Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 25. Jan. 2010 - 11 K 3543/09

bei uns veröffentlicht am25.01.2010

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung aus dem Bundesgebiet sowie gegen die ihm auferlegte Aufenthaltsbeschränkung und Meldeauflage.
Der am … geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er reiste am 04.01.2002 mit einem für drei Monate gültigen italienischen Schengen-Visum in das Bundesgebiet ein. Mit Schreiben vom 03.04.2002 beantragte der Vorsitzende der HADEP, Murat Bozlak, beim Auswärtigen Amt eine langfristige Aufenthaltserlaubnis für den Kläger und gab an, es sei beabsichtigt, dass der Kläger die Betreuung eines Büros der Partei in Deutschland übernehme. Das Auswärtige Amt verwies indes auf die Botschaft in Ankara, die mit der HADEP Verbindung aufnehmen werde. Am 03.02.2003 beantragte der Kläger die Gewährung von Asyl. Mit Bescheid vom 05.09.2003 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Asylantrag als offensichtlich unbegründet ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG offensichtlich nicht vorliegen und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht gegeben sind und drohte mit einer Ausreisefrist von einer Woche die Abschiebung in die Türkei an. Mit Urteil vom 30.04.2004 - A 3 K 12874/03 - verpflichtete das Verwaltungsgericht Stuttgart das Bundesamt festzustellen, dass beim Kläger ein Abschiebungshindernis gemäß § 53 Abs. 4 AuslG in Bezug auf die Türkei vorliegt. Entsprechend dieser gerichtlichen Verpflichtung stellte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit Bescheid vom 01.07.2004 fest, dass das Abschiebungshindernis des § 53 Abs. 4 AuslG hinsichtlich der Türkei vorliegt. Am 21.03.2005 erteilte die Landeshauptstadt Stuttgart dem Kläger eine bis zum 20.03.2006 gültige Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG, die am 12.05.2006 bis zum 11.05.2007 verlängert wurde.
Am 08.08.2006 wurde der Kläger aufgrund eines Haftbefehls des Ermittlungsrichters beim BGH vom 07.08.2006 in Mannheim festgenommen.
Mit Rechtshilfeersuchen vom 10.12.2007 an die Bundesrepublik Deutschland hat die Türkei die Auslieferung des Klägers aufgrund eines Haftbefehls des Schwurgerichts in Diyarbakir vom 11.08.2006 beantragt. In diesem Ersuchen wurde dem Kläger zur Last gelegt, er sei als Mitglied des Führungskomitees der PKK innerhalb Europas und der damit verbundenen Leitungsfunktionen für die von der PKK auf dem türkischen Staatsgebiet seitdem geplanten und durchgeführten Terroranschläge verantwortlich. Im Anschluss daran hat das OLG Frankfurt/Main mit Beschluss vom 13.03.2008 - 2 AuslA 16/08 - die Auslieferungshaft gegen den Kläger angeordnet. Die Bundesregierung hat die Auslieferung des Klägers in die Türkei durch Verbalnote vom 14.05.2009 abgelehnt. Am 22.05.2009 wurde der Kläger aus der Auslieferungshaft entlassen.
Mit Urteil des OLG Frankfurt/Main vom 10.04.2008 - 5 - 2- StE 8/06 - 6 - 1/07 wurde der Kläger wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung als Rädelsführer zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, der Kläger sei von Juni 2005 bis zu seiner Festnahme am 08.08.2006 verantwortlicher Leiter des PKK-CDK-Sektors Süd in Deutschland gewesen. Daneben habe es in Deutschland noch die Sektoren Mitte und Nord gegeben. Die Sektorleiter seien in Deutschland von der Europaführung der PKK/CDK bestimmt und überwacht worden. Als Sektorverantwortlicher habe der Kläger die typischen Leitungsaufgaben erledigt und die organisatorischen, finanziellen, persönlichen sowie propagandistischen Angelegenheiten in seinem Zuständigkeitsbereich geregelt. Er habe in regelmäßiger Verbindung zu den ihm nachgeordneten Gebietsleitern gestanden, habe deren Arbeit kontrolliert, ihnen Anweisungen gegeben und sich über Entwicklungen und Probleme in den Gebieten und Institutionen berichten lassen. Über Veranstaltungen und Versammlungen in den angeschlossenen Gebieten habe er sich regelmäßig unterrichten lassen und bestimmenden Einfluss auf deren Organisation und Ablauf genommen. Der Kläger habe auch mit den beiden anderen Sektorleitern in Deutschland zusammengearbeitet. Den Weisungen der Mitglieder der Europaführung sei er pflichtgemäß und dem hierarchischen Aufbau der Organisation entsprechend nachgekommen. Der Kläger sei Verbindungsmann zwischen der Europaführung und den Sektorleitern in Deutschland gewesen. Außerdem sei er für sektorübergreifende Angelegenheiten zuständig gewesen. Als Verantwortlicher eines Sektors sei er über die Ziele der Partei und über deren interne Strukturen, Vorhaben und Arbeitsmethoden in Deutschland und Europa unterrichtet gewesen. Dies gelte auch für die Hintergründe, Vorhaben und organisatorischen Abläufe im Zusammenhang mit unerlaubten grenzüberschreitenden Reisen sowie den Umgang mit Bestrafungsfällen und Spendengelderpressungen. Durch seine enge Zusammenarbeit mit der Europaführung, den anderen Sektorleitern und den Gebietsverantwortlichen seien ihm die Zielvorstellungen und die insoweit geübten Praktiken der Organisation und des führenden Funktionärskörpers in Deutschland bekannt gewesen. Er habe gewusst, dass innerhalb des führenden Funktionärskörpers eine Vereinigung bestanden habe, die im Rahmen der Ausübung von Strafgewalt Straftaten veranlasst und durchgeführt habe. Durch seine Amtsführung habe er den organisatorischen Zusammenhalt dieser Vereinigung gefestigt, habe bei deren Aktivitäten bestimmend mitgewirkt und sei mit illegalen Einreisen und dem Erschleichen von Aufenthaltstiteln befasst gewesen.
Nach Aufhebung des Urteils des OLG Frankfurt/Main vom 10.04.2008 im Strafausspruch durch Beschluss des BGH vom 10.11.2008 - 3 StR 425/08 - wurde der Kläger mit Urteil des OLG Frankfurt/Main vom 09.03.2009 - 4 - 2 StE 8/06 - 6 - 1/08 zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten verurteilt.
Mit Bescheid vom 14.08.2009 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland aus, untersagte ihm die Wiedereinreise, beschränkte seinen Aufenthalt ab dem Zeitpunkt der Haftentlassung auf das Stadtgebiet Stuttgart und verpflichtete den Kläger, sich ab dem Folgetag seiner Haftentlassung einmal täglich zwischen 11.00 Uhr und 13.00 Uhr beim Polizeirevier Stuttgart, W. Straße …, … Stuttgart unter Vorlage eines amtlichen Identifikationspapiers zu melden. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Ausweisung beruhe auf § 53 Nr. 1 i.V.m. § 54 Nr. 5, Nr. 5 a und Nr. 7 AufenthG. Der Kläger habe im Bundesgebiet ein Aufenthaltsrecht nach Art. 6 ARB 1/80 nicht erworben. Aufgrund der Urteile des OLG Frankfurt/Main vom 10.04.2008 und vom 09.03.2009 seien die Tatbestandsvoraussetzungen des § 53 Nr. 1 1. Alt. AufenthG erfüllt. Unerheblich sei, dass die Verurteilung des Klägers auf zwei Urteilen basiere. Bei den Urteilen des OLG Frankfurt/Main handele es sich um eine einheitliche Verurteilung wegen einer Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren. § 53 Nr. 1 1. Alt. AufenthG knüpfe allein an die Höhe des Strafmaßes an; der abgeurteilte Straftatbestand sei hingegen unmaßgeblich. Diese Regelung sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 EMRK sei im Falle des Klägers nicht betroffen. Eine Verwurzelung des Klägers im Bundesgebiet durch soziale und wirtschaftliche Integration habe nicht stattgefunden. Bis zu seiner Festnahme habe der Kläger im Bundesgebiet einen privaten Wohnsitz nicht begründet. Persönliche, gesellschaftliche oder kulturelle Beziehungen des Klägers zu Deutschen seien nicht erkennbar. Der Kläger spreche auch weder die deutsche Sprache noch verstehe er diese. In den Jahren 2005 und 2006 habe der Kläger Sozialhilfe in geringer Höhe erhalten. Eine wirtschaftliche Integration sei nicht erkennbar. Selbst wenn ein Recht auf Privatleben im Sinne des Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliege, sei ein Eingriff durch den Schrankenvorbehalt des Art. 8 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt. Die Ausweisung des Klägers sei gesetzlich vorgesehen und stelle eine Maßnahme dar, die zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung notwendig sei. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung sei auch von Bedeutung, dass eine Entwurzelung des Klägers in der Türkei nicht festgestellt werden könne. Der gesamte Werdegang des Klägers sei geprägt von seinem Kampf um die Rechte des kurdischen Volkes. Auch im Bundesgebiet sei der Kläger für die „kurdische Sache“ eingetreten. Alle Familienangehörigen des Klägers hielten sich in der Türkei auf. In Anbetracht der Schwere und der Art der Verurteilung wegen Rädelsführerschaft in einer kriminellen Vereinigung führe die Ausweisung des Klägers nicht zu einer Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Aufgrund des Ist-Ausweisungstatbestandes des § 53 Nr. 1 AufenthG sei der Kläger zwingend auszuweisen. Zudem liege der Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG vor. Die PKK sei bis in die Gegenwart eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstütze. Eine Demokratisierung der Strukturen der PKK sei bis heute nicht erfolgt. Gewalt werde nach wie vor als wichtiges Ziel zur Durchsetzung der Ziele und zum eigenen Schutz angesehen. Dissidenten der PKK würden von der Organisation weiterhin verfolgt. Die PKK sei im Anhang zu Art. 1 des Gemeinsamen Standpunktes des Rates der EU vom 27.12.2001 als terroristische Vereinigung aufgeführt. In den Urteilen des OLG Frankfurt/Main sei im Einzelnen dargelegt, dass der Kläger die PKK nachhaltig unterstützt habe. Der persönliche Werdegang des Klägers dokumentiere seine andauernde objektive und subjektive Zugehörigkeit zur PKK und begründe eine gegenwärtige Gefährlichkeit im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG. Die Voraussetzungen einer Regelausweisung nach § 54 Nr. 5 a AufenthG seien gleichfalls gegeben. Eine Gefährdung der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland liege durch die PKK als terroristische und gewaltbereite Organisation vor. Die PKK verübe politische und gewalttätige Aktionen auch auf deutschem Boden. Der Kläger sei nicht nur Mitglied der PKK, sondern habe von Juni 2005 bis August 2006 eine herausragende Funktionärstätigkeit innerhalb dieser Organisation ausgeübt. Die vom Kläger ausgehende Sicherheitsgefahr sei als hoch einzuschätzen. Der Kläger habe die Zielsetzungen der PKK verinnerlicht und halte hieran auch gegenwärtig fest. Die politischen Ziele und der Aufbau der PKK verstießen gegen grundlegende Verfassungsprinzipien, so dass die PKK und folglich auch der Kläger die freiheitliche demokratische Grundordnung gefährdeten. Von der PKK werde die Legitimität der demokratischen und rechtsstaatlichen Ordnung im Bundesgebiet bestritten und eine eigene Ordnung an Stelle des Grundgesetzes gesetzt. Der Kläger kenne und billige die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichteten Zielsetzungen der PKK. Von diesen Zielsetzungen habe er sich bislang nicht distanziert, so dass von ihm eine gegenwärtige Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland ausgehe. Im Falle des Klägers liege auch der Regelausweisungstatbestand des § 54 Nr. 7 AufenthG vor. Der Kläger habe als Leiter des Sektors Süd eine hochstehende Position innerhalb der hierarchisch gegliederten PKK innegehabt. Die PKK sei vom Bundesminister des Innern bereits am 22.11.1993 verboten worden. Damit seien die objektiven und subjektiven Voraussetzungen des § 54 Nr. 7 AufenthG erfüllt. Selbst wenn eine Ausweisung des Klägers nur nach Ermessen möglich sei, sei diese unter Berücksichtigung der Interessen des Klägers und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit geboten und erforderlich. Es bestehe ein sehr gewichtiges sicherheitsrechtlich begründetes öffentliches Interesse, die vom Kläger ausgehende schwerwiegende Gefahr für höchste Rechtsgüter durch den Entzug des Aufenthaltsrechts sowie die Verhängung eines Wiedereinreiseverbots abzuwehren. Aufgrund des bisherigen konsequenten Verhaltens und der beharrlichen Handlungen sowie gefestigten inneren Überzeugung von der Richtigkeit und Notwendigkeit des Einsatzes für den bewaffneten Kampf und für die Ziele der PKK sei die Gefahr als äußerst konkret einzuordnen. Der Kläger habe sich schon in jungen Jahren uneingeschränkt zur PKK und deren Ideologie bekannt, deren Begründung miterlebt und sich während seiner langen Haftzeit in der Türkei aktiv für die „kurdische Sache“ eingesetzt. Das subjektive Bekenntnis zur PKK und zu deren gewalttätigen und terroristischen Weltanschauung habe er nicht aufgegeben. Vielmehr habe er sich in zunehmendem Maße damit identifiziert und seine Lebensplanung darauf ausgerichtet. Auch während der Haft im Bundesgebiet habe er sich nicht von der PKK losgesagt. Dem Kläger seien innerhalb der Hierarchie der PKK zunehmend wichtigere Positionen übertragen worden. Somit müsse damit gerechnet werden, dass sich die vom Kläger ausgehende erhebliche konkrete Gefahr noch verstärke. Die Ausweisung des Klägers verfolge general- und spezialpräventive Zwecke. Allen an terroristischen und kriminellen Strukturen und Verbindungen beteiligten Ausländern müsse aufgezeigt werden, dass den hiervon ausgehenden Gefahren des internationalen Terrorismus und der internationalen Kriminalität mit allen Mitteln des Rechtsstaates konsequent begegnet werde und die Ausweisung und Aufenthaltsbeendigung die zwangsläufige Folge solchen Verhaltens sei. Bei den vom OLG Frankfurt/Main abgeurteilten Straftaten handele es sich um schwere Kriminalität, so dass ein Ausweisungsanlass von besonderem Gewicht vorliege. Aufgrund der Identifizierung des Klägers mit der PKK sei auch von einer gesteigerten Wiederholungsgefahr auszugehen. Der Kläger sei im Bundesgebiet keiner beruflichen Tätigkeit nachgegangen, sondern sei journalistisch und politisch für die PKK tätig gewesen. Von einer wirtschaftlichen Integration in den hiesigen Arbeitsmarkt könne nicht ausgegangen werden. Aus der knapp vierjährigen Aufenthaltsdauer könne nicht auf eine schutzwürdige Einbindung in die hiesigen Lebensverhältnisse geschlossen werden. Eine schutzwürdige Integration des Klägers im Bundesgebiet, die die schwerwiegenden öffentlichen Sicherheitsgründe überwiegen könnte, sei nicht gegeben. Zwar liege beim Kläger ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG vor. Dies stehe einer Ausweisung des Klägers indes nicht entgegen. Seit der Feststellung des Abschiebungsverbots im Jahr 2004 seien kontinuierliche Verbesserungen und Reformen in der Türkei im Bereich der Strafverfolgung und des Justizvollzuges zu verzeichnen. Gegen eine Gefährdung des Klägers im Falle einer Rückkehr in die Türkei spreche, dass seine Geschwister und andere Personen sich im Heimatland aufhielten und diese sich seiner im Falle einer Rückkehr annehmen würden. Vom Kläger könne erwartet werden, dass er diese Personen von seiner Rückkehr vorab in Kenntnis setze, so dass diese für einen anwaltlichen Beistand sorgen könnten. Weiter könne als gesichert gelten, dass die PKK oder andere prokurdische Organisationen das Schicksal des Klägers nach einer Abschiebung aufmerksam verfolgen und rechtswidrige Übergriffe publik machen würden. Im Falle einer Abschiebung sei folglich durch Herstellen von Öffentlichkeit ausreichend Schutz gegeben. Das gegenwärtig noch bestehende Abschiebungsverbot überwiege somit nicht das schwerwiegende öffentliche Sicherheitsinteresse an der Ausweisung. Die angeordneten Überwachungsmaßnahmen gegenüber dem Kläger seien gemäß § 54 a AufenthG aus Gründen der inneren Sicherheit erforderlich. Gemäß § 54 a Abs. 2 AufenthG sei der Aufenthalt auf den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde beschränkt. Nach § 54 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG unterliege der Kläger der gesetzlichen Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden. Im Falle des Klägers seien besondere Umstände gegeben, die eine tägliche Meldepflicht erforderten. Nur bei einer täglichen Meldepflicht könnten Reisebewegungen des Klägers zum Zwecke weiterer Mitgliedschafts- und Unterstützungshandlungen für die PKK unterbunden oder zumindest erschwert werden. Angesichts der Gefährlichkeit des Klägers sei die tägliche Meldepflicht zumutbar und insgesamt verhältnismäßig.
Am 16.09.2009 hat der Kläger Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, er sei vom OLG Frankfurt/Main wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung verurteilt worden. Eine derartige Verurteilung erfülle jedoch nicht die Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 und Nr. 5 a AufenthG. Auch wenn die PKK wiederholt als terroristische Vereinigung bezeichnet werde, so handele es sich bei dieser Organisation nicht um eine terroristische Vereinigung im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG. Konkrete Anhaltspunkte für die Annahme, dass die PKK eine terroristische Organisation sei, habe der Beklagte nicht genannt. Zwar sei die PKK auch auf der Liste des Rates der EU aufgeführt. Dies allein erfülle indes nicht die Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 und Nr. 5a AufenthG. Die Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen im Zusammenhang mit den Anschlägen vom 11. September beziehe sich explizit nur auf Organisationen, die für die Anschläge verantwortlich seien.
Der Kläger beantragt,
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den Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 14.08.2009 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er verweist auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung. Ergänzend trägt er vor, bei der PKK handele es sich unzweifelhaft um eine terroristische Vereinigung.
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Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die zur Sache gehörenden Behördenakten des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
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Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
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Der angefochtene Bescheid erging verfahrensfehlerfrei, insbesondere handelte das Regierungspräsidium Stuttgart als örtlich zuständige Ausländerbehörde (§ 71 Abs. 1 AufenthG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4, § 3 Abs. 3 S. 1 AAZuVO).
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Seit dem Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes vom 19.08.2007 (BGBl. I S. 1970) ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Ausweisung bei allen Ausländern einheitlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblich (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.11.2007 - 1 C 45/06 - BVerwGE 130, 20 und Urt. v. 13.01.2009 - 1 C 2/08 - NVwZ 2009, 227). Durch die Zeitpunktverlagerung sind bei der Anfechtung einer Ausweisung während des gerichtlichen Verfahrens bis zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt neu eingetretene Tatsachen - sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten des Ausländers - zu berücksichtigen.
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Rechtliche Grundlage der Ausweisungsverfügung ist § 53 Nr. 1 AufenthG. Danach wird ein Ausländer ausgewiesen, wenn er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Diese Voraussetzungen liegen vor, da der Kläger durch Urteil des OLG Frankfurt/Main vom 09.03.2009 - 4 - 2 StE 8/06 - 6 - 1/08 zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten verurteilt wurde. Einen besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 AufenthG genießt der Kläger nicht. Keiner der dort genannten Tatbestände liegt vor.
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Der danach zwingenden Ausweisung des Klägers stehen auch höherrangiges Recht und die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) nicht entgegen.
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Zwar tragen die Regelungen des Aufenthaltsgesetzes mit ihrem System von Ist-Ausweisung, Regelausweisung und Kann-Ausweisung (§§ 53-55 AufenthG) sowie dem besonderen Ausweisungsschutz für bestimmte Ausländer (§ 56 AufenthG) den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit von Ausweisungen hinreichend Rechnung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.08.2007 - 2 BvR 535/06 - NVwZ 2007, 1300). Diese Feststellung entbindet jedoch nicht von der Verpflichtung, auch eine zwingende Ausweisung nach § 53 AufenthG einer einzelfallbezogenen Verhältnismäßigkeitsprüfung zu unterziehen, da nur diese Prüfung sicherstellen kann, dass die Verhältnismäßigkeit bezogen auf die Lebenssituation des betroffenen Ausländers gewahrt bleibt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.08.2007 - 2 BvR 535/06 - a.a.O.; OVG Münster, Beschl. v. 26.05.2009 - 18 E 1230/08 - AuAS 2009, 184; OVG Hamburg, Urt. v. 24.03.2009 - 3 Bf 166/04 - InfAuslR 2009, 279).
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Bei der Prüfung, ob eine Ausweisung im Hinblick auf Art. 8 EMRK verhältnismäßig ist, sind die vom Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) entwickelten Kriterien zu berücksichtigen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.05.2007 - 2 BvR 304/07 - NVwZ 2007, 946; BVerwG, Urt. v. 22.10.2009 - 1 C 15/08 - juris -). Maßgebend sind danach folgende Kriterien: Die Art und Schwere der vom Ausländer begangenen Straftat; die Dauer des Aufenthalts im Land, aus dem der Ausländer ausgewiesen werden soll; die seit der Straftat vergangene Zeit ebenso wie das Verhalten des Ausländers in dieser Zeit; die Staatsangehörigkeit aller Beteiligten; die familiäre Situation des Ausländers wie die Dauer der Ehe und andere Faktoren, die die Effektivität des Familienlebens eines Paares zum Ausdruck bringen; ob der Ehepartner von der Straftat wusste, als er die familiäre Bindung einging, ob Kinder aus der Ehe hervorgegangen sind und in diesem Fall ihr Alter; die Erheblichkeit der Schwierigkeiten, mit denen der Ehepartner voraussichtlich im Herkunftsland konfrontiert ist; die Belange und das Wohl der Kinder und die Festigkeit der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen zum Gastland oder zum Bestimmungsland (vgl. EGMR, Urt. v. 02.08.2001 - 54273/00 - Boultif, InfAuslR 2001, 476; Urt. v. 18.10.2006 - 10/06 - Üner, DVBl. 2007, 689; Urt. v. 22.03.2007 - 1638/03 - Maslov, InfAuslR 2007, 221; Urt. v. 06.12.2007 - 69735/01 - Chair, InfAuslR 2008, 111 und Urt. v. 31.07.2008 - 265/07 - Omoregie, InfAuslR 2008, 421).
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Unter Berücksichtigung dieser Kriterien lässt sich vorliegend nicht feststellen, dass die Ausweisung des Klägers zur Verhinderung von strafbaren Handlungen nicht notwendig und damit unverhältnismäßig ist. Von den zwei Schutzbereichen des Art. 8 EMRK ist nur das Privatleben des Klägers in schwacher Intensität betroffen. Als zu berücksichtigender Belang des Klägers liegt hier allein sein Aufenthalt im Bundesgebiet seit dem Jahr 2002 vor. Dieser Belang ist jedoch nicht von Gewicht, da Integrationsleistungen des Klägers nicht feststellbar sind. Für eine Verwurzelung des Klägers im Bundesgebiet und eine Entwurzelung im Herkunftsstaat fehlen jegliche Anhaltspunkte. Bei dieser Sachlage spricht nichts für eine Unverhältnismäßigkeit der Ausweisung. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Ausweisung nicht bereits bei Erlass des streitgegenständlichen Bescheids befristet wurde. Im Hinblick auf fehlende schutzwürdige Belange des Klägers brauchte die Ausweisung im vorliegenden Fall nicht bereits mit ihrem Erlass befristet zu werden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.08.2009 - 1 B 13/09 - NVwZ 2009, 1557 und Urt. v. 02.09.2009 - 1 C 2/09 - juris -; EGMR, Urt. v. 28.06.2007 - 31753/02 - Kaya, InfAuslR 2007, 325).
23 
Dem Erlass der Ausweisungsverfügung steht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG nicht entgegen (vgl. BVerwG, Urt. v. 31.08.2004 - 1 C 25/03 - BVerwGE 121, 356). Der Ausweisungsverfügung kommt, auch wenn eine Abschiebung des Klägers in die Türkei unmöglich ist, eine selbstständige Bedeutung zu. Dies zeigt etwa das in § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG enthaltene Verbot der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.
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Das Regierungspräsidium ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass der Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllt ist. Danach wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat; auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen kann die Ausweisung nur gestützt werden, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen. Vorläufer dieser Regelung war der durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz vom 09.01.2002 (BGBl. I S. 361) neu eingeführte Versagungsgrund des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG. Durch Streichung des Attributs „international“ im Aufenthaltsgesetz wollte der Gesetzgeber den nationalen wie den internationalen Terrorismus erfassen; der räumliche Anwendungsbereich der Vorschrift wurde demzufolge erweitert und erfasst alle terroristischen Aktivitäten unabhängig davon, wo sie stattfinden (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.04.2009 - 1 C 6/08 - NVwZ 2009, 1162 unter Verweis auf BTDr. 15/420 S. 70).
25 
Der Begriff des Terrorismus ist im Aufenthaltsgesetz nicht definiert. Auch an einer völkerrechtlich anerkannten Definition, aus der sich abschließend ergibt, welche Handlungen als terroristisch einzustufen sind, fehlt es bislang (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.10.2008 - 10 C 48/07 - BVerwGE 132, 79). Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist der Terrorismus die politisch motivierte Form der Gewaltkriminalität, die Androhung und Anwendung von Gewalt gegen staatliche oder gesellschaftliche Funktionsträger im Rahmen längerfristiger Strategien, um mit der Verbreitung von Furcht und Schrecken bestehende Herrschaftsverhältnisse zu erschüttern (vgl. VGH München, Beschluss v. 18.07.2006 - 19 C 06.1496 - juris - unter Verweis auf Brockhaus). In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts werden als terroristisch jedenfalls der Einsatz gemeingefährlicher Waffen oder Angriffe auf das Leben Unbeteiligter zur Verfolgung politischer Ziele angesehen (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.03.1999 - 9 C 23/98 - BVerwGE 109, 12; Urt. v. 15.03.2005 - 1 C 26/03 - BVerwGE 123, 114; Beschl. v. 14.10.2008 - 10 C 48/07 - a.a.O. und Urt. v. 30.04.2009 - 1 C 6/08 - a.a.O.). Auch aus der Sicht der Vereinten Nationen gehören jedenfalls Angriffe auf das Leben unschuldiger Menschen (d.h. solcher Personen, die sich weder als Kombattanten an einem bewaffneten Konflikt beteiligen noch als Repräsentanten eines staatlichen oder gesellschaftlichen Systems verstanden werden können) zum gesicherten Kernbereich der Verhaltensmodalitäten, die als terroristisch eingestuft werden müssen (vgl. VGH München, Urt. v. 21.10.2008 - 11 B 06.30084 - juris - m.w.N.). Auf Gemeinschaftsebene kann bei der Abgrenzung einer terroristischen von einer politischen Straftat zudem auf die Definition zurückgegriffen werden, auf die sich die Mitgliedstaaten im Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus geeinigt haben (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.10.2008 - 10 C 48/07 - a.a.O.). Danach werden bestimmte vorsätzliche Handlungen (etwa Anschläge auf das Leben oder die körperliche Unversehrtheit einer Person) dadurch zu „terroristischen Handlungen“, dass sie - erstens - durch ihre Art oder durch ihren Kontext ein Land oder eine internationale Organisation ernsthaft schädigen können und im innerstaatlichen Recht als Straftat definiert sind und sie - zweitens - mit dem Ziel begangen werden, die Bevölkerung auf schwerwiegende Weise einzuschüchtern oder eine Regierung oder eine internationale Organisation unberechtigter Weise zu einem Tun oder Unterlassen zu zwingen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Landes oder einer internationalen Organisation ernsthaft zu destabilisieren oder zu zerstören (vgl. Art. 1 Abs. 3 des Gemeinsamen Standpunkts vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus - 2001/931/GASP - ABl EG Nr. L 344 v. 28.12.2001 S. 93).
26 
