Verwaltungsgericht Würzburg Beschluss, 21. Juni 2016 - W 2 S 16.554

bei uns veröffentlicht am21.06.2016

Gericht

Verwaltungsgericht Würzburg

Tenor

I.

Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid der Staatlichen Realschule B. vom 2. Mai 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Juni 2016 (W 2 K 16.586) wird angeordnet.

II.

Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

1.

Der am … 1998 geborene Antragsteller wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Entlassung von der Staatlichen Realschule B.

In den vergangenen Schuljahren verhängte die Staatliche Realschule B. gegen den Antragsteller verschiedene Ordnungsmaßnahmen (Nacharbeiten, Verweise und verschärfte Verweise).

Während der Besinnungstage der Klasse 9b im Februar 2016 erwarb der Antragsteller gemeinsam mit Klassenkameraden hochprozentigen Alkohol, der gemeinsam konsumiert wurde. Nach dem Bekanntwerden dieses Vorfalls tätigte der Antragsteller in der WhatsApp-Gruppe „Abschluss Pulli“ unter anderem folgende Bemerkungen: „Der wos gesagt hat also allg verpetzt; Gnade im Gott; ich mach den so fertig, ich schwörs euch.“

Mit Bescheid vom 18. März 2016 schloss die Staatliche Realschule B. den Antragsteller daraufhin vom 14. März bis zum 18. März 2016 vom Unterricht aus. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Der Antragsteller habe in der Schule und in einer WhatsApp-Gruppe Mitschüler massiv bedroht und Gewalttätigkeiten angedroht, falls diese Mitteilungen über sein Verhalten bei den Besinnungstagen an Lehrer oder die Schulleitung weitergäben. Die Mitschüler seien durch diese Bedrohungen massiv eingeschüchtert worden und seien verängstigt.

Mit Bescheid vom 5. April 2016, den Eltern des Antragstellers am 6. April 2016 zugestellt, sprach die Staatliche Realschule B. für den Antragsteller die Androhung der Entlassung als Ordnungsmaßnahme gemäß Art. 86 Bayerisches Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) i. d. F. d. Bek. v. 31. Mai 2000 (GVBl. S. 414, 632, BayRS 2230-1-1-K), zuletzt geändert durch Art. 9a Abs. 18 Bayerisches E-Government-Gesetz v. 22. Dezember 2015 (GVBl. S. 458), aus. Zudem wurde der Antragsteller ab dem 11. April 2016 in die Parallelklasse 9a versetzt und von der Abschlussfahrt nach Berlin im Oktober 2016 ausgeschlossen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Der Antragsteller habe während der Besinnungstage hochprozentige alkoholische Getränke zusammen mit einigen Mitschülern gekauft. In der Folge habe er Mitschüler in der Schule und in einer WhatsApp-Gruppe massiv bedroht.

2.

Am 18. April 2016 schrieb der Antragsteller zusammen mit seiner früheren Klasse die Schulaufgabe im Fach Mathematik. Im anschließenden Sportunterricht am Freisportgelände der ...halle bezeichnete er seine Mathematiklehrerin Frau K. gegenüber Mitschülern und in Anwesenheit des Sportlehrers Herrn G. als „alte Schlampe“. Herr G. meldete den Vorfall der Schulleitung. Mit Schreiben vom 20. April 2016 unterrichtete die Staatliche Realschule B. die Eltern des Antragstellers über die Einberufung des Disziplinarausschusses, um über das Verhalten des Antragstellers zu beraten und eine angemessene Ordnungsmaßnahme zu treffen. Es wurde auf die Möglichkeiten zur Stellungnahme, zur Beantragung der Mitwirkung des Elternbeirates sowie zur Möglichkeit, sich auf Antrag in der Sitzung des Disziplinarausschusses persönlich zu äußern, hingewiesen. Ferner wurde darauf hingewiesen, dass der Antragsteller eine Lehrkraft seines Vertrauens einschalten könne.

Am 29. April 2016 erfolgte um 13:30 Uhr die Sitzung des Disziplinarausschusses der Staatlichen Realschule B., zu der der Antragsteller mit seiner Mutter erschien. Im Protokoll ist Folgendes vermerkt: „Der Schüler erschien in Begleitung seiner Mutter vor dem Ausschuss. V. wurde mit dem Vorwurf konfrontiert und gab sofort zu Frau K. im Beisein einiger Mitschüler beschimpft zu haben. […] V. bereut diese Tat und versprach Besserung. Allerdings hat er sich bis heute noch nicht bei seiner Mathematiklehrerin entschuldigt.“ Im Anschluss beschloss der Disziplinarausschuss einstimmig, den Antragsteller von der Schule zu verweisen.

Mit Bescheid vom 2. Mai 2016, den Eltern des Antragstellers am 3. Mai 2016 zugestellt, sprach die Staatliche Realschule B. aufgrund des Beschlusses des Disziplinarausschusses vom 29. April 2016 für den Antragsteller die Entlassung von der Schule bis spätestens 13. Mai 2016 als Ordnungsmaßnahme gemäß Art. 86 BayEUG aus. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Der Antragsteller habe sich am 18. April 2016 im Sportunterricht über die Mathematiklehrerin beleidigend geäußert und sie als „alte Schlampe“ bezeichnet. Bereits am 29. April 2016 sei „wegen der Vorfälle bei den Besinnungstagen und der Bedrohungen von Mitschülern in der Folge“ die Androhung der Entlassung ausgesprochen worden. Eine Verhaltensänderung sei bei dem Antragsteller nicht erkennbar.

Dagegen ließ der Antragsteller mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 19. Mai 2016 Widerspruch einlegen. Die hierbei vorgelegte (undatierte) Vollmacht der Anwältin war nur von der Mutter des Antragstellers unterzeichnet. Zur Begründung ließ der Antragsteller durch seine Bevollmächtigte im Wesentlichen ausführen: Der Antragsteller habe sich bei Frau K. wegen seines Verhaltens entschuldigt. Diese habe die Entschuldigung angenommen. Eine Entlassung des Schülers elf Wochen vor Schuljahresende sei unverhältnismäßig. Es gebe keine Schule, die den Antragsteller so kurz vor Schuljahresende aufnehmen würde. Die genannten Gründe seien unzureichend, um den Ausschluss aus der Schule als die schärfste schulordnungsrechtliche Maßnahme zu rechtfertigen. Das Recht des Schülers zumindest das Schuljahr zu beenden überwiege vorliegend. Der Antragsteller habe nach Beendigung des Schuljahres den „Hauptschulabschluss“ und werde die Schule nach der neunten Klasse freiwillig verlassen. Er leide unter der Situation.

