Verwaltungsgericht Schwerin Beschluss, 17. Juni 2014 - 2 B 459/14

bei uns veröffentlicht am17.06.2014

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 27.03.2014 wird wiederhergestellt, soweit sie sich aufgrund der Mietverträge vom 15.12.2013 (Buchungs-Nr.: 3c151524b9), vom 07.01.2014 (Buchungs-Nr.: 4107133113), vom 08.01.2014 (Buchungs-Nr.: 4108112594), vom 10.01.2014 (Buchungs-Nr.: 4110091770), vom 17.01.2014 (Buchungs-Nr.: 411709193f), vom 20.01.2014 (Buchungs-Nr.: 41200920fa), vom 14.02.2014 (Buchungs-Nr.: 4214091534) und vom 17.02.2014 (Buchungs-Nr.: 4217194098) zur Vermietung der Wohnungen Nr. 03 und 04 im … zu Ferienwohnzwecken in den Zeiten vom 14.06. bis zum 09.07.2014 und vom 27.07. bis zum 30.08.2014 verpflichtet haben.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.

2. Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragsteller wenden sich gegen eine für sofort vollziehbar erklärte Nutzungsuntersagung des Antragsgegners vom 27.03.2014, mit welcher ihnen die Nutzung der im Tenor genannten Wohnungen zu Ferienwohnzwecken ab dem 01.06.2014 untersagt worden war. Das Gebäude befindet sich innerhalb des Geltungsbereichs des Bebauungsplans … und dort innerhalb eines Baufeldes, für welches ein allgemeines Wohngebiet festgesetzt ist. Gegen den Bescheid vom 27.03.2014 legten die Antragsteller am 30.04.2014 Widerspruch ein, über welchen der Antragsgegner noch nicht entschieden hat.

II.

2

Der Antrag,

3

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller vom 30.04.2014 gegen die Nutzungsuntersagung vom 27.03.2014 wiederherzustellen,

4

hat nur in dem im Tenor genannten Umfang Erfolg.

5

Gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) entfällt die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs und der Anfechtungsklage in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in diesem Fall ganz oder teilweise wiederherstellen (vgl. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO). In Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO trifft das Gericht eine eigenständige Ermessensentscheidung. Die gerichtliche Entscheidung orientiert sich im Wesentlichen an den Erfolgsaussichten der Klage im Hauptsacheverfahren. Wird die Anfechtungsklage wenigstens mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Erfolg haben, wird in der Regel die aufschiebende Wirkung wiederherzustellen sein. Umgekehrt wird der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzulehnen sein, wenn erkennbar ist, dass die Klage in der Hauptsache keinen Erfolg haben dürfte. Nur wenn die Rechtslage offen und ein Obsiegen der Antragsteller im Hauptsacheverfahren ebenso wahrscheinlich wie unwahrscheinlich ist, trifft das Gericht eine Ermessensentscheidung allein unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände, insbesondere unter Abwägung der widerstreitenden Interessen der Beteiligten (vgl. OVG Greifswald, Beschluss vom 25.03.2002 – 3 M 87/01 -, NVwZ 2002, 1258). Im Eilverfahren ist eine lediglich summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage geboten (OVG Greifswald, Beschluss vom 11.12.2003 – 1 M 218/03 -, LKV 2004, 557).

6

Nach diesen Vorgaben hat der Antrag der Antragsteller nur zum Teil Erfolg. Die Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der Nutzungsuntersagungsverfügung ergibt sich aus § 80 Abs. 2 Satz 1 Landesbauordnung Mecklenburg-Vorpommern (LBauO M-V). Danach kann der Antragsgegner die Nutzung einer Anlage untersagen, wenn sie im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften ausgeübt wird. Dabei reicht in aller Regel die formelle Rechtswidrigkeit für den Erlass der Nutzungsuntersagung aus (OVG Greifswald, Beschluss vom 09.03.2004 – 3 M 224/03 -; Beschluss vom 03.12.2008 – 3 M 153/08 -; zitiert nach Juris). Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Bauaufsichtsbehörde ohne weitere Ermittlungen erkennen kann, dass die bauliche Anlage und ihre Nutzung dem öffentlichen Baurecht entsprechen. Es muss mit anderen Worten geradezu handgreiflich sein und keiner näheren Prüfung bedürfen, dass der vom Bauherrn gewünschte Zustand dem öffentlichen Baurecht vollständig entspricht (OVG Greifswald, Beschluss vom 09.03.2004, a.a.O.). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Vielmehr dürfte die Nutzung der beiden Wohnungen zu Zwecken der Ferienvermietung sowohl formell als auch materiell rechtswidrig sein.

7

Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit richtet sich vorliegend nach § 30 Abs. 1 Baugesetzbuch (BauGB), da sich die Wohnungen der Antragsteller im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans … befinden. Danach ist die Vermietung der Wohnungen zu Ferienwohnzwecken zulässig, wenn die Nutzung den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Das Grundstück der Antragsteller liegt in einem Baufeld, für welches der Bebauungsplan ein allgemeines Wohngebiet vorsieht. Dort sind nach § 4 Abs. 2 Baunutzungsverordnung (BauNVO) Wohngebäude, die der Versorgung des Gebiets dienende Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störende Handwerksbetriebe und Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke (allgemein) zulässig.

8

Entgegen der Auffassung der Antragsteller handelt es sich bei einer Ferienwohnnutzung nicht um einen Unterfall der (dauerhaften) Wohnnutzung im Sinne von § 4 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO. Zur Frage der Zulässigkeit einer Ferienwohnnutzung in einem allgemeinen Wohngebiet hat das OVG Greifswald in seiner Entscheidung vom 08.01.2008 – 3 M 190/07 -, zitiert nach Juris (dort unter dem Datum 28.12.2007), ausgeführt:

9

„Die im Kern des Beschwerdevorbringens stehende Frage, ob sich eine Ferienwohnnutzung bauplanungsrechtlich (lediglich) als eine Unterform der Wohnnutzung darstellt und damit im vorliegend festgesetzten Allgemeinen Wohngebiet zulässig ist, beantwortet der Senat im Sinne der erstinstanzlichen Entscheidung, wonach es sich bei der gebotenen typisierenden Betrachtung bei der Ferienwohnnutzung gegenüber der allgemeinen Wohnnutzung um eine eigenständige Nutzungsart handelt.

10

Zwar kann nach allgemeinem Sprachgebrauch auch ein Ferien- oder Wochenendhaus als ein „Wohngebäude“ bezeichnet werden; denn auch Ferien- oder Wochenendhäuser dienen dem Wohnen. Gleichwohl unterscheidet das Bauplanungsrecht begrifflich zwischen Wohngebäuden einerseits und Ferien- und Wochenendhäusern andererseits: Während nach den §§ 2, 3, 4, 4 a, 5 und 6 der Baunutzungsverordnung in der Fassung vom 15.09.1977 (BGBl. I S. 1763) – BauNVO – „Wohngebäude“ in den entsprechenden Baugebieten zulässig sind, bezieht sich § 10 Abs. 3 BauNVO auf „Wochenendhäuser“ und § 10 Abs. 4 BauNVO auf „Ferienhäuser“. Diese begriffliche Unterscheidung ist im Bauplanungsrecht angelegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.03.1982 – 4 C 59,78 -, NJW 1982, 2512). Die BauNVO führt die allgemeine Wohnnutzung einerseits und die Ferienwohnnutzung andererseits als eigenständige Nutzungsarten auf (BVerwG, Beschluss vom 08.05.1989 – 4 B 78.89 -, NVwZ 1989, 1060).

11

Um den Wohnbegriff in Abgrenzung zu anderen Nutzungsarten unter Zugrundelegung der o.g. typisierenden bauplanungsrechtlichen Betrachtungsweise sachgerecht zu erfassen, bedarf es einer wertenden Betrachtung aller Umstände. Zu unterscheiden ist die im wesentlichen an der Zweckbestimmung des Aufenthalts in den Räumen (vgl. zu dieser als maßgebliches Kriterium: Bielenberg in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Kommentar, Bd. V, § 3 BauNVO Rn. 8) ausgerichtete (reine) Wohnnutzung von der Ferienwohnnutzung, in der der für das Dauerwohnen maßgebende eigenständige bzw. unabhängig zu gestaltende häusliche Wirkungskreis nicht angenommen werden kann (Bielenberg, a.a.O., Rn. 20). Zum Begriff des Wohnens gehört eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit, zu der auch die Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises gehört (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25.03.1996 – 4 B 302.95 -, BRS 58 Nr. 56). Mit der Dauerhaftigkeit des Wohnens ist zunächst nicht der Gegensatz von längerer und kürzerer oder von unbestimmter und bestimmter Dauer zu verbinden. So schließt etwa eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit als Inbegriff des Wohnens einen Zweitwohnsitz nicht aus (Senat, Urteil vom 11.07.2007 – 3 L 75/06 -). Ausgehend von der Zweckbestimmung des Aufenthalts in den Räumen unterscheidet sich Wohnen von anderen Nutzungsarten, die sich durch ein übergangsweises, nicht „alltägliches“ Wohnen oder ein provisorisches, einem begrenzten Zweck dienendes Unterkommen auszeichnen. „Ferienwohnen“ ist ebenso wenig auf Dauer angelegt wie das Unterkommen in Herbergen jeder Art. Vom Nutzungskonzept her bieten Ferienwohnungen den zumeist wochenweisen vorübergehenden Aufenthalt für ständig wechselnde Feriengäste (vgl. Stock in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 2. Aufl., § 3 Rn. 17; Boeddinghaus, BauNVO, 5. Aufl., § 10 Rn. 15), während reine (Dauer)Wohnungen – ungeachtet der Frage der Aufenthaltsdauer – von einem über einen längeren Zeitraum gleichbleibenden Bewohnerkreis genutzt werden. Gerade die daraus resultierenden unterschiedlichen bodenrechtlichen Auswirkungen der beiden Nutzungsarten rechtfertigen die bauplanungsrechtliche typisierende Unterscheidung.“

12

Diesen Ausführungen (vgl. auch OVG Greifswald, Urteil vom 19.02.2014 – 3 L 212/12 -, S. 11 und 12 des Umdr.) schließt sich das erkennende Gericht an.

13

Die Nutzung des Gebäudes zu Zwecken der Ferienvermietung kann auch nicht ausnahmsweise zugelassen werden. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahme liegen nicht vor. Ausnahmen von den Festsetzungen des Bebauungsplans können nach § 31 Abs. 1 BauGB zugelassen werden, wenn sie im Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind. Zwar sind nach dem Vortrag der Antragsteller im Bebauungsplan …. Betriebe des Beherbergungsgewerbes bis zu 20 Betten zulässig. Hierunter fällt die Nutzung des Gebäudes zu Zwecken der Ferienvermietung jedoch nicht, es handelt sich nicht um einen Betrieb des Beherbergungsgewerbes. Ferienwohnungen und Betriebe des Beherbergungsgewerbes sind bauplanungsrechtlich grundsätzlich zu unterscheiden (vgl. in diesem Sinne bereits VG Schwerin, Urteile v. 20.12.2012 – 2 A 1577/10 sowie 2 A 621/11 -, zitiert nach Juris). Auch die Vermietung mehrerer in einem Gebäude oder räumlich benachbart liegender Ferienwohnungen desselben Eigentümers begründet nicht das Vorliegen eines Betriebs des Beherbergungsgewerbes im Sinne des § 4 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO. Das OVG Greifswald hat hierzu in seiner Entscheidung vom 19.02.2014 (a.a.O.) ausgeführt:

14

„Ferienwohnungen und Betriebe des Beherbergungsgewerbes werden im Bauplanungsrecht begrifflich unterschieden. Während das Ferienwohnen nur in § 10 Abs. 4 BauNVO bezogen auf den Spezialfall der Ferienhäuser Erwähnung findet, nennt die Baunutzungsverordnung Betriebe des Beherbergungsgewerbes in § 4 Abs. 2 Nr. 2, § 5 Abs. 2 Nr. 5, § 6 Abs. 2 Nr. 3 und § 7 Abs. 2 Nr. 2 als allgemein zulässig und in § 3 Abs. 3 Nr. 1 und § 4 Abs. 3 Nr. 1 – im ersteren Falle mit der Einschränkung auf kleine Betriebe – als ausnahmsweise zulässig. Es handelt sich um städtebaulich relevante, eigenständige Nutzungsarten (vgl. BVerwG Beschluss vom 08.05.1989 – 4 B 78.89 – NVwZ 1989, 1060 = Juris Rn. 3; Beschluss vom 07.09.1984 – 4 N 3.84 – NVwZ 1985, 338 = Juris Nr. 21). Eine Beherbergung liegt daher nicht etwa immer bereits dann vor, wenn bei Anmietung einer fremden Wohnung wegen fehlender Dauerhaftigkeit ein (Dauer-)Wohnen verneint werden muss (so aber wohl Vietmeier in Bönker/Bischopink a.a.O., § 3 Rn. 27).

15

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die mietweise Überlassung von selbständigen Wohnungen, sei es auch zu Ferienzwecken, keine Beherbergung (vgl. BVerwG Beschluss vom 08.05.1989 – 4 B 78.89 – NVzW 1989, 1060 = Juris Rn. 3). Bereits zuvor hatte das Bundesverwaltungsgericht formuliert, Vieles spreche dafür, dass die Nutzung „Betrieb des Beherbergungsgewerbes“ nicht die allgemeine Wohnnutzung (einschließlich der Nutzung als Zweitwohnung) und nicht die Ferienwohnung im Sinne des § 10 Abs. 4 BauNVO umfasst, weil die Baunutzungsverordnung die allgemeine Wohnnutzung und die Ferienwohnnutzung als städtebaulich relevante eigenständige Nutzungsarten neben der Nutzungsart „Beherbergungsbetriebe“ regelt (vgl. Beschluss vom 07.09.1984 – 4 N 3.84 – NVwZ 1985, 338 = Juris Rn. 20 f.). Aus dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.11.1987 – 4 B 230/87 ua (DÖV 1988, 382 = Juris) folgt nichts anderes. Zwar betrifft diese Entscheidung einen Fall, in dem die Vorinstanz (OVG Lüneburg, Urteil vom 20.05.1987 – 1 A 124/86 – BRS 47 Nr. 37) 10 Ferienwohnungen in zwei Häusern zusammengefasst als Betrieb des Beherbergungsgewerbes angesehen hatte; zu dieser Einordnung selbst verhält die Entscheidung sich aber mangels entsprechender Rüge nicht. Auch dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.04.1992 – 4 C 43.89 – (BVerwGE 90, 140 = Juris Rn. 16) lässt sich eine andere Auffassung nicht entnehmen, weil die Frage, ob ein Beherbergungsbetrieb („im weiteren Sinne“) vorliegt, wenn Appartements mit Kochgelegenheit ohne nennenswerte weitere Dienstleistungen an Montagearbeiter vermietet werden, ausdrücklich offen gelassen wird.

16

Ein Betrieb des Beherbergungsgewerbes liegt nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vor, wenn Räume ständig wechselnden Gästen zum vorübergehenden Aufenthalt zur Verfügung gestellt werden, ohne dass diese dort ihren häuslichen Wirkungskreis unabhängig gestalten können (vgl. BVerwG Beschluss vom 08.05.1989 – 4 B 78.89 – NVwZ 1989, 1060 = Juris Rn. 3). Diese Voraussetzungen sind jedenfalls dann erfüllt, wenn sich die Überlassung der Räume auf eine reine Übernachtungsmöglichkeit beschränkt, so dass der Gast ausstattungsbedingt auf die Inanspruchnahme weiterer Dienstleistungen angewiesen ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 06.07.2006 – OVG 2 S 2.06 – BRS 70 Nr. 67 = Juris Rn. 8; s.a. OVG Münster, Beschluss vom 14.08.2007 – 10 A 1219/06 – NVwZ-RR 2008, 20 = Juris Rn. 9 ff.). Danach sind Hotels, Pensionen, Gasthöfe, Gästehäuser und Fremdenheime typische Betriebe des Beherbergungsgewerbes.

17

Ferienwohnungen sind entsprechend der – Ferienhäuser betreffenden – Bestimmung des § 10 Abs. 4 BauNVO auf Grund ihrer Lage, Größe, Ausstattung, Erschließung und Versorgung für den Erholungsaufenthalt geeignet und dazu bestimmt, überwiegend und auf Dauer einem wechselnden Personenkreis zur Erholung zu dienen. Diese sind nach ihrer Ausstattung auf eine Selbstversorgung der Feriengäste ausgerichtet, so dass die Voraussetzung für einen Betrieb des Beherbergungsgewerbes, dass der häusliche Wirkungskreis nicht unabhängig gestaltet werden kann, nicht erfüllt ist (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 22.11.2013 – 1 LA 49/13 – NordÖR 2014, 81 = Juris Rn. 19 sowie Beschluss vom 18.07.2008 – 1 LA 203/07 – BRS 73 Nr. 168 = Juris Rn. 12; vg. a. OVG Münster, Urteil vom 17.01.1996 – 7 A 166/96 – S. 10 d. Urteilsabdrucks). Soweit der Beschluss des Senats vom 28.12.2007 – 3 M 190/07 – (Juris) zur Abgrenzung von Dauerwohnen und Ferienwohnen dahin gehend verstanden werden konnte, bei der Ferienwohnnutzung sei ein unabhängig zu gestaltender häuslicher Wirkungskreis nicht gegeben, hält der Senat daran nicht fest.“

18

Diesen Ausführungen schließt sich das erkennende Gericht ebenfalls an. Soweit das OVG Greifswald in seiner Entscheidung vom 19.02.2014 (a.a.O.) weiter ausführt, der Begriff des Beherbergungsgewerbes bedürfe im Hinblick auf entstandene Zwischenformen der Modifizierung, ist nicht ersichtlich und von den Antragstellern auch nicht vorgetragen worden, dass neben der Überlassung der Räumlichkeiten relevante beherbergungstypische Dienstleistungen angeboten und typischerweise in Anspruch genommen werden, die einen nennenswerten Umfang erreichen und die Nutzung prägen.

19

Darüber hinaus dürfte vorliegend auch eine Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB nicht in Betracht kommen. Nach dieser Vorschrift kann von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Befreiung erfordern (Nr. 1) oder die Abweichung städtebaulich vertretbar ist (Nr. 2) oder die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde (Nr. 3) und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Hier dürften bereits die Grundzüge der Planung berührt sein, da es sich bei der Ferienwohnnutzung um eine eigenständige Nutzungsart handelt, die in einem allgemeinen oder reinen Wohngebiet nach der Rechtsprechung der OVG Greifswald nicht gebietsverträglich ist.

20

Soweit die Antragsteller vortragen, die Vermietung des Gebäudes zu Ferienwohnzwecken sei …. bekannt gewesen, ist dies für das vorliegende Verfahren unerheblich. Denn bei … handelt es sich nicht um die zuständige Bauaufsichtsbehörde, zuständig ist insoweit alleine der Antragsgegner. Auch diesem gegenüber können sich die Antragsteller nicht darauf berufen, dass die ungenehmigte Ferienwohnnutzung über längere Zeit geduldet worden sei. Eine aus der langjährigen Untätigkeit einer Behörde folgende rechtsbeachtliche Duldung ist erst dann anzunehmen, wenn die zuständige Baubehörde in Kenntnis der formellen und gegebenenfalls materiellen Illegalität eines Vorhabens zu erkennen gibt, dass sie sich auf Dauer mit dessen Existenz abzufinden gedenkt. Angesichts des Ausnahmecharakters und der weitreichenden Folgen einer sogenannten „aktiven Duldung“, bei der die Behörde an der Beseitigung rechtswidriger Zustände gehindert ist, muss den entsprechenden Erklärungen der Behörde mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen sein, ob, in welchem Umfang und ggf. in welchem Zeitraum die Duldung des illegalen Zustands erfolgen soll (OVG Münster, Beschluss vom 29.11.2013 – 7 A 1879/12 -, zitiert nach Juris). Durch den bloßen Zeitablauf tritt eine Verwirkung nicht ein. Die Befugnis zum Erlass einer Ordnungsverfügung kann nur dann verwirkt werden, wenn die Bauaufsichtsbehörde trotz der Kenntnis des rechtswidrigen Zustandes jahrelang nichts unternimmt, durch ein entsprechendes Verhalten den Eindruck erweckt, sie habe sich mit der Anlage abgefunden, der Antragsteller hierauf vertraut und er sich entsprechend eingerichtet hat (vgl. Dürr/Sauthoff, Baurecht M-V, S. 323, 324, Rn. 1132, 1133, m.w.N.; VG Schwerin, Beschl. v. 27.05.2014 – 2 B 239/14 -, S. 5 ff. d. Umdr.). Vorliegend ist nicht ersichtlich, dass dem Antragsgegner der rechtswidrige Zustand bekannt war und er durch sein Verhalten einen solchen Vertrauenstatbestand geschaffen hat.

21

Im Übrigen ist hinsichtlich der Ermessenserwägungen des Antragsgegners auszuführen, dass es bei einer bauaufsichtlichen Verfügung regelmäßig genügt, wenn die Behörde zum Ausdruck bringt, dass die Anordnung wegen der Rechts- und Ordnungswidrigkeit des Vorhabens erfolgt. Eine Abwägung widerstreitender Interessen braucht nur vorgenommen zu werden, wenn der Sachverhalt so gestaltet ist, dass ganz bestimmte konkrete Anhaltspunkte für die Angemessenheit der Ausnahme, das heißt der ausnahmsweise in Kauf zu nehmenden Duldung eines rechts- oder bauordnungwidrigen Zustandes bestehen (vgl. OVG Greifswald, Beschluss vom 03.12.2008 – 3 M 152/08 -, NordÖR 2009, 123). Die Ermessensentscheidung des Antragsgegners begegnet daher insoweit keinen Bedenken, als er sich zum Erlass einer Nutzungsuntersagung entschlossen hat.

22

Insoweit ist der Vortrag der Antragsteller, sie hätten aufgrund vor der Anhörung abgeschlossener Mietverträge mit erheblichen Schadensersatzzahlungen zu rechnen, unerheblich. Denn grundsätzlich können persönliche oder wirtschaftliche Verhältnisse dem bauaufsichtlichen Einschreiten auch unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitgrundsatzes nicht entgegengehalten werden, weil das öffentliche Baurecht grundstückbezogen ist (vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 11.10.2007 – 1 A 10555/07 -, NVwZ-RR 2008, 146). Zudem liegt es im Verantwortungsbereich der Antragsteller, sich über die zulässige Nutzung für die in ihrem Eigentum stehenden Wohnungen ausreichend zu informieren.

23

Jedenfalls im Rahmen der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung ist jedoch fraglich, ob die Nutzungsuntersagung auch hinsichtlich der eingeräumten Frist zur umfassenden Einstellung der Ferienwohnungsnutzung noch verhältnismäßig ist. Bei einer sofort vollziehbaren Nutzungsuntersagung bedarf es zwar grundsätzlich keiner Fristgewährung (OVG Greifswald, Beschluss vom 03.12.2008 – 3 M 153/08 –, zitiert nach Juris). Vorliegend ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Antragsteller die im Tenor genannten Mietverträge bereits vor Zugang des Anhörungsschreibens vom 20.02.2014 und damit zu einem Zeitpunkt geschlossen hatten, zu dem sie mit einer Nutzungsuntersagungsverfügung noch nicht gerechnet und diese somit in ihre Planungen noch nicht einbezogen haben. Dies hätte der Antragsgegner bei der Bestimmung der Frist zur Herstellung rechtmäßiger Zustände berücksichtigen müssen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.04.1989 – 4 B 65/89 -, NJW 1989, 2638; OVG Schleswig, Urteil vom 19.01.1994 – 1 L 106/92 -, zitiert nach Juris; Domning/Möller/Bebensee, Bauordnungsrecht Schleswig-Holstein, Stand August 2013, § 59 Rn. 108). Aus Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten hält es daher das erkennende Gericht für geboten, unter Ablehnung des Antrages im Übrigen die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs unter entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 5 Satz 4 VwGO (vgl. hierzu OVG Greifswald, Beschluss vom 03.12.2008, a.a.O.) in dem im Tenor genannten Umfang wiederherzustellen.

24

Soweit das Gericht die sofortige Vollziehung des Widerspruchs gegen die Nutzungsuntersagung nicht wiederhergestellt hat, ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Nutzungsuntersagung nicht zu beanstanden und genügt den Anforderungen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 VwGO. Im Falle einer baurechtlichen Nutzungsuntersagung betreffend eine formell illegale, nicht offensichtlich genehmigungsfähige bauliche Anlage bedarf es zur Begründung des öffentlichen Interesses am Sofortvollzug der Verfügung keiner Darlegung konkreter Gefahren für andere Rechtsgüter. Vielmehr liegt die sofortige Vollziehung im besonderen öffentlichen Interesse, weil sie die Vorbildwirkung einer formell illegalen Nutzung bekämpft, dem illegal Nutzenden ungerechtfertigte Vorteile gegenüber dem erst nach Erteilung einer Genehmigung Nutzenden entzieht und ein Unterlaufen der präventiven Kontrolle der Bauaufsicht verhindert. Sind die Voraussetzungen für eine Nutzungsuntersagung gegeben, ist in der Regel auch die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO gerechtfertigt, einer weiteren Begründung bedarf es in diesen Fällen grundsätzlich nicht (vgl. OVG Greifswald, Beschluss vom 17.11-2010 – 3 M 210/10 -; Beschluss vom 03.12.2008 – 3 M 153/08 -, a.a.O.).

25

Die Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 2.000,00 € ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Sie entspricht den Bestimmungen der §§ 79 ff. Sicherheits- und Ordnungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern (SOG M-V). Insbesondere kann die Androhung nach § 87 Abs. 3 SOG M-V mit dem Verwaltungsakt verbunden werden, der vollzogen werden soll. Die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes bewegt sich im unteren Bereich des im § 88 Abs. 3 SOG M-V eingeräumten Rahmens von mindestens 10,00 € und höchstens 50.000,00 € und ist deshalb nicht unangemessen hoch. Nicht zu beanstanden ist ferner die in der Nutzungsuntersagung getroffene Kostenentscheidung des Antraggegners.

26

Die Kosten des Verfahrens sind den Antragstellern aufzuerlegen. Zwar hatte der von ihnen gestellte Antrag in dem im Tenor genannten Umfang Erfolg. Die Kosten des Verfahrens sind jedoch insoweit durch ihr Verschulden entstanden, vgl. § 155 Abs. 4 VwGO. Denn nach Zugang des Anhörungsschreibens vom 20.02.2014 hatten sie auf eine bereits erfolgte Vermietung der Wohnungen nicht hingewiesen, so dass der Beklagte keine Veranlassung hatte, in der Nutzungsuntersagungsverfügung vom 27.03.2014 hierauf einzugehen. Erst im Widerspruchsverfahren haben die Antragsteller hierzu unter Vorlage der Bestätigungen über abgeschlossene Mietverträge substantiiert vorgetragen.

27

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG, wobei das Gericht den Streitwert in Höhe von 5.000,00 € für jede Ferienwohnung in Ansatz gebracht und den sich danach ergebenden Betrag für das hier in Rede stehende vorläufige Rechtsschutzverfahren halbiert hat.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Schwerin Beschluss, 17. Juni 2014 - 2 B 459/14

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bei uns veröffentlicht am 19.02.2014

Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 13. August 2012 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die die

Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 29. Nov. 2013 - 7 A 1879/12

bei uns veröffentlicht am 29.11.2013

Tenor Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens - mit Ausnahme der dem Beigeladenen entstandenen außergerichtlichen Kosten, die er selbst trägt - jeweils zu einem Fünftel.Der Streitwer

Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 20. Dez. 2012 - 2 A 1577/10

bei uns veröffentlicht am 20.12.2012

Tenor Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 24. Februar 2010 und des Widerspruchsbescheides vom 25. November 2010 verpflichtet, über den Bauantrag des Klägers vom 5. November 2009 gemäß der geänderten Genehmigungsplanung vom 16. Nov

Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 20. Dez. 2012 - 2 A 621/11

bei uns veröffentlicht am 20.12.2012

Tenor Der Widerspruchbescheid der Beklagten vom 07. März 2011 wird insoweit aufgehoben als mit ihm Kosten in Höhe von mehr als 2,63 Euro festgesetzt werden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kläger tragen 19/20 und die Be

Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 03. Dez. 2008 - 3 M 152/08

bei uns veröffentlicht am 03.12.2008

Tenor Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 27.10.2008 wird unter der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Baustelle auf dem Grundstück der Antragsteller nicht vor dem 01.02.2009 versiegelt wird. Die Antragsteller

Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 03. Dez. 2008 - 3 M 153/08

bei uns veröffentlicht am 03.12.2008

Tenor Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 28.10.2008 wird unter der Maßgabe zurückgewiesen, dass den Antragstellern die Nutzung des Gebäudes ab dem 01.02.2009 untersagt wird. Die Antragsteller tragen die Kost

Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 28. Dez. 2007 - 3 M 190/07

bei uns veröffentlicht am 28.12.2007

Tenor Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 10.09.2007 wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Bei

Referenzen

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 28.10.2008 wird unter der Maßgabe zurückgewiesen, dass den Antragstellern die Nutzung des Gebäudes ab dem 01.02.2009 untersagt wird.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragsteller wenden sich gegen eine für sofort vollziehbar erklärte Verfügung des Antragsgegners vom 17.10.2008, mit der ihnen die Nutzung der baulichen Anlagen auf ihrem Grundstück Flurstücke X und Y der Flur 1 der Gemarkung R. ab dem 28.10.2008 untersagt wurde.

2

Das Verwaltungsgericht hat den auf Wiederherstellung des Widerspruchs der Antragsteller vom 24.10.2008 gerichteten Antrag mit der Begründung abgelehnt, die Nutzung des Gebäudes sei mangels Genehmigung formell illegal und das Fehlen der erforderlichen Baugenehmigung rechtfertige regelmäßig die Nutzungsuntersagung. Das Vorhaben sei auch nicht offensichtlich genehmigungsfähig, der Antragsgegner habe das ihm eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt und die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei nicht zu beanstanden.

II.

3

Die dagegen gerichtete Beschwerde bleibt nach dem gem. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein berücksichtigungsfähigen Beschwerdevorbringen ohne Erfolg. Auch danach erweist sich die Nutzungsuntersagungsverfügung nach der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage als offensichtlich rechtmäßig.

4

Die Voraussetzungen für den Erlass einer Nutzungsuntersagungsverfügung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 LBauO M-V liegen nach den zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts vor. Das Beschwerdevorbringen ist nicht geeignet, die Genehmigungspflichtigkeit der baulichen Anlage der Antragsteller zu widerlegen; hierzu wird auf den Beschluss des Senats vom heutigen Tage zum Az. 3 M 152/08 verwiesen. Mangels erforderlicher Genehmigung ist die Nutzung durch die Antragsteller formell illegal und der Antragsgegner durfte diese untersagen.

5

Die Verfügung erweist sich auch als ermessensfehlerfrei und insbesondere verhältnismäßig. Die in der Verfügung vom 17.10.2008 zunächst bis zum 28.10.2008 gesetzte, im erstinstanzlichen Verfahren bis zum 04.11.2008, im Beschwerdeverfahren bis zum 13.11.2008 und dann bis zu dessen Abschluss verlängerte Frist erweist sich nicht als zu kurz, sie war aufgrund des vorliegenden Verfahrensablaufs angemessen. Zwar enthält die Begründung der angefochtenen Verfügung vom 17.10.2008 keine Ausführungen zur gesetzten Frist. Dies war mit Blick auf die vom Verwaltungsgericht zitierte Rechtsprechung des Senats, wonach bereits allein die formelle Illegalität eines nicht genehmigungsfähigen Vorhabens den Erlass einer sofort vollziehbaren Nutzungsuntersagung rechtfertigt (B. v. 09.03.2004 - 3 M 224/03-, B. v. 16.06.1999 - 3 M 3/99 - m.w.N.), auch nicht erforderlich. Kann die Nutzung in diesen Fällen mit sofortiger Wirkung untersagt werden, bedarf es grundsätzlich keiner Fristgewährung. Allein durch den Umstand, dass der Antragsgegner die Nutzung erst ab dem 28.10.2008 untersagt hat, hat er den Belangen der Antragsteller erkennbar Rechnung getragen, ohne dass es einer gesonderten Begründung bedurfte. Bei einem trotz Genehmigungsbedürftigkeit ungenehmigt errichteten Bauwerk müssen erhebliche Gründe vorgebracht werden, weshalb ausnahmsweise die Nutzung bis zur Entscheidung über die materielle Legalität weiter ausgeübt werden darf (vgl. Senatsbeschluss v. 16.06.1999 - 3 M 3/99 -).

6

Daran fehlt es, obwohl dies bei dem vorliegenden Verfahrensablauf um so mehr gilt. Bereits mit der Ablehnung der ersten Voranfrage durch den bestandskräftigen Bescheid des Antragsgegners vom 11.02.2002 war den Antragstellern dessen bauplanungsrechtliche Einschätzung des Vorhabens bekannt, wonach sich dieses im Außenbereich befindet, der Bestandsschutz erloschen ist und ihm - auch bei bloßem Umbau und Sanierung des Gebäudes - öffentliche Belange des Naturschutzes entgegenstehen. Trotzdem haben sie ausweislich der durch Fotos belegten Feststellungen des Antragsgegners in der Vorortkontrolle vom 08.05.2002 - nach bestandskräftiger Ablehnung der ersten Voranfrage - das Gebäude komplett entkernt. Der ehemalige Verfahrensbevollmächtigte der Antragsteller hatte dann den Widerspruch vom 21.06.2002 gegen die Baueinstellungsverfügung vom 16.05.2002 ausdrücklich mit der Bitte um Ruhen des Widerspruchsverfahrens wegen einer zweiten Bauvoranfrage eingelegt. Nach deren Ablehnung durch Bescheid vom 17.07.2002 wurde erneut um eine Aussetzung des dagegen eingeleiteten Widerspruchsverfahrens wegen einer von den Antragstellern angestrebten Veränderung der planungsrechtliche Situation durch die Gemeinde (Außenbereichssatzung) nachgesucht. Als sich abzeichnete, dass auch dieses Verfahren keinen Erfolg hat, erließ der Antragsgegner die Widerspruchsbescheide vom 06.07.2006, wogegen die Antragsteller Klage bei dem Verwaltungsgericht Schwerin zum Az. 2 A 1489/06 erhoben habe, über die noch nicht entschieden ist. Zu keinem Zeitpunkt hat der Antragsgegner Zweifel an seiner Einschätzung der fehlenden Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens aufkommen lassen, so dass für die Antragsteller kein schutzwürdiges Vertrauen auf die Genehmigungsfähigkeit der von ihnen beabsichtigten Baumaßnahmen entstehen konnte.

7

Dem weiteren Einwand der Beschwerde, eine negative Vorbildwirkung läge durch das Vorhaben der Antragsteller nicht vor, braucht nicht weiter nachgegangen zu werden. Dieser vom Antragsgegner zur Begründung der Anordnung des Sofortvollzuges der Nutzungsuntersagungsverfügung angeführte Aspekt ist deshalb nicht entscheidungserheblich, weil dann, wenn die Voraussetzungen für eine Nutzungsuntersagung vorliegen, in der Regel auch die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO gerechtfertigt ist (vgl. Senatsbeschluss v. 16.06.1999 - 3 M 3/99 - unter Hinweis auf VGH Kassel, B. v. 15.10.1986 - 3TH 2544/86, NVwZ 1987, 428; B. v. 30.10.1995 - 3 TG 3115/95, NVwZ-RR 1996, 487; OVG Münster, B. v. 23.09.1988 - 11 B 1739/98 -, NVwZ-RR 1989, 344; OVG Bautzen, B. v. 01.03.1993 - 1 S 621/92 -, LKV 1993, 428, vgl. auch VGH München, B. v. 16.05.2008 - 9 AS 07.3222 -, zit. n.juris, m.w.N.) und es einer weiteren Begründung grundsätzlich nicht bedarf.

8

Bei den von der Beschwerde erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den Erlass einer Nutzungsuntersagung unter Anordnung der sofortigen Vollziehung wird verkannt, dass sich die Voraussetzungen einer sofort vollziehbaren Abrissverfügung und einer Nutzungsuntersagung erheblich unterscheiden. Während nach der o.g. Rechtsprechung für den Erlass einer sofort vollziehbaren Nutzungsuntersagung in der Regel die formelle Illegalität der Vorhabens ausreicht, ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung einer rechtmäßigen Beseitigungsanordnung nur zulässig, wenn (1.) die Beseitigung ohne Substanzverlust und andere hohe Kosten zu bewerkstelligen ist, (2.) die Vorbildwirkung eines illegal ausgeführten Vorhabens eine Nachahmung befürchten lässt, so dass der Ausweitung der Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung rasch vorgebeugt werden muss, (3.) ein beharrlicher und notorischer Schwarzbauer nur auf diese Weise erfolgversprechend an der Fortsetzung seiner rechtswidrigen Betätigung gehindert werden kann, oder wenn (4.) die von dem Bauwerk ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ein sofortiges Einschreiten erfordert (Senatsbeschluss v. 06.02.2008 - 3 M 9/08 -, DÖV 2008, 874). Soweit sich die Antragsteller mit der Beschwerde auf die Verletzung der Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 GG berufen, steht auch dies dem Erlass der Nutzungsuntersagungsverfügung mit Blick auf den Gesetzesvorbehalt des Art. 13 Abs. 7 GG nicht entgegen. Insoweit kann auf die Entscheidung im Parallelverfahren betreffend die Baueinstellungsverfügung und Versiegelung vom heutigen Tage zum Az. 3 M 152/08 verwiesen werden.

9

Obwohl sich die Nutzungsuntersagungsverfügung des Antragsgegners nach obigen Ausführungen unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens als rechtmäßig erweist und die Beschwerde zurückzuweisen ist, hält es der Senat aus Verhältnismäßigkeitsgesichtpunkten für geboten, die Frist für das Wirksamwerden der Nutzungsuntersagung im Rahmen einer Auflage nach § 80 Abs. 5 Satz4 VwGO bis zum 01.02.2009 zu verlängern (vgl. zur Anwendbarkeit der Vorschrift auch für ablehnende Entscheidungen: Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 5. Aufl., Rn. 1004; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 80 Rn. 169, jeweils m.w.N.). Die Antragsteller können sich nach obigen Ausführungen zwar nicht auf ein geschütztes Vertrauen in die Wohnnutzung des Gebäudes berufen und die in der Nutzungsuntersagungsverfügung vom 17.10.2008 gesetzte Frist erweist sich unter den gegebenen Umständen als angemessen. Das Vollzugsinteresse kann jedoch wegen der behaupteten Wohnnutzung zugunsten der Antragsteller in vertretbarer Weise gemildert werden, um den Antragstellern mit Blick auf die anstehende Weihnachtszeit und den Jahreswechsel ausreichend Zeit zur Vorbereitung auf einen Umzug bzw. zur Verbringung der eingestellten Möbel zu geben.

10

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 2 und 53 Abs. 3 GKG.

11

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. 66 Abs. 3 Satz3 GKG).

(1) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der allein oder gemeinsam mit sonstigen baurechtlichen Vorschriften mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen enthält, ist ein Vorhaben zulässig, wenn es diesen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

(2) Im Geltungsbereich eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans nach § 12 ist ein Vorhaben zulässig, wenn es dem Bebauungsplan nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

(3) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht erfüllt (einfacher Bebauungsplan), richtet sich die Zulässigkeit von Vorhaben im Übrigen nach § 34 oder § 35.

(1) Allgemeine Wohngebiete dienen vorwiegend dem Wohnen.

(2) Zulässig sind

1.
Wohngebäude,
2.
die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe,
3.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Betriebe des Beherbergungsgewerbes,
2.
sonstige nicht störende Gewerbebetriebe,
3.
Anlagen für Verwaltungen,
4.
Gartenbaubetriebe,
5.
Tankstellen.

(1) Als Sondergebiete, die der Erholung dienen, kommen insbesondere in Betracht
Wochenendhausgebiete,
Ferienhausgebiete,
Campingplatzgebiete.

(2) Für Sondergebiete, die der Erholung dienen, sind die Zweckbestimmung und die Art der Nutzung darzustellen und festzusetzen. Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass bestimmte, der Eigenart des Gebiets entsprechende Anlagen und Einrichtungen zur Versorgung des Gebiets und für sportliche Zwecke allgemein zulässig sind oder ausnahmsweise zugelassen werden können.

(3) In Wochenendhausgebieten sind Wochenendhäuser als Einzelhäuser zulässig. Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass Wochenendhäuser nur als Hausgruppen zulässig sind oder ausnahmsweise als Hausgruppen zugelassen werden können. Die zulässige Grundfläche der Wochenendhäuser ist im Bebauungsplan, begrenzt nach der besonderen Eigenart des Gebiets, unter Berücksichtigung der landschaftlichen Gegebenheiten festzusetzen.

(4) In Ferienhausgebieten sind Ferienhäuser zulässig, die aufgrund ihrer Lage, Größe, Ausstattung, Erschließung und Versorgung für den Erholungsaufenthalt geeignet und dazu bestimmt sind, überwiegend und auf Dauer einem wechselnden Personenkreis zur Erholung zu dienen. Im Bebauungsplan kann die Grundfläche der Ferienhäuser, begrenzt nach der besonderen Eigenart des Gebiets, unter Berücksichtigung der landschaftlichen Gegebenheiten festgesetzt werden.

(5) In Campingplatzgebieten sind Campingplätze und Zeltplätze zulässig.

(1) Reine Wohngebiete dienen dem Wohnen.

(2) Zulässig sind

1.
Wohngebäude,
2.
Anlagen zur Kinderbetreuung, die den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienen.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Läden und nicht störende Handwerksbetriebe, die zur Deckung des täglichen Bedarfs für die Bewohner des Gebiets dienen, sowie kleine Betriebe des Beherbergungsgewerbes,
2.
sonstige Anlagen für soziale Zwecke sowie den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienende Anlagen für kirchliche, kulturelle, gesundheitliche und sportliche Zwecke.

(4) Zu den nach Absatz 2 sowie den §§ 2, 4 bis 7 zulässigen Wohngebäuden gehören auch solche, die ganz oder teilweise der Betreuung und Pflege ihrer Bewohner dienen.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 13. August 2012 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid über die Rücknahme einer durch Fristablauf entstandenen Baugenehmigung und Ablehnung des Bauantrags für die Errichtung eines Gebäudes mit vier Ferienwohnungen.

2

Betroffen ist das Grundstück D. Straße 2 in E., Flur X, Flurstück Y. Es liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 3 "Wohnbebauung F.", der einen Bereich inmitten in der Ortslage betrifft. Als Art der baulichen Nutzung ist ein Reines Wohngebiet gemäß § 3 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 BauNVO festgesetzt. Gem. Ziff. 1.1. und 1.2 der textlichen Festsetzungen werden Ausnahmen iSv § 3 Abs. 3 BauNVO ausschließlich für kleine Betriebe des Beherbergungsgewerbes zugelassen. Nach der Begründung ist die Fläche im Flächennutzungsplan als Wohnbaufläche dargestellt. Die Gemeinde verfolgt das Ziel, Flächen zur Deckung des gemeindlichen Wohnbedarfs zur Verfügung zu stellen (Ziff. 1.2 der Begründung). In der Begründung zu den Festsetzungen der Art der baulichen Nutzung heißt es (Ziff. 2.1.1), die Gemeinde wolle an einem innerörtlichen Standort Flächen für die Deckung von Wohnbedarf bereitstellen. Gemäß Nutzungsschablone und textlichen Festsetzungen könnten etwa 15 bis 20 Wohneinheiten als Einzel- oder Doppelhäuser entstehen. Da die Gemeinde sich in einem Raum mit besonderer natürlicher Eignung für Fremdenverkehr und Erholung und in einem Tourismusschwerpunktraum befinde, sollten Ausnahmen im Sinne von § 3 Abs. 3 BauNVO für kleine Betriebe des Beherbergungsgewerbes zugelassen werden. Für die ausgeschlossenen übrigen Nutzungen gemäß § 3 Abs. 3 BauNVO wie Läden und Handwerksbetriebe stünden in der Gemeinde andere Flächen insbesondere in den Mischgebieten beiderseits der Hauptstraße zur Verfügung. Durch den Ausschluss dieser Nutzung würden Nutzungskonflikte im reinen Wohngebiet unterbunden.

3

Für das Nachbargrundstück (Flurstück Z) erteilte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 24.06.2009 eine Baugenehmigung für die Errichtung eines Gebäudes mit einer Wohnung und drei Ferienwohnungen. Das auf jenem Grundstück errichtete Gebäude befindet sich in Nutzung.

4

Bezogen auf das Vorhabengrundstück beantragte der Kläger am 23.10.2009 die Erteilung einer Baugenehmigung. Im Antragsformular ist das Vorhaben mit "Wohngebäude mit vier Wohnungen" bezeichnet; in den bautechnischen Erläuterungen ist von vier Ferienwohnungen die Rede. Nach den Bauvorlagen sind in den Wohnungen jeweils drei Zimmer mit Bad vorgesehen; die Wohnflächen sollen etwa 53 qm im Erdgeschoss und etwa 45 qm im Dachgeschoss betragen. Die drei Zimmer sind jeweils mit "Zimmer Eltern" (11,60 qm im EG bzw. 9,50 qm im DG), "Zimmer Kinder" (9,82 qm im EG bzw. 8,00 qm im DG) und "Wohnen/Küche" (26,19 qm im EG bzw. 22,00 qm im DG) bezeichnet. Der Kläger beantragte ferner mit gesondertem Schreiben unter dem Betreff "Antrag auf Ausnahmegenehmigung nach § 3 BauNVO vom Bebauungsplan Nr. 3 als kleiner Betrieb des Beherbergungsgewerbes" für das Wohnhaus vier Ferienwohnungen zu genehmigen; diese Ausnahme sei nach dem Bebauungsplan möglich. Ebenfalls mit gesondertem Schreiben beantragte er, eine Verschiebung des Baufensters zu genehmigen.

5

Mit Schreiben vom 11.11.2009 verlängerte die Beklagte gemäß § 63 Abs. 2 LBauO M-V die Bearbeitungsfrist um einen Monat bis zum 23.02.2010. Mit einem weiteren Schreiben an den Kläger vom gleichen Tag verlangte sie die Einreichung eines neuen Lageplanes mit Stellflächen sowie eine Berechnung der Grund- und Geschossflächenzahlen zum Nachweis, dass die Festsetzungen des Bebauungsplanes eingehalten würden. Der Kläger reichte diese Unterlagen am 23.04.2010 bei der Beklagten ein. Die Gemeinde E. erteilte unter dem 19.10.2009 das Einvernehmen zu einer Ausnahme hinsichtlich der Art der Nutzung und formulierte, die Genehmigung zur Verschiebung des Baufeldes solle durch den Landkreis geprüft werden; eine weitere Stellungnahme der Gemeinde, mit der das Einvernehmen zur Verschiebung des Baufensters erteilt wird, datiert vom 03.03.2010. Die Beklagte stellte sich auf den Standpunkt, eine "Verschiebung des Baufensters" könne nur durch eine B-Plan-Änderung erfolgen, und verlangte einen (erneuten) Befreiungsantrag, auf den hin die Gemeinde das Einvernehmen sowohl zu einer Ausnahme hinsichtlich der Art der Nutzung als auch zu einer Befreiung von der Einhaltung der Baugrenzen versagte.

6

Mit Bescheid vom 13.12.2010 nahm die Beklagte nach vorheriger Anhörung die am 24.07.2010 durch Fristablauf entstandene Baugenehmigung mit Wirkung zum 23.07.2010 zurück, ordnete die sofortige Vollziehung an und lehnte den Bauantrag, den Ausnahmeantrag und den Befreiungsantrag ab. Zur Begründung ist u.a. ausgeführt, das Vorhaben entspreche nach der Art der Nutzung nicht den Festsetzungen des Bebauungsplans; eine Ausnahme könne nicht erteilt werden, da bereits für das Nachbargrundstück eine Ausnahme für drei Ferienwohnungen zugelassen worden sei und eine weitere Ausnahme den Gebietscharakter eines reinen Wohngebietes in Frage stellen würde. Im Rahmen der Ermessensausübung sei das öffentliche Interesse an der Einhaltung des geltenden Baurechts höher zu bewerten als das private Interesse des Klägers am Bestand des rechtswidrigen Verwaltungsaktes.

7

Den Widerspruch des Klägers wies die Beklage mit Widerspruchsbescheid vom 01.09.2011 als unbegründet zurück und führte aus, bei den Ferienwohnungen des Klägers handele es sich mangels entsprechenden Leistungsangebots nicht um einen Betrieb des Beherbergungsgewerbes. Da derzeit in dem Gebiet drei Ferienwohnungen und 14 Dauerwohnungen genehmigt seien, würde nach Zulassung weiterer vier Ferienwohnungen ein Drittel der bestehenden Nutzungseinheiten zu Ferienwohnzwecken genutzt. Dies widerspreche dem Gebietscharakter eines reinen Wohngebietes.

8

Bereits während des Widerspruchsverfahrens hatte die Beklagte dem Kläger auf dessen Antrag mit Bescheid vom 16.05.2011 für das Vorhabengrundstück (Flurstück Y) eine Baugenehmigung für die Errichtung eines Gebäudes mit drei (Dauer-)Wohnungen und einer Ferienwohnung sowie eine Ausnahme hinsichtlich der Nutzung einer Wohnung als Ferienwohnung und eine Befreiung von der Einhaltung der Baugrenze erteilt; die Gemeinde hatte hierzu das Einvernehmen erklärt.

9

Der Kläger hat am 01.08.2011 gegen den Rücknahme- und Ablehnungsbescheid Klage erhoben und vorgetragen: Bei seinem Vorhaben handele es sich um einen kleinen Betrieb des Beherbergungsgewerbes. Den Gästen der Ferienwohnungen würden Bettwäsche und Handtücher, ein Brötchenservice und "Housekeeping" zur Verfügung gestellt. Ein kleiner Beherbergungsbetrieb sei bei weniger als etwa zehn Zimmern zu bejahen. Das Störungspotential von vier Ferienwohnungen sei gering. Nach dem Inhalt des Bebauungsplans solle ein Nebeneinander von reinem Wohnen und einer kleinen Ferienhaus- und Ferienwohnungskultur ermöglicht werden. Die Gemeinde wolle sich zu einem Seebad mit zahlreichen Ferienwohnungen entwickeln, ohne jedoch ein Sondergebiet "Ferienhaus" gemäß § 10 Abs. 4 BauNVO auszuweisen. Da der Gebietscharakter des Reinen Wohngebietes nicht in Frage gestellt werde, habe er einen Anspruch auf die Erteilung einer Ausnahme.

10

Der Kläger hat beantragt,

11

den Rücknahme- und Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 13.12.2010 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 01.09.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm die beantragte Baugenehmigung zur Errichtung eines Wohngebäudes mit vier Ferienwohnungen auf dem Grundstück Gemarkung E., Flur X, Flurstück Y einschließlich einer Ausnahme von den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 3 „Wohnbebauung F.“ betreffend die Art der baulichen Nutzung sowie einer Befreiung von der festgesetzten Baugrenze zu erteilen.

12

Die Beklagte hat beantragt,

13

die Klage abzuweisen.

14

Mit Urteil vom 31.08.2012, zugestellt am 12.09.2012, hat das Verwaltungsgericht Greifswald den Rücknahme- und Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 13.12.2010 aufgehoben, soweit er die Nutzung einer zweiten Wohnung als Ferienwohnung in dem streitigen Vorhaben betrifft, und insoweit die Beklagte verpflichtet, dem Kläger eine Ausnahme von der Festsetzung des Bebauungsplans zu erteilen. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt: Die Klage sei unzulässig, soweit die Rücknahme und Ablehnung der Baugenehmigung für die zwischenzeitlich bereits mit Bescheid vom 16.05.2011 genehmigte Ferienwohnung angegriffen werde und die Beklagte insoweit zur Erteilung einer Ausnahme und einer Befreiung verpflichtet werden solle. Die durch Fristablauf entstandene Baugenehmigung widerspreche den planungsrechtlichen Vorschriften teilweise, nämlich hinsichtlich zweier Ferienwohnungen. Insoweit sei die Art der baulichen Nutzung nicht mit den Festsetzungen des Bebauungsplans vereinbar. Die beantragten Ferienwohnungen stellten einen Betrieb des Beherbergungsgewerbes dar. Ein Bauantrag für Ferienwohnungen sei regelmäßig auf den Betrieb eines Beherbergungsgewerbes gerichtet. Denn Ferienwohnungen böten wegen der zeitlich begrenzten Nutzung und der vollständigen Möblierung, zu deren Umgestaltung oder Austausch der Gast nicht befugt sei, typischerweise keine umfassende Möglichkeit eigenständiger Häuslichkeit; das Vorhandensein einer Kochmöglichkeit reiche dazu nicht aus. Soweit das VG Berlin (B. v. 23.01.2012 - 19 L 294/11 - LKV 2012, 93) und das OVG Berlin-Brandenburg (B. v. 06.07.2006 - OVG 2 S 2/06 - BRS 70 Nr. 67) für die Unterscheidung von Wohnen und Beherbergungsbetrieb auf die Möglichkeit einer Küchenbenutzung sowie der Nutzung weiterer beherbergungstypischer Dienstleistungen abstellten, hätten den Entscheidungen besondere Fallgestaltungen zu Grunde gelegen.

15

Der beabsichtigte Beherbergungsbetrieb sei jedoch nicht mehr als klein anzusehen, da der Kläger bereits auf dem Nachbargrundstück ein gleichartiges Gebäude mit drei genehmigten Ferienwohnungen unterhalte. Die bereits vorhandenen und die zusätzlich beantragten Ferienwohnungen stellten sich auch im Hinblick auf die vom Kläger beschriebenen beherbergungsbezogenen Dienstleistungen, die er für die Gäste über die reine Ferienwohnnutzung hinaus erbringe, als eine organisatorische Zusammenfassung von Betriebsanlagen und Betriebsmitteln zu einem bestimmten Betriebszweck dar. Je Ferienwohnung müsse von bis zu sechs Betten ausgegangen werden, so dass der Kläger mit insgesamt sieben Ferienwohnungen bis zu 42 Schlafplätze in 21 Räumen vorhalten wolle. Er trage jedoch selbst vor, dass die Grenze für einen kleinen Betrieb bei 10 Zimmern liege. Tatsächlich sei mit fünf Ferienwohnungen und maximal 30 Schlafgelegenheiten die Grenze eines kleinen Beherbergungsbetriebs erreicht. In diesem Umfang sei die Rücknahme rechtswidrig und dem Kläger eine Ausnahme für eine weitere Ferienwohnnutzung zu erteilen.

16

Dass die Gemeinde zahlreiche Ferienwohnungen habe ermöglichen wollen, lasse sich der Planung nicht entnehmen. In reinen Wohngebieten könnten deshalb nur kleine Beherbergungsbetriebe ausnahmsweise zugelassen werden, weil diese ein erhöhtes Störungspotential für die benachbarte Wohnbevölkerung mit sich brächten, für die das Baugebiet in erster Linie gedacht sei. Dies gelte auch und gerade für Ferienwohnungen mit ihrer üblichen Terrassen- und Balkonnutzung, weil Feriengäste die Abend- und frühen Nachtstunden länger nutzen könnten als die arbeitende Wohnbevölkerung. Weise die Gemeinde E. ein reines Wohngebiet aus, so wolle sie damit eine vergleichbare Wohnqualität verwirklichen wie sie in anderen Orten üblich sei. Hätte sie "zahlreiche Ferienwohnungen" im Plangebiet zulassen wollen, hätte sie eine andere Art der baulichen Nutzung festgesetzt.

17

Im übrigen sei die Rücknahme rechtmäßig. Die Beklagte habe das Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Auf einen etwaigen Vertrauensschutz im Hinblick auf den erfolgten Beginn der Bauarbeiten durch Errichtung der Bodenplatte unter geringfügiger Überschreitung der Baugrenze und einen dadurch möglicherweise entstandenen Schaden habe sie nicht eingehen müssen, weil dem Kläger diesbezüglich bereits mit der Baugenehmigung vom 16.05.2011 eine Befreiung erteilt worden sei.

18

Mit Bescheid vom 01.11.2012 hat die Beklagte in Umsetzung des erstinstanzlichen Urteils dem Kläger eine Ausnahme von den Festsetzungen des Bebauungsplans dahingehend erteilt, dass für das bereits genehmigte Wohngebäude eine weitere Ferienwohnung zugelassen wird, womit für das Gebäude auf dem Flurstück Y insgesamt zwei Dauerwohnungen und zwei Ferienwohnungen zulässig seien.