In Anwendung dieser Grundsätze war die PKK jedenfalls in dem hier maßgeblichen Zeitraum 2005 und 2006 eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstützt hat. Diese Einschätzung wird in Bezug auf weiter zurückliegende Aktivitäten der PKK in der Rechtsprechung überwiegend geteilt (vgl. für den Zeitraum zwischen 1987 und 2005 BVerwG, Urt. v. 30.03.1999 - 9 C 23/98 - BVerwGE 109, 12; Urt. v. 15.03.2005 - 1 C 26/03 - BVerwGE 123, 114 und Beschl. v. 25.11.2008 - 10 C 46/07 - NVwZ 2009, 592; VGH München, Urt. v. 21.10.2008 - 11 B 06.30084 - juris -). Die PKK ist seit dem Jahr 2002 im Verzeichnis der Personen, Vereinigungen und Körperschaften im Anhang zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus („EU-Terrorliste“) aufgeführt (vgl. Anhang zu Art. 1 Gemeinsamer Standpunkt 2002/340/GASP des Europäischen Rates vom 17.06.2002, ABl. EG Nr. L 160 S. 32). Hieran hat der Europäische Rat trotz der Beanstandung durch den EuGH (vgl. Urt. v. 18.01.2007 - C - 229/05 - juris -) festgehalten (vgl. Anhang zu Art. 1 Gemeinsamer Standpunkt 2009/1004/GASP des Europäischen Rates vom 22.12.2009, ABl. L 346 v. 23.12.2009, S. 58). Der Gemeinsame Standpunkt ist allerdings nur an die Mitgliedstaaten gerichtet; eine rechtliche Bindungswirkung kommt ihm nicht zu (vgl. VG Sigmaringen, Urt. v. 08.12.2009 - 1 K 2126/07 - juris -; VG Gelsenkirchen, Urt. v. 04.03.2008 - 9 K 2513/05 - juris -). Hinzu kommt Folgendes: Die EU-Terrorliste wird von einem geheim tagenden Gremium des Ministerrats erstellt; eine unabhängige Beurteilung der Fälle auf der Grundlage gesicherter Beweise findet nicht statt (vgl. www.schattenblick.net/infopool/europool/recht/eurst047.html). Weiter sind die Kriterien, nach denen die Listen erstellt werden, undurchsichtig; die Einstufung hängt nicht selten von politischen, ökonomischen und militärischen Interessen ab (vgl. www.kriminologie.uni-hamburg.de/wiki/index.php/ Terrorliste_der_EU). So wurden die iranischen Volksmudschaheddin im Jahre 2002 auf Druck des Iran in die EU-Terrorliste aufgenommen, um mit dem Iran lukrative Handelsbeziehungen aufzubauen und das iranische Regime zum Verzicht auf sein Atomprogramm zu bewegen (vgl. www.schattenblick.net/infopool/europool/recht/eurst047.html). Andererseits ist die libanesische Hisbollah in der EU-Terrorliste nicht enthalten, obwohl das Europäische Parlament dies wegen nachgewiesener terroristischer Aktivitäten in einer Entschließung vom 08.03.2005 gefordert hat; der EU-Rat kam dieser Forderung gleichwohl aus politischen, diplomatischen und taktischen Gründen nicht nach (vgl. VG Stuttgart, Urt. v. 30.03.2009 - 11 K 18/09 m.w.N.). Schließlich fällt auf, dass die baskische Gruppierung ETA nicht mehr auf der aktuellen EU-Terrorliste erscheint, obwohl diese Organisation bekanntermaßen nach wie vor durch Bombenanschläge in Erscheinung tritt.
27 
Die Aufnahme der PKK in die EU-Terrorliste besagt somit nur, dass die PKK nach Auffassung des Europäischen Rates auch noch gegenwärtig eine terroristische Organisation ist. Auch wenn einer solchen Feststellung nicht unerhebliches Gewicht zukommt, ist dieser Umstand gleichwohl nicht geeignet, eine eigenständige Prüfung seitens der Gerichte (und Behörden) anhand der vorliegenden Erkenntnismittel entbehrlich zu machen (vgl. VGH München, Beschluss v. 08.05.2009 - 19 CS 09.268 - juris -; VG Sigmaringen, Urt. v. 08.12.2009 - 1 K 2126/07 - juris -; VG Gelsenkirchen, Urt. v. 04.03.2008 - 9 K 2513/05 - juris -).
28 
Etwas anderes folgt auch nicht aus der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1285/2009 des Rates vom 22.12.2009 zur Durchführung von Art. 2 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 2580/2009 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 501/2009 (ABl. L 346 v. 23.12.2009 S. 39). Zwar ist eine EG-Verordnung verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. An dieser Geltung nimmt auch die Liste der Personen, Vereinigungen und Körperschaften, die im Anhang zur Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1285/2009 v. 22.12.2009 aufgeführt sind, teil. Die Verbindlichkeit der Einordnung der PKK als terroristische Bereinigung beschränkt sich aber auf die Maßnahmen, die nach der Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 (ABl. L 344 v. 28.12.2001, S. 70) zu ergreifen sind. Ausländerrechtliche Maßnahmen wie beispielsweise die Ausweisung sind in dieser Verordnung indes nicht geregelt (vgl. VG Sigmaringen, Urt. v. 08.12.2009 - 1 K 2126/07 - juris -). Da die Liste der Personen, Vereinigungen und Körperschaften, die im Anhang zur Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1285/2009 v. 22.12.2009 aufgeführt sind, mit der im Anhang zum Gemeinsamen Standpunkt 2009/1004/GASP des Rates vom 22.12.2009 (ABl. L 346 v. 23.12.2009, S. 58) enthaltenen Liste der Personen, Vereinigungen und Körperschaften völlig identisch ist, gelten die oben dargelegten Widersprüchlichkeiten zum Inhalt der EU-Terrorliste gleichermaßen für die im Anhang zur Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1285/2009 v. 22.12.2009 aufgeführte Liste. Auch im Hinblick auf die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1285/2009 v. 22.12.2009 verbleibt es somit bei der Verpflichtung der Behörden und Gerichte, anhand der allgemeinen Erkenntnismittel eigenständig zu entscheiden, ob die betreffende Organisation im maßgeblichen Zeitraum eine terroristische Organisation war/ist.
29 
Eine solche eigenständige Prüfung hat der Beklagte im angefochtenen Bescheid nicht vorgenommen. Auch die vom Beklagten zitierten Urteile anderer Kammern des VG Stuttgart (Urt. v. 11.09.2008 - 1 K 3165/07; Urt. v. 18.12.2009 - 2 K 210/09 und Urt. v. 16.12.2009 - 2 K 435/09) beschränken sich ausschließlich auf die Feststellung, dass die PKK in der EU-Terrorliste aufgeführt ist und enthalten keine eigenständige Prüfung anhand der zugänglichen Erkenntnisquellen; diese Entscheidungen können somit nicht überzeugen.
30 
Die danach gebotene eigenständige Prüfung anhand der dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln führt vorliegend zu dem Ergebnis, dass die PKK zu terroristischen Handlungen in dem maßgeblichen Zeitraum 2005 und 2006 angestiftet bzw. diese gefördert hat. Terroristische Handlungen auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland durch die PKK im maßgeblichen Zeitraum 2005 und 2006 vermag das Gericht indes nicht festzustellen. Zwar kam es im Bundesgebiet zu Spendengelderpressungen und Bestrafungsaktionen durch die PKK auch in den Jahren 2005 und 2006 (vgl. die umfangreiche Darstellung im Urteil des OLG Frankfurt/Main vom 10.04.2008 - 5 - 2 StE 8/06 - 6 - 1/07). Diese Straftaten erfüllen jedoch eindeutig nicht die oben genannten Kriterien des Terrorismus. In den Jahren 2005 und 2006 hat die PKK aber nach langer Zeit wieder Bombenattentate gegen touristische Ziele in der Türkei verübt: am 16.07.2005 in Kusadasi mit 5 Todesopfern, am 02.04.2006 in Istanbul und bei einer Anschlagsserie am 27. und 28.08.2006 in Marmaris, Istanbul und Antalya, die drei Todesopfer und zahlreiche Verletzte forderte (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 11.01.2007 S. 21). Diese terroristischen Handlungen haben sich in der Folgezeit fortgesetzt. Am 22.05.2007 hat ein der PKK zugerechneter Bombenanschlag im Zentrum Ankaras zu mehreren Todesopfern und zahlreichen Verletzten unter der Zivilbevölkerung geführt (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 25.10.2007 S. 18). Bei einem der PKK zugerechneten Autobombenanschlag in Diyarbakir am 03.01.2008 wurden 7 Personen getötet und 67 weitere Personen zum Teil schwer verletzt. Daneben setzt die PKK auch Selbstmordattentäter ein. Bei einem solchen Anschlag im Stadtzentrum von Ankara starben am 22.05.2007 9 Personen, 88 weitere Personen wurden teilweise schwer verletzt. Schließlich hat die PKK am 08.07.2008 drei deutsche Staatsangehörige am Berg Ararat entführt (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 11.09.2008 S. 16). Bei diesen dargelegten Anschlägen und Übergriffen handelt es sich unzweifelhaft um Praktiken des Terrorismus. Auch wenn die politische Motivation und teilweise das militärische Vorgehen der PKK derjenigen einer Bürgerkriegspartei entspricht (vgl. schweiz. BVerwG, Urt. v. 17.10.2008 - E - 4286/2008/frk Ziff. 4.1), so steht gleichwohl aufgrund der dargelegten terroristischen Handlungen auf dem Gebiet der Türkei fest, dass die PKK im maßgeblichen Zeitraum 2005 und 2006 eine zumindest auch mit terroristischen Mitteln agierende Organisation war.
31 
Dass die strafgerichtliche Rechtsprechung - wie auch im Falle des Klägers - die PKK (einschließlich ihrer Nachfolgeorganisationen), soweit sie im Bundesgebiet agiert, mit Blick auf ihre politisch-strategische Neuausrichtung nicht mehr als terroristische Vereinigung ansieht und sogar die Einordnung als kriminelle Vereinigung nur noch in Bezug auf den engeren Führungszirkel bejaht (vgl. BGH, Urt. v. 21.10.2004 - 3 StR 94/04 - NJW 2005, 80; KG Berlin, Urt. v. 23.01.2008 - 2 StE 6/07- 6 - juris -; OLG Frankfurt/Main, Urt. v. 10.04.2008 - 5 - 2 StE 8/06 - 6 -1/07), ändert hieran nichts (a. A. VG Gelsenkirchen, Urt. v. 04.03.2008 - 9 K 2513/05 - juris -). Denn § 54 Nr. 5 AufenthG stellt weniger strenge tatbestandliche Anforderungen an das Vorliegen einer terroristischen Vereinigung als die §§ 129 a, 129 b StGB (vgl. Discher in: GK-AufenthG II - § 54 RdNr. 462). Im Rahmen des § 54 Nr. 5 AufenthG ist zudem unerheblich, ob es sich um Terrorismus im Bundesgebiet oder im Ausland handelt (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 27.03.2008 - 11 LB 203/06 - InfAuslR 2009, 54).
32 
Der Kläger hat der PKK von Juni 2005 bis August 2006 als führender Funktionär angehört. In dieser Zeit war er verantwortlicher Leiter des PKK-Sektors Süd in Deutschland. Als Sektorverantwortlicher hat der Kläger die typischen Leitungsaufgaben erledigt und die organisatorischen, finanziellen, persönlichen sowie propagandistischen Angelegenheiten in seinem Zuständigkeitsbereich geregelt. Den Weisungen der Mitglieder der Europaführung ist der Kläger pflichtgemäß und dem hierarchischen Aufbau der Organisation entsprechend nachgekommen. Als Verantwortlicher eines Sektors ist er über die Ziele der Partei und über deren interne Strukturen, Vorhaben und Arbeitsmethoden in Deutschland und Europa unterrichtet gewesen. Dies ist im Einzelnen im rechtskräftigen Urteil des OLG Frankfurt/Main vom 10.04.2008 - 5 - 2 StE 8/06 - 6 - 1/07 - dargelegt; zur Vermeidung von Wiederholungen wird hierauf verwiesen. Der Kläger war somit über ein Jahr in die zentralistisch-autoritär geführte Organisation der PKK eingegliedert und hat sich mit deren Billigung bzw. nach deren Weisung für ihre Ziele und Interessen engagiert (vgl. Discher a.a.O., RdNr. 489). Gleichzeitig hat der Kläger die Vereinigung im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützt. Insoweit reicht jede Tätigkeit aus, die sich in irgendeiner Weise positiv auf deren Aktionsmöglichkeiten auswirkt; ein darüber hinausgehender Nachweis, dass eine bestimmte terroristische Aktion konkret gefördert wird oder der eines messbaren Nutzens ist ebenso wenig erforderlich wie eine subjektive Vorwerfbarkeit (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.03.2005 - 1 C 26/03 - BVerwGE 123, 114).
33 
Die oben festgestellten Aktivitäten des Klägers in den Jahren 2005 und 2006 begründen auch zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch eine gegenwärtige Gefährlichkeit im Sinne des § 54 Nr. 5 2. Hs AufenthG. Diese Bestimmung verlangt bei länger zurückliegenden Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen grundsätzlich eine gegenwartsbezogene Beurteilung des Ausländers und von dessen Gefährlichkeit auf der Grundlage aktueller Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.04.2009 - 1 C 6.08 - NVwZ 2009, 1162).
34 
Der mit der Haftverbüßung und mit dem anschließenden Aufenthalt im Bundesgebiet verbundene Zeitablauf reicht nicht aus, um das in der Person des Klägers zutage getretene Gefahrenpotential als nicht mehr gegeben anzusehen. Für einen Persönlichkeitswandel oder eine Distanzierung vom Einsatz terroristischer Mittel ist weder etwas vorgetragen noch sonst ersichtlich. Für derartige ihm günstige Umstände aus seiner Sphäre ist der Kläger darlegungspflichtig (§ 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG). Er bestreitet indes nach wie vor seine Zugehörigkeit zur PKK und seine Tätigkeit als Sektorverantwortlicher. Eine unter diesen Umständen erforderliche persönliche Distanzierung ist nicht ansatzweise zu erkennen. Deshalb liegt kein abgeschlossener Sachverhalt vor, der eine Zäsur zu den früheren Aktivitäten begründen könnte (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.04.2009 - 1 C 6/08 - a.a.O.). Bei dieser Sachlage ist eine aktuelle sicherheitsbehördliche Einschätzung des Klägers entbehrlich (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.04.2009 - 1 C 6/08 - a.a.O.).
35 
Der Kläger erfüllt darüber hinaus auch den Regelausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 a AufenthG. Nach dieser Bestimmung wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn er die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet oder sich bei der Verfolgung politischer Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht.
36 
Die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland umfasst entsprechend der Legaldefinition des § 92 Abs. 3 Nr. 2 StGB die innere und äußere Sicherheit des Staates. Die hier allein betroffene innere Sicherheit beinhaltet Bestand und Funktionsfähigkeit des Staates und seiner Einrichtungen (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.03.1999 - 9 C 31/98 - BVerwGE 109, 1). Das schließt den Schutz vor Einwirkungen durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt auf die Wahrnehmung staatlicher Funktionen ein. Bereits die Anwesenheit möglicher ausländischer Helfer terroristischer Gewalttäter beeinträchtigt die Fähigkeit des Staates, sich nach innen und nach außen gegen Angriffe und Störungen zur Wehr zu setzen und gefährdet damit seine Sicherheit (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.03.2005 - 1 C 26/03 - BVerwGE 123, 114).
37 
Für die Feststellung einer Gefährdung der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland reicht die bloße Zugehörigkeit zu einer Vereinigung, die ihrerseits wegen Gefährdung der inneren Sicherheit nach Art. 9 Abs. 2 GG oder § 14 Abs. 2 VereinsG verboten werden kann oder verboten ist, für sich genommen nicht aus; vielmehr muss sich bei einer Betätigung für einen Verein der vereinsrechtliche Verbotsgrund nach polizeirechtlichen Grundsätzen in der Person des Ausländers konkretisiert haben (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.03.2005 - 1 C 26/03 - a.a.O.). Dies schließt eine andere Beurteilung bei Vorliegen besonderer Umstände nicht aus. Derartige Umstände können sich im Einzelfall etwa aus der Art und der Gefährlichkeit der verbotenen Vereinigung ergeben, etwa im Fall eines besonders hartnäckigen Zuwiderhandelns gegen die Verbotsverfügung (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.01.2009 - 1 C 2/08 - NVwZ 2009, 727). Maßgebend ist ausschließlich das äußere tatsächliche, nach weltlichen Kriterien zu beurteilende Verhalten der Akteure, nicht aber deren weltanschauliche (oder religiöse) Überzeugung, die zu bewerten dem Staat aufgrund seiner Verpflichtung zur weltanschaulichen Neutralität verwehrt ist (vgl. OVG Koblenz, Urt. v. 08.10.2009 - 7 A 10165/09 - juris -; VGH München, Beschl. v. 17.07.2009 - 19 CS 08.2512 - juris -).
38 
Bei Anlegung dieser Maßstäbe stellt die PKK nach wie vor eine Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland dar. Das Bundesministerium des Innern hat durch Verfügung vom 22.11.1993 festgestellt, dass die PKK und andere kurdische Vereinigungen und Institutionen u.a. die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Gleichzeitig wurden die Bildung von Ersatzorganisationen und die Fortführung bestehender Organisationen als Ersatzorganisationen verboten. Trotz dieses Verbotes ist die PKK im Bundesgebiet nach wie vor aktiv (vgl. im Einzelnen OLG Frankfurt/Main, Urt. v. 10.04.2008 - 5 - 2 StE 8/06 - 6 - 1/07 S. 13 ff.). Die PKK wendet sich in Deutschland weiterhin gewalttätig gegen „Verräter“ in den eigenen Reihen und schreckt nicht davor zurück, in Deutschland Parteiabweichler und sonstige „Verräter“ zu verfolgen und zu töten (vgl. auch hierzu OLG Frankfurt/Main, Urt. v. 10.04.2008 - 5 - 2 StE 8/06 - 6 - 1/07 S. 21 ff.). Durch dieses Verhalten maßt sich die PKK eine eigene Strafgewalt in Deutschland an und verletzt und gefährdet dadurch die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland (vgl. BVerwG, Beschl. v. 06.07.1994 - 1 VR 10/93 - NVwZ 1995, 587 und Urt. v. 30.03.1999 - 9 C 31/98 - BVerwGE 109, 1).
39 
Der Kläger ist auch persönlich als Gefahr für die Sicherheit des Staates anzusehen. Hierfür ist nicht notwendig die Teilnahme an terroristischen Bestrebungen erforderlich (a. A. BVerwG, Urt. v. 15.03.2005 - 1 C 26/03 - a.a.O.). Vielmehr kann die Übernahme strukturell wesentlicher Funktionen innerhalb der die Sicherheit gefährdenden Organisation für die Annahme einer Gefahr für die Sicherheit des Staates genügen (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.03.1999 - 9 C 31/98 - BVerwGE 109, 1). Aufgrund seiner hochrangigen Funktionärstätigkeit im Zeitraum 2005 und 2006 trägt der Kläger eine qualifizierte Mitverantwortung an den kriminellen Aktivitäten der PKK in Deutschland. Mit seiner Tätigkeit als Sektorverantwortlicher für das Gebiet Süd in den Jahren 2005 und 2006 übte der Kläger ein für die Umsetzung der Ziele der PKK unerlässliche Funktion innerhalb der Organisation aus, ohne die es ihr nicht möglich wäre, ihre Aktionen in einer die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdenden Weise durchzuführen. Im vorliegenden Fall besteht auch noch eine gegenwärtige Gefährlichkeit des Klägers. Im Hinblick auf die hochrangige Funktionärstätigkeit des Klägers in der PKK und der sich hieraus ergebenden Identifizierung mit den Zielen und Zwecken dieser Vereinigung reicht für die Annahme einer fortbestehenden Gefahr aus, dass der Kläger sich von den kriminellen/terroristischen Handlungen der PKK bislang nicht distanziert hat (vgl. Discher a.a.O., RdNr. 606).
40 
Da nach den obigen Ausführungen der Ausweisungsgrund nach § 54 Nr. 5 und Nr. 5 a AufenthG erfüllt ist, bedarf keiner Entscheidung mehr, ob zudem die Tatbestandsvoraussetzungen des § 54 Nr. 7 AufenthG vorliegen.
41 
Im Hinblick auf den erfüllten Ist-Ausweisungstatbestand des § 53 Nr. 1 AufenthG kommt es auch nicht darauf an, ob atypische Umstände in Bezug auf die Regelausweisungstatbestände des § 54 Nr. 5 und Nr. 5 a vorliegen (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.10.2007 - 1 C 10/07 - BVerwGE 129, 367). Deshalb ist auch unerheblich, dass die vom Regierungspräsidium Stuttgart angestellten Erwägungen bei der für den Fall der Annahme eines Ausnahmefalles vorsorglich getroffenen Ermessensentscheidung rechtlich zu beanstanden wären. Das Regierungspräsidium ist bei seiner Ermessensentscheidung davon ausgegangen, dass im Falle einer Rückkehr in die Türkei eine Gefährdung des Klägers nicht bestehe. Damit setzt sich der Beklagte in rechtswidriger Weise über die Bindungswirkung des Bescheids des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 01.07.2004 hinweg (§ 42 AsylVfG). Auch die weiteren Erwägungen des Regierungspräsidiums zur fehlenden Rückkehrgefährdung des Klägers im Falle einer Abschiebung in die Türkei gehen fehl. Trotz der von der türkischen Regierung proklamierten „Null-Toleranz-Politik“ und der vom Regierungspräsidium benannten Reformen in der Türkei kommt es nach wie vor zu Folter und Misshandlungen durch staatliche Kräfte, ohne dass es dem türkischen Staat bislang gelungen ist, dies wirksam zu unterbinden (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 29.06.2009 S. 18; Kaya, Gutachten vom 25.10.2004 an OVG Münster, Gutachten vom 10.09.2005 an VG Magdeburg und vom 08.08.2005 an VG Sigmaringen; Oberdiek, Gutachten vom 02.08.2005 an VG Sigmaringen; Aydin, Gutachten vom 25.06.2005 an VG Sigmaringen; ai, Stellungnahme vom 20.09.2005 an VG Sigmaringen; SFH-Oberdiek, Zur aktuellen Situation - Oktober 2007 S. 8). Eine der Hauptursachen für die immer noch vorkommende Folter ist die nicht effiziente Strafverfolgung von folternden staatlichen Kräften (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 11.09.2008 S. 27; Amnesty Report 2009, S. 6). Nach wie vor verurteilen türkische Gerichte in politischen Strafverfahren auf der Grundlage von erfolterten Geständnissen (vgl. Oberdiek, Neue Erkenntnisse zu unfairen Gerichtsverfahren in der Türkei, März 2008; Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 11.09.2008 S. 27; Amnesty Report 2009, S. 5). Zwar ist die Zahl der Fälle schwerer Folter (z.B. mit sichtbaren körperlichen Verletzungen) deutlich zurückgegangen (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 11.09.2008 S. 26). Im Jahr 2007 wurde jedoch im Vergleich zum Vorjahr erneut ein deutlicher Anstieg der gemeldeten Fälle von Folter und Misshandlung festgestellt (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 11.09.2008 S. 25; SFH-Oberdiek, Zur aktuellen Situation - Oktober 2007 S. 8; Oberdiek, Gutachten vom 19.03.2008 an VG Karlsruhe und vom 15.08.2007 an VG Sigmaringen). Auch im Jahr 2008 erreichte die Zahl der gemeldeten Fälle von Folter und Misshandlung ein hohes Niveau (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 29.06.2009 S. 19). Außerdem gibt es eine große Anzahl Betroffener, die erlittene Misshandlungen und Folter weder beim Menschenrechtsverein IHD melden noch dies anderweitig publik machen (vgl. Oberdiek, Gutachten vom 27.07.2009 an VG Düsseldorf, S. 5).
42 
Entgegen der Annahme des Regierungspräsidiums Stuttgart muss der Kläger darüber hinaus als Aktivist der PKK, der in der Türkei mit Haftbefehl gesucht wird, im Falle einer Rückkehr in die Türkei mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit asylrelevanten Übergriffen rechnen (vgl. OVG Bautzen, Urt. v. 25.10.2007 - A 3 B 238/05 -; OVG Koblenz, Urt. v. 19.09.2008 - 10 A 10474/08 - AuAS 2009, 45; OVG Lüneburg, Urt. v. 18.07.2006 - 11 LB 264/05 - juris - und Urt. v. 18.07.2006 - 11 LB 75/06 - juris; OVG Münster, Urt. v. 27.03.2007 - 8 A 4728/05.A - juris -; VGH Kassel, Urt. v. 26.02.2009 - 4 A 755/06.A - juris -). Diese Gefährdungssituation wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass dem Auswärtigen Amt in jüngerer Zeit kein Fall bekannt geworden ist, in dem ein aus der Bundesrepublik in die Türkei zurückgekehrter abgelehnter Asylbewerber im Zusammenhang mit früheren Aktivitäten gefoltert oder misshandelt wurde (vgl. Lagebericht vom 11.09.2008 S. 32). Für die Einschätzung der Gefährdung ist diese Feststellung des Auswärtigen Amtes nicht aussagekräftig, da unter den abgeschobenen oder zurückgekehrten Personen sich kein Mensch befand, der der Zugehörigkeit zur PKK oder einer anderen illegalen Organisation verdächtigt wurde (vgl. Kaya, Gutachten vom 08.08.2005 an VG Sigmaringen; ebenso OVG Münster, Urt. v. 27.03.2007 - 8 A 4728/05.A - juris -; OVG Lüneburg, Urt. v. 18.07.2006 - 11 LB 75/06 - juris -). Derartige Personen sind in der Vergangenheit in Deutschland entweder als Asylberechtigte anerkannt worden oder ihnen wurde zumindest Abschiebungsschutz gewährt. Aus dem Fehlen von Referenzfällen kann deshalb nicht der Schluss gezogen werden, dass nunmehr alle in die Türkei zurückkehrenden Flüchtlinge kurdischer Volkszugehörigkeit unabhängig von den Umständen und Besonderheiten des jeweiligen Falles vor politischer Verfolgung hinreichend sicher sind (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 18.07.2006 - 11 LB 75/06 - a.a.O.). Zudem hat das Auswärtige Amt bei seiner Aussage Maßnahmen unterhalb der Schwelle von Folter und Misshandlung, wie etwa erniedrigende, beleidigende Verhaltensweise und die Verweigerung der Befriedigung elementarer Bedürfnisse von vornherein außer Betracht gelassen, obwohl auch sie durchaus asylerheblich sein können (vgl. OVG Münster, Urt. v. 27.03.2007 - 8 A 4728/05.A - a.a.O.).
43 
Das Regierungspräsidium ist im angefochtenen Bescheid schließlich zu Unrecht davon ausgegangen, dass diese Gefährdungssituation durch das „Herstellen von Öffentlichkeit“ ausgeschlossen werden könne. Selbst wenn der Kläger von seinen Familienangehörigen in der Türkei betreut würde, anwaltlichen Beistand erhielte und prokurdische Organisationen oder die PKK sein Schicksal aufmerksam verfolgen und rechtswidrige Übergriffe publik machen würden (so die Annahme des Regierungspräsidiums im angefochtenen Bescheid), könnten diese Umstände allenfalls Schutz während der Zeit des Strafverfahrens bewirken (vgl. VGH München, Urt. v. 21.10.2008 - 11 B 06.30084 - juris -). Im vorliegenden Fall ist indes davon auszugehen, dass sich die türkischen Sicherheitskräfte nicht erst nach einer erneuten Inhaftierung, sondern bereits bei der Einreise für den Kläger interessieren (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.10.2008 - 10 C 48/07 - BVerwGE 132, 79). Angesichts des gegen den Kläger ausgestellten Haftbefehls kann mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass der Kläger bei der Einreise in die Türkei durch die Anti-Terror-Abteilung der Polizei einem verschärften Verhör unterzogen und dass diese Befragung mit asylrechtlich relevanten Übergriffen einhergehen wird (vgl. Oberdiek, Gutachten v. 15.08.2007 an VG Sigmaringen; OVG Münster, Urt. v. 19.04.2005 - 8 A 273/04.A - juris und Urt. v. 27.03.2007 - 8 A 4728/05.A - juris; OVG Lüneburg, Urt. v. 18.07.2006 - 11 LB 264/05 - juris -; OVG Koblenz, Urt. v. 19.09.2008 - 10 A 10474/08 - a.a.O.; VGH Kassel, Urt. v. 26.02.2009 - 4 A 755/06.A - juris -). Vorliegend kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Bekanntheitsgrad des Klägers eine gewisse Schutzfunktion erfüllt (vgl. zum Fall Kaplan OVG Münster, Urt. v. 26.05.2004 - 8 A 3852/03.A - juris -). Der Fall des Klägers steht weder in der deutschen Presse noch bei Menschenrechtsorganisationen oder der EU-Kommission unter Beobachtung. Im Falle einer Abschiebung des Klägers droht ihm vielmehr das Schicksal des PKK-Funktionärs Cevat Soysal, der nach seiner Abschiebung in die Türkei gefoltert wurde (vgl. ai, Stellungnahme vom 02.04.2004 an OVG Münster).
44 
Das in Ziffer 2 des angefochtenen Bescheids ausgesprochene Wiedereinreiseverbot besteht kraft Gesetzes (§ 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG). Es handelt sich lediglich um einen unschädlichen Hinweis auf die Rechtslage ohne eigenen Regelungsgehalt.
45 
Auch die vom Regierungspräsidium gegenüber dem Kläger nach § 54 a AufenthG getroffenen Überwachungsmaßnahmen sind rechtmäßig. Da es sich bei diesen Überwachungsmaßnahmen um Verwaltungsakte mit Dauerwirkung handelt (vgl. VG München, Urt. v. 30.04.2008 - M 23 K 06.3252 - juris -), müssen die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegen.
46 
Eine nach § 54 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG erforderliche wirksame vollziehbare Ausweisungsverfügung nach § 54 Nr. 5 und Nr. 5 a AufenthG besteht.
47 
Unmittelbare gesetzliche Folge der vollziehbaren Ausweisung ist die räumliche Beschränkung des Aufenthalts des Klägers auf den Bezirk der Ausländerbehörde (§ 54 a Abs. 2 AufenthG). Ob es sich bei der in Ziffer 3 des Bescheids ausgesprochenen räumlichen Beschränkung lediglich um einen Hinweis auf die Rechtslage handelt (so VG München, Beschl. v. 20.04.2009 - M 24 S 09.29 - juris -) oder der Beklagte ein sich unmittelbar aus dem Gesetz ergebendes Gebot für den Einzelfall konkretisiert und die Rechtslage nochmals in verbindlicher Weise klargestellt hat (so VG Ansbach, Urt. v. 29.01.2008 - AN 19 K 05.02515 - juris -), kann dahingestellt bleiben.
48 
Die Meldeverpflichtung in Ziffer 4 des angefochtenen Bescheids beruht auf § 54 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Nach dieser Bestimmung unterliegt ein Ausländer, gegen den eine vollziehbare Ausweisungsverfügung nach § 54 Nr. 5, Nr. 5 a AufenthG oder eine vollziehbare Abschiebungsanordnung nach § 58 a AufenthG besteht, der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Mit der Anordnung einer täglichen Meldepflicht beim Polizeirevier Stuttgart hat der Beklagte von der durch diese Vorschrift eröffneten Möglichkeit einer anderweitigen Bestimmung Gebrauch gemacht. Diese Festlegung eines kürzeren Meldeintervalls (täglich) ist zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung rechtlich nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat diese Anordnung rechtsfehlerfrei mit der nach wie vor bestehenden Notwendigkeit einer effektiven, engmaschigen Überwachung der Aufenthaltsbeschränkung des Klägers begründet und festgestellt, dass die staatlichen Sicherheitsinteressen die berücksichtigungswürdigen individuellen Belange des Klägers überwiegen. Angesichts der bislang fehlenden Auseinandersetzung des Klägers mit seinem strafbaren Verhalten und einer nicht feststellbaren Abwendung des Klägers zumindest von den kriminellen/terroristischen Handlungen der PKK ist die Ermessensentscheidung nicht zu beanstanden (a. A. VG München, Beschl. v. 20.04.2009 - M 24 S 09.29 - juris -, wonach eine auferlegte tägliche Meldepflicht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht entspricht). Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgt auch nicht aus dem Umstand, dass die angeordnete Meldeverpflichtung auf unbestimmte Zeit verfügt wurde. Da ein Wegfall der Gefährdung durch den Kläger nicht absehbar ist, konnte und kann eine begründete Entscheidung über die notwendige zeitliche Dauer noch nicht getroffen werden. Die tägliche Meldeverpflichtung stellt auch keinen unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht des Klägers auf Achtung seines Privatlebens und in das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) dar. Das Gericht weist allerdings darauf hin, dass die Meldeverpflichtung im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz von der Behörde unter Kontrolle zu halten ist; insoweit hat ein regelmäßiger Abgleich mit den Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden zu erfolgen (vgl. Schäfer in: GK-AufenthG II - § 54 a RdNr. 41).
49 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
50 
Die Zulassung der Berufung beruht auf § 124 a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.