Mit Widerspruchsbescheid vom 6. Juni 2016, der Bevollmächtigten des Antragstellers am selben Tag zugegangen, wies die Staatliche Realschule B. den Widerspruch des Antragstellers zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Der Widerspruch sei bereits unzulässig, da der Antragsteller nur von seiner Mutter vertreten worden sei. Im streitgegenständlichen Bescheid sei der wesentliche Grund für die Entlassung genannt worden. Selbst wenn die Auffassung vertreten werde, der Bescheid wäre wegen zu knapper Begründung der im Disziplinarausschuss getroffenen Ermessensentscheidung formell rechtswidrig, werde dieser Begründungsfehler im Widerspruchsverfahren geheilt. Der Disziplinarausschuss habe sich mit den Argumenten des Antragstellers befasst und eine ordnungsgemäße Interessenabwägung getätigt. Selbst wenn der Disziplinarausschuss materiell ermessensfehlerhaft entschieden hätte, würde dieser Fehler geheilt, da durch die Lehrerkonferenz eine eigenverantwortliche Nachprüfung des Ausgangsbescheids unter Ausübung eigenen Ermessens erfolge. Die Verhängung der Entlassung von der Schule sei zweckmäßig. Der Schulfriede sei aufgrund des seit langer Zeit unangemessenen Verhaltens des Antragstellers im Hinblick auf die Schülerschaft, aber auch in Bezug auf die Lehrkräfte nachhaltig und irreparabel gestört. Der Antragsteller habe sein Verhalten trotz vielfacher erzieherischer Maßnahmen und Ordnungsmaßnahmen im Vorfeld nicht verändert. Der Antragsteller nehme weiterhin Lehrkräfte und Instanzen der Staatlichen Realschule B. nicht ernst und erkenne deren Autorität nicht an. Der Antragsteller habe selbst nach der Androhung der Entlassung weiter Mitschüler gegen Lehrkräfte aufgewiegelt und ein destruktives Verhalten im Unterricht gezeigt. So habe er am 26. April 2016 im Ethikunterricht eine Diskussion mit den Worten „Wo bin ich denn hier gelandet“ kommentiert und an der Diskussion involvierte Mitschüler negativ beeinflusst, wie er es bereits bei den Besinnungstagen getan habe. Allein aufgrund der Entschuldigung gegenüber Frau K. könne eine zukünftige Verhaltensänderung nicht angenommen werden. Die Entschuldigung sei erst aufgrund eines entsprechenden Hinweises durch die Mitglieder des Disziplinarausschusses erfolgt. Ein milderes Mittel als die Entlassung des Antragstellers sei nicht ersichtlich, um den Bildungs- und Erziehungsauftrag der Staatlichen Realschule zu sichern. Es sei auch nicht unverhältnismäßig, einen Schüler elf Wochen vor dem Schuljahresende zu entlassen, zumal ein Schuljahr insgesamt nur 38 Schulwochen habe. Der Antragsteller werde an einer anderen Realschule im Umkreis aufgenommen und könne hierbei vom Ministerialbeauftragten für die Realschulen in Unterfranken begleitet werden.

3.

Bereits zuvor, mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 24. Mai 2016, eingegangen bei Gericht am selben Tag, ließ der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz beantragen.

Zur Begründung ließ der Antragsteller durch seine Bevollmächtigte im Wesentlichen ausführen:

Es sei entgegen Art. 87 BayEUG kein Schularzt oder Schulpsychologe dem Entlassungsverfahren beigezogen worden. Auch sei der Verfahrensgang der Abstimmung unklar. Aus der Begründung des Bescheides vom 18. März 2016 sei nicht ersichtlich, ob die Lehrerkonferenz beschlussfähig gewesen sei. Ein schweres oder wiederholtes Fehlverhalten, das die Erfüllung der Aufgabe der Schule oder die Rechte anderer gefährde, sei nicht erkennbar. Der Antragsteller habe sich bei Frau K. entschuldigt und bereue den Vorfall. Eine schwerwiegende und gravierende Störung des Schulbetriebs liege nicht vor. Seine Äußerung habe im Kreise seiner Freunde stattgefunden. Der Antragsteller habe seinen Freunden über die schwere Klausur berichten wollen. Zudem sei der Ausdruck nicht beleidigend gemeint gewesen, sondern entspreche der heutigen Jugendsprache. Es sei nicht angemessen, einen Schüler elf Wochen (nur neun Schulwochen) vor dem Ende des Schuljahres zu entlassen. Nach Beendigung des Schuljahres habe der Antragsteller den „Hauptschulabschluss“ erreicht. Keine der angefragten Schulen sei bereit, den Antragsteller noch in diesem Schuljahr aufzunehmen. Auch müsse berücksichtigt werden, dass sich der Antragsteller mitten in der Pubertät befinde. Der Antragsteller sei erneut zum Klassensprecher gewählt worden. Seine schulischen Leistungen seien nicht zu beanstanden.

Der Antragsteller ließ durch seine Bevollmächtigte zuletzt beantragen,

1. die aufschiebende Wirkung der Klage vom 6. Juni 2016 anzuordnen;

2. dem Antragsteller den Schulbesuch weiterhin zu gestatten.

Der Antragsgegner beantragte,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung führte der Antragsgegner im Wesentlichen aus:

Der Antrag dürfte bereits unzulässig sein. Der Antragsteller sei als Minderjähriger bei der Einlegung des Widerspruchs nicht ordnungsgemäß vertreten gewesen. Das Vollmachtsformular für die Prozessbevollmächtigte sei nur von der Mutter des Antragstellers unterschrieben gewesen. Die Unterschrift des Vaters des Antragstellers sei aufgrund des Ablaufs der Widerspruchsfrist nicht mehr nachholbar. Daher sei der angegriffene Bescheid vom 2. Mai 2016 bestandskräftig geworden, weshalb es keinen Rechtsbehelf gebe, dessen aufschiebende Wirkung angeordnet werden könne. Die Entscheidung über den Widerspruch sei unerheblich, da die Staatliche Realschule B. den Widerspruch vordergründig als unzulässig abgewiesen habe. Eine neue Eröffnung des Rechtsweges ergebe sich hieraus nicht. Der Antrag sei jedenfalls unbegründet. Das öffentliche Interesse an der Entfernung des Antragstellers von der Schule überwiege dessen private Interessen. Es seien keine Anhaltspunkte für Ermessensfehler ersichtlich. Auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sei gewahrt. Das Mittel der Entlassung von der Schule sei zur Sicherung des Bildungs- und Erziehungsauftrags bzw. zum Schutz von Personen und Sachen geeignet. Ein milderes Mittel sei angesichts des fortgesetzten störenden Verhaltens des Antragstellers nicht mehr erfolgversprechend.

Mit Beschluss vom 27. Mai 2016 gab das Gericht dem Antragsgegner auf, dem Antragsteller ab Montag, den 30. Mai 2016, vorläufig - bis zur endgültigen Entscheidung der Kammer im Eilverfahren - die Teilnahme am Unterricht zu gestatten.

Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 6. Juni 2016, eingegangen bei Gericht am selben Tag, ließ der Antragsteller Klage gegen den Bescheid vom 2. Mai 2016 und den Widerspruchsbescheid vom 6. Juni 2016 erheben (W 2 K 16.586). Zudem brachte die Antragstellervertreterin eine auf den 7. Juni 2016 in B. von beiden Elternteilen unterzeichnete Vollmacht zur Vorlage.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der vorgelegten Behördenakten sowie der Akte des Verfahrens W 2 K 16.586 Bezug genommen.

II.

1.

Der Antrag ist zulässig und begründet.

1.1

Der Antrag ist zulässig. Ein Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ist nur dann statthaft, wenn ein noch nicht bestandskräftiger Verwaltungsakt vorliegt, der entweder kraft Gesetzes (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 VwGO) oder kraft behördlicher Vollzugsanordnung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) sofort vollziehbar ist (Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 80 Rn. 130). Hier ist der Bescheid der Staatlichen Realschule B. vom 2. Mai 2016 noch nicht in Bestandskraft erwachsen. Der Einwand des Antragsgegners, wonach aufgrund der lediglich von der Mutter des Antragstellers erteilten Bevollmächtigung der Anwältin ein unzulässiger Widerspruch vorgelegen habe, dringt nicht durch. Gemäß § 1629 Abs. 1 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) besteht im Rahmen der elterlichen Sorge der Grundsatz der gemeinschaftlichen Vertretung. Zwar war die bei der Widerspruchseinlegung vorgelegte undatierte Vollmacht der Anwältin lediglich von der Mutter des Antragstellers unterzeichnet. Allerdings können die Eltern die Ausübung ihres Sorgerechts dem jeweils anderen sorgeberechtigten Elternteil durch Erteilung einer widerruflichen Vollmacht überlassen; die gegenseitige Bevollmächtigung ist auch konkludent möglich (BGH, U.v. 28.6.1988 - VI ZR 288/87 - BGHZ 105, 45/48; Veit in BeckOK BGB, Stand Mai 2016, § 1629 Rn. 11). Vorliegend ist von einer konkludenten Bevollmächtigung der Mutter des Antragstellers durch dessen Vater zur Bevollmächtigung der Anwältin auszugehen. Schließlich liegt dem Gericht eine auf den 7. Juni 2016 datierte und nunmehr von beiden Elternteilen unterzeichnete Prozessvollmacht vor. Hieraus wird ersichtlich, dass die Bevollmächtigung der Anwältin zum Zwecke der Widerspruchseinlegung dem Willen des Vaters des Antragstellers entsprach. Bezogen auf das gerichtliche Verfahren ist darauf hinzuweisen, dass der Mangel eines etwaigen Fehlens der Vollmacht für die Vergangenheit geheilt wird, wenn die Vollmacht bis zum Ergehen des Urteils vorgelegt wird. In einem derartigen Fall wird dadurch auch der Mangel des etwaigen ursprünglichen Fehlens der Vollmacht für die Vergangenheit geheilt (BVerwG, U.v. 3.5.2011 - 7 A 9/09 - NVwZ 2012, 48). Die Entlassung von der Schule ist gemäß Art. 86 Abs. 14 BayEUG i. V. m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO auch sofort vollziehbar.

1.2

Der Antrag ist auch begründet.

Im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen einen belastenden Verwaltungsakt anordnen bzw. wiederherstellen, wenn diese nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 VwGO kraft Gesetzes ausgeschlossen ist (Anordnung der aufschiebenden Wirkung) bzw. durch die Behörde im Einzelfall nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts angeordnet wurde (Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung). Dabei trifft das Gericht eine eigene, originäre Ermessensentscheidung, die sich maßgeblich an den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache orientiert, wie sie sich nach einer summarischen Prüfung darstellen. Ist danach der angegriffene Verwaltungsakt offensichtlich rechtmäßig, so überwiegt in der Regel das öffentliche Vollzugsinteresse, weshalb der Antrag abzulehnen ist. Ist hingegen der angegriffene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig, so besteht kein öffentliches Interesse an dessen Vollziehung, weshalb die aufschiebende Wirkung anzuordnen bzw. wiederherzustellen ist. Stellen sich schließlich die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache nach summarischer Überprüfung als offen dar, so ergeht die gerichtliche Entscheidung anhand einer Abwägung des privaten Aussetzungsinteresses des Antragstellers mit dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts.

Soweit allerdings die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen einen Verwaltungsakt kraft Gesetzes ausgeschlossen ist - wie hier im Falle der Entlassung eines Schülers nach Art. 86 Abs. 14 BayEUG i. V. m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO -,hat der Gesetzgeber damit einen grundsätzlichen Vorrang des Vollziehungsinteresses angeordnet, so dass es besonderer Umstände bedarf, um eine hiervon abweichende Entscheidung zu rechtfertigen (BVerfG, B.v. 10.10.2003 - 1 BvR 2025/08 - juris Rn. 21; B.v. 8.11.2010 - 1 BvR 722/10 - juris; B.v. 24.8.2011 - 1 BvR 1611/11 - juris). Dies ist der Fall, wenn gegen die Rechtmäßigkeit der Maßnahme als solche, wie im vorliegenden Fall, durchgreifende Bedenken bestehen. Für die Kammer erscheint die angegriffene Entscheidung, den Antragsteller von der Schule zu entlassen, unter Berücksichtigung der Vorläufigkeit des Verfahrens sowie des derzeitigen Verfahrensstandes aufgrund formeller und materieller Mängel rechtswidrig. Es bestehen nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 2. Mai 2016. Das Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiegt daher das Vollziehungsinteresse des Antragsgegners.

1.3

Die angeordnete Maßnahme der Schule findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 86 BayEUG. Danach können zur Sicherung des Bildungs- und Erziehungsauftrags oder zum Schutz von Personen und Sachen nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Ordnungsmaßnahmen gegenüber Schülerinnen und Schülern getroffen werden, soweit andere Erziehungsmaßnahmen nicht ausreichen (Art. 86 Abs. 1 BayEUG). Zu den Ordnungsmaßnahmen zählt die Entlassung von der Schule durch die Lehrerkonferenz (Art. 86 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 BayEUG).

1.4

Der Bescheid dürfte bereits formell rechtswidrig sein.

Wegen der relativen Weite der tatbestandlichen Voraussetzungen von Ordnungsmaßnahmen kommt den Regelungen über die Zuständigkeit und das Verfahren eine besondere rechtssichernde Bedeutung zu (vgl. BVerfG, B.v. 27.1.1976 - BverfGE 41, 251/265). Vorliegend war gemäß Art. 58 Abs. 1 Satz 3 BayEUG der Disziplinarausschuss für die Entscheidung über die Schulentlassung zuständig, denn die Staatliche Realschule B. verfügt über mehr als 25 mit mindestens der Hälfte der Unterrichtspflichtzeit beschäftigte Lehrkräfte. Der Disziplinarausschuss trifft anstelle der Lehrerkonferenz die Disziplinarmaßnahmen i. S.v. Art. 86 BayEUG (VG Ansbach, B.v. 7.3.2014 - AN 2 S 14.00188 - juris; VG München, U.v. 11.2.2014 - M 3 K 12.3507 - juris). Der Antragsteller und seine Eltern wurden ordnungsgemäß im Verfahren bezüglich der Entlassung von der Schule beteiligt. Ihnen wurde vor Erlass des Bescheides mit Schreiben vom 20. April 2016 der dem Antragsteller zur Last gelegte Sachverhalt mitgeteilt und es wurde Gelegenheit zur Äußerung bezüglich des vorgeworfenen Fehlverhaltens gegeben. Außerdem wurde auf die Möglichkeit hingewiesen, sich vor dem Disziplinarausschuss persönlich zu äußern sowie eine Lehrkraft des Vertrauens einzuschalten (Art. 86 Abs. 9 BayEUG; § 17 der Schulordnung für die Realschulen, Realschulordnung - RSO vom 18.7.2007 (GVBl. S. 458, ber. GVBl. S. 585), zuletzt geändert durch § 7a Abs. 5 Schülerunterlagenverordnung v. 11.9.2015 (GVBl. S. 349)). Ebenso wurde darauf hingewiesen, dass auf Antrag der Elternbeirat im Entlassungsverfahren mitwirkt (Art. 87 Abs. 1 Satz 3 BayEUG). Von dieser Möglichkeit machte der Antragsteller jedoch keinen Gebrauch. Gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 RSO gehören dem Disziplinarausschuss die Schulleiterin oder der Schulleiter als Vorsitzende oder als Vorsitzender, die ständige Vertreterin oder der ständige Vertreter und sieben weitere Mitglieder an. Den vorgelegten Unterlagen ist zu entnehmen, dass der Disziplinarausschuss - wie vorgeschrieben - gemäß §§ 8, 9 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 2 RSO mit der vollen Zahl seiner neun Mitglieder entschieden und einstimmig die Entlassung des Antragstellers beschlossen hat.

Allerdings begegnet der Umstand, dass kein Schulpsychologe zur gutachterlichen Äußerung hinzugezogen wurde, Bedenken. Nach Art. 87 Abs. 2 BayEUG ist im Entlassungsverfahren der Schularzt oder der zuständige Schulpsychologe nach Lage des Falles beizuziehen. Vorliegend ist im Hauptsacheverfahren aufzuklären, ob eine derartige Involvierung nach Lage des Falles geboten gewesen wäre. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigten, dass der Antragsteller noch minderjährig ist und die Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme der Einordnung und der besseren Aufklärung der Verhaltensweisen des Antragstellers gegenüber den Lehrkräften und Mitschülern dient.

Zudem genügt die Begründung der Entlassungsverfügung im Bescheid vom 2. Mai 2016 nicht den Anforderungen des Art. 39 Abs. 1 BayVwVfG. Danach sind in der Begründung die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben (Art. 39 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG). Die Begründung von Ermessensentscheidungen soll auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist (Art. 39 Abs. 1 Satz 3 BayVwVfG). Vorliegend erschöpft sich der streitgegenständliche Bescheid in der Bezugnahme auf den Vorfall am 18. April 2016 sowie in der Feststellung, dass bei dem Antragsteller eine Verhaltensänderung nicht erkennbar sei. Dies ist für die Begründung einer Schulentlassung in Anbetracht ihrer Eigenschaft als „schärfste Ordnungsmaßnahme“ ersichtlich unzureichend. Insbesondere fehlen jegliche Ausführungen zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Hinblick auf den nur noch verbleibenden kurzen Zeitraum bis Schuljahresende und dem Schulabschluss des Antragstellers.

1.5

Die Entlassung des Antragstellers von der Staatlichen Realschule B. ist jedenfalls materiell rechtswidrig.

Förmliche Ordnungsmaßnahmen dienen zum einen der Sicherung der Funktionsfähigkeit der Schule, indem Störungen des Schulbetriebes unterbunden oder verhindert werden, zum anderen weisen sie eine pädagogische Funktion auf (Rux/Niehues, Schulrecht, 5. Aufl. 2013, Rn. 417). Der Schulausschluss stellt die schärfste Ordnungsmaßnahme dar (Rux/Niehues, Schulrecht, 5. Aufl. 2013, Rn. 464). Es bedarf einer so schweren und unerträglichen Störung des Schulbetriebes, dass die Schule ihren Bildungs- und Erziehungsauftrag auch gegenüber anderen Schülern nicht oder nur unzureichend erfüllen kann (BVerfG, B.v. 27.1.1976 - 1 BvR 2325/73 - BVerfGE 41, 251; VGH BW, B.v. 28.7.2009 - 9 S 1077/09 - NVwZ-RR 2009, 924; BayVGH, 28.1.2008 - 7 CS 07.3380 - BeckRS 2008, 38036). Gemäß Art. 86 Abs. 2 Nr. 8 BayEUG bedarf es einer vorherigen Androhung. Die Entlassung ist mit nicht unerheblichen Nachteilen für den betroffenen Schüler verbunden, auch wenn er seine Ausbildung grundsätzlich an einer anderen Schule fortsetzen kann. Die nach pflichtgemäßem Ermessen (Art. 40 BayVwVfG) zu treffende Entscheidung hat sich deshalb daran auszurichten, ob ein Verbleiben des Schülers an der betreffenden Schule im Hinblick auf die unbeeinträchtigte Erfüllung ihres Bildungs- und Erziehungsauftrags oder wegen des Schutzes Dritter nicht mehr hingenommen werden kann oder ob dem Schüler in dieser Konsequenz und Eindeutigkeit vor Augen geführt werden muss, dass sein Verhalten nicht mehr geduldet werden kann (umfassend Dirnaichner, Praxis der Kommunalverwaltung, Art. 87 BayEuG, Ziff. 1). Diese Beurteilung entzieht sich einer vollständigen Erfassung nach rein rechtlichen Kriterien und bedingt sachnotwendig einen gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren pädagogischen Wertungsspielraum. Trotz dieser Grenzen der gerichtlichen Kontrolle haben die Gerichte aber den gegen die Entlassung erhobenen Einwendungen nachzugehen und die pädagogische Bewertung der Schule auf ihre Angemessenheit hin zu überprüfen. Sie haben insbesondere zu kontrollieren, ob die Entlassung gegen das Gebot der Verhältnismäßigkeit verstößt. Der gerichtlichen Überprüfung unterliegt es ferner, ob die Schule frei von sachfremden Erwägungen entschieden hat und ob sie ihre Entscheidungen auf Tatsachen und Feststellungen gestützt hat, die einer sachlichen Überprüfung standhalten (vgl. BayVGH, B.v. 2.3.1993 - 7 CS 93.1736 - BayVBl 1994, 346). Außerschulisches Verhalten darf Anlass einer Ordnungsmaßnahme nur sein, soweit es die Verwirklichung der Aufgabe der Schule gefährdet (Art. 86 Abs. 2 Nr. 8 BayEUG; hierzu VGH BW, B.v. 10.6.1992 - 9 S 1303/92 - BeckRS 1992, 10425; OVG Münster, B.v. 21.7.1998 - 19 E 391-98 - NWVBl. 1998, 492). Hiervon ist insbesondere bei ehrverletzenden Äußerungen im Internet (Cybermobbing) auszugehen (Rux/Niehues, Schulrecht, 5. Aufl. 2013, Rn. 417). Unterliegt der betroffene Schüler noch der Schulpflicht, korrespondiert hiermit eine Verpflichtung des Staates, seine Erziehungsbemühungen fortzusetzen (Rux/Niehues, Schulrecht, 5. Aufl. 2013, Rn. 467).

Eine Störung des Schulbetriebs ist zwar durch das Verhalten des Antragstellers erfolgt. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Antragsteller die Mathematiklehrerin Frau K. gegenüber seinen Mitschülern als „alte Schlampe“ bezeichnete. Hierbei handelt es sich um eine nach außen gerichtete Kundgabe der Nichtachtung, auch wenn sie nicht unmittelbar gegenüber der betroffenen Lehrerin erfolgt ist. Diese ehrverletzende Äußerung stellt eine Störung des Schulbetriebs dar. Des Weiteren ist zwischen den Beteiligten der Sachverhalt, der zur Androhung der Entlassung führte, nämlich der Erwerb und Konsum von Alkohol während der Besinnungstage im Februar 2016 sowie die Äußerung von Drohungen in der WhatsApp-Gruppe „Abschluss Pulli“ gegenüber anderen Mitschülern unstreitig. Auch durch dieses Verhalten hat der Antragsteller den Schulfrieden und die Verwirklichung des Lehr- und Erziehungsauftrages der Staatlichen Realschule B. gefährdet.

Die Entscheidung über die Schulentlassung, die gerichtlich nur eingeschränkt im Rahmen des § 114 VwGO überprüfbar ist, ist aber ermessensfehlerhaft ergangen. Der Umstand, dass der Antragsteller mit dem Ende des Schuljahres 2015/2016, d. h. in wenigen Wochen, den erfolgreichen Abschluss der Mittelschule (früher: Hauptschulabschluss) gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Schulordnung für die Mittelschulen in Bayern (Mittelschulordnung - MSO) i. d. F. d. Bek. v. 4. März 2013 (GVBl. 116), zuletzt geändert durch § 7a Abs. 2 der Verordnung vom 11. September 2015 (GVBl. S. 349), erreichen würde, wurde bei der Entscheidungsfindung völlig außer Acht gelassen. Dem vorliegenden Protokoll der Sitzung des Disziplinarausschusses vom 29. April 2016 ist nicht zu entnehmen, dass sich die Ausschussmitglieder mit den schwerwiegenden Folgen für die weitere Schullaufbahn des Antragstellers befasst haben. Vielmehr hat sich der Ausschuss, wie dem sehr knappen Protokoll zu entnehmen ist, lediglich mit dem Fehlverhalten des Schülers auseinandergesetzt. Dies stellt ein Ermessensdefizit dar, denn der Disziplinarausschuss hat eine Abwägung zwischen der Realisierung des Bildungs- und Erziehungsauftrags sowie der schwerwiegenden Folgen der Entlassung für den Schüler zu tätigen. Die im Widerspruchs- und Antragsverfahren nachgeschobenen Gründe (§ 114 Satz 2 VwGO) sind für eine ordnungsgemäße Ermessensausübung ebenfalls unzureichend. Im Widerspruchsbescheid vom 6. Juni 2016 wird lediglich konstatiert, dass eine Entlassung des Schülers elf Wochen vor Schuljahresende „nicht generell unverhältnismäßig sei“; der Antragsteller werde an einer anderen Realschule im Umkreis aufgenommen und könne hierbei vom Ministerialbeauftragten für die Realschulen in Unterfranken begleitet werden. Dies ist für eine Auseinandersetzung mit den schwerwiegenden Konsequenzen der Entlassung für die weitere Schullaufbahn unzureichend. Weder hat sich die Staatliche Realschule B. mit der zeitlichen Verzögerung, die mit einem derartiger Schulwechsel einhergeht, befasst, noch geht sie hinreichend auf die Gefährdung des Erreichens des erfolgreichen Abschlusses der Mittelschule mit Beendigung der 9. Klasse ein. Auch die Antragserwiderung befasst sich nicht mit den nachteiligen Folgen der Entlassung für die weitere Schullaufbahn des Antragstellers. Zudem ist auch nicht nachvollziehbar dokumentiert, dass eine andere Schule tatsächlich zur kurzfristigen Übernahme des Antragstellers bereit wäre.

Darüber hinaus erscheint es bedenklich, dass die Entlassung von der Schule unter anderem auf einem abfotografierten Gesprächsverlauf der WhatsApp-Gruppe „Abschluss Pulli“ beruhte. Das Gericht verkennt zwar nicht, dass der Antragsteller im Rahmen dieser Konversation unbestimmte Drohungen gegenüber nicht namentlich benannten Mitschülern tätigte. Gleichwohl erscheint es fragwürdig, dass die Staatliche Realschule B. die Androhung des Schulverweises auf einen grundsätzlich der Vertraulichkeit des nicht öffentlich gesprochenen Wortes unterliegenden, abfotografierten Gesprächsverlauf stützte, ohne sich mit dessen Herkunft und Verwertbarkeit (§§ 201, 206 Strafgesetzbuch) näher zu befassen. Es kann aber als nicht entscheidungserheblich offen bleiben, wie die Schule zu diesen Erkenntnissen gelangt ist.

Des Weiteren ist die Schulentlassung im vorliegenden Fall als unverhältnismäßig zu erachten. Das Gericht verkennt nicht, dass der Antragsteller durch sein bereits mehrere Schuljahre andauerndes Verhalten die Verwirklichung des Bildungs- und Erziehungsauftrags der Staatlichen Realschule B. beeinträchtigt, ohne dass wohl auch die Eltern - insbesondere die Mutter - in der Lage gewesen wären, ihm vernunftmäßiges Handeln anzuerziehen. Die Bezeichnung der Lehrerin Frau K. als „alte Schlampe“ stellt, wenngleich sie im Kontext der Mathematikaufgabe erfolgte, eine Kundgabe der Missachtung dar und begründet eine Verunglimpfung in der Schülerschaft. Gleichwohl erscheint die Ordnungsmaßnahme des Schulverweises in Anbetracht des Umstandes, dass der Antragsteller in wenigen Wochen zumindest den erfolgreichen Abschluss der Mittelschule erreicht, unangemessen. Der Antragsteller hat sich bei Frau K. entschuldigt und diese hat die Entschuldigung angenommen. Die Äußerung des Antragstellers im Ethikunterricht am 26. April 2016 mit den Worten „Wo bin ich denn hier gelandet“ ist verschiedenen Auslegungen zugänglich und begründet keine Beeinträchtigung des Schulbetriebs. Die Verwertbarkeit der Äußerungen des Antragstellers in der WhatsApp-Gruppe ist nach der derzeitigen Sachlage als offen zu erachten. Demgegenüber wiegen die erheblichen Nachteile, die mit der Entlassung von der Schule für den Antragsteller einhergehen, schwerer. Schließlich besteht keine Gewähr dafür und ist von den Gremien der Schule weder dargelegt noch dokumentiert, dass der Antragsteller wenige Wochen vor Schuljahresende an einer anderen Schule aufgenommen und seinen erfolgreichen Abschluss der Mittelschule zum Ende des Schuljahres 2015/2016 erreichen kann. Das Fehlverhalten des Antragstellers stellt sich auch nicht als derart gravierend dar, als dass seine Beschulung bis zum Schuljahresende durch die Staatliche Realschule Bad Kissingen unzumutbar wäre.

Damit ist dem Antragsteller, wie bereits zuvor verfügt, der weitere Schulbesuch zu gestatten.

2.

Nach alledem war dem Antrag mit der Kostenfolge aus § 154 VwGO stattzugeben.

3.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 2 i. V. m. § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Würzburg Beschluss, 21. Juni 2016 - W 2 S 16.554

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Würzburg Beschluss, 21. Juni 2016 - W 2 S 16.554

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 53 Einstweiliger Rechtsschutz und Verfahren nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes


(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung: 1. über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlas
Verwaltungsgericht Würzburg Beschluss, 21. Juni 2016 - W 2 S 16.554 zitiert 10 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

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(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung: 1. über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlas

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 114


Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens übersch

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1629 Vertretung des Kindes


(1) Die elterliche Sorge umfasst die Vertretung des Kindes. Die Eltern vertreten das Kind gemeinschaftlich; ist eine Willenserklärung gegenüber dem Kind abzugeben, so genügt die Abgabe gegenüber einem Elternteil. Ein Elternteil vertritt das Kind alle

Strafgesetzbuch - StGB | § 201 Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer unbefugt 1. das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen auf einen Tonträger aufnimmt oder2. eine so hergestellte Aufnahme gebraucht oder einem Dritten zugänglich

Strafgesetzbuch - StGB | § 206 Verletzung des Post- oder Fernmeldegeheimnisses


(1) Wer unbefugt einer anderen Person eine Mitteilung über Tatsachen macht, die dem Post- oder Fernmeldegeheimnis unterliegen und die ihm als Inhaber oder Beschäftigtem eines Unternehmens bekanntgeworden sind, das geschäftsmäßig Post- oder Telekommun

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Verwaltungsgericht Würzburg Beschluss, 21. Juni 2016 - W 2 S 16.554 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Würzburg Beschluss, 21. Juni 2016 - W 2 S 16.554 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 03. Mai 2011 - 7 A 9/09

bei uns veröffentlicht am 03.05.2011

Tatbestand 1 Die Kläger wenden sich gegen den Planfeststellungsbeschluss der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Süd vom 21. September 2009 für den Ausbau der Fahrrinne de

Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 08. Nov. 2010 - 1 BvR 722/10

bei uns veröffentlicht am 08.11.2010

Tenor 1. Der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 20. November 2009 - S 83 KA 673/09 ER - und der Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. Februar 2010 - L 7 KA 169/09

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 28. Juli 2009 - 9 S 1077/09

bei uns veröffentlicht am 28.07.2009

Tenor Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 6. April 2009 - 2 K 686/09 - geändert. Der Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen d

Referenzen

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Die elterliche Sorge umfasst die Vertretung des Kindes. Die Eltern vertreten das Kind gemeinschaftlich; ist eine Willenserklärung gegenüber dem Kind abzugeben, so genügt die Abgabe gegenüber einem Elternteil. Ein Elternteil vertritt das Kind allein, soweit er die elterliche Sorge allein ausübt oder ihm die Entscheidung nach § 1628 übertragen ist. Bei Gefahr im Verzug ist jeder Elternteil dazu berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes notwendig sind; der andere Elternteil ist unverzüglich zu unterrichten.

(2) Der Vater und die Mutter können das Kind insoweit nicht vertreten, als nach § 1824 ein Betreuer von der Vertretung des Betreuten ausgeschlossen ist. Steht die elterliche Sorge für ein Kind den Eltern gemeinsam zu, so kann der Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befindet, Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den anderen Elternteil geltend machen. Das Familiengericht kann dem Vater und der Mutter nach § 1789 Absatz 2 Satz 3 und 4 die Vertretung entziehen; dies gilt nicht für die Feststellung der Vaterschaft.

(2a) Der Vater und die Mutter können das Kind in einem gerichtlichen Verfahren nach § 1598a Abs. 2 nicht vertreten.

(3) Sind die Eltern des Kindes miteinander verheiratet oder besteht zwischen ihnen eine Lebenspartnerschaft, so kann ein Elternteil Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den anderen Elternteil nur im eigenen Namen geltend machen, solange

1.
die Eltern getrennt leben oder
2.
eine Ehesache oder eine Lebenspartnerschaftssache im Sinne von § 269 Absatz 1 Nummer 1 oder 2 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zwischen ihnen anhängig ist.
Eine von einem Elternteil erwirkte gerichtliche Entscheidung und ein zwischen den Eltern geschlossener gerichtlicher Vergleich wirken auch für und gegen das Kind.

Tatbestand

1

Die Kläger wenden sich gegen den Planfeststellungsbeschluss der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Süd vom 21. September 2009 für den Ausbau der Fahrrinne des Mains in den Stauhaltungen Dettelbach und Gerlachshausen.

2

Die Klägerin zu 1 ist eine öffentliche Fischereigenossenschaft. Ihre Mitglieder sind in dem verfahrensgegenständlichen Abschnitt des Mains fischereiberechtigt. Der Kläger zu 2 ist Inhaber eines Fischereirechts an diesem Main-Abschnitt.

3

Die Beklagte beabsichtigt, den Main von Aschaffenburg bis zur Mündung des Main-Donau-Kanals als Wasserstraße der Klasse Vb auszubauen, um Großmotorgüterschiffen (Länge 110 m, Breite 11,4 m) und Schubverbänden (Länge 185 m, Breite 11,4 m) die Durchfahrt mit einer Abladetiefe von 2,70 m zu ermöglichen. Derzeit beträgt die Abladetiefe 2,30 m. Bis zur Stauhaltung Kitzingen (Main-km 295) ist das Vorhaben abgeschlossen.

4

Auf Antrag des Wasserstraßenneubauamts Aschaffenburg leitete die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Süd das Planfeststellungsverfahren für den Ausbau der Fahrrinne des Mains in den Stauhaltungen Dettelbach (Main-km 295,92 bis 300,51) und Gerlachshausen (Main-km 305,60 bis 316,12; ohne Schleusenkanal Gerlachshausen) und für den Bau eines Schiffswarteplatzes in Volkach (Main-km 305,14 bis 305,60) ein. Das Vorhaben umfasst im Wesentlichen eine Verbreiterung der Fahrrinne von derzeit 36 m auf 40 m in der Geraden, in den Flussbiegungen auf bis zu 56 m. Hierfür werden Ufer zurückgenommen und überwiegend mit Steinschüttungen befestigt. Die Fahrrinne wird von gegenwärtig 2,50 m auf 2,90 m vertieft. Als Kompensationsmaßnahmen sind u.a. die Schaffung oder Erweiterung von Leitwerken, die einen von Wellenschlag beruhigten Lebensraum schaffen sollen, zwischen den Main-km 297,04 bis 297,59 sowie 308,47 bis 308,87 vorgesehen.

5

Die ordnungsgemäß bekannt gemachte Auslegung des Plans erfolgte vom 27. November 2006 bis zum 2. Januar 2007 in den vom Vorhaben betroffenen Gemeinden und Verwaltungsgemeinschaften.

6

Die Kläger zu 1 und 2 wandten, vertreten durch die Rechtsanwälte L. und Kollegen, in einem am 16. Januar 2007 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben ein, der Ausbau beeinträchtige die Fischerei schwer und unerträglich. Zur Begründung wurde auf eine Stellungnahme von Prof. K. vom 12. Januar 2007 Bezug genommen. Dieser führte - unter Verweis auf ein hinsichtlich des Ausbaus der Stauhaltungen Marktbreit und Kitzingen erstelltes Gutachten - aus, in dem nunmehr gegenständlichen Main-Abschnitt seien vergleichbare Beeinträchtigungen der Fischpopulation zu erwarten. Infolge des Ausbaus erhöhe sich die Zahl der Schiffsdurchfahrten, Abladetiefe und Geschwindigkeit nähmen zu. Folge seien höhere Fischschäden durch Schraubenschlag sowie schifffahrtsbedingte Hub- und Sunkwellen, die Jungfische stranden ließen und die Bioproduktionsbedingungen beeinträchtigten. Fischfang mit Geräten der Berufsfischerei sowie mit der Angel werde praktisch nur noch möglich sein, wo Schutz vor Wellen und Turbulenzen bestehe. Weiterhin sei zu befürchten, dass ein beachtlicher Teil der neu zu errichtenden Uferbefestigungen mit kleinen Wasserbausteinen ausgeführt werde. Im Gegensatz zu groben Steinschüttungen böten diese keinen Lebensraum für Tiere, die besonders für den Aal eine wichtige Nahrungsquelle seien, so dass mit einer beachtlichen Minderung des Aalertrags zu rechnen sei. Für Angler werde der betroffene Abschnitt weniger attraktiv. Es drohten deshalb Einbußen des für Erwerbsfischer wichtigen Angelkartenverkaufs. Die Gesamteinbuße des Ertrags werde auf 60 % geschätzt. Betroffen seien 25 Erwerbsfischer sowie ca. 600 Angler. Die Schaffung von Flachwasserbereichen bei Main-km 314,20 bis 315,15 (Baggersee Obereisenheim) sowie 299,65 bis 300,60 (im Altmain) als Ausgleichsmaßnahme werde abgelehnt. Diese könnten sich als "Fischfallen" erweisen. Gefordert wurden umfängliche Ausgleichsmaßnahmen an Buhnen, Parallelwerken und Altarmen, die neben der Fahrrinne ein beruhigtes und gleichzeitig durchströmtes Hinterwasser schaffen sollen. Die Kiesbank unterhalb der Staustufe Astheim solle erhalten, unterhalb der Staustufe Wipfeld eine neue geschaffen werden.

7

Die Einwendungen der Kläger konnten in dem Erörterungstermin vom 27. März 2007 im Wesentlichen nicht erledigt werden. In einer Planänderung kam das Wasserstraßenneubauamt fischereifachlichen Forderungen jedoch insoweit entgegen, als das Leitwerk bei Main-km 308,47 nunmehr bis Main-km 309,02 reichen soll. Der Klägerin zu 1 wurde mit einem - ihr am 24. November 2008 zugegangenen - Schreiben Gelegenheit zur Stellungnahme und zur Erhebung von Einwendungen hierzu unter Hinweis auf § 14a Nr. 7 WaStrG gegeben, die sie mit einem am 8. Dezember 2008 bei der Wasser- und Schifffahrtsdirektion eingegangenen Schreiben wahrnahm. Eine von Prof. K. erarbeitete Stellungnahme ging der Beklagten am 10. Dezember 2008 zu.

8

Mit Planfeststellungsbeschluss vom 21. September 2009 - den Verfahrensbevollmächtigten der Kläger sowie deren Vertretern persönlich zugestellt am 8. Oktober 2009 - stellte die Beklagte den vorgenannten Plan fest und wies die Einwendungen der Kläger zurück. Die Gründe des Planfeststellungsbeschlusses enthalten in dem Kapitel "Darstellung und Abwägung privater Belange" einen Abschnitt zur Fischerei (Planfeststellungsbeschluss S. 111 bis 114). Dort wird ausgeführt, das Fischereirecht sei von vornherein dahin beschränkt, dass die zur Herstellung der Schiffbarkeit nach dem jeweiligen Stand der Verkehrsentwicklung erforderlichen wasserbaulichen Maßnahmen vom Rechtsinhaber grundsätzlich entschädigungslos geduldet werden müssten, auch wenn sie der Fischerei abträglich seien. Unter diesem Gesichtspunkt seien Eingriffe in bzw. erhebliche Nachteile auf das Fischereirecht nur dann gegeben, wenn durch Maßnahmen (Veränderung des Stroms) entweder die Fischerei überhaupt ganz oder zum Teil aufgehoben oder eine der Bedeutung nach gleiche Folge herbeigeführt werde. Nach den Aussagen der Gutachter könne die fischereirechtliche Nutzbarkeit durch die Ausbaumaßnahmen in zweifacher Hinsicht beeinträchtigt werden. Einerseits würden sich durch eventuelle Schädigungen der Fischfauna die Ertragsmöglichkeiten reduzieren, andererseits könnten die Fangbedingungen speziell für die Berufs- und Nebenerwerbsfischer erschwert werden. Bei diesen Beeinträchtigungen handele es sich jedoch um Auswirkungen des Main-Ausbaus, die von den Fischereiberechtigten entschädigungslos geduldet werden müssten. Durch die Art und Weise der beabsichtigten Baudurchführung würden erhebliche Beeinträchtigungen der Fischerei vermieden. Als Fazit sei festzuhalten, dass die Interessen der Fischereiberechtigten durch das Ausbauvorhaben nicht unzumutbar beeinträchtigt würden.

9

Weiter wird in dem Planfeststellungsbeschluss die Entscheidung über die Einwendungen begründet und zu den Einwendungen der Kläger (vgl. Planfeststellungsbeschluss S. 128 bis 130) zusammenfassend ausgeführt: "Weitere Ausgleichsmaßnahmen" müssten nicht vorgenommen werden, weil der Träger des Vorhabens bereits ausreichende Kompensationsmaßnahmen vorgesehen habe. Eventuell zurückbleibende Beeinträchtigungen seien hinzunehmen. Die Interessen der Öffentlichkeit an einem funktionierenden sicheren Binnenwasserstraßennetz überwögen. Mit wesentlichen nachhaltigen Beeinträchtigungen sei nicht zu rechnen.

10

Am 6. November 2009 hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger in deren Namen Klage unter Vorlage zweier Vollmachten erhoben. Die für die Klägerin zu 1 erteilte Vollmacht ist von dem 2. Vorstand und dem Kassenwart unterschrieben. Die vom damaligen Obermeister des Klägers zu 2 unterzeichnete Vollmacht ist ebenfalls überschrieben mit Vollmacht "in der Angelegenheit Klage der Koppelfischereigenossenschaft K. gegen den Planfeststellungsbeschluss der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Süd vom 21.9.2009". Auf Aufforderung des Gerichts hat der Prozessbevollmächtigte eine von dem Ersten und dem Zweiten Vorsitzenden der Klägerin zu 1 unterschriebene Vollmacht samt einem den Rechtsstreit billigenden Beschluss der Genossenschaftsversammlung der Klägerin zu 1 vom 20. April 2010 und eine vom jetzigen Obermeister unterzeichnete Vollmacht des Klägers zu 2 zur Klage in dessen Namen übersandt.

11

Zur Begründung tragen die Kläger mit einem bei Gericht am 19. November 2009 eingegangenen Schriftsatz sowie nachfolgend vertiefend vor: Die Klagebefugnis der Klägerin zu 1 ergebe sich aus ihrem Recht zur Fischhege, das durch die gegenständlichen Ausbaumaßnahmen beeinträchtigt werde, die des Klägers zu 2 aus seinen Fischereirechten an dem Gewässerabschnitt. Inhaltlich leide der angegriffene Planfeststellungsbeschluss an einer Verletzung des Gebots der gerechten Abwägung. Die Forderungen der Kläger nach weitergehenden Ausgleichsmaßnahmen seien nicht genügend gewürdigt worden. Weiterhin wird unter Vertiefung der Einwendungen im Planfeststellungsverfahren ausgeführt, Eingriffe und Ausgleichsmaßnahmen seien fehlerhaft bewertet worden. Vorgelegt wurden weitere Gutachten von Prof. K. mit Berechnungen zu den prognostizierten Fischschäden. Diese führt er weniger auf Änderungen am Gewässerbett und den Ufern zurück als auf die Art der Gestaltung der neu zu errichtenden Ufer und die mit dem Ausbau voraussichtlich einhergehenden stärkeren Beeinträchtigungen durch die Schifffahrt selbst. Die Kläger legen näher dar, warum ihres Erachtens die von ihnen geforderten zusätzlichen Auflagen notwendig sind und tragen vor, in der mainabwärts gelegenen im Jahr 2008 fertiggestellten Stauhaltung Kitzingen seien die Bestände aller relevanten Fischarten heute ca. 60 % geringer als vor dem Ausbau.

12

Zunächst haben die Kläger sinngemäß beantragt,

den Planfeststellungsbeschluss der Beklagten vom 21. September 2009 aufzuheben,

hilfsweise,

- die Fahrgeschwindigkeit in dem verfahrensgegenständlichen Gewässerabschnitt auf 7 km/h zu begrenzen

- Wasserbausteine mit einer Kantenlänge von mindestens 30 cm zu verwenden und auf das Verfüllen mit feinkörnigem Material zu verzichten

- auf ungeschützte Naturufer zu verzichten

- die in dem Einwendungsschreiben der Kläger vom 12. Januar 2007 auf Seite 9 bis 13 geforderten Ausgleichsmaßnahmen zu verwirklichen.

13

Im Erörterungstermin haben sie auf Vorschlag des Berichterstatters den angekündigten Hauptantrag und den angekündigten Hilfsantrag, die Fahrgeschwindigkeit zu begrenzen, nicht aufrechterhalten und im Übrigen den Erlass eines Bescheidungsurteils beantragt.

14

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

15

Die Klage sei unzulässig, denn sie sei wegen des Fehlens einer ordnungsgemäßen Bevollmächtigung weder für die Klägerin zu 1 noch für den Kläger zu 2 innerhalb der Klagefrist wirksam erhoben worden. Nach der Satzung der Klägerin zu 1 bedürfe es eines Beschlusses der Genossenschaftsversammlung innerhalb der Klagefrist. Aus der für den Kläger zu 2 vorgelegten Vollmacht gehe nicht hervor, dass deren früherer Obermeister für diese gehandelt habe. Eine nachträgliche Heilung der genannten Mängel sei aus Gründen der Rechtssicherheit nicht möglich. Dessen ungeachtet liege jedenfalls eine ordnungsgemäße Genehmigung der Klageerhebung für die Klägerin zu 1 nicht vor. Darüber hinaus fehle der Klägerin zu 1 die Klagebefugnis. Fischereirechte habe sie nicht. Fischereirechte des Klägers zu 2 seien ebenfalls nicht nachgewiesen worden. Die Klage sei auch unbegründet. Die Klägerin zu 1 sei bereits deshalb präkludiert, weil sie die die Einwendungen vortragenden Rechtsanwälte seinerzeit nicht ordnungsgemäß bevollmächtigt habe; insoweit komme eine Heilung ebenfalls nicht in Betracht. Auch sonst seien Einwendungen präkludiert, denn eine Bezugnahme auf ein in einem anderen Verfahren vorgelegtes Gutachten sei unzulässig. Die Stellungnahmen von Prof. K. zu den Planänderungen seien erst am 10. Dezember 2008 und damit verfristet vorgelegt worden. Die Abwägungsentscheidung sei nicht zu beanstanden. Soweit der Ausbau der Wasserstraße für die Fischerei zumutbar sei, fehle es an einer Rechtsgrundlage für zusätzliche Maßnahmen. Unklar sei auch, wie weit solche Maßnahmen unterhalb der Schwelle der Erheblichkeit vorzusehen seien. Überdies bedeuteten solche Maßnahmen eine zusätzliche Belastung des Steuerzahlers und führten zu Konflikten mit den Bestimmungen des Naturschutzrechts. Die Kläger hätten zudem gewisse Beeinträchtigungen im Rahmen ihrer Sozialbindung hinzunehmen. Ein Abwägungsmangel wäre außerdem unerheblich, da ein Verzicht auf das Vorhaben nicht zu erwarten sei. Darüber hinaus seien etwaige Mängel jedenfalls mittlerweile geheilt. Die Beklagte verweist insoweit auf die Ausführungen im Schriftsatz vom 30. November 2010, in denen sie sich ausführlich mit den von den Klägern geforderten Auflagen auseinandersetzt und diese aus zahlreichen im Einzelnen näher dargelegten fachlichen - unter anderem naturschutzfachlichen - Gründen sowie wegen der dadurch dem Träger des Vorhabens entstehenden - ebenfalls näher dargelegten - Kosten ablehnt. Zur näheren Begründung werden mehrere Anlagen beigefügt. Vorgelegt wird unter anderem eine ausführliche Stellungnahme der Bundesanstalt für Gewässerkunde vom 30. November 2006 (ergänzt am 26. April 2007), in der diese sich umfassend mit den Bedenken von Prof. K. auseinandersetzt, sowie vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses erstellte Stellungnahmen der höheren Naturschutzbehörde und der Beklagten.

16

Der Berichterstatter hat am 12. Oktober 2010 den betroffenen Abschnitt des Mains in Augenschein genommen und die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert.

Entscheidungsgründe

17

Im Erörterungstermin haben die Kläger ihre Klage teilweise zurückgenommen. Insoweit war das Verfahren einzustellen.

18

Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).

19

Die Klage ist hinsichtlich beider Kläger zulässig (1.), aber nicht begründet (2.).

20

1. Die Klage, über die gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO i.V.m. § 14e Abs. 1 WaStrG das Bundesverwaltungsgericht entscheidet, ist zulässig.

21

a) Sie ist von beiden Klägern ordnungsgemäß erhoben worden. Ursprüngliche Mängel der Vollmachten sind geheilt.

22

Nach § 85 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 173 VwGO wirkt das Handeln des Anwalts nur bei ordnungsgemäßer Bevollmächtigung für die Kläger. Nachgewiesen werden kann die prozessrechtliche Bevollmächtigung allein durch eine zu den Gerichtsakten zu gebende schriftliche Vollmacht (§ 67 Abs. 6 Satz 1 VwGO; vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 17. April 1984 - GmS - OGB 2/83 - BVerwGE 69, 380 <381>). Nach § 67 Abs. 6 Satz 2 VwGO kann sie nachgereicht werden. Der Mangel der Vollmacht bei Erhebung der Klage wird dadurch mit rückwirkender Kraft geheilt, soweit noch kein die Klage als unzulässig verwerfendes Prozessurteil vorliegt (GemS - OGB, Beschluss vom 17. April 1984 a.a.O.).

23

Nach Art. 41 des Bayerischen Fischereigesetzes (BayFiG) i.V.m. § 23 Abs. 1 der Satzung wird die Klägerin zu 1 durch den Vorsitzenden des Genossenschaftsvorstands zusammen mit einem weiteren Vorstandsmitglied vertreten. Nach § 23 Abs. 1 Satz 2 der Satzung ist deren Vertretungsmacht auf die Durchführung der gesetzmäßig und ordnungsgemäß gefassten Beschlüsse der Genossenschaftsversammlung bzw. des Genossenschaