 Nr. 158; Beschluss vom 23.2.2000 - 2 W 2/00 - BRS 63 Nr. 132; OVG NRW, Beschluss vom 12.6.1995 - 7 E 1130/94 - NVwZ-RR 1996, 126) verletzt.
27 
Eine Schikane im Sinne des § 226 BGB liegt vor, wenn die Geltendmachung eines Rechts keinen anderen Zweck haben kann als die Schädigung eines anderen, wenn der Rechtsausübung kein schutzwürdiges Eigeninteresse zugrunde liegt oder wenn das Recht nur geltend gemacht wird, um ein unlauteres Ziel zu erreichen (BGH, Beschluss vom 9.7.2007 - II ZR 95/06 - juris m. w. N.). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben. Nach den Feststellungen, die der Senat beim Augenschein im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 9.4.2008 getroffen hat, hat der Beigeladene mit der Errichtung des Schuppens unmittelbar vor dem Wohnhaus des Klägers in einer Entfernung zur gemeinsamen Grundstücksgrenze, die lediglich der abstandsflächenrechtlich vorgeschriebenen Mindestentfernung entspricht, nur dessen Schädigung bezweckt, ohne damit auch nur entfernt ein eigenes Interesse zu verfolgen. Im Einzelnen ergibt sich dies aus folgendem:
28 
Der Beigeladene beruft sich zum einen darauf, die räumliche Nähe zu seinem Wohnhaus habe für den gewählten Schuppenstandort gesprochen. Diese Darstellung ist aber kaum nachvollziehbar. Denn wenn er das Ziel verfolgt hätte, den Schuppen - etwa wegen des darin zu lagernden Brennholzes - möglichst nahe an seinem Wohngebäude zu platzieren, so hätte es sich aufdrängen müssen, einen Standort in zentraler Lage des großen Baugrundstücks, z. B. in westlicher Fortsetzung des neben seinem Wohnhaus stehenden (blauen) Containers in dem Bereich zu wählen, in dem heute ein aus dem früheren Dachgiebel seines alten Wohnhauses bestehender Holzschuppen steht. Unter dem Gesichtspunkt seiner Erreichbarkeit auf möglichst kurzem Wege erscheint die nach Südosten abgerückte Situierung des Schuppens dagegen wenig plausibel. Es kommt hinzu, dass seine Ausrichtung in Nord-Süd-Richtung, wodurch er sich riegelartig vor den Wohn- und Terrassenbereich des Klägers stellt, für den Beigeladenen ersichtlich keinerlei Vorteile bietet. Denn schon eine leichte Verschiebung nach Norden und Drehung des Baukörpers, was einen Zugang von Norden her ermöglicht hätte, hätte die Zugangsentfernung vom Wohnhaus des Beigeladenen deutlich verkürzt und zugleich den Wohnbereich des Klägers vor einer den Blick in die freie Landschaft abschottenden Wirkung bewahrt.
29 
Einer solchermaßen die Belange des Klägers schonende und den geltend gemachten Wünschen des Beigeladenen entgegen kommende Anordnung des Schuppens steht auch nicht die Topografie entgegen. Denn das Gelände fällt zum einen von der H. Straße nach Westen nicht so stark ab, dass eine Anordnung des Schuppens im unmittelbaren westlichen oder südlichen Anschluss an den vorhanden Zufahrtsbereich über das Wohngrundstück des Beigeladenen (Flst. Nr. 177/5) eine zu steile Rampe erforderlich gemacht hätte. Im Übrigen hätten es die Platzverhältnisse ohne weiteres erlaubt, die Zufahrt geschwungen anzulegen, um zusätzlich Höhe abzubauen. Die Topografie des Geländes hätte bei einer Errichtung des Schuppens hinter dem (blauen) Container des Beigeladenen oder westlich der Garage des Klägers auch keine Mehrkosten erfordert. Insbesondere trägt das Argument des Beigeladenen nicht, hierzu wären erhebliche Abgrabungen und Aufschüttungen erforderlich gewesen. Denn nach den im Augenschein getroffenen Feststellungen des Senats mussten auch zur Errichtung des vorhandenen Schuppens Abgrabungen bis zu einer Höhe von etwa 1,20 m vorgenommen werden. Umfänglicherer Abtragungen hätte es auch bei einer anderen Situierung nicht bedurft.
30 