19

Auf den am 12.09.2012 gestellten Antrag des Klägers hat der Senat mit Beschluss vom 16.09.2013, zugestellt am 27.09.2013, die Berufung wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Frage zugelassen, inwieweit, in welcher Form und in welchem Umfang die Nutzung von Ferienwohnungen einen kleinen Beherbergungsbetrieb iSv § 3 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO darstellen kann. Auf den am 18.10.2013 gestellten Antrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers hat der Senatsvorsitzende mit Verfügung vom 21.10.2013 die Frist zur Begründung der Berufung bis zum 28.11.2013 verlängert. Der Kläger hat die Berufung am 27.11.2013 im Wesentlichen wie folgt begründet:

20

Das Verwaltungsgericht sei von unrichtigen Tatsachenfeststellungen ausgegangen. Je Wohnung sei - wie im einzelnen näher ausgeführt wird - nicht von sechs, sondern von vier Schlafgelegenheiten auszugehen. In den sieben Ferienwohnungen würden damit insgesamt 28 Schlafgelegenheiten vorgehalten. Der Schwellenwert von 30 Schlafgelegenheiten, von dem das Verwaltungsgericht für einen kleinen Beherbergungsbetrieb ausgegangen sei, werde nicht erreicht. Weshalb das Verwaltungsgericht zusätzlich auch eine Beschränkung der Anzahl der Wohnungen auf fünf zu Grunde gelegt habe, sei nicht ersichtlich. Im übrigen spreche aber alles dafür, den für M-V ermittelten Durchschnitt von knapp 50 Schlafgelegenheiten je Betrieb als Indizgröße für die Abgrenzung heranzuziehen. Erst recht liege die Zahl der Schlafgelegenheiten in dem Betrieb des Klägers deutlich unterhalb des Durchschnitts in E. (knapp 80 je Betrieb). Was ein kleiner Betrieb des Beherbergungsgewerbes sei, sei im Lichte der planerischen Zielsetzung der Gemeinde auszulegen. In einem Tourismusschwerpunktraum mit besonderer natürlicher Eignung für Fremdenverkehr, in dem sich die Gemeinde nach der Planbegründung befinde, seien solche Betriebe nach ihrer Bettenzahl naturgemäß größer als in anderen Gebieten. Dem entsprechend habe die Gemeinde auch mit Beschluss vom 25.02.2013 das Einvernehmen zur Erteilung einer Ausnahme für die Nutzung des Vorhabenflurstücks Y als kleiner Betrieb des Beherbergungsgewerbes mit vier Ferienwohnungen erteilt. Das Verwaltungsgericht habe die maßgebliche Struktur der konkreten Örtlichkeit nicht aufgeklärt, obwohl sich dies nach Lage der Dinge aufgedrängt habe.

21

Andere Merkmale als die Bettenzahl habe das Verwaltungsgericht zur Abgrenzung zu Unrecht nicht herangezogen. Richtigerweise sei auch das Element der "Versorgung" zu betrachten. Dieses spreche aber fast zwingend dafür, den Beherbergungsbetrieb als "klein" zu qualifizieren, weil in dem bestehenden Einmannbetrieb neben einem Brötchenservice lediglich Wäsche- bzw. Handtuchwechsel und Reinigung der Zimmer vorgesehen seien; weniger sei kaum möglich.

22

Zu Unrecht sei das Verwaltungsgericht bei seinen Überlegungen zum Störungspotential von Ferienwohnungen für die benachbarte Wohnbevölkerung davon ausgegangen, dass Feriengäste die Terrassen und Balkone in den Abend- und frühen Nachtstunden länger nutzen könnten als die arbeitende Wohnbevölkerung. Als typische Gäste in Ferienwohnungen hätten auch Eltern mit kleinen Kindern in diesen Stunden ein besonderes Ruhebedürfnis. Im übrigen könne angesichts der hohen Arbeitslosigkeit in Mecklenburg-Vorpommern bzw. im Landkreis Vorpommern-Greifswald nicht ohne weiteres von arbeitender Wohnbevölkerung ausgegangen werden.

23

Der Kläger beantragt,

24
1. das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 31.08.2012 – 5 A 760/11 – insoweit aufzuheben, als die Klage im Übrigen abgewiesen worden ist,
25
2. den Rücknahme- und Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 13.12.2010 und ihren Widerspruchsbescheid vom 01.09.2011 aufzuheben, soweit sie die Nutzung einer dritten und vierten Wohnung als Ferienwohnungen im Gebäude auf dem Flurstück Y der Flur X der Gemarkung E. betreffen,
26
3. die Beklagte unter teilweiser Änderung ihres Rücknahme- und Ablehnungsbescheides vom 13.12.2010 und ihres Widerspruchsbescheides vom 01.09.2011 zu verpflichten, ihm Ausnahmen von der Festsetzung des Bebauungsplans für die Nutzung zweier weiterer Wohnungen, d.h. der dritten und vierten Ferienwohnung im Gebäude auf dem Flurstück Y der Flur X der Gemarkung E. zu erteilen.
27

Die Beklagte beantragt,

28

die Berufung zurückzuweisen.

29

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und sich zur Sache nicht geäußert.

30

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

31

Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.

32

1. Streitgegenstand ist trotz der beschränkten Antragstellung und der vorangegangenen teilweise stattgebenden Entscheidung des Verwaltungsgerichts der Rücknahme- und Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 13.12.2010 insgesamt. Der Streitgegenstand ist insoweit nicht teilbar. Über das zur Genehmigung gestellte Vorhaben der Errichtung eines Gebäudes mit vier Ferienwohnungen an einem bestimmten Standort konnte nur einheitlich entschieden werden. Dabei bleibt es auch im Verfahren über den Rücknahme- und Ablehnungsbescheid. Auf die Frage, ob das Vorhaben in bestimmten Aspekten mit dem Vorhaben übereinstimmt, für das bereits mit Datum vom 16.05.2011 eine Genehmigung erteilt wurde, einschließlich Befreiung von der Einhaltung der Baugrenze und Ausnahme für die Nutzung einer der vier Wohnungen als Ferienwohnung, und für das in Umsetzung des erstinstanzlichen Urteils mit dem Bescheid vom 01.11.2012 eine weitere Ausnahme für die Nutzung einer weiteren Wohnung als Ferienwohnung erteilt wurde, kommt es nicht an.

33

2. Dem Kläger fehlt für die Weiterverfolgung der Klage nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Allerdings erstrebt er eine Baugenehmigung für ein anderes Gebäude als dasjenige, das er auf dem Vorhabenflurstück Y tatsächlich errichtet hat. Wie die mündliche Verhandlung vor dem Senat ergeben hat, ist das Gebäude jedenfalls insoweit abweichend von den Bauvorlagen errichtet worden, als in dem Gebäude über Erd- und "Dachgeschoss" hinaus eine dritte Wohnebene mit Verglasung auf der Südseite nebst Balkon entstanden ist. Es erscheint jedoch nicht von vornherein ausgeschlossen, dass dieser Bestand durch einen entsprechenden Rückbau legalisiert werden kann.

34

3. Die Klage ist nicht begründet, weil der Rücknahme- und Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 13.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.09.2011 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

35

Nach § 48 Abs. 1 VwVfG M-V kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden (Satz 1); ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Abs. 2 bis 4 der Vorschrift zurückgenommen werden. Gemessen an diesen Voraussetzungen ist die Rücknahmeentscheidung der Beklagten rechtmäßig.

36

Gegenstand der Rücknahme ist eine fiktiv erteilte Baugenehmigung. Diese Baugenehmigung ist rechtswidrig. Sie war nicht zu erteilen, weil dem Vorhaben öffentlich-rechtliche Vorschriften des Bauplanungsrechts entgegen stehen, § 72 Abs. 1 LBauO M-V. Da das Vorhaben im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans liegt, setzt die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit gemäß § 30 Abs. 1 BauGB voraus, dass das Vorhaben dessen Festsetzungen nicht widerspricht. Dies ist aber hier im Hinblick auf die angestrebte Art der baulichen Nutzung des Gebäudes für vier Ferienwohnungen der Fall.

37

a) Der Bebauungsplan Nr. 3 der Gemeinde E. "Bebauung F." setzt ein reines Wohngebiet fest, in dem gemäß § 3 Abs. 2 BauNVO nur Wohngebäude (und nach der aktuellen Fassung der BauNVO Anlagen zur Kinderbetreuung) allgemein zulässig sind. Bei dem Vorhaben des Klägers handelt es sich jedoch nicht um ein Wohngebäude in diesem Sinne. Wie der Senat bereits in dem Beschluss vom 28.12.2007 - 3 M 190/07 - (Juris Rn. 9 ff.) ausgeführt hat, sind Ferienwohnungen von dem bauplanungsrechtlichen Begriff des Wohngebäudes nicht umfasst. An dieser Rechtsprechung hält der Senat - in Übereinstimmung mit dem Bundesverwaltungsgericht (vgl. B. v. 11.07.2013 - 4 CN 7.12 - NVwZ 2014, 72 = Juris Rn. 11) - fest (ebenso: OVG Lüneburg B. v. 22.11.2013 - 1 LA 49/13 - NordÖR 2014, 81 = Juris Rn. 18; anderer Ansicht: Jäde BauNVO § 3 Rn. 4; unklar Fickert/Fieseler BauNVO § 3 Rn. 1.2 u. 10 sowie § 10 Rn. 34.1, wo einzeln gelegene Ferienwohnungen in reinen und allgemeinen Wohngebieten offenbar für allgemein zulässig gehalten werden).

38

Das Bauplanungsrecht unterscheidet begrifflich zwischen Wohngebäuden einerseits und Ferien- und Wochenendhäusern andererseits. Während nach den §§ 2, 3, 4, 4a, 5 und 6 BauNVO "Wohngebäude" in den entsprechenden Baugebieten zulässig sind, bezieht sich § 10 Abs. 3 BauNVO auf "Wochenendhäuser" und § 10 Abs. 4 BauNVO auf "Ferienhäuser". Diese begriffliche Unterscheidung ist im Bauplanungsrecht angelegt (vgl. BVerwG U. v. 12.03.1982 - 4 C 59.78 -, NJW 1982, 2512 = Juris Rn. 23). Die Baunutzungsverordnung führt die allgemeine Wohnnutzung einerseits und die Ferienwohnnutzung andererseits als eigenständige Nutzungsarten auf (BVerwG, B. v. 08.05.1989 - 4 B 78.89 -, NVwZ 1989, 1060 = Juris Rn. 3; B. v. 07.09.1984 – 4 N 3.84 – NVwZ 1985, 338 = Juris Rn. 21).

39

Um den Wohnbegriff in Abgrenzung zu anderen Nutzungsarten unter Zugrundelegung der typisierenden bauplanungsrechtlichen Betrachtungsweise sachgerecht zu erfassen, bedarf es einer wertenden Betrachtung aller Umstände. Maßgeblich ist die Zweckbestimmung des Aufenthalts in den Räumen. Zum Begriff des Wohnens gehört eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit, die Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises sowie die Freiwilligkeit des Aufenthalts. Diese Definition ist aus der Abgrenzung zu anderen planungsrechtlichen Nutzungsformen (Beherbergung, Heimunterbringung, Formen der sozialen Betreuung und Pflege) entwickelt worden. Sie soll den Bereich des Wohnens als Bestandteil der privaten Lebensgestaltung kennzeichnen. Gemeint ist damit die Nutzungsform des selbstbestimmt geführten privaten Lebens "in den eigenen vier Wänden", die auf eine gewisse Dauer angelegt ist und keinem anderen in der Baunutzungsverordnung vorgesehenen Nutzungszweck verschrieben ist, insbesondere keinem Erwerbszweck dient (vgl. BVerwG B. v. 25.03.2004 - 4 B 15.04 - BRS 67 Nr. 70 = Juris Rn. 4 mwN; B. v. 25.03.1996 - 4 B 302.95 - NVwZ 1996, 893 = Juris Rn. 12). Diese Merkmale schließen einen Zweitwohnsitz nicht aus (vgl. OVG Greifswald U. v. 11.07.2007 - 3 L 75/06 -). Sie unterscheiden das (Dauer-)Wohnen aber von anderen Nutzungsarten, die sich durch ein übergangsweises, nicht "alltägliches" Wohnen oder ein provisorisches, einem begrenzten Zweck dienendes Unterkommen auszeichnen. Bei Ferienwohnungen, die vom Nutzungskonzept her (zumeist wochenweisen) vorübergehenden Aufenthalt für ständig wechselnde Feriengäste bieten (vgl. Stock in: König u.a. BauNVO, 2. Aufl. § 3 Rn. 17; vgl. a. Boeddinghaus BauNVO 5. Aufl. 2005 § 10 Rn. 15), fehlt es typischerweise an der auf Dauer angelegten Häuslichkeit (OVG Lüneburg B. v. 22.11.2013 – 1 LA 49/13 – NordÖR 2014, 81 = Juris Rn. 18; OVG Münster U. v. 17.01.1996 – 7 A 166/96 – S. 13 d. Urteilsabdrucks). (Dauer)Wohnungen werden demgegenüber von einem über einen längeren Zeitraum gleichbleibenden Bewohnerkreis genutzt. Die daraus resultierenden unterschiedlichen bodenrechtlichen Auswirkungen der beiden Nutzungsarten rechtfertigen die bauplanungsrechtliche typisierende Unterscheidung.

40

b) Die beantragte Nutzung des Gebäudes für vier Ferienwohnungen kann auch nicht ausnahmsweise zugelassen werden. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahme liegen nicht vor. Ausnahmen von den Festsetzungen des Bebauungsplans können nach § 31 Abs. 1 BauGB zugelassen werden, wenn sie in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind. Gemäß Ziff. 1.1 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 3 der Gemeinde E. sollen von den gemäß § 3 Abs. 3 BauNVO im reinen Wohngebiet grundsätzlich ausnahmefähigen Vorhaben nur kleine Betriebe des Beherbergungsgewerbes ausnahmsweise zugelassen werden können. Hierunter fällt das Vorhaben des Klägers nicht.

41

aa) Das Vorhaben des Klägers ist kein Betrieb des Beherbergungsgewerbes.

42

(1) Ferienwohnungen und Betriebe des Beherbergungsgewerbes sind bauplanungsrechtlich unterschiedliche Nutzungsarten. Auch die Vermietung mehrerer in einem Gebäude oder räumlich benachbart liegender Ferienwohnungen desselben Eigentümers begründet nicht das Vorliegen eines Betriebs des Beherbergungsgewerbes iSd § 3 Abs. 3 BauNVO (vgl. OVG Lüneburg U. v. 12.12.2013 - 1 LA 123/13 - DVBl 2014, 254 Rn. 11 u. B. v. 18.07.2008 – 1 LA 203/07 – BRS 73 Nr. 168 = Juris Rn. 12; vgl. a. B. v. 22.11.2013 - 1 LA 49/13 - NordÖR 2014, 81 = Juris Rn. 19; OVG Münster U. v. 17.01.1996 – 7 A 166/96 – S. 10 d. Urteilsabdrucks; ebenso VG Schwerin U. v. 20.12.2012 – 2 A 1577/10 – Juris Rn. 34 ff. sowie U. v. 20.12.2012 – 2 A 863/11 – Juris Rn. 31 ff; anderer Ansicht: Stock in König ua BauNVO § 4a Rn. 25 sowie in Ernst/Zinkahn/Bielenberg § 4 BauNVO Rn. 110, 114; Fickert/Fieseler BauNVO 11. Aufl.2008 § 3 Rn. 19; OVG Lüneburg U. v. 20.05.1987 - 1 A 124/86 - BRS 47 Nr. 37; offener Bönker in Bönker/Bischopink BauNVO § 7 Rn. 70).

43

Ferienwohnungen und Betriebe des Beherbergungsgewerbes werden im Bauplanungsrecht begrifflich unterschieden. Während das Ferienwohnen nur in § 10 Abs. 4 BauNVO bezogen auf den Spezialfall der Ferienhäuser Erwähnung findet, nennt die Baunutzungsverordnung Betriebe des Beherbergungsgewerbes in § 4 Abs. 2 Nr. 2, § 5 Abs. 2 Nr. 5, § 6 Abs. 2 Nr. 3 und § 7 Abs. 2 Nr. 2 als allgemein zulässig und in § 3 Abs. 3 Nr. 1 und § 4 Abs. 3 Nr. 1 – im ersteren Falle mit der Einschränkung auf kleine Betriebe - als ausnahmsweise zulässig. Es handelt sich um städtebaulich relevante, eigenständige Nutzungsarten (vgl. BVerwG B. v. 08.05.1989 – 4 B 78.89 – NVwZ 1989, 1060 = Juris Rn. 3; B. v. 07.09.1984 – 4 N 3.84 – NVwZ 1985, 338 = Juris Rn. 21). Eine Beherbergung liegt daher nicht etwa immer bereits dann vor, wenn bei Anmietung einer fremden Wohnung wegen fehlender Dauerhaftigkeit ein (Dauer-)Wohnen verneint werden muss (so aber wohl Vietmeier in Bönker/Bischopink aaO § 3 Rn. 27).

44

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die mietweise Überlassung von selbständigen Wohnungen, sei es auch zu Ferienzwecken, keine Beherbergung (vgl. BVerwG B. v. 08.05.1989 - 4 B 78.89 - NVwZ 1989, 1060 = Juris Rn. 3). Bereits zuvor hatte das Bundesverwaltungsgericht formuliert, Vieles spreche dafür, dass die Nutzung "Betrieb des Beherbergungsgewerbes" nicht die allgemeine Wohnnutzung (einschließlich der Nutzung als Zweitwohnung) und nicht die Ferienwohnung iSd § 10 Abs. 4 BauNVO umfasst, weil die Baunutzungsverordnung die allgemeine Wohnnutzung und die Ferienwohnnutzung als städtebaulich relevante eigenständige Nutzungsarten neben der Nutzungsart "Beherbergungsbetriebe" regelt (vgl. B. v. 07.09.1984 - 4 N 3.84 - NVwZ 1985, 338 = Juris Rn. 20 f.). Aus dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.11.1987 - 4 B 230/87 ua (DÖV 1988, 382 = Juris) folgt nichts anderes. Zwar betrifft diese Entscheidung einen Fall, in dem die Vorinstanz (OVG Lüneburg, U. v. 20.05.1987 - 1 A 124/86 - BRS 47 Nr. 37) 10 Ferienwohnungen in zwei Häusern zusammengefasst als Betrieb des Beherbergungsgewerbes angesehen hatte; zu dieser Einordnung selbst verhält die Entscheidung sich aber mangels entsprechender Rüge nicht. Auch dem Urteil des Bundesverwaltungsgericht vom 29.04.1992 - 4 C 43.89 - (BVerwGE 90, 140 = Juris Rn. 16) lässt sich eine andere Auffassung nicht entnehmen, weil die Frage, ob ein Beherbergungsbetrieb ("im weiteren Sinne") vorliegt, wenn Appartements mit Kochgelegenheit ohne nennenswerte weitere Dienstleistungen an Montagearbeiter vermietet werden, ausdrücklich offen gelassen wird.

45

(2) Ein Betrieb des Beherbergungsgewerbes liegt nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vor, wenn Räume ständig wechselnden Gästen zum vorübergehenden Aufenthalt zur Verfügung gestellt werden, ohne dass diese dort ihren häuslichen Wirkungskreis unabhängig gestalten können (vgl. BVerwG B. v. 08.05.1989 - 4 B 78.89 - NVwZ 1989, 1060 = Juris Rn. 3). Diese Voraussetzungen sind jedenfalls dann erfüllt, wenn sich die Überlassung der Räume auf eine reine Übernachtungsmöglichkeit beschränkt, so dass der Gast ausstattungsbedingt auf die Inanspruchnahme weiterer Dienstleistungen angewiesen ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg B. v. 06.07.2006 - OVG 2 S 2.06 - BRS 70 Nr. 67 = Juris Rn. 8; s.a. OVG Münster B. v. 14.08.2007 - 10 A 1219/06 - NVwZ-RR 2008, 20 = Juris Rn. 9 ff.). Danach sind Hotels, Pensionen, Gasthöfe, Gästehäuser und Fremdenheime typische Betriebe des Beherbergungsgewerbes.

46

Ferienwohnungen sind entsprechend der - Ferienhäuser betreffenden - Bestimmung des § 10 Abs. 4 BauNVO auf Grund ihrer Lage Größe, Ausstattung, Erschließung und Versorgung für den Erholungsaufenthalt geeignet und dazu bestimmt, überwiegend und auf Dauer einem wechselnden Personenkreis zur Erholung zu dienen. Diese sind nach ihrer Ausstattung auf eine Selbstversorgung der Feriengäste ausgerichtet, so dass die Voraussetzung für einen Betrieb des Beherbergungsgewerbes, dass der häusliche Wirkungskreis nicht unabhängig gestaltet werden kann, nicht erfüllt ist (vgl. OVG Lüneburg B. v. 22.11.2013 – 1 LA 49/13 – NordÖR 2014, 81 = Juris Rn. 19 sowie B. v. 18.07.2008 – 1 LA 203/07 – BRS 73 Nr. 168 = Juris Rn. 12; vgl. a. OVG Münster U. v. 17.01.1996 – 7 A 166/96 – S. 10 d. Urteilsabdrucks). Soweit der Beschluss des Senats vom 28.12.2007 – 3 M 190/07 – (Juris) zur Abgrenzung von Dauerwohnen und Ferienwohnen dahin gehend verstanden werden konnte, bei der Ferienwohnnutzung sei ein unabhängig zu gestaltender häuslicher Wirkungskreis nicht gegeben, hält der Senat daran nicht fest.

47

(3) Allerdings bedarf der Begriff des Betriebs des Beherbergungsgewerbes im Hinblick auf entstandene Zwischenformen wie zB Apart(ment)hotels der Modifizierung. Da es für die Zuordnung zu bestimmten Nutzungsarten allgemein nicht nur auf die mit einer bestimmten baulichen Ausstattung gegebenen Möglichkeiten der Nutzung ankommt, sondern maßgeblich auch auf das Nutzungskonzept und dessen grundsätzliche tatsächliche Verwirklichung (vgl. BVerwG B. v. 25.03.1996 – 4 B 302.95 – NVwZ 1996, 893 = Juris Rn. 12; Vietmeier in Bönker/Bischopink BauNVO § 4 Rn. 68), können auch Unterkünfte, die eine unabhängige Gestaltung des häuslichen Wirkungskreises ermöglichen, zu einem Beherbergungsbetrieb gehören, nämlich dann wenn neben der Überlassung von Räumen beherbergungstypische Dienstleistungen angeboten und auch typischerweise in Anspruch genommen werden, die einen nennenswerten Umfang erreichen und die Nutzung prägen (vgl. OVG Münster B. v. 14.08.2007 - 10 A 1219/06 - NVwZ-RR 2008, 20 = Juris Rn. 9; OVG Berlin-Brandenburg B. v. 06.07.2006 - OVG 2 S 2.06 - BRS 70 Nr. 67 = Juris Rn. 8 ff. - "Boardinghouse"; VG Berlin B. v. 23.01.2013 – 19 L 294/11LKV 2012, 93 = Juris Rn. 20 ff.). Soweit eine Unterkunft nach Größe und Ausstattung die Möglichkeit bietet, auf eine gewisse Dauer ein selbst bestimmtes häusliches Leben zu führen, insbesondere weil diese über eine eigene Küchenzeile mit Kühlschrank und darüber hinaus weitere zur eigenständigen Haushaltsführung geeignete technische Geräte verfügt, kann daher gleichwohl ein Beherbergungsbetrieb vorliegen, wenn hotelähnliche Nebenleistungen wie Frühstücksbuffet, Reinigungsdienst, Wäscheservice, Bettwäschewechsel oder Lebensmitteldienste einen nennenswerten Umfang erreichen, vom eigenen Hauspersonal erbracht werden und im Preis inbegriffen sind. Danach ist das Vorhandensein der für einen solchen Betrieb typischen Servicebereiche außerhalb der vermieteten Unterkünfte - wie Speise- und Aufenthaltsräume mit dem zugehörigen Personalservice, betriebsnotwendige Nebenräume, Aufenthalts- und Sozialräume für das Personal sowie Lagerräume für die Unterbringung von Servicegerätschaften und Bedarfsartikeln - ein Indiz für einen Beherbergungsbetrieb; der räumlichen Struktur der Gesamtanlage und den sich dadurch bietenden Nutzungsmöglichkeiten kommt neben dem Nutzungskonzept ein besonderes Gewicht zu (vgl. OVG Berlin-Brandenburg aaO). Vor diesem Hintergrund kann auch der Umstand, dass der Vorhabenträger keine Betriebsbeschreibung einreicht, aus der sich die Betriebsabläufe, Zahl der Mitarbeiter, Öffnungszeiten usw. ergeben, und eine solche Beschreibung zur Beurteilung des Vorhabens auch nicht erforderlich erscheint, als Indiz dafür gewertet werden, dass relevante Betriebsabläufe nicht stattfinden, wie sie zum Betrieb des Beherbergungsgewerbes gehören.

48

In Modifizierung der Ausgangsdefinition ist daher ein Betrieb des Beherbergungsgewerbes dann anzunehmen, wenn Räume ständig wechselnden Gästen zum vorübergehenden Aufenthalt zur Verfügung gestellt werden, ohne dass diese dort typischerweise eine eigene Häuslichkeit begründen, entweder weil dies nach der Art der Räumlichkeiten gar nicht möglich ist oder weil die Inanspruchnahme beherbergungstypischer Dienstleistungen die Nutzung prägt.

49

(4) Eine generelle Einordnung von Ferienwohnungen als Betrieb des Beherbergungsgewerbes ist auch nicht im Hinblick auf die städtebaulichen Zielsetzungen der Baunutzungsverordnung gerechtfertigt. Soweit angeführt wird, dass Ferienwohnungen vergleichbare Auswirkungen auf die Umgebung hätten wie Betriebe des Beherbergungsgewerbes (vgl. OVG Lüneburg, U. v. 20.05.1987 - 1 A 124/86 - BRS 47 Nr. 37), mag allerdings auf den ersten Blick einiges dafür sprechen anzunehmen, dass das Störpotential von Ferienwohnungen für die Umgebung demjenigen ähnelt, das von Beherbergungsbetrieben ausgeht, oder wegen der meist nicht tage- sondern nur wochenweisen Vermietung sogar geringer ist. Andererseits können gerade die typischerweise geringere Größe der überlassenen Räumlichkeiten und das Vorhandensein bewirtschafteter Servicebereiche in Betrieben des Beherbergungsgewerbes auch Anlass bieten anzunehmen, das Störpotential könnte geringer sein bzw. vom Betriebsinhaber besser gesteuert werden. Hinzu kommt, dass für die bauplanungsrechtliche Beurteilung nicht nur die (ggf. störenden) Auswirkungen eines Vorhabens in dem Blick zu nehmen sind, sondern auch seine Anforderungen an die Umgebung. Diese können sich zwischen Ferienwohnung und Beherbergungsbetrieb zB deshalb unterscheiden, weil der Beherbergungsbetrieb im Hinblick auf seine Bewirtschaftung bereits selbst ein Mindestmaß an "Infrastruktur" garantiert, das deshalb nicht in der Umgebung vorgehalten werden muss. Ein weiterer maßgeblicher Unterschied ergibt sich aus dem häufigen Leerstand von Ferienwohnungen außerhalb der Saison-Zeiten.

50

Allerdings führt die hier vertretene Auffassung dazu, dass "reine" Ferienwohnungen in anderen als Sondergebieten generell unzulässig sind. Der Plangeber, der kein Sondergebiet sondern ein allgemeines Wohngebiet festsetzt, ist auch nicht befugt, den Begriff "Betrieb des Beherbergungsgewerbes" in einem von der Baunutzungsverordnung abweichenden Sinne zu verwenden und Ferienwohnungen einzuschließen (zu den insoweit bestehenden Gestaltungsmöglichkeiten der planenden Gemeinde bei der Festsetzung von Sondergebieten vgl. OVG Lüneburg B. v. 12.12.2013 - 1 LA 123/13 - DVBl 2014, 254 = Juris Rn. 11 f. mwN). Diese Konsequenz als unerwünscht anzusehen, wird teilweise zum Anlass genommen, Ferienwohnungen entweder dem Begriff der Wohngebäude zuzuordnen (vgl. Jäde BauNVO § 3 Rn. 4; unklar Fickert/Fieseler BauNVO § 3 Rn. 1.2 u.10 sowie § 10 Rn. 34.1), oder die Vermietung von Ferienwohnungen "der Beherbergung gleichzustellen" (vgl. Stock in König ua BauNVO § 4a Rn. 25 sowie in Ernst/Zinkahn/Bielenberg § 4 BauNVO Rn. 110, 114). Im Hinblick auf die Kategorien der BauNVO, die nur nach Maßgabe des § 1 Abs. 3 ff. BauNVO im Bebauungsplan variiert werden können, ist es jedoch Sache des Verordnungsgebers, eine ggf. gewünschte Einordnung der Ferienwohnungen vorzunehmen. Auch anlässlich der letzten Änderung der Baunutzungsverordnung mit dem Gesetz zur Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts vom 11.06.2013 (BGBl. I S. 1548) sind entsprechende Vorschläge vom Verordnungsgeber jedoch nicht aufgegriffen worden.

51

(5) Nach den vorstehenden Kriterien ist im vorliegenden Fall von Ferienwohnungen und nicht von einem Betrieb des Beherbergungsgewerbes auszugehen. Die bloße Ausstattung der Wohnungen mit Bett-, Tisch- und Badwäsche entspricht einer möblierten Vermietung und stellt noch keine beherbergungstypische Dienstleistung dar (vgl. OVG Berlin-Brandenburg B. v. 06.07.2006 - OVG 2 S 2.06 - BRS 70 Nr. 67 = Juris Rn. 15). Ebenso gibt das "Housekeeping" durch den Kläger, d.h. die Reinigung und Instandhaltung des Hauses und Grundstücks, für die Abgrenzung nichts her, weil dieses im Grundsatz ebenso im Falle einer Vermietung „reiner“ Ferienwohnungen erfolgt. Soweit der Kläger auch Bettwäsche- und Handtuchwechsel im Laufe des Mietzeitraums sowie einen Brötchenservice anbietet, geht es um geringfügige Dienstleistungen, die nicht zum "Kernangebot" gehören und die Nutzung nicht prägen. Der Kläger selbst trägt vor, er beschäftige keine Mitarbeiter, sondern führe einen Ein-Mann-Betrieb; ein geringeres Leistungsangebot als bei ihm sei kaum möglich. Typische Servicebereiche außerhalb der vermieteten Unterkünfte wie Speise- oder Aufenthaltsräume mit Personalservice einschließlich entsprechender Nebenräume sind nicht vorhanden. Dem entsprechend ist mit dem Bauantrag auch keine Betriebsbeschreibung eingereicht worden und von der Beklagten auch nicht für erforderlich gehalten worden.

52

bb) Lediglich ergänzend und ohne dass es für die Entscheidung noch darauf ankommt, wird darauf hingewiesen, dass es sich, auch wenn ein Betrieb des Beherbergungsgewerbes bejaht würde, nicht mehr um einen kleinen Betrieb handeln dürfte. § 3 Abs. 3 BauNVO verwendet zur Kennzeichnung des Typs der in reinen Wohngebieten ausnahmsweise zulassungsfähigen Beherbergungsbetriebe als Zusatz den unbestimmten Rechtsbegriff "klein", um eine Konkretisierung im Einzelfall, nämlich unter Bezug auf das im Bebauungsplan festgesetzte Gebiet zu ermöglichen. Was in diesem Sinne "klein" ist, kann zwar im Einzelfall nach der Bettenzahl als einem dafür maßgeblichen Merkmal bestimmt werden, aber nicht allgemein mit einer bestimmten Zahl einheitlich für alle nach § 3 BauNVO festgesetzten und festzusetzenden Gebiete. Für die Auslegung kommt es vielmehr auf die Festsetzungen des Bebauungsplans und deren Bedeutung in der konkreten Örtlichkeit an (vgl. BVerwG B. v. 27.11.1987 - 4 B 230/87 ua - DÖV 1988, 382 = Juris Rn. 3). Maßgeblich ist, ob sich der Betrieb nach Erscheinungsform, Betriebsform und Betriebsführung sowie unter Berücksichtigung der Zahl der Benutzer unauffällig in das Gebiet einordnet. Wesentlicher Gesichtspunkt ist dabei, wie sich der Betrieb auf seine Umgebung auswirkt und welche Störungen von ihm ausgehen. Die kleinen Betriebe des Beherbergungsgewerbes werden dadurch gekennzeichnet, dass sie sich der Vermietung von Wohnräumen annähern, baulich zumeist nicht besonders in Erscheinung treten und in Folge dessen auch den Charakter des reinen Wohngebietes nicht beeinflussen (vgl. OVG Hamburg B. v. 07.01.2000 - 2 Bs 344/99 - BRS 63 Nr. 68 = Juris Rn. 7; vgl. a. VGH Kassel B. v. 24.01.2007 - 4 TG 2870/06 - BRS 71 Nr. 53 = Juris Rn. 4 sowie zur Bedeutung der Bettenzahl VGH Mannheim U. v. 31.01.1997 - 8 S 3167/96 - BRS 59 Nr. 58 = Juris Rn. 17; zum Begriff des "wohnartigen (Gewerbe-)Betriebs" vgl. Schiller in Gelzer Bauplanungsrecht Rn. 1546 u. Jäde BauNVO § 3 Rn. 44).

53

Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass es sich um ein kleines Baugebiet handelt, in dem nach dem Willen des Plangebers lediglich etwa 15 bis 20 Wohneinheiten als Einzel- oder Doppelhäuser beiderseits einer einzigen als Sackgasse ausgestalteten Wohnstraße entstehen sollen. Allerdings hat der Plangeber mit der Festlegung der Baugrenzen und den Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung (Grundflächenzahl 0,3, höchstens zwei Vollgeschosse, Traufhöhe 3,80 m, Dachneigung 30-49 Grad) eine eher großzügige bauliche Ausnutzung der Grundstücke ermöglicht. Das streitgegenständliche Gebäude dürfte daher isoliert betrachtet nicht besonders in Erscheinung treten. Unter dem Gesichtspunkt eines Betriebs des Beherbergungsgewerbes wären aber vorliegend die beiden Gebäude mit Ferienwohnungen auf den Flurstücken Z und Y zusammen zu betrachten (vgl. die ähnliche Fallkonstellation die dem U. d. OVG Lüneburg v. 20.05.1987 - 1 A 124/86 - BRS 47 Nr. 37 u. dem B. d. BVerwG v. 27.11.1987 - 4 B 230/87 ua - DÖV 1988, 382 = Juris zu Grunde lag). Läge damit ein den Umfang eines Einzelhauses überschreitender und zwei Bauplätze einnehmender Betrieb vor, so dürfte dieser sich nicht mehr unauffällig einordnen, sondern die Umgebung dominieren und daher in dem konkreten Baugebiet nicht mehr als "klein" anzusehen sein. Entsprechendes gilt unter dem Gesichtspunkt der Bettenzahl. Dem Vortrag des Klägers folgend geht der Senat davon aus, dass jede Ferienwohnung vier Betten umfasst, so dass sich für das streitgegenständliche Gebäude 16 Betten ergeben. Ein einheitlicher Betrieb des Beherbergungsgewerbes, der in den Gebäuden auf den Flurstücken Z und Y betrieben würde, hätte 28 Betten. In einem Gebiet, das von einer Einfamilienhausbebauung geprägt sein soll, dürfte auch im Hinblick auf diese Bettenzahl die Grenze eines kleinen Beherbergungsbetriebes überschritten sein. Denn durch ein entsprechendes Vorhaben werden auf Grund der wechselnden Gäste und der potentiellen Nutzungskonflikte zwischen Urlaubs- und Dauerwohnnutzung Störungen in das Gebiet hineingetragen, die mit der Zahl der Gäste zunehmen. Auf die Verhältnisse in der Gemeinde E. insgesamt und die durchschnittliche Bettenzahl der dortigen Beherbergungsbetriebe kommt es nicht an; erst recht nicht auf die durchschnittliche Bettenzahl von Beherbergungsbetrieben in Mecklenburg-Vorpommern.

54

Soweit der Kläger sich der Sache nach auf den Beschluss des BVerwG vom 27.11.1987 - 4 B 230/87 (DÖV 1988, 382 = Juris) beruft, ist dort lediglich die Bewertung der Vorinstanz unbeanstandet geblieben, ein Beherbergungsbetrieb mit zehn Ferienwohnungen und 30 Betten sei nicht mehr "klein" iSd § 3 Abs. 3 BauNVO. Daraus kann nicht gefolgert werden, bei dieser Größenordnung liege die generelle Obergrenze für einen kleinen Beherbergungsbetrieb, zumal es - wie bereits ausgeführt - auf die konkrete Situation vor Ort ankommt.

55

Gegen die Ermessensausübung der Beklagten sind Bedenken weder vorgetragen noch ersichtlich. Insoweit wird auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

56

Ebenso wie die Rücknahme der als erteilt geltenden Baugenehmigung ist auch die Ablehnung des Bauantrages rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Erteilung einer Baugenehmigung für sein Vorhaben (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

57

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

58

Die Revision wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage zugelassen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen Ferienwohnungen einen Betrieb des Beherbergungsgewerbes im Sinne der Vorschriften der Baunutzungsverordnung darstellen können (§ 132 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Diese Frage ist soweit ersichtlich in der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht thematisiert worden; aus der älteren Rechtsprechung werden zum Teil unterschiedliche Schlussfolgerungen gezogen. Zudem haben sich die tatsächlichen Gegebenheiten verändert, was die Unterkunftsarten für Erholungssuchende und die Entwicklung von Zwischenformen zwischen Wohnen bzw. Ferienwohnen und Beherbergung angeht, so dass sich die Frage auch unter diesem Gesichtspunkt neu stellt.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

Tenor

Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 24. Februar 2010 und des Widerspruchsbescheides vom 25. November 2010 verpflichtet, über den Bauantrag des Klägers vom 5. November 2009 gemäß der geänderten Genehmigungsplanung vom 16. November 2009 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger und der Beklagte je zur Hälfte mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Das Urteil ist wegen der Kosten für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Für den Beklagten ist das Urteil wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung für die Umnutzung eines Wohnhauses zu einem Beherbergungsbetrieb.

2

Das Vorhabengrundstück des Klägers (Gemarkung A-Stadt, Flur 2, Flurstück 373/25) liegt im Baufeld 7 des Bebauungsplans Nr. 2 "M. " der Stadt A-Stadt. Der Bebauungsplan ist in der Fassung der 3. Änderung am 19. Februar 2009 in Kraft getreten. Das Baufeld 7 wurde als allgemeines Wohngebiet WA gemäß § 4 Baunutzungsverordnung (BauNVO) festgesetzt. Bereits in der 1. Änderungsfassung des Bebauungsplans Nr. 2 vom 19. Januar 2000 wurde in den textlichen Festsetzungen unter Nr. 1 - Art und Maß der baulichen Nutzung - bestimmt, dass in allgemeinen Wohngebieten die ausnahmsweise zulässigen Nutzungen gemäß § 4 Abs. 3 BauNVO nicht Bestandteil des Bebauungsplans sind.

3

Am 20. Mai 2008 reichte der Kläger im Freistellungsverfahren gemäß § 62 Landesbauordnung M-V (LBauO M-V) Bauunterlagen zur Errichtung eines Wohnhauses mit zwei Wohneinheiten als Anbau an ein bereits bestehendes, von ihm und seiner Ehefrau bewohnte Einfamilienhaus auf dem o.g. Grundstück ein. Mit Schreiben vom 27. Mai 2008 erhielt der Kläger von der beigeladenen Stadt A-Stadt die Zustimmung zu diesem Bauvorhaben. Der Kläger plante zunächst, in dem neuen Gebäude Seniorenwohnungen einzurichten und (dauerhaft) zu vermieten. Nachdem sich für diese Nutzung keine Interessenten fanden, entschloss der Kläger sich in der Saison 2009, in dem Objekt insgesamt sechs Doppelzimmer bzw. zwölf Betten an Feriengäste zu vermieten. Nachdem die Beigeladene hiervon Kenntnis erhalten hatte, erging ein entsprechender Hinweis an den Beklagten. Dieser hörte den Kläger mit Schreiben vom 25. August 2009 zur Frage einer Nutzungsuntersagung der Ferienvermietung an und wies darauf hin, dass die Nutzung des Wohnhauses als Ferienwohnungen den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 2 für das Wohngebiet "M. " in der 1. Änderungsfassung widerspreche. Der Kläger nahm mit Schreiben vom 14. September 2009 Stellung. In einer weiteren Stellungnahme vom 17. Oktober 2009 rügte der Kläger die Funktionslosigkeit des Bebauungsplans Nr. 2, da dessen Umsetzung erheblich von der eigentlichen Zielsetzung abweiche. Dies gelte insbesondere für die für Baufeld 7 vorgesehenen Schallschutzmaßnahmen. Außerdem machte der Kläger geltend, dass die Nutzungsbeschränkung für die allgemeinen Wohngebiete abwägungsfehlerhaft sei, da in den benachbarten reinen Wohngebieten die dort ausnahmsweise zulässigen kleinen Beherbergungsbetriebe nicht ausgeschlossen seien.

4

Unter dem 5. November 2009, eingegangen am 18. November 2009, stellte der Kläger einen Bauantrag hinsichtlich der Nutzungsänderung des aufgrund der Zustimmung vom 27. Mai 2008 errichteten Wohnhauses zu Ferienwohnnutzung bzw. Beherbergung. Gleichzeitig stellte er einen Antrag auf "Abweichung" von der textlichen Festsetzung Nr. 1 zum Bebauungsplan Nr. 2.

5

Mit Schreiben vom 23. Februar 2010 versagte die Beigeladene gemäß § 36 Baugesetzbuch (BauGB) das gemeindliche Einvernehmen, da nach den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 2 Betriebe des Beherbergungsgewerbes ausgeschlossen seien.

6

Der Beklagte lehnte daraufhin den Bauantrag des Klägers mit Bescheid vom 24. Februar 2010 unter Hinweis auf das durch die Beigeladene versagte Einvernehmen ab.

7

Der Kläger erhob gegen den Bescheid vom 24. Februar 2010 am 8. März 2010 Widerspruch. Zur Begründung trug er im Wesentlichen vor: Das Vorhaben - Vermietung an Feriengäste - sei bauplanungsrechtlich zulässig und entspreche insbesondere den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 2. Das Objekt sei ein Wohngebäude im Sinne von § 4 Abs. 2 BauNVO. Obwohl der Begriff des "Wohnens" planungsrechtlich nicht definiert sei, könne davon ausgegangen werden, dass ein Wohngebäude im Sinne von § 4 Abs. 2 BauNVO vorliege, wenn dort Menschen "wohnten", also eine auf gewisse Dauer angelegte Häuslichkeit, Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises sowie Freiwilligkeit des Aufenthaltes gegeben seien. Dies sei hier der Fall, da es den Gästen des Klägers freistehe, wie sie ihren Aufenthalt gestalteten. Dagegen könne es nicht darauf ankommen, wie lange das Vermietungsobjekt den Nutzern überlassen werde. Dem Bauplanungsrecht sei ein eigenständiger Rechtsbegriff des "Dauerwohnens" nicht geläufig.

8

Doch selbst wenn die erstrebte Nutzungsänderung nicht dem Begriff des Wohnens unterfallen würde, sei vorliegend eine ausnahmsweise Zulassung nach § 4 Abs. 3 BauNVO vorzunehmen. Nach dieser Vorschrift könnten in allgemeinen Wohngebieten ausnahmsweise Betriebe des Beherbergungsgewerbes zugelassen werden. Hintergrund sei, dass hiervon grundsätzlich keine Störungen ausgingen. Ob zu kleinen Beherbergungsbetrieben auch Ferienunterkünfte zählten, sei strittig, ändere aber nichts daran, dass das klägerische Vorhaben ausnahmsweise zulässig sei und zwar unabhängig davon, ob die Ferienvermietung einen kleinen Beherbergungsbetrieb darstelle, da auch dieser ausnahmsweise zulässig sei. Ferner sei zu berücksichtigen, dass im benachbarten reinen Wohngebiet das Vorhaben ohnehin ausnahmsweise zulässig wäre, so dass nicht nachvollziehbar sei, dass hier im allgemeinen Wohngebiet das Vorhaben nicht ausnahmsweise zulässig sein solle. Von der angestrebten Nutzung gehe kein Störpotential aus. Die Gäste des Klägers verhielten sich wie normale Dauerwohner. Aufgrund der Größe und der Lage des Objektes seien auch keine Beeinträchtigungen denkbar. Zudem grenze das Vorhabengrundstück an die D. -Straße - eine vielbefahrene Ortsverbindungsstraße - sowie an ein Misch- bzw. Gewerbegebiet. Die hiervon ausgehenden Immissionen seien derart hoch, dass etwaige Beeinträchtigungen durch die Gäste des Klägers vernachlässigbar seien. In unmittelbarer Nähe zum Vorhabengrundstück - aber außerhalb des Bebauungsplangebiets - befänden sich mehrere kleinere und größere Beherbergungsbetriebe sowie Ferienunterkünfte. Hier seien auch noch nach der 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. 2 Ferienunterkünfte genehmigt, errichtet oder erweitert worden. Dies lasse darauf schließen, dass seitens der Stadt A-Stadt überhaupt kein strikter Ausschluss von Ferienunterkünften und Beherbergungsbetrieben in Wohngebieten gewollt sei.

9

Der Zulässigkeit des Vorhabens stehe auch nicht entgegen, dass der Bebauungsplan ausdrücklich bestimme, dass die Ausnahmen des § 4 Abs. 3 BauNVO nicht Bestandteil des Bebauungsplans seien. Über Jahre hinweg habe die Stadt A-Stadt die Vermietung von Ferienwohnungen akzeptiert und die Kurtaxe erhoben, ohne gegen die angeblich bauplanungsrechtswidrige Situation mit Nutzungsuntersagungen vorzugehen. Faktisch sei durch die Duldung der Ferienvermietung über einen Zeitraum von fast zehn Jahren ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden, dass die nicht störenden Ausnahmen im Sinne von § 4 Abs. 3 BauNVO von der Stadt A-Stadt akzeptiert würden. Es sei daher treuwidrig, nunmehr gegen den Kläger vorzugehen.

10

Vorliegend sei durch die faktische Duldung der Ferienvermietung der Charakter der Planung bereits tatsächlich verändert worden, so dass dementsprechend sowie aus Gründen der Gleichbehandlung hier eine Befreiung erteilt werden müsse. Das Ermessen des Beklagten sei insoweit auf Null reduziert. Die dem Kläger versagte Genehmigung stelle eine besondere Härte dar, so dass die Versagung auch unverhältnismäßig sei. Der Kläger habe zunächst eine dauerhafte Vermietung beabsichtigt. Mangels entsprechender Nachfrage habe er sich aber gezwungen gesehen, sein Geschäftsmodell zu ändern, um überhaupt wirtschaftlich überleben zu können.

11

Der Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 25. November 2010, zugestellt am 27. November 2010, zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus: Das Vorhaben des Klägers sei nicht genehmigungsfähig, weil es mit den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. nicht zu vereinbaren sei. Die ansonsten gemäß § 4 Abs. 3 BauNVO ausnahmsweise zulässigen Betriebe des Beherbergungsgewerbes - um einen solchen handele es sich bei dem Vorhaben des Klägers - seien im Bebauungsplan für das maßgebliche Baufeld ausgeschlossen worden. Auch die Voraussetzungen für eine Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB lägen nicht vor, da die aufgeführte Abweichung von den Festsetzungen des Bebauungsplans die Grundzüge der Planung berühre. Zudem sei auch eine offenbar nicht beabsichtigte Härte nicht gegeben. Soweit der Kläger behaupte, er habe deshalb einen Rechtsanspruch auf die Befreiung, weil eine dauerhafte Vermietung nicht funktioniert habe und er deshalb sein Geschäftsmodell in Richtung Ferienvermietung habe ändern müssen, stelle dies keine besondere Härte dar. Die offenbar nicht beabsichtigte Härte müsse einen bodenrechtlichen Bezug haben und daher immer mit der baulichen Nutzung gestalterisch oder technisch zusammenhängen; eine wirtschaftlich höhere bzw. bessere Ausnutzbarkeit allein begründe nicht die Voraussetzungen einer Befreiung.

12

Eine Befreiung könne auch nicht daraus hergeleitet werden, dass in dem betreffenden Bereich weitere Ferienvermietungen vorhanden seien und dass durch deren Duldung ein Rechtsanspruch auf eine Befreiung von den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans resultiere. Die vom Kläger insoweit angezeigten Ferienvermietungen würden von der unteren Bauaufsichtsbehörde gleichermaßen verfolgt. Eine Ungleichbehandlung könne nicht festgestellt werden.

13

Soweit der Kläger der Auffassung sei, dass sein Vorhaben ein Wohngebäude im Sinne von § 4 Abs. 2 BauNVO darstelle, sei dies zwar richtig. Allerdings sei die Argumentation, dass aufgrund fehlender planungsrechtlicher Definition des "Wohnens" auch von den Gästen des Klägers lediglich "gewohnt" werde und es auf die Dauer der Überlassung des Mietobjektes nicht ankomme, planungsrechtlich nicht nachzuvollziehen. Zwar könne nach allgemeinem Sprachgebrauch auch ein Ferien- oder Wochenendhaus als ein Wohngebäude bezeichnet werden, denn auch solche Gebäude dienten dem Wohnen. Dennoch werde im Planungsrecht begrifflich unterschieden zwischen Wohngebäuden einerseits und Ferien- und Wochenendhäusern andererseits. Während nach den §§ 2, 3, 4, 4a, 5 und 6 BauNVO Wohngebäude in den entsprechenden Baugebieten zulässig seien, beziehe sich § 10 Abs. 3 BauNVO auf Ferienhäuser und § 10 Abs. 4 BauNVO auf Wochenendhäuser. Die BauNVO führe somit die allgemeine Wohnnutzung und die Ferienwohnnutzung als eigenständige Nutzungsarten auf.

14

Bereits am 7. November 2010 hat der Kläger die vorliegende (Untätigkeits)klage erhoben. Zur Begründung bezieht er sich auf seine Ausführungen im Widerspruchsverfahren und trägt ergänzend im Wesentlichen vor: Der Bebauungsplan Nr. stehe seinem Vorhaben nicht entgegen. Der Bebauungsplan sei unwirksam, weil er an zahlreichen Mängeln leide. Der Bebauungsplan sei nicht ordnungsgemäß verkündet worden. Die in der textlichen Festsetzung Nr. 16 b enthaltene Verweisung auf die DIN 4109 (Schallschutz im Hochbau) genüge nicht den rechtsstaatlichen Anforderungen an eine solche Verweisung. Die Stadt A-Stadt habe nicht sichergestellt, dass die Planbetroffenen von der DIN 4109 verlässlich und in zumutbarer Weise Kenntnis erlangen konnten. Dies könne zwar dadurch bewirkt werden, dass die fragliche DIN-Vorschrift bei der Verwaltungsstelle, bei der auch der Bebauungsplan eingesehen werden könne, zur Einsicht bereitgehalten und hierauf in der Bebauungsplanurkunde hingewiesen werde. Derartige Vorkehrungen habe die Stadt A-Stadt jedoch nicht getroffen. Weder finde sich ein Hinweis in der Planurkunde, ob und wo die DIN-Vorschrift eingesehen werden könne, noch sei sichergestellt, dass die DIN 4109 während der Einsichtnahmemöglichkeiten in den Bebauungsplan einsehbar sei. Denn die DIN 4109 sei in der Stadtverwaltung nicht vorhanden.

15

Die Unwirksamkeit des Bebauungsplans ergebe sich auch daraus, dass dieser nicht so bekanntgemacht worden sei, wie er beschlossen worden sei.

16

Der Bebauungsplan leide zudem an einem offensichtlichen Ausfertigungsmangel. Der Bebauungsplan sei am 18. Januar 2000 im Bekanntmachungsblatt des Beklagten bekanntgemacht worden, er sei jedoch nicht vorher, sondern erst am 18. Januar 2000 ausgefertigt worden. Die bekanntgemachte Fassung sei daher nicht die ausgefertigte Fassung.

17

Als weiterer Mangel sei zu rügen, dass die 3. Änderung des Bebauungsplans am 19. Februar 2009 im Amtsblatt bekanntgemacht worden sei. Die Ausfertigung der Verfahrensleiste des Bebauungsplans und damit auch die Bestätigung, dass die Verfahrensschritte ordnungsgemäß durchgeführt worden seien, datiere jedoch vom 20. Februar 2009, also nach der Bekanntmachung. Da aber die Bekanntmachung der Schlussakt im Satzungsverfahren sei, sei eine Bekanntmachung vor Ausfertigung der Verfahrensleiste des Bebauungsplans mangelhaft und könne den Bebauungsplan nicht wirksam in Kraft setzen.

18

Die Beachtlichkeit dieser Mängel sei zwischenzeitlich auch nicht dadurch erloschen, dass deren Geltendmachung verwirkt worden sei. Er - der Kläger - habe unter dem 28. Januar 2010 der Stadt A-Stadt die Mängel des Bebauungsplans benannt, die zu seiner Unwirksamkeit führten. Die dort genannten weiteren Mängel des Bebauungsplans führten ebenfalls zu dessen Unwirksamkeit.

19

Die vorstehenden Mängel seien nach § 214 Abs. 1 Nr. 4 BauGB beachtlich und könnten unbefristet geltend gemacht werden. Der Bebauungsplan Nr. 2 könne seinem Vorhaben daher nicht entgegen gehalten werden.

20

Der Kläger beantragt,

21

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 24. Februar 2010 und des Widerspruchsbescheides vom 25. November 2010 zu verpflichten, dem Kläger die unter dem 5. November 2009 beantragte Baugenehmigung für einen Beherbergungsbetrieb im Sinne von § 3 Abs. 3 BauNVO mit 6 Doppelzimmern gemäß der geänderten Genehmigungsplanung vom 16. November 2009 zu erteilen,

22

hilfsweise,

23

den Beklagten zu verpflichten, den Kläger unter Aufhebung des Bescheides vom 24. Februar 2010 und des Widerspruchsbescheides vom 25. November 2010 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

24

Der Beklagte beantragt,

25

die Klage abzuweisen.

26

Er macht ergänzend geltend, der Kläger habe zunächst bei der Verwirklichung seines eigenen Bauvorhabens die Festsetzungen des nunmehr von ihm angegriffenen Bebauungsplans für sich ausgenutzt. Er habe bezüglich seiner Baulichkeit nicht nur als Bauherr, sondern auch als Entwurfsverfasser fungiert. Ihm seien die Festsetzungen des Bebauungsplans somit vollständig bekannt gewesen. Erst als sich die wohl anfänglichen Nutzungsabsichten nicht oder nicht vollständig hätten verwirklichen lassen, habe der Kläger illegal die Nutzung geändert. Das Verhalten des Klägers, den Bebauungsplan nun anzugreifen, sei rechtsmissbräuchlich, da er zuvor auf der Grundlage dieses Bebauungsplans das streitgegenständliche Vorhaben realisiert, also die Festsetzungen des Bebauungsplans für sich ausgenutzt habe.

27

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und sich auch schriftlich in der Sache nicht geäußert.

28

Die Berichterstatterin hat am 12. Dezember 2012 einen Ortstermin durchgeführt, um die Örtlichkeit und ihre Umgebung in Augenschein zu nehmen. Auf das über den Ortstermin errichtete Protokoll wird verwiesen.

29

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.

Entscheidungsgründe

30

Die Klage ist zulässig, aber nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Aufhebung des Bescheides vom 24. Februar 2010 sowie des Widerspruchsbescheides vom 25. November 2010 und die Verpflichtung der Beklagten, über seinen Baugenehmigungsantrag vom 5. November 2009 gemäß der geänderten Genehmigungsplanung vom 16. November 2009 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).

31

Ein darüber hinausgehender Anspruch des Klägers auf Verpflichtung der Beklagten zum Erlass der begehrten Baugenehmigung für die Nutzungsänderung von Dauerwohnen zu Beherbergung auf dem Grundstück C-Straße in A-Stadt besteht jedoch nicht.

32

1. Nach § 72 Abs. 1 S. 1 LBauO M-V ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Vorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind.

33

Ein Anspruch des Klägers auf Erteilung der Baugenehmigung scheitert dabei nicht bereits daran, dass er keine prüffähigen Bauvorlagen eingereicht hat. Die sich bei den Verwaltungsvorgängen befindlichen Bauvorlagen sind im Gegensatz zu der vom Beklagten und der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung weder unvollständig noch zu unbestimmt. Aus dem Bauantrag vom 5. November 2009 in Gestalt der geänderten Genehmigungsplanung vom 16. November 2009 ergibt sich vielmehr hinreichend deutlich, dass der Kläger einen Beherbergungsbetrieb im Sinne von §§ 3 Abs. 3 Nr. 1, 4 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO zur Genehmigung gestellt hat.

34

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Beschl. v. 08.05.1989 - 4 B 78/98 -, BRS 49 Nr. 66) liegt ein Betrieb des Beherbergungsgewerbes im Sinne von §§ 3 Abs. 3 Nr. 1, 4 Abs. 3 Nr. 1 BauGB vor, wenn Räume ständig wechselnden Gästen zum vorübergehenden Aufenthalt zur Verfügung gestellt werden, ohne dass diese dort ihren häuslichen Wirkungskreis unabhängig gestalten können. Diese Voraussetzungen sind bei der streitgegenständlichen Vermietung des Klägers - wie sie sich aus den Bauvorlagen ergibt - gegeben. Insbesondere ist der Bauantrag nicht deshalb als unbestimmt anzusehen, weil unklar bleibt, ob es sich bei dem Vorhaben tatsächlich um einen Beherbergungsbetrieb oder vielmehr um eine Nutzung als Ferienwohnungen handeln soll.

35

Zwar ist im Bauantrag vom 5. November 2009 zur Zweckbestimmung des Vorhabens noch angegeben "Ferienwohnnutzung/Beherbergung und/oder Dauerwohnnutzung". Auch aus den beigefügten Grundrissen von Erd- und Obergeschoss des Gebäudes ergibt sich keine eindeutige Zuordnung der einzelnen Räume, so dass allein hieraus noch nicht klar wird, ob vom Kläger eine Beherbergungsnutzung im Sinne eines Pensions- oder Hotelbetriebes geplant ist oder die Räumlichkeiten als Ferienwohnungen genutzt werden sollten. In der weiteren Baubeschreibung hat der Kläger dann allerdings zur Zweckbestimmung des Vorhabens die Nutzungsänderung eines Wohngebäudes zu Beherbergung angegeben. In seinem gleichzeitig gestellten Antrag auf Befreiung bezieht er sich im Übrigen ausdrücklich auf die angestrebte Genehmigung für einen kleinen Beherbergungsbetrieb unter Berufung darauf, dass diese in den "Reinen Wohngebieten desselben B-Plangebietes ausnahmsweise zulässig" sind. Nachdem der Beklagte mit Schreiben vom 10. Dezember 2009 beim Kläger weitere Unterlagen - darunter die Eintragung in die Grundrisse, ob die Räume als Ferienwohnung, zur Beherbergung oder zum Dauerwohnen genutzt werden sollten - angefordert hatte, übersandte der Kläger eine vom 16. November 2009 datierende geänderte Genehmigungsplanung. Aus den diesbezüglichen Grundrissen für Erd- und Obergeschoss war nunmehr ersichtlich, dass sechs Räume als Doppelzimmer mit angeschlossenem Bad genutzt werden sollten. Weiter waren im Erdgeschoss ein Aufenthalts-/Essraum mit davon abgehender Küche, ein Hauswirtschaftsraum, ein weiteres separates Bad sowie im Obergeschoss eine zweite Küche von 4,85 m², die nur vom Flur aus zu betreten war, vorhanden. Hieraus wird der Charakter eines Beherbergungsbetriebes hinreichend deutlich.

36

Dass die Räumlichkeiten - jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt - auch tatsächlich entsprechend den Bauvorlagen genutzt wurden, ergibt sich darüber hinaus aus den sich bei den Verwaltungsvorgängen befindlichen Ausdrucken von verschiedenen Internetseiten. Hierauf bot der Kläger in seinem Haus sechs Doppelzimmer jeweils mit angeschlossenem Bad zur Vermietung an. Die jeweiligen Preise beinhalteten die Kosten für Übernachtung und Frühstück. Eine Küche oder Kochnische war ausweislich der Fotoaufnahmen in den Zimmern nicht vorhanden. Da der Kläger selbst mit seiner Ehefrau das Wohnhaus, an das das streitgegenständliche Gebäude angebaut ist, bewohnt, ergibt sich das Bild einer kleinen, familiengeführten Frühstückspension. Auch insoweit ist ersichtlich, dass es sich bei den vom Kläger angebotenen Doppelzimmern nicht um Ferienwohnungen handelt, die nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern (vgl. Beschl. v. 28.12.2007 - 3 M 190/07 -, NordÖR 2008, 169) eine eigenständige Nutzungsart darstellen und in allgemeinen Wohngebieten nicht zulässig sind. Gegen die Annahme von Ferienwohnungen spricht vorliegend bereits der Umstand, dass in den Zimmern keine Kochgelegenheit vorhanden ist. Auch dienen die Zimmer aufgrund ihrer Größe und Ausstattung vorwiegend der Übernachtung; zu längeren Aufenthalten auch tagsüber sind sie mangels ausreichender Sitz- und Essmöglichkeiten eher nicht geeignet.

37

Insgesamt ist daher davon auszugehen, dass der Bauantrag des Klägers hinreichend bestimmt ist und die Bauvorlagen vollständig sind. Dementsprechend hat der Beklagte den Bauantrag auch nicht gemäß § 69 Abs. 2 LBauO M-V zurückgewiesen, sondern eine materielle Ablehnungsentscheidung getroffen. Zudem ist der Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 25. November 2010 offenbar selbst davon ausgegangen, dass es sich bei dem Vorhaben des Klägers um einen Beherbergungsbetrieb handelt, wenn dort von "Ferienwohnnutzung/Beherbergung" die Rede ist.

38

Inhaltlich stehen dem Vorhaben des Klägers die Festsetzungen des Bebauungsplans der Beigeladenen als im Baugenehmigungsverfahren zu prüfende öffentlich-rechtliche Vorschriften des Bauplanungsrechts nicht entgegen. Insoweit erweisen sich der Ablehnungsentscheidung des Beklagten vom 24. Februar 2010 und der Widerspruchsbescheid vom 25. November 2010 als rechtswidrig, so dass dem Kläger ein Anspruch auf erneute Entscheidung über sein Baugesuch zusteht.

39

Zwar sind nach den textlichen Festsetzungen zu Ziffer 1 des Bebauungsplans in allgemeinen Wohngebieten die ausnahmsweise zulässigen Nutzungen gemäß § 4 Abs. 3 BauNVO nicht Bestandteil des Bebauungsplans. Ausgeschlossen sind im maßgeblichen, als allgemeines Wohngebiet festgesetzten Baufeld Nr. 7 danach auch Betriebe des Beherbergungsgewerbes gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO.

40

Dem vom Kläger zur Genehmigung gestellten Beherbergungsbetrieb kann die entsprechende Festsetzung in Ziffer 1 der textlichen Festsetzungen im Bebauungsplan Nr. allerdings deshalb nicht entgegengehalten werden, weil der Bebauungsplan rechtswidrig und damit unwirksam ist. Der Bebauungsplan wurde sowohl in der hier maßgeblichen 1. Änderungsfassung vom 19. Januar 2000 als auch in den nachfolgenden 2. und 3. Änderungsfassungen nicht ordnungsgemäß verkündet, weil die in der textlichen Festsetzung zu Ziffer 16 b enthaltene Verweisung auf die DIN 4109 (Schallschutz im Hochbau) nicht den rechtsstaatlichen Anforderungen an eine solche Verweisung genügte.

41

Das Rechtsstaatsprinzip gebietet, dass förmlich gesetzte Rechtsnormen verkündet werden; denn die Verkündung stellt einen integrierenden Teil der förmlichen Rechtsetzung dar, ist also Geltungsbedingung. Verkündung bedeutet regelmäßig, dass die Rechtsnormen der Öffentlichkeit in einer Weise förmlich zugänglich gemacht werden, dass die Betroffenen sich verlässlich Kenntnis von ihrem Inhalt verschaffen können. Diese Möglichkeit darf auch nicht in unzumutbarer Weise erschwert sein. Konkrete weitere Gebote für die Ausgestaltung des Verkündungsvorganges im Einzelnen ergeben sich aus dem Rechtsstaatsprinzip unmittelbar nicht. Bebauungspläne gehören als Satzungen zu den förmlich gesetzten Rechtsnormen. Bei ihnen ist allerdings nur die Erteilung der Genehmigung oder, soweit eine Genehmigung nicht erforderlich ist, der Beschluss des Bebauungsplans durch die Gemeinde ortsüblich bekannt zu machen (§ 10 Abs. 3 Satz 1 BauGB). Im Übrigen genügt es, den Bebauungsplan mit der Begründung und der zusammenfassenden Erklärung nach § 10 Abs. 4 BauGB zu jedermanns Einsicht bereit zu halten, auf Verlangen über den Inhalt Auskunft zu geben und in der Bekanntmachung darauf hinzuweisen, wo der Bebauungsplan eingesehen werden kann (§ 10 Abs. 3 Satz 2 und 3 BauGB (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29.07.2010 - 4 BN 21/10 -, zitiert nach Juris).

42

Die dargelegten Anforderungen an die Verkündung von Rechtsnormen stehen einer Verweisung auf nicht öffentlich zugängliche DIN-Vorschriften in den textlichen Festsetzungen eines Bebauungsplans zwar nicht von vornherein entgegen. In diesem Fall ist den dargelegten rechtsstaatlichen Anforderungen an die Verkündung von Rechtsnormen jedoch nicht allein dadurch genügt, dass die Gemeinde den Bebauungsplan gemäß § 10 Abs. 3 BauGB bekannt macht. Sie muss vielmehr sicherstellen, dass die Betroffenen auch von der DIN-Vorschrift verlässlich und in zumutbarer Weise Kenntnis erlangen können. Das kann sie dadurch bewirken, dass sie die in Bezug genommene DIN-Vorschrift bei der Verwaltungsstelle, bei der auch der Bebauungsplan eingesehen werden kann, zur Einsicht bereit hält und hierauf in der Bebauungsplanurkunde hinweist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29.07.2010 a.a.O.).

43

Diesen Vorgaben entspricht bereits die textliche Festsetzung zu Ziffer 16 b im Bebauungsplan Nr. nicht, da hier kein Hinweis darauf enthalten ist, bei welcher Verwaltungsstelle der Beigeladenen die DIN 4109 eingesehen werden kann. Auch eine sonstige Fundstelle oder Bezugsquelle (vgl. hierzu OVG Koblenz, Urt. v. 26.03.2009 - 8 C 10729/08 -; OVG Münster, Urt. v. 13.09.2007 - 7 D 91/06.NE -, jeweils zitiert nach Juris) der DIN 4109 wird nicht genannt. Darüber hinaus war die DIN 4109 in der Gemeindeverwaltung der Beigeladenen auch tatsächlich nicht vorhanden. So hat der Kläger unwidersprochen vorgetragen, dass er am 1. April 2010 im Rathaus der Stadt A-Stadt vorgesprochen habe, um in die DIN 4109 Einsicht zu nehmen. Man habe ihm geantwortet, dass die DIN 4109 nicht vorliege. Diese Angaben des Klägers sind vom Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung bestätigt worden.

44

Aufgrund des Verkündungsfehlers - der auch in der 2. und 3. Änderungsfassung des Bebauungsplans Nr. nicht geheilt worden ist - erweist sich der Bebauungsplan als rechtswidrig und damit unwirksam.

45

Auf den vorgenannten Mangel des Bebauungsplans kann der Kläger sich auch berufen. Dem Argument des Beklagten, das Verhalten des Klägers, den Bebauungsplan nunmehr anzugreifen, sei rechtsmissbräuchlich, da er zuvor auf der Grundlage dieses Bebauungsplans das streitgegenständliche Vorhaben realisiert und damit die Festsetzungen des Bebauungsplans für sich ausgenutzt habe, greift nicht durch. In der Rechtsprechung ist insoweit zwar im Rahmen von Normenkontrollanträgen anerkannt worden, dass unter bestimmten Umständen die Antragsbefugnis für einen solchen Antrag verwirkt sein kann, da auch die Ausübung prozessualer Rechte den Geboten von Treu und Glauben und damit dem Verbot, sich mit eigenem vorangegangenem Verhalten in treuwidriger Weise in Widerspruch zu setzen, unterliegt. Eine Verwirkung der Antragsbefugnis kommt danach etwa dann in Betracht, wenn ein Eigentümer die Festsetzungen eines Bebauungsplans ausnutzt und anschließend ihre Beseitigung im Wege des Normenkontrollverfahrens zu erwirken versucht (vgl. u.a. OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 29.12.2005 - 10 D 110/03.NE -, zitiert nach Juris). In einem solchen Fall muss allerdings nicht ausnahmslos Rechtsmissbräuchlichkeit angenommen werden. Wenn beispielsweise ein Antragsteller zunächst im Vertrauen auf die Wirksamkeit des Plans von einer auf dessen Festsetzungen beruhenden Baugenehmigung Gebrauch macht, dann aber feststellt, dass eine ausreichende Erschließung seines Baugrundstücks durch den Plan entgegen seiner Erwartung nicht sichergestellt wird, dürften die Grenzen der guten Sitten nicht überschritten sein, wenn er sein Interesse an einer ausreichenden Erschließung nach Ausnutzung der Baugenehmigung im Wege der Normenkontrolle geltend macht. Nutzt hingegen ein Eigentümer die für ihn günstigen Festsetzungen eines Bebauungsplans aus und wendet sich anschließend, gewissermaßen unter dem Schutz der Legalisierungswirkung der erteilten Baugenehmigung, im Wege der Normenkontrolle gegen diesen Plan, um die Bebauung der Nachbargrundstücke gezielt zu unterbinden, so wird ein Fall der Rechtsmissbräuchlichkeit regelmäßig vorliegen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen a.a.O.).

46

Ein solcher Fall von Rechtsmissbräuchlichkeit ist vorliegend jedoch zu verneinen. Dem Kläger geht es hier nicht darum, Bauvorhaben von Dritten zu verhindern, sondern lediglich die Änderung eines eigenen Vorhabens durchzusetzen. Ein Verhalten, das Treu und Glauben widerspricht, ist darin nicht zu sehen.

47

Nach alldem hat der Beklagte die vom Kläger begehrte Baugenehmigung zur Nutzungsänderung des streitgegenständlichen Wohnhauses von Dauerwohnen zu Beherbergung zu Unrecht aufgrund der entgegenstehenden Festsetzungen im Bebauungsplan Nr. versagt. Der Bescheid vom 24. Februar 2010 und der Widerspruchsbescheid vom 25. November 2010 erweisen sich bereits aus diesem Grund als rechtswidrig und waren daher mit der Folge aufzuheben, dass der Beklagte (zumindest) zu verpflichten war, über den Bauantrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Darauf, ob die weiteren vom Kläger gerügten Fehler des Bebauungsplans Nr. vorliegen, kommt es unter diesen Umständen nicht mehr an. Insbesondere ist auch nicht darüber zu befinden, ob dem Bebauungsplan insoweit ein gemäß §§ 214, 215 BauGB beachtlicher Fehler zugrunde liegt, als die Beigeladene die nach §§ 4 Abs. 3 Nr. 1, 3 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO ausnahmsweise zulässigen Vorhaben nur in allgemeinen Wohngebieten, nicht aber in den unmittelbar angrenzenden und grundsätzlich hinsichtlich der Wohnruhe schutzbedürftigeren reinen Wohngebieten ausgeschlossen hat.

48

2. Soweit der Kläger darüber hinaus die Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung der streitgegenständlichen Nutzungsänderungsgenehmigung begehrt, war die Klage dagegen abzuweisen, weil die Sache insoweit nicht spruchreif ist. Das Vorhaben des Klägers ist als Beherbergungsbetrieb in dem vorliegenden (faktischen) Wohngebiet zwar gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO bzw. § 3 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO ausnahmsweise zulässig (siehe hierzu nachfolgend unter a.). Die Zulassung einer Ausnahme steht als Verwaltungsakt jedoch im pflichtgemäßen Ermessen des Beklagten, dessen noch zu treffende Entscheidung das Gericht nicht vorwegnehmen kann. Insbesondere liegt eine Ermessensreduzierung auf Null nicht vor (siehe hierzu nachfolgend unter b.).

49

a) Dass es sich bei dem Vorhaben des Klägers um einen Betrieb des Beherbergungsgewerbes handelt, wurde bereits oben dargelegt. Als solcher ist es im allgemeinen Wohngebiet gemäß §§ 34 Abs. 2 BauGB, 4 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO - unabhängig von seiner Größe - ausnahmsweise zulässig. Doch auch wenn es sich bei der maßgeblichen näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks gemäß § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. den Vorschriften der Baunutzungsverordnung sogar um ein reines Wohngebiet im Sinne von § 3 BauNVO handeln würde - was nach den Eindrücken, die die Berichterstatterin im Rahmen eines am 12. Dezember 2012 durchgeführten Ortstermins gewonnen und den übrigen Kammermitgliedern vermittelt hat, nahe liegt - wären die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Zulassung gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO gegeben. Denn der vom Kläger geplante Beherbergungsbetrieb ist auch als kleiner Beherbergungsbetrieb im Sinne von § 3 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO anzusehen.

50

§ 3 Abs. 3 BauNVO verwendet zur Kennzeichnung des Typs der in reinen Wohngebieten ausnahmsweise zulassungsfähigen Beherbergungsbetriebe als Zusatz den unbestimmten Rechtsbegriff "klein", um eine Konkretisierung im Einzelfall, nämlich unter Bezug auf das im Bebauungsplan festgesetzte Gebiet bzw. das jeweils gegebene faktische reine Wohngebiet, zu ermöglichen. Was in diesem Sinne "klein" ist, kann im Einzelfall nach der Bettenzahl als einem dafür maßgeblichen Merkmal bestimmt werden, aber nicht allgemein mit einer bestimmten Zahl einheitlich für alle nach § 3 BauNVO festgesetzten und festzusetzenden Gebiete (vgl. BVerwG, Beschl. v. 27.11.1987 - 4 B 230 - 231/87, 4 B 230/87, 4 B 231/87 -, zitiert nach Juris). Die Auslegung hat sich daran zu orientieren, inwieweit sich das Bauvorhaben in den Wohncharakter des Baugebiets einordnet. Danach ist maßgebend, inwieweit sich der Betrieb nach Erscheinungsform, Betriebsform und Betriebsführung sowie unter Berücksichtigung der Zahl der Benutzer unauffällig in das Gebiet einordnet, wobei dem Gesichtspunkt des Schutzes der Wohnruhe besondere Bedeutung zukommt (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 20.01.1999 - 2 Bs 11/99 -, zitiert nach Juris).

51

Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben ist bei dem Vorhaben des Klägers von einem kleinen Beherbergungsbetrieb gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO auszugehen. So hält sich die im streitgegenständlichen Beherbergungsbetrieb vorgesehene Bettenzahl mit zwölf (in sechs Doppelzimmern) im Rahmen dessen, was von Rechtsprechung und Literatur für einen kleinen Beherbergungsbetrieb noch als zulässig angesehen wird (vgl. Fickert/Fieseler, BauNVO, 11. Aufl. 2008, § 3 Rn. 19.3; Stange, BauNVO, 2010, § 3 Rn. 51, jeweils m.w.N.). Auch nach seiner Erscheinungsform und der Betriebsführung ordnet sich das Vorhaben in das vorhandene Wohngebiet ein. Das Baufeld 7 ist mit Wohngebäuden bebaut, die überwiegend über ein Vollgeschoss sowie ein ausgebautes Dachgeschoss verfügen. Dem entspricht das streitgegenständliche Gebäude des Klägers. Zudem ist es auf einem Eckgrundstück am Rande des Baufeldes 7 gelegen, so dass aufgrund der Lage des Vorhabengrundstücks etwaige Störungen der Wohnruhe für das umliegende Wohngebiet reduziert werden. Nach der streitgegenständlichen Planung vom November 2009 steht die bloße Übernachtungsmöglichkeit im Vordergrund; außer der Möglichkeit, das Frühstück einzunehmen, bietet der Kläger im Haus "S. " keine weiteren Leistungen wie Sport- und Freizeitaktivitäten oder Behandlungsmöglichkeiten im Wellnessbereich an. Mit wohngebietsunverträglichen Emissionen durch das klägerische Vorhaben dürfte insofern nicht zu rechnen sein.

52

b) Obwohl die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Zulassung einer Ausnahme gemäß § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. §§ 3 Abs. 3 Nr. 1, 4 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO daher vorliegen, kann die Kammer eine entsprechende Verpflichtung des Beklagten vorliegend nicht aussprechen. Bei der Frage der Zulassung von Ausnahmen nach Maßgabe der Absätze 3 der genannten Vorschriften handelt es sich um Anwendungsfälle des § 31 Abs. 1 BauGB (vgl. Stange, BauNVO, 2010, § 2 Rn. 65 m.w.N.). Die Erteilung einer Ausnahme liegt somit im Ermessen der Baugenehmigungsbehörde. Eine solche Ermessensentscheidung hat der Beklagte vorliegend noch nicht getroffen, da er bislang von der Gültigkeit des Bebauungsplans Nr. der Beigeladenen ausging und daher die Genehmigungsvoraussetzungen als nicht gegeben ansah. Auch hinsichtlich der Gewährung einer Ausnahme gemäß § 31 Abs. 1 BauGB hat der Beklagte nicht befunden, sondern lediglich das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB geprüft und diese verneint.

53

Bei der somit noch zu treffenden Ermessensentscheidung hat der Beklagte sich von folgenden Grundsätzen leiten zu lassen: Zu berücksichtigen sind nur städtebauliche Gründe. Da die Ausnahme, anders als die Befreiung, im Bebauungsplan (bzw. - wie vorliegend - im faktischen Baugebiet) selbst angelegt ist, beschränkt sie sich nicht allein auf die Zulassung von Vorhaben in atypischen Einzelfällen, wie dies jedenfalls vor Änderung des § 31 Abs. 2 BauGB zum 1. Januar 1998 für die Befreiung angenommen worden ist. Eine Ausnahme darf aber andererseits nicht dazu dienen, den Bebauungsplan (bzw. das faktische Baugebiet) in seinen Grundzügen zu verändern. Ausnahmsweise zugelassene Vorhaben müssen quantitativ deutlich hinter der Regelbebauung zurückbleiben. Sie dürfen keine prägende Wirkung auf das Baugebiet haben. Insbesondere darf der Nutzungscharakter eines Baugebiets durch Ausnahmen nicht in einer seiner gesetzlichen Typik widersprechenden Weise verändert werden. Das Ermessen soll vor allem für den Umfang der Ausnahme von Bedeutung sein. Eine Ausnahme kann auch versagt werden, wenn durch sie eine Entwicklung eingeleitet würde, die zu einer Beeinträchtigung der Eigenart des Baugebiets führen könnte. Die Baurechtsbehörde kann so der Gefahr eines "Umkippens" des Baugebiets begegnen. Schließlich genügt für die Versagung einer Ausnahme nicht jede städtebauliche Erwägung, mit der eine Gemeinde einen Bebauungsplan ändern könnte. Als Ermessenserwägungen sind Planungsänderungsabsichten vielmehr nur beachtlich, wenn sie ernsthaft und hinreichend konkret sind. Insoweit reicht der Wunsch der Gemeinde, ein bestimmtes Vorhaben zu verhindern, ebenso wenig aus, wie er den Erlass einer Veränderungssperre rechtfertigen könnte (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 19.11.2004 - 5 S 2726/02 -, BauR 2004, 1909).

54

Unter Zugrundelegung dieser Vorgaben wird der Beklagte etwa zu berücksichtigen haben, dass der Beherbergungsbetrieb des Klägers in der maßgeblichen näheren Umgebung, wie sie sich bei der Augenscheinseinnahme im Rahmen des Ortstermins vom 12. Dezember 2012 dargestellt hat, der erste seiner Art ist und damit keine prägende Wirkung auf das Baugebiet haben dürfte. Bei den bisher - illegal - im Baugebiet aufgenommenen Ferienwohnnutzungen handelte es sich nicht um Beherbergungsbetriebe wie im Fall des Klägers, sondern um Ferienwohnungen, die, wie bereits erwähnt, eine eigenständige Nutzungsart darstellen und in (auch in faktischen) allgemeinen Wohngebieten grundsätzlich nicht zulässig sind. Zwar geht das Verwaltungsgericht Greifswald davon aus, dass (auch) die Vermietung von Ferienwohnungen die Voraussetzungen für die Annahme eines Betriebes des Beherbergungsgewerbes erfüllen kann (vgl. Urt. v. 31.08.2012 - 5 A 760/11 -, amtl. Umdruck, S. 8 f.). Dem tritt die Kammer indes nicht bei. Vielmehr unterfällt das Vermieten von Appartements, sei es auch nur zu Ferien- bzw. Urlaubszeiten, nicht den Begriff des Beherbergungsgewerbes (vgl. Stange, a.a.O., § 3 Rn. 49 m.w.N.), weil in Ferienwohnungen regelmäßig aufgrund deren Ausstattung die Möglichkeit zur unabhängigen, wenn auch nur temporären, Gestaltung eines häuslichen Wirkungskreises besteht.

55

Ob durch eine (ausnahmsweise) Zulassung des Vorhabens des Klägers bereits das "Umkippen" des gesamten Baugebiets droht, erscheint daher zweifelhaft. Indes liegt trotz dieser Umstände eine Ermessensreduzierung auf Null (noch) nicht vor. Auch wenn - wie oben dargelegt - eine Versagung der Baugenehmigung bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzung für die Gewährung einer Ausnahme nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. §§ 3 Abs. 3 Nr. 1, 4 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO nur aus städtebaulichen Gründen und unter den genannten engen Voraussetzungen erfolgen kann, bleibt für den Beklagten hier noch ein - wenn auch geringer - Raum für eine Ermessensausübung. Dies ergibt sich daraus, dass er auch schutzwürdige Nachbarinteressen in die Ermessensabwägung einzubeziehen hat und beispielsweise unzumutbare Belästigungen im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO für die nähere Umgebung nicht entstehen dürfen. Somit sind auch die vom geplanten Vorhaben ausgehenden Emissionen durch beispielsweise durch An- und Abfahrverkehr in den Blick zu nehmen. Hier wäre u.a. an Auflagen hinsichtlich der zulässigen Zimmer- bzw. Bettenzahl sowie Anzahl und Lage der notwendigen Stellplätze auf dem Grundstück des Klägers zu denken. Die diesbezüglichen Ermittlungen sind jedoch nicht vom Gericht anzustellen, sondern bleiben Aufgabe des Beklagten.

56

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO. Da die Beigeladene keinen Antrag gestellt und sich damit nach § 154 Abs. 3 VwGO keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat, war sie an der Kostentragungslast nicht zu beteiligen.

57

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 709, 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

58

B e s c h l u s s

59

Der Streitwert wird auf 50.000,00 Euro festgesetzt.

60

Gründe

61

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz n.F. i.V.m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004, Ziffer 9.1.9. Das Gericht geht dabei davon aus, dass das wirtschaftliche Interesses des Klägers sich aus den für die Dauer eines Jahres zu begrenzenden Mieteinnahmen ergibt (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 18.05.2011 - 3 M 38/11 - zu Ziffer 9.4 des Streitwertkataloges). Danach ergibt sich unter der Annahme der Vermietung von sechs Doppelzimmern an etwa 25 bis 30 Wochen des Jahres zu einem Wochenpreis von 385,00 Euro pro Unterkunft ein jährliches Aufkommen von ca. 50.000,00 Euro.

Tenor

Der Widerspruchbescheid der Beklagten vom 07. März 2011 wird insoweit aufgehoben als mit ihm Kosten in Höhe von mehr als 2,63 Euro festgesetzt werden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kläger tragen 19/20 und die Beklagte 1/20 der Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Kläger wehren sich gegen die Untersagung der Nutzung von Wohnungen als Ferienwohnung.

2

Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks A. in B. mit der katasteramtlichen Bezeichnung Flurstück ... der Flur ... der Gemarkung T. . Das Grundstück befindet sich im Geltungsbereich des im Jahre 2004 aufgestellten Bebauungsplans Nr. 9 „A. “ der Gemeinde B. und hier in einem als allgemeines Wohngebiet festgesetzten Baugebiet.

3

Auf der Grundlage des Bebauungsplans wurde auf dem streitgegenständlichen Grundstück ein Wohngebäude als Doppelhaus errichtet. Die Beklagte stellte fest, dass auf dem Grundstück zwei Wohnungen zur Vermietung als Ferienwohnung angeboten werden. Nach Anhörung im Mai 2010 forderte die Beklagte die Kläger mit Bescheid vom 16. Juni 2010 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung (Ziffer 2 der Verfügung) auf, „die Nutzung der zwei auf dem Flurstück ..., der Flur ..., von T. vorhandenen zwei Wohnungen als Ferienwohnungen einzustellen“ (Ziffer 1 der Verfügung). Für den Fall der Zuwiderhandlung drohte die Beklagte ein Zwangsgeld „in Höhe von 10.000,00 Euro (5.000,00 Euro je Wohnung)“ an (Ziffer 3 der Verfügung). Ferner setzte die Beklagte gegenüber den Klägern Kosten in Höhe von 462 Euro (450 € Gebühr sowie 12 € Fahrkosten als Auslagen) unter gleichzeitigem Hinweis auf den zugehörigen Gebührenbescheid fest.

4

Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 07. März 2011, zugestellt am 09. März 2011, zurück und änderte Ziffer 1 des Ausgangsbescheids wie folgt: „Hiermit untersage ich ihnen die Feriennutzung des Wohnhauses T., A. ..., Flurstück ..., Flur ..., Gemarkung T. ab dem 01. Mai 2011. Die private Nutzung bleibt davon unberührt“ (Ziffer 1 des Widerspruchsbescheids). Die Kosten des Widerspruchsverfahrens wurden den Klägern auferlegt (Ziffer 2 des Widerspruchsbescheids). Die Widerspruchsbescheidkosten wurden auf 452,63 € festgesetzt (Ziffer 3 des Widerspruchsbescheids). Zur Begründung führte die Beklagte an, die Ferienwohnnutzung sei mangels Vorliegen einer Nutzungsänderungsgenehmigung formell und mangels bauplanungsrechtlicher Genehmigungsfähigkeit auch materiell illegal. Weder kämen eine Ausnahme noch eine Befreiung in Betracht. Die Nutzungsuntersagung sei ermessensgerecht und verhältnismäßig. Die Festsetzung der Kosten für den Widerspruchsbescheid ergäbe sich aus der bereits im Ausgangsbescheid festgesetzten Gebühr zuzüglich 2,63 € Zustellungsgebühr als Auslagen. Einer Minderung der Gebühr stehe der Verwaltungsaufwand der Prüfung entgegen.