Gründe

 
15 
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
16 
Der angefochtene Bescheid erging verfahrensfehlerfrei, insbesondere handelte das Regierungspräsidium Stuttgart als örtlich zuständige Ausländerbehörde (§ 71 Abs. 1 AufenthG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4, § 3 Abs. 3 S. 1 AAZuVO).
17 
Seit dem Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes vom 19.08.2007 (BGBl. I S. 1970) ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Ausweisung bei allen Ausländern einheitlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblich (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.11.2007 - 1 C 45/06 - BVerwGE 130, 20 und Urt. v. 13.01.2009 - 1 C 2/08 - NVwZ 2009, 227). Durch die Zeitpunktverlagerung sind bei der Anfechtung einer Ausweisung während des gerichtlichen Verfahrens bis zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt neu eingetretene Tatsachen - sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten des Ausländers - zu berücksichtigen.
18 
Rechtliche Grundlage der Ausweisungsverfügung ist § 53 Nr. 1 AufenthG. Danach wird ein Ausländer ausgewiesen, wenn er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Diese Voraussetzungen liegen vor, da der Kläger durch Urteil des OLG Frankfurt/Main vom 09.03.2009 - 4 - 2 StE 8/06 - 6 - 1/08 zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten verurteilt wurde. Einen besonderen Ausweisungsschutz nach § 56 AufenthG genießt der Kläger nicht. Keiner der dort genannten Tatbestände liegt vor.
19 
Der danach zwingenden Ausweisung des Klägers stehen auch höherrangiges Recht und die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) nicht entgegen.
20 
Zwar tragen die Regelungen des Aufenthaltsgesetzes mit ihrem System von Ist-Ausweisung, Regelausweisung und Kann-Ausweisung (§§ 53-55 AufenthG) sowie dem besonderen Ausweisungsschutz für bestimmte Ausländer (§ 56 AufenthG) den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit von Ausweisungen hinreichend Rechnung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.08.2007 - 2 BvR 535/06 - NVwZ 2007, 1300). Diese Feststellung entbindet jedoch nicht von der Verpflichtung, auch eine zwingende Ausweisung nach § 53 AufenthG einer einzelfallbezogenen Verhältnismäßigkeitsprüfung zu unterziehen, da nur diese Prüfung sicherstellen kann, dass die Verhältnismäßigkeit bezogen auf die Lebenssituation des betroffenen Ausländers gewahrt bleibt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.08.2007 - 2 BvR 535/06 - a.a.O.; OVG Münster, Beschl. v. 26.05.2009 - 18 E 1230/08 - AuAS 2009, 184; OVG Hamburg, Urt. v. 24.03.2009 - 3 Bf 166/04 - InfAuslR 2009, 279).
21 
Bei der Prüfung, ob eine Ausweisung im Hinblick auf Art. 8 EMRK verhältnismäßig ist, sind die vom Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) entwickelten Kriterien zu berücksichtigen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.05.2007 - 2 BvR 304/07 - NVwZ 2007, 946; BVerwG, Urt. v. 22.10.2009 - 1 C 15/08 - juris -). Maßgebend sind danach folgende Kriterien: Die Art und Schwere der vom Ausländer begangenen Straftat; die Dauer des Aufenthalts im Land, aus dem der Ausländer ausgewiesen werden soll; die seit der Straftat vergangene Zeit ebenso wie das Verhalten des Ausländers in dieser Zeit; die Staatsangehörigkeit aller Beteiligten; die familiäre Situation des Ausländers wie die Dauer der Ehe und andere Faktoren, die die Effektivität des Familienlebens eines Paares zum Ausdruck bringen; ob der Ehepartner von der Straftat wusste, als er die familiäre Bindung einging, ob Kinder aus der Ehe hervorgegangen sind und in diesem Fall ihr Alter; die Erheblichkeit der Schwierigkeiten, mit denen der Ehepartner voraussichtlich im Herkunftsland konfrontiert ist; die Belange und das Wohl der Kinder und die Festigkeit der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen zum Gastland oder zum Bestimmungsland (vgl. EGMR, Urt. v. 02.08.2001 - 54273/00 - Boultif, InfAuslR 2001, 476; Urt. v. 18.10.2006 - 10/06 - Üner, DVBl. 2007, 689; Urt. v. 22.03.2007 - 1638/03 - Maslov, InfAuslR 2007, 221; Urt. v. 06.12.2007 - 69735/01 - Chair, InfAuslR 2008, 111 und Urt. v. 31.07.2008 - 265/07 - Omoregie, InfAuslR 2008, 421).
22 
Unter Berücksichtigung dieser Kriterien lässt sich vorliegend nicht feststellen, dass die Ausweisung des Klägers zur Verhinderung von strafbaren Handlungen nicht notwendig und damit unverhältnismäßig ist. Von den zwei Schutzbereichen des Art. 8 EMRK ist nur das Privatleben des Klägers in schwacher Intensität betroffen. Als zu berücksichtigender Belang des Klägers liegt hier allein sein Aufenthalt im Bundesgebiet seit dem Jahr 2002 vor. Dieser Belang ist jedoch nicht von Gewicht, da Integrationsleistungen des Klägers nicht feststellbar sind. Für eine Verwurzelung des Klägers im Bundesgebiet und eine Entwurzelung im Herkunftsstaat fehlen jegliche Anhaltspunkte. Bei dieser Sachlage spricht nichts für eine Unverhältnismäßigkeit der Ausweisung. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Ausweisung nicht bereits bei Erlass des streitgegenständlichen Bescheids befristet wurde. Im Hinblick auf fehlende schutzwürdige Belange des Klägers brauchte die Ausweisung im vorliegenden Fall nicht bereits mit ihrem Erlass befristet zu werden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.08.2009 - 1 B 13/09 - NVwZ 2009, 1557 und Urt. v. 02.09.2009 - 1 C 2/09 - juris -; EGMR, Urt. v. 28.06.2007 - 31753/02 - Kaya, InfAuslR 2007, 325).
23 
Dem Erlass der Ausweisungsverfügung steht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG nicht entgegen (vgl. BVerwG, Urt. v. 31.08.2004 - 1 C 25/03 - BVerwGE 121, 356). Der Ausweisungsverfügung kommt, auch wenn eine Abschiebung des Klägers in die Türkei unmöglich ist, eine selbstständige Bedeutung zu. Dies zeigt etwa das in § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG enthaltene Verbot der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.
24 
Das Regierungspräsidium ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass der Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG erfüllt ist. Danach wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat; auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen kann die Ausweisung nur gestützt werden, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen. Vorläufer dieser Regelung war der durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz vom 09.01.2002 (BGBl. I S. 361) neu eingeführte Versagungsgrund des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG. Durch Streichung des Attributs „international“ im Aufenthaltsgesetz wollte der Gesetzgeber den nationalen wie den internationalen Terrorismus erfassen; der räumliche Anwendungsbereich der Vorschrift wurde demzufolge erweitert und erfasst alle terroristischen Aktivitäten unabhängig davon, wo sie stattfinden (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.04.2009 - 1 C 6/08 - NVwZ 2009, 1162 unter Verweis auf BTDr. 15/420 S. 70).
25 
Der Begriff des Terrorismus ist im Aufenthaltsgesetz nicht definiert. Auch an einer völkerrechtlich anerkannten Definition, aus der sich abschließend ergibt, welche Handlungen als terroristisch einzustufen sind, fehlt es bislang (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.10.2008 - 10 C 48/07 - BVerwGE 132, 79). Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist der Terrorismus die politisch motivierte Form der Gewaltkriminalität, die Androhung und Anwendung von Gewalt gegen staatliche oder gesellschaftliche Funktionsträger im Rahmen längerfristiger Strategien, um mit der Verbreitung von Furcht und Schrecken bestehende Herrschaftsverhältnisse zu erschüttern (vgl. VGH München, Beschluss v. 18.07.2006 - 19 C 06.1496 - juris - unter Verweis auf Brockhaus). In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts werden als terroristisch jedenfalls der Einsatz gemeingefährlicher Waffen oder Angriffe auf das Leben Unbeteiligter zur Verfolgung politischer Ziele angesehen (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.03.1999 - 9 C 23/98 - BVerwGE 109, 12; Urt. v. 15.03.2005 - 1 C 26/03 - BVerwGE 123, 114; Beschl. v. 14.10.2008 - 10 C 48/07 - a.a.O. und Urt. v. 30.04.2009 - 1 C 6/08 - a.a.O.). Auch aus der Sicht der Vereinten Nationen gehören jedenfalls Angriffe auf das Leben unschuldiger Menschen (d.h. solcher Personen, die sich weder als Kombattanten an einem bewaffneten Konflikt beteiligen noch als Repräsentanten eines staatlichen oder gesellschaftlichen Systems verstanden werden können) zum gesicherten Kernbereich der Verhaltensmodalitäten, die als terroristisch eingestuft werden müssen (vgl. VGH München, Urt. v. 21.10.2008 - 11 B 06.30084 - juris - m.w.N.). Auf Gemeinschaftsebene kann bei der Abgrenzung einer terroristischen von einer politischen Straftat zudem auf die Definition zurückgegriffen werden, auf die sich die Mitgliedstaaten im Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus geeinigt haben (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.10.2008 - 10 C 48/07 - a.a.O.). Danach werden bestimmte vorsätzliche Handlungen (etwa Anschläge auf das Leben oder die körperliche Unversehrtheit einer Person) dadurch zu „terroristischen Handlungen“, dass sie - erstens - durch ihre Art oder durch ihren Kontext ein Land oder eine internationale Organisation ernsthaft schädigen können und im innerstaatlichen Recht als Straftat definiert sind und sie - zweitens - mit dem Ziel begangen werden, die Bevölkerung auf schwerwiegende Weise einzuschüchtern oder eine Regierung oder eine internationale Organisation unberechtigter Weise zu einem Tun oder Unterlassen zu zwingen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Landes oder einer internationalen Organisation ernsthaft zu destabilisieren oder zu zerstören (vgl. Art. 1 Abs. 3 des Gemeinsamen Standpunkts vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus - 2001/931/GASP - ABl EG Nr. L 344 v. 28.12.2001 S. 93).
26 
In Anwendung dieser Grundsätze war die PKK jedenfalls in dem hier maßgeblichen Zeitraum 2005 und 2006 eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstützt hat. Diese Einschätzung wird in Bezug auf weiter zurückliegende Aktivitäten der PKK in der Rechtsprechung überwiegend geteilt (vgl. für den Zeitraum zwischen 1987 und 2005 BVerwG, Urt. v. 30.03.1999 - 9 C 23/98 - BVerwGE 109, 12; Urt. v. 15.03.2005 - 1 C 26/03 - BVerwGE 123, 114 und Beschl. v. 25.11.2008 - 10 C 46/07 - NVwZ 2009, 592; VGH München, Urt. v. 21.10.2008 - 11 B 06.30084 - juris -). Die PKK ist seit dem Jahr 2002 im Verzeichnis der Personen, Vereinigungen und Körperschaften im Anhang zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus („EU-Terrorliste“) aufgeführt (vgl. Anhang zu Art. 1 Gemeinsamer Standpunkt 2002/340/GASP des Europäischen Rates vom 17.06.2002, ABl. EG Nr. L 160 S. 32). Hieran hat der Europäische Rat trotz der Beanstandung durch den EuGH (vgl. Urt. v. 18.01.2007 - C - 229/05 - juris -) festgehalten (vgl. Anhang zu Art. 1 Gemeinsamer Standpunkt 2009/1004/GASP des Europäischen Rates vom 22.12.2009, ABl. L 346 v. 23.12.2009, S. 58). Der Gemeinsame Standpunkt ist allerdings nur an die Mitgliedstaaten gerichtet; eine rechtliche Bindungswirkung kommt ihm nicht zu (vgl. VG Sigmaringen, Urt. v. 08.12.2009 - 1 K 2126/07 - juris -; VG Gelsenkirchen, Urt. v. 04.03.2008 - 9 K 2513/05 - juris -). Hinzu kommt Folgendes: Die EU-Terrorliste wird von einem geheim tagenden Gremium des Ministerrats erstellt; eine unabhängige Beurteilung der Fälle auf der Grundlage gesicherter Beweise findet nicht statt (vgl. www.schattenblick.net/infopool/europool/recht/eurst047.html). Weiter sind die Kriterien, nach denen die Listen erstellt werden, undurchsichtig; die Einstufung hängt nicht selten von politischen, ökonomischen und militärischen Interessen ab (vgl. www.kriminologie.uni-hamburg.de/wiki/index.php/ Terrorliste_der_EU). So wurden die iranischen Volksmudschaheddin im Jahre 2002 auf Druck des Iran in die EU-Terrorliste aufgenommen, um mit dem Iran lukrative Handelsbeziehungen aufzubauen und das iranische Regime zum Verzicht auf sein Atomprogramm zu bewegen (vgl. www.schattenblick.net/infopool/europool/recht/eurst047.html). Andererseits ist die libanesische Hisbollah in der EU-Terrorliste nicht enthalten, obwohl das Europäische Parlament dies wegen nachgewiesener terroristischer Aktivitäten in einer Entschließung vom 08.03.2005 gefordert hat; der EU-Rat kam dieser Forderung gleichwohl aus politischen, diplomatischen und taktischen Gründen nicht nach (vgl. VG Stuttgart, Urt. v. 30.03.2009 - 11 K 18/09 m.w.N.). Schließlich fällt auf, dass die baskische Gruppierung ETA nicht mehr auf der aktuellen EU-Terrorliste erscheint, obwohl diese Organisation bekanntermaßen nach wie vor durch Bombenanschläge in Erscheinung tritt.
27 
Die Aufnahme der PKK in die EU-Terrorliste besagt somit nur, dass die PKK nach Auffassung des Europäischen Rates auch noch gegenwärtig eine terroristische Organisation ist. Auch wenn einer solchen Feststellung nicht unerhebliches Gewicht zukommt, ist dieser Umstand gleichwohl nicht geeignet, eine eigenständige Prüfung seitens der Gerichte (und Behörden) anhand der vorliegenden Erkenntnismittel entbehrlich zu machen (vgl. VGH München, Beschluss v. 08.05.2009 - 19 CS 09.268 - juris -; VG Sigmaringen, Urt. v. 08.12.2009 - 1 K 2126/07 - juris -; VG Gelsenkirchen, Urt. v. 04.03.2008 - 9 K 2513/05 - juris -).
28 
Etwas anderes folgt auch nicht aus der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1285/2009 des Rates vom 22.12.2009 zur Durchführung von Art. 2 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 2580/2009 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 501/2009 (ABl. L 346 v. 23.12.2009 S. 39). Zwar ist eine EG-Verordnung verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. An dieser Geltung nimmt auch die Liste der Personen, Vereinigungen und Körperschaften, die im Anhang zur Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1285/2009 v. 22.12.2009 aufgeführt sind, teil. Die Verbindlichkeit der Einordnung der PKK als terroristische Bereinigung beschränkt sich aber auf die Maßnahmen, die nach der Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 (ABl. L 344 v. 28.12.2001, S. 70) zu ergreifen sind. Ausländerrechtliche Maßnahmen wie beispielsweise die Ausweisung sind in dieser Verordnung indes nicht geregelt (vgl. VG Sigmaringen, Urt. v. 08.12.2009 - 1 K 2126/07 - juris -). Da die Liste der Personen, Vereinigungen und Körperschaften, die im Anhang zur Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1285/2009 v. 22.12.2009 aufgeführt sind, mit der im Anhang zum Gemeinsamen Standpunkt 2009/1004/GASP des Rates vom 22.12.2009 (ABl. L 346 v. 23.12.2009, S. 58) enthaltenen Liste der Personen, Vereinigungen und Körperschaften völlig identisch ist, gelten die oben dargelegten Widersprüchlichkeiten zum Inhalt der EU-Terrorliste gleichermaßen für die im Anhang zur Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1285/2009 v. 22.12.2009 aufgeführte Liste. Auch im Hinblick auf die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1285/2009 v. 22.12.2009 verbleibt es somit bei der Verpflichtung der Behörden und Gerichte, anhand der allgemeinen Erkenntnismittel eigenständig zu entscheiden, ob die betreffende Organisation im maßgeblichen Zeitraum eine terroristische Organisation war/ist.
29 
Eine solche eigenständige Prüfung hat der Beklagte im angefochtenen Bescheid nicht vorgenommen. Auch die vom Beklagten zitierten Urteile anderer Kammern des VG Stuttgart (Urt. v. 11.09.2008 - 1 K 3165/07; Urt. v. 18.12.2009 - 2 K 210/09 und Urt. v. 16.12.2009 - 2 K 435/09) beschränken sich ausschließlich auf die Feststellung, dass die PKK in der EU-Terrorliste aufgeführt ist und enthalten keine eigenständige Prüfung anhand der zugänglichen Erkenntnisquellen; diese Entscheidungen können somit nicht überzeugen.
30 
Die danach gebotene eigenständige Prüfung anhand der dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln führt vorliegend zu dem Ergebnis, dass die PKK zu terroristischen Handlungen in dem maßgeblichen Zeitraum 2005 und 2006 angestiftet bzw. diese gefördert hat. Terroristische Handlungen auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland durch die PKK im maßgeblichen Zeitraum 2005 und 2006 vermag das Gericht indes nicht festzustellen. Zwar kam es im Bundesgebiet zu Spendengelderpressungen und Bestrafungsaktionen durch die PKK auch in den Jahren 2005 und 2006 (vgl. die umfangreiche Darstellung im Urteil des OLG Frankfurt/Main vom 10.04.2008 - 5 - 2 StE 8/06 - 6 - 1/07). Diese Straftaten erfüllen jedoch eindeutig nicht die oben genannten Kriterien des Terrorismus. In den Jahren 2005 und 2006 hat die PKK aber nach langer Zeit wieder Bombenattentate gegen touristische Ziele in der Türkei verübt: am 16.07.2005 in Kusadasi mit 5 Todesopfern, am 02.04.2006 in Istanbul und bei einer Anschlagsserie am 27. und 28.08.2006 in Marmaris, Istanbul und Antalya, die drei Todesopfer und zahlreiche Verletzte forderte (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 11.01.2007 S. 21). Diese terroristischen Handlungen haben sich in der Folgezeit fortgesetzt. Am 22.05.2007 hat ein der PKK zugerechneter Bombenanschlag im Zentrum Ankaras zu mehreren Todesopfern und zahlreichen Verletzten unter der Zivilbevölkerung geführt (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 25.10.2007 S. 18). Bei einem der PKK zugerechneten Autobombenanschlag in Diyarbakir am 03.01.2008 wurden 7 Personen getötet und 67 weitere Personen zum Teil schwer verletzt. Daneben setzt die PKK auch Selbstmordattentäter ein. Bei einem solchen Anschlag im Stadtzentrum von Ankara starben am 22.05.2007 9 Personen, 88 weitere Personen wurden teilweise schwer verletzt. Schließlich hat die PKK am 08.07.2008 drei deutsche Staatsangehörige am Berg Ararat entführt (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 11.09.2008 S. 16). Bei diesen dargelegten Anschlägen und Übergriffen handelt es sich unzweifelhaft um Praktiken des Terrorismus. Auch wenn die politische Motivation und teilweise das militärische Vorgehen der PKK derjenigen einer Bürgerkriegspartei entspricht (vgl. schweiz. BVerwG, Urt. v. 17.10.2008 - E - 4286/2008/frk Ziff. 4.1), so steht gleichwohl aufgrund der dargelegten terroristischen Handlungen auf dem Gebiet der Türkei fest, dass die PKK im maßgeblichen Zeitraum 2005 und 2006 eine zumindest auch mit terroristischen Mitteln agierende Organisation war.
31 
Dass die strafgerichtliche Rechtsprechung - wie auch im Falle des Klägers - die PKK (einschließlich ihrer Nachfolgeorganisationen), soweit sie im Bundesgebiet agiert, mit Blick auf ihre politisch-strategische Neuausrichtung nicht mehr als terroristische Vereinigung ansieht und sogar die Einordnung als kriminelle Vereinigung nur noch in Bezug auf den engeren Führungszirkel bejaht (vgl. BGH, Urt. v. 21.10.2004 - 3 StR 94/04 - NJW 2005, 80; KG Berlin, Urt. v. 23.01.2008 - 2 StE 6/07- 6 - juris -; OLG Frankfurt/Main, Urt. v. 10.04.2008 - 5 - 2 StE 8/06 - 6 -1/07), ändert hieran nichts (a. A. VG Gelsenkirchen, Urt. v. 04.03.2008 - 9 K 2513/05 - juris -). Denn § 54 Nr. 5 AufenthG stellt weniger strenge tatbestandliche Anforderungen an das Vorliegen einer terroristischen Vereinigung als die §§ 129 a, 129 b StGB (vgl. Discher in: GK-AufenthG II - § 54 RdNr. 462). Im Rahmen des § 54 Nr. 5 AufenthG ist zudem unerheblich, ob es sich um Terrorismus im Bundesgebiet oder im Ausland handelt (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 27.03.2008 - 11 LB 203/06 - InfAuslR 2009, 54).
32 
Der Kläger hat der PKK von Juni 2005 bis August 2006 als führender Funktionär angehört. In dieser Zeit war er verantwortlicher Leiter des PKK-Sektors Süd in Deutschland. Als Sektorverantwortlicher hat der Kläger die typischen Leitungsaufgaben erledigt und die organisatorischen, finanziellen, persönlichen sowie propagandistischen Angelegenheiten in seinem Zuständigkeitsbereich geregelt. Den Weisungen der Mitglieder der Europaführung ist der Kläger pflichtgemäß und dem hierarchischen Aufbau der Organisation entsprechend nachgekommen. Als Verantwortlicher eines Sektors ist er über die Ziele der Partei und über deren interne Strukturen, Vorhaben und Arbeitsmethoden in Deutschland und Europa unterrichtet gewesen. Dies ist im Einzelnen im rechtskräftigen Urteil des OLG Frankfurt/Main vom 10.04.2008 - 5 - 2 StE 8/06 - 6 - 1/07 - dargelegt; zur Vermeidung von Wiederholungen wird hierauf verwiesen. Der Kläger war somit über ein Jahr in die zentralistisch-autoritär geführte Organisation der PKK eingegliedert und hat sich mit deren Billigung bzw. nach deren Weisung für ihre Ziele und Interessen engagiert (vgl. Discher a.a.O., RdNr. 489). Gleichzeitig hat der Kläger die Vereinigung im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG unterstützt. Insoweit reicht jede Tätigkeit aus, die sich in irgendeiner Weise positiv auf deren Aktionsmöglichkeiten auswirkt; ein darüber hinausgehender Nachweis, dass eine bestimmte terroristische Aktion konkret gefördert wird oder der eines messbaren Nutzens ist ebenso wenig erforderlich wie eine subjektive Vorwerfbarkeit (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.03.2005 - 1 C 26/03 - BVerwGE 123, 114).
33 
Die oben festgestellten Aktivitäten des Klägers in den Jahren 2005 und 2006 begründen auch zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch eine gegenwärtige Gefährlichkeit im Sinne des § 54 Nr. 5 2. Hs AufenthG. Diese Bestimmung verlangt bei länger zurückliegenden Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen grundsätzlich eine gegenwartsbezogene Beurteilung des Ausländers und von dessen Gefährlichkeit auf der Grundlage aktueller Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.04.2009 - 1 C 6.08 - NVwZ 2009, 1162).
34 
Der mit der Haftverbüßung und mit dem anschließenden Aufenthalt im Bundesgebiet verbundene Zeitablauf reicht nicht aus, um das in der Person des Klägers zutage getretene Gefahrenpotential als nicht mehr gegeben anzusehen. Für einen Persönlichkeitswandel oder eine Distanzierung vom Einsatz terroristischer Mittel ist weder etwas vorgetragen noch sonst ersichtlich. Für derartige ihm günstige Umstände aus seiner Sphäre ist der Kläger darlegungspflichtig (§ 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG). Er bestreitet indes nach wie vor seine Zugehörigkeit zur PKK und seine Tätigkeit als Sektorverantwortlicher. Eine unter diesen Umständen erforderliche persönliche Distanzierung ist nicht ansatzweise zu erkennen. Deshalb liegt kein abgeschlossener Sachverhalt vor, der eine Zäsur zu den früheren Aktivitäten begründen könnte (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.04.2009 - 1 C 6/08 - a.a.O.). Bei dieser Sachlage ist eine aktuelle sicherheitsbehördliche Einschätzung des Klägers entbehrlich (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.04.2009 - 1 C 6/08 - a.a.O.).
35 
Der Kläger erfüllt darüber hinaus auch den Regelausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 a AufenthG. Nach dieser Bestimmung wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn er die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet oder sich bei der Verfolgung politischer Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht.
36 
Die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland umfasst entsprechend der Legaldefinition des § 92 Abs. 3 Nr. 2 StGB die innere und äußere Sicherheit des Staates. Die hier allein betroffene innere Sicherheit beinhaltet Bestand und Funktionsfähigkeit des Staates und seiner Einrichtungen (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.03.1999 - 9 C 31/98 - BVerwGE 109, 1). Das schließt den Schutz vor Einwirkungen durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt auf die Wahrnehmung staatlicher Funktionen ein. Bereits die Anwesenheit möglicher ausländischer Helfer terroristischer Gewalttäter beeinträchtigt die Fähigkeit des Staates, sich nach innen und nach außen gegen Angriffe und Störungen zur Wehr zu setzen und gefährdet damit seine Sicherheit (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.03.2005 - 1 C 26/03 - BVerwGE 123, 114).
37 
Für die Feststellung einer Gefährdung der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland reicht die bloße Zugehörigkeit zu einer Vereinigung, die ihrerseits wegen Gefährdung der inneren Sicherheit nach Art. 9 Abs. 2 GG oder § 14 Abs. 2 VereinsG verboten werden kann oder verboten ist, für sich genommen nicht aus; vielmehr muss sich bei einer Betätigung für einen Verein der vereinsrechtliche Verbotsgrund nach polizeirechtlichen Grundsätzen in der Person des Ausländers konkretisiert haben (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.03.2005 - 1 C 26/03 - a.a.O.). Dies schließt eine andere Beurteilung bei Vorliegen besonderer Umstände nicht aus. Derartige Umstände können sich im Einzelfall etwa aus der Art und der Gefährlichkeit der verbotenen Vereinigung ergeben, etwa im Fall eines besonders hartnäckigen Zuwiderhandelns gegen die Verbotsverfügung (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.01.2009 - 1 C 2/08 - NVwZ 2009, 727). Maßgebend ist ausschließlich das äußere tatsächliche, nach weltlichen Kriterien zu beurteilende Verhalten der Akteure, nicht aber deren weltanschauliche (oder religiöse) Überzeugung, die zu bewerten dem Staat aufgrund seiner Verpflichtung zur weltanschaulichen Neutralität verwehrt ist (vgl. OVG Koblenz, Urt. v. 08.10.2009 - 7 A 10165/09 - juris -; VGH München, Beschl. v. 17.07.2009 - 19 CS 08.2512 - juris -).
38 
Bei Anlegung dieser Maßstäbe stellt die PKK nach wie vor eine Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland dar. Das Bundesministerium des Innern hat durch Verfügung vom 22.11.1993 festgestellt, dass die PKK und andere kurdische Vereinigungen und Institutionen u.a. die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Gleichzeitig wurden die Bildung von Ersatzorganisationen und die Fortführung bestehender Organisationen als Ersatzorganisationen verboten. Trotz dieses Verbotes ist die PKK im Bundesgebiet nach wie vor aktiv (vgl. im Einzelnen OLG Frankfurt/Main, Urt. v. 10.04.2008 - 5 - 2 StE 8/06 - 6 - 1/07 S. 13 ff.). Die PKK wendet sich in Deutschland weiterhin gewalttätig gegen „Verräter“ in den eigenen Reihen und schreckt nicht davor zurück, in Deutschland Parteiabweichler und sonstige „Verräter“ zu verfolgen und zu töten (vgl. auch hierzu OLG Frankfurt/Main, Urt. v. 10.04.2008 - 5 - 2 StE 8/06 - 6 - 1/07 S. 21 ff.). Durch dieses Verhalten maßt sich die PKK eine eigene Strafgewalt in Deutschland an und verletzt und gefährdet dadurch die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland (vgl. BVerwG, Beschl. v. 06.07.1994 - 1 VR 10/93 - NVwZ 1995, 587 und Urt. v. 30.03.1999 - 9 C 31/98 - BVerwGE 109, 1).
39 
Der Kläger ist auch persönlich als Gefahr für die Sicherheit des Staates anzusehen. Hierfür ist nicht notwendig die Teilnahme an terroristischen Bestrebungen erforderlich (a. A. BVerwG, Urt. v. 15.03.2005 - 1 C 26/03 - a.a.O.). Vielmehr kann die Übernahme strukturell wesentlicher Funktionen innerhalb der die Sicherheit gefährdenden Organisation für die Annahme einer Gefahr für die Sicherheit des Staates genügen (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.03.1999 - 9 C 31/98 - BVerwGE 109, 1). Aufgrund seiner hochrangigen Funktionärstätigkeit im Zeitraum 2005 und 2006 trägt der Kläger eine qualifizierte Mitverantwortung an den kriminellen Aktivitäten der PKK in Deutschland. Mit seiner Tätigkeit als Sektorverantwortlicher für das Gebiet Süd in den Jahren 2005 und 2006 übte der Kläger ein für die Umsetzung der Ziele der PKK unerlässliche Funktion innerhalb der Organisation aus, ohne die es ihr nicht möglich wäre, ihre Aktionen in einer die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdenden Weise durchzuführen. Im vorliegenden Fall besteht auch noch eine gegenwärtige Gefährlichkeit des Klägers. Im Hinblick auf die hochrangige Funktionärstätigkeit des Klägers in der PKK und der sich hieraus ergebenden Identifizierung mit den Zielen und Zwecken dieser Vereinigung reicht für die Annahme einer fortbestehenden Gefahr aus, dass der Kläger sich von den kriminellen/terroristischen Handlungen der PKK bislang nicht distanziert hat (vgl. Discher a.a.O., RdNr. 606).
40 
Da nach den obigen Ausführungen der Ausweisungsgrund nach § 54 Nr. 5 und Nr. 5 a AufenthG erfüllt ist, bedarf keiner Entscheidung mehr, ob zudem die Tatbestandsvoraussetzungen des § 54 Nr. 7 AufenthG vorliegen.
41 
Im Hinblick auf den erfüllten Ist-Ausweisungstatbestand des § 53 Nr. 1 AufenthG kommt es auch nicht darauf an, ob atypische Umstände in Bezug auf die Regelausweisungstatbestände des § 54 Nr. 5 und Nr. 5 a vorliegen (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.10.2007 - 1 C 10/07 - BVerwGE 129, 367). Deshalb ist auch unerheblich, dass die vom Regierungspräsidium Stuttgart angestellten Erwägungen bei der für den Fall der Annahme eines Ausnahmefalles vorsorglich getroffenen Ermessensentscheidung rechtlich zu beanstanden wären. Das Regierungspräsidium ist bei seiner Ermessensentscheidung davon ausgegangen, dass im Falle einer Rückkehr in die Türkei eine Gefährdung des Klägers nicht bestehe. Damit setzt sich der Beklagte in rechtswidriger Weise über die Bindungswirkung des Bescheids des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 01.07.2004 hinweg (§ 42 AsylVfG). Auch die weiteren Erwägungen des Regierungspräsidiums zur fehlenden Rückkehrgefährdung des Klägers im Falle einer Abschiebung in die Türkei gehen fehl. Trotz der von der türkischen Regierung proklamierten „Null-Toleranz-Politik“ und der vom Regierungspräsidium benannten Reformen in der Türkei kommt es nach wie vor zu Folter und Misshandlungen durch staatliche Kräfte, ohne dass es dem türkischen Staat bislang gelungen ist, dies wirksam zu unterbinden (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 29.06.2009 S. 18; Kaya, Gutachten vom 25.10.2004 an OVG Münster, Gutachten vom 10.09.2005 an VG Magdeburg und vom 08.08.2005 an VG Sigmaringen; Oberdiek, Gutachten vom 02.08.2005 an VG Sigmaringen; Aydin, Gutachten vom 25.06.2005 an VG Sigmaringen; ai, Stellungnahme vom 20.09.2005 an VG Sigmaringen; SFH-Oberdiek, Zur aktuellen Situation - Oktober 2007 S. 8). Eine der Hauptursachen für die immer noch vorkommende Folter ist die nicht effiziente Strafverfolgung von folternden staatlichen Kräften (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 11.09.2008 S. 27; Amnesty Report 2009, S. 6). Nach wie vor verurteilen türkische Gerichte in politischen Strafverfahren auf der Grundlage von erfolterten Geständnissen (vgl. Oberdiek, Neue Erkenntnisse zu unfairen Gerichtsverfahren in der Türkei, März 2008; Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 11.09.2008 S. 27; Amnesty Report 2009, S. 5). Zwar ist die Zahl der Fälle schwerer Folter (z.B. mit sichtbaren körperlichen Verletzungen) deutlich zurückgegangen (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 11.09.2008 S. 26). Im Jahr 2007 wurde jedoch im Vergleich zum Vorjahr erneut ein deutlicher Anstieg der gemeldeten Fälle von Folter und Misshandlung festgestellt (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 11.09.2008 S. 25; SFH-Oberdiek, Zur aktuellen Situation - Oktober 2007 S. 8; Oberdiek, Gutachten vom 19.03.2008 an VG Karlsruhe und vom 15.08.2007 an VG Sigmaringen). Auch im Jahr 2008 erreichte die Zahl der gemeldeten Fälle von Folter und Misshandlung ein hohes Niveau (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 29.06.2009 S. 19). Außerdem gibt es eine große Anzahl Betroffener, die erlittene Misshandlungen und Folter weder beim Menschenrechtsverein IHD melden noch dies anderweitig publik machen (vgl. Oberdiek, Gutachten vom 27.07.2009 an VG Düsseldorf, S. 5).
42 
Entgegen der Annahme des Regierungspräsidiums Stuttgart muss der Kläger darüber hinaus als Aktivist der PKK, der in der Türkei mit Haftbefehl gesucht wird, im Falle einer Rückkehr in die Türkei mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit asylrelevanten Übergriffen rechnen (vgl. OVG Bautzen, Urt. v. 25.10.2007 - A 3 B 238/05 -; OVG Koblenz, Urt. v. 19.09.2008 - 10 A 10474/08 - AuAS 2009, 45; OVG Lüneburg, Urt. v. 18.07.2006 - 11 LB 264/05 - juris - und Urt. v. 18.07.2006 - 11 LB 75/06 - juris; OVG Münster, Urt. v. 27.03.2007 - 8 A 4728/05.A - juris -; VGH Kassel, Urt. v. 26.02.2009 - 4 A 755/06.A - juris -). Diese Gefährdungssituation wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass dem Auswärtigen Amt in jüngerer Zeit kein Fall bekannt geworden ist, in dem ein aus der Bundesrepublik in die Türkei zurückgekehrter abgelehnter Asylbewerber im Zusammenhang mit früheren Aktivitäten gefoltert oder misshandelt wurde (vgl. Lagebericht vom 11.09.2008 S. 32). Für die Einschätzung der Gefährdung ist diese Feststellung des Auswärtigen Amtes nicht aussagekräftig, da unter den abgeschobenen oder zurückgekehrten Personen sich kein Mensch befand, der der Zugehörigkeit zur PKK oder einer anderen illegalen Organisation verdächtigt wurde (vgl. Kaya, Gutachten vom 08.08.2005 an VG Sigmaringen; ebenso OVG Münster, Urt. v. 27.03.2007 - 8 A 4728/05.A - juris -; OVG Lüneburg, Urt. v. 18.07.2006 - 11 LB 75/06 - juris -). Derartige Personen sind in der Vergangenheit in Deutschland entweder als Asylberechtigte anerkannt worden oder ihnen wurde zumindest Abschiebungsschutz gewährt. Aus dem Fehlen von Referenzfällen kann deshalb nicht der Schluss gezogen werden, dass nunmehr alle in die Türkei zurückkehrenden Flüchtlinge kurdischer Volkszugehörigkeit unabhängig von den Umständen und Besonderheiten des jeweiligen Falles vor politischer Verfolgung hinreichend sicher sind (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 18.07.2006 - 11 LB 75/06 - a.a.O.). Zudem hat das Auswärtige Amt bei seiner Aussage Maßnahmen unterhalb der Schwelle von Folter und Misshandlung, wie etwa erniedrigende, beleidigende Verhaltensweise und die Verweigerung der Befriedigung elementarer Bedürfnisse von vornherein außer Betracht gelassen, obwohl auch sie durchaus asylerheblich sein können (vgl. OVG Münster, Urt. v. 27.03.2007 - 8 A 4728/05.A - a.a.O.).
43 
Das Regierungspräsidium ist im angefochtenen Bescheid schließlich zu Unrecht davon ausgegangen, dass diese Gefährdungssituation durch das „Herstellen von Öffentlichkeit“ ausgeschlossen werden könne. Selbst wenn der Kläger von seinen Familienangehörigen in der Türkei betreut würde, anwaltlichen Beistand erhielte und prokurdische Organisationen oder die PKK sein Schicksal aufmerksam verfolgen und rechtswidrige Übergriffe publik machen würden (so die Annahme des Regierungspräsidiums im angefochtenen Bescheid), könnten diese Umstände allenfalls Schutz während der Zeit des Strafverfahrens bewirken (vgl. VGH München, Urt. v. 21.10.2008 - 11 B 06.30084 - juris -). Im vorliegenden Fall ist indes davon auszugehen, dass sich die türkischen Sicherheitskräfte nicht erst nach einer erneuten Inhaftierung, sondern bereits bei der Einreise für den Kläger interessieren (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.10.2008 - 10 C 48/07 - BVerwGE 132, 79). Angesichts des gegen den Kläger ausgestellten Haftbefehls kann mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass der Kläger bei der Einreise in die Türkei durch die Anti-Terror-Abteilung der Polizei einem verschärften Verhör unterzogen und dass diese Befragung mit asylrechtlich relevanten Übergriffen einhergehen wird (vgl. Oberdiek, Gutachten v. 15.08.2007 an VG Sigmaringen; OVG Münster, Urt. v. 19.04.2005 - 8 A 273/04.A - juris und Urt. v. 27.03.2007 - 8 A 4728/05.A - juris; OVG Lüneburg, Urt. v. 18.07.2006 - 11 LB 264/05 - juris -; OVG Koblenz, Urt. v. 19.09.2008 - 10 A 10474/08 - a.a.O.; VGH Kassel, Urt. v. 26.02.2009 - 4 A 755/06.A - juris -). Vorliegend kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Bekanntheitsgrad des Klägers eine gewisse Schutzfunktion erfüllt (vgl. zum Fall Kaplan OVG Münster, Urt. v. 26.05.2004 - 8 A 3852/03.A - juris -). Der Fall des Klägers steht weder in der deutschen Presse noch bei Menschenrechtsorganisationen oder der EU-Kommission unter Beobachtung. Im Falle einer Abschiebung des Klägers droht ihm vielmehr das Schicksal des PKK-Funktionärs Cevat Soysal, der nach seiner Abschiebung in die Türkei gefoltert wurde (vgl. ai, Stellungnahme vom 02.04.2004 an OVG Münster).
44 
Das in Ziffer 2 des angefochtenen Bescheids ausgesprochene Wiedereinreiseverbot besteht kraft Gesetzes (§ 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG). Es handelt sich lediglich um einen unschädlichen Hinweis auf die Rechtslage ohne eigenen Regelungsgehalt.
45 
Auch die vom Regierungspräsidium gegenüber dem Kläger nach § 54 a AufenthG getroffenen Überwachungsmaßnahmen sind rechtmäßig. Da es sich bei diesen Überwachungsmaßnahmen um Verwaltungsakte mit Dauerwirkung handelt (vgl. VG München, Urt. v. 30.04.2008 - M 23 K 06.3252 - juris -), müssen die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegen.
46 
Eine nach § 54 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG erforderliche wirksame vollziehbare Ausweisungsverfügung nach § 54 Nr. 5 und Nr. 5 a AufenthG besteht.
47 
Unmittelbare gesetzliche Folge der vollziehbaren Ausweisung ist die räumliche Beschränkung des Aufenthalts des Klägers auf den Bezirk der Ausländerbehörde (§ 54 a Abs. 2 AufenthG). Ob es sich bei der in Ziffer 3 des Bescheids ausgesprochenen räumlichen Beschränkung lediglich um einen Hinweis auf die Rechtslage handelt (so VG München, Beschl. v. 20.04.2009 - M 24 S 09.29 - juris -) oder der Beklagte ein sich unmittelbar aus dem Gesetz ergebendes Gebot für den Einzelfall konkretisiert und die Rechtslage nochmals in verbindlicher Weise klargestellt hat (so VG Ansbach, Urt. v. 29.01.2008 - AN 19 K 05.02515 - juris -), kann dahingestellt bleiben.
48 
Die Meldeverpflichtung in Ziffer 4 des angefochtenen Bescheids beruht auf § 54 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Nach dieser Bestimmung unterliegt ein Ausländer, gegen den eine vollziehbare Ausweisungsverfügung nach § 54 Nr. 5, Nr. 5 a AufenthG oder eine vollziehbare Abschiebungsanordnung nach § 58 a AufenthG besteht, der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Mit der Anordnung einer täglichen Meldepflicht beim Polizeirevier Stuttgart hat der Beklagte von der durch diese Vorschrift eröffneten Möglichkeit einer anderweitigen Bestimmung Gebrauch gemacht. Diese Festlegung eines kürzeren Meldeintervalls (täglich) ist zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung rechtlich nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat diese Anordnung rechtsfehlerfrei mit der nach wie vor bestehenden Notwendigkeit einer effektiven, engmaschigen Überwachung der Aufenthaltsbeschränkung des Klägers begründet und festgestellt, dass die staatlichen Sicherheitsinteressen die berücksichtigungswürdigen individuellen Belange des Klägers überwiegen. Angesichts der bislang fehlenden Auseinandersetzung des Klägers mit seinem strafbaren Verhalten und einer nicht feststellbaren Abwendung des Klägers zumindest von den kriminellen/terroristischen Handlungen der PKK ist die Ermessensentscheidung nicht zu beanstanden (a. A. VG München, Beschl. v. 20.04.2009 - M 24 S 09.29 - juris -, wonach eine auferlegte tägliche Meldepflicht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht entspricht). Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgt auch nicht aus dem Umstand, dass die angeordnete Meldeverpflichtung auf unbestimmte Zeit verfügt wurde. Da ein Wegfall der Gefährdung durch den Kläger nicht absehbar ist, konnte und kann eine begründete Entscheidung über die notwendige zeitliche Dauer noch nicht getroffen werden. Die tägliche Meldeverpflichtung stellt auch keinen unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht des Klägers auf Achtung seines Privatlebens und in das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) dar. Das Gericht weist allerdings darauf hin, dass die Meldeverpflichtung im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz von der Behörde unter Kontrolle zu halten ist; insoweit hat ein regelmäßiger Abgleich mit den Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden zu erfolgen (vgl. Schäfer in: GK-AufenthG II - § 54 a RdNr. 41).
49 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
50 
Die Zulassung der Berufung beruht auf § 124 a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 25. Jan. 2010 - 11 K 3543/09

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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

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Aufenthaltsgesetz - AufenthG
Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 25. Jan. 2010 - 11 K 3543/09 zitiert 16 §§.

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Aufenthaltsgesetz - AufenthG

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(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 11 Einreise- und Aufenthaltsverbot


(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen n

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 25 Aufenthalt aus humanitären Gründen


(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlau

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 9


(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden. (2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverstä

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 53 Ausweisung


(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 54 Ausweisungsinteresse


(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer 1. wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 56 Überwachung ausreisepflichtiger Ausländer aus Gründen der inneren Sicherheit


(1) Ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei de

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 82 Mitwirkung des Ausländers


(1) Der Ausländer ist verpflichtet, seine Belange und für ihn günstige Umstände, soweit sie nicht offenkundig oder bekannt sind, unter Angabe nachprüfbarer Umstände unverzüglich geltend zu machen und die erforderlichen Nachweise über seine persönlich

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 71 Zuständigkeit


(1) Für aufenthalts- und passrechtliche Maßnahmen und Entscheidungen nach diesem Gesetz und nach ausländerrechtlichen Bestimmungen in anderen Gesetzen sind die Ausländerbehörden zuständig. Die Landesregierung oder die von ihr bestimmte Stelle kann be

Vereinsgesetz - VereinsG | § 14 Ausländervereine


(1) Vereine, deren Mitglieder oder Leiter sämtlich oder überwiegend Ausländer sind (Ausländervereine), können über die in Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes genannten Gründe hinaus unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 verboten werden. Vereine, de

Strafgesetzbuch - StGB | § 92 Begriffsbestimmungen


(1) Im Sinne dieses Gesetzes beeinträchtigt den Bestand der Bundesrepublik Deutschland, wer ihre Freiheit von fremder Botmäßigkeit aufhebt, ihre staatliche Einheit beseitigt oder ein zu ihr gehörendes Gebiet abtrennt. (2) Im Sinne dieses Gesetzes

Referenzen - Urteile

Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 25. Jan. 2010 - 11 K 3543/09 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 25. Jan. 2010 - 11 K 3543/09 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Nov. 2008 - 3 StR 425/08

bei uns veröffentlicht am 10.11.2008

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 425/08 vom 10. November 2008 in der Strafsache gegen wegen Rädelsführerschaft in einer kriminellen Vereinigung Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundes

Verwaltungsgericht Sigmaringen Urteil, 08. Dez. 2009 - 1 K 2126/07

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Tenor Der Bescheid des Beklagten vom 14.09.2007 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG zu erteilen. Der Beklagte trägt die

Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 19. Sept. 2008 - 10 A 10474/08

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Auf die Berufung des Klägers wird die Beklagte unter Abänderung des aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 7. Februar 2008 ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz sowie unter entsprechender Aufhebung ihres Asylbescheides vom 9. Oktober 20
3 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 25. Jan. 2010 - 11 K 3543/09.

Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 29. Nov. 2010 - 11 K 1763/10

bei uns veröffentlicht am 29.11.2010

Tenor Der Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 06.05.2010 wird aufgehoben.Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Tatbestand   1 Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung aus dem Bundesgebiet und gegen die ihm auferlegt

Verwaltungsgericht Freiburg Beschluss, 29. Juli 2010 - 1 K 1642/09

bei uns veröffentlicht am 29.07.2010

Tenor Der Antrag wird abgelehnt. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt. Gründe   1  Der Antrag

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 21. Juli 2010 - 11 S 541/10

bei uns veröffentlicht am 21.07.2010

Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 25. Januar 2010 – 11 K 3543/09 – wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die

Referenzen

(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 425/08
vom
10. November 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Rädelsführerschaft in einer kriminellen Vereinigung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 10. November
2008 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 10. April 2008 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an einen anderen Senat des Oberlandesgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Oberlandesgericht hat den Angeklagten wegen Rädelsführerschaft in einer kriminellen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf die Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet i. S. des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Während der Schuldspruch rechtlicher Nachprüfung standhält, kann der Strafausspruch nicht bestehen bleiben.
3
Schon die Erwägung, dass vor allem zu Lasten des Angeklagten zu berücksichtigen sei, dass er Rädelsführer einer - näher dargelegten - besonders gefährlichen kriminellen Vereinigung in einem Zeitraum von über einem Jahr gewesen sei, erscheint unter dem Gesichtspunkt des § 46 Abs. 3 StGB nicht frei von Bedenken.
4
Nicht mehr hinnehmbar ist indes, dass straferschwerend die "Selbstverständlichkeit ins Gewicht fiel, mit der der Angeklagte zur Erreichung seiner politischen Ziele bereit war, gegen die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland zu verstoßen". Diese Formulierung lässt besorgen, dass das Oberlandesgericht dem Angeklagten zur Last legt, dass er überhaupt die Straftat begangen hat, anstatt von ihr Abstand zu nehmen. Das ist rechtsfehlerhaft (vgl. BGH NStZ-RR 2002, 106; 2001, 295; BGHR § 46 Abs. 2 StGB Wertungsfehler 14). Die angenommene "Selbstverständlichkeit" ist zudem nicht belegt; sie lässt sich auch nicht dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe entnehmen.
5
Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafe ohne den aufgezeigten Rechtsfehler und die bedenkliche Erwägung - andere Umstände hat das Oberlandesgericht nicht strafschärfend berücksichtigt - milder ausgefallen wäre.
6
Die Strafe muss deshalb neu zugemessen werden. Becker Miebach Pfister Sost-Scheible Hubert

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Für aufenthalts- und passrechtliche Maßnahmen und Entscheidungen nach diesem Gesetz und nach ausländerrechtlichen Bestimmungen in anderen Gesetzen sind die Ausländerbehörden zuständig. Die Landesregierung oder die von ihr bestimmte Stelle kann bestimmen, dass für einzelne Aufgaben nur eine oder mehrere bestimmte Ausländerbehörden zuständig sind. Nach Satz 2 kann durch die zuständigen Stellen der betroffenen Länder auch geregelt werden, dass den Ausländerbehörden eines Landes für die Bezirke von Ausländerbehörden verschiedener Länder Aufgaben zugeordnet werden. Für die Vollziehung von Abschiebungen ist in den Ländern jeweils eine zentral zuständige Stelle zu bestimmen. Die Länder sollen jeweils mindestens eine zentrale Ausländerbehörde einrichten, die bei Visumanträgen nach § 6 zu Zwecken nach den §§ 16a, 16d, 17 Absatz 1, den §§ 18a, 18b, 18c Absatz 3, den §§ 18d, 18f, 19, 19b, 19c und 20 sowie bei Visumanträgen des Ehegatten oder der minderjährigen ledigen Kinder zum Zweck des Familiennachzugs, die in zeitlichem Zusammenhang gestellt werden, die zuständige Ausländerbehörde ist.

(2) Im Ausland sind für Pass- und Visaangelegenheiten die vom Auswärtigen Amt ermächtigten Auslandsvertretungen zuständig. Das Auswärtige Amt wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat dem Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten die Entscheidung über Anträge auf Erteilung eines Visums zu übertragen. Soweit von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht wird, stehen dem Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten die Befugnisse zur Datenverarbeitung sowie alle sonstigen Aufgaben und Befugnisse einer Auslandsvertretung bei der Erteilung von Visa gemäß Absatz 3 Nummer 3 Buchstabe b sowie gemäß den §§ 54, 66, 68, 69, 72, 72a, 73, 73a, 75, 87, 90c, 91d und 91g zu.

(3) Die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden sind zuständig für

1.
die Zurückweisung und die Zurückschiebung an der Grenze, einschließlich der Überstellung von Drittstaatsangehörigen auf Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 604/2013, wenn der Ausländer von der Grenzbehörde im grenznahen Raum in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit einer unerlaubten Einreise angetroffen wird,
1a.
Abschiebungen an der Grenze, sofern der Ausländer bei oder nach der unerlaubten Einreise über eine Grenze im Sinne des Artikels 2 Nummer 1 der Verordnung (EU) 2016/399 (Binnengrenze) aufgegriffen wird,
1b.
Abschiebungen an der Grenze, sofern der Ausländer bereits unerlaubt eingereist ist, sich danach weiter fortbewegt hat und in einem anderen Grenzraum oder auf einem als Grenzübergangsstelle zugelassenen oder nicht zugelassenen Flughafen, Flug- oder Landeplatz oder See- oder Binnenhafen aufgegriffen wird,
1c.
die Befristung der Wirkungen auf Grund der von ihnen vorgenommenen Ab- und Zurückschiebungen nach § 11 Absatz 2, 4 und 8,
1d.
die Rückführungen von Ausländern aus anderen und in andere Staaten; die Zuständigkeit besteht neben derjenigen der in Absatz 1 und in Absatz 5 bestimmten Stellen,
1e.
die Beantragung von Haft und die Festnahme, soweit es zur Vornahme der in den Nummern 1 bis 1d bezeichneten Maßnahmen erforderlich ist,
2.
die Erteilung eines Visums und die Ausstellung eines Passersatzes nach § 14 Abs. 2 sowie die Aussetzung der Abschiebung nach § 60a Abs. 2a,
3.
die Rücknahme und den Widerruf eines nationalen Visums sowie die Entscheidungen nach Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009
a)
im Fall der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung, soweit die Voraussetzungen der Nummer 1a oder 1b erfüllt sind,
b)
auf Ersuchen der Auslandsvertretung, die das Visum erteilt hat, oder
c)
auf Ersuchen der Ausländerbehörde, die der Erteilung des Visums zugestimmt hat, sofern diese ihrer Zustimmung bedurfte,
4.
das Ausreiseverbot und die Maßnahmen nach § 66 Abs. 5 an der Grenze,
5.
die Prüfung an der Grenze, ob Beförderungsunternehmer und sonstige Dritte die Vorschriften dieses Gesetzes und die auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen und Anordnungen beachtet haben,
6.
sonstige ausländerrechtliche Maßnahmen und Entscheidungen, soweit sich deren Notwendigkeit an der Grenze ergibt und sie vom Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat hierzu allgemein oder im Einzelfall ermächtigt sind,
7.
die Beschaffung von Heimreisedokumenten im Wege der Amtshilfe in Einzelfällen für Ausländer,
8.
die Erteilung von in Rechtsvorschriften der Europäischen Union vorgesehenen Vermerken und Bescheinigungen vom Datum und Ort der Einreise über die Außengrenze eines Mitgliedstaates, der den Schengen-Besitzstand vollständig anwendet; die Zuständigkeit der Ausländerbehörden oder anderer durch die Länder bestimmter Stellen wird hierdurch nicht ausgeschlossen.

(4) Für die erforderlichen Maßnahmen nach den §§ 48, 48a und 49 Absatz 2 bis 9 sind die Ausländerbehörden, die Polizeivollzugsbehörden der Länder sowie bei Wahrnehmung ihrer gesetzlichen Aufgaben die Bundespolizei und andere mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragte Behörden zuständig. In den Fällen des § 49 Abs. 4 sind auch die Behörden zuständig, die die Verteilung nach § 15a veranlassen. In den Fällen des § 49 Absatz 5 Nummer 5 und 6 sind die vom Auswärtigen Amt ermächtigten Auslandsvertretungen zuständig. In den Fällen des § 49 Absatz 8 und 9 sind auch die Aufnahmeeinrichtungen im Sinne des § 44 des Asylgesetzes und die Außenstellen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge befugt, bei Tätigwerden in Amtshilfe die erkennungsdienstlichen Maßnahmen bei ausländischen Kindern oder Jugendlichen, die unbegleitet in das Bundesgebiet eingereist sind, vorzunehmen; diese Maßnahmen sollen im Beisein des zuvor zur vorläufigen Inobhutnahme verständigten Jugendamtes und in kindgerechter Weise durchgeführt werden.

(5) Für die Zurückschiebung sowie die Durchsetzung der Verlassenspflicht des § 12 Abs. 3 und die Durchführung der Abschiebung und, soweit es zur Vorbereitung und Sicherung dieser Maßnahmen erforderlich ist, die Festnahme und Beantragung der Haft sind auch die Polizeien der Länder zuständig.

(6) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat oder die von ihm bestimmte Stelle entscheidet im Benehmen mit dem Auswärtigen Amt über die Anerkennung von Pässen und Passersatzpapieren (§ 3 Abs. 1); die Entscheidungen ergehen als Allgemeinverfügung und können im Bundesanzeiger bekannt gegeben werden.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Eine dem Satz 1 entsprechende Meldepflicht kann angeordnet werden, wenn der Ausländer

1.
vollziehbar ausreisepflichtig ist und ein in Satz 1 genanntes Ausweisungsinteresse besteht oder
2.
auf Grund anderer als der in Satz 1 genannten Ausweisungsinteressen vollziehbar ausreisepflichtig ist und die Anordnung der Meldepflicht zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist.

(2) Sein Aufenthalt ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft.