Zum anderen will der Beigeladene mit seinem Hinweis auf die Topografie wohl geltend machen, alle anderen denkbaren Standorte für den Schuppen auf dem Grundstück Flst. Nr. 177 seien von Überschwemmungen bedroht. Diesem Vorbringen vermag der Senat aus mehreren Gründen nicht zu folgen: Hätte er einen näher zu seinem Wohnhaus hin gelegenen Standort gewählt, hätte sich wegen des ansteigenden Geländes die Überschwemmungsgefahr von selbst verringert. Im Übrigen wird diese Gefahr ersichtlich nur vorgeschützt. Denn einerseits stehen in unmittelbarer Nähe des ...baches auf einem tiefer liegenden Terrain als dasjenige des Beigeladenen die beiden Schuppen der Landwirte ... und ... und es spricht nichts dafür, dass diese dort errichtet worden wären, würde tatsächlich ihre Überflutung drohen. Sie wurden zudem zu einer Zeit errichtet, als noch keine Hochwasserrückhaltemaßnahmen am ...bach getroffen worden waren und demgemäß eine Überschwemmungsgefahr - so sie denn bestünde - weit höher gewesen wäre. Andererseits belegen die seitens des Klägers vorgelegten Fotos, dass der Beigeladene am Bachlauf, auf den am tiefsten gelegenen Bereichen des Baugrundstücks selbst umfängliche Holzlagerungen vorgenommen und Maschinen (Kompressor) abgestellt hatte, was er ebenfalls nicht getan hätte, hätte er damit rechnen müssen, dass das Holz fortgeschwemmt und der Kompressor beschädigt werde.
31 
Auch die weiteren Gründe, die der Beigeladene dafür anführt, dass der gewählte Standort für den Schuppen ideal sei, entsprechen ersichtlich nicht der Realität. Das Ziel der Erhaltung des naturbelassenen Bachlaufs mit seinem Baumbestand spricht keinesfalls für die Entscheidung, den Schuppen - zumal mit seiner ganzen Breitseite - exakt vor den Wohnbereich des Klägers zu platzieren. Denn das Baugrundstück grenzt nur mit seiner Nordwestseite an den ...bach. Seine gesamte Tiefe hätte damit für die Errichtung des Bauwerks zur Verfügung gestanden. Ferner ist nicht zu erkennen, dass die „Sickergrube“, die der Beigeladene südlich des Schuppens angelegt hat, für dessen Situierung eine Rolle gespielt haben kann. Denn sie hätte neben jedem anderen Schuppenstandort ebenso angelegt werden können. Auch die Aufnahme- und Durchleitungsfähigkeit des Untergrunds für das anfallende Dachwasser kann keine Rolle gespielt haben. Denn tatsächlich handelt es sich nicht um eine Anlage, die der Versickerung des Niederschlagswassers dient, sondern um ein Überlaufbecken, in dem das Dachwasser zunächst zurückgehalten wird. Schließlich ist das Vorbringen des Beigeladenen, er habe den Schuppen in die Baulinie bestehender Gebäude einfügen wollen, nicht nachvollziehbar. Denn eine (faktische) Baulinie, die den Schuppenstandort mit umfasst, existiert offensichtlich nicht. Eine solche lässt sich weder den vorliegenden Plänen entnehmen, noch hat der Senat bei der Einnahme des Augenscheins eine derartige Linie feststellen können.
32 
Nach allem ist davon auszugehen, dass die Anordnung des streitigen Schuppens unmittelbar vor dem Wohnhaus des Klägers unter Einhaltung (lediglich) des bauordnungsrechtlich einzuhaltenden Minimalabstandes zur gemeinsamen Grundstücksgrenze keinem anderen Zweck dient als der Schädigung des Klägers und ihr kein schutzwürdiges Eigeninteresse des Beigeladenen zugrunde liegt. Sie verstößt damit zulasten des Klägers gegen das Schikaneverbot und damit zugleich gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot. Unter Abänderung des angefochtenen Urteils ist deshalb der Klage stattzugeben und die für diesen Schuppen erteilte Baugenehmigung mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO aufzuheben.
33 
Gründe für eine Zulassung der Revision (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO) sind nicht gegeben.
34 
Beschluss
35 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß den §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 63 Abs. 2 GKG in Anlehnung an Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2004 (VBlBW 2004, 467, 469) auf EUR 7.500,-- festgesetzt.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