5

Die Kläger haben am 07. April 2011 Klage erhoben. Sie machen im Wesentlichen geltend:

6

Der Begriff „Ferienwohnung“ sei ein Unterbegriff der „Wohnung“. Der Gemeinde hätte es freigestanden, die Nutzung als Ferienhaus im Bebauungsplan ausdrücklich auszuschließen, was jedoch nicht erfolgt sei. Der Plangeber habe die Feriennutzung auch nicht durch die Festsetzung als allgemeines Wohngebiet ausschließen wollen. Indiz sei die Absicht der Gemeinde, den B-Plan nunmehr dahin zu konkretisieren, dass die Ferienhausnutzung ausdrücklich zugelassen werde. Würde die Auffassung der Beklagten zur Unzulässigkeit des Vermietens von Ferienwohnungen in allgemeinen Wohngebieten zutreffend sein, hätte dies die Nichtigkeit des B-Plans Nr. ... zur Folge, weil die Gemeinde nämlich eine nichtzulässige Nutzung in die Abwägung einbezogen habe. Unabhängig davon seien in allgemeinen Wohngebieten ausnahmsweise Betriebe des Beherbergungsgewerbes zulässig. Der Begriff des Beherbergungsbetriebes umfasse nicht nur Betriebe, die Unterkunft und Frühstück anböten, sondern auch solche, deren Leistung sich wie bei der Vermietung von Ferienwohnungen im Wesentlichen auf die Überlassung der gemieteten Räume beschränkten. Kleinere Beherbergungsbetriebe seien bereits nach § 3 Baunutzungsverordnung (BauNVO) zulässig. Das müsse erst recht für die Zulassung nach § 4 BauNVO im allgemeinen Wohngebiet gelten.

7

Die Kläger beantragen,

8

die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 16. Juni 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07. März 2011 aufzuheben.

9

Die Beklagte beantragt,

10

die Klage abzuweisen.

11

Sie macht im Wesentlichen geltend:

12

Ein Artikel in den Lübecker Nachrichten vom 22. Juli 2012 lasse erwarten, dass die Gemeinde eine Änderung des B-Planes ablehne. Der ursprüngliche B-Plan habe gerade auch keine Ferienwohnung/Ferienhausnutzungen vorgesehen. Zwar habe sich der Plangeber mit der Absicht getragen, eine Nutzung von Einliegerwohnungen als Ferienwohnungen zu eröffnen, in keinem Fall jedoch eine komplette Ferienhausnutzung. Zu einer dafür vorzunehmenden Sondergebietsausweisung gemäß § 11 Abs. 1 und 2 BauNVO sei es hingegen nicht gekommen. Genausowenig sei eine derartige Nutzung in Übereinstimmung mit den Absichten des Plangebers erfolgt. Dieser habe seinerseits gerade mit seiner Anzeige ein bauaufsichtliches Einschreiten gefordert. Die Nutzung „Betriebe des Beherbergungsgewerbes“ umfasse nicht die allgemeine Wohnnutzung einschließlich der Nutzung als Zweitwohnung und nicht die Ferienwohnung im Sinne des § 10 Abs. 4 BauNVO. Für ein bauaufsichtliches Einschreiten sei, unabhängig von den Beschwerden der dort Wohnenden, das tatsächliche Vorliegen von Störungen und deren Unzumutbarkeit nicht erforderlich. Unabhängig davon, ob überhaupt eine massive Abweichung von den Festsetzungen des Bebauungsplans eingetreten sei, sei nicht erkennbar, warum die Beklagte und damit letztlich auch die Gemeinde nicht zumindest auch in Zukunft die Wohnnutzung durchzusetzen vermöge.

13

Mit Beschluss vom 19. Oktober 2012 ist der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen worden.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Gerichtsakte der mit diesem Verfahren zur gemeinsamen mündlichen Verhandlung verbundenen Verfahren der Beklagten Bezug genommen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

15

Die zulässige Klage ist nur insoweit begründet, als in dem Widerspruchsbescheid Widerspruchsbescheidkosten in Höhe von mehr als 2,63 € festgesetzt sind (dazu nachfolgend unter 2.). Im Übrigen ist die Klage unbegründet (dazu nachfolgend unter 1.).

16

1. Die angefochtene Nutzungsuntersagungsverfügung der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheids ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

17

Die Nutzungsuntersagung ist zunächst formell rechtmäßig, weil die Kläger vor Erlass des Ausgangsbescheids zu der beabsichtigten Nutzungsuntersagung angehört wurden. Die Nutzungsuntersagung ist auch materiell rechtmäßig.

18

Ermächtigungsgrundlage für die Nutzungsuntersagung ist § 80 Abs. 2 Satz 1 Landesbauordnung Mecklenburg-Vorpommern (LBauO M-V). Nach dieser Bestimmung kann die Bauaufsichtsbehörde, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt werden, die Nutzung untersagen. Die Voraussetzungen dieser Bestimmung sind erfüllt.

19

a) Die klägerische Ferienwohnnutzung widerspricht den Festsetzungen des Bebauungsplanes Nr. 9 der Gemeinde B. und damit öffentlich-rechtlichen Vorschriften im Sinne von § 80 Abs. 2 LBauO M-V. Der Widerspruch zu diesen Vorschriften ergibt sich daraus, dass es sich hier bei der praktizierten Nutzung zur Ferienvermietung gegenüber der im Rahmen des genehmigungsfreien Bauens nach § 62 LBauO M-V ursprünglich angezeigten Errichtung eines Wohngebäudes um eine genehmigungsbedürftige, aber nicht genehmigungs- und auch nicht ausnahme- bzw. befreiungsfähige Nutzungsänderung handelt.

20

Zur Frage der Zulässigkeit einer Ferienwohnnutzung in einem allgemeinen Wohngebiet hat das Oberverwaltungsgericht Greifswald im Beschluss vom 8. Januar 2008 (3 M 190/07, Juris, dort unter dem Datum 28. Dezember 2007, sowie NordÖR 2008, 169) ausgeführt:

21

"Die im Kern des Beschwerdevorbringens stehende Frage, ob sich eine Ferienwohnnutzung bauplanungsrechtlich (lediglich) als eine Unterform der Wohnnutzung darstellt und damit im vorliegend festgesetzten Allgemeinen Wohngebiet zulässig ist, beantwortet der Senat im Sinne der erstinstanzlichen Entscheidung, wonach es sich bei der gebotenen typisierenden Betrachtung bei der Ferienwohnnutzung gegenüber der allgemeinen Wohnnutzung um eine eigenständige Nutzungsart handelt.

22

Zwar kann nach allgemeinem Sprachgebrauch auch ein Ferien- oder Wochenendhaus als ein 'Wohngebäude' bezeichnet werden; denn auch Ferien- oder Wochenendhäuser dienen dem Wohnen. Gleichwohl unterscheidet das Bauplanungsrecht begrifflich zwischen Wohngebäuden einerseits und Ferien- und Wochenendhäusern andererseits: Während nach den §§ 2, 3, 4, 4a, 5 und 6 der Baunutzungsverordnung in der Fassung vom 15. September 1977 (BGBl. I S. 1763) - BauNVO -'Wohngebäude' in den entsprechenden Baugebieten zulässig sind, bezieht sich § 10 Abs. 3 BauNVO auf 'Wochenendhäuser' und § 10 Abs. 4 BauNVO auf 'Ferienhäuser'. Diese begriffliche Unterscheidung ist im Bauplanungsrecht angelegt (vgl. BVerwG, U. v. 12.03.1982 - 4 C 59.78 -, NJW 1982, 2512). Die BauNVO führt die allgemeine Wohnnutzung einerseits und die Ferienwohnnutzung andererseits als eigenständige Nutzungsarten auf (BVerwG, B. v. 08.05.1989 - 4 B 78.89 -, NVwZ 1989, 1060).

23

Um den Wohnbegriff in Abgrenzung zu anderen Nutzungsarten unter Zugrundelegung der o.g. typisierenden bauplanungsrechtlichen Betrachtungsweise sachgerecht zu erfassen, bedarf es einer wertenden Betrachtung aller Umstände. Zu unterscheiden ist die im wesentlichen an der Zweckbestimmung des Aufenthalts in den Räumen (vgl. zu dieser als maßgebliches Kriterium: Bielenberg in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Kommentar, Bd. V, § 3 BauNVO Rn. 8) ausgerichtete (reine) Wohnnutzung von der Ferienwohnnutzung, in der der für das Dauerwohnen maßgebende eigenständige bzw. unabhängig zu gestaltende häusliche Wirkungskreis nicht angenommen werden kann (Bielenberg, a.a.O., Rn 20). Zum Begriff des Wohnens gehört eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit, zu der auch die Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises gehört (vgl. BVerwG, B. v. 25.03.1996 - 4 B 302.95 -, BRS 58 Nr. 56). Mit der Dauerhaftigkeit des Wohnens ist zunächst nicht der Gegensatz von längerer und kürzerer oder von unbestimmter und bestimmter Dauer zu verbinden. So schließt etwa eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit als Inbegriff des Wohnens einen Zweitwohnsitz nicht aus (Senat, U. v. 11.07.2007 - 3 L 75/06 -). Ausgehend von der Zweckbestimmung des Aufenthalts in den Räumen unterscheidet sich Wohnen von anderen Nutzungsarten, die sich durch ein übergangsweises, nicht 'alltägliches' Wohnen oder ein provisorisches, einem begrenzten Zweck dienendes Unterkommen auszeichnen. 'Ferienwohnen' ist ebensowenig auf Dauer angelegt wie das Unterkommen in Herbergen jeder Art. Vom Nutzungskonzept her bieten Ferienwohnungen den zumeist wochenweisen vorübergehenden Aufenthalt für ständig wechselnde Feriengäste (vgl. Stock in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 2. Aufl., § 3 Rn 17; Boeddinghaus, BauNVO, 5. Aufl., § 10 Rn. 15), während reine (Dauer)- Wohnungen - ungeachtet der Frage der Aufenthaltsdauer - von einem über einen längeren Zeitraum gleichbleibenden Bewohnerkreis genutzt werden.

24

Gerade die daraus resultierenden unterschiedlichen bodenrechtlichen Auswirkungen der beiden Nutzungsarten rechtfertigen die bauplanungsrechtliche typisierende Unterscheidung.

25

Unterscheidet sich danach die Ferienwohnnutzung von der (reinen) Wohnnutzung, ergibt sich aus der Systematik der Gebietstypen der BauNVO einerseits und den Festsetzungen im hier maßgeblichen Bebauungsplan andererseits, dass eine Ferienwohnnutzung im Plangebiet nicht zulässig ist.

26

Die Beschränkung der Nutzungsarten in den in §§ 2 - 9 BauNVO geregelten Gebietstypen bedeutet nämlich, dass eine andere als die bezeichnete Nutzungsart in dem entsprechenden Gebiet grundsätzlich nicht zulässig ist, soweit die Gemeinde nicht von den durch § 1 Abs. 4 bis 10 BauNVO eingeräumten Möglichkeiten Gebrauch macht und Ausnahmen nicht zugelassen werden. Letzteres ist mit den Festsetzungen im vorliegend maßgeblichen Bebauungsplan und ausweislich der Begründung gerade nicht geschehen, so dass eine Ferienwohnnutzung, soweit man sie entgegen der übereinstimmenden Auffassung der Beteiligten und des Verwaltungsgerichts denn als Beherbergungsbetrieb ansehen wollte (vgl. etwa Fickert/Fieseler, BauNVO, 10. Aufl., § 3 n. 19 und 19.1 m.w.N., wonach die Überlassung von Räumen zur Unterbringung ohne zusätzliche Leistungen für die Annahme eines Beherbergungsbetriebes ausreicht), auch unter diesem Aspekt ausgeschlossen ist."

27

An dieser Auffassung, die das erkennende Gericht bereits in einem Boltenhagener Fall im Rahmen eines vorläufigen Rechtsschutzverfahrens und sodann in mehreren Urteilen bezogen auf P. Fälle übernommen hat (vgl. Beschluss vom 23. Oktober 2008 – 2 B 273/08; vgl. Urteile vom 11. November 2010 – 2 A 1036/09 – u. a.) und die das Oberverwaltungsgericht bestätigt hat (vgl. Beschluss vom 13. Juni 2012 – 3 M 20/12 –), wird nach erneuter Überprüfung festgehalten.

28

b) Die streitgegenständliche Nutzungsuntersagungsverfügung ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil die Ferienwohnnutzung als ein Betrieb des Beherbergungsgewerbes anzusehen wäre und ein solcher nach § 4 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO im allgemeinen Wohngebiet zulässig ist. Zutreffend ist allerdings, dass der hier in Rede stehende Bebauungsplan – anders als in den vorgenannten Fällen – Betriebe des Beherbergungsgewerbes nicht explizit ausschließt.

29

aa) Die Vorschrift des § 4 Abs. 3 BauNVO begründet keine allgemeine Zulässigkeit. Die Gemeinde hat in dem Bebauungsplan auch nicht von der in § 1 Abs. 6 Nr. 2 BauNVO grundsätzlich vorgesehen Möglichkeit Gebrauch gemacht, Betriebe des Beherbergungsgewerbes allgemein für zulässig zu erklären. Selbst wenn die klägerseitig vertretene Auffassung von der Ferienwohnnutzung als Betrieb des Beherbergungsgewerbes zutreffend wäre, führte § 4 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO mithin nicht eo ipso zur Zulässigkeit der streitgegenständlichen Nutzung. Deshalb ist – anders als es klägerseitig offenbar gemeint wird – in der vorliegenden Konstellation auch kein prinzipieller Unterschied zu derjenigen in dem Fall des Oberverwaltungsgerichts Greifswald darin zu sehen, dass der hier in Rede stehende Bebauungsplan Betriebe des Beherbergungsgewerbes nicht ausschließt.

30

bb) Unter der Prämisse, die streitgegenständliche Ferienwohnnutzung unterfalle dem Begriff „Betrieb des Beherbergungsgewerbes“, würde die klägerische Ferienwohnnutzung (jedenfalls) formell illegal sein und (bereits) deshalb im Widerspruch zur öffentlich-rechtlichen Vorschriften stattfinden. § 4 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO ermöglicht lediglich eine ausnahmsweise Zulassung von Betrieben des Beherbergungsgewerbes. Bei der Frage der Zulassung von Ausnahmen nach Maßgabe des Abs. 3 der §§ 2 bis 9 BauNVO handelt es sich um Anwendungsfälle des § 31 Abs. 1 BauGB. Über die jeweilige Ausnahme ist daher in einem bauaufsichtlichen Verfahren nach pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden (vgl. dazu z. B. Stange, BauNVO, 2011, § 2 BauNVO, Rn. 64, 65). An einer solchen – das Einvernehmen der Gemeinde erfordernden – Zulassungsentscheidung fehlt es.

31

cc) Die in Rechtsprechung und Literatur seit langem umstrittene Frage danach, ob Ferienwohnungen dem Begriff des (kleinen) „Betriebes des Beherbergungsgewerbes“ unterfallen (zum Streitstand vgl. etwa Stange, a. a. O., § 3 Rn. 49 ff., § 4 Rn. 36, jeweils m. w. N.), ist in Mecklenburg-Vorpommern von dem Verwaltungsgericht Greifswald bejaht worden (vgl. Urt. v. 31. August 2012 – 5 A 760/11 -, amtlicher Umdruck S. 8 ff.). Demgegenüber hat die Kammer in einem Urteil vom 20. Dezember 2012 (Az.: 2 A 1577/10) bezogen auf einen K. Fall zwischen einem Betrieb des Beherbergungsgewerbes und Ferienwohnungen unterschieden (Urt. v. 20.12.2012 – 2 A 1577/10 -, amtlicher Umdruck S. 10 ff. m. w. N. zum Streitstand). Dieser Unterscheidung folgt auch der hier erkennenden Einzelrichter. Merkmal eines Betriebes des Beherbergungsgewerbes ist es danach, ob Räume ständig wechselnden Gästen zum vorübergehenden Aufenthalt zur Verfügung gestellt werden, ohne dass diese dort ihren häuslichen Wirkungskreis unabhängig gestalten können. Das Bundesverwaltungsgericht (vgl. Beschl. v. 08. Mai 1989 – 4 B 78.98-, BRS 49, Nr. 66) hat hierzu ausgeführt:

32

„Auch ein Vermieten von Appartements ist schon nach allgemeinem Sprachgebrauch keine Beherbergung. In der BauNVO werden zudem die allgemeine Wohnnutzung und die Ferienwohnnutzung als eigenständige Nutzungsarten aufgeführt. Die damit vorgegebene Unterscheidung verbietet es, den Begriff der Beherbergung soweit zu fassen, dass er auch die mietweise Überlassung von selbständigen Wohnungen, sei es auch nur zu Ferienzwecken, einschließt.“

33

Dementsprechend können als Betriebe des Beherbergungsgewerbes (nur) in Betracht kommen, Hotels, Pensionen, Gasthöfe, Gästehäuser und Fremdenheime (vgl. Stange, a. a. O., § 3 Rn. 50). In dem vorbeschriebenen K. Fall hatte die Kammer den Begriff des (kleinen) Betriebes des Beherbergungsgewerbes demzufolge als erfüllt angesehen, weil dort sechs Räume als Doppelzimmer mit angeschlossenem Bad genutzt werden sollten und eine Kochgelegenheit in den Zimmern nicht vorgesehen war. Die Zimmer erschienen aufgrund ihrer Größe und Ausstattung vorwiegend für Übernachtungszwecke und mangels ausreichender Sitz- und Essmöglichkeiten eher nicht zu längeren Aufenthalten auch tagsüber geeignet. Das Gebäude entsprach damit dem Bild einer kleinen Pension.

34

Im vorliegenden Fall sind weder Anhaltspunkte vorgetragen noch sonst ersichtlich, die Anlass gegen könnten, die streitgegenständliche Nutzung schlösse aus, dass die Gäste dort einen – wenn auch zeitlich und auf den Ferienzweck begrenzten – häuslichen Wirkungskreis unabhängig gestalten könnten. Insbesondere werden die Ferienwohnungen nicht lediglich als Doppelzimmer mit angeschlossenem Bad, sondern als voll ausgestattete Wohnungen mit Wohnbereich, Essbereich, Schlafzimmern, Terrasse und mit Grillgelegenheit etc. angeboten.

35

c) Die streitgegenständliche Ferienwohnnutzung kann auch nicht auf eine ausnahmsweise Zulassung als nicht störender Gewerbebetrieb im Sinne von § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO gestützt werden.

36

aa) Auch diesbezüglich fehlt es – mangels Erklärung der allgemeinen Zulässigkeit im Bebauungsplan – bereits an der erforderlichen bauaufsichtlichen Zulassungsentscheidung.

37

bb) Materiell scheidet der Rückgriff auf § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO (schon auf der Basis der klägerischen Auffassung) aus, weil mit der Regelung des § 4 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO die „Beherbergungsfälle“ für das allgemeine Wohngebiet speziell geregelt sind. Erfüllt die Ferienwohnnutzung – wie ausgeführt – den Begriff des (ausnahmsweise zulassungsfähigen) Betriebes des Beherbergungsgewerbes nicht, können jenseitige Beherbergungsformen, wie die Ferienwohnnutzung, nicht über den Umweg des § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zu den „sonstigen“ Gewerbebetrieben erklärt werden (vgl. Stock, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 2. Aufl. 2003, § 4 Rn. 75).

38

d) Die Festsetzung für das streitgegenständliche Grundstück als allgemeines Wohngebiet ist eindeutig. Sie in einer Weise zu lesen, dass der Plangeber die Zulässigkeit von Ferienwohnungen nicht habe ausgeschlossen sehen wollen, ist nicht angängig. Zum einen ist maßgeblich die getroffene Festsetzung selbst. Ihr Wortlaut bildet die Grenze der Auslegung. Mit den von der Gemeinde hier getroffenen Festsetzungen – WA oder WR – ist, wie dargelegt, notwendig die Konsequenz der allgemeinen und ausnahmsweisen planungsrechtlichen Unzulässigkeit von Ferienwohnungen ohne Weiteres festgelegt. Nichts anderes folgt aus der Begründung des Bebauungsplans. In dieser ist unter 5.1.1 „Art der baulichen Nutzung“ ausgeführt:

39

„Die Bauflächen entlang der Ostseeallee werden gemäß dem städtebaulichen Konzept als Sondergebiete“ Hotel (SO Hotel), „Ferienwohnungen“ (SO Fewo) und „Fremdenbeherbergung“ (SO Fremd) als Mischgebiet (MI) und als Allgemeines Wohngebiet (WA) festgesetzt. Zum besseren Orientierung und zur eindeutigen Zuordnung der textlichen Festsetzungen enthalten diese Baugebiete Nummerierungen. Durch die Festsetzungen wird erreicht, dass sich entlang der Ostseeallee touristisch orientiertes Gewerbe wie Gastronomie und Unterkunftsmöglichkeiten nahe dem Ortszentrum ansiedeln. In zweiter Reihe erfolgt mit der Festsetzung als Allgemeines Wohngebiet (WA) und Reines Wohngebiet (WR) die Schaffung von Wohnraum in attraktiver Lage, wobei das Allgemeine Wohngebiet den Übergang zu anderen Nutzungsarten bildet. Die typische Mischung von touristisch geprägten Einrichtungen und Wohnen bleibt somit gewahrt.“

40

Daraus ergibt sich ohne Weiteres, dass der Plangeber unterschieden hat zwischen Ferienwohnnutzung und Fremdenbeherbergung auf der einen Seite (und hierfür Sondergebiete vorgesehen hat) und Wohnen im allgemeinen und reinen Wohngebiet auf der anderen Seite.

41

Soweit möglicherweise einzelne Gemeinderatsmitglieder eine andere Vorstellung von den rechtlichen Konsequenzen einer Festsetzung als WA oder WR gehabt haben sollten, ist dies unbeachtlich. Schließlich sprechen auch Inhalt, Verlauf und Stand des klägerseitig vorgebrachten B-Planänderungsvorhabens gegen die Annahme, der Plangeber habe die hier streitgegenständliche Nutzung seinerzeit für zulässig erachtet. Denn das - nach wie vor nicht zum Satzungsbeschluss geführte – Änderungsvorhaben war lediglich auf die Ermöglichung einer Ferienwohnung neben einer Dauerwohnung gerichtet, nicht jedoch auf die Nutzung eines Gebäudes bzw. einer Doppelhaushälfte ausschließlich zu Ferienwohnzwecken.

42

e) Soweit die Kläger die Unwirksamkeit des Bebauungsplans behaupten, können sie damit im Ergebnis nicht gehört werden. Selbst wenn der behauptete Mangel eines Verstoßes gegen § 1 Abs. 4 BauGB im Blick auf die Ziele der Raumordnung vorliegen, beachtlich sein, nicht der Verfristung nach § 215 Abs. 1 BauGB unterliegen und zudem zur Nichtigkeit des Bebauungsplans Nr.... insgesamt oder jedenfalls der hier relevanten Festsetzungen führen sollte, führt dies nicht zur Rechtswidrigkeit der angefochtenen Nutzungsuntersagungsverfügung. Zwar beurteilt sich im Fall der Nichtigkeit des B-Plans Nr. ... insgesamt oder der hier relevanten Festsetzungen die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der streitgegenständlichen Ferienwohnnutzung gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB danach, ob sich diese in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Entgegen der klägerischen Auffassung ist dies jedoch nicht der Fall.

43

Dabei kann offenbleiben, ob – wie klägerseitig behauptet wird – in 90 % der im allgemeinen oder reinen Wohngebiet errichteten Gebäude (ausschließlich) Ferienwohnnutzung stattfindet. Sollte dies tatsächlich der Fall sein, führt dies nicht dazu, dass die Eigenart der näheren Umgebung hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung als von dieser Ferienwohnnutzung geprägt anzusehen ist. Zwar hält sich die streitgegenständliche Ferienwohnnutzung innerhalb des tatsächlich vorhandenen Nutzungsrahmens, wenn die klägerseitige Behauptung zutrifft. Indessen fehlt es bei Wegfall des B-Plans an der bauplanungsrechtlichen Grundlage, auf der die aufstehenden Gebäude errichtet wurden und die streitgegenständliche Nutzung ausgeübt wird. Sie stellt sich daher in diesem Fall als jedenfalls materiell illegal dar.

44

Als Maßstab für die Beantwortung der Frage nach der Eigenart der näheren Umgebung – hier hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung – scheiden materiell baurechtswidrige Vorhaben jedoch grundsätzlich aus (vgl. Krautzberger, in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 11. Auflage 2009, § 34 Rn. 14). Auch sind die behaupteten weiteren Ferienwohnnutzungen von der Beklagten bisher nicht in einer Weise geduldet worden, die keinen Zweifel daran lässt, dass sich die zuständige Behörde mit ihrem Vorhandensein abgefunden hat (vgl. BVerwGE 31, 22, 26). Vielmehr lassen das streitgegenständliche sowie die weiteren zur gemeinsamen mündlichen Verhandlung verbundenen Verfahren gegen die von der Beklagten erlassen Nutzungsuntersagungsverfügungen das Gegenteil erkennen. Daran ändert sich auch nichts, wenn – wie sich in der mündlichen Verhandlung angedeutet hat – der Beklagten noch nicht sämtliche Ferienwohnnutzungen bekannt sind oder noch nicht gegen sämtliche dieser Nutzungen vorgegangen wird. Allein der Umstand, dass die Beklagte derzeit möglicherweise nicht gegen sämtliche Ferienwohnnutzungen Nutzungsuntersagungsverfahren eingeleitet haben sollte, rechtfertigt nicht die Annahme, die Beklagte habe sich mit dem Vorhandensein dieser Nutzungen abgefunden. Insbesondere haben die Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung nicht erklärt, gegen von ihr als bauplanungsrechtswidrig angesehene weitere Ferienwohnnutzungen zukünftig nicht einschreiten, sondern diese hinnehmen zu wollen.

45

f) Die Festsetzungen von allgemeinen und reinen Wohngebieten in dem Bebauungsplan Nr. 9 sind auch nicht funktionslos und damit unwirksam geworden.

46

Die in der Rechtsprechung anerkannte Funktionslosigkeit eines Bebauungsplans (vgl. dazu z. B. BVerwG, Urt. v. 03. Dezember 1998 – 4 CM 3.97 -, BVerwGE 108, 71, 76) setzt voraus, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse, auf die sich der Bebauungsplan bezieht, offenkundig so verändert haben, dass eine Verwirklichung seiner Festsetzungen auf unabsehbare Zeit ausgeschlossen ist (vgl. Löhr in: Battis/Krautzberger/Löhr, a. a. 0, § 9 Rn. 7a m. w. N.). Davon kann hier gerade nicht die Rede sein. Denn um die Verwirklichung der Festsetzungen des Bebauungsplans geht es der Beklagten gerade mit dem Erlass der hier und in den weiteren zur gemeinsamen mündlichen Verhandlung verbundenen Verfahren streitgegenständlichen Nutzungsuntersagungsverfügungen.

47

g) Die streitgegenständliche Nutzungsuntersagungsverfügung verstößt auch nicht gegen das Bestimmtheitsgebot des § 37 Abs. 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG M-V). Zwar wird im Tenor des Ausgangsbescheids aufgefordert, die Nutzung der vorhandenen zwei Wohnungen als Ferienwohnungen einzustellen, ohne dass klargestellt wird, dass eine Eigennutzung des Eigentümers zu Ferienwohnzwecken nicht erfasst sein soll. Das indessen ergibt sich aus der Änderung von Ziffer 1 des Ausgangsbescheids im Widerspruchsbescheid wo ausdrücklich formuliert ist: „Die private Nutzung bleibt davon unberührt.“

48

h) Die Nutzungsuntersagung verstößt auch nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot des Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz. Der Gleichbehandlungsgrundsatz des Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz verpflichtet die Bauaufsichtsbehörde, ihre bauordnungsrechtliche Tätigkeit maßgeblich auch am Gleichheitssatz auszurichten. Sie muss das ihr eingeräumte Ermessen in gleichgelagerten Fällen gleichmäßig ausüben. Ergreift oder unterlässt die Behörde Maßnahmen zur Bekämpfung baurechtswidriger Zustände, so hat sie in allen vergleichbaren Fällen in der gleichen Art und Weise zu verfahren. Das bedeutet bei einer Vielzahl von Verstößen jedoch nicht, dass sie gleichzeitig tätig werden muss; entschließt sie sich zu einem Einschreiten, ist es ihr unbenommen, die Verhältnisse nach und nach zu bereinigen; ihr ist es lediglich verwehrt, systemlos oder willkürlich vorzugehen; beschränkt sie sich darauf, einen Einzelfall herauszugreifen, so handelt sie dem Gleichbehandlungsgebot zuwider, es sei denn, dass sie hierfür sachliche Gründe anzuführen vermag (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 30. Juni 2010 – 3 M 114/10 -; BVerwG, Beschl. v. 22. April 1995 – 4 B 55.95 – BRS 57 Nr. 248 m.w.N.). In diesem Rahmen darf die Behörde auch anlassbezogen vorgehen und sich auf die Regelung von Einzelfällen beschränken, sofern sie hierfür sachliche Gründe anzuführen vermag. Der Gleichbehandlungsgrundsatz verpflichtet die Behörde aber zu einem nach Zeitpunkt und Modalitäten gleichmäßigen Vorgehen gegen rechtswidrige Zustände, soweit nicht in der Sache begründete Unterschiede Abweichungen rechtfertigen. So kann es rechtmäßig sein, wenn die Behörde einen geeigneten Fall als „Musterfall“ auswählt, um erst nach einer gerichtlichen Bestätigung ihrer Rechtsauffassung gleichartige Fälle aufzugreifen. Ebenso ist es mit Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz vereinbar, wenn die Behörde zunächst nur Fälle aufgreift, in denen eine Verschlechterung des bestehenden Zustands droht (BVerwG, Beschl. v. 19. Februar 1992 – 7 B 106.91 – NVwZ – RR 1992, 360). Die Rechtsprechung hat im Baurecht den räumlichen Bezug des Gleichheitssatzes aus der Erkenntnis eingeschränkt, dass der Bauaufsichtsbehörde ein gleichmäßiges Einschreiten in ihrem gesamten Bereich aus verschiedenen praktischen Gründen unmöglich ist. Eine Verletzung des Gleichheitssatzes führt somit nur dann zur Aufhebung einer Maßnahme, wenn die Behörde in räumlich benachbarten Fällen unterschiedlich vorgeht. Maßgebend ist ein bestimmter topografischer Bereich (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 6. Februar 2008 – 3 M 9 /08 – NordÖR 2008, 450).