(3) Er kann verpflichtet werden, in einem anderen Wohnort oder in bestimmten Unterkünften auch außerhalb des Bezirks der Ausländerbehörde zu wohnen, wenn dies geboten erscheint, um

1.
die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden und die Einhaltung vereinsrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Auflagen und Verpflichtungen besser überwachen zu können oder
2.
die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden.

(4) Um die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5, zu einer Anordnung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 oder zu einer Abschiebungsanordnung nach § 58a geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden, kann der Ausländer auch verpflichtet werden, zu bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen und bestimmte Kommunikationsmittel oder Dienste nicht zu nutzen, soweit ihm Kommunikationsmittel verbleiben und die Beschränkungen notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwehren. Um die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden, können Beschränkungen nach Satz 1 angeordnet werden, soweit diese notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwenden.

(5) Die Verpflichtungen nach den Absätzen 1 bis 4 ruhen, wenn sich der Ausländer in Haft befindet. Eine Anordnung nach den Absätzen 3 und 4 ist sofort vollziehbar.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

Tenor

Der Bescheid des Beklagten vom 14.09.2007 wird aufgehoben.

Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG zu erteilen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung und begehrt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.
Der am … 1973 geborene Kläger ist indischer Staatsangehöriger. Er stellte am 24.07.2001 zusammen mit seiner Ehefrau und zwei Kindern einen Asylantrag. Sein Antrag wurde vom damaligen Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge abgelehnt. Seine Klage beim Verwaltungsgericht ... blieb ohne Erfolg (Urteil vom 15.10.2003 - ... -).
Im Folgeantragsverfahren des Klägers wurde das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge durch Urteil des Verwaltungsgerichts ... vom 26.05.2006 - ... - verpflichtet festzustellen, dass beim Kläger in Bezug auf Indien ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG vorliegt. In demselben Urteil wurde das Verfahren eingestellt, soweit der Kläger seine Klage bezüglich der Zuerkennung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 1 AufenthG zurückgenommen hatte. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass dem Kläger aufgrund seiner exponierten Stellung innerhalb der ISYF (Vorstand der Unterorganisation der ISYF in ...) bei seiner Rückkehr nach Indien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Folter drohe.
Mit Bescheid vom 19.07.2006 stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG hinsichtlich Indiens fest.
Am 04.08.2006 stellte der Kläger bei der unteren Ausländerbehörde einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Das Regierungspräsidium ... stimmte nicht zu.
Mit Schreiben vom 03.07.2007 hörte der Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Ausweisung an. Mit Schreiben vom 19.07.2007 wurde ergänzend darauf hingewiesen, dass sich die Bedenken am weiteren Aufenthalt des Klägers in Deutschland aus seiner Tätigkeit für die International Sikh Youth Federation (ISYF) ergäben, die von der Europäischen Union als terroristische Organisation eingestuft werde.
Mit Schreiben vom 02.08.2007 wies der Prozessbevollmächtigte des Klägers darauf hin, dass es eine aktuelle Auskunft des Auswärtigen Amtes gebe, nach der die ISYF seit dem Jahr 2000 nicht mehr terroristisch tätig sei. Mit Schreiben vom 20.08.2007 führte der Prozessbevollmächtigte des Klägers aus, von der bloßen Funktionärstätigkeit für die ISYF darauf zu schließen, dass der Kläger sich Handlungen zuschulden kommen lasse, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderliefen, sei bedenklich. Die ISYF werde von den Verfassungsschutzämtern überwacht. Es lägen aber keinerlei konkrete Erkenntnisse über deren Verwicklung in terroristische Aktivitäten vor. Nach den Ermittlungen und Beobachtungen des Auswärtigen Amtes sei die ISYF seit der Jahrtausendwende nicht mehr in terroristische Aktivitäten verwickelt.
Das Regierungspräsidium ... wies den Kläger mit Verfügung vom 14.09.2007 aus der Bundesrepublik Deutschland aus und lehnte seinen Antrag auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vom 04.08.2006 ab.
Zur Begründung wurde ausgeführt, nach § 54 Nr. 5 AufenthG werde ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigten, dass er einer Vereinigung angehöre oder angehört habe, die den Terrorismus unterstütze, oder er eine derartige Vereinigung unterstütze oder unterstützt habe, wobei die Ausweisung auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen nur gestützt werden könne, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründeten. Die ISYF sei eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstütze. Sie habe terroristische Aktivitäten bislang vorwiegend in Indien entwickelt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sei davon auszugehen, dass die ISYF an den Vorbereitungen des Anschlags auf den indischen Botschafter in Bukarest im Jahre 1991 beteiligt gewesen sei. Das Auswärtige Amt führe in seinem Lagebericht Indien vom 19.11.2006 aus, dass die terroristische Gewalt im Punjab seit 2000 nahezu vollständig zum Erliegen gekommen sei und sich die dortige Situation normalisiert habe. Die Angehörigen der verschiedenen militanten Gruppen hätten den Punjab verlassen, operierten jedoch aus anderen Bundesstaaten oder Pakistan. Finanzielle Unterstützung erhielten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland. Deutschland diene hier lebenden Sikh-Extremisten als Ruhe- und Finanzierungsbasis. Die deutsche Sektion der ISYF sammle hauptsächlich Spenden zur Unterstützung der Mutterorganisation in Indien, fördere also den Terrorismus durch Zurverfügungstellung von Geld. Darüber hinaus organisiere sie gemeinsam mit anderen extremistischen Sikh-Gruppen regelmäßig auch überregionale öffentliche Veranstaltungen und Protestdemonstrationen anlässlich indischer Nationalfeiertage. Die ISYF werde von der Europäischen Union als terroristische Organisation angesehen (vgl. Gemeinsamer Standpunkt 2007/448/GASP des Rates vom 28.06.2007). Auch in Indien werde die ISYF als terroristische Organisation in der Anlage zum Unlawful Activities Prevention Act von 1967 eingestuft.
10 
Der Kläger sei Mitglied der ISYF und unterstütze diese. Er sei bereits in Indien für die ISYF tätig gewesen. In ... sei er am 25.04.2005 zum Präsidenten der ISYF gewählt worden. Die Unterstützungshandlungen für die ISYF seien dem Kläger auch zurechenbar. Aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit für die ISYF sowie seiner herausragenden Funktion in dieser Vereinigung seien dem Kläger auch deren terroristische Bestrebungen bekannt. Auch aufgrund seiner Aussagen im Rahmen der Anhörung im Asylverfahren wisse er, dass die ISYF zur Realisierung ihrer Ziele den gewaltsamen Weg befürworte und er legitimiere sogar selbst den Einsatz der Gewalt zur Erreichung eines unabhängigen Khalistan. Es sei nicht erkennbar, dass sich der Kläger von der ISYF oder deren Zielen abgekehrt habe.
11 
Ein besonderer Ausweisungsschutz greife beim Kläger nicht. Ein Ausnahmefall vom Regelfall liege ebenfalls nicht vor. Die Ausweisung sei auch aus generalpräventiven Gründen gerechtfertigt. Eine Atypik folge nicht aus der Lebenssituation des Klägers. Es werde nicht verkannt, dass die Familie des Klägers seit rund sechs Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet lebe und sein in Deutschland geborener Sohn aufgrund eines angeborenen Herzfehlers medizinischer Versorgung bedürfe. Eine nachhaltige wirtschaftliche Integration habe nicht stattgefunden. Seit geraumer Zeit lebe der Kläger von Sozialhilfe. Wegen des bestehenden Abschiebeverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG scheide eine Beendigung seines Aufenthalts derzeit aus. Auch in dem Falle, dass der Kläger Deutschland bei Entfallen einer Foltergefahr verlassen müsse, liege kein Ausnahmefall vor. Eine Trennung von seiner Familie oder eine gemeinsame Rückkehr in das Heimatland wäre aufgrund der von ihm ausgehenden Gefahr nicht unverhältnismäßig. Auch eine gemeinsame Rückkehr mit der Familie stelle keine unverhältnismäßige Härte dar. Das bestehende Abschiebeverbot stelle ebenfalls keinen besonderen Umstand dar, der den Kläger entlaste.
12 
Hilfsweise sei die Ausweisung auch im Ermessenswege und unter Abwägung der in § 55 Abs. 3, § 60 a Abs. 2 AufenthG genannten Kriterien gerechtfertigt (wird ausgeführt). Die Ausweisung stehe auch in Einklang mit Art. 6 GG und Art. 8 EMRK (wird ausgeführt).
13 
Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis sei abzulehnen. Zwar seien die Tatbestandsvoraussetzungen des § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG erfüllt. Einer Erteilung stehe jedoch der besondere Versagungsgrund des § 25 Abs. 3 Satz 2 c AufenthG entgegen. Danach werde eine Aufenthaltserlaubnis nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigten, dass sich der Ausländer Handlungen zuschulden habe kommen lassen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Art. 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert seien, zuwiderliefen. Die Unterstützung terroristischer Vereinigungen widerspreche diesen Zielen und Grundsätzen. Durch die Mitgliedschaft in der ISYF und aufgrund seiner exponierten Aktivitäten für diese terroristische Organisation habe er eine Handlung begangen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufe.
14 
Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG komme ebenfalls nicht in Betracht. § 25 Abs. 3 AufenthG schließe die Anwendbarkeit dieser Vorschrift aus. Zudem sei die Aufenthaltserlaubnis wegen § 5 Abs. 4 AufenthG zwingend zu versagen. Die Verfügung wurde am 27.09.2007 zugestellt.
15 
Der Kläger hat am 29.10.2007, einem Montag, Klage beim Verwaltungsgericht ... erhoben. Zur Begründung trägt der Prozessbevollmächtigte des Klägers vor, § 25 Abs. 3 Satz 2 Buchstabe c AufenthG stehe der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nur entgegen, wenn vom Ausländer eine aktuelle Gefährdung ausgehe. Dies ergebe sich aus dem Sinn und Zweck der Norm, die der Bekämpfung des Terrorismus im Vorfeld diene. Dies werde auch aus der Fassung des § 54 Nr. 5 AufenthG deutlich. Entgegen der Auffassung des Beklagten gehe von der Mitgliedschaft des Klägers in der ISYF derzeit keine Gefährdung für die Ziele der Vereinten Nationen aus. Vermutungen, auch wenn sie auf schwerwiegende Anhaltspunkte gestützt würden, reichten für einen Eingriff in die Rechtsgüter von Personen nicht aus. Der Terrorismusvorbehalt sei eng auszulegen. Selbst bei weiter Auslegung des Terrorismusvorbehalts sei eine gegenwärtige Gefahr durch den Kläger in der ISYF nicht feststellbar. Von dieser Organisation gehe ausweislich der jüngsten Lageberichte des Auswärtigen Amtes keine terroristische Gefahr mehr aus. Vielmehr sei sie seit Jahren nur noch politisch tätig, nicht mehr militant.
16 
Der Kläger beantragt,
17 
den Bescheid des Regierungspräsidiums ... vom 14.09.2007 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.
18 
Der Beklagte beantragt,
19 
die Klage abzuweisen.
20 
Zur Begründung verweist der Beklagte zunächst auf die Begründung des angefochtenen Bescheides. Ergänzend führt er aus, der Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG sei vor dem Hintergrund der Resolution Nr. 1373/2001 des UN-Sicherheitsrats zur Bekämpfung des Terrorismus zu sehen. In den Blick zu nehmen sei auch der gemeinsame Standpunkt des Rates vom 27.12.2001 (2001/931/GASP), der zur Umsetzung der Resolution des UN-Sicherheitsrats beschlossen worden sei. Der Rat sei zu dem Schluss gelangt, dass die ISYF an Handlungen i.S. des gemeinsamen Standpunktes beteiligt gewesen sei und deshalb die Maßnahmen nach der Verordnung 2580/2001/EG nach dem Beschluss des Rates vom 26.01.2009 (2009/62/EG) weiterhin auf die ISYF angewendet werden solle. Die Liste nach Art. 2 Abs. 3 der Verordnung 2580/2001/EG habe als Teil einer Verordnung nach § 249 Abs. 2 EGV unmittelbar geltende Wirkung mit dem Vorrang vor dem Bundesrecht.
21 
Die Kammer hat Beweis erhoben durch Einholung einer Auskunft beim Auswärtigen Amt. Auf den Beweisbeschluss der Kammer vom 23.06.2009 und die Antwort des Auswärtigen Amtes vom 14.09.2009 wird verwiesen.
22 
Der Kammer hat die Ausweisungsakte des Regierungspräsidiums ..., die Ausländerakte der Stadt ... (bis Blatt 529) sowie die Gerichtsakte aus dem Verfahren ... vorgelegen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird darauf sowie auf die Gerichtsakte aus dem Klageverfahren verwiesen.
23 
Der Kläger ist in der mündlichen Verhandlung eingehend zu seinen aktuellen Aktivitäten für die ISYF befragt worden. Fragen wurden teilweise nur auf mehrmaliges Nachfragen ausreichend beantwortet. Als Ergebnis der Befragung des Klägers kann zusammenfassend das Folgende festgehalten werden: Er spiele in der ISYF keine Rolle mehr. Er habe seine Aktivitäten für die ISYF vermindert. Dies sei nach der Geburt seines jüngsten Kindes im Jahr 2007 gewesen, das an einer Herzkrankheit leide. Seit Ende 2007 sei er nicht mehr der Vorsitzende der ISYF in ... Nachfolger in seiner ISYF-Gruppierung in ... sei ... geworden. Daneben gebe es noch eine weitere ISYF-Gruppierung in ... mit ... als Vorsitzendem. Er glaube, dass sein Nachfolger bei einem Treffen im April 2008 bestimmt worden sei. Er gehe noch zu Veranstaltungen und verteile Flyer. Die Veranstaltungen fänden hauptsächlich in ... statt. Mitgliederbeiträge bezahle er nicht, er sei aber noch Mitglied. Er spende Geld für die Herstellung der Flyer. Die Fahrtkosten für die Teilnahme an den Veranstaltungen in ... bezahle er selbst.

Entscheidungsgründe

 
24 
Die - fristgerecht erhobene - Klage ist zulässig und begründet. Die Ausweisung des Klägers ist rechtswidrig (1.). Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG (2.).
1.
25 
Nach § 54 Nr. 5 AufenthG wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat (Halbsatz 1). Auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen kann die Ausweisung nur gestützt werden, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen (Halbsatz 2).
26 
Diese Voraussetzungen liegen im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts nicht vor. § 54 Nr. 5 AufenthG greift nur ein, wenn eine Unterstützung des Terrorismus im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch vorliegt. Hierzu reicht es nicht aus, dass ein Ausländer einer Organisation angehört, die früher den Terrorismus unterstützt hat. Dies folgt schon aus dem Wortlaut des § 54 Nr. 5 Halbsatz 1 AufenthG, der von einer gegenwärtigen Gefahr durch die Stützung des Terrorismus ausgeht („die den Terrorismus unterstützt“). Es folgt auch aus dem Zweck der Ausweisungsvorschriften, die der Gefahrenabwehr in der Zukunft dienen und nicht der bloßen Sanktionierung eines Verhaltens aus der Vergangenheit. Dass die Unterstützung des Terrorismus im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts noch vorliegen muss, folgt auch aus dem Halbsatz 2 des § 54 Nr. 5 AufenthG. Dort wird vorausgesetzt, dass vom Ausländer eine gegenwärtige Gefährlichkeit ausgehen muss, wenn seine Mitgliedschaft oder Unterstützungshandlungen einer den Terrorismus unterstützenden Vereinigung in der Vergangenheit liegen. Die gegenwärtige Gefahr entfällt aber auch dann, wenn die Organisation selbst den Terrorismus nicht mehr unterstützt. Der Nachweis der Unterstützung des Terrorismus ist zwar nicht erforderlich, da es ausreicht, wenn Tatsachen eine solche Schlussfolgerung rechtfertigen. Es müssen aber Tatsachen feststellbar sein, auf die eine solche Schlussfolgerung gestützt werden kann. Der nicht durch Tatsachen belegte Verdacht reicht nicht aus.
27 
Es kann derzeit nicht festgestellt werden, dass die ISYF, deren Mitglied der Kläger noch ist, den Terrorismus (noch) unterstützt. Es kann daher offen bleiben, ob sich der Kläger, der zumindest früher exponierter Funktionär der ISYF in ... war - er wurde im April 2005 zum Vorstand der Unterorganisation der ISYF in ... bestimmt (vgl. Urteil ... ... vom 26.05.2006 - ... -) - in einem Sinne von der ISYF distanziert hat, dass ihm die Unterstützung des Terrorismus durch die ISYF, unterstellt sie würde den Terrorismus noch unterstützen, nicht mehr zugerechnet werden könnte. Käme es darauf an, bestünden auch aufgrund des Verhaltens des Klägers in der mündlichen Verhandlung erhebliche Zweifel daran, ob eine Distanzierung des Klägers von derartigen Zielen der ISYF vorläge. Bei seiner Befragung in der mündlichen Verhandlung gab der Kläger zu Zweifeln an seiner Bereitschaft Anlass, sein Verhältnis zur ISYF ehrlich darzustellen.
28 
Für die Beurteilung der Frage, ob es sich bei der ISYF gegenwärtig um eine Vereinigung handelt, die den Terrorismus unterstützt, wertet die Kammer die ihr zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel aus. Eine rechtliche Bindung an einzelne Erkenntnismittel besteht nicht.
29 
Dies gilt insbesondere für den gemeinsamen Standpunkt 2008/586/GASP des Rates vom 15.07.2008 (ABl. vom 16.07.2008, L 188/71) zur Aktualisierung des gemeinsamen Standpunktes 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung des gemeinsamen Standpunkts 2007/871/GASP. Der gemeinsame Standpunkt 2001/931/GASP des Rates vom 27.12.2001 (vgl. ABl. vom 28.12.2001, L 344/93) enthält einen Anhang mit Personen, Vereinigungen und Körperschaften, auf die der gemeinsame Standpunkt Anwendung findet. Jedenfalls seit der Aktualisierung durch den gemeinsamen Standpunkt 2008/586/GASP gehört auch die International Sikh Youth Federation - ISYF - zu den Gruppen und Organisationen, auf die der genannte gemeinsame Standpunkt Anwendung findet. Die gemeinsamen Standpunkte des Rates beruhen auf Art. 15 EUV. Nach dieser Vorschrift nimmt der Rat gemeinsame Standpunkte an. In den gemeinsamen Standpunkten wird das Konzept der Union für eine bestimmte Frage geografischer oder thematischer Art bestimmt. Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass ihre einzelstaatliche Politik mit dem gemeinsamen Standpunkt in Einklang steht. Aus Art. 15 Satz 3 EUV ist der Schluss zu ziehen, dass eine Bindung der innerstaatlichen Gerichte an Inhalte eines gemeinsamen Standpunktes nicht besteht. Der gemeinsame Standpunkt ist gerichtet an die Mitgliedstaaten, die ihn erst in innerstaatliche Politik umsetzen müssen. Eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über die Bedeutung gemeinsamer Standpunkte liegt, soweit es der Kammer erkennbar ist, nicht vor. In seinem Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - (InfAuslR 2005, 374) hat sich das Bundesverwaltungsgericht zu den gemeinsamen Standpunkten 2005/220/GASP und 2001/931/GASP nur in dem Sinne geäußert, dass der Verwaltungsgerichtshof, an den das Verfahren zurückverwiesen wurde, sich mit den Beschlüssen des Rates der Europäischen Union über Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus befassen müsse. Die Annahme einer rechtlichen Bindungswirkung folgt aus dem Auftrag des Bundesverwaltungsgerichts an den Verwaltungsgerichtshof nicht. Eine Bindungswirkung an einen gemeinsamen Standpunkt wird auch in der Kommentarliteratur nicht vertreten. Diescher in GK-Aufenthaltsgesetz (Loseblattsammlung, Stand Januar 2007, § 54 Rdnr. 435) spricht unter Hinweis auf das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) nur davon, dass der Anhang zum Standpunkt 2001/931/GASP bei der Beurteilung, ob eine Vereinigung den Terrorismus unterstützt, zu berücksichtigen sei.
30 
Die Kammer geht weiter davon aus, dass auch der Beschluss des Rates vom 26.01.2009 zur Durchführung von Art. 2 Abs. 3 der Verordnung EG Nr. 2580/2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung des Beschlusses 2008/583/EG (2009/62/EG, ABl. vom 27.01.2009, L 23/25) für die Beurteilung der Zulässigkeit der Ausweisung des Klägers die Kammer nicht verpflichtet, davon auszugehen, dass es sich bei der ISYF aktuell um eine terroristische Vereinigung handelt. Im Unterschied zum gemeinsamen Standpunkt ist eine EG-Verordnung nach § 249 EGV verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. An dieser Geltung nimmt auch die Liste, die durch den Beschluss des Rates vom 26.01.2009 (2009/62/EG) in Ausübung der Befugnisse aus Art. 2 Abs. 3 der Verordnung 2580/2001/EG aufgestellt wurde, teil. Die Verbindlichkeit der Einordnung der ISYF als terroristische Vereinigung beschränkt sich aber auf die Maßnahmen, die nach der Verordnung 2580/2001/EG zu ergreifen sind. Ausländerrechtliche Maßnahmen wie z.B. die Ausweisung sind in dieser Verordnung nicht geregelt.
31 
Für die hier zu treffende Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Ausweisung des Klägers liefern die Aufnahme der ISYF in die Listen zum oben zitierten gemeinsamen Standpunkt und zur oben zitierten Verordnung der EG Hinweise, die neben anderen Erkenntnisquellen zu würdigen sind.
32 
Das Auswärtige Amt macht in seinen Lageberichten zur ISYF folgende Aussagen:
33 
Lageberichte Indien vom 07.09.2004 (Seite 8) und vom 19.10.2005 (Seite 10)
34 
„Die bekanntesten militanten Oppositionsgruppen, von denen manche auch im Ausland vertreten sind, sind die folgenden:
35 
36 
- Im Zusammenhang mit dem Punjab sind vor allem die Babbar Khalsa, die Khalistan Liberation Force, die International Sikh Youth Federation und die Bhindranwale Tiger Force of Khalistan politisch aktiv (nicht mehr terroristisch), die für einen eigenständigen Staat Khalistan eintreten …“.
37 
Lagebericht Indien vom 06.08.2008
38 
„Nachdem der Terrorismus im Punjab, der auf die Unabhängigkeit von Khalistan abzielte, in den 1980er-Jahren niedergeschlagen wurde, ist die terroristische Gewalt im Punjab seit 2000 nahezu vollständig zum Erliegen gekommen. Ein Anschlag auf ein Kino in Neu-Delhi im Mai 2005, der der Terrorgruppe Babbar Khalsa zugeschrieben wird, hat zu keiner weiteren Gewalt geführt. Die Sikhs, 60% der Bevölkerung des Punjabs, stellen dort einen erheblichen Teil der Beamten, Richter, Soldaten und Sicherheitskräfte. Auch hochrangige Positionen stehen ihnen offen. Die Angehörigen der verschiedenen militanten Gruppen haben den Punjab verlassen und operieren aus anderen Bundesstaaten oder Pakistan. Finanzielle Unterstützung erhalten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland“ (Seite 6).
39 
„Am 21. September 2004 hat die neue Regierung das umstrittene Terrorbekämpfungsgesetz Prevention of Terrorism Act [POTA], 2002, per Regierungsverordnung außer Kraft gesetzt … Die materiell-rechtlichen Regelungen von POTA wurden in den Unlawful Activities Prevention Act (UAA), 1967, überführt … Die unter POTA gelisteten 32 terroristischen Organisationen werden weiterhin als terroristische Vereinigungen eingestuft …“ (Seite 10).
40 
„Die bekanntesten militanten Oppositionsgruppen, von denen manche auch im Ausland vertreten sind, sind die folgenden:
41 
42 
- Im Zusammenhang mit dem Punjab sind vor allem die Babbar Khalsa, die Khalistan Commando Force, die International Sikh Youth Federation und die Khalistan Zindabad Force zu nennen, die für einen eigenständigen Staat Khalistan eintreten …“ (Seite 12).
43 
„Das britische Home Office nennt als weitere bedeutende militante Sikh-Organisationen die Khalistan Commando Force (Paramjit Singh Panjwar Fraktion), Khalistan Commando Force (Zaffarwal und Rajasthai Gruppe), Khalistan Liberation Force, Bhindranwale Tiger Force of Khalistan, All India Sikh Student Federation (Manjit und Mehta Chawla), sowie die Sikh Student Federation“ (Seite 25; nach der Anlage 2 zum Lagebericht gehört die ISYF zu den nach dem UAA als terroristische Organisationen verbotenen Organisationen).
44 
Der Lagebericht Indien des Auswärtigen Amtes vom 04.10.2009 trifft zur vorliegend relevanten Problematik im Wesentlichen nur die Aussage, „Der Sikh-Terrorismus im Punjab ist seit Ende der 1990er-Jahre nahezu zum Erliegen gekommen“. Daneben enthält er unter der Überschrift 1.9 „Exilgruppen“ in Bezug auf die Gruppen, die sich mit der Punjab-Problematik befassen, die gleiche Aufzählung, die oben aus dem Lagebericht des Vorjahres bereits zitiert wurde (Lagebericht vom 04.10.2009, Seite 16 f.).
45 
In der von der Kammer eingeholten Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 14.09.2009 wird das Bild, das sich aus den Lageberichten ergibt, nochmals bestätigt. Dem Auswärtigen Amt liegen keinerlei eigene Erkenntnisse über terroristische Aktivitäten in der ISYF seit dem Jahr 2000 vor.
46 
Der aktuelle Verfassungsschutzbericht 2008 des Bundesministeriums des Innern enthält zu Sikh-Organisationen, zu denen auch die International Sikh Youth Federation gehört, folgende Aussagen:
47 
„Extremistische Organisationen aus dem Spektrum der Religionsgemeinschaft der Sikhs kämpfen seit Jahrzehnten auch mit terroristischen Mitteln dafür, einen unabhängigen Staat „Khalistan“ auf dem Gebiet des nordindischen Bundesstaates Punjab zu errichten. Mit Attentaten gegen Mitglieder der indischen Regierung und terroristischen Anschlägen, die sich bisher überwiegend gegen Einrichtungen und Ziele in Indien richteten, versuchten sie auf ihre politischen Ziele aufmerksam zu machen. Bei diesen Anschlägen ist es immer wieder zu zahlreichen Todesopfern unter der Zivilbevölkerung gekommen.
48 
In Deutschland sind primär die von der EU seit dem 02. Mai 2002 als terroristische Organisationen gelisteten BKI und ISYF mit zusammen ca. 750 Anhängern aktiv. Im Vergleich hierzu ist die KMDI mit ihrer geringen Anhängerschaft und selteneren Aktivität kaum in Erscheinung getreten.
49 
Bisher sind von diesen Organisationen im Bundesgebiet keine terroristischen Aktionen ausgegangen.
50 
Hauptziel dieser Sikh-Gruppierung in Deutschland ist es, die jeweilige Mutterorganisation in Indien propagandistisch und vor allem auch finanziell zu unterstützen. In regelmäßig durchgeführten Versammlungen wird u.a. auch zu Geldspenden aufgerufen. Einen Teil dieser Gelder dürften die Mutterorganisationen in Indien auch zur Finanzierung des bewaffneten Kampfes verwenden. Daneben dienen solche Spendengelder auch zur Unterstützung und materiellen Absicherung von Angehörigen der im bewaffneten Kampf getöteten 'Märtyrer' der Organisation oder zur Finanzierung von Rechtshilfe für inhaftierte Glaubensbrüder“ (Seite 305 und 306).
51 
Der Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2008 enthält folgende Ausführungen:
52 
„5. Sikh-Organisationen
53 
54 
International Sikh Youth Federation (ISYF)… Die Bestrebungen extremistischer Gruppierungen der Sikh, im indischen Bundesstaat Punjab einen eigenen Staat Khalistan (Land der Reinen) zu gründen, führten in den vergangenen 20 Jahren zu unzähligen gewalttätigen Übergriffen von Sikh-Kämpfern und Auseinandersetzungen mit indischen Sicherheitskräften, bei denen eine Vielzahl von Separatisten festgenommen oder getötet wurde. Auch im Jahr 2008 wurden dort wieder Aktivisten der International Sikh Youth Federation (ISYF) und der Babbar Khalsa (BKI) wegen angeblich verübter Bombenanschläge inhaftiert, was aber zur Folge hatte, dass diese Organisationen zumindest im Heimatland vermehrt Zulauf und Sympathisanten erhielten. Terroristische Aktivitäten außerhalb Indiens sind in den letzten Jahren nicht bekannt geworden. Aufgrund ihrer terroristischen Aktivitäten fällt die ISYF in Indien unter den 'Activities Act' vom 22. März 2002 und ist außerdem in Großbritannien durch den 'Terrorism Act 2000' verboten. Da sowohl die Babbar Khalsa (BKI) als auch die ISYF vor Jahren noch außerhalb Indiens am häufigsten im Zusammenhang mit terroristischen Aktionen hervorgetreten sind, wurden beide Gruppierungen von der Europäischen Union in die Liste der terroristischen Organisationen aufgenommen.
55 
… Darüber hinaus nutzten Funktionäre sogenannte Märtyrer-Gedenkveranstaltungen in den Sikh-Tempeln als politische Plattform und zum Aufruf zu Spendensammlungen und Unterstützung der Angehörigen gefallener Kämpfer und der Organisationen in der Heimat“.
56 
Nach dem Home Office Country of Origin Information Report - India vom 12. Mai 2009 gehört die ISYF zu den Organisationen, die im Vereinigten Königreich nach dem „Terrorism Act 2000“ verboten sind (vgl. Seite 133).
57 
Nach Auswertung und Gewichtung dieser Erkenntnismittel kann die Kammer nicht feststellen, dass es sich bei der ISYF um eine Vereinigung handelt, die aktuell den Terrorismus unterstützt oder bei der dies in absehbarer Zeit zu erwarten ist. Das Auswärtige Amt hat seit mindestens 10 Jahren keine Anhaltspunkte dafür, dass die ISYF (noch) terroristisch tätig ist. Der Terrorismus in Punjab, durch den noch Anfang der 90er Jahre zahlreiche Personen ums Leben gekommen sind, ist danach nahezu zum Erliegen gekommen. Dies wurde nochmals auf die Anfrage der Kammer bestätigt. In zwei Lageberichten geht das Auswärtige Amt sogar davon aus, dass die ISYF nur noch politisch tätig sei. Konkrete Hinweise auf terroristische Aktivitäten der ISYF haben die anderen, oben zitierten Erkenntnisquellen nicht bzw. es ist nicht erkennbar, auf welchen konkreten Tatsachen die Einschätzung beruht, die ISYF sei noch terroristisch tätig. Die beiden zitierten Verfassungsschutzberichte erwecken den Eindruck, als gebe es eine kontinuierliche Linie terroristische Aktivitäten der ISYF seit dem Auftreten des Terrorismus zu Beginn der 80er Jahre. Der Verfassungsschutzbericht des Landes Baden-Württemberg spricht von unzähligen gewalttätigen Übergriffen in den vergangen 20 Jahren. Dem Auswärtigen Amt, das die Lage vor Ort beobachtet, sind aber jedenfalls in den letzen 10 Jahren keine solchen Aktivitäten der ISYF bekannt oder sonstiger Vereinigungen im Zusammenhang mit der Khalistan-Frage bekannt geworden. Die Verhaftungen von Aktivisten der ISYF und der BKI in Indien im Jahr 2008, auf die der Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg hinweist, sagen nichts darüber aus, wann es zu den vorgeworfenen Anschlägen gekommen ist. Letztendlich müssen aber Tatsachen die Schlussfolgerung der Unterstützung des Terrorismus rechtfertigen. Solche Tatsachen, die vom Gericht bewertet werden können, liegen im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht vor. Die oben zitierten Erkenntnisse, die die Lage anders als das Auswärtige Amt bewerten, versetzen das Gericht nicht durch Nennung von Tatsachen in die Lage, eine eigene Einschätzung der Situation vorzunehmen. Es reicht nicht aus, dass lediglich nicht ausgeschlossen werden kann, dass es wieder zu terroristischen Aktivitäten kommen kann. Hier ist auch der lange Zeitraum zu würdigen, in dem es keine Anhaltspunkte für terroristische Aktivitäten der ISYF gibt. Insofern hat sich die Lage seit dem Ergehen des Urteils vom 15.10.2003 - ... -, in dem die Kammer noch zu einer anderen Einschätzung gelangt ist, geändert.
58 
Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 54 Abs. 5 AufenthG für eine Regelausweisung nicht vor, gibt es mangels Gefährlichkeit des Klägers auch keinen Anlass für die hilfsweise erfolgte Ermessensausweisung des Klägers.
2.
59 
Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG. Danach soll einem Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG vorliegt. Beim Kläger liegt aufgrund des Urteils ... ... vom 26.05.2006 - ... - ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG vor. Gründe, von der Regel („soll“) des § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG abzuweichen, sind nicht erkennbar.
60 
Ein Ausschlussgrund nach § 25 Abs. 3 Satz 2 AufenthG, insbesondere ein solcher nach § 25 Abs. 3 Satz 2 Buchstabe c AufenthG, liegt nicht vor. Nach der zuletzt genannten Vorschrift wird eine Aufenthaltserlaubnis nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer sich Handlungen hat zuschulden kommen lassen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel oder den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen. Den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen laufen Handlungen zuwider, die geeignet sind, den Terrorismus zu fördern (vgl. Urteil ... ... 15.10.2003 - ...). Solche Handlungen des Klägers lassen sich nicht feststellen. Im Zeitraum, in dem ihm aufgrund einer exponierten Stellung in der ISYF (Präsident der ISYF in ... ab April 2005) den Terrorismus fördernde Handlungen der ISYF hätten zugerechnet werden können (vgl. Urteil ... ... 15.10.2003 - ...), lassen sich aufgrund der obigen Ausführungen nicht feststellen.
61 
Von den Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 und 2 AufenthG ist nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 AufenthG abzusehen.
3.
62 
Das Verfahren hat wegen der Frage der Bedeutung der Anhänge zur Verordnung 2580/2001/EG für das Vorliegen des Regelausweisungsgrundes § 54 Nr. 5 AufenthG und wegen der Frage, ob es sich bei der ISYF um eine Vereinigung handelt, die den Terrorismus fördert, grundsätzliche Bedeutung. Die Berufung ist daher zuzulassen (§ 124a Abs. 1 in Verbindung mit § 124 abs. 2 Nr. 3 VwGO).
63 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO. Die Kammer macht von der Möglichkeit des § 167 Abs. 2 VwGO, das Urteil wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären, keinen Gebrauch.