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Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für einen Müllgefäßabstellplatz.

2

Die Klägerin ist Eigentümerin des im unbeplanten Innenbereich von K... gelegenen Grundstücks Flurstück-Nr. … in der A-Straße ... . Dieses ist im vorderen Bereich mit einem Wohngebäude bebaut, das etwa 3,35 m von der Grundstücksgrenze zum südlich unmittelbar benachbarten Grundstück A-Straße ..., Flurstück-Nr. …, entfernt ist. Auf diesem betreibt die Beigeladene ein Seniorenwohnheim mit 63 stationären Pflegeplätzen. Das Seniorenwohnheim liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplanes „Seniorenresidenz" der Ortsgemeinde A-Dorf, der das Seniorenwohnheim als Sonderbaufläche „Seniorenresidenz“ festsetzt. Für das Seniorenwohnheim hatte der Beklagte der Beigeladenen am 4. April 2012 eine Baugenehmigung erteilt. Darin enthalten waren mehrere Nebenbestimmungen zur Abfalllagerung wie z.B. die Verpflichtung, Speisereste gekühlt zu lagern, Lebensmittelabfälle, ungenießbare Nebenerzeugnisse und andere Abfälle in verschließbaren Behältern zu lagern sowie alle Abfälle hygienisch einwandfrei zu entsorgen.

3

Auf Antrag der Beigeladenen vom 1. März 2013 genehmigte ihr der Beklagte am 16. April 2013 auch die Errichtung eines Bankautomatengebäudes sowie eines überdachten Müllgefäßabstellplatzes. Ausweislich der genehmigten Planzeichnungen sollte der Mülltonnenaufstellplatz 7,50 m lang und 5 m breit werden und in einer Entfernung von 4,40 m zu der Grundstücksgrenze der Klägerin errichtet werden. Nach der Ansicht Nord-Ost in den Bauplänen sollte die zum Grundstück der Klägerin ausgerichtete Rückwand des Müllgefäßaufstellplatzes vollständig geschlossen mit einer Holzverkleidung versehen werden. Zwischen Müllgebäude und dem Grundstück der Klägerin befindet sich noch ein Trafogebäude (Breite 2,22 m, Länge 2,22 m). Der Abstand zum Wohngebäude der Klägerin beträgt ca. 7,40 m. Zur Veranschaulichung der örtlichen Verhältnisse mag die nachfolgende Zeichnung der betroffenen Straßenabschnitte dienen (gelb = Grundstück der Klägerin, violett = Grundstück der Beigeladenen, grün = Trafohäuschen, rot = Mülltonnenaufstellplatz):

4

Es folgt die Zeichnung

5

Gegen die Baugenehmigung vom 16. April 2013 legte die Klägerin am 18. April 2013 Widerspruch mit der Begründung ein, sie werde durch die Lagerung des Abfalls dauerhaft erheblich belästigt. Die Lagerung erfolge mehr oder weniger in den dafür vorgesehenen Abfallcontainern. Die Kapazität der vorhandenen Container reiche dabei bei weitem nicht aus. Zum gelagerten Müll zählten neben einer beträchtlichen Menge an Essensresten auch gebrauchte Windeln mit entsprechendem Inhalt. Bis der Müll abgeholt werde, gleiche der Abholplatz einer Müllhalde. Fäkalien in Windeln würden außerhalb geeigneter Container einfach lose auf den Boden geworfen. Die Deckel der Abfallcontainer ließen sich oftmals nicht schließen, da die Behältnisse maßlos vollgestopft seien. Von dem gelagerten Müll gehe ein abstoßender und ekelerregender Gestank aus. Durch die Lagerung würden Ratten, Mäuse, Katzen, Fliegen und sonstige diverse Tiere zahlreich angezogen. Einige dieser Tiere seien auch geeignet, Krankheiten zu übertragen. Am gravierendsten seien die Verhältnisse einige Tage vor der 14-tägigen Container-Leerung.

6

In seiner Sitzung vom 27. Juni 2014 setzte der Kreisrechtsausschuss das Verfahren aus, um den Beteiligten des Vorverfahrens die Möglichkeit einer einvernehmlichen Lösung einzuräumen. In der Folgezeit teilte die Klägerin mit, es habe sich nach der mündlichen Verhandlung vor dem Kreisrechtsausschuss keine Verbesserung ergeben. Die Beigeladene erklärte daraufhin mit Schreiben vom 22. September 2014, sie sei bereit, zur gütlichen Beilegung des Verfahrens das strittige Müllhaus zu verkleiden. Ferner habe sie mit der Firma B zusätzlich zur Regelentsorgung einen Vertrag geschlossen, gemäß dem sie 2,2 m³ zusätzliches Müllvolumen zur Entsorgung vorhalten werde und eine Müllentsorgung bei Bedarf auf Abruf erfolge.