49

Vorliegend ergibt sich aus dem Vorbringen der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung, dass die Beklagte zunächst gegen solche Ferienwohnnutzungen eingeschritten ist, in Bezug auf die es Beschwerden der in dem jeweiligen allgemeinen oder reinen Wohngebiet Wohnenden gegeben hat. Zudem ergibt sich aus den Verwaltungsvorgängen der Beklagten, dass diese zunächst den Fortgang der Planänderungsinitiative abgewartet hat.

50

i) Die Nutzungsuntersagungsverfügung ist, insbesondere im Blick auf die im Widerspruchsbescheid festgesetzte Umsetzungsfrist (1. Mai 2011), auch nicht unverhältnismäßig (gewesen). Denn die Kläger konnten sich bereits seit der Anhörung im Mai 2010 und damit mit einem Jahr Vorlauf darauf einstellen, dass die Beklagte die Ferienvermietung untersagen würde.

51

j) Die Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 5.000 € je Wohnung ist nicht zu beanstanden. Sie entspricht den Bestimmungen der §§ 97 ff. Sicherheits- und Ordnungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern (SOG M-V). Insbesondere kann die Androhung nach § 7 Abs. 3 SOG M-V mit dem Verwaltungsakt verbunden werden, der vollzogen werden soll. Die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes bewegt sich im unteren Bereich des in § 88 Abs. 3 SOG M-V eingeräumten Rahmens von mindestens 10 €, höchstens 50.000 € und ist deshalb nicht unangemessen hoch.

52

2. Die Festsetzung von Widerspruchsbescheidkosten in Ziffer 3 des Widerspruchsbescheids ist insoweit rechtswidrig, als ein Betrag von mehr als 2,63 € festgesetzt worden ist. Die Kläger sind dadurch in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

53

Ermächtigungsgrundlage für die Festsetzung von Widerspruchsbescheidkosten ist § 15 Abs. 3 Landesverwaltungskostengesetz (VwKostG M-V). Danach sind von dem Widerspruchsführer für den Erlass des Widerspruchsbescheides Verwaltungsgebühren und Auslagen zu erheben, wenn und soweit der Widerspruch zurückgewiesen wird. Nach Satz 2 der Bestimmung ist in diesem Fall eine Verwaltungsgebühr bis zur Höhe der Gebühr zu erheben, die für die angefochtene Amtshandlung zu zahlen ist. Hinsichtlich der Höhe der Gebühr, die für den Erlass des Widerspruchsbescheides festzusetzen ist, legt § 15 Abs. 3 Satz 2 VwKostG M-V mithin einen Rahmen fest, der von 0,01 Euro bis zur Höhe der Gebühr reicht, die für die angefochtene Amtshandlung zu zahlen ist. Für die Gebührenbemessung bei Rahmensätzen bestimmt § 9 Abs. 1 VwKostG M-V, dass bei der Festsetzung der Gebühr im Einzelfall zu berücksichtigen sind einerseits der mit der Amtshandlung verbundene Aufwand und andererseits die Bedeutung, der wirtschaftliche Wert oder der sonstige Nutzen der Amtshandlung für den Gebührenschuldner. Der Gebührengläubiger hat mithin in den Fällen der Widerspruchsbescheidgebühr eine den von § 15 Abs. 3 Satz 2 VwKostG M-V vorgegebenen Rahmen ausfüllende, sich an den Vorgaben des § 9 Abs. 1 VwKostG M-V zu richtende Ermessensentscheidung zu treffen. Diesen Anforderungen wird die Festsetzung der Gebühr in Höhe von 450,00 Euro in dem Widerspruchsbescheid vom 07. März 2011 nicht gerecht.

54

So ist die Beklagte ausweislich der Begründung der „Kostenentscheidung“, dort unter Ziffer 2, in dem Widerspruchsbescheid vom 07. März 2011 davon ausgegangen, dass sich die festgesetzten Widerspruchsbescheidkosten „aus der bereits im Ausgangsbescheid festgesetzten Gebühr in Höhe von 450,00 Euro und deren Gründen zuzüglich 2,63 Euro Zustellungsgebühr als Auslagen“ ergeben. Dass hier ein gesetzlich vorgegebener Rahmen nach den Maßgaben des § 9 Abs. 1 VwKostG M-V ermessensfehlerfrei auszufüllen war, hat die Beklagte daher bereits nicht erkannt, jedenfalls ist dies in der Begründung nicht ausreichend kenntlich gemacht. Soweit in dem Widerspruchsbescheid ausgeführt wird, dass einer „Minderung der Gebühr“ der Verwaltungsaufwand der Prüfung entgegenstehe, ändert dies an dem Ergebnis nichts. Denn es geht bei der Ausfüllung des Rahmens nach § 15 Abs. 3 Satz 2 VwKostG M-V darum, die den gesetzlichen Vorgaben gerecht werdende in HH Höhe der Gebühr überhaupt erst zu ermitteln und nicht darum, in Bezug auf eine bereits feststehende Gebühr das Vorliegen von Ermäßigungstatbeständen, etwa verminderten Verwaltungsaufwand, zu prüfen.

55

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO.

56

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

(1) Allgemeine Wohngebiete dienen vorwiegend dem Wohnen.

(2) Zulässig sind

1.
Wohngebäude,
2.
die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe,
3.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Betriebe des Beherbergungsgewerbes,
2.
sonstige nicht störende Gewerbebetriebe,
3.
Anlagen für Verwaltungen,
4.
Gartenbaubetriebe,
5.
Tankstellen.

(1) Als Sondergebiete, die der Erholung dienen, kommen insbesondere in Betracht
Wochenendhausgebiete,
Ferienhausgebiete,
Campingplatzgebiete.

(2) Für Sondergebiete, die der Erholung dienen, sind die Zweckbestimmung und die Art der Nutzung darzustellen und festzusetzen. Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass bestimmte, der Eigenart des Gebiets entsprechende Anlagen und Einrichtungen zur Versorgung des Gebiets und für sportliche Zwecke allgemein zulässig sind oder ausnahmsweise zugelassen werden können.

(3) In Wochenendhausgebieten sind Wochenendhäuser als Einzelhäuser zulässig. Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass Wochenendhäuser nur als Hausgruppen zulässig sind oder ausnahmsweise als Hausgruppen zugelassen werden können. Die zulässige Grundfläche der Wochenendhäuser ist im Bebauungsplan, begrenzt nach der besonderen Eigenart des Gebiets, unter Berücksichtigung der landschaftlichen Gegebenheiten festzusetzen.

(4) In Ferienhausgebieten sind Ferienhäuser zulässig, die aufgrund ihrer Lage, Größe, Ausstattung, Erschließung und Versorgung für den Erholungsaufenthalt geeignet und dazu bestimmt sind, überwiegend und auf Dauer einem wechselnden Personenkreis zur Erholung zu dienen. Im Bebauungsplan kann die Grundfläche der Ferienhäuser, begrenzt nach der besonderen Eigenart des Gebiets, unter Berücksichtigung der landschaftlichen Gegebenheiten festgesetzt werden.

(5) In Campingplatzgebieten sind Campingplätze und Zeltplätze zulässig.

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 10.09.2007 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin wendet sich gegen eine Verfügung des Antragsgegners, mit der ihr die Nutzung einer Ferienwohnung untersagt wurde.

2

Im Oktober 2004 zeigte die Antragstellerin die Errichtung eines Zweifamilienwohnhauses mit Carport auf dem Grundstück Flurstück 276/23 der Flur 5 der Gemarkung X., Anschrift: Y. 5, X., bei dem Antragsgegner an. Mit Schreiben vom 02.05.2005 teilte sie den Nutzungsbeginn mit.

3

Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 6 Wohngebiet "Y." der Beigeladenen vom 21.08.2003 in der Fassung der ersten vereinfachten Änderung vom 06.07.2006, in Kraft getreten am 15.12.2006, dort in dem Baufeld I. Als Art der baulichen Nutzung ist für dieses Baufeld ein Allgemeines Wohngebiet mit maximal zwei Wohnungen bei maximal zwei Vollgeschossen festgesetzt, wobei sämtliche in § 4 Abs. 3 BauNVO genannten, ausnahmsweise zugelassenen Nutzungsarten ausgeschlossen sind. In der Begründung wird angeführt, dass das Gebiet mit geeigneten Wohnbaulandflächen der Abdeckung des zukünftigen Wohnbedarfs der Bevölkerung der Gemeinde dienen soll.

4

Nach Anhörung zur angezeigten Ferienwohnungsnutzung untersagte der Antragsgegner der Antragstellerin mit Verfügung vom 21.08.2007 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung und Androhung eines Zwangsgeldes die Nutzung der Dachgeschosswohnung als Ferienwohnung mit der Begründung, eine Freizeitwohnnutzung sei im Allgemeinen Wohngebiet nicht zulässig.

5

Mit anwaltlichem Schreiben vom 24.08.2007 legte die Antragstellerin Widerspruch ein und suchte unter dem 26.08.2007 um vorläufigen Rechtsschutz nach.

6

Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs durch Beschluss vom 09.10.2007 mit der Begründung ab, die Nutzung der Wohnung im Dachgeschoss des Hauses der Antragstellerin als Ferienwohnung widerspreche öffentlich-rechtlichen Vorschriften, weil sie formell illegal sei. Im Verhältnis zur ursprünglich angezeigten allgemeinen Wohnnutzung stelle die Nutzung als Ferienwohnung eine genehmigungsbedürftige Nutzungsänderung dar. Zwar handele es sich bei der Vermietung einer einzelnen Ferienwohnung nicht um den Betrieb eines nach den Festsetzungen des Bebauungsplanes ausgeschlossenen Beherbergungsgewerbes. Die Ferienwohnungsnutzung sei wegen der entgegenstehenden Festsetzungen im Bebauungsplan auch nicht genehmigungsfähig und die Nutzung damit materiell rechtswidrig.

II.

7

Die dagegen gerichtete Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Das gem. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO maßgebliche Beschwerdevorbringen rechtfertigt die Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung nicht, da sich die Nutzungsuntersagungsverfügung nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage als rechtmäßig erweist und die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzt.

8

Die im Kern des Beschwerdevorbringens stehende Frage, ob sich eine Ferienwohnnutzung bauplanungsrechtlich (lediglich) als eine Unterform der Wohnnutzung darstellt und damit im vorliegend festgesetzten Allgemeinen Wohngebiet zulässig ist, beantwortet der Senat im Sinne der erstinstanzlichen Entscheidung, wonach es sich bei der gebotenen typisierenden Betrachtung bei der Ferienwohnnutzung gegenüber der allgemeinen Wohnnutzung um eine eigenständige Nutzungsart handelt.

9

Zwar kann nach allgemeinem Sprachgebrauch auch ein Ferien- oder Wochenendhaus als ein "Wohngebäude" bezeichnet werden; denn auch Ferien- oder Wochenendhäuser dienen dem Wohnen. Gleichwohl unterscheidet das Bauplanungsrecht begrifflich zwischen Wohngebäuden einerseits und Ferien- und Wochenendhäusern andererseits: Während nach den §§ 2, 3, 4, 4 a, 5 und 6 der Baunutzungsverordnung in der Fassung vom 15. September 1977 (BGBl. I S. 1763) - BauNVO - "Wohngebäude" in den entsprechenden Baugebieten zulässig sind, bezieht sich § 10 Abs. 3 BauNVO auf "Wochenendhäuser" und § 10 Abs. 4 BauNVO auf "Ferienhäuser". Diese begriffliche Unterscheidung ist im Bauplanungsrecht angelegt (vgl. BVerwG, U. v. 12.03.1982 - 4 C 59.78 -, NJW 1982, 2512). Die BauNVO führt die allgemeine Wohnnutzung einerseits und die Ferienwohnnutzung andererseits als eigenständige Nutzungsarten auf (BVerwG, B. v. 08.05.1989 - 4 B 78.89 -, NVwZ 1989, 1060).

10

Um den Wohnbegriff in Abgrenzung zu anderen Nutzungsarten unter Zugrundelegung der o.g. typisierenden bauplanungsrechtlichen Betrachtungsweise sachgerecht zu erfassen, bedarf es einer wertenden Betrachtung aller Umstände. Zu unterscheiden ist die im wesentlichen an der Zweckbestimmung des Aufenthalts in den Räumen (vgl. zu dieser als maßgebliches Kriterium: Bielenberg in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Kommentar, Bd. V, § 3 BauNVO Rn. 8) ausgerichtete (reine) Wohnnutzung von der Ferienwohnnutzung, in der der für das Dauerwohnen maßgebende eigenständige bzw. unabhängig zu gestaltende häusliche Wirkungskreis nicht angenommen werden kann (Bielenberg, a.a.O., Rn. 20). Zum Begriff des Wohnens gehört eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit, zu der auch die Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises gehört (vgl. BVerwG, B. v. 25.03.1996 - 4 B 302.95 -, BRS 58 Nr. 56). Mit der Dauerhaftigkeit des Wohnens ist zunächst nicht der Gegensatz von längerer und kürzerer oder von unbestimmter und bestimmter Dauer zu verbinden. So schließt etwa eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit als Inbegriff des Wohnens einen Zweitwohnsitz nicht aus (Senat, U. v. 11.07.2007 - 3 L 75/06 -). Ausgehend von der Zweckbestimmung des Aufenthalts in den Räumen unterscheidet sich Wohnen von anderen Nutzungsarten, die sich durch ein übergangsweises, nicht "alltägliches" Wohnen oder ein provisorisches, einem begrenzten Zweck dienendes Unterkommen auszeichnen. "Ferienwohnen" ist ebensowenig auf Dauer angelegt wie das Unterkommen in Herbergen jeder Art. Vom Nutzungskonzept her bieten Ferienwohnungen den zumeist wochenweisen vorübergehenden Aufenthalt für ständig wechselnde Feriengäste (vgl. Stock in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 2. Aufl., § 3 Rn. 17; Boeddinghaus, BauNVO, 5. Aufl., § 10 Rn. 15), während reine (Dauer)Wohnungen - ungeachtet der Frage der Aufenthaltsdauer - von einem über einen längeren Zeitraum gleichbleibenden Bewohnerkreis genutzt werden. Gerade die daraus resultierenden unterschiedlichen bodenrechtlichen Auswirkungen der beiden Nutzungsarten rechtfertigen die bauplanungsrechtliche typisierende Unterscheidung.

11

Unterscheidet sich danach die Ferienwohnnutzung von der (reinen) Wohnnutzung, ergibt sich aus der Systematik der Gebietstypen der BauNVO einerseits und den Festsetzungen im hier maßgeblichen Bebauungsplan andererseits, dass eine Ferienwohnnutzung im Plangebiet nicht zulässig ist. Die Beschränkung der Nutzungsarten in den in §§ 2 - 9 BauNVO geregelten Gebietstypen bedeutet nämlich, dass eine andere als die bezeichnete Nutzungsart in dem entsprechenden Gebiet grundsätzlich nicht zulässig ist, soweit die Gemeinde nicht von den durch § 1 Abs. 4 bis 10 BauNVO eingeräumten Möglichkeiten Gebrauch macht und Ausnahmen nicht zugelassen werden. Letzteres ist mit den Festsetzungen im vorliegend maßgeblichen Bebauungsplan und ausweislich der Begründung gerade nicht geschehen, so dass eine Ferienwohnnutzung, soweit man sie entgegen der übereinstimmenden Auffassung der Beteiligten und des Verwaltungsgerichts denn als Beherbergungsbetrieb ansehen wollte (vgl. etwa Fickert/Fieseler, BauNVO, 10. Aufl., § 3 n. 19 und 19.1 m.w.N., wonach die Überlassung von Räumen zur Unterbringung ohne zusätzliche Leistungen für die Annahme eines Beherbergungsbetriebes ausreicht), auch unter diesem Aspekt ausgeschlossen ist.

12

Die von der Antragstellerin unstreitig praktizierte Nutzung des Dachgeschosses des Gebäudes als Ferienwohnung stellt gegenüber der ursprünglich angezeigten reinen Wohnnutzung eine genehmigungsbedürftige, aber nicht genehmigungs- und auch nicht ausnahme- bzw. befreiungsfähige Nutzungsänderung dar, die vom Antragsgegner bauordnungsrechtlich untersagt werden kann. Da die Beschwerde die Entscheidung des Verwaltungsgerichts insoweit nicht angreift, kann auf die zutreffenden Entscheidungsgründe Bezug genommen werden. Letztlich vermag auch das von der Antragstellerin angeführte, zwecks Vermarktung der Flächen durch die Gemeinde erstellte Expose eine andere Bewertung vor dem Hintergrund der Festsetzungen des Bebauungsplanes nicht zu rechtfertigen. Während sich die Beschreibung zu Lage, Ortsbild, Freizeit und Erholung erkennbar auf den gesamten Ort bezieht, wird weiter wiederholt auf den Charakter des Plangebietes als Allgemeines bzw. Reines Wohngebiet hingewiesen und es werden die Festsetzungen des Bebauungsplanes zur Art der baulichen Nutzungen zitiert. Damit konnte die Antragstellerin nicht davon ausgehen, dass für eine möglicherweise beabsichtigte teilweise Feriennutzung eine Befreiung erteilt werden würde und diesbezüglich ein Vertrauenstatbestand geschaffen wurde. Eines ausdrücklichen Hinweises auf die Unzulässigkeit der Feriennutzung hat es bei den insoweit eindeutigen Festsetzungen nicht bedurft. Dem Umstand, dass die Feriennutzung nur in einem Teil des Gebäudes der Antragstellerin stattfindet, trägt die Verfügung dadurch Rechnung, dass eben nur für diesen Teil die entsprechende Nutzung untersagt wird. Die reine Wohnnutzung im Erdgeschoss des Gebäudes führt nicht dazu, dass die im Dachgeschoss ausgeübte Feriennutzung im Übrigen auch zu einer Wohnnutzung wird. Welche Abgrenzungskriterien zwischen einer reinen Wohnnutzung und einer Feriennutzung über die o.a. Typisierung der Nutzungsarten hinaus im konkreten Einzelfall erforderlich sind, bedarf im vorliegenden Fall deshalb keiner abschließenden Entscheidung, weil die Beteiligten übereinstimmend von einer Feriennutzung ausgehen.

13

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, da diese im Beschwerdeverfahren keinen Antrag gestellt und sich damit auch keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§§ 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO). Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs.1, 53 Abs. 3 Nr. 1 und 47 GKG.

14

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

Tenor

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens - mit Ausnahme der dem Beigeladenen entstandenen außergerichtlichen Kosten, die er selbst trägt - jeweils zu einem Fünftel.

Der Streitwert wird für beide Instanzen auf 6.000,00 Euro festgesetzt.


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Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 27.10.2008 wird unter der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Baustelle auf dem Grundstück der Antragsteller nicht vor dem 01.02.2009 versiegelt wird.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragsteller begehren die Untersagung einer mit Schreiben des Antragsgegners vom 10.10.2008 angekündigten Versiegelung der Baustelle auf ihrem Grundstück Flurstücke 99 und 100 der Flur 1 der Gemarkung A..

2

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Erlass einer entsprechenden einstweiligen Anordnung mangels Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs abgelehnt. Es handele sich bei den von den Antragstellern durchgeführten Baumaßnahmen um ein nach § 59 Abs. 1 LBauO M-V genehmigungspflichtiges Vorhaben, da diese keine verfahrensfreien Instandhaltungsmaßnahmen darstellen würden. Die erforderliche Baugenehmigung fehle und die Antragsteller hätten die unzulässigen Arbeiten trotz Baueinstellungsverfügung vom 16.05.2002 fortgesetzt, so dass die Voraussetzungen für die Versiegelung der Baustelle gem. § 79 Abs. 2 LBauO M-V vorlägen. Die Baueinstellungsverfügung habe sich auch nicht erledigt, weil ausweislich der vorliegenden Fotos die Baumaßnahme noch nicht abgeschlossen sei. Die Versiegelung sei trotz des zwischenzeitlich erfolgten Einzuges der Antragsteller aufgrund der zwischenzeitlich erlassenen Nutzungsuntersagung auch nicht unverhältnismäßig.

II.

3

Die dagegen gerichtete Beschwerde bleibt mit dem gem. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein maßgeblichen Beschwerdevorbringen ohne Erfolg. Dieses ist nicht geeignet, den vom Verwaltungsgericht verneinten Anordnungsanspruch auf Untersagung der Versiegelung zu begründen.

4

Obwohl die Statthaftigkeit eines ausdrücklich gestellten und vom Verwaltungsgericht so behandelten Antrages nach § 123 VwGO mit der Beschwerde nicht gerügt werden kann, weist der Senat darauf hin, dass die vom Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang zitierte Rechtsprechung des Senats (B. v. 19.07.1994 - 3 M 12/94 -, DÖV 1996, 81), nach der die Versiegelung einer baulichen Anlage die Anwendung unmittelbaren Zwangs im Sinne des allgemeinen Ordnungsrechts darstellt, zu einem Fall unter Geltung der Bauordnung der DDR ergangen ist, in der es eine dem § 79 Abs. 2 LBauO M-V entsprechende spezialgesetzliche Regelung nicht gab. Der Antrag ist vorliegend wegen der bloßen Ankündigung der Versiegelung als vorbeugender Rechtsschutzantrag nach § 123 VwGO statthaft.

5

Ein Anordnungsanspruch auf Unterlassen der angekündigten Versiegelung besteht nicht, weil sich die der Versiegelung zugrunde liegende Baueinstellungsverfügung als rechtmäßig erweist und die Voraussetzungen für eine Versiegelung vorliegen.

6

Nach der zutreffenden Ansicht des Verwaltungsgerichts richtet sich die Rechtmäßigkeit der Baueinstellungsverfügung vom 16.05.2002 nach der Landesbauordnung in der ab dem 01.09.2006 geltenden Fassung, da es sich um einen Dauerverwaltungsakt handelt und die Verfügung zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der Neuregelung noch nicht vollzogen war. Nach § 79 Abs. 1 Satz 1 LBauO M-V kann die Bauaufsichtbehörde die Einstellung der Arbeiten anordnen, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet werden.

7

Die auf dem Grundstück der Antragsteller errichtete bauliche Anlage steht im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften, weil sie genehmigungsbedürftig ist und es an der erforderlichen Baugenehmigung fehlt. Die Genehmigungsbedürftigkeit besteht sowohl nach der vor dem 01.09.2006 und der danach gültigen Fassung der LBauO M-V, so dass offen bleiben kann, zu welchem genauen Zeitpunkt die Maßnahmen durchgeführt wurden. Für die vor dem 01.09.2006 durchgeführten Maßnahmen folgt das Genehmigungserfordernis aus § 62 Abs. 1 LBauO M-V a.F.. Sie waren auch nicht nach § 65 Abs. 1 Nr. 56 LBauO M-V a.F. genehmigungsfrei, da keine lediglich geringfügige Änderung tragender oder aussteifender Bauteile innerhalb des Gebäudes durchgeführt wurde. Dabei bestehen für den Senat keine Zweifel, dass es sich bei den im Zuge der im Jahre 2002 erfolgten "Freilegung" entfernten Innenwänden um tragende Bauteile i.S.d. Vorschrift handelt. Dies ergibt sich schon daraus, dass nach den von den Beteiligten vorgelegten Fotos die aus der sog. Mittelwand entfernten Holzstützbalken zunächst durch sog. Drehsteifen und später durch neue Holzbalken ersetzt wurden. Hätten die Stützbalken keine tragende Funktion, hätte es einer Abstützung nicht bedurft. Die statische Bedeutung der Innenwände ergibt sich auch aus dem von den Antragstellern vorgelegten Schreiben des Tragwerkplaners vom 10.07.2008, wonach das eingeschossige Mauerwerksgebäude auch ohne Ringanker standsicher sei, zumal queraussteifende Innenwände in ca. 6,0 m Abstand vorhanden seien (Unterstreichung durch das Gericht). Die innen neu eingezogenen Querwände mit guter Verankerung könnten vollwertig zur Wandaussteifung akzeptiert werden. Hieraus ergibt sich, dass zur Wandaussteifung die Innenwände mit den an der Außenwand angebrachten Stahlankern erforderlich sind.

8

Bei den durchgeführten Baumaßnahmen handelt es sich entgegen der Beschwerde auch nicht um (bloße) Instandhaltungsmaßnahmen i.S.v. § 65 Abs. 4 LBauO a.F.. Zur Instandhaltung gehören zwar das Wiedererrichten zerstörter oder schadhafter Bauteile und das Beseitigen von Mängeln oder Schäden durch Maßnahmen, die den bisherigen Zustand im wesentlichen unverändert lassen oder diesen wiederherstellen und erhalten. Dieser Rahmen wird indes verlassen, wenn wesentliche Bauteile vollständig ausgewechselt werden oder das ganze Bauwerk derart ausgekernt wird, dass dies einer Neuerrichtung gleichkommt (vgl. VGH München, B. v. 29.04.2004 - 2 CS 04.821 -, zit. n. juris m.w.N.). Die von den Antragstellern im Jahre 2002 durchgeführte "Freilegung" von Gebäudeteilen stellt sich nach den vorliegenden Fotos als komplette Entkernung des Gebäudes dar. Es wurden nahezu sämtliche Innenwände entfernt, Teile des Fundaments freigelegt, und der Anbau an der südöstlichen Hausecke abgerissen, was zu einer großen Öffnung in der Außenwand führte. Zu berücksichtigen ist weiter, dass das Gebäude durch die Entkernung im Jahre 2002 bis zum Einzug der Antragsteller im August 2008 der Wohnnutzung entzogen worden war und die Wiederaufnahme der Wohnnutzung eine Nutzungsänderung darstellt. Während der über sechsjährigen Dauer der Baumaßnahmen ist der Bestandsschutz der Wohnnutzung erloschen und die Wiederaufnahme der Wohnnutzung stellt eine genehmigungsbedürftige Nutzungsänderung dar (vgl. Senatsbeschluss vom 22.03.2005 - 3 M 236/04 -, NordÖR 2005, 442). Die nach den eidesstattlich versicherten Angaben der Antragsteller im Sommer diesen Jahres unmittelbar vor dem Einzug durchgeführten Maßnahmen sind nach § 59 Abs. 1 LBauO M-V n.F. ebenfalls genehmigungsbedürftig. Sie sind nicht nach § 61 Abs. 1 Nr. 10 LBauO M-V n.F. verfahrensfrei, weil es sich bei den wiedererrichteten Innenwänden nach obigen Ausführungen um tragende Bauteile handelt. Dies gilt ebenfalls für die ersetzten Dachstützbalken (Stiele) und die Firstfette. Zu berücksichtigen ist schließlich, dass sich die Frage der Genehmigungspflichtigkeit einer baulichen Anlage nach der Rechtsnatur der gesamten Anlage, nicht nach der einzelner - möglicherweise genehmigungsfreier - Bestandteile richtet. Daher kann auch eine bei isolierter Betrachtungsweise genehmigungsfreie Anlage als Teil einer Gesamtanlage genehmigungspflichtig sein (vgl. Dürr/Sauthoff, Baurecht Mecklenburg-Vorpommern, 1. Aufl., Rn. 1095 unter Hinweis auf BVerwG, U. v. 01.11.1974 - IV C 13.73 -, BauR 1975, 108 und VGH Mannheim, U. v. 03.03.1982 - 3 S 2601/81 -, BRS 39 Nr. 143). Dies führt vorliegend dazu, dass die von den Antragstellern durchgeführten Baumaßnahmen, die in ihrer Gesamtheit - wie bereits in den Bauvoranfragen aus den Jahren 2001 und 2002 dargelegt - offensichtlich auf den Umbau des im Jahre 2002 entkernten Gebäudes gerichtet und genehmigungsbedürftig sind.