Gründe

 
24 
Die - fristgerecht erhobene - Klage ist zulässig und begründet. Die Ausweisung des Klägers ist rechtswidrig (1.). Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG (2.).
1.
25 
Nach § 54 Nr. 5 AufenthG wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat (Halbsatz 1). Auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen kann die Ausweisung nur gestützt werden, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen (Halbsatz 2).
26 
Diese Voraussetzungen liegen im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts nicht vor. § 54 Nr. 5 AufenthG greift nur ein, wenn eine Unterstützung des Terrorismus im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch vorliegt. Hierzu reicht es nicht aus, dass ein Ausländer einer Organisation angehört, die früher den Terrorismus unterstützt hat. Dies folgt schon aus dem Wortlaut des § 54 Nr. 5 Halbsatz 1 AufenthG, der von einer gegenwärtigen Gefahr durch die Stützung des Terrorismus ausgeht („die den Terrorismus unterstützt“). Es folgt auch aus dem Zweck der Ausweisungsvorschriften, die der Gefahrenabwehr in der Zukunft dienen und nicht der bloßen Sanktionierung eines Verhaltens aus der Vergangenheit. Dass die Unterstützung des Terrorismus im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts noch vorliegen muss, folgt auch aus dem Halbsatz 2 des § 54 Nr. 5 AufenthG. Dort wird vorausgesetzt, dass vom Ausländer eine gegenwärtige Gefährlichkeit ausgehen muss, wenn seine Mitgliedschaft oder Unterstützungshandlungen einer den Terrorismus unterstützenden Vereinigung in der Vergangenheit liegen. Die gegenwärtige Gefahr entfällt aber auch dann, wenn die Organisation selbst den Terrorismus nicht mehr unterstützt. Der Nachweis der Unterstützung des Terrorismus ist zwar nicht erforderlich, da es ausreicht, wenn Tatsachen eine solche Schlussfolgerung rechtfertigen. Es müssen aber Tatsachen feststellbar sein, auf die eine solche Schlussfolgerung gestützt werden kann. Der nicht durch Tatsachen belegte Verdacht reicht nicht aus.
27 
Es kann derzeit nicht festgestellt werden, dass die ISYF, deren Mitglied der Kläger noch ist, den Terrorismus (noch) unterstützt. Es kann daher offen bleiben, ob sich der Kläger, der zumindest früher exponierter Funktionär der ISYF in ... war - er wurde im April 2005 zum Vorstand der Unterorganisation der ISYF in ... bestimmt (vgl. Urteil ... ... vom 26.05.2006 - ... -) - in einem Sinne von der ISYF distanziert hat, dass ihm die Unterstützung des Terrorismus durch die ISYF, unterstellt sie würde den Terrorismus noch unterstützen, nicht mehr zugerechnet werden könnte. Käme es darauf an, bestünden auch aufgrund des Verhaltens des Klägers in der mündlichen Verhandlung erhebliche Zweifel daran, ob eine Distanzierung des Klägers von derartigen Zielen der ISYF vorläge. Bei seiner Befragung in der mündlichen Verhandlung gab der Kläger zu Zweifeln an seiner Bereitschaft Anlass, sein Verhältnis zur ISYF ehrlich darzustellen.
28 
Für die Beurteilung der Frage, ob es sich bei der ISYF gegenwärtig um eine Vereinigung handelt, die den Terrorismus unterstützt, wertet die Kammer die ihr zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel aus. Eine rechtliche Bindung an einzelne Erkenntnismittel besteht nicht.
29 
Dies gilt insbesondere für den gemeinsamen Standpunkt 2008/586/GASP des Rates vom 15.07.2008 (ABl. vom 16.07.2008, L 188/71) zur Aktualisierung des gemeinsamen Standpunktes 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung des gemeinsamen Standpunkts 2007/871/GASP. Der gemeinsame Standpunkt 2001/931/GASP des Rates vom 27.12.2001 (vgl. ABl. vom 28.12.2001, L 344/93) enthält einen Anhang mit Personen, Vereinigungen und Körperschaften, auf die der gemeinsame Standpunkt Anwendung findet. Jedenfalls seit der Aktualisierung durch den gemeinsamen Standpunkt 2008/586/GASP gehört auch die International Sikh Youth Federation - ISYF - zu den Gruppen und Organisationen, auf die der genannte gemeinsame Standpunkt Anwendung findet. Die gemeinsamen Standpunkte des Rates beruhen auf Art. 15 EUV. Nach dieser Vorschrift nimmt der Rat gemeinsame Standpunkte an. In den gemeinsamen Standpunkten wird das Konzept der Union für eine bestimmte Frage geografischer oder thematischer Art bestimmt. Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass ihre einzelstaatliche Politik mit dem gemeinsamen Standpunkt in Einklang steht. Aus Art. 15 Satz 3 EUV ist der Schluss zu ziehen, dass eine Bindung der innerstaatlichen Gerichte an Inhalte eines gemeinsamen Standpunktes nicht besteht. Der gemeinsame Standpunkt ist gerichtet an die Mitgliedstaaten, die ihn erst in innerstaatliche Politik umsetzen müssen. Eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über die Bedeutung gemeinsamer Standpunkte liegt, soweit es der Kammer erkennbar ist, nicht vor. In seinem Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - (InfAuslR 2005, 374) hat sich das Bundesverwaltungsgericht zu den gemeinsamen Standpunkten 2005/220/GASP und 2001/931/GASP nur in dem Sinne geäußert, dass der Verwaltungsgerichtshof, an den das Verfahren zurückverwiesen wurde, sich mit den Beschlüssen des Rates der Europäischen Union über Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus befassen müsse. Die Annahme einer rechtlichen Bindungswirkung folgt aus dem Auftrag des Bundesverwaltungsgerichts an den Verwaltungsgerichtshof nicht. Eine Bindungswirkung an einen gemeinsamen Standpunkt wird auch in der Kommentarliteratur nicht vertreten. Diescher in GK-Aufenthaltsgesetz (Loseblattsammlung, Stand Januar 2007, § 54 Rdnr. 435) spricht unter Hinweis auf das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) nur davon, dass der Anhang zum Standpunkt 2001/931/GASP bei der Beurteilung, ob eine Vereinigung den Terrorismus unterstützt, zu berücksichtigen sei.
30 
Die Kammer geht weiter davon aus, dass auch der Beschluss des Rates vom 26.01.2009 zur Durchführung von Art. 2 Abs. 3 der Verordnung EG Nr. 2580/2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung des Beschlusses 2008/583/EG (2009/62/EG, ABl. vom 27.01.2009, L 23/25) für die Beurteilung der Zulässigkeit der Ausweisung des Klägers die Kammer nicht verpflichtet, davon auszugehen, dass es sich bei der ISYF aktuell um eine terroristische Vereinigung handelt. Im Unterschied zum gemeinsamen Standpunkt ist eine EG-Verordnung nach § 249 EGV verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. An dieser Geltung nimmt auch die Liste, die durch den Beschluss des Rates vom 26.01.2009 (2009/62/EG) in Ausübung der Befugnisse aus Art. 2 Abs. 3 der Verordnung 2580/2001/EG aufgestellt wurde, teil. Die Verbindlichkeit der Einordnung der ISYF als terroristische Vereinigung beschränkt sich aber auf die Maßnahmen, die nach der Verordnung 2580/2001/EG zu ergreifen sind. Ausländerrechtliche Maßnahmen wie z.B. die Ausweisung sind in dieser Verordnung nicht geregelt.
31 
Für die hier zu treffende Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Ausweisung des Klägers liefern die Aufnahme der ISYF in die Listen zum oben zitierten gemeinsamen Standpunkt und zur oben zitierten Verordnung der EG Hinweise, die neben anderen Erkenntnisquellen zu würdigen sind.
32 
Das Auswärtige Amt macht in seinen Lageberichten zur ISYF folgende Aussagen:
33 
Lageberichte Indien vom 07.09.2004 (Seite 8) und vom 19.10.2005 (Seite 10)
34 
„Die bekanntesten militanten Oppositionsgruppen, von denen manche auch im Ausland vertreten sind, sind die folgenden:
35 
36 
- Im Zusammenhang mit dem Punjab sind vor allem die Babbar Khalsa, die Khalistan Liberation Force, die International Sikh Youth Federation und die Bhindranwale Tiger Force of Khalistan politisch aktiv (nicht mehr terroristisch), die für einen eigenständigen Staat Khalistan eintreten …“.
37 
Lagebericht Indien vom 06.08.2008
38 
„Nachdem der Terrorismus im Punjab, der auf die Unabhängigkeit von Khalistan abzielte, in den 1980er-Jahren niedergeschlagen wurde, ist die terroristische Gewalt im Punjab seit 2000 nahezu vollständig zum Erliegen gekommen. Ein Anschlag auf ein Kino in Neu-Delhi im Mai 2005, der der Terrorgruppe Babbar Khalsa zugeschrieben wird, hat zu keiner weiteren Gewalt geführt. Die Sikhs, 60% der Bevölkerung des Punjabs, stellen dort einen erheblichen Teil der Beamten, Richter, Soldaten und Sicherheitskräfte. Auch hochrangige Positionen stehen ihnen offen. Die Angehörigen der verschiedenen militanten Gruppen haben den Punjab verlassen und operieren aus anderen Bundesstaaten oder Pakistan. Finanzielle Unterstützung erhalten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland“ (Seite 6).
39 
„Am 21. September 2004 hat die neue Regierung das umstrittene Terrorbekämpfungsgesetz Prevention of Terrorism Act [POTA], 2002, per Regierungsverordnung außer Kraft gesetzt … Die materiell-rechtlichen Regelungen von POTA wurden in den Unlawful Activities Prevention Act (UAA), 1967, überführt … Die unter POTA gelisteten 32 terroristischen Organisationen werden weiterhin als terroristische Vereinigungen eingestuft …“ (Seite 10).
40 
„Die bekanntesten militanten Oppositionsgruppen, von denen manche auch im Ausland vertreten sind, sind die folgenden:
41 
42 
- Im Zusammenhang mit dem Punjab sind vor allem die Babbar Khalsa, die Khalistan Commando Force, die International Sikh Youth Federation und die Khalistan Zindabad Force zu nennen, die für einen eigenständigen Staat Khalistan eintreten …“ (Seite 12).
43 
„Das britische Home Office nennt als weitere bedeutende militante Sikh-Organisationen die Khalistan Commando Force (Paramjit Singh Panjwar Fraktion), Khalistan Commando Force (Zaffarwal und Rajasthai Gruppe), Khalistan Liberation Force, Bhindranwale Tiger Force of Khalistan, All India Sikh Student Federation (Manjit und Mehta Chawla), sowie die Sikh Student Federation“ (Seite 25; nach der Anlage 2 zum Lagebericht gehört die ISYF zu den nach dem UAA als terroristische Organisationen verbotenen Organisationen).
44 
Der Lagebericht Indien des Auswärtigen Amtes vom 04.10.2009 trifft zur vorliegend relevanten Problematik im Wesentlichen nur die Aussage, „Der Sikh-Terrorismus im Punjab ist seit Ende der 1990er-Jahre nahezu zum Erliegen gekommen“. Daneben enthält er unter der Überschrift 1.9 „Exilgruppen“ in Bezug auf die Gruppen, die sich mit der Punjab-Problematik befassen, die gleiche Aufzählung, die oben aus dem Lagebericht des Vorjahres bereits zitiert wurde (Lagebericht vom 04.10.2009, Seite 16 f.).
45 
In der von der Kammer eingeholten Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 14.09.2009 wird das Bild, das sich aus den Lageberichten ergibt, nochmals bestätigt. Dem Auswärtigen Amt liegen keinerlei eigene Erkenntnisse über terroristische Aktivitäten in der ISYF seit dem Jahr 2000 vor.
46 
Der aktuelle Verfassungsschutzbericht 2008 des Bundesministeriums des Innern enthält zu Sikh-Organisationen, zu denen auch die International Sikh Youth Federation gehört, folgende Aussagen:
47 
„Extremistische Organisationen aus dem Spektrum der Religionsgemeinschaft der Sikhs kämpfen seit Jahrzehnten auch mit terroristischen Mitteln dafür, einen unabhängigen Staat „Khalistan“ auf dem Gebiet des nordindischen Bundesstaates Punjab zu errichten. Mit Attentaten gegen Mitglieder der indischen Regierung und terroristischen Anschlägen, die sich bisher überwiegend gegen Einrichtungen und Ziele in Indien richteten, versuchten sie auf ihre politischen Ziele aufmerksam zu machen. Bei diesen Anschlägen ist es immer wieder zu zahlreichen Todesopfern unter der Zivilbevölkerung gekommen.
48 
In Deutschland sind primär die von der EU seit dem 02. Mai 2002 als terroristische Organisationen gelisteten BKI und ISYF mit zusammen ca. 750 Anhängern aktiv. Im Vergleich hierzu ist die KMDI mit ihrer geringen Anhängerschaft und selteneren Aktivität kaum in Erscheinung getreten.
49 
Bisher sind von diesen Organisationen im Bundesgebiet keine terroristischen Aktionen ausgegangen.
50 
Hauptziel dieser Sikh-Gruppierung in Deutschland ist es, die jeweilige Mutterorganisation in Indien propagandistisch und vor allem auch finanziell zu unterstützen. In regelmäßig durchgeführten Versammlungen wird u.a. auch zu Geldspenden aufgerufen. Einen Teil dieser Gelder dürften die Mutterorganisationen in Indien auch zur Finanzierung des bewaffneten Kampfes verwenden. Daneben dienen solche Spendengelder auch zur Unterstützung und materiellen Absicherung von Angehörigen der im bewaffneten Kampf getöteten 'Märtyrer' der Organisation oder zur Finanzierung von Rechtshilfe für inhaftierte Glaubensbrüder“ (Seite 305 und 306).
51 
Der Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2008 enthält folgende Ausführungen:
52 
„5. Sikh-Organisationen
53 
54 
International Sikh Youth Federation (ISYF)… Die Bestrebungen extremistischer Gruppierungen der Sikh, im indischen Bundesstaat Punjab einen eigenen Staat Khalistan (Land der Reinen) zu gründen, führten in den vergangenen 20 Jahren zu unzähligen gewalttätigen Übergriffen von Sikh-Kämpfern und Auseinandersetzungen mit indischen Sicherheitskräften, bei denen eine Vielzahl von Separatisten festgenommen oder getötet wurde. Auch im Jahr 2008 wurden dort wieder Aktivisten der International Sikh Youth Federation (ISYF) und der Babbar Khalsa (BKI) wegen angeblich verübter Bombenanschläge inhaftiert, was aber zur Folge hatte, dass diese Organisationen zumindest im Heimatland vermehrt Zulauf und Sympathisanten erhielten. Terroristische Aktivitäten außerhalb Indiens sind in den letzten Jahren nicht bekannt geworden. Aufgrund ihrer terroristischen Aktivitäten fällt die ISYF in Indien unter den 'Activities Act' vom 22. März 2002 und ist außerdem in Großbritannien durch den 'Terrorism Act 2000' verboten. Da sowohl die Babbar Khalsa (BKI) als auch die ISYF vor Jahren noch außerhalb Indiens am häufigsten im Zusammenhang mit terroristischen Aktionen hervorgetreten sind, wurden beide Gruppierungen von der Europäischen Union in die Liste der terroristischen Organisationen aufgenommen.
55 
… Darüber hinaus nutzten Funktionäre sogenannte Märtyrer-Gedenkveranstaltungen in den Sikh-Tempeln als politische Plattform und zum Aufruf zu Spendensammlungen und Unterstützung der Angehörigen gefallener Kämpfer und der Organisationen in der Heimat“.
56 
Nach dem Home Office Country of Origin Information Report - India vom 12. Mai 2009 gehört die ISYF zu den Organisationen, die im Vereinigten Königreich nach dem „Terrorism Act 2000“ verboten sind (vgl. Seite 133).
57 
Nach Auswertung und Gewichtung dieser Erkenntnismittel kann die Kammer nicht feststellen, dass es sich bei der ISYF um eine Vereinigung handelt, die aktuell den Terrorismus unterstützt oder bei der dies in absehbarer Zeit zu erwarten ist. Das Auswärtige Amt hat seit mindestens 10 Jahren keine Anhaltspunkte dafür, dass die ISYF (noch) terroristisch tätig ist. Der Terrorismus in Punjab, durch den noch Anfang der 90er Jahre zahlreiche Personen ums Leben gekommen sind, ist danach nahezu zum Erliegen gekommen. Dies wurde nochmals auf die Anfrage der Kammer bestätigt. In zwei Lageberichten geht das Auswärtige Amt sogar davon aus, dass die ISYF nur noch politisch tätig sei. Konkrete Hinweise auf terroristische Aktivitäten der ISYF haben die anderen, oben zitierten Erkenntnisquellen nicht bzw. es ist nicht erkennbar, auf welchen konkreten Tatsachen die Einschätzung beruht, die ISYF sei noch terroristisch tätig. Die beiden zitierten Verfassungsschutzberichte erwecken den Eindruck, als gebe es eine kontinuierliche Linie terroristische Aktivitäten der ISYF seit dem Auftreten des Terrorismus zu Beginn der 80er Jahre. Der Verfassungsschutzbericht des Landes Baden-Württemberg spricht von unzähligen gewalttätigen Übergriffen in den vergangen 20 Jahren. Dem Auswärtigen Amt, das die Lage vor Ort beobachtet, sind aber jedenfalls in den letzen 10 Jahren keine solchen Aktivitäten der ISYF bekannt oder sonstiger Vereinigungen im Zusammenhang mit der Khalistan-Frage bekannt geworden. Die Verhaftungen von Aktivisten der ISYF und der BKI in Indien im Jahr 2008, auf die der Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg hinweist, sagen nichts darüber aus, wann es zu den vorgeworfenen Anschlägen gekommen ist. Letztendlich müssen aber Tatsachen die Schlussfolgerung der Unterstützung des Terrorismus rechtfertigen. Solche Tatsachen, die vom Gericht bewertet werden können, liegen im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht vor. Die oben zitierten Erkenntnisse, die die Lage anders als das Auswärtige Amt bewerten, versetzen das Gericht nicht durch Nennung von Tatsachen in die Lage, eine eigene Einschätzung der Situation vorzunehmen. Es reicht nicht aus, dass lediglich nicht ausgeschlossen werden kann, dass es wieder zu terroristischen Aktivitäten kommen kann. Hier ist auch der lange Zeitraum zu würdigen, in dem es keine Anhaltspunkte für terroristische Aktivitäten der ISYF gibt. Insofern hat sich die Lage seit dem Ergehen des Urteils vom 15.10.2003 - ... -, in dem die Kammer noch zu einer anderen Einschätzung gelangt ist, geändert.
58 
Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 54 Abs. 5 AufenthG für eine Regelausweisung nicht vor, gibt es mangels Gefährlichkeit des Klägers auch keinen Anlass für die hilfsweise erfolgte Ermessensausweisung des Klägers.
2.
59 
Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG. Danach soll einem Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG vorliegt. Beim Kläger liegt aufgrund des Urteils ... ... vom 26.05.2006 - ... - ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG vor. Gründe, von der Regel („soll“) des § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG abzuweichen, sind nicht erkennbar.
60 
Ein Ausschlussgrund nach § 25 Abs. 3 Satz 2 AufenthG, insbesondere ein solcher nach § 25 Abs. 3 Satz 2 Buchstabe c AufenthG, liegt nicht vor. Nach der zuletzt genannten Vorschrift wird eine Aufenthaltserlaubnis nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer sich Handlungen hat zuschulden kommen lassen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel oder den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen. Den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen laufen Handlungen zuwider, die geeignet sind, den Terrorismus zu fördern (vgl. Urteil ... ... 15.10.2003 - ...). Solche Handlungen des Klägers lassen sich nicht feststellen. Im Zeitraum, in dem ihm aufgrund einer exponierten Stellung in der ISYF (Präsident der ISYF in ... ab April 2005) den Terrorismus fördernde Handlungen der ISYF hätten zugerechnet werden können (vgl. Urteil ... ... 15.10.2003 - ...), lassen sich aufgrund der obigen Ausführungen nicht feststellen.
61 
Von den Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 und 2 AufenthG ist nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 AufenthG abzusehen.
3.
62 
Das Verfahren hat wegen der Frage der Bedeutung der Anhänge zur Verordnung 2580/2001/EG für das Vorliegen des Regelausweisungsgrundes § 54 Nr. 5 AufenthG und wegen der Frage, ob es sich bei der ISYF um eine Vereinigung handelt, die den Terrorismus fördert, grundsätzliche Bedeutung. Die Berufung ist daher zuzulassen (§ 124a Abs. 1 in Verbindung mit § 124 abs. 2 Nr. 3 VwGO).
63 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO. Die Kammer macht von der Möglichkeit des § 167 Abs. 2 VwGO, das Urteil wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären, keinen Gebrauch.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Der Ausländer ist verpflichtet, seine Belange und für ihn günstige Umstände, soweit sie nicht offenkundig oder bekannt sind, unter Angabe nachprüfbarer Umstände unverzüglich geltend zu machen und die erforderlichen Nachweise über seine persönlichen Verhältnisse, sonstige erforderliche Bescheinigungen und Erlaubnisse sowie sonstige erforderliche Nachweise, die er erbringen kann, unverzüglich beizubringen. Die Ausländerbehörde kann ihm dafür eine angemessene Frist setzen. Sie setzt ihm eine solche Frist, wenn sie die Bearbeitung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels wegen fehlender oder unvollständiger Angaben aussetzt, und benennt dabei die nachzuholenden Angaben. Nach Ablauf der Frist geltend gemachte Umstände und beigebrachte Nachweise können unberücksichtigt bleiben. Der Ausländer, der eine ICT-Karte nach § 19b beantragt hat, ist verpflichtet, der zuständigen Ausländerbehörde jede Änderung mitzuteilen, die während des Antragsverfahrens eintritt und die Auswirkungen auf die Voraussetzungen der Erteilung der ICT-Karte hat.

(2) Absatz 1 findet im Widerspruchsverfahren entsprechende Anwendung.

(3) Der Ausländer soll auf seine Pflichten nach Absatz 1 sowie seine wesentlichen Rechte und Pflichten nach diesem Gesetz, insbesondere die Verpflichtungen aus den §§ 44a, 48, 49 und 81 hingewiesen werden. Im Falle der Fristsetzung ist er auf die Folgen der Fristversäumung hinzuweisen.

(4) Soweit es zur Vorbereitung und Durchführung von Maßnahmen nach diesem Gesetz und nach ausländerrechtlichen Bestimmungen in anderen Gesetzen erforderlich ist, kann angeordnet werden, dass ein Ausländer bei der zuständigen Behörde sowie den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich erscheint sowie eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung der Reisefähigkeit durchgeführt wird. Kommt der Ausländer einer Anordnung nach Satz 1 nicht nach, kann sie zwangsweise durchgesetzt werden. § 40 Abs. 1 und 2, die §§ 41, 42 Abs. 1 Satz 1 und 3 des Bundespolizeigesetzes finden entsprechende Anwendung.

(5) Der Ausländer, für den nach diesem Gesetz, dem Asylgesetz oder den zur Durchführung dieser Gesetze erlassenen Bestimmungen ein Dokument ausgestellt werden soll, hat auf Verlangen

1.
ein aktuelles Lichtbild nach Maßgabe einer nach § 99 Abs. 1 Nr. 13 und 13a erlassenen Rechtsverordnung vorzulegen oder bei der Aufnahme eines solchen Lichtbildes mitzuwirken und
2.
bei der Abnahme seiner Fingerabdrücke nach Maßgabe einer nach § 99 Absatz 1 Nummer 13 und 13a erlassenen Rechtsverordnung mitzuwirken.
Das Lichtbild und die Fingerabdrücke dürfen in Dokumente nach Satz 1 eingebracht und von den zuständigen Behörden zur Sicherung und einer späteren Feststellung der Identität verarbeitet werden.

(6) Ausländer, die im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach Kapitel 2 Abschnitt 3 oder 4 sind, sind verpflichtet, der zuständigen Ausländerbehörde innerhalb von zwei Wochen ab Kenntnis mitzuteilen, dass die Ausbildung oder die Erwerbstätigkeit, für die der Aufenthaltstitel erteilt wurde, vorzeitig beendet wurde. Der Ausländer ist bei Erteilung des Aufenthaltstitels über seine Verpflichtung nach Satz 1 zu unterrichten.

(1) Im Sinne dieses Gesetzes beeinträchtigt den Bestand der Bundesrepublik Deutschland, wer ihre Freiheit von fremder Botmäßigkeit aufhebt, ihre staatliche Einheit beseitigt oder ein zu ihr gehörendes Gebiet abtrennt.

(2) Im Sinne dieses Gesetzes sind Verfassungsgrundsätze

1.
das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen,
2.
die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht,
3.
das Recht auf die Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition,
4.
die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung,
5.
die Unabhängigkeit der Gerichte und
6.
der Ausschluß jeder Gewalt- und Willkürherrschaft.

(3) Im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
Bestrebungen gegen den Bestand der Bundesrepublik Deutschland solche Bestrebungen, deren Träger darauf hinarbeiten, den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen (Absatz 1),
2.
Bestrebungen gegen die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland solche Bestrebungen, deren Träger darauf hinarbeiten, die äußere oder innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen,
3.
Bestrebungen gegen Verfassungsgrundsätze solche Bestrebungen, deren Träger darauf hinarbeiten, einen Verfassungsgrundsatz (Absatz 2) zu beseitigen, außer Geltung zu setzen oder zu untergraben.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.

(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.

(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

(1) Vereine, deren Mitglieder oder Leiter sämtlich oder überwiegend Ausländer sind (Ausländervereine), können über die in Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes genannten Gründe hinaus unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 verboten werden. Vereine, deren Mitglieder oder Leiter sämtlich oder überwiegend ausländische Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union sind, gelten nicht als Ausländervereine. § 3 Abs. 1 Satz 2 und § 12 Abs. 1 und 2 sind mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Beschlagnahme und die Einziehung von Forderungen und Sachen Dritter auch im Falle des Absatzes 2 zulässig sind.

(2) Ausländervereine können verboten werden, soweit ihr Zweck oder ihre Tätigkeit

1.
die politische Willensbildung in der Bundesrepublik Deutschland oder das friedliche Zusammenleben von Deutschen und Ausländern oder von verschiedenen Ausländergruppen im Bundesgebiet, die öffentliche Sicherheit oder Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet,
2.
den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland zuwiderläuft,
3.
Bestrebungen außerhalb des Bundesgebiets fördert, deren Ziele oder Mittel mit den Grundwerten einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung unvereinbar sind,
4.
Gewaltanwendung als Mittel zur Durchsetzung politischer, religiöser oder sonstiger Belange unterstützt, befürwortet oder hervorrufen soll oder
5.
Vereinigungen innerhalb oder außerhalb des Bundesgebiets unterstützt, die Anschläge gegen Personen oder Sachen veranlassen, befürworten oder androhen.

(3) Anstelle des Vereinsverbots kann die Verbotsbehörde gegenüber Ausländervereinen Betätigungsverbote erlassen, die sie auch auf bestimmte Handlungen oder bestimmte Personen beschränken kann. Im übrigen bleiben Ausländervereinen gegenüber die gesetzlichen Vorschriften zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung unberührt.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

Auf die Berufung des Klägers wird die Beklagte unter Abänderung des aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 7. Februar 2008 ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz sowie unter entsprechender Aufhebung ihres Asylbescheides vom 9. Oktober 2008 verpflichtet, dem Kläger gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der im Jahr 1972 in der Provinz M. geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit; er begehrt die Zuerkennung seiner Flüchtlingseigenschaft gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG.

2

Der Kläger reiste Anfang 2006 in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er alsbald um die Gewährung von Asyl nachsuchte. Zur Begründung machte er geltend: Er habe ab 1990 in E. ein Lehramtsstudium aufgenommen gehabt. Dort sei er in den Jahren 1991 und 1992 wegen der Teilnahme an einem Newrozfest und einer Demonstration zweimal verhaftet worden. Zu seiner neuerlichen Verhaftung sei es sodann im Februar 1994 im Rahmen einer Razzia in seinem Heimatdorf gekommen; offenbar sei er damals den Sicherheitskräften bereits als prokurdischer Aktivist bekannt gewesen, weswegen sie an ihm ein Exempel hätten statuieren wollen. Im gleichen Jahr sei er nochmals in E. im Zusammenhang mit dem Besuch eines PKK-Aktivisten verhaftet worden. Ebenfalls im Jahr 1994 hätten die Sicherheitskräfte in seinem Heimatdorf die meisten der dortigen Häuser, darunter auch das Haus seiner Familie niedergebrannt; diese sei daraufhin nach Istanbul umgesiedelt. Im Jahr 1996 sei er im Rahmen der Suche nach zwei Cousins, die in Österreich um Asyl nachgesucht gehabt hätten, erneut verhaftet worden; einer dieser Cousins sei später in die Türkei zurückgekehrt und getötet worden.

3

Angesichts dieser Vorkommnisse habe er sich im Jahr 1996 der PKK als Milizionär angeschlossen; seine Aufgabe sei es gewesen, Zeitungen und Bücher der Organisation von Istanbul nach E. zu bringen und zu verteilen. Ende 1996/Anfang 1997 sei ein in diesem Verteilersystem tätiger Freund verhaftet und er selbst daraufhin gesucht worden. Er sei deshalb untergetaucht und habe in der Folgezeit mit einem gefälschten Nüfus relativ sicher in Istanbul gelebt. Er habe schon damals den Gedanken gehabt, sich nach Europa abzusetzen, wofür ihm jedoch das Geld gefehlt habe. Angesichts dessen habe er sich an die PKK gewandt, die ihm jedoch mitgeteilt habe, dass sie nur ihre Kader bei der Ausreise unterstütze. Daraufhin habe er sich der PKK endgültig - allerdings nicht als Kämpfer - angeschlossen. Nach vorangegangener Schulung sei er ab September 1998 im Camp M. im Irak als Lehrer in erster Linie für die kurdische Sprache eingesetzt worden. Als solcher habe er die Schüler bei der Herausgabe von Campzeitungen unterstützt sowie von der PKK stammende ideologische Informationen verbreitet. Außerdem habe er im Jahr 2003 unter seinem Namen für den Fernsehsender BBC Türkce Servisi ein Interview gegeben; daneben sei er auch sonst bei verschiedenen Fernsehberichten über das Lager - so etwa des Senders ROJ–TV - zu sehen gewesen. Unterdessen habe er von seiner Familie erfahren, dass die Sicherheitskräfte nach ihm gesucht hätten und von seinem Aufenthalt im Camp wüssten sowie dass seine beiden Brüder L. und K. wegen angeblicher Kontakte mit ihm aus dem Staatsdienst entlassen worden seien; außerdem sei sein Bruder L. in den Jahren 2000 und 2001 mehrmals von den Sicherheitskräften festgenommen und misshandelt worden.

4

Im April 2005 habe ihn die PKK ohne klaren Auftrag nach Europa geschickt; er sei jedoch in Ungarn verhaftet und nach seinem Reiseweg befragt worden, den er auch preisgegeben habe. Die Behörden hätten ihm zunächst seine Überstellung an die türkische Botschaft angedroht, ihn dann aber unter der Auflage, sich als Asylbewerber zu melden, laufen gelassen. Er habe sich daraufhin mit der PKK in Verbindung gesetzt, die ihn im Mai 2005 zurückgeholt habe. Er sei von dieser nunmehr als Verräter angesehen worden, weswegen er zur Disziplinierung in den Bergen habe eingesetzt werden sollen. Zuvor habe man ihm jedoch einen Übersetzungsauftrag für zwei Monate erteilt. Unterdessen habe er sich von der PKK gelöst und sei nach M. gegangen, wo er eigentlich habe bleiben wollen. Dort sei nunmehr jedoch von Seiten der PDK Druck auf ihn ausgeübt worden. Diese habe seinen Hintergrund gekannt und ihn zu einer Zusammenarbeit mit ihr veranlassen wollen. Angesichts dessen habe er sich schließlich zur Ausreise entschlossen, die nunmehr ohne die Unterstützung der PKK über die Türkei und Istanbul auf dem Landweg erfolgt sei.

5

Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Asylbescheid vom 9. Oktober 2007 ab. Außerdem stellte sie fest, dass beim Kläger die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG sowie Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorlägen. Zugleich wurde der Kläger unter der Androhung seiner Abschiebung zur Ausreise in die Türkei aufgefordert. Zur Begründung führte die Beklagte aus: Der Kläger könne schon deshalb kein Asyl beanspruchen, weil er auf dem Landwege eingereist sei. Überdies stehe ihm aber auch kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu. Insofern sei dem Kläger entgegenzuhalten, dass er einerseits eine Nähe zum PKK-Kader darzustellen und andererseits sich aber so einzulassen versuche, als habe er stets Distanz zur PKK gewahrt bzw. sich zuletzt sogar von ihr getrennt. Damit wolle er seine Anerkennung als politischer Flüchtling erreichen, zugleich aber das Eingreifen des § 60 Abs. 8 AufenthG verhindern. Von daher bleibe glaubhaft allein seine Lehrertätigkeit im Lager M., die als solche jedoch nicht zu einer verfolgungserheblichen Gefährdung führe. Nach der Erkenntnislage seien die Aktivitäten im Lager öffentlich; damit sei allgemein bekannt, wer PKK-Kader sei und wer nicht. Auch für die türkischen Sicherheitskräfte sei es daher ein Leichtes, die erforderlichen Informationen über den Kläger zu gewinnen; mithin wüssten sie ebenfalls von seiner Distanz zur PKK. Die Unglaubhaftigkeit beziehe sich auch auf die angebliche frühere Tätigkeit des Klägers für die PKK als Milizionär in den Jahren 1996 und 1997 noch in der Türkei selbst. Die Repressalien vor 1995 seien schon deshalb irrelevant, weil der Kläger vor ihnen in Istanbul hinreichend sicher gewesen sei bzw. sie auch nicht kausal für seine Ausreise gewesen seien.

6

Mit seiner am 6. November 2007 erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren auf die Zuerkennung seiner Flüchtlingseigenschaft bzw. die Gewährung von sonstigem Abschiebungsschutz weiter verfolgt. Hierzu hat er geltend gemacht: Er sei den türkischen Sicherheitskräften seit vielen Jahren als Anhänger und Aktivist der PKK bekannt. Im Hinblick darauf wie auch auf seine Tätigkeit im Camp M. bestehe ein erhebliches Ausforschungsinteresse an seiner Person. Dieses Interesse werde durch das Vorgehen des türkischen Staates gegen seine Familie bestätigt. Die Lage in der Türkei sei weiterhin von einer rücksichtlosen und menschenrechtswidrigen Unterdrückung der Kurden geprägt. Außerdem hat der Kläger zum Beleg für die Richtigkeit seines Vorbringens zahlreiche Zeugen benannt, die seine prokurdischen Aktivitäten, die von ihm erlittenen Übergriffe und die sich bis in die jüngste Zeit hinein erstreckenden Repressalien gegenüber seinem Bruder L. bestätigen könnten. Des Weiteren hat er darum nachgesucht, zur Richtigkeit seines Vorbringens bezüglich seiner Tätigkeiten im Camp M., zur Art seiner Zugehörigkeit zur PKK sowie zur Kenntnis der türkischen Stellen hinsichtlich der im Lager Camp M. für diese Organisation tätigen Aktivisten ein Sachverständigengutachten einzuholen.

7

Mit Urteil vom 7. Februar 2008 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Asylbescheid sei rechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere sei ihm darin zu folgen, dass der Kläger zu seinem Verhältnis zur PKK unterschiedliche Angaben gemacht habe, zumal er diese Unstimmigkeiten gerade in Bezug auf eine etwaige Kadertätigkeit in der mündlichen Verhandlung noch vertieft habe. Ebenso treffe es - wie der Asylbescheid weiter dargelegt habe - zu, dass der Aufenthalt des Klägers im Lager Camp M. nicht zu einer Gefährdung seiner Person führe. Tatsächlich müssten mit einer politischen Verfolgung wegen prokurdischer Tätigkeiten lediglich herausragende Multiplikatoren im Sinne ernstzunehmender politischer Gegner des türkischen Staates rechnen, zu denen der Kläger jedoch nach seiner eigenen Darstellung nicht gehöre. Auch der Umstand, dass die Sicherheitskräfte bei seinen Brüdern Informationen zu seiner Person und seinem Aufenthalt eingeholt hätten, belege keine gezielte Fahndung nach ihm, zumal der Kläger selbst nicht behaupte, dass etwa gegen ihn ein Ermittlungsverfahren laufe oder ein Haftbefehl bestehe.

8

Gegen dieses Urteil hat der Kläger die vom Senat zugelassene Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt und ergänzt er sein bisheriges Vorbringen. Namentlich regt er abermals an, die schon im erstinstanzlichen Verfahren benannten Zeugen zu hören und die erbetenen Sachverständigenauskünfte einzuholen. Im Übrigen verweist er darauf, dass sich in jüngster Zeit in der Türkei die allgemeine Menschrechtslage wie gerade auch die Lage der Kurden und prokurdischen Aktivisten weiter verschlechtert habe.

9

Der Kläger beantragt,

10

die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 7. Februar 2008 und unter Aufhebung des Asylbescheides vom 9. Oktober 2008 zu verpflichten, für ihn die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG, hilfsweise das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG festzustellen.

11

Die Beklagte beantragt,

12

die Berufung zurückzuweisen.

13

Zur Begründung beruft sie sich auf den Inhalt des Asylbescheides wie auch des angefochtenen Urteils; außerdem tritt sie dem Vorbringen des Klägers mit ergänzenden Ausführungen entgegen.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze sowie auf die das Verfahren betreffenden Verwaltungsakten Bezug genommen. Diese Vorgänge sowie die in das Verfahren eingeführten Erkenntnisse lagen dem Senat vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

15

Die Berufung ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage nicht abweisen dürfen, da der Kläger die Feststellung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1, 4, 5 und 6 AufenthG i. V. m. Art. 4 Abs. 4 sowie Art. 7 bis 10 der QualRL und § 31 Abs. 2 AsylVfG wegen eines für ihn hinsichtlich der Türkei bestehenden Abschiebungsverbotes verlangen kann.

16

Hiernach hat Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft der Ausländer, dem bei einer Rückkehr in seine Heimat aus politischen Gründen Verfolgungsmaßnahmen mit Gefahr für Leib und Leben oder Beeinträchtigungen seiner persönlichen Freiheit oder aber sonstige Eingriffe in andere Grundfreiheiten drohen, die nach ihrer Intensität und Schwere die Menschenwürde verletzen. Diese Verfolgung ist als politisch anzusehen, wenn sie in Anknüpfung an die asylerheblichen Merkmale der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung des Betroffenen erfolgt, weil sie alsdann den Einzelnen aus der übergreifenden Friedensordnung des Staates ausgrenzt und ihm zugleich Anlass gibt, in begründeter Furcht vor einer ausweglosen Lage außerhalb seines Heimatlandes Schutz zu suchen. Die Gefahr einer derartigen Verfolgung setzt weiter voraus, dass diese Maßnahmen den Schutzsuchenden unter Zugrundelegung einer auf einen absehbaren Zeitraum ausgerichteten Zukunftsprognose mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen oder aber dass sie für ihn nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden können, nachdem er in der Vergangenheit bereits politische Verfolgung erlitten hat. Wer von nur regionaler politischer Verfolgung betroffen war bzw. ist, ist allerdings erst dann als vorverfolgt bzw. verfolgt anzusehen, wenn er dadurch landesweit in eine ausweglose Lage versetzt wird. Das ist der Fall, wenn er in anderen Teilen seines Heimatlandes eine zumutbare Fluchtalternative nicht finden kann. Diese Fragen sind - bis auf die der Vorverfolgung und des Bestehens einer inländischen Fluchtalternative vor der Ausreise - nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, also zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu beurteilen.

17

Dabei geht der Senat vorliegend wie auch schon in seiner jüngeren Rechtsprechung davon aus, dass Aktivisten der PKK - ungeachtet der Bestrebungen des türkischen Staates nach einer weiteren Demokratisierung und Stärkung der Rechtsstaatlichkeit - jedenfalls dann, wenn sie ein entsprechend nachhaltiges Engagement an den Tag legen und damit als exponierte und ernstzunehmende Gegner des türkischen Staates in Erscheinung getreten sind, nach wie vor schwerwiegende - unmenschliche oder erniedrigende - Übergriffe drohen. Darunter sind in Sonderheit solche Aktivisten zu verstehen, die entweder politische Ideen und Strategien entwickeln oder zur Umsetzung solcher Ideen und Strategien Einfluss auf ihre Landsleute nehmen oder sonstige auf eine entsprechende Breitenwirkung zielende Funktionen übernehmen. Diese Schwelle wird dabei etwa dann überschritten, wenn die Betreffenden entweder als Auslöser prokurdischer Aktivitäten, als Organisator von Veranstaltungen oder als Anstifter oder Aufwiegler auftreten oder wenn ihre Vorgehensweisen bzw. Verlautbarungen die Vermutung nahe legen, sie verfügten über besondere Kenntnisse der prokurdischen Szene oder seien gar als Funktionäre in die PKK eingebunden. Gleiches gilt schließlich erst recht, wenn die Betreffenden wegen eines solchen Engagements bereits auffällig geworden waren bzw. dieserhalb gegen sie gegebenenfalls sogar ein Ermittlungsverfahren anhängig ist (vgl. dazu Urteile des Senates vom 12. März 2005 - 10 A 11952/03.OVG - und in dessen Fortführung vom 18. November 2005 - 10 A 10580/05.OVG -).

18

In diesem Zusammenhang war für den Senat bestimmend gewesen, dass seit der Wiederaufnahme des bewaffneten Kampfes durch die PKK im Mai 2005 bzw. im Rahmen der dadurch ausgelösten Operationen der staatlichen Sicherheitskräfte auf beiden Seiten wieder Tote zu beklagen waren und die Sicherheitskräfte es vor diesem Hintergrund erneut zu unkontrollierten Handlungen und Übergriffen gegenüber Aktivisten der PKK bis hin zu einer Wiederaufnahme der schon früher eingesetzten Unterdrückungsmechanismen gegenüber der kurdischen Bevölkerung hatten kommen lassen.

19

Diese Konfliktsituation war in der Folgezeit weiter eskaliert. Die Eskalation setzte dabei nach einem von Gendarmerieangehörigen durchgeführten Anschlag auf das Geschäft eines ehemaligen PKK-Mitgliedes nebst den diesem Anschlag nachfolgenden Begleitumständen sowie nach der Tötung von vier in einem Gefecht von den türkischen Sicherheitskräften getöteten PKK-Kämpfern Ende 2005 ein. Sie breitete sich rasch aus und führte im März 2006 zu gewalttätigen Ausschreitungen zwischen oft mehreren 1000 Demonstranten aus dem Umfeld der PKK sowie den türkischen Sicherheitskräften, in deren Verlauf es in der gesamten Türkei zu mindestens 15 Todesopfern sowie mehr als 350 Verletzten kam. Gleichzeitig begann die PKK wieder verstärkt Bombenanschläge gegen touristische Ziele in der Türkei zu verüben, so im April 2006 in Istanbul, im August 2006 in Marmaris, Istanbul und Antalya sowie im Mai 2007 in Ankara mit ebenfalls mehreren Todesopfern und zahlreichen Verletzten. Während die PKK seitdem von ihren im Nordirak gelegenen Stützpunkten aus verstärkt junge Kurden als Kämpfer zu gewinnen suchte, brachte der türkische Staat seinerseits zu deren Bekämpfung weitreichende Gesetzesverschärfungen wie etwa auch des Antiterrorgesetzes auf den Weg; außerdem zog er seine Streitkräfte an den Grenzen zum Irak zusammen, von wo aus sie Angriffe gegen die Lager der PKK starteten. Allein im Jahr 2006 sollen bei diesen Auseinandersetzungen mindestens 110 Mitglieder der PKK und 78 Soldaten ums Leben gekommen sein.