7

Die Klägerin führte hierzu mit Schreiben vom 3. März 2015 aus, die Deckel der Restmüllbehälter stünden weiterhin häufig grundlos offen oder könnten aufgrund von Überfüllung nicht mehr geschlossen werden. In diesen würden auch gebrauchte Windeln entsorgt, was nach wie vor zu erheblichen großen Belästigungen führe. Sie sehe darin nach wie vor ein erhebliches hygienisches und gesundheitliches Problem. Eine Besserung sei nicht in Sicht. Aktuelle Lichtbilder aus den Monaten September 2014 bis Januar 2015 würden dies belegen.

8

Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Mai 2015 wies der Kreisrechtsausschuss des Beklagten den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung führte er aus, die Baugenehmigung vom 16. April 2013 verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Das Müllcontainerhaus stelle eine Nebenanlage zur Hauptnutzung, der Seniorenresidenz auf dem Grundstück gemäß § 14 BaunutzungsverordnungBauNVO – dar. Es sei bauplanungsrechtlich in diesem Bereich grundsätzlich zulässig. Eine Unzumutbarkeit im Sinne des § 15 BauNVO sei vorliegend nicht erkennbar. Der Müllgefäßabstellplatz sei aus organisatorischen Gründen sinnvollerweise im vorderen Grundstücksbereich zu errichten, da die Leerung der Müllgefäße ansonsten erheblich erschwert würde. Aus organisatorischen Gründen sei auch davon auszugehen, dass eine Nähe zum Ein-/Ausgangsbereich des Seniorenheims gegeben sein müsse, um die Verbringung des Abfalls in die Müllcontainer organisatorisch nicht zu erschweren. Gerade durch die Errichtung eines überdachten und weitestgehend geschlossenen Müllgefäßabstellplatzes werde auch gewährleistet, dass die Klägerin vor unzumutbaren optischen Beeinträchtigungen geschützt werde. Soweit die Klägerin einwende, die Kapazität der vorhandenen Müllcontainer sei nicht ausreichend, sei darauf hinzuweisen, dass die Beigeladene durch Vorlage einer Vereinbarung nachgewiesen habe, dass jederzeit Abfuhren möglich seien. Dass die Container und Abfallsäcke an den Tagen, an denen der Müll abgeholt werde, nicht im Müllhaus untergebracht seien, ergebe sich aus der Natur der Sache.

9

Auch ein Verstoß gegen die bauordnungsrechtliche Vorschrift des § 10 Absatz 3 Landesbauordnung – LBauO – sei nicht gegeben. Das Müllcontainergebäude halte im Hinblick auf den Nachbarschutz mit 4,40 m ausreichend Abstand zur Nachbargrenze und mit 7,40 m zum Wohngebäude der Klägerin ein.

10

Die Klägerin hat am 29. Mai 2015 Klage erhoben. Sie führt aus, die streitgegenständliche bauliche Anlage verletze das Rücksichtnahmegebot. Insbesondere durch die von der Müllanlage ausgehenden Geruchsbelästigungen werde sie, die Klägerin, in ihren Rechten massivst verletzt. Bei der Seniorenresidenz handele es sich um eine gewerblich genutzte Anlage und somit auch um gewerblichen Abfall, der nach Art bei weitem das im Baugebiet gewöhnliche Maß überschreite. In der Anlage befänden sich insgesamt 63 stationäre Pflegeplätze mit entsprechend hohem Müllaufkommen. Auch die Art des Mülls sei vorliegend nicht mit gewöhnlichem Hausmüll zu vergleichen, da in der Seniorenanlage u.a. auch in erheblichem Umfang Fäkalien in Windeln zu entsorgen seien. Weiterhin fielen Essensreste in nicht unerheblichem Umfang als Abfall an, welche ebenfalls unmittelbar an der Grundstücksgrenze zur Klägerin bis zur Abholung gelagert würden. Zur gegenständlichen Anlage hin befinde sich sowohl ihr Küchenfenster als auch ihr Schlafzimmerfenster. Insbesondere in den Sommermonaten sei sie erheblichen Geruchsbelästigungen ausgesetzt, da zu der bereits an sich problematischen Art und des Umfangs des Abfalls noch hinzukomme, dass dieser in der gegenständlichen Anlage sehr häufig unsachgemäß, z.B. in offen stehenden Müllbehältern, gelagert werde.