9

Sowohl die Baueinstellungsverfügung als auch die darauf aufbauende Versiegelungsankündigung hat sich entgegen der Auffassung der Beschwerde noch nicht erledigt. Das Beschwerdevorbringen ist nicht geeignet, den Abschluss der Baumaßnahme zu belegen. Selbst wenn man den Vortrag der Antragsteller zugrunde legt, wonach die aus weißen Steinen (Gasbeton oder Kalksandstein) gemauerten Innenwände in dem (lediglich) überstrichenen Zustand und die mit unbehandelten Spanplatten verkleideten Flurwände endgültig so verbleiben sollen, entspricht der auf einem provisorischen Brett montierte Elektroverteiler mit Messeinrichtung nicht dem Stand der Technik für eine dauerhafte Installation. An der Giebelwand auf der Eingangsseite sind Wandöffnungen im Giebelbereich erkennbar nur mit Platten (nach Angaben des Antragsgegner aus Styropor) verschlossen. Nach dem eigenen Vortrag der Antragsteller ist das Gebäude von der Trinkwasserversorgung abgeschnitten und die Versorgung erfolgt über einen ca. 500 m entfernten Hydranten mit einem Trinkwasserbehälter. Nach Angaben des Wasserversorgers müsse eine komplett neue Leitung gelegt werden. Somit steht zu erwarten, dass ein Trinkwasseranschluss für die auf den Fotos ersichtlichen Sanitärinstallationen im Badezimmer wie auch in der Küche erforderlich ist. Insgesamt ist danach davon auszugehen, dass die Baumaßnahmen noch nicht abgeschlossen sind, vielmehr mit weiteren Baumaßnahmen zu rechnen ist und sich die Versiegelungsankündigung damit noch nicht erledigt hat.

10

Sowohl die Baueinstellungsverfügung als auch die Ankündigung der Versiegelung erweisen sich als ermessensfehlerfrei und insbesondere als verhältnismäßig. Bei der Baueinstellungsverfügung und der Versiegelung besteht insofern ein intendiertes Ermessen, als bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen die Bauaufsichtbehörde grundsätzlich zum Einschreiten verpflichtet ist. Das behördliche Ermessen wird nur eröffnet, um in Ausnahmefällen zu ermöglichen, von dem an sich gebotenen Einschreiten abzusehen, wenn dies nach den konkreten Umständen opportun ist (vgl. BVerwG, B. v. 28.08.1980 - 4 B 67.80 -, BRS 36 Nr. 93; OVG Weimar, B. v. 27.06.1996 - 1 EO 425/95 -, ThürVBl. 1997, 16; B. v. 22.10.1998 - 1 EO 1056/98 -, BauR 1999, 164; VGH Kassel, U. v. 08.02.1990 - 3 UE 7/86 -, BauR 1991, 447; B. v. 20.03.1991 - 4 TH 977/90 -, BRS 52, 159, m.w.N.).

11

Einen derartigen Ausnahmefall haben die Antragsteller auch mit der Beschwerde nicht dargelegt. Er lässt sich insbesondere nicht unter Vertrauensschutzgesichtpunkten begründen, auf die mit dem Beschwerdevorbringen, die Antragsteller hätten "sich bisher rechtstreu verhalten", offenbar abgestellt wird. Die mit der Beschwerde geäußerte Vermutung, der Antragsgegner sei sich möglicherweise selbst noch unsicher gewesen, "ob er mit seiner Versagung der Bauvoranfrage durchkommt", widerspricht zum einen den Angaben des Antragsgegners, wonach er die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Baueinstellungsverfügung versehentlich unterlassen habe. Aus den Verwaltungsvorgängen des Antragsgegners ergibt sich darüber hinaus, dass sich der ehemalige Bevollmächtigte der Antragsteller nach Einlegung des Widerspruchs gegen die Ablehnung des zweiten Vorbescheidsantrages durch Bescheid vom 17.07.2002 wiederholt um die Aussetzung des Widerspruchsverfahrens bemüht hat. Nach Vorlage von ablehnenden Stellungnahmen des Planungsamtes des Antragsgegners und des Umweltministeriums zur Erfassung des Grundstücks durch eine Außenbereichssatzung der Gemeinde erging der Widerspruchsbescheid vom 06.07.2006. Der Antragsgegner hat zu keinem Zeitpunkt Anlass für die Annahme gegeben, er würde an der Ablehnung der Bauvoranfragen und der Baueinstellungsverfügung vom 16.05.2002 nicht festhalten. Die Antragsteller verkennen, dass die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs gegen eine nicht für sofort vollziehbar erklärte Baueinstellungsverfügung noch nicht zur Durchführung genehmigungspflichtiger Baumaßnahmen berechtigt; hierfür bedarf es vielmehr einer Baugenehmigung, die die Antragsteller bis zum heutigen Zeitpunkt nach Aktenlage noch nicht beantragt haben. Am Genehmigungserfordernis hat der Antragsgegner keine Zweifel aufkommen lassen, so dass auch kein schutzwürdiges Vertrauen der Antragsteller an der Durchführung bzw. Fortsetzung der Maßnahmen bestand.

12

Der Vortrag der Antragsteller, sie würden das Haus bereits (seit längeren) bewohnen, als wahr unterstellt, steht der Ankündigung der Versiegelung ebenfalls nicht entgegen. Zu Recht verweist das Verwaltungsgericht auf die vom Antragsgegner erlassene sofort vollziehbare Nutzungsuntersagungsverfügung, die der (Wohn-)Nutzung des Gebäudes entgegensteht. Die Beschwerde gegen den ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts über den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gegen die Nutzungsuntersagung zum Az. 3 M 153/08 hat der Senat mit Beschluss vom heutigen Tage - unter einer entsprechenden zeitlichen Auflage - zurückgewiesen.

13

Der Versiegelung steht letztlich auch nicht die geltend gemachte, durch Art. 13 GG geschützte Unverletzlichkeit der Wohnung entgegen. Es erscheint bereits zweifelhaft, ob durch die Versiegelung der Schutzbereich des Grundrechts überhaupt betroffen ist. Als negatorisches Grundrecht dient Art. 13 Abs. 1 GG der Abwehr fremder Eingriffe in die Räume i.S.d. Wohnungsbegriffs. Nicht geschützt ist dagegen das Besitzrecht an einer Wohnung, sondern deren Privatheit. Art. 13 Abs. 1 GG schützt nicht das Interesse, eine bestimmte Wohnung zum Lebensmittelpunkt zu machen und sie hierfür zu behalten. Der Schutz der Wohnung soll vielmehr Störungen vom privaten Leben fernhalten. Schutzgut ist somit die räumliche Sphäre (vgl. Hofmann in Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Kommentar, 11.Aufl., Art. 13 Rn. 6 f). Mit einer Versiegelung soll dagegen das Betreten von Räumen gerade verhindert werden. Ungeachtet der Tatsache, dass die Antragsteller nach eigenen Angaben in dem Gebäude wohnen bzw. als Wohnung betrachten, handelt es sich wegen der nach obigen Ausführungen noch nicht abgeschlossenen Baumaßnahmen jedenfalls auch um eine Baustelle, auf der genehmigungsbedürftige, aber ungenehmigte Baumaßnahmen zu erwarten sind. Insoweit kommt der Gesetzesvorbehalt des Art.13 Abs. 7, 2. Alt. GG zum Tragen, wonach Eingriffe und Beschränkungen auf Grund eines Gesetzes auch zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung vorgenommen werden dürfen. Gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die Versiegelung ist vorliegend die bauordnungsrechtliche Vorschrift des § 79 Abs. 2 LBauO M-V, deren Voraussetzungen nach obigen Ausführungen und den darüber hinaus nicht mit der Beschwerde angefochtenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts vorliegen. Die Versiegelung dient der Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung und ist damit vom Gesetzesvorbehalt erfasst.

14

Der Senat hält es im Hinblick auf die im Beschluss vom heutigen Tage in dem die Nutzungsuntersagung betreffenden Beschwerdeverfahren 3 M 153/08 ausgesprochene zeitliche Auflage für erforderlich, diese als Anordnung nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 938 Abs. 1 ZPO auch auf die vorliegend streitgegenständliche Versiegelung auszudehnen, da die zeitliche Auflage zur Nutzungsuntersagung sonst leer liefe.

15

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 2 und 53 Abs. 3 GKG.

16

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. 66 Abs. 3 Satz3 GKG).

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 28.10.2008 wird unter der Maßgabe zurückgewiesen, dass den Antragstellern die Nutzung des Gebäudes ab dem 01.02.2009 untersagt wird.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragsteller wenden sich gegen eine für sofort vollziehbar erklärte Verfügung des Antragsgegners vom 17.10.2008, mit der ihnen die Nutzung der baulichen Anlagen auf ihrem Grundstück Flurstücke X und Y der Flur 1 der Gemarkung R. ab dem 28.10.2008 untersagt wurde.

2

Das Verwaltungsgericht hat den auf Wiederherstellung des Widerspruchs der Antragsteller vom 24.10.2008 gerichteten Antrag mit der Begründung abgelehnt, die Nutzung des Gebäudes sei mangels Genehmigung formell illegal und das Fehlen der erforderlichen Baugenehmigung rechtfertige regelmäßig die Nutzungsuntersagung. Das Vorhaben sei auch nicht offensichtlich genehmigungsfähig, der Antragsgegner habe das ihm eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt und die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei nicht zu beanstanden.

II.

3

Die dagegen gerichtete Beschwerde bleibt nach dem gem. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein berücksichtigungsfähigen Beschwerdevorbringen ohne Erfolg. Auch danach erweist sich die Nutzungsuntersagungsverfügung nach der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage als offensichtlich rechtmäßig.

4

Die Voraussetzungen für den Erlass einer Nutzungsuntersagungsverfügung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 LBauO M-V liegen nach den zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts vor. Das Beschwerdevorbringen ist nicht geeignet, die Genehmigungspflichtigkeit der baulichen Anlage der Antragsteller zu widerlegen; hierzu wird auf den Beschluss des Senats vom heutigen Tage zum Az. 3 M 152/08 verwiesen. Mangels erforderlicher Genehmigung ist die Nutzung durch die Antragsteller formell illegal und der Antragsgegner durfte diese untersagen.

5

Die Verfügung erweist sich auch als ermessensfehlerfrei und insbesondere verhältnismäßig. Die in der Verfügung vom 17.10.2008 zunächst bis zum 28.10.2008 gesetzte, im erstinstanzlichen Verfahren bis zum 04.11.2008, im Beschwerdeverfahren bis zum 13.11.2008 und dann bis zu dessen Abschluss verlängerte Frist erweist sich nicht als zu kurz, sie war aufgrund des vorliegenden Verfahrensablaufs angemessen. Zwar enthält die Begründung der angefochtenen Verfügung vom 17.10.2008 keine Ausführungen zur gesetzten Frist. Dies war mit Blick auf die vom Verwaltungsgericht zitierte Rechtsprechung des Senats, wonach bereits allein die formelle Illegalität eines nicht genehmigungsfähigen Vorhabens den Erlass einer sofort vollziehbaren Nutzungsuntersagung rechtfertigt (B. v. 09.03.2004 - 3 M 224/03-, B. v. 16.06.1999 - 3 M 3/99 - m.w.N.), auch nicht erforderlich. Kann die Nutzung in diesen Fällen mit sofortiger Wirkung untersagt werden, bedarf es grundsätzlich keiner Fristgewährung. Allein durch den Umstand, dass der Antragsgegner die Nutzung erst ab dem 28.10.2008 untersagt hat, hat er den Belangen der Antragsteller erkennbar Rechnung getragen, ohne dass es einer gesonderten Begründung bedurfte. Bei einem trotz Genehmigungsbedürftigkeit ungenehmigt errichteten Bauwerk müssen erhebliche Gründe vorgebracht werden, weshalb ausnahmsweise die Nutzung bis zur Entscheidung über die materielle Legalität weiter ausgeübt werden darf (vgl. Senatsbeschluss v. 16.06.1999 - 3 M 3/99 -).

6

Daran fehlt es, obwohl dies bei dem vorliegenden Verfahrensablauf um so mehr gilt. Bereits mit der Ablehnung der ersten Voranfrage durch den bestandskräftigen Bescheid des Antragsgegners vom 11.02.2002 war den Antragstellern dessen bauplanungsrechtliche Einschätzung des Vorhabens bekannt, wonach sich dieses im Außenbereich befindet, der Bestandsschutz erloschen ist und ihm - auch bei bloßem Umbau und Sanierung des Gebäudes - öffentliche Belange des Naturschutzes entgegenstehen. Trotzdem haben sie ausweislich der durch Fotos belegten Feststellungen des Antragsgegners in der Vorortkontrolle vom 08.05.2002 - nach bestandskräftiger Ablehnung der ersten Voranfrage - das Gebäude komplett entkernt. Der ehemalige Verfahrensbevollmächtigte der Antragsteller hatte dann den Widerspruch vom 21.06.2002 gegen die Baueinstellungsverfügung vom 16.05.2002 ausdrücklich mit der Bitte um Ruhen des Widerspruchsverfahrens wegen einer zweiten Bauvoranfrage eingelegt. Nach deren Ablehnung durch Bescheid vom 17.07.2002 wurde erneut um eine Aussetzung des dagegen eingeleiteten Widerspruchsverfahrens wegen einer von den Antragstellern angestrebten Veränderung der planungsrechtliche Situation durch die Gemeinde (Außenbereichssatzung) nachgesucht. Als sich abzeichnete, dass auch dieses Verfahren keinen Erfolg hat, erließ der Antragsgegner die Widerspruchsbescheide vom 06.07.2006, wogegen die Antragsteller Klage bei dem Verwaltungsgericht Schwerin zum Az. 2 A 1489/06 erhoben habe, über die noch nicht entschieden ist. Zu keinem Zeitpunkt hat der Antragsgegner Zweifel an seiner Einschätzung der fehlenden Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens aufkommen lassen, so dass für die Antragsteller kein schutzwürdiges Vertrauen auf die Genehmigungsfähigkeit der von ihnen beabsichtigten Baumaßnahmen entstehen konnte.

7

Dem weiteren Einwand der Beschwerde, eine negative Vorbildwirkung läge durch das Vorhaben der Antragsteller nicht vor, braucht nicht weiter nachgegangen zu werden. Dieser vom Antragsgegner zur Begründung der Anordnung des Sofortvollzuges der Nutzungsuntersagungsverfügung angeführte Aspekt ist deshalb nicht entscheidungserheblich, weil dann, wenn die Voraussetzungen für eine Nutzungsuntersagung vorliegen, in der Regel auch die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO gerechtfertigt ist (vgl. Senatsbeschluss v. 16.06.1999 - 3 M 3/99 - unter Hinweis auf VGH Kassel, B. v. 15.10.1986 - 3TH 2544/86, NVwZ 1987, 428; B. v. 30.10.1995 - 3 TG 3115/95, NVwZ-RR 1996, 487; OVG Münster, B. v. 23.09.1988 - 11 B 1739/98 -, NVwZ-RR 1989, 344; OVG Bautzen, B. v. 01.03.1993 - 1 S 621/92 -, LKV 1993, 428, vgl. auch VGH München, B. v. 16.05.2008 - 9 AS 07.3222 -, zit. n.juris, m.w.N.) und es einer weiteren Begründung grundsätzlich nicht bedarf.

8

Bei den von der Beschwerde erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den Erlass einer Nutzungsuntersagung unter Anordnung der sofortigen Vollziehung wird verkannt, dass sich die Voraussetzungen einer sofort vollziehbaren Abrissverfügung und einer Nutzungsuntersagung erheblich unterscheiden. Während nach der o.g. Rechtsprechung für den Erlass einer sofort vollziehbaren Nutzungsuntersagung in der Regel die formelle Illegalität der Vorhabens ausreicht, ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung einer rechtmäßigen Beseitigungsanordnung nur zulässig, wenn (1.) die Beseitigung ohne Substanzverlust und andere hohe Kosten zu bewerkstelligen ist, (2.) die Vorbildwirkung eines illegal ausgeführten Vorhabens eine Nachahmung befürchten lässt, so dass der Ausweitung der Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung rasch vorgebeugt werden muss, (3.) ein beharrlicher und notorischer Schwarzbauer nur auf diese Weise erfolgversprechend an der Fortsetzung seiner rechtswidrigen Betätigung gehindert werden kann, oder wenn (4.) die von dem Bauwerk ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ein sofortiges Einschreiten erfordert (Senatsbeschluss v. 06.02.2008 - 3 M 9/08 -, DÖV 2008, 874). Soweit sich die Antragsteller mit der Beschwerde auf die Verletzung der Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 GG berufen, steht auch dies dem Erlass der Nutzungsuntersagungsverfügung mit Blick auf den Gesetzesvorbehalt des Art. 13 Abs. 7 GG nicht entgegen. Insoweit kann auf die Entscheidung im Parallelverfahren betreffend die Baueinstellungsverfügung und Versiegelung vom heutigen Tage zum Az. 3 M 152/08 verwiesen werden.

9

Obwohl sich die Nutzungsuntersagungsverfügung des Antragsgegners nach obigen Ausführungen unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens als rechtmäßig erweist und die Beschwerde zurückzuweisen ist, hält es der Senat aus Verhältnismäßigkeitsgesichtpunkten für geboten, die Frist für das Wirksamwerden der Nutzungsuntersagung im Rahmen einer Auflage nach § 80 Abs. 5 Satz4 VwGO bis zum 01.02.2009 zu verlängern (vgl. zur Anwendbarkeit der Vorschrift auch für ablehnende Entscheidungen: Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 5. Aufl., Rn. 1004; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 80 Rn. 169, jeweils m.w.N.). Die Antragsteller können sich nach obigen Ausführungen zwar nicht auf ein geschütztes Vertrauen in die Wohnnutzung des Gebäudes berufen und die in der Nutzungsuntersagungsverfügung vom 17.10.2008 gesetzte Frist erweist sich unter den gegebenen Umständen als angemessen. Das Vollzugsinteresse kann jedoch wegen der behaupteten Wohnnutzung zugunsten der Antragsteller in vertretbarer Weise gemildert werden, um den Antragstellern mit Blick auf die anstehende Weihnachtszeit und den Jahreswechsel ausreichend Zeit zur Vorbereitung auf einen Umzug bzw. zur Verbringung der eingestellten Möbel zu geben.

10

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 2 und 53 Abs. 3 GKG.

11

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. 66 Abs. 3 Satz3 GKG).

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 28.10.2008 wird unter der Maßgabe zurückgewiesen, dass den Antragstellern die Nutzung des Gebäudes ab dem 01.02.2009 untersagt wird.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragsteller wenden sich gegen eine für sofort vollziehbar erklärte Verfügung des Antragsgegners vom 17.10.2008, mit der ihnen die Nutzung der baulichen Anlagen auf ihrem Grundstück Flurstücke X und Y der Flur 1 der Gemarkung R. ab dem 28.10.2008 untersagt wurde.

2

Das Verwaltungsgericht hat den auf Wiederherstellung des Widerspruchs der Antragsteller vom 24.10.2008 gerichteten Antrag mit der Begründung abgelehnt, die Nutzung des Gebäudes sei mangels Genehmigung formell illegal und das Fehlen der erforderlichen Baugenehmigung rechtfertige regelmäßig die Nutzungsuntersagung. Das Vorhaben sei auch nicht offensichtlich genehmigungsfähig, der Antragsgegner habe das ihm eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt und die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei nicht zu beanstanden.

II.

3

Die dagegen gerichtete Beschwerde bleibt nach dem gem. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein berücksichtigungsfähigen Beschwerdevorbringen ohne Erfolg. Auch danach erweist sich die Nutzungsuntersagungsverfügung nach der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage als offensichtlich rechtmäßig.

4

Die Voraussetzungen für den Erlass einer Nutzungsuntersagungsverfügung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 LBauO M-V liegen nach den zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts vor. Das Beschwerdevorbringen ist nicht geeignet, die Genehmigungspflichtigkeit der baulichen Anlage der Antragsteller zu widerlegen; hierzu wird auf den Beschluss des Senats vom heutigen Tage zum Az. 3 M 152/08 verwiesen. Mangels erforderlicher Genehmigung ist die Nutzung durch die Antragsteller formell illegal und der Antragsgegner durfte diese untersagen.

5

Die Verfügung erweist sich auch als ermessensfehlerfrei und insbesondere verhältnismäßig. Die in der Verfügung vom 17.10.2008 zunächst bis zum 28.10.2008 gesetzte, im erstinstanzlichen Verfahren bis zum 04.11.2008, im Beschwerdeverfahren bis zum 13.11.2008 und dann bis zu dessen Abschluss verlängerte Frist erweist sich nicht als zu kurz, sie war aufgrund des vorliegenden Verfahrensablaufs angemessen. Zwar enthält die Begründung der angefochtenen Verfügung vom 17.10.2008 keine Ausführungen zur gesetzten Frist. Dies war mit Blick auf die vom Verwaltungsgericht zitierte Rechtsprechung des Senats, wonach bereits allein die formelle Illegalität eines nicht genehmigungsfähigen Vorhabens den Erlass einer sofort vollziehbaren Nutzungsuntersagung rechtfertigt (B. v. 09.03.2004 - 3 M 224/03-, B. v. 16.06.1999 - 3 M 3/99 - m.w.N.), auch nicht erforderlich. Kann die Nutzung in diesen Fällen mit sofortiger Wirkung untersagt werden, bedarf es grundsätzlich keiner Fristgewährung. Allein durch den Umstand, dass der Antragsgegner die Nutzung erst ab dem 28.10.2008 untersagt hat, hat er den Belangen der Antragsteller erkennbar Rechnung getragen, ohne dass es einer gesonderten Begründung bedurfte. Bei einem trotz Genehmigungsbedürftigkeit ungenehmigt errichteten Bauwerk müssen erhebliche Gründe vorgebracht werden, weshalb ausnahmsweise die Nutzung bis zur Entscheidung über die materielle Legalität weiter ausgeübt werden darf (vgl. Senatsbeschluss v. 16.06.1999 - 3 M 3/99 -).

6

Daran fehlt es, obwohl dies bei dem vorliegenden Verfahrensablauf um so mehr gilt. Bereits mit der Ablehnung der ersten Voranfrage durch den bestandskräftigen Bescheid des Antragsgegners vom 11.02.2002 war den Antragstellern dessen bauplanungsrechtliche Einschätzung des Vorhabens bekannt, wonach sich dieses im Außenbereich befindet, der Bestandsschutz erloschen ist und ihm - auch bei bloßem Umbau und Sanierung des Gebäudes - öffentliche Belange des Naturschutzes entgegenstehen. Trotzdem haben sie ausweislich der durch Fotos belegten Feststellungen des Antragsgegners in der Vorortkontrolle vom 08.05.2002 - nach bestandskräftiger Ablehnung der ersten Voranfrage - das Gebäude komplett entkernt. Der ehemalige Verfahrensbevollmächtigte der Antragsteller hatte dann den Widerspruch vom 21.06.2002 gegen die Baueinstellungsverfügung vom 16.05.2002 ausdrücklich mit der Bitte um Ruhen des Widerspruchsverfahrens wegen einer zweiten Bauvoranfrage eingelegt. Nach deren Ablehnung durch Bescheid vom 17.07.2002 wurde erneut um eine Aussetzung des dagegen eingeleiteten Widerspruchsverfahrens wegen einer von den Antragstellern angestrebten Veränderung der planungsrechtliche Situation durch die Gemeinde (Außenbereichssatzung) nachgesucht. Als sich abzeichnete, dass auch dieses Verfahren keinen Erfolg hat, erließ der Antragsgegner die Widerspruchsbescheide vom 06.07.2006, wogegen die Antragsteller Klage bei dem Verwaltungsgericht Schwerin zum Az. 2 A 1489/06 erhoben habe, über die noch nicht entschieden ist. Zu keinem Zeitpunkt hat der Antragsgegner Zweifel an seiner Einschätzung der fehlenden Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens aufkommen lassen, so dass für die Antragsteller kein schutzwürdiges Vertrauen auf die Genehmigungsfähigkeit der von ihnen beabsichtigten Baumaßnahmen entstehen konnte.

7

Dem weiteren Einwand der Beschwerde, eine negative Vorbildwirkung läge durch das Vorhaben der Antragsteller nicht vor, braucht nicht weiter nachgegangen zu werden. Dieser vom Antragsgegner zur Begründung der Anordnung des Sofortvollzuges der Nutzungsuntersagungsverfügung angeführte Aspekt ist deshalb nicht entscheidungserheblich, weil dann, wenn die Voraussetzungen für eine Nutzungsuntersagung vorliegen, in der Regel auch die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO gerechtfertigt ist (vgl. Senatsbeschluss v. 16.06.1999 - 3 M 3/99 - unter Hinweis auf VGH Kassel, B. v. 15.10.1986 - 3TH 2544/86, NVwZ 1987, 428; B. v. 30.10.1995 - 3 TG 3115/95, NVwZ-RR 1996, 487; OVG Münster, B. v. 23.09.1988 - 11 B 1739/98 -, NVwZ-RR 1989, 344; OVG Bautzen, B. v. 01.03.1993 - 1 S 621/92 -, LKV 1993, 428, vgl. auch VGH München, B. v. 16.05.2008 - 9 AS 07.3222 -, zit. n.juris, m.w.N.) und es einer weiteren Begründung grundsätzlich nicht bedarf.

8

Bei den von der Beschwerde erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den Erlass einer Nutzungsuntersagung unter Anordnung der sofortigen Vollziehung wird verkannt, dass sich die Voraussetzungen einer sofort vollziehbaren Abrissverfügung und einer Nutzungsuntersagung erheblich unterscheiden. Während nach der o.g. Rechtsprechung für den Erlass einer sofort vollziehbaren Nutzungsuntersagung in der Regel die formelle Illegalität der Vorhabens ausreicht, ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung einer rechtmäßigen Beseitigungsanordnung nur zulässig, wenn (1.) die Beseitigung ohne Substanzverlust und andere hohe Kosten zu bewerkstelligen ist, (2.) die Vorbildwirkung eines illegal ausgeführten Vorhabens eine Nachahmung befürchten lässt, so dass der Ausweitung der Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung rasch vorgebeugt werden muss, (3.) ein beharrlicher und notorischer Schwarzbauer nur auf diese Weise erfolgversprechend an der Fortsetzung seiner rechtswidrigen Betätigung gehindert werden kann, oder wenn (4.) die von dem Bauwerk ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ein sofortiges Einschreiten erfordert (Senatsbeschluss v. 06.02.2008 - 3 M 9/08 -, DÖV 2008, 874). Soweit sich die Antragsteller mit der Beschwerde auf die Verletzung der Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 GG berufen, steht auch dies dem Erlass der Nutzungsuntersagungsverfügung mit Blick auf den Gesetzesvorbehalt des Art. 13 Abs. 7 GG nicht entgegen. Insoweit kann auf die Entscheidung im Parallelverfahren betreffend die Baueinstellungsverfügung und Versiegelung vom heutigen Tage zum Az. 3 M 152/08 verwiesen werden.

9

Obwohl sich die Nutzungsuntersagungsverfügung des Antragsgegners nach obigen Ausführungen unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens als rechtmäßig erweist und die Beschwerde zurückzuweisen ist, hält es der Senat aus Verhältnismäßigkeitsgesichtpunkten für geboten, die Frist für das Wirksamwerden der Nutzungsuntersagung im Rahmen einer Auflage nach § 80 Abs. 5 Satz4 VwGO bis zum 01.02.2009 zu verlängern (vgl. zur Anwendbarkeit der Vorschrift auch für ablehnende Entscheidungen: Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 5. Aufl., Rn. 1004; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 80 Rn. 169, jeweils m.w.N.). Die Antragsteller können sich nach obigen Ausführungen zwar nicht auf ein geschütztes Vertrauen in die Wohnnutzung des Gebäudes berufen und die in der Nutzungsuntersagungsverfügung vom 17.10.2008 gesetzte Frist erweist sich unter den gegebenen Umständen als angemessen. Das Vollzugsinteresse kann jedoch wegen der behaupteten Wohnnutzung zugunsten der Antragsteller in vertretbarer Weise gemildert werden, um den Antragstellern mit Blick auf die anstehende Weihnachtszeit und den Jahreswechsel ausreichend Zeit zur Vorbereitung auf einen Umzug bzw. zur Verbringung der eingestellten Möbel zu geben.

10

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 2 und 53 Abs. 3 GKG.

11

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. 66 Abs. 3 Satz3 GKG).

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.