20

Vor diesem Hintergrund erklärte der türkische Generalstab im Sommer 2007 verschiedene Gebiete in den Provinzen Siirt, Sirnak und Hakkari zu Sicherheitszonen und militärischen Sperrgebieten, deren Betreten verboten ist und die streng kontrolliert werden. Ein spektakulärer Überfall der PKK im Herbst 2007 auf einen Grenzposten der türkischen Armee, bei dem 12 Soldaten ums Leben kamen und acht als Geiseln verschleppt wurden, heizte die mittlerweile ohnehin schon stark angespannte Stimmung in der Türkei weiter an. So griffen radikalisierte türkische Nationalisten im Westen des Landes Geschäfte von Kurden sowie Büros der prokurdischen DTP an, sodass sich dort sogar das dumpfe Vorgefühl eines Pogroms verbreitete, während gleichzeitig der Ruf nach einer weiteren Verschärfung des Vorgehens des türkischen Staates gegen die PKK und deren Anhänger laut wurde (vgl. dazu Beschluss des Senates vom 19. Februar 2008 - 10 A 11086/07.OVG -).

21

War nach Maßgabe dieser Einschätzung des Senates sowohl Ende 2005 als auch - erst recht - Anfang 2008 davon auszugehen, dass Aktivisten der PKK im Falle einer Abschiebung in die Türkei in hohem Maße gefährdet waren, Opfer unmenschlicher und erniedrigender Behandlung zu werden, sofern diese aus der Sicht der Sicherheitskräfte über eine gewisse Meinungsführerschaft oder Multiplikatorenfunktion verfügen, besondere Kenntnisse über die Organisationsstrukturen der PKK besitzen, bereits in der Vergangenheit wegen eines entsprechenden prokurdischen Engagements auffällig geworden waren oder gar auf der Fahndungsliste stehen, so hat sich seitdem an dieser Gefährdungslage nichts geändert. Im Gegenteil ist insoweit festzustellen, dass einerseits die türkischen Sicherheitskräfte im Rahmen der bewaffneten Auseinandersetzungen mit der PKK zum Jahreswechsel 2007/2008 sogar in den benachbarten Irak vorgedrungen waren und militärische Sperrgebiete außer in den schon genannten drei Provinzen zwischenzeitlich in fünf weiteren Provinzen geschaffen wurden; und ist ebenso festzustellen, dass andererseits die sich bereits seit 2005 abzeichnende Verlangsamung des Reformtempos anhält, Repressalien im Zusammenhang mit der Ausübung des Rechts auf Meinungsfreiheit wieder zunehmen, die Arbeit der Menschenrechtsorganisationen von staatlicher Seite erneut stärker beobachtet bzw. sogar behindert wird und gerade auch Übergriffe durch die Sicherheitskräfte angesichts des unbefriedigend gebliebenen Vorgehens gegen Folterer und der neuerlich zu verzeichnenden Stärkung der Stellung der Verfolgungsbehörden offenbar wieder häufiger vorkommen (vgl. dazu Oberdiek vom 19. März 2008, Nützliche Nachrichten vom 10. Juli 2008, AA Lagebericht vom 11. September 2008).

22

In diesem Zusammenhang ist der Senat des Weiteren davon überzeugt, dass die Angaben des Klägers, mit denen er seine Verfolgungsfurcht begründet hat, in ihrer Gesamtheit der Wahrheit entsprechen. Hiernach hatte der Kläger schon in den Jahren ab 1995 als Sympathisant der PKK während seiner Studentenzeit im Blickfeld der Sicherheitskräfte gestanden und war gegen ihn von deren Seite Ende 1997/1998 aufgrund seiner Tätigkeit als Zeitungsverteiler für diese Organisation sogar eine Suche eingeleitet worden. Sodann hatte er sich dieser Suche durch seinen unmittelbaren Anschluss an die PKK entzogen, die daraufhin nach einer vorangegangenen Schulung ab September 1998 seinen Einsatz als Lehrer im Camp M. veranlasst hatte. Als solcher war der Kläger über die reine Unterrichtung seiner Schüler hinaus auch anderweitig für die PKK - so durch die Weitergabe deren Informationen und Propaganda an die Bewohner des Lagers, die Betreuung zweier prokurdischer Jugendzeitungen oder im Rahmen von Fernsehberichten - tätig gewesen. Vor diesem Hintergrund hatte die PKK ab April 2005 seinen weiteren Einsatz in Europa geplant, der jedoch durch sein Aufgreifen in Ungarn gescheitert war. Nachdem ihn die PKK nach seiner Rückkehr in das Lager noch zwei Monate mit Übersetzungen beschäftigt hatte, verließ der Kläger schließlich das Lager. Die Ursache hierfür waren Probleme mit der PKK, die in ihm angesichts der Preisgabe seines Reiseweges gegenüber den ungarischen Behörden einen Verräter sah und ihm deshalb auftrug, Propaganda bei seinen Schülern zu machen, um sie so für einen Einsatz als PKK-Kämpfer zu gewinnen, bzw. andernfalls mit seinem eigenen Einsatz in den Bergen rechnen zu müssen. Die vom Kläger daraufhin geplante Niederlassung im Irak scheiterte endlich daran, dass er nunmehr auch von Seiten der dortigen PDK unter Druck gesetzt wurde, entweder für sie in deren Wachstationen Dienst zu tun oder aber an die Türkei ausgeliefert zu werden. Dabei war für seine Flucht mitbestimmend, dass die türkischen Sicherheitskräfte über seine Person und seinen Einsatz als eines PKK-Aktivisten Bescheid wussten und deshalb immer wieder bei seiner Familie vorstellig geworden waren und dabei namentlich seinen Bruder L. wiederholt mit Repressalien überzogen hatten.

23

Für die Glaubwürdigkeit des Klägers spricht in erster Linie der vom Senat hinsichtlich seiner Person gewonnene Eindruck in der mündlichen Verhandlung, wonach es sich bei ihm ersichtlich um einen ehrlichen und ernsthaften Menschen handelt, der nichts zu beschönigen oder zu übertreiben versucht und der überdies eher unter seinem Lebens- und Verfolgungsschicksal leidet, als dass er es, um seinem Begehren zum Erfolg zu verhelfen, etwa bewusst ausnutzt. Zudem erwies sich auch seine Darstellung im Rahmen seiner Befragung durch den Senat nicht nur frei von Widersprüchen, sondern ließ sie gleichzeitig derart detailreiche Kenntnisse über das Wirken der PKK im Allgemeinen wie gerade auch speziell im Lager Camp M. und die dortigen Lebensbedingungen zu Tage treten, wie sie letztlich nur Insidern zu Gebote stehen und überdies auch mit der Erkenntnislage des Senates übereinstimmen (vgl. dazu insbesondere Kaya vom 1. September und 23. Dezember 2006 sowie vom 13. März und 4. Juli 2007). Hinzu kommt, dass der Kläger seine diesbezüglichen Asylgründe außerdem auch noch durch eine Reihe unterschiedlicher Unterlagen zu belegen vermochte. Diese Einschätzung der Glaubwürdigkeit des Klägers und der Glaubhaftigkeit seines Vorbringens sieht der Senat dabei auch nicht etwa deshalb in Frage gestellt, weil der Kläger bezüglich seines Engagements für die PKK im bisherigen Verfahren zum einen hatte vortragen lassen, er sei weder als Kämpfer noch als Kader, sondern angesichts seines Einsatzes als Lehrer und Propagandist lediglich als sonstiger - im zivilen, sozialen und politisch-propagandistischen Bereich tätiger - PKK-Angehöriger anzusehen, und zum anderen gegenüber dem Verwaltungsgericht erklärt hatte, während seiner Tätigkeit im Camp M. doch auch zum Kreis der Kader der PKK gehört zu haben; insofern ist vielmehr zu sehen, dass es sich bei dieser Zuordnung eher um eine unterschiedliche Bewertung seines diesbezüglichen Einsatzes handelt, als um einen unterschiedlichen, sich gar widersprechenden Vortrag in tatsächlicher Hinsicht. Dem gemäß hat denn aufgrund der Anhörung des Klägers durch den Senat auch die Beklagte selbst eingeräumt, dass sie ihre bisherigen Bedenken gegen die Richtigkeit des klägerischen Vorbringens nicht mehr aufrecht hält.

24

Dies zu Grunde gelegt, ist der Senat des Weiteren der Überzeugung, dass dem Kläger im Falle seiner Abschiebung in Türkei mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die konkrete Gefahr droht, von Seiten der dortigen Sicherheitskräfte einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung unterworfen zu werden. Auch wenn sich nicht übersehen lässt, dass der Kläger mit seinem Anschluss an die PKK keinesfalls auch deren militärische Ziele unterstützen, sondern seinen Einsatz in dem von ihm erlernten Lehrerberuf erreichen wollte, so handelt es sich bei ihm doch aus der Sicht des türkischen Staates um einen bereits während seiner Studentenzeit wegen seiner prokurdischen Ausrichtung und seines Einsatzes für die PKK aufgefallenen Aktivisten, der sich zudem die damalige Suche nach seiner Person nicht etwa hatte als Warnung dienen lassen, sondern sich daraufhin statt dessen sogar noch enger der PKK angeschlossen hatte, um sich nach entsprechender Schulung als Lehrer und Multiplikator für diese Organisation zu betätigen. Hinzu kommt, dass der türkische Staat darüber hinaus aber auch Grund zu der Annahme hat, dass der Kläger während dieser Zeit seines unmittelbare Anschlusses an die PKK vielfältige Kenntnisse über deren Strukturen und Ziele wie auch über die Gegebenheiten in deren Ausbildungsstätten, dem von ihr beherrschten Camp M. bis hin zu deren militärischen Rückzugsgebieten im Irak erlangt hat, so dass er sich damit gerade angesichts der aufgezeigten Ausweitung der bewaffneten Auseinandersetzungen auf diese Regionen als wichtiger Informant darstellt. Dass der türkische Staat überdies auch deshalb den Kläger in asylrelevanter Weise bedrängen wird, weil er von ihm Einzelheiten über seinen im Jahr 2005 geplanten Einsatz in Europa einschließlich seinem damaligen Fluchtweg und ebenso endlich auch über den Inhalt der von ihm übersetzten organisationsinternen Dokumente in Erfahrung bringen möchte, sei nur noch am Rande erwähnt (vgl. zum Ganzen Oberdiek vom 15. August 2007, Aydin vom 20. September 2007, Kaya vom 26. September 2007 und ai vom 15. November 2007 jeweils an das VG Sigmaringen). Angesichts dessen erscheint schließlich die dem Kläger drohende Verfolgungsgefahr auch nicht etwa deshalb gemindert, weil er zuletzt unter dem Druck der Ereignisse der PKK den Rücken gekehrt hat, vermag dies doch weder etwas an seiner vorherigen, sich über Jahre erstreckende Zugehörigkeit zur PKK noch an seinen während dieser Zeit erlangten vertieften Kenntnisse über diese Organisation und deren Bedeutung für den türkischen Staat zu ändern (vgl. dazu im Übrigen Beschluss des Senates vom 19. Februar 2008 a. a. O.).

25

Schließlich scheitert die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zugunsten des Klägers vorliegend auch nicht wegen des Grundsatzes der Subsidiarität des internationalen Flüchtlingsschutzes, wonach der Flüchtling diese Zuerkennung in einem Zweit- oder Drittfluchtland nicht verlangen kann, wenn er bereits in einem sonstigen Drittstaat vor politischer Verfolgung tatsächlich sicher war und voraussichtlich sicher bleiben wird und wenn seine Rückführung oder Rückkehr in diesen Staat möglich ist (vgl. BVerwGE 122, S. 376). Diese Voraussetzungen sind ersichtlich nicht gegeben; denn wie bereits ausgeführt, konnte sich der Kläger nur solange im Camp M. aufhalten, als er das Wohlwollen der PKK genoss, und vermochte er hernach auch nicht etwa außerhalb dieses Lagers im Irak Fuß zu fassen, da er nunmehr von der dortigen PDK vor die Alternative gestellt wurde, entweder sich für sie in deren Wachstationen einsetzen zu lassen oder aber in die Türkei ausgeliefert zu werden.

26

Ebenso steht der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu Gunsten des Klägers auch nicht der Ausschlusstatbestand des § 60 Abs. 8 AufenthG entgegen. Insofern unterfällt der Kläger zunächst nicht dessen Satz 1, 1. Alt., wonach § 60 Abs. 1 AufenthG keine Anwendung findet, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist. Wie sich aus den bisherigen Ausführungen ergibt, hatte sich der Kläger zwar Anfang 1997 der PKK als Aktivist bzw. gar Kader angeschlossen und war er für diese bis in das Jahr 2005 hinein tätig gewesen. Dieser Anschluss ist indessen vor dem Hintergrund zu sehen, dass der Kläger sich seinerzeit zu diesem Schritt genötigt gesehen hatte, um sich so dem ihm damals drohenden Zugriff der türkischen Sicherheitskräfte zu entziehen, und dass er dabei zugleich gehofft hatte, auf diese Weise seine Verwendung in seinem erlernten Beruf als Lehrer erreichen zu können. Auch wenn er in diesen Jahren sodann für die PKK nicht nur als Lehrer für die kurdische Sprache, sondern ebenso als Multiplikator und Übersetzer tätig war, so wird doch aus seinem weiteren Vorbringen hierzu deutlich, dass er auch dabei stets auf eine gewisse Distanz zur PKK bedacht war, namentlich aber eine unmittelbare Unterstützung des bewaffneten Kampfes dieser Organisation zu vermeiden trachtete. Dies wird besonders augenfällig angesichts der Hintergründe für seine schließlich erfolgte Trennung von der PKK, nachdem diese ihn nach seiner Einstufung als Verräter zunehmend unter Druck zu setzen begann, nunmehr bei seinen Schülern auch Propaganda für deren Einsatz als Kämpfer in den Bergen zu machen bzw. andernfalls selbst mit einer solchen Verwendung rechnen zu müssen. Hinzu kommt, dass der Kläger - gleichfalls ganz im Sinne dieses so von seiner Person gewonnenen Bildes als eines eher zurückhaltenden und friedfertigen Menschen - nach seiner Einreise ins Bundesgebiet nicht mehr an einer Wiederaufnahme seines früheren prokurdischen Engagements interessiert war und sich demgemäß selbst entsprechenden Anwerbeversuchen - wie der von ihm im Rahmen seiner Anhörung geschilderte Vorfall zeigt - schon im Vorfeld ganz bewusst entzog. Angesichts dessen kann des Weiteren auch nicht etwa davon die Rede sein, dass der Kläger mit seinem früheren Anschluss an die PKK die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 2 i. V. m. § 3 Abs. 2 AsylVfG erfüllt; insofern ist bei ihm gerade eben nicht aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt, dass er insbesondere ein Verbrechen gegen den Frieden oder die Menschlichkeit oder eine schwere nichtpolitische Straftat begangen oder sonst den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hätte, geschweige denn, dass von ihm gar die Gefahr ausginge, dass er es künftig zu derartigen Verhaltensweisen kommen lassen werde (vgl. dazu Urt. des Senats vom 10. März 2006 - 10 A 10665/05.OVG - m.w.N.).

27

Kann der Kläger mithin von der Beklagten die Feststellung verlangen, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG wegen eines für ihn hinsichtlich der Türkei bestehenden Abschiebungsverbotes zuzuerkennen ist, so war damit zugleich die in dem angefochtenen Asylbescheid außerdem gegen ihn diesbezüglich verfügte Androhung seiner Abschiebung aufzuheben.

28

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

29

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO.

30

Die Revision wird nicht zugelassen, weil Gründe der in § 132 VwGO genannten Art nicht vorliegen.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Für aufenthalts- und passrechtliche Maßnahmen und Entscheidungen nach diesem Gesetz und nach ausländerrechtlichen Bestimmungen in anderen Gesetzen sind die Ausländerbehörden zuständig. Die Landesregierung oder die von ihr bestimmte Stelle kann bestimmen, dass für einzelne Aufgaben nur eine oder mehrere bestimmte Ausländerbehörden zuständig sind. Nach Satz 2 kann durch die zuständigen Stellen der betroffenen Länder auch geregelt werden, dass den Ausländerbehörden eines Landes für die Bezirke von Ausländerbehörden verschiedener Länder Aufgaben zugeordnet werden. Für die Vollziehung von Abschiebungen ist in den Ländern jeweils eine zentral zuständige Stelle zu bestimmen. Die Länder sollen jeweils mindestens eine zentrale Ausländerbehörde einrichten, die bei Visumanträgen nach § 6 zu Zwecken nach den §§ 16a, 16d, 17 Absatz 1, den §§ 18a, 18b, 18c Absatz 3, den §§ 18d, 18f, 19, 19b, 19c und 20 sowie bei Visumanträgen des Ehegatten oder der minderjährigen ledigen Kinder zum Zweck des Familiennachzugs, die in zeitlichem Zusammenhang gestellt werden, die zuständige Ausländerbehörde ist.

(2) Im Ausland sind für Pass- und Visaangelegenheiten die vom Auswärtigen Amt ermächtigten Auslandsvertretungen zuständig. Das Auswärtige Amt wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat dem Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten die Entscheidung über Anträge auf Erteilung eines Visums zu übertragen. Soweit von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht wird, stehen dem Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten die Befugnisse zur Datenverarbeitung sowie alle sonstigen Aufgaben und Befugnisse einer Auslandsvertretung bei der Erteilung von Visa gemäß Absatz 3 Nummer 3 Buchstabe b sowie gemäß den §§ 54, 66, 68, 69, 72, 72a, 73, 73a, 75, 87, 90c, 91d und 91g zu.

(3) Die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden sind zuständig für

1.
die Zurückweisung und die Zurückschiebung an der Grenze, einschließlich der Überstellung von Drittstaatsangehörigen auf Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 604/2013, wenn der Ausländer von der Grenzbehörde im grenznahen Raum in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit einer unerlaubten Einreise angetroffen wird,
1a.
Abschiebungen an der Grenze, sofern der Ausländer bei oder nach der unerlaubten Einreise über eine Grenze im Sinne des Artikels 2 Nummer 1 der Verordnung (EU) 2016/399 (Binnengrenze) aufgegriffen wird,
1b.
Abschiebungen an der Grenze, sofern der Ausländer bereits unerlaubt eingereist ist, sich danach weiter fortbewegt hat und in einem anderen Grenzraum oder auf einem als Grenzübergangsstelle zugelassenen oder nicht zugelassenen Flughafen, Flug- oder Landeplatz oder See- oder Binnenhafen aufgegriffen wird,
1c.
die Befristung der Wirkungen auf Grund der von ihnen vorgenommenen Ab- und Zurückschiebungen nach § 11 Absatz 2, 4 und 8,
1d.
die Rückführungen von Ausländern aus anderen und in andere Staaten; die Zuständigkeit besteht neben derjenigen der in Absatz 1 und in Absatz 5 bestimmten Stellen,
1e.
die Beantragung von Haft und die Festnahme, soweit es zur Vornahme der in den Nummern 1 bis 1d bezeichneten Maßnahmen erforderlich ist,
2.
die Erteilung eines Visums und die Ausstellung eines Passersatzes nach § 14 Abs. 2 sowie die Aussetzung der Abschiebung nach § 60a Abs. 2a,
3.
die Rücknahme und den Widerruf eines nationalen Visums sowie die Entscheidungen nach Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009
a)
im Fall der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung, soweit die Voraussetzungen der Nummer 1a oder 1b erfüllt sind,
b)
auf Ersuchen der Auslandsvertretung, die das Visum erteilt hat, oder
c)
auf Ersuchen der Ausländerbehörde, die der Erteilung des Visums zugestimmt hat, sofern diese ihrer Zustimmung bedurfte,
4.
das Ausreiseverbot und die Maßnahmen nach § 66 Abs. 5 an der Grenze,
5.
die Prüfung an der Grenze, ob Beförderungsunternehmer und sonstige Dritte die Vorschriften dieses Gesetzes und die auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen und Anordnungen beachtet haben,
6.
sonstige ausländerrechtliche Maßnahmen und Entscheidungen, soweit sich deren Notwendigkeit an der Grenze ergibt und sie vom Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat hierzu allgemein oder im Einzelfall ermächtigt sind,
7.
die Beschaffung von Heimreisedokumenten im Wege der Amtshilfe in Einzelfällen für Ausländer,
8.
die Erteilung von in Rechtsvorschriften der Europäischen Union vorgesehenen Vermerken und Bescheinigungen vom Datum und Ort der Einreise über die Außengrenze eines Mitgliedstaates, der den Schengen-Besitzstand vollständig anwendet; die Zuständigkeit der Ausländerbehörden oder anderer durch die Länder bestimmter Stellen wird hierdurch nicht ausgeschlossen.

(4) Für die erforderlichen Maßnahmen nach den §§ 48, 48a und 49 Absatz 2 bis 9 sind die Ausländerbehörden, die Polizeivollzugsbehörden der Länder sowie bei Wahrnehmung ihrer gesetzlichen Aufgaben die Bundespolizei und andere mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragte Behörden zuständig. In den Fällen des § 49 Abs. 4 sind auch die Behörden zuständig, die die Verteilung nach § 15a veranlassen. In den Fällen des § 49 Absatz 5 Nummer 5 und 6 sind die vom Auswärtigen Amt ermächtigten Auslandsvertretungen zuständig. In den Fällen des § 49 Absatz 8 und 9 sind auch die Aufnahmeeinrichtungen im Sinne des § 44 des Asylgesetzes und die Außenstellen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge befugt, bei Tätigwerden in Amtshilfe die erkennungsdienstlichen Maßnahmen bei ausländischen Kindern oder Jugendlichen, die unbegleitet in das Bundesgebiet eingereist sind, vorzunehmen; diese Maßnahmen sollen im Beisein des zuvor zur vorläufigen Inobhutnahme verständigten Jugendamtes und in kindgerechter Weise durchgeführt werden.

(5) Für die Zurückschiebung sowie die Durchsetzung der Verlassenspflicht des § 12 Abs. 3 und die Durchführung der Abschiebung und, soweit es zur Vorbereitung und Sicherung dieser Maßnahmen erforderlich ist, die Festnahme und Beantragung der Haft sind auch die Polizeien der Länder zuständig.

(6) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat oder die von ihm bestimmte Stelle entscheidet im Benehmen mit dem Auswärtigen Amt über die Anerkennung von Pässen und Passersatzpapieren (§ 3 Abs. 1); die Entscheidungen ergehen als Allgemeinverfügung und können im Bundesanzeiger bekannt gegeben werden.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Eine dem Satz 1 entsprechende Meldepflicht kann angeordnet werden, wenn der Ausländer

1.
vollziehbar ausreisepflichtig ist und ein in Satz 1 genanntes Ausweisungsinteresse besteht oder
2.
auf Grund anderer als der in Satz 1 genannten Ausweisungsinteressen vollziehbar ausreisepflichtig ist und die Anordnung der Meldepflicht zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist.

(2) Sein Aufenthalt ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft.

(3) Er kann verpflichtet werden, in einem anderen Wohnort oder in bestimmten Unterkünften auch außerhalb des Bezirks der Ausländerbehörde zu wohnen, wenn dies geboten erscheint, um

1.
die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden und die Einhaltung vereinsrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Auflagen und Verpflichtungen besser überwachen zu können oder
2.
die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden.

(4) Um die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5, zu einer Anordnung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 oder zu einer Abschiebungsanordnung nach § 58a geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden, kann der Ausländer auch verpflichtet werden, zu bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen und bestimmte Kommunikationsmittel oder Dienste nicht zu nutzen, soweit ihm Kommunikationsmittel verbleiben und die Beschränkungen notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwehren. Um die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden, können Beschränkungen nach Satz 1 angeordnet werden, soweit diese notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwenden.

(5) Die Verpflichtungen nach den Absätzen 1 bis 4 ruhen, wenn sich der Ausländer in Haft befindet. Eine Anordnung nach den Absätzen 3 und 4 ist sofort vollziehbar.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

Tenor

Der Bescheid des Beklagten vom 14.09.2007 wird aufgehoben.

Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG zu erteilen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung und begehrt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.
Der am … 1973 geborene Kläger ist indischer Staatsangehöriger. Er stellte am 24.07.2001 zusammen mit seiner Ehefrau und zwei Kindern einen Asylantrag. Sein Antrag wurde vom damaligen Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge abgelehnt. Seine Klage beim Verwaltungsgericht ... blieb ohne Erfolg (Urteil vom 15.10.2003 - ... -).
Im Folgeantragsverfahren des Klägers wurde das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge durch Urteil des Verwaltungsgerichts ... vom 26.05.2006 - ... - verpflichtet festzustellen, dass beim Kläger in Bezug auf Indien ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG vorliegt. In demselben Urteil wurde das Verfahren eingestellt, soweit der Kläger seine Klage bezüglich der Zuerkennung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 1 AufenthG zurückgenommen hatte. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass dem Kläger aufgrund seiner exponierten Stellung innerhalb der ISYF (Vorstand der Unterorganisation der ISYF in ...) bei seiner Rückkehr nach Indien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Folter drohe.
Mit Bescheid vom 19.07.2006 stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG hinsichtlich Indiens fest.
Am 04.08.2006 stellte der Kläger bei der unteren Ausländerbehörde einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Das Regierungspräsidium ... stimmte nicht zu.
Mit Schreiben vom 03.07.2007 hörte der Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Ausweisung an. Mit Schreiben vom 19.07.2007 wurde ergänzend darauf hingewiesen, dass sich die Bedenken am weiteren Aufenthalt des Klägers in Deutschland aus seiner Tätigkeit für die International Sikh Youth Federation (ISYF) ergäben, die von der Europäischen Union als terroristische Organisation eingestuft werde.
Mit Schreiben vom 02.08.2007 wies der Prozessbevollmächtigte des Klägers darauf hin, dass es eine aktuelle Auskunft des Auswärtigen Amtes gebe, nach der die ISYF seit dem Jahr 2000 nicht mehr terroristisch tätig sei. Mit Schreiben vom 20.08.2007 führte der Prozessbevollmächtigte des Klägers aus, von der bloßen Funktionärstätigkeit für die ISYF darauf zu schließen, dass der Kläger sich Handlungen zuschulden kommen lasse, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderliefen, sei bedenklich. Die ISYF werde von den Verfassungsschutzämtern überwacht. Es lägen aber keinerlei konkrete Erkenntnisse über deren Verwicklung in terroristische Aktivitäten vor. Nach den Ermittlungen und Beobachtungen des Auswärtigen Amtes sei die ISYF seit der Jahrtausendwende nicht mehr in terroristische Aktivitäten verwickelt.
Das Regierungspräsidium ... wies den Kläger mit Verfügung vom 14.09.2007 aus der Bundesrepublik Deutschland aus und lehnte seinen Antrag auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vom 04.08.2006 ab.
Zur Begründung wurde ausgeführt, nach § 54 Nr. 5 AufenthG werde ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigten, dass er einer Vereinigung angehöre oder angehört habe, die den Terrorismus unterstütze, oder er eine derartige Vereinigung unterstütze oder unterstützt habe, wobei die Ausweisung auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen nur gestützt werden könne, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründeten. Die ISYF sei eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstütze. Sie habe terroristische Aktivitäten bislang vorwiegend in Indien entwickelt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sei davon auszugehen, dass die ISYF an den Vorbereitungen des Anschlags auf den indischen Botschafter in Bukarest im Jahre 1991 beteiligt gewesen sei. Das Auswärtige Amt führe in seinem Lagebericht Indien vom 19.11.2006 aus, dass die terroristische Gewalt im Punjab seit 2000 nahezu vollständig zum Erliegen gekommen sei und sich die dortige Situation normalisiert habe. Die Angehörigen der verschiedenen militanten Gruppen hätten den Punjab verlassen, operierten jedoch aus anderen Bundesstaaten oder Pakistan. Finanzielle Unterstützung erhielten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland. Deutschland diene hier lebenden Sikh-Extremisten als Ruhe- und Finanzierungsbasis. Die deutsche Sektion der ISYF sammle hauptsächlich Spenden zur Unterstützung der Mutterorganisation in Indien, fördere also den Terrorismus durch Zurverfügungstellung von Geld. Darüber hinaus organisiere sie gemeinsam mit anderen extremistischen Sikh-Gruppen regelmäßig auch überregionale öffentliche Veranstaltungen und Protestdemonstrationen anlässlich indischer Nationalfeiertage. Die ISYF werde von der Europäischen Union als terroristische Organisation angesehen (vgl. Gemeinsamer Standpunkt 2007/448/GASP des Rates vom 28.06.2007). Auch in Indien werde die ISYF als terroristische Organisation in der Anlage zum Unlawful Activities Prevention Act von 1967 eingestuft.
10 
Der Kläger sei Mitglied der ISYF und unterstütze diese. Er sei bereits in Indien für die ISYF tätig gewesen. In ... sei er am 25.04.2005 zum Präsidenten der ISYF gewählt worden. Die Unterstützungshandlungen für die ISYF seien dem Kläger auch zurechenbar. Aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit für die ISYF sowie seiner herausragenden Funktion in dieser Vereinigung seien dem Kläger auch deren terroristische Bestrebungen bekannt. Auch aufgrund seiner Aussagen im Rahmen der Anhörung im Asylverfahren wisse er, dass die ISYF zur Realisierung ihrer Ziele den gewaltsamen Weg befürworte und er legitimiere sogar selbst den Einsatz der Gewalt zur Erreichung eines unabhängigen Khalistan. Es sei nicht erkennbar, dass sich der Kläger von der ISYF oder deren Zielen abgekehrt habe.
11 
Ein besonderer Ausweisungsschutz greife beim Kläger nicht. Ein Ausnahmefall vom Regelfall liege ebenfalls nicht vor. Die Ausweisung sei auch aus generalpräventiven Gründen gerechtfertigt. Eine Atypik folge nicht aus der Lebenssituation des Klägers. Es werde nicht verkannt, dass die Familie des Klägers seit rund sechs Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet lebe und sein in Deutschland geborener Sohn aufgrund eines angeborenen Herzfehlers medizinischer Versorgung bedürfe. Eine nachhaltige wirtschaftliche Integration habe nicht stattgefunden. Seit geraumer Zeit lebe der Kläger von Sozialhilfe. Wegen des bestehenden Abschiebeverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG scheide eine Beendigung seines Aufenthalts derzeit aus. Auch in dem Falle, dass der Kläger Deutschland bei Entfallen einer Foltergefahr verlassen müsse, liege kein Ausnahmefall vor. Eine Trennung von seiner Familie oder eine gemeinsame Rückkehr in das Heimatland wäre aufgrund der von ihm ausgehenden Gefahr nicht unverhältnismäßig. Auch eine gemeinsame Rückkehr mit der Familie stelle keine unverhältnismäßige Härte dar. Das bestehende Abschiebeverbot stelle ebenfalls keinen besonderen Umstand dar, der den Kläger entlaste.
12 
Hilfsweise sei die Ausweisung auch im Ermessenswege und unter Abwägung der in § 55 Abs. 3, § 60 a Abs. 2 AufenthG genannten Kriterien gerechtfertigt (wird ausgeführt). Die Ausweisung stehe auch in Einklang mit Art. 6 GG und Art. 8 EMRK (wird ausgeführt).
13 
Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis sei abzulehnen. Zwar seien die Tatbestandsvoraussetzungen des § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG erfüllt. Einer Erteilung stehe jedoch der besondere Versagungsgrund des § 25 Abs. 3 Satz 2 c AufenthG entgegen. Danach werde eine Aufenthaltserlaubnis nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigten, dass sich der Ausländer Handlungen zuschulden habe kommen lassen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Art. 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert seien, zuwiderliefen. Die Unterstützung terroristischer Vereinigungen widerspreche diesen Zielen und Grundsätzen. Durch die Mitgliedschaft in der ISYF und aufgrund seiner exponierten Aktivitäten für diese terroristische Organisation habe er eine Handlung begangen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufe.
14 
Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG komme ebenfalls nicht in Betracht. § 25 Abs. 3 AufenthG schließe die Anwendbarkeit dieser Vorschrift aus. Zudem sei die Aufenthaltserlaubnis wegen § 5 Abs. 4 AufenthG zwingend zu versagen. Die Verfügung wurde am 27.09.2007 zugestellt.
15 
Der Kläger hat am 29.10.2007, einem Montag, Klage beim Verwaltungsgericht ... erhoben. Zur Begründung trägt der Prozessbevollmächtigte des Klägers vor, § 25 Abs. 3 Satz 2 Buchstabe c AufenthG stehe der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nur entgegen, wenn vom Ausländer eine aktuelle Gefährdung ausgehe. Dies ergebe sich aus dem Sinn und Zweck der Norm, die der Bekämpfung des Terrorismus im Vorfeld diene. Dies werde auch aus der Fassung des § 54 Nr. 5 AufenthG deutlich. Entgegen der Auffassung des Beklagten gehe von der Mitgliedschaft des Klägers in der ISYF derzeit keine Gefährdung für die Ziele der Vereinten Nationen aus. Vermutungen, auch wenn sie auf schwerwiegende Anhaltspunkte gestützt würden, reichten für einen Eingriff in die Rechtsgüter von Personen nicht aus. Der Terrorismusvorbehalt sei eng auszulegen. Selbst bei weiter Auslegung des Terrorismusvorbehalts sei eine gegenwärtige Gefahr durch den Kläger in der ISYF nicht feststellbar. Von dieser Organisation gehe ausweislich der jüngsten Lageberichte des Auswärtigen Amtes keine terroristische Gefahr mehr aus. Vielmehr sei sie seit Jahren nur noch politisch tätig, nicht mehr militant.
16 
Der Kläger beantragt,
17 
den Bescheid des Regierungspräsidiums ... vom 14.09.2007 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.
18 
Der Beklagte beantragt,
19 
die Klage abzuweisen.
20 
Zur Begründung verweist der Beklagte zunächst auf die Begründung des angefochtenen Bescheides. Ergänzend führt er aus, der Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG sei vor dem Hintergrund der Resolution Nr. 1373/2001 des UN-Sicherheitsrats zur Bekämpfung des Terrorismus zu sehen. In den Blick zu nehmen sei auch der gemeinsame Standpunkt des Rates vom 27.12.2001 (2001/931/GASP), der zur Umsetzung der Resolution des UN-Sicherheitsrats beschlossen worden sei. Der Rat sei zu dem Schluss gelangt, dass die ISYF an Handlungen i.S. des gemeinsamen Standpunktes beteiligt gewesen sei und deshalb die Maßnahmen nach der Verordnung 2580/2001/EG nach dem Beschluss des Rates vom 26.01.2009 (2009/62/EG) weiterhin auf die ISYF angewendet werden solle. Die Liste nach Art. 2 Abs. 3 der Verordnung 2580/2001/EG habe als Teil einer Verordnung nach § 249 Abs. 2 EGV unmittelbar geltende Wirkung mit dem Vorrang vor dem Bundesrecht.
21 
Die Kammer hat Beweis erhoben durch Einholung einer Auskunft beim Auswärtigen Amt. Auf den Beweisbeschluss der Kammer vom 23.06.2009 und die Antwort des Auswärtigen Amtes vom 14.09.2009 wird verwiesen.
22 
Der Kammer hat die Ausweisungsakte des Regierungspräsidiums ..., die Ausländerakte der Stadt ... (bis Blatt 529) sowie die Gerichtsakte aus dem Verfahren ... vorgelegen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird darauf sowie auf die Gerichtsakte aus dem Klageverfahren verwiesen.
23 
Der Kläger ist in der mündlichen Verhandlung eingehend zu seinen aktuellen Aktivitäten für die ISYF befragt worden. Fragen wurden teilweise nur auf mehrmaliges Nachfragen ausreichend beantwortet. Als Ergebnis der Befragung des Klägers kann zusammenfassend das Folgende festgehalten werden: Er spiele in der ISYF keine Rolle mehr. Er habe seine Aktivitäten für die ISYF vermindert. Dies sei nach der Geburt seines jüngsten Kindes im Jahr 2007 gewesen, das an einer Herzkrankheit leide. Seit Ende 2007 sei er nicht mehr der Vorsitzende der ISYF in ... Nachfolger in seiner ISYF-Gruppierung in ... sei ... geworden. Daneben gebe es noch eine weitere ISYF-Gruppierung in ... mit ... als Vorsitzendem. Er glaube, dass sein Nachfolger bei einem Treffen im April 2008 bestimmt worden sei. Er gehe noch zu Veranstaltungen und verteile Flyer. Die Veranstaltungen fänden hauptsächlich in ... statt. Mitgliederbeiträge bezahle er nicht, er sei aber noch Mitglied. Er spende Geld für die Herstellung der Flyer. Die Fahrtkosten für die Teilnahme an den Veranstaltungen in ... bezahle er selbst.