11

Von der Anlage gehe neben den vorhandenen Geruchsbelästigungen aufgrund der Art und des Umfangs des Mülls weiterhin auch eine erhebliche gesundheitliche Gefahr und Beeinträchtigung durch das Anlocken von Fliegen, Mäusen und Ratten aus.

12

Im Bebauungsplan sei an der betreffenden Stelle, an der sich nun die streitgegenständliche Anlage befinde, die Errichtung von vier PKW-Stellplätzen vorgesehen. Die Abweichung von dieser Regelung des Bebauungsplans sei rechtswidrig und grob unverhältnismäßig, zumal für die Errichtung der streitgegenständlichen Anlage auf dem Grundstück zahlreiche alternative Standorte zur Verfügung gestanden hätten und auch weiterhin noch stünden, von welchen wesentlich weniger bis gar keine Belästigung für angrenzende Nachbarn ausgehen würden. Es habe keinerlei Veranlassung dazu bestanden, von den Festsetzungen des Bebauungsplans vorliegend abzuweichen und anstelle der geplanten Stellplätze ihr, der Klägerin, einen massivst störenden Müllplatz direkt „vor die Nase zu setzen“.

13

Die Müllanlage weiche im Übrigen von den für die Errichtung der Anlage gefertigten Plänen ab. Auf diesen Plänen sei eindeutig zu erkennen, dass die Anlage abgesehen von der Frontseite sowohl in den Seitenbereichen als auch am Rückbereich vollständig geschlossen sein sollte. Auch diese Abweichung stelle zumindest in der Art der Ausführung eine rechtswidrige Baumaßnahme dar.

14

Die Klägerin beantragt,

15

die vom Beklagten der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 16. April 2013 und den hierzu ergangenen Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses des Rhein-Pfalz-Kreises vom 19. Mai 2015 aufzuheben.

16

Der Beklagte und die Beigeladene beantragen,

17

die Klage abzuweisen

18

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakten und die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die Niederschrift vom 9. Dezember 2015 verwiesen.

Entscheidungsgründe

19

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die angefochtene Baugenehmigung vom 16. April 2013 und der hierzu ergangene Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses des Rhein-Pfalz-Kreises vom 19. Mai 2015 verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO –).

20

Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Baugenehmigung beurteilt sich vorliegend nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung am 16. April 2013. Allerdings sind nachträgliche Änderungen der am 1. August 2015 in Kraft getretenen Fassung der Landesbauordnung vom 15. Juni 2015 (GVBl Seite 77), die sich insgesamt zu Gunsten des Vorhabens der Beigeladenen auswirken, zu berücksichtigen (BVerwG, Beschluss vom 23. April 1998 – 4 B 40/98 –, NVwZ 1998, 1179 und Urteil vom 20. August 2008 – 4 C 11/07 –, NVwZ 2008, 1349).

21

Hiernach verstößt die gemäß § 70 Abs. 1 Satz 1 LBauO erteilte Baugenehmigung vom 16. April 2013 nicht gegen von der Bauaufsichtsbehörde zu prüfende öffentlich-rechtliche Vorschriften, die auch dem Schutz der Klägerin als Nachbarin zu dienen bestimmt sind. Weder liegt in bauplanungsrechtlicher Hinsicht ein Verstoß gegen den Gebietserhaltungsanspruch (1.) noch gegen das Gebot der Rücksichtnahme vor (2.). Das Bauvorhaben der Beigeladenen steht schließlich auch mit der nachbarschützenden bauordnungsrechtlichen Vorschrift des § 10 Abs. 3 LBauO in Einklang (3.).

22

1. Der Klägerin steht ein Abwehranspruch im Sinne eines Gebietserhaltungsanspruchs gegenüber dem streitgegenständlichen Vorhaben unter dem von der Klägerin geltend gemachten Gesichtspunkt der fehlenden Gebietstypik des Müllcontainerhauses von vornherein nicht zu. Der streitgegenständliche Müllabstellplatz auf dem Grundstück der Beigeladenen befindet sich in einem durch Bebauungsplan festgesetzten Sondergebiet gemäß § 11 BauNVO, während das Grundstück der Klägerin im angrenzenden unbeplanten Innenbereich liegt. Ohne näher darauf eingehen zu müssen, ob das Müllcontainerhaus eine nach § 14 BauNVO zulässige gebietstypische Nebenanlage ist, käme vorliegend zugunsten der Klägerin allein der „gebietsübergreifende Gebietserhaltungsanspruch“ in Betracht. Ein gebietsübergreifender Schutz des Nachbarn vor (behaupteten) gebietsfremden Nutzungen im lediglich angrenzenden Plangebiet besteht unabhängig von konkreten Beeinträchtigungen grundsätzlich jedoch nicht (s. z.B. BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 2007 – 4 B 55/07 –, NVwZ 2008, 427; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. Februar 2010 – 1 C 10852/09 –, juris). Allenfalls bei einem erkennbaren Willen des Satzungsgebers, dass Gebietsausweisungen in einem Bebauungsplan auch dem Schutz der jenseits der Gebietsgrenze liegenden benachbarten Bebauung dienen sollen, kann ein solcher gebietsübergreifender Erhaltungsanspruch eingreifen (s. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. Januar 2000 – 1 A 11751/99 –, BauR 2000, 527). Eine solche Konstellation ist hier aber nicht gegeben.