Entscheidungsgründe

 
24 
Die - fristgerecht erhobene - Klage ist zulässig und begründet. Die Ausweisung des Klägers ist rechtswidrig (1.). Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG (2.).
1.
25 
Nach § 54 Nr. 5 AufenthG wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat (Halbsatz 1). Auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen kann die Ausweisung nur gestützt werden, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen (Halbsatz 2).
26 
Diese Voraussetzungen liegen im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts nicht vor. § 54 Nr. 5 AufenthG greift nur ein, wenn eine Unterstützung des Terrorismus im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch vorliegt. Hierzu reicht es nicht aus, dass ein Ausländer einer Organisation angehört, die früher den Terrorismus unterstützt hat. Dies folgt schon aus dem Wortlaut des § 54 Nr. 5 Halbsatz 1 AufenthG, der von einer gegenwärtigen Gefahr durch die Stützung des Terrorismus ausgeht („die den Terrorismus unterstützt“). Es folgt auch aus dem Zweck der Ausweisungsvorschriften, die der Gefahrenabwehr in der Zukunft dienen und nicht der bloßen Sanktionierung eines Verhaltens aus der Vergangenheit. Dass die Unterstützung des Terrorismus im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts noch vorliegen muss, folgt auch aus dem Halbsatz 2 des § 54 Nr. 5 AufenthG. Dort wird vorausgesetzt, dass vom Ausländer eine gegenwärtige Gefährlichkeit ausgehen muss, wenn seine Mitgliedschaft oder Unterstützungshandlungen einer den Terrorismus unterstützenden Vereinigung in der Vergangenheit liegen. Die gegenwärtige Gefahr entfällt aber auch dann, wenn die Organisation selbst den Terrorismus nicht mehr unterstützt. Der Nachweis der Unterstützung des Terrorismus ist zwar nicht erforderlich, da es ausreicht, wenn Tatsachen eine solche Schlussfolgerung rechtfertigen. Es müssen aber Tatsachen feststellbar sein, auf die eine solche Schlussfolgerung gestützt werden kann. Der nicht durch Tatsachen belegte Verdacht reicht nicht aus.
27 
Es kann derzeit nicht festgestellt werden, dass die ISYF, deren Mitglied der Kläger noch ist, den Terrorismus (noch) unterstützt. Es kann daher offen bleiben, ob sich der Kläger, der zumindest früher exponierter Funktionär der ISYF in ... war - er wurde im April 2005 zum Vorstand der Unterorganisation der ISYF in ... bestimmt (vgl. Urteil ... ... vom 26.05.2006 - ... -) - in einem Sinne von der ISYF distanziert hat, dass ihm die Unterstützung des Terrorismus durch die ISYF, unterstellt sie würde den Terrorismus noch unterstützen, nicht mehr zugerechnet werden könnte. Käme es darauf an, bestünden auch aufgrund des Verhaltens des Klägers in der mündlichen Verhandlung erhebliche Zweifel daran, ob eine Distanzierung des Klägers von derartigen Zielen der ISYF vorläge. Bei seiner Befragung in der mündlichen Verhandlung gab der Kläger zu Zweifeln an seiner Bereitschaft Anlass, sein Verhältnis zur ISYF ehrlich darzustellen.
28 
Für die Beurteilung der Frage, ob es sich bei der ISYF gegenwärtig um eine Vereinigung handelt, die den Terrorismus unterstützt, wertet die Kammer die ihr zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel aus. Eine rechtliche Bindung an einzelne Erkenntnismittel besteht nicht.
29 
Dies gilt insbesondere für den gemeinsamen Standpunkt 2008/586/GASP des Rates vom 15.07.2008 (ABl. vom 16.07.2008, L 188/71) zur Aktualisierung des gemeinsamen Standpunktes 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung des gemeinsamen Standpunkts 2007/871/GASP. Der gemeinsame Standpunkt 2001/931/GASP des Rates vom 27.12.2001 (vgl. ABl. vom 28.12.2001, L 344/93) enthält einen Anhang mit Personen, Vereinigungen und Körperschaften, auf die der gemeinsame Standpunkt Anwendung findet. Jedenfalls seit der Aktualisierung durch den gemeinsamen Standpunkt 2008/586/GASP gehört auch die International Sikh Youth Federation - ISYF - zu den Gruppen und Organisationen, auf die der genannte gemeinsame Standpunkt Anwendung findet. Die gemeinsamen Standpunkte des Rates beruhen auf Art. 15 EUV. Nach dieser Vorschrift nimmt der Rat gemeinsame Standpunkte an. In den gemeinsamen Standpunkten wird das Konzept der Union für eine bestimmte Frage geografischer oder thematischer Art bestimmt. Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass ihre einzelstaatliche Politik mit dem gemeinsamen Standpunkt in Einklang steht. Aus Art. 15 Satz 3 EUV ist der Schluss zu ziehen, dass eine Bindung der innerstaatlichen Gerichte an Inhalte eines gemeinsamen Standpunktes nicht besteht. Der gemeinsame Standpunkt ist gerichtet an die Mitgliedstaaten, die ihn erst in innerstaatliche Politik umsetzen müssen. Eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über die Bedeutung gemeinsamer Standpunkte liegt, soweit es der Kammer erkennbar ist, nicht vor. In seinem Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - (InfAuslR 2005, 374) hat sich das Bundesverwaltungsgericht zu den gemeinsamen Standpunkten 2005/220/GASP und 2001/931/GASP nur in dem Sinne geäußert, dass der Verwaltungsgerichtshof, an den das Verfahren zurückverwiesen wurde, sich mit den Beschlüssen des Rates der Europäischen Union über Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus befassen müsse. Die Annahme einer rechtlichen Bindungswirkung folgt aus dem Auftrag des Bundesverwaltungsgerichts an den Verwaltungsgerichtshof nicht. Eine Bindungswirkung an einen gemeinsamen Standpunkt wird auch in der Kommentarliteratur nicht vertreten. Diescher in GK-Aufenthaltsgesetz (Loseblattsammlung, Stand Januar 2007, § 54 Rdnr. 435) spricht unter Hinweis auf das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) nur davon, dass der Anhang zum Standpunkt 2001/931/GASP bei der Beurteilung, ob eine Vereinigung den Terrorismus unterstützt, zu berücksichtigen sei.
30 
Die Kammer geht weiter davon aus, dass auch der Beschluss des Rates vom 26.01.2009 zur Durchführung von Art. 2 Abs. 3 der Verordnung EG Nr. 2580/2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung des Beschlusses 2008/583/EG (2009/62/EG, ABl. vom 27.01.2009, L 23/25) für die Beurteilung der Zulässigkeit der Ausweisung des Klägers die Kammer nicht verpflichtet, davon auszugehen, dass es sich bei der ISYF aktuell um eine terroristische Vereinigung handelt. Im Unterschied zum gemeinsamen Standpunkt ist eine EG-Verordnung nach § 249 EGV verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. An dieser Geltung nimmt auch die Liste, die durch den Beschluss des Rates vom 26.01.2009 (2009/62/EG) in Ausübung der Befugnisse aus Art. 2 Abs. 3 der Verordnung 2580/2001/EG aufgestellt wurde, teil. Die Verbindlichkeit der Einordnung der ISYF als terroristische Vereinigung beschränkt sich aber auf die Maßnahmen, die nach der Verordnung 2580/2001/EG zu ergreifen sind. Ausländerrechtliche Maßnahmen wie z.B. die Ausweisung sind in dieser Verordnung nicht geregelt.
31 
Für die hier zu treffende Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Ausweisung des Klägers liefern die Aufnahme der ISYF in die Listen zum oben zitierten gemeinsamen Standpunkt und zur oben zitierten Verordnung der EG Hinweise, die neben anderen Erkenntnisquellen zu würdigen sind.
32 
Das Auswärtige Amt macht in seinen Lageberichten zur ISYF folgende Aussagen:
33 
Lageberichte Indien vom 07.09.2004 (Seite 8) und vom 19.10.2005 (Seite 10)
34 
„Die bekanntesten militanten Oppositionsgruppen, von denen manche auch im Ausland vertreten sind, sind die folgenden:
35 
36 
- Im Zusammenhang mit dem Punjab sind vor allem die Babbar Khalsa, die Khalistan Liberation Force, die International Sikh Youth Federation und die Bhindranwale Tiger Force of Khalistan politisch aktiv (nicht mehr terroristisch), die für einen eigenständigen Staat Khalistan eintreten …“.
37 
Lagebericht Indien vom 06.08.2008
38 
„Nachdem der Terrorismus im Punjab, der auf die Unabhängigkeit von Khalistan abzielte, in den 1980er-Jahren niedergeschlagen wurde, ist die terroristische Gewalt im Punjab seit 2000 nahezu vollständig zum Erliegen gekommen. Ein Anschlag auf ein Kino in Neu-Delhi im Mai 2005, der der Terrorgruppe Babbar Khalsa zugeschrieben wird, hat zu keiner weiteren Gewalt geführt. Die Sikhs, 60% der Bevölkerung des Punjabs, stellen dort einen erheblichen Teil der Beamten, Richter, Soldaten und Sicherheitskräfte. Auch hochrangige Positionen stehen ihnen offen. Die Angehörigen der verschiedenen militanten Gruppen haben den Punjab verlassen und operieren aus anderen Bundesstaaten oder Pakistan. Finanzielle Unterstützung erhalten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland“ (Seite 6).
39 
„Am 21. September 2004 hat die neue Regierung das umstrittene Terrorbekämpfungsgesetz Prevention of Terrorism Act [POTA], 2002, per Regierungsverordnung außer Kraft gesetzt … Die materiell-rechtlichen Regelungen von POTA wurden in den Unlawful Activities Prevention Act (UAA), 1967, überführt … Die unter POTA gelisteten 32 terroristischen Organisationen werden weiterhin als terroristische Vereinigungen eingestuft …“ (Seite 10).
40 
„Die bekanntesten militanten Oppositionsgruppen, von denen manche auch im Ausland vertreten sind, sind die folgenden:
41 
42 
- Im Zusammenhang mit dem Punjab sind vor allem die Babbar Khalsa, die Khalistan Commando Force, die International Sikh Youth Federation und die Khalistan Zindabad Force zu nennen, die für einen eigenständigen Staat Khalistan eintreten …“ (Seite 12).
43 
„Das britische Home Office nennt als weitere bedeutende militante Sikh-Organisationen die Khalistan Commando Force (Paramjit Singh Panjwar Fraktion), Khalistan Commando Force (Zaffarwal und Rajasthai Gruppe), Khalistan Liberation Force, Bhindranwale Tiger Force of Khalistan, All India Sikh Student Federation (Manjit und Mehta Chawla), sowie die Sikh Student Federation“ (Seite 25; nach der Anlage 2 zum Lagebericht gehört die ISYF zu den nach dem UAA als terroristische Organisationen verbotenen Organisationen).
44 
Der Lagebericht Indien des Auswärtigen Amtes vom 04.10.2009 trifft zur vorliegend relevanten Problematik im Wesentlichen nur die Aussage, „Der Sikh-Terrorismus im Punjab ist seit Ende der 1990er-Jahre nahezu zum Erliegen gekommen“. Daneben enthält er unter der Überschrift 1.9 „Exilgruppen“ in Bezug auf die Gruppen, die sich mit der Punjab-Problematik befassen, die gleiche Aufzählung, die oben aus dem Lagebericht des Vorjahres bereits zitiert wurde (Lagebericht vom 04.10.2009, Seite 16 f.).
45 
In der von der Kammer eingeholten Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 14.09.2009 wird das Bild, das sich aus den Lageberichten ergibt, nochmals bestätigt. Dem Auswärtigen Amt liegen keinerlei eigene Erkenntnisse über terroristische Aktivitäten in der ISYF seit dem Jahr 2000 vor.
46 
Der aktuelle Verfassungsschutzbericht 2008 des Bundesministeriums des Innern enthält zu Sikh-Organisationen, zu denen auch die International Sikh Youth Federation gehört, folgende Aussagen:
47 
„Extremistische Organisationen aus dem Spektrum der Religionsgemeinschaft der Sikhs kämpfen seit Jahrzehnten auch mit terroristischen Mitteln dafür, einen unabhängigen Staat „Khalistan“ auf dem Gebiet des nordindischen Bundesstaates Punjab zu errichten. Mit Attentaten gegen Mitglieder der indischen Regierung und terroristischen Anschlägen, die sich bisher überwiegend gegen Einrichtungen und Ziele in Indien richteten, versuchten sie auf ihre politischen Ziele aufmerksam zu machen. Bei diesen Anschlägen ist es immer wieder zu zahlreichen Todesopfern unter der Zivilbevölkerung gekommen.
48 
In Deutschland sind primär die von der EU seit dem 02. Mai 2002 als terroristische Organisationen gelisteten BKI und ISYF mit zusammen ca. 750 Anhängern aktiv. Im Vergleich hierzu ist die KMDI mit ihrer geringen Anhängerschaft und selteneren Aktivität kaum in Erscheinung getreten.
49 
Bisher sind von diesen Organisationen im Bundesgebiet keine terroristischen Aktionen ausgegangen.
50 
Hauptziel dieser Sikh-Gruppierung in Deutschland ist es, die jeweilige Mutterorganisation in Indien propagandistisch und vor allem auch finanziell zu unterstützen. In regelmäßig durchgeführten Versammlungen wird u.a. auch zu Geldspenden aufgerufen. Einen Teil dieser Gelder dürften die Mutterorganisationen in Indien auch zur Finanzierung des bewaffneten Kampfes verwenden. Daneben dienen solche Spendengelder auch zur Unterstützung und materiellen Absicherung von Angehörigen der im bewaffneten Kampf getöteten 'Märtyrer' der Organisation oder zur Finanzierung von Rechtshilfe für inhaftierte Glaubensbrüder“ (Seite 305 und 306).
51 
Der Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2008 enthält folgende Ausführungen:
52 
„5. Sikh-Organisationen
53 
54 
International Sikh Youth Federation (ISYF)… Die Bestrebungen extremistischer Gruppierungen der Sikh, im indischen Bundesstaat Punjab einen eigenen Staat Khalistan (Land der Reinen) zu gründen, führten in den vergangenen 20 Jahren zu unzähligen gewalttätigen Übergriffen von Sikh-Kämpfern und Auseinandersetzungen mit indischen Sicherheitskräften, bei denen eine Vielzahl von Separatisten festgenommen oder getötet wurde. Auch im Jahr 2008 wurden dort wieder Aktivisten der International Sikh Youth Federation (ISYF) und der Babbar Khalsa (BKI) wegen angeblich verübter Bombenanschläge inhaftiert, was aber zur Folge hatte, dass diese Organisationen zumindest im Heimatland vermehrt Zulauf und Sympathisanten erhielten. Terroristische Aktivitäten außerhalb Indiens sind in den letzten Jahren nicht bekannt geworden. Aufgrund ihrer terroristischen Aktivitäten fällt die ISYF in Indien unter den 'Activities Act' vom 22. März 2002 und ist außerdem in Großbritannien durch den 'Terrorism Act 2000' verboten. Da sowohl die Babbar Khalsa (BKI) als auch die ISYF vor Jahren noch außerhalb Indiens am häufigsten im Zusammenhang mit terroristischen Aktionen hervorgetreten sind, wurden beide Gruppierungen von der Europäischen Union in die Liste der terroristischen Organisationen aufgenommen.
55 
… Darüber hinaus nutzten Funktionäre sogenannte Märtyrer-Gedenkveranstaltungen in den Sikh-Tempeln als politische Plattform und zum Aufruf zu Spendensammlungen und Unterstützung der Angehörigen gefallener Kämpfer und der Organisationen in der Heimat“.
56 
Nach dem Home Office Country of Origin Information Report - India vom 12. Mai 2009 gehört die ISYF zu den Organisationen, die im Vereinigten Königreich nach dem „Terrorism Act 2000“ verboten sind (vgl. Seite 133).
57 
Nach Auswertung und Gewichtung dieser Erkenntnismittel kann die Kammer nicht feststellen, dass es sich bei der ISYF um eine Vereinigung handelt, die aktuell den Terrorismus unterstützt oder bei der dies in absehbarer Zeit zu erwarten ist. Das Auswärtige Amt hat seit mindestens 10 Jahren keine Anhaltspunkte dafür, dass die ISYF (noch) terroristisch tätig ist. Der Terrorismus in Punjab, durch den noch Anfang der 90er Jahre zahlreiche Personen ums Leben gekommen sind, ist danach nahezu zum Erliegen gekommen. Dies wurde nochmals auf die Anfrage der Kammer bestätigt. In zwei Lageberichten geht das Auswärtige Amt sogar davon aus, dass die ISYF nur noch politisch tätig sei. Konkrete Hinweise auf terroristische Aktivitäten der ISYF haben die anderen, oben zitierten Erkenntnisquellen nicht bzw. es ist nicht erkennbar, auf welchen konkreten Tatsachen die Einschätzung beruht, die ISYF sei noch terroristisch tätig. Die beiden zitierten Verfassungsschutzberichte erwecken den Eindruck, als gebe es eine kontinuierliche Linie terroristische Aktivitäten der ISYF seit dem Auftreten des Terrorismus zu Beginn der 80er Jahre. Der Verfassungsschutzbericht des Landes Baden-Württemberg spricht von unzähligen gewalttätigen Übergriffen in den vergangen 20 Jahren. Dem Auswärtigen Amt, das die Lage vor Ort beobachtet, sind aber jedenfalls in den letzen 10 Jahren keine solchen Aktivitäten der ISYF bekannt oder sonstiger Vereinigungen im Zusammenhang mit der Khalistan-Frage bekannt geworden. Die Verhaftungen von Aktivisten der ISYF und der BKI in Indien im Jahr 2008, auf die der Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg hinweist, sagen nichts darüber aus, wann es zu den vorgeworfenen Anschlägen gekommen ist. Letztendlich müssen aber Tatsachen die Schlussfolgerung der Unterstützung des Terrorismus rechtfertigen. Solche Tatsachen, die vom Gericht bewertet werden können, liegen im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht vor. Die oben zitierten Erkenntnisse, die die Lage anders als das Auswärtige Amt bewerten, versetzen das Gericht nicht durch Nennung von Tatsachen in die Lage, eine eigene Einschätzung der Situation vorzunehmen. Es reicht nicht aus, dass lediglich nicht ausgeschlossen werden kann, dass es wieder zu terroristischen Aktivitäten kommen kann. Hier ist auch der lange Zeitraum zu würdigen, in dem es keine Anhaltspunkte für terroristische Aktivitäten der ISYF gibt. Insofern hat sich die Lage seit dem Ergehen des Urteils vom 15.10.2003 - ... -, in dem die Kammer noch zu einer anderen Einschätzung gelangt ist, geändert.
58 
Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 54 Abs. 5 AufenthG für eine Regelausweisung nicht vor, gibt es mangels Gefährlichkeit des Klägers auch keinen Anlass für die hilfsweise erfolgte Ermessensausweisung des Klägers.
2.
59 
Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG. Danach soll einem Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG vorliegt. Beim Kläger liegt aufgrund des Urteils ... ... vom 26.05.2006 - ... - ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG vor. Gründe, von der Regel („soll“) des § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG abzuweichen, sind nicht erkennbar.
60 
Ein Ausschlussgrund nach § 25 Abs. 3 Satz 2 AufenthG, insbesondere ein solcher nach § 25 Abs. 3 Satz 2 Buchstabe c AufenthG, liegt nicht vor. Nach der zuletzt genannten Vorschrift wird eine Aufenthaltserlaubnis nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer sich Handlungen hat zuschulden kommen lassen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel oder den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen. Den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen laufen Handlungen zuwider, die geeignet sind, den Terrorismus zu fördern (vgl. Urteil ... ... 15.10.2003 - ...). Solche Handlungen des Klägers lassen sich nicht feststellen. Im Zeitraum, in dem ihm aufgrund einer exponierten Stellung in der ISYF (Präsident der ISYF in ... ab April 2005) den Terrorismus fördernde Handlungen der ISYF hätten zugerechnet werden können (vgl. Urteil ... ... 15.10.2003 - ...), lassen sich aufgrund der obigen Ausführungen nicht feststellen.
61 
Von den Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 und 2 AufenthG ist nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 AufenthG abzusehen.
3.
62 
Das Verfahren hat wegen der Frage der Bedeutung der Anhänge zur Verordnung 2580/2001/EG für das Vorliegen des Regelausweisungsgrundes § 54 Nr. 5 AufenthG und wegen der Frage, ob es sich bei der ISYF um eine Vereinigung handelt, die den Terrorismus fördert, grundsätzliche Bedeutung. Die Berufung ist daher zuzulassen (§ 124a Abs. 1 in Verbindung mit § 124 abs. 2 Nr. 3 VwGO).
63 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO. Die Kammer macht von der Möglichkeit des § 167 Abs. 2 VwGO, das Urteil wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären, keinen Gebrauch.

Gründe

 
24 
Die - fristgerecht erhobene - Klage ist zulässig und begründet. Die Ausweisung des Klägers ist rechtswidrig (1.). Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG (2.).
1.
25 
Nach § 54 Nr. 5 AufenthG wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat (Halbsatz 1). Auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen kann die Ausweisung nur gestützt werden, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen (Halbsatz 2).
26 
Diese Voraussetzungen liegen im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts nicht vor. § 54 Nr. 5 AufenthG greift nur ein, wenn eine Unterstützung des Terrorismus im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch vorliegt. Hierzu reicht es nicht aus, dass ein Ausländer einer Organisation angehört, die früher den Terrorismus unterstützt hat. Dies folgt schon aus dem Wortlaut des § 54 Nr. 5 Halbsatz 1 AufenthG, der von einer gegenwärtigen Gefahr durch die Stützung des Terrorismus ausgeht („die den Terrorismus unterstützt“). Es folgt auch aus dem Zweck der Ausweisungsvorschriften, die der Gefahrenabwehr in der Zukunft dienen und nicht der bloßen Sanktionierung eines Verhaltens aus der Vergangenheit. Dass die Unterstützung des Terrorismus im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts noch vorliegen muss, folgt auch aus dem Halbsatz 2 des § 54 Nr. 5 AufenthG. Dort wird vorausgesetzt, dass vom Ausländer eine gegenwärtige Gefährlichkeit ausgehen muss, wenn seine Mitgliedschaft oder Unterstützungshandlungen einer den Terrorismus unterstützenden Vereinigung in der Vergangenheit liegen. Die gegenwärtige Gefahr entfällt aber auch dann, wenn die Organisation selbst den Terrorismus nicht mehr unterstützt. Der Nachweis der Unterstützung des Terrorismus ist zwar nicht erforderlich, da es ausreicht, wenn Tatsachen eine solche Schlussfolgerung rechtfertigen. Es müssen aber Tatsachen feststellbar sein, auf die eine solche Schlussfolgerung gestützt werden kann. Der nicht durch Tatsachen belegte Verdacht reicht nicht aus.
27 
Es kann derzeit nicht festgestellt werden, dass die ISYF, deren Mitglied der Kläger noch ist, den Terrorismus (noch) unterstützt. Es kann daher offen bleiben, ob sich der Kläger, der zumindest früher exponierter Funktionär der ISYF in ... war - er wurde im April 2005 zum Vorstand der Unterorganisation der ISYF in ... bestimmt (vgl. Urteil ... ... vom 26.05.2006 - ... -) - in einem Sinne von der ISYF distanziert hat, dass ihm die Unterstützung des Terrorismus durch die ISYF, unterstellt sie würde den Terrorismus noch unterstützen, nicht mehr zugerechnet werden könnte. Käme es darauf an, bestünden auch aufgrund des Verhaltens des Klägers in der mündlichen Verhandlung erhebliche Zweifel daran, ob eine Distanzierung des Klägers von derartigen Zielen der ISYF vorläge. Bei seiner Befragung in der mündlichen Verhandlung gab der Kläger zu Zweifeln an seiner Bereitschaft Anlass, sein Verhältnis zur ISYF ehrlich darzustellen.
28 
Für die Beurteilung der Frage, ob es sich bei der ISYF gegenwärtig um eine Vereinigung handelt, die den Terrorismus unterstützt, wertet die Kammer die ihr zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel aus. Eine rechtliche Bindung an einzelne Erkenntnismittel besteht nicht.
29 
Dies gilt insbesondere für den gemeinsamen Standpunkt 2008/586/GASP des Rates vom 15.07.2008 (ABl. vom 16.07.2008, L 188/71) zur Aktualisierung des gemeinsamen Standpunktes 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung des gemeinsamen Standpunkts 2007/871/GASP. Der gemeinsame Standpunkt 2001/931/GASP des Rates vom 27.12.2001 (vgl. ABl. vom 28.12.2001, L 344/93) enthält einen Anhang mit Personen, Vereinigungen und Körperschaften, auf die der gemeinsame Standpunkt Anwendung findet. Jedenfalls seit der Aktualisierung durch den gemeinsamen Standpunkt 2008/586/GASP gehört auch die International Sikh Youth Federation - ISYF - zu den Gruppen und Organisationen, auf die der genannte gemeinsame Standpunkt Anwendung findet. Die gemeinsamen Standpunkte des Rates beruhen auf Art. 15 EUV. Nach dieser Vorschrift nimmt der Rat gemeinsame Standpunkte an. In den gemeinsamen Standpunkten wird das Konzept der Union für eine bestimmte Frage geografischer oder thematischer Art bestimmt. Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass ihre einzelstaatliche Politik mit dem gemeinsamen Standpunkt in Einklang steht. Aus Art. 15 Satz 3 EUV ist der Schluss zu ziehen, dass eine Bindung der innerstaatlichen Gerichte an Inhalte eines gemeinsamen Standpunktes nicht besteht. Der gemeinsame Standpunkt ist gerichtet an die Mitgliedstaaten, die ihn erst in innerstaatliche Politik umsetzen müssen. Eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über die Bedeutung gemeinsamer Standpunkte liegt, soweit es der Kammer erkennbar ist, nicht vor. In seinem Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - (InfAuslR 2005, 374) hat sich das Bundesverwaltungsgericht zu den gemeinsamen Standpunkten 2005/220/GASP und 2001/931/GASP nur in dem Sinne geäußert, dass der Verwaltungsgerichtshof, an den das Verfahren zurückverwiesen wurde, sich mit den Beschlüssen des Rates der Europäischen Union über Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus befassen müsse. Die Annahme einer rechtlichen Bindungswirkung folgt aus dem Auftrag des Bundesverwaltungsgerichts an den Verwaltungsgerichtshof nicht. Eine Bindungswirkung an einen gemeinsamen Standpunkt wird auch in der Kommentarliteratur nicht vertreten. Diescher in GK-Aufenthaltsgesetz (Loseblattsammlung, Stand Januar 2007, § 54 Rdnr. 435) spricht unter Hinweis auf das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) nur davon, dass der Anhang zum Standpunkt 2001/931/GASP bei der Beurteilung, ob eine Vereinigung den Terrorismus unterstützt, zu berücksichtigen sei.
30 
Die Kammer geht weiter davon aus, dass auch der Beschluss des Rates vom 26.01.2009 zur Durchführung von Art. 2 Abs. 3 der Verordnung EG Nr. 2580/2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung des Beschlusses 2008/583/EG (2009/62/EG, ABl. vom 27.01.2009, L 23/25) für die Beurteilung der Zulässigkeit der Ausweisung des Klägers die Kammer nicht verpflichtet, davon auszugehen, dass es sich bei der ISYF aktuell um eine terroristische Vereinigung handelt. Im Unterschied zum gemeinsamen Standpunkt ist eine EG-Verordnung nach § 249 EGV verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. An dieser Geltung nimmt auch die Liste, die durch den Beschluss des Rates vom 26.01.2009 (2009/62/EG) in Ausübung der Befugnisse aus Art. 2 Abs. 3 der Verordnung 2580/2001/EG aufgestellt wurde, teil. Die Verbindlichkeit der Einordnung der ISYF als terroristische Vereinigung beschränkt sich aber auf die Maßnahmen, die nach der Verordnung 2580/2001/EG zu ergreifen sind. Ausländerrechtliche Maßnahmen wie z.B. die Ausweisung sind in dieser Verordnung nicht geregelt.
31 
Für die hier zu treffende Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Ausweisung des Klägers liefern die Aufnahme der ISYF in die Listen zum oben zitierten gemeinsamen Standpunkt und zur oben zitierten Verordnung der EG Hinweise, die neben anderen Erkenntnisquellen zu würdigen sind.
32 
Das Auswärtige Amt macht in seinen Lageberichten zur ISYF folgende Aussagen:
33 
Lageberichte Indien vom 07.09.2004 (Seite 8) und vom 19.10.2005 (Seite 10)
34 
„Die bekanntesten militanten Oppositionsgruppen, von denen manche auch im Ausland vertreten sind, sind die folgenden:
35 
36 
- Im Zusammenhang mit dem Punjab sind vor allem die Babbar Khalsa, die Khalistan Liberation Force, die International Sikh Youth Federation und die Bhindranwale Tiger Force of Khalistan politisch aktiv (nicht mehr terroristisch), die für einen eigenständigen Staat Khalistan eintreten …“.
37 
Lagebericht Indien vom 06.08.2008
38 
„Nachdem der Terrorismus im Punjab, der auf die Unabhängigkeit von Khalistan abzielte, in den 1980er-Jahren niedergeschlagen wurde, ist die terroristische Gewalt im Punjab seit 2000 nahezu vollständig zum Erliegen gekommen. Ein Anschlag auf ein Kino in Neu-Delhi im Mai 2005, der der Terrorgruppe Babbar Khalsa zugeschrieben wird, hat zu keiner weiteren Gewalt geführt. Die Sikhs, 60% der Bevölkerung des Punjabs, stellen dort einen erheblichen Teil der Beamten, Richter, Soldaten und Sicherheitskräfte. Auch hochrangige Positionen stehen ihnen offen. Die Angehörigen der verschiedenen militanten Gruppen haben den Punjab verlassen und operieren aus anderen Bundesstaaten oder Pakistan. Finanzielle Unterstützung erhalten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland“ (Seite 6).
39 
„Am 21. September 2004 hat die neue Regierung das umstrittene Terrorbekämpfungsgesetz Prevention of Terrorism Act [POTA], 2002, per Regierungsverordnung außer Kraft gesetzt … Die materiell-rechtlichen Regelungen von POTA wurden in den Unlawful Activities Prevention Act (UAA), 1967, überführt … Die unter POTA gelisteten 32 terroristischen Organisationen werden weiterhin als terroristische Vereinigungen eingestuft …“ (Seite 10).
40 
„Die bekanntesten militanten Oppositionsgruppen, von denen manche auch im Ausland vertreten sind, sind die folgenden:
41 
42 
- Im Zusammenhang mit dem Punjab sind vor allem die Babbar Khalsa, die Khalistan Commando Force, die International Sikh Youth Federation und die Khalistan Zindabad Force zu nennen, die für einen eigenständigen Staat Khalistan eintreten …“ (Seite 12).
43 
„Das britische Home Office nennt als weitere bedeutende militante Sikh-Organisationen die Khalistan Commando Force (Paramjit Singh Panjwar Fraktion), Khalistan Commando Force (Zaffarwal und Rajasthai Gruppe), Khalistan Liberation Force, Bhindranwale Tiger Force of Khalistan, All India Sikh Student Federation (Manjit und Mehta Chawla), sowie die Sikh Student Federation“ (Seite 25; nach der Anlage 2 zum Lagebericht gehört die ISYF zu den nach dem UAA als terroristische Organisationen verbotenen Organisationen).
44 
Der Lagebericht Indien des Auswärtigen Amtes vom 04.10.2009 trifft zur vorliegend relevanten Problematik im Wesentlichen nur die Aussage, „Der Sikh-Terrorismus im Punjab ist seit Ende der 1990er-Jahre nahezu zum Erliegen gekommen“. Daneben enthält er unter der Überschrift 1.9 „Exilgruppen“ in Bezug auf die Gruppen, die sich mit der Punjab-Problematik befassen, die gleiche Aufzählung, die oben aus dem Lagebericht des Vorjahres bereits zitiert wurde (Lagebericht vom 04.10.2009, Seite 16 f.).
45 
In der von der Kammer eingeholten Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 14.09.2009 wird das Bild, das sich aus den Lageberichten ergibt, nochmals bestätigt. Dem Auswärtigen Amt liegen keinerlei eigene Erkenntnisse über terroristische Aktivitäten in der ISYF seit dem Jahr 2000 vor.
46 
Der aktuelle Verfassungsschutzbericht 2008 des Bundesministeriums des Innern enthält zu Sikh-Organisationen, zu denen auch die International Sikh Youth Federation gehört, folgende Aussagen:
47 
„Extremistische Organisationen aus dem Spektrum der Religionsgemeinschaft der Sikhs kämpfen seit Jahrzehnten auch mit terroristischen Mitteln dafür, einen unabhängigen Staat „Khalistan“ auf dem Gebiet des nordindischen Bundesstaates Punjab zu errichten. Mit Attentaten gegen Mitglieder der indischen Regierung und terroristischen Anschlägen, die sich bisher überwiegend gegen Einrichtungen und Ziele in Indien richteten, versuchten sie auf ihre politischen Ziele aufmerksam zu machen. Bei diesen Anschlägen ist es immer wieder zu zahlreichen Todesopfern unter der Zivilbevölkerung gekommen.
48 
In Deutschland sind primär die von der EU seit dem 02. Mai 2002 als terroristische Organisationen gelisteten BKI und ISYF mit zusammen ca. 750 Anhängern aktiv. Im Vergleich hierzu ist die KMDI mit ihrer geringen Anhängerschaft und selteneren Aktivität kaum in Erscheinung getreten.
49 
Bisher sind von diesen Organisationen im Bundesgebiet keine terroristischen Aktionen ausgegangen.
50 
Hauptziel dieser Sikh-Gruppierung in Deutschland ist es, die jeweilige Mutterorganisation in Indien propagandistisch und vor allem auch finanziell zu unterstützen. In regelmäßig durchgeführten Versammlungen wird u.a. auch zu Geldspenden aufgerufen. Einen Teil dieser Gelder dürften die Mutterorganisationen in Indien auch zur Finanzierung des bewaffneten Kampfes verwenden. Daneben dienen solche Spendengelder auch zur Unterstützung und materiellen Absicherung von Angehörigen der im bewaffneten Kampf getöteten 'Märtyrer' der Organisation oder zur Finanzierung von Rechtshilfe für inhaftierte Glaubensbrüder“ (Seite 305 und 306).
51 
Der Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2008 enthält folgende Ausführungen:
52 
„5. Sikh-Organisationen
53 
54 
International Sikh Youth Federation (ISYF)… Die Bestrebungen extremistischer Gruppierungen der Sikh, im indischen Bundesstaat Punjab einen eigenen Staat Khalistan (Land der Reinen) zu gründen, führten in den vergangenen 20 Jahren zu unzähligen gewalttätigen Übergriffen von Sikh-Kämpfern und Auseinandersetzungen mit indischen Sicherheitskräften, bei denen eine Vielzahl von Separatisten festgenommen oder getötet wurde. Auch im Jahr 2008 wurden dort wieder Aktivisten der International Sikh Youth Federation (ISYF) und der Babbar Khalsa (BKI) wegen angeblich verübter Bombenanschläge inhaftiert, was aber zur Folge hatte, dass diese Organisationen zumindest im Heimatland vermehrt Zulauf und Sympathisanten erhielten. Terroristische Aktivitäten außerhalb Indiens sind in den letzten Jahren nicht bekannt geworden. Aufgrund ihrer terroristischen Aktivitäten fällt die ISYF in Indien unter den 'Activities Act' vom 22. März 2002 und ist außerdem in Großbritannien durch den 'Terrorism Act 2000' verboten. Da sowohl die Babbar Khalsa (BKI) als auch die ISYF vor Jahren noch außerhalb Indiens am häufigsten im Zusammenhang mit terroristischen Aktionen hervorgetreten sind, wurden beide Gruppierungen von der Europäischen Union in die Liste der terroristischen Organisationen aufgenommen.
55 
… Darüber hinaus nutzten Funktionäre sogenannte Märtyrer-Gedenkveranstaltungen in den Sikh-Tempeln als politische Plattform und zum Aufruf zu Spendensammlungen und Unterstützung der Angehörigen gefallener Kämpfer und der Organisationen in der Heimat“.
56 
Nach dem Home Office Country of Origin Information Report - India vom 12. Mai 2009 gehört die ISYF zu den Organisationen, die im Vereinigten Königreich nach dem „Terrorism Act 2000“ verboten sind (vgl. Seite 133).
57 
Nach Auswertung und Gewichtung dieser Erkenntnismittel kann die Kammer nicht feststellen, dass es sich bei der ISYF um eine Vereinigung handelt, die aktuell den Terrorismus unterstützt oder bei der dies in absehbarer Zeit zu erwarten ist. Das Auswärtige Amt hat seit mindestens 10 Jahren keine Anhaltspunkte dafür, dass die ISYF (noch) terroristisch tätig ist. Der Terrorismus in Punjab, durch den noch Anfang der 90er Jahre zahlreiche Personen ums Leben gekommen sind, ist danach nahezu zum Erliegen gekommen. Dies wurde nochmals auf die Anfrage der Kammer bestätigt. In zwei Lageberichten geht das Auswärtige Amt sogar davon aus, dass die ISYF nur noch politisch tätig sei. Konkrete Hinweise auf terroristische Aktivitäten der ISYF haben die anderen, oben zitierten Erkenntnisquellen nicht bzw. es ist nicht erkennbar, auf welchen konkreten Tatsachen die Einschätzung beruht, die ISYF sei noch terroristisch tätig. Die beiden zitierten Verfassungsschutzberichte erwecken den Eindruck, als gebe es eine kontinuierliche Linie terroristische Aktivitäten der ISYF seit dem Auftreten des Terrorismus zu Beginn der 80er Jahre. Der Verfassungsschutzbericht des Landes Baden-Württemberg spricht von unzähligen gewalttätigen Übergriffen in den vergangen 20 Jahren. Dem Auswärtigen Amt, das die Lage vor Ort beobachtet, sind aber jedenfalls in den letzen 10 Jahren keine solchen Aktivitäten der ISYF bekannt oder sonstiger Vereinigungen im Zusammenhang mit der Khalistan-Frage bekannt geworden. Die Verhaftungen von Aktivisten der ISYF und der BKI in Indien im Jahr 2008, auf die der Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg hinweist, sagen nichts darüber aus, wann es zu den vorgeworfenen Anschlägen gekommen ist. Letztendlich müssen aber Tatsachen die Schlussfolgerung der Unterstützung des Terrorismus rechtfertigen. Solche Tatsachen, die vom Gericht bewertet werden können, liegen im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht vor. Die oben zitierten Erkenntnisse, die die Lage anders als das Auswärtige Amt bewerten, versetzen das Gericht nicht durch Nennung von Tatsachen in die Lage, eine eigene Einschätzung der Situation vorzunehmen. Es reicht nicht aus, dass lediglich nicht ausgeschlossen werden kann, dass es wieder zu terroristischen Aktivitäten kommen kann. Hier ist auch der lange Zeitraum zu würdigen, in dem es keine Anhaltspunkte für terroristische Aktivitäten der ISYF gibt. Insofern hat sich die Lage seit dem Ergehen des Urteils vom 15.10.2003 - ... -, in dem die Kammer noch zu einer anderen Einschätzung gelangt ist, geändert.
58 
Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 54 Abs. 5 AufenthG für eine Regelausweisung nicht vor, gibt es mangels Gefährlichkeit des Klägers auch keinen Anlass für die hilfsweise erfolgte Ermessensausweisung des Klägers.
2.
59 
Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG. Danach soll einem Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG vorliegt. Beim Kläger liegt aufgrund des Urteils ... ... vom 26.05.2006 - ... - ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG vor. Gründe, von der Regel („soll“) des § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG abzuweichen, sind nicht erkennbar.
60 
Ein Ausschlussgrund nach § 25 Abs. 3 Satz 2 AufenthG, insbesondere ein solcher nach § 25 Abs. 3 Satz 2 Buchstabe c AufenthG, liegt nicht vor. Nach der zuletzt genannten Vorschrift wird eine Aufenthaltserlaubnis nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer sich Handlungen hat zuschulden kommen lassen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel oder den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen. Den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen laufen Handlungen zuwider, die geeignet sind, den Terrorismus zu fördern (vgl. Urteil ... ... 15.10.2003 - ...). Solche Handlungen des Klägers lassen sich nicht feststellen. Im Zeitraum, in dem ihm aufgrund einer exponierten Stellung in der ISYF (Präsident der ISYF in ... ab April 2005) den Terrorismus fördernde Handlungen der ISYF hätten zugerechnet werden können (vgl. Urteil ... ... 15.10.2003 - ...), lassen sich aufgrund der obigen Ausführungen nicht feststellen.
61 
Von den Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 und 2 AufenthG ist nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 AufenthG abzusehen.
3.
62 
Das Verfahren hat wegen der Frage der Bedeutung der Anhänge zur Verordnung 2580/2001/EG für das Vorliegen des Regelausweisungsgrundes § 54 Nr. 5 AufenthG und wegen der Frage, ob es sich bei der ISYF um eine Vereinigung handelt, die den Terrorismus fördert, grundsätzliche Bedeutung. Die Berufung ist daher zuzulassen (§ 124a Abs. 1 in Verbindung mit § 124 abs. 2 Nr. 3 VwGO).
63 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO. Die Kammer macht von der Möglichkeit des § 167 Abs. 2 VwGO, das Urteil wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären, keinen Gebrauch.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Der Ausländer ist verpflichtet, seine Belange und für ihn günstige Umstände, soweit sie nicht offenkundig oder bekannt sind, unter Angabe nachprüfbarer Umstände unverzüglich geltend zu machen und die erforderlichen Nachweise über seine persönlichen Verhältnisse, sonstige erforderliche Bescheinigungen und Erlaubnisse sowie sonstige erforderliche Nachweise, die er erbringen kann, unverzüglich beizubringen. Die Ausländerbehörde kann ihm dafür eine angemessene Frist setzen. Sie setzt ihm eine solche Frist, wenn sie die Bearbeitung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels wegen fehlender oder unvollständiger Angaben aussetzt, und benennt dabei die nachzuholenden Angaben. Nach Ablauf der Frist geltend gemachte Umstände und beigebrachte Nachweise können unberücksichtigt bleiben. Der Ausländer, der eine ICT-Karte nach § 19b beantragt hat, ist verpflichtet, der zuständigen Ausländerbehörde jede Änderung mitzuteilen, die während des Antragsverfahrens eintritt und die Auswirkungen auf die Voraussetzungen der Erteilung der ICT-Karte hat.

(2) Absatz 1 findet im Widerspruchsverfahren entsprechende Anwendung.

(3) Der Ausländer soll auf seine Pflichten nach Absatz 1 sowie seine wesentlichen Rechte und Pflichten nach diesem Gesetz, insbesondere die Verpflichtungen aus den §§ 44a, 48, 49 und 81 hingewiesen werden. Im Falle der Fristsetzung ist er auf die Folgen der Fristversäumung hinzuweisen.

(4) Soweit es zur Vorbereitung und Durchführung von Maßnahmen nach diesem Gesetz und nach ausländerrechtlichen Bestimmungen in anderen Gesetzen erforderlich ist, kann angeordnet werden, dass ein Ausländer bei der zuständigen Behörde sowie den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich erscheint sowie eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung der Reisefähigkeit durchgeführt wird. Kommt der Ausländer einer Anordnung nach Satz 1 nicht nach, kann sie zwangsweise durchgesetzt werden. § 40 Abs. 1 und 2, die §§ 41, 42 Abs. 1 Satz 1 und 3 des Bundespolizeigesetzes finden entsprechende Anwendung.

(5) Der Ausländer, für den nach diesem Gesetz, dem Asylgesetz oder den zur Durchführung dieser Gesetze erlassenen Bestimmungen ein Dokument ausgestellt werden soll, hat auf Verlangen

1.
ein aktuelles Lichtbild nach Maßgabe einer nach § 99 Abs. 1 Nr. 13 und 13a erlassenen Rechtsverordnung vorzulegen oder bei der Aufnahme eines solchen Lichtbildes mitzuwirken und
2.
bei der Abnahme seiner Fingerabdrücke nach Maßgabe einer nach § 99 Absatz 1 Nummer 13 und 13a erlassenen Rechtsverordnung mitzuwirken.
Das Lichtbild und die Fingerabdrücke dürfen in Dokumente nach Satz 1 eingebracht und von den zuständigen Behörden zur Sicherung und einer späteren Feststellung der Identität verarbeitet werden.

(6) Ausländer, die im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach Kapitel 2 Abschnitt 3 oder 4 sind, sind verpflichtet, der zuständigen Ausländerbehörde innerhalb von zwei Wochen ab Kenntnis mitzuteilen, dass die Ausbildung oder die Erwerbstätigkeit, für die der Aufenthaltstitel erteilt wurde, vorzeitig beendet wurde. Der Ausländer ist bei Erteilung des Aufenthaltstitels über seine Verpflichtung nach Satz 1 zu unterrichten.

(1) Im Sinne dieses Gesetzes beeinträchtigt den Bestand der Bundesrepublik Deutschland, wer ihre Freiheit von fremder Botmäßigkeit aufhebt, ihre staatliche Einheit beseitigt oder ein zu ihr gehörendes Gebiet abtrennt.

(2) Im Sinne dieses Gesetzes sind Verfassungsgrundsätze

1.
das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen,
2.
die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht,
3.
das Recht auf die Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition,
4.
die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung,
5.
die Unabhängigkeit der Gerichte und
6.
der Ausschluß jeder Gewalt- und Willkürherrschaft.

(3) Im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
Bestrebungen gegen den Bestand der Bundesrepublik Deutschland solche Bestrebungen, deren Träger darauf hinarbeiten, den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen (Absatz 1),
2.
Bestrebungen gegen die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland solche Bestrebungen, deren Träger darauf hinarbeiten, die äußere oder innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen,
3.
Bestrebungen gegen Verfassungsgrundsätze solche Bestrebungen, deren Träger darauf hinarbeiten, einen Verfassungsgrundsatz (Absatz 2) zu beseitigen, außer Geltung zu setzen oder zu untergraben.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.

(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.

(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

(1) Vereine, deren Mitglieder oder Leiter sämtlich oder überwiegend Ausländer sind (Ausländervereine), können über die in Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes genannten Gründe hinaus unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 verboten werden. Vereine, deren Mitglieder oder Leiter sämtlich oder überwiegend ausländische Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union sind, gelten nicht als Ausländervereine. § 3 Abs. 1 Satz 2 und § 12 Abs. 1 und 2 sind mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Beschlagnahme und die Einziehung von Forderungen und Sachen Dritter auch im Falle des Absatzes 2 zulässig sind.

(2) Ausländervereine können verboten werden, soweit ihr Zweck oder ihre Tätigkeit

1.
die politische Willensbildung in der Bundesrepublik Deutschland oder das friedliche Zusammenleben von Deutschen und Ausländern oder von verschiedenen Ausländergruppen im Bundesgebiet, die öffentliche Sicherheit oder Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet,
2.
den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland zuwiderläuft,
3.
Bestrebungen außerhalb des Bundesgebiets fördert, deren Ziele oder Mittel mit den Grundwerten einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung unvereinbar sind,
4.
Gewaltanwendung als Mittel zur Durchsetzung politischer, religiöser oder sonstiger Belange unterstützt, befürwortet oder hervorrufen soll oder
5.
Vereinigungen innerhalb oder außerhalb des Bundesgebiets unterstützt, die Anschläge gegen Personen oder Sachen veranlassen, befürworten oder androhen.

(3) Anstelle des Vereinsverbots kann die Verbotsbehörde gegenüber Ausländervereinen Betätigungsverbote erlassen, die sie auch auf bestimmte Handlungen oder bestimmte Personen beschränken kann. Im übrigen bleiben Ausländervereinen gegenüber die gesetzlichen Vorschriften zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung unberührt.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

Auf die Berufung des Klägers wird die Beklagte unter Abänderung des aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 7. Februar 2008 ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz sowie unter entsprechender Aufhebung ihres Asylbescheides vom 9. Oktober 2008 verpflichtet, dem Kläger gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der im Jahr 1972 in der Provinz M. geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit; er begehrt die Zuerkennung seiner Flüchtlingseigenschaft gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG.

2

Der Kläger reiste Anfang 2006 in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er alsbald um die Gewährung von Asyl nachsuchte. Zur Begründung machte er geltend: Er habe ab 1990 in E. ein Lehramtsstudium aufgenommen gehabt. Dort sei er in den Jahren 1991 und 1992 wegen der Teilnahme an einem Newrozfest und einer Demonstration zweimal verhaftet worden. Zu seiner neuerlichen Verhaftung sei es sodann im Februar 1994 im Rahmen einer Razzia in seinem Heimatdorf gekommen; offenbar sei er damals den Sicherheitskräften bereits als prokurdischer Aktivist bekannt gewesen, weswegen sie an ihm ein Exempel hätten statuieren wollen. Im gleichen Jahr sei er nochmals in E. im Zusammenhang mit dem Besuch eines PKK-Aktivisten verhaftet worden. Ebenfalls im Jahr 1994 hätten die Sicherheitskräfte in seinem Heimatdorf die meisten der dortigen Häuser, darunter auch das Haus seiner Familie niedergebrannt; diese sei daraufhin nach Istanbul umgesiedelt. Im Jahr 1996 sei er im Rahmen der Suche nach zwei Cousins, die in Österreich um Asyl nachgesucht gehabt hätten, erneut verhaftet worden; einer dieser Cousins sei später in die Türkei zurückgekehrt und getötet worden.

3

Angesichts dieser Vorkommnisse habe er sich im Jahr 1996 der PKK als Milizionär angeschlossen; seine Aufgabe sei es gewesen, Zeitungen und Bücher der Organisation von Istanbul nach E. zu bringen und zu verteilen. Ende 1996/Anfang 1997 sei ein in diesem Verteilersystem tätiger Freund verhaftet und er selbst daraufhin gesucht worden. Er sei deshalb untergetaucht und habe in der Folgezeit mit einem gefälschten Nüfus relativ sicher in Istanbul gelebt. Er habe schon damals den Gedanken gehabt, sich nach Europa abzusetzen, wofür ihm jedoch das Geld gefehlt habe. Angesichts dessen habe er sich an die PKK gewandt, die ihm jedoch mitgeteilt habe, dass sie nur ihre Kader bei der Ausreise unterstütze. Daraufhin habe er sich der PKK endgültig - allerdings nicht als Kämpfer - angeschlossen. Nach vorangegangener Schulung sei er ab September 1998 im Camp M. im Irak als Lehrer in erster Linie für die kurdische Sprache eingesetzt worden. Als solcher habe er die Schüler bei der Herausgabe von Campzeitungen unterstützt sowie von der PKK stammende ideologische Informationen verbreitet. Außerdem habe er im Jahr 2003 unter seinem Namen für den Fernsehsender BBC Türkce Servisi ein Interview gegeben; daneben sei er auch sonst bei verschiedenen Fernsehberichten über das Lager - so etwa des Senders ROJ–TV - zu sehen gewesen. Unterdessen habe er von seiner Familie erfahren, dass die Sicherheitskräfte nach ihm gesucht hätten und von seinem Aufenthalt im Camp wüssten sowie dass seine beiden Brüder L. und K. wegen angeblicher Kontakte mit ihm aus dem Staatsdienst entlassen worden seien; außerdem sei sein Bruder L. in den Jahren 2000 und 2001 mehrmals von den Sicherheitskräften festgenommen und misshandelt worden.

4

Im April 2005 habe ihn die PKK ohne klaren Auftrag nach Europa geschickt; er sei jedoch in Ungarn verhaftet und nach seinem Reiseweg befragt worden, den er auch preisgegeben habe. Die Behörden hätten ihm zunächst seine Überstellung an die türkische Botschaft angedroht, ihn dann aber unter der Auflage, sich als Asylbewerber zu melden, laufen gelassen. Er habe sich daraufhin mit der PKK in Verbindung gesetzt, die ihn im Mai 2005 zurückgeholt habe. Er sei von dieser nunmehr als Verräter angesehen worden, weswegen er zur Disziplinierung in den Bergen habe eingesetzt werden sollen. Zuvor habe man ihm jedoch einen Übersetzungsauftrag für zwei Monate erteilt. Unterdessen habe er sich von der PKK gelöst und sei nach M. gegangen, wo er eigentlich habe bleiben wollen. Dort sei nunmehr jedoch von Seiten der PDK Druck auf ihn ausgeübt worden. Diese habe seinen Hintergrund gekannt und ihn zu einer Zusammenarbeit mit ihr veranlassen wollen. Angesichts dessen habe er sich schließlich zur Ausreise entschlossen, die nunmehr ohne die Unterstützung der PKK über die Türkei und Istanbul auf dem Landweg erfolgt sei.

5

Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Asylbescheid vom 9. Oktober 2007 ab. Außerdem stellte sie fest, dass beim Kläger die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG sowie Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorlägen. Zugleich wurde der Kläger unter der Androhung seiner Abschiebung zur Ausreise in die Türkei aufgefordert. Zur Begründung führte die Beklagte aus: Der Kläger könne schon deshalb kein Asyl beanspruchen, weil er auf dem Landwege eingereist sei. Überdies stehe ihm aber auch kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu. Insofern sei dem Kläger entgegenzuhalten, dass er einerseits eine Nähe zum PKK-Kader darzustellen und andererseits sich aber so einzulassen versuche, als habe er stets Distanz zur PKK gewahrt bzw. sich zuletzt sogar von ihr getrennt. Damit wolle er seine Anerkennung als politischer Flüchtling erreichen, zugleich aber das Eingreifen des § 60 Abs. 8 AufenthG verhindern. Von daher bleibe glaubhaft allein seine Lehrertätigkeit im Lager M., die als solche jedoch nicht zu einer verfolgungserheblichen Gefährdung führe. Nach der Erkenntnislage seien die Aktivitäten im Lager öffentlich; damit sei allgemein bekannt, wer PKK-Kader sei und wer nicht. Auch für die türkischen Sicherheitskräfte sei es daher ein Leichtes, die erforderlichen Informationen über den Kläger zu gewinnen; mithin wüssten sie ebenfalls von seiner Distanz zur PKK. Die Unglaubhaftigkeit beziehe sich auch auf die angebliche frühere Tätigkeit des Klägers für die PKK als Milizionär in den Jahren 1996 und 1997 noch in der Türkei selbst. Die Repressalien vor 1995 seien schon deshalb irrelevant, weil der Kläger vor ihnen in Istanbul hinreichend sicher gewesen sei bzw. sie auch nicht kausal für seine Ausreise gewesen seien.

6

Mit seiner am 6. November 2007 erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren auf die Zuerkennung seiner Flüchtlingseigenschaft bzw. die Gewährung von sonstigem Abschiebungsschutz weiter verfolgt. Hierzu hat er geltend gemacht: Er sei den türkischen Sicherheitskräften seit vielen Jahren als Anhänger und Aktivist der PKK bekannt. Im Hinblick darauf wie auch auf seine Tätigkeit im Camp M. bestehe ein erhebliches Ausforschungsinteresse an seiner Person. Dieses Interesse werde durch das Vorgehen des türkischen Staates gegen seine Familie bestätigt. Die Lage in der Türkei sei weiterhin von einer rücksichtlosen und menschenrechtswidrigen Unterdrückung der Kurden geprägt. Außerdem hat der Kläger zum Beleg für die Richtigkeit seines Vorbringens zahlreiche Zeugen benannt, die seine prokurdischen Aktivitäten, die von ihm erlittenen Übergriffe und die sich bis in die jüngste Zeit hinein erstreckenden Repressalien gegenüber seinem Bruder L. bestätigen könnten. Des Weiteren hat er darum nachgesucht, zur Richtigkeit seines Vorbringens bezüglich seiner Tätigkeiten im Camp M., zur Art seiner Zugehörigkeit zur PKK sowie zur Kenntnis der türkischen Stellen hinsichtlich der im Lager Camp M. für diese Organisation tätigen Aktivisten ein Sachverständigengutachten einzuholen.

7

Mit Urteil vom 7. Februar 2008 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Asylbescheid sei rechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere sei ihm darin zu folgen, dass der Kläger zu seinem Verhältnis zur PKK unterschiedliche Angaben gemacht habe, zumal er diese Unstimmigkeiten gerade in Bezug auf eine etwaige Kadertätigkeit in der mündlichen Verhandlung noch vertieft habe. Ebenso treffe es - wie der Asylbescheid weiter dargelegt habe - zu, dass der Aufenthalt des Klägers im Lager Camp M. nicht zu einer Gefährdung seiner Person führe. Tatsächlich müssten mit einer politischen Verfolgung wegen prokurdischer Tätigkeiten lediglich herausragende Multiplikatoren im Sinne ernstzunehmender politischer Gegner des türkischen Staates rechnen, zu denen der Kläger jedoch nach seiner eigenen Darstellung nicht gehöre. Auch der Umstand, dass die Sicherheitskräfte bei seinen Brüdern Informationen zu seiner Person und seinem Aufenthalt eingeholt hätten, belege keine gezielte Fahndung nach ihm, zumal der Kläger selbst nicht behaupte, dass etwa gegen ihn ein Ermittlungsverfahren laufe oder ein Haftbefehl bestehe.

8

Gegen dieses Urteil hat der Kläger die vom Senat zugelassene Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt und ergänzt er sein bisheriges Vorbringen. Namentlich regt er abermals an, die schon im erstinstanzlichen Verfahren benannten Zeugen zu hören und die erbetenen Sachverständigenauskünfte einzuholen. Im Übrigen verweist er darauf, dass sich in jüngster Zeit in der Türkei die allgemeine Menschrechtslage wie gerade auch die Lage der Kurden und prokurdischen Aktivisten weiter verschlechtert habe.

9

Der Kläger beantragt,

10

die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 7. Februar 2008 und unter Aufhebung des Asylbescheides vom 9. Oktober 2008 zu verpflichten, für ihn die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG, hilfsweise das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG festzustellen.

11

Die Beklagte beantragt,

12

die Berufung zurückzuweisen.

13

Zur Begründung beruft sie sich auf den Inhalt des Asylbescheides wie auch des angefochtenen Urteils; außerdem tritt sie dem Vorbringen des Klägers mit ergänzenden Ausführungen entgegen.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze sowie auf die das Verfahren betreffenden Verwaltungsakten Bezug genommen. Diese Vorgänge sowie die in das Verfahren eingeführten Erkenntnisse lagen dem Senat vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

15

Die Berufung ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage nicht abweisen dürfen, da der Kläger die Feststellung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1, 4, 5 und 6 AufenthG i. V. m. Art. 4 Abs. 4 sowie Art. 7 bis 10 der QualRL und § 31 Abs. 2 AsylVfG wegen eines für ihn hinsichtlich der Türkei bestehenden Abschiebungsverbotes verlangen kann.

16

Hiernach hat Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft der Ausländer, dem bei einer Rückkehr in seine Heimat aus politischen Gründen Verfolgungsmaßnahmen mit Gefahr für Leib und Leben oder Beeinträchtigungen seiner persönlichen Freiheit oder aber sonstige Eingriffe in andere Grundfreiheiten drohen, die nach ihrer Intensität und Schwere die Menschenwürde verletzen. Diese Verfolgung ist als politisch anzusehen, wenn sie in Anknüpfung an die asylerheblichen Merkmale der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung des Betroffenen erfolgt, weil sie alsdann den Einzelnen aus der übergreifenden Friedensordnung des Staates ausgrenzt und ihm zugleich Anlass gibt, in begründeter Furcht vor einer ausweglosen Lage außerhalb seines Heimatlandes Schutz zu suchen. Die Gefahr einer derartigen Verfolgung setzt weiter voraus, dass diese Maßnahmen den Schutzsuchenden unter Zugrundelegung einer auf einen absehbaren Zeitraum ausgerichteten Zukunftsprognose mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen oder aber dass sie für ihn nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden können, nachdem er in der Vergangenheit bereits politische Verfolgung erlitten hat. Wer von nur regionaler politischer Verfolgung betroffen war bzw. ist, ist allerdings erst dann als vorverfolgt bzw. verfolgt anzusehen, wenn er dadurch landesweit in eine ausweglose Lage versetzt wird. Das ist der Fall, wenn er in anderen Teilen seines Heimatlandes eine zumutbare Fluchtalternative nicht finden kann. Diese Fragen sind - bis auf die der Vorverfolgung und des Bestehens einer inländischen Fluchtalternative vor der Ausreise - nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, also zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu beurteilen.

17

Dabei geht der Senat vorliegend wie auch schon in seiner jüngeren Rechtsprechung davon aus, dass Aktivisten der PKK - ungeachtet der Bestrebungen des türkischen Staates nach einer weiteren Demokratisierung und Stärkung der Rechtsstaatlichkeit - jedenfalls dann, wenn sie ein entsprechend nachhaltiges Engagement an den Tag legen und damit als exponierte und ernstzunehmende Gegner des türkischen Staates in Erscheinung getreten sind, nach wie vor schwerwiegende - unmenschliche oder erniedrigende - Übergriffe drohen. Darunter sind in Sonderheit solche Aktivisten zu verstehen, die entweder politische Ideen und Strategien entwickeln oder zur Umsetzung solcher Ideen und Strategien Einfluss auf ihre Landsleute nehmen oder sonstige auf eine entsprechende Breitenwirkung zielende Funktionen übernehmen. Diese Schwelle wird dabei etwa dann überschritten, wenn die Betreffenden entweder als Auslöser prokurdischer Aktivitäten, als Organisator von Veranstaltungen oder als Anstifter oder Aufwiegler auftreten oder wenn ihre Vorgehensweisen bzw. Verlautbarungen die Vermutung nahe legen, sie verfügten über besondere Kenntnisse der prokurdischen Szene oder seien gar als Funktionäre in die PKK eingebunden. Gleiches gilt schließlich erst recht, wenn die Betreffenden wegen eines solchen Engagements bereits auffällig geworden waren bzw. dieserhalb gegen sie gegebenenfalls sogar ein Ermittlungsverfahren anhängig ist (vgl. dazu Urteile des Senates vom 12. März 2005 - 10 A 11952/03.OVG - und in dessen Fortführung vom 18. November 2005 - 10 A 10580/05.OVG -).

18

In diesem Zusammenhang war für den Senat bestimmend gewesen, dass seit der Wiederaufnahme des bewaffneten Kampfes durch die PKK im Mai 2005 bzw. im Rahmen der dadurch ausgelösten Operationen der staatlichen Sicherheitskräfte auf beiden Seiten wieder Tote zu beklagen waren und die Sicherheitskräfte es vor diesem Hintergrund erneut zu unkontrollierten Handlungen und Übergriffen gegenüber Aktivisten der PKK bis hin zu einer Wiederaufnahme der schon früher eingesetzten Unterdrückungsmechanismen gegenüber der kurdischen Bevölkerung hatten kommen lassen.

19

Diese Konfliktsituation war in der Folgezeit weiter eskaliert. Die Eskalation setzte dabei nach einem von Gendarmerieangehörigen durchgeführten Anschlag auf das Geschäft eines ehemaligen PKK-Mitgliedes nebst den diesem Anschlag nachfolgenden Begleitumständen sowie nach der Tötung von vier in einem Gefecht von den türkischen Sicherheitskräften getöteten PKK-Kämpfern Ende 2005 ein. Sie breitete sich rasch aus und führte im März 2006 zu gewalttätigen Ausschreitungen zwischen oft mehreren 1000 Demonstranten aus dem Umfeld der PKK sowie den türkischen Sicherheitskräften, in deren Verlauf es in der gesamten Türkei zu mindestens 15 Todesopfern sowie mehr als 350 Verletzten kam. Gleichzeitig begann die PKK wieder verstärkt Bombenanschläge gegen touristische Ziele in der Türkei zu verüben, so im April 2006 in Istanbul, im August 2006 in Marmaris, Istanbul und Antalya sowie im Mai 2007 in Ankara mit ebenfalls mehreren Todesopfern und zahlreichen Verletzten. Während die PKK seitdem von ihren im Nordirak gelegenen Stützpunkten aus verstärkt junge Kurden als Kämpfer zu gewinnen suchte, brachte der türkische Staat seinerseits zu deren Bekämpfung weitreichende Gesetzesverschärfungen wie etwa auch des Antiterrorgesetzes auf den Weg; außerdem zog er seine Streitkräfte an den Grenzen zum Irak zusammen, von wo aus sie Angriffe gegen die Lager der PKK starteten. Allein im Jahr 2006 sollen bei diesen Auseinandersetzungen mindestens 110 Mitglieder der PKK und 78 Soldaten ums Leben gekommen sein.

20

Vor diesem Hintergrund erklärte der türkische Generalstab im Sommer 2007 verschiedene Gebiete in den Provinzen Siirt, Sirnak und Hakkari zu Sicherheitszonen und militärischen Sperrgebieten, deren Betreten verboten ist und die streng kontrolliert werden. Ein spektakulärer Überfall der PKK im Herbst 2007 auf einen Grenzposten der türkischen Armee, bei dem 12 Soldaten ums Leben kamen und acht als Geiseln verschleppt wurden, heizte die mittlerweile ohnehin schon stark angespannte Stimmung in der Türkei weiter an. So griffen radikalisierte türkische Nationalisten im Westen des Landes Geschäfte von Kurden sowie Büros der prokurdischen DTP an, sodass sich dort sogar das dumpfe Vorgefühl eines Pogroms verbreitete, während gleichzeitig der Ruf nach einer weiteren Verschärfung des Vorgehens des türkischen Staates gegen die PKK und deren Anhänger laut wurde (vgl. dazu Beschluss des Senates vom 19. Februar 2008 - 10 A 11086/07.OVG -).

21

War nach Maßgabe dieser Einschätzung des Senates sowohl Ende 2005 als auch - erst recht - Anfang 2008 davon auszugehen, dass Aktivisten der PKK im Falle einer Abschiebung in die Türkei in hohem Maße gefährdet waren, Opfer unmenschlicher und erniedrigender Behandlung zu werden, sofern diese aus der Sicht der Sicherheitskräfte über eine gewisse Meinungsführerschaft oder Multiplikatorenfunktion verfügen, besondere Kenntnisse über die Organisationsstrukturen der PKK besitzen, bereits in der Vergangenheit wegen eines entsprechenden prokurdischen Engagements auffällig geworden waren oder gar auf der Fahndungsliste stehen, so hat sich seitdem an dieser Gefährdungslage nichts geändert. Im Gegenteil ist insoweit festzustellen, dass einerseits die türkischen Sicherheitskräfte im Rahmen der bewaffneten Auseinandersetzungen mit der PKK zum Jahreswechsel 2007/2008 sogar in den benachbarten Irak vorgedrungen waren und militärische Sperrgebiete außer in den schon genannten drei Provinzen zwischenzeitlich in fünf weiteren Provinzen geschaffen wurden; und ist ebenso festzustellen, dass andererseits die sich bereits seit 2005 abzeichnende Verlangsamung des Reformtempos anhält, Repressalien im Zusammenhang mit der Ausübung des Rechts auf Meinungsfreiheit wieder zunehmen, die Arbeit der Menschenrechtsorganisationen von staatlicher Seite erneut stärker beobachtet bzw. sogar behindert wird und gerade auch Übergriffe durch die Sicherheitskräfte angesichts des unbefriedigend gebliebenen Vorgehens gegen Folterer und der neuerlich zu verzeichnenden Stärkung der Stellung der Verfolgungsbehörden offenbar wieder häufiger vorkommen (vgl. dazu Oberdiek vom 19. März 2008, Nützliche Nachrichten vom 10. Juli 2008, AA Lagebericht vom 11. September 2008).

22

In diesem Zusammenhang ist der Senat des Weiteren davon überzeugt, dass die Angaben des Klägers, mit denen er seine Verfolgungsfurcht begründet hat, in ihrer Gesamtheit der Wahrheit entsprechen. Hiernach hatte der Kläger schon in den Jahren ab 1995 als Sympathisant der PKK während seiner Studentenzeit im Blickfeld der Sicherheitskräfte gestanden und war gegen ihn von deren Seite Ende 1997/1998 aufgrund seiner Tätigkeit als Zeitungsverteiler für diese Organisation sogar eine Suche eingeleitet worden. Sodann hatte er sich dieser Suche durch seinen unmittelbaren Anschluss an die PKK entzogen, die daraufhin nach einer vorangegangenen Schulung ab September 1998 seinen Einsatz als Lehrer im Camp M. veranlasst hatte. Als solcher war der Kläger über die reine Unterrichtung seiner Schüler hinaus auch anderweitig für die PKK - so durch die Weitergabe deren Informationen und Propaganda an die Bewohner des Lagers, die Betreuung zweier prokurdischer Jugendzeitungen oder im Rahmen von Fernsehberichten - tätig gewesen. Vor diesem Hintergrund hatte die PKK ab April 2005 seinen weiteren Einsatz in Europa geplant, der jedoch durch sein Aufgreifen in Ungarn gescheitert war. Nachdem ihn die PKK nach seiner Rückkehr in das Lager noch zwei Monate mit Übersetzungen beschäftigt hatte, verließ der Kläger schließlich das Lager. Die Ursache hierfür waren Probleme mit der PKK, die in ihm angesichts der Preisgabe seines Reiseweges gegenüber den ungarischen Behörden einen Verräter sah und ihm deshalb auftrug, Propaganda bei seinen Schülern zu machen, um sie so für einen Einsatz als PKK-Kämpfer zu gewinnen, bzw. andernfalls mit seinem eigenen Einsatz in den Bergen rechnen zu müssen. Die vom Kläger daraufhin geplante Niederlassung im Irak scheiterte endlich daran, dass er nunmehr auch von Seiten der dortigen PDK unter Druck gesetzt wurde, entweder für sie in deren Wachstationen Dienst zu tun oder aber an die Türkei ausgeliefert zu werden. Dabei war für seine Flucht mitbestimmend, dass die türkischen Sicherheitskräfte über seine Person und seinen Einsatz als eines PKK-Aktivisten Bescheid wussten und deshalb immer wieder bei seiner Familie vorstellig geworden waren und dabei namentlich seinen Bruder L. wiederholt mit Repressalien überzogen hatten.

23

Für die Glaubwürdigkeit des Klägers spricht in erster Linie der vom Senat hinsichtlich seiner Person gewonnene Eindruck in der mündlichen Verhandlung, wonach es sich bei ihm ersichtlich um einen ehrlichen und ernsthaften Menschen handelt, der nichts zu beschönigen oder zu übertreiben versucht und der überdies eher unter seinem Lebens- und Verfolgungsschicksal leidet, als dass er es, um seinem Begehren zum Erfolg zu verhelfen, etwa bewusst ausnutzt. Zudem erwies sich auch seine Darstellung im Rahmen seiner Befragung durch den Senat nicht nur frei von Widersprüchen, sondern ließ sie gleichzeitig derart detailreiche Kenntnisse über das Wirken der PKK im Allgemeinen wie gerade auch speziell im Lager Camp M. und die dortigen Lebensbedingungen zu Tage treten, wie sie letztlich nur Insidern zu Gebote stehen und überdies auch mit der Erkenntnislage des Senates übereinstimmen (vgl. dazu insbesondere Kaya vom 1. September und 23. Dezember 2006 sowie vom 13. März und 4. Juli 2007). Hinzu kommt, dass der Kläger seine diesbezüglichen Asylgründe außerdem auch noch durch eine Reihe unterschiedlicher Unterlagen zu belegen vermochte. Diese Einschätzung der Glaubwürdigkeit des Klägers und der Glaubhaftigkeit seines Vorbringens sieht der Senat dabei auch nicht etwa deshalb in Frage gestellt, weil der Kläger bezüglich seines Engagements für die PKK im bisherigen Verfahren zum einen hatte vortragen lassen, er sei weder als Kämpfer noch als Kader, sondern angesichts seines Einsatzes als Lehrer und Propagandist lediglich als sonstiger - im zivilen, sozialen und politisch-propagandistischen Bereich tätiger - PKK-Angehöriger anzusehen, und zum anderen gegenüber dem Verwaltungsgericht erklärt hatte, während seiner Tätigkeit im Camp M. doch auch zum Kreis der Kader der PKK gehört zu haben; insofern ist vielmehr zu sehen, dass es sich bei dieser Zuordnung eher um eine unterschiedliche Bewertung seines diesbezüglichen Einsatzes handelt, als um einen unterschiedlichen, sich gar widersprechenden Vortrag in tatsächlicher Hinsicht. Dem gemäß hat denn aufgrund der Anhörung des Klägers durch den Senat auch die Beklagte selbst eingeräumt, dass sie ihre bisherigen Bedenken gegen die Richtigkeit des klägerischen Vorbringens nicht mehr aufrecht hält.

24

Dies zu Grunde gelegt, ist der Senat des Weiteren der Überzeugung, dass dem Kläger im Falle seiner Abschiebung in Türkei mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die konkrete Gefahr droht, von Seiten der dortigen Sicherheitskräfte einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung unterworfen zu werden. Auch wenn sich nicht übersehen lässt, dass der Kläger mit seinem Anschluss an die PKK keinesfalls auch deren militärische Ziele unterstützen, sondern seinen Einsatz in dem von ihm erlernten Lehrerberuf erreichen wollte, so handelt es sich bei ihm doch aus der Sicht des türkischen Staates um einen bereits während seiner Studentenzeit wegen seiner prokurdischen Ausrichtung und seines Einsatzes für die PKK aufgefallenen Aktivisten, der sich zudem die damalige Suche nach seiner Person nicht etwa hatte als Warnung dienen lassen, sondern sich daraufhin statt dessen sogar noch enger der PKK angeschlossen hatte, um sich nach entsprechender Schulung als Lehrer und Multiplikator für diese Organisation zu betätigen. Hinzu kommt, dass der türkische Staat darüber hinaus aber auch Grund zu der Annahme hat, dass der Kläger während dieser Zeit seines unmittelbare Anschlusses an die PKK vielfältige Kenntnisse über deren Strukturen und Ziele wie auch über die Gegebenheiten in deren Ausbildungsstätten, dem von ihr beherrschten Camp M. bis hin zu deren militärischen Rückzugsgebieten im Irak erlangt hat, so dass er sich damit gerade angesichts der aufgezeigten Ausweitung der bewaffneten Auseinandersetzungen auf diese Regionen als wichtiger Informant darstellt. Dass der türkische Staat überdies auch deshalb den Kläger in asylrelevanter Weise bedrängen wird, weil er von ihm Einzelheiten über seinen im Jahr 2005 geplanten Einsatz in Europa einschließlich seinem damaligen Fluchtweg und ebenso endlich auch über den Inhalt der von ihm übersetzten organisationsinternen Dokumente in Erfahrung bringen möchte, sei nur noch am Rande erwähnt (vgl. zum Ganzen Oberdiek vom 15. August 2007, Aydin vom 20. September 2007, Kaya vom 26. September 2007 und ai vom 15. November 2007 jeweils an das VG Sigmaringen). Angesichts dessen erscheint schließlich die dem Kläger drohende Verfolgungsgefahr auch nicht etwa deshalb gemindert, weil er zuletzt unter dem Druck der Ereignisse der PKK den Rücken gekehrt hat, vermag dies doch weder etwas an seiner vorherigen, sich über Jahre erstreckende Zugehörigkeit zur PKK noch an seinen während dieser Zeit erlangten vertieften Kenntnisse über diese Organisation und deren Bedeutung für den türkischen Staat zu ändern (vgl. dazu im Übrigen Beschluss des Senates vom 19. Februar 2008 a. a. O.).

25

Schließlich scheitert die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zugunsten des Klägers vorliegend auch nicht wegen des Grundsatzes der Subsidiarität des internationalen Flüchtlingsschutzes, wonach der Flüchtling diese Zuerkennung in einem Zweit- oder Drittfluchtland nicht verlangen kann, wenn er bereits in einem sonstigen Drittstaat vor politischer Verfolgung tatsächlich sicher war und voraussichtlich sicher bleiben wird und wenn seine Rückführung oder Rückkehr in diesen Staat möglich ist (vgl. BVerwGE 122, S. 376). Diese Voraussetzungen sind ersichtlich nicht gegeben; denn wie bereits ausgeführt, konnte sich der Kläger nur solange im Camp M. aufhalten, als er das Wohlwollen der PKK genoss, und vermochte er hernach auch nicht etwa außerhalb dieses Lagers im Irak Fuß zu fassen, da er nunmehr von der dortigen PDK vor die Alternative gestellt wurde, entweder sich für sie in deren Wachstationen einsetzen zu lassen oder aber in die Türkei ausgeliefert zu werden.

26

Ebenso steht der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu Gunsten des Klägers auch nicht der Ausschlusstatbestand des § 60 Abs. 8 AufenthG entgegen. Insofern unterfällt der Kläger zunächst nicht dessen Satz 1, 1. Alt., wonach § 60 Abs. 1 AufenthG keine Anwendung findet, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist. Wie sich aus den bisherigen Ausführungen ergibt, hatte sich der Kläger zwar Anfang 1997 der PKK als Aktivist bzw. gar Kader angeschlossen und war er für diese bis in das Jahr 2005 hinein tätig gewesen. Dieser Anschluss ist indessen vor dem Hintergrund zu sehen, dass der Kläger sich seinerzeit zu diesem Schritt genötigt gesehen hatte, um sich so dem ihm damals drohenden Zugriff der türkischen Sicherheitskräfte zu entziehen, und dass er dabei zugleich gehofft hatte, auf diese Weise seine Verwendung in seinem erlernten Beruf als Lehrer erreichen zu können. Auch wenn er in diesen Jahren sodann für die PKK nicht nur als Lehrer für die kurdische Sprache, sondern ebenso als Multiplikator und Übersetzer tätig war, so wird doch aus seinem weiteren Vorbringen hierzu deutlich, dass er auch dabei stets auf eine gewisse Distanz zur PKK bedacht war, namentlich aber eine unmittelbare Unterstützung des bewaffneten Kampfes dieser Organisation zu vermeiden trachtete. Dies wird besonders augenfällig angesichts der Hintergründe für seine schließlich erfolgte Trennung von der PKK, nachdem diese ihn nach seiner Einstufung als Verräter zunehmend unter Druck zu setzen begann, nunmehr bei seinen Schülern auch Propaganda für deren Einsatz als Kämpfer in den Bergen zu machen bzw. andernfalls selbst mit einer solchen Verwendung rechnen zu müssen. Hinzu kommt, dass der Kläger - gleichfalls ganz im Sinne dieses so von seiner Person gewonnenen Bildes als eines eher zurückhaltenden und friedfertigen Menschen - nach seiner Einreise ins Bundesgebiet nicht mehr an einer Wiederaufnahme seines früheren prokurdischen Engagements interessiert war und sich demgemäß selbst entsprechenden Anwerbeversuchen - wie der von ihm im Rahmen seiner Anhörung geschilderte Vorfall zeigt - schon im Vorfeld ganz bewusst entzog. Angesichts dessen kann des Weiteren auch nicht etwa davon die Rede sein, dass der Kläger mit seinem früheren Anschluss an die PKK die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 2 i. V. m. § 3 Abs. 2 AsylVfG erfüllt; insofern ist bei ihm gerade eben nicht aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt, dass er insbesondere ein Verbrechen gegen den Frieden oder die Menschlichkeit oder eine schwere nichtpolitische Straftat begangen oder sonst den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hätte, geschweige denn, dass von ihm gar die Gefahr ausginge, dass er es künftig zu derartigen Verhaltensweisen kommen lassen werde (vgl. dazu Urt. des Senats vom 10. März 2006 - 10 A 10665/05.OVG - m.w.N.).

27

Kann der Kläger mithin von der Beklagten die Feststellung verlangen, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG wegen eines für ihn hinsichtlich der Türkei bestehenden Abschiebungsverbotes zuzuerkennen ist, so war damit zugleich die in dem angefochtenen Asylbescheid außerdem gegen ihn diesbezüglich verfügte Androhung seiner Abschiebung aufzuheben.

28

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

29

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO.

30

Die Revision wird nicht zugelassen, weil Gründe der in § 132 VwGO genannten Art nicht vorliegen.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.