23

2. Die streitgegenständliche Baugenehmigung vom 16. April 2013 verstößt auch nicht gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme.

24

2.1. Ein an ein nach § 11 BauNVO festgesetztes Sondergebiet angrenzender Nachbar kann sich auf die Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme nach § 30 Abs. 1 BaugesetzbuchBauGB – i.V.m. § 15 Abs. 1 BauNVO berufen. Das Gebot der Rücksichtnahme, das auch gebietsübergreifend wirkt, soll als Bestandteil des einfachen Rechts nachbarliche Nutzungskonflikte lösen helfen. Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot setzt dabei einen Verstoß gegen das objektive Recht voraus (BVerwG, Urteil vom 05. Dezember 2013 – 4 C 5/12 –, NVwZ 2014, 370). Er kann vorliegen, wenn ein Vorhaben zwar in jeder Hinsicht den aus seiner Umgebung hervorgehenden Rahmen wahrt, sich aber gleichwohl in seine Umgebung nicht einfügt, weil das Vorhaben es an der gebotenen Rücksicht auf die sonstige, also vor allem auf die in seiner unmittelbaren Nähe vorhandene Bebauung fehlen lässt (BVerwG, Urteil vom 26. Mai 1978 – IV C 9.77 –, NJW 1978, 2564). Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot kann auch gegeben sein, wenn sich ein Vorhaben objektiv-rechtlich nach seinem Maß der baulichen Nutzung, seiner Bauweise oder seiner überbauten Grundstücksfläche nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt (vgl. Beschluss vom 11. Januar 1999 – BVerwG 4 B 128.98 –, NVwZ 1999, 879). Drittschutz wird gewährt, wenn in qualifizierter und individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist (BVerwG, Urteil vom 05. Dezember 2013 – 4 C 5/12 –, NVwZ 2014, 370; kritisch zu dieser Formel Rieger, UPR 2015, 241).

25

Die an das Gebot der Rücksichtnahme zu stellenden Anforderungen hängen wesentlich von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung derer ist, denen die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, umso mehr kann an Rücksichtnahme verlangt werden. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Dabei kommt es für die sachgerechte Beurteilung des Einzelfalls wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem an, was einerseits den Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmepflichtigen nach Lage der Dinge zuzumuten ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 1999 – 4 C 6/98 –, NVwZ 2000, 1050; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 29. Mai 2015 – 8 B 10423/15.OVG –). Die Bestimmung der Grenzen, jenseits derer die Belästigungen oder Störungen unzumutbar sind, unterliegt der uneingeschränkten richterlichen Beurteilung. Im Rahmen der (Zumutbarkeits-)Abwägung können die Interessen der Beteiligten ein unterschiedliches Gewicht haben, je nachdem, ob es um ein Vorhaben geht, das grundsätzlich zulässig und nur ausnahmsweise unzulässig ist oder umgekehrt. Voraussetzung für eine solche Abwägung ist aber, dass derjenige, der ein Vorhaben abwehren will, eine abwägungserhebliche schutzwürdige Position gegenüber dem Vorhaben besitzt. Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot scheidet regelmäßig aus, wenn alle durch das Gebot geschützten, möglicherweise beeinträchtigten Belange auch durch spezielle bauordnungsrechtliche Regelungen (meist die Vorschriften über Abstandsflächen und Stellplätze) geschützt sind und das Vorhaben deren Anforderungen genügt (BVerwG, Urteil vom 7. Dezember 2000 – 4 C 3/00 –, NVwZ 2001, 813; s. auch OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 27. April 2015 – 8 B 10304/15.OVG –). Andererseits kann das Rücksichtnahmegebot, das selbständig neben den bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften steht, im Hinblick auf diese Belange auch dann verletzt sein, wenn die Abstandsflächenvorschriften eingehalten sind (BVerwG, Beschluss vom 11. Januar 1999 – 4 B 128/98 –, NVwZ 1999, 879). Daraus folgt aber im Umkehrschluss nicht, dass bei jedem Verstoß gegen Abstandsflächenvorschriften ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot vorliegt; diesbezüglich kommt es vielmehr stets auf die tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalls an.

26

2.2. Nach diesen Grundsätzen liegt hier kein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme vor.

27

2.2.1. Insbesondere kann die Klägerin nicht mit Erfolg einwenden, die Situierung des Müllcontainerhauses in der Nähe ihres Grundstücks und die damit zusammenhängenden Geruchsbelästigungen seien für sie unzumutbar. Ob eine Belästigung als erheblich anzusehen ist, muss vom Gericht anhand einer einzelfallbezogenen Würdigung beurteilt werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. Mai 1996 – 4 B 50/96 –, NVwZ 1996, 1001; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23. Juni 2010 – 8 A 10357/10 –, BauR 2010, 1907). Dabei sind insbesondere auch wertende Elemente wie die Herkömmlichkeit, die soziale Adäquanz und die allgemeine Akzeptanz einzubeziehen (vgl. zum Lärm BVerwG, Urteil vom 30. April 1992 – 7 C 25/91 –, NJW 1992, 2779).

28

Hiernach hat ein Grundstücksnachbar im Allgemeinen eine Müllsammelstelle in der Nähe der gemeinsamen Grundstücksgrenze als sozialadäquat hinzunehmen, zumal Geruchsbelästigungen bei Nutzung ordnungsgemäßer Lagerbehälter ausgeschlossen sein dürften (vgl. auch OLG Koblenz, Urteil vom 28. November 1979 – 1 U 62/79 –, MDR 1980, 578). Ein Bauherr ist auch nicht verpflichtet, die dem jeweiligen Nachbarn verträglichste und günstigste Lösung zu wählen (VG Würzburg, Urteil vom 12. August 2013 – W 5 K 12.623 –, juris). Folglich gewährt das Rücksichtnahmegebot grundsätzlich keinen Anspruch auf anderweitige Situierung von baulichen Anlagen. Vorliegend wirkt im Übrigen die zum Grundstück der Klägerin komplett verschlossene Rückwand der Entstehung von unzumutbaren Geruchsbelästigungen der auf dem Grundstück der Beigeladenen im Müllcontainerhaus abgestellten Container und Mülltonnen entgegen (vgl. VG Trier, Urteil vom 11. Oktober 2005 – 5 K 700/05.TR –, juris). Auch ist die Beigeladene aufgrund der in der Baugenehmigung vom 4. April 2012 enthaltenen Nebenbestimmungen zur Abfalllagerung zu einer ordnungsgemäßen Abfallbeseitigung verpflichtet. Der Umstand, dass die Beigeladene das streitgegenständliche Gebäude entgegen der eingereichten und genehmigten Baupläne zum Grundstück der Klägerin hin bisher nicht vollständig verschlossen hat, ist im Rahmen des vorliegenden Verfahrens irrelevant, da hier allein die von der Klägerin angefochtene Baugenehmigung im Streit steht und nicht die davon abweichende tatsächliche Bebauung.

29

2.2.2. Ferner hält das Müllcontainerhaus auch die von der Landesbauordnung geforderten Mindestabstände zum Nachbargrundstück ein. Gemäß § 10 Abs. 3 LBauO sollen für Abfall- und Wertstoffbehälter befestigte Plätzean geeigneter Stelle hergestellt werden. § 10 Abs. 3 LBauO kommt nachbarschützende Wirkung jedenfalls insoweit zu, als in entsprechender Anwendung des § 48 Abs. 5 Satz 2 LBauO a.F. bzw. § 48 Abs. 3 Satz 2 LBauO n.F. Mindestabstände von der Grundstücksgrenze einzuhalten sind (vgl. Jeromin in: Jeromin/Schmidt/Lang, LBauO RhPf, 3. Auflage 2012, § 10 Rn. 23). Diese Mindestabstände betragen 5 m zu Öffnungen von Aufenthaltsräumen und 2 m von Grundstücksgrenzen. Vorliegend wurde der Mülltonnenaufstellplatz ausweislich der genehmigten Planzeichnungen in einer Entfernung von 4,40 m zu der Grundstücksgrenze der Klägerin situiert. Ferner beträgt der Abstand zum Wohngebäude der Klägerin 7,40 m. Da das Bauvorhaben der Beigeladenen in Bezug auf die Geruchsbelästigungen somit den Anforderungen der speziellen bauordnungsrechtlichen Regelung des § 10 Abs. 3 LBauO genügt, spricht unter diesem Aspekt nichts für einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot.

30

2.2.3. Soweit die Klägerin weiter moniert hat, die Beigeladene habe das Müllcontainerhaus abweichend von den Festsetzungen des Bebauungsplans unmittelbar vor ihrem Grundstück errichtet, kann sie damit nicht gehört werden. Zum einen trifft dies nicht zu, denn der Bebauungsplan sieht für den betreffenden Grundstücksbereich u.a. Flächen für Nebenanlagen vor. Zu den Nebenanlagen im Sinne des § 14 BauNVO zählen auch Räume für Müllcontainer (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Juni 1988 – 4 B 91/88 –, juris). Zum anderen ist die Anordnung der Flächen für Nebenanlagen in Bebauungsplänen nicht drittschützend.

31

2.2.4. Auch kann die Klägerin nicht damit durchdringen, der Beigeladenen stünden auf ihrem Grundstück zahlreiche andere Standorte zur Verfügung, von denen wesentlich weniger bis gar keine Belästigung für angrenzende Nachbarn ausgehen würden. Wie oben ausgeführt, hat ein Nachbar keinen Anspruch darauf, von einer Müllsammelstelle an der Grenze verschont zu bleiben. Etwas anderes kann im Einzelfall zwar dann gelten, wenn das Bauvorhaben zu Lasten des betroffenen Nachbarn das Schikaneverbot verletzt. Eine Schikane liegt nur dann vor, wenn die Anordnung eines Gebäudes (hier des Müllcontainerhauses) keinem anderen Zweck als der Schädigung des Nachbarn dient und der Bauherr kein schutzwürdiges Eigeninteresse verfolgt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15. April 2008 – 8 S 98/08 –, VBlBW 2008, 452). Dafür gibt es hier jedoch keine Anhaltspunkte.

32

2.2.5. Soweit die Klägerin schließlich unter Vorlage zahlreicher Fotos vorgetragen hat, der Abfall werde in der Müllsammelstelle der Beigeladenen sehr häufig unsachgemäß, z.B. in offen stehenden Müllbehältern, gelagert und das Gebäude, in dem der Abfall bis zur Abholung aufbewahrt werde, sei unterdimensioniert, ist anzumerken, dass die Klägerin sich hierauf im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht berufen kann. Hier geht es ausschließlich um die Frage, ob die angefochtene Baugenehmigung in ihrem genehmigten Umfang gegen drittschützende Bestimmungen verstößt, nicht aber darum, ob die Beigeladene sich in der Praxis an die Vorgaben der Baugenehmigung hält. Eine Abweichung von der genehmigten Nutzung würde im Falle ihres Vorliegens die hier alleine streitgegenständliche Baugenehmigung als solche grundsätzlich unberührt lassen, und lediglich ein bauaufsichtliches Einschreiten gegen die dann ungenehmigte tatsächliche Nutzung rechtfertigen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 15. Dezember 2014 – 1 A 10503/14.OVG –). Zwar mögen insoweit einzelne Ausnahmen denkbar sein, in denen Fragen der tatsächlichen Nutzung auch auf die Ebene der Rechtmäßigkeit der Genehmigung durchschlagen können, beispielsweise in Fällen, in denen die genehmigte Baulichkeit für die zur Genehmigung gestellte Nutzung objektiv ungeeignet ist und mithin für diesen Zweck von vorneherein gar nicht genutzt werden könnte (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 15. Dezember 2014 – 1 A 10503/14.OVG –). Ein solcher Fall ist hier jedoch nicht gegeben.

33

3. Das Bauvorhaben der Beigeladenen verstößt schließlich auch nicht gegen nachbarschützende bauordnungsrechtliche Vorschriften. Wie oben bereits unter 2.2.2. ausgeführt, steht das genehmigte Müllcontainerhaus mit § 10 Abs. 3 LBauO in Einklang. Die Abstandsflächen des § 8 LBauO werden eingehalten. Auch gibt es keine Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen die drittschützende den Schutz gegen schädliche Einwirkungen regelnde Bestimmung des § 14 LBauO.

34

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO.

35

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten beruht auf § 167 VwGO.

36

Beschluss

37

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.500 € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 Gerichtskostengesetz – GKG –).

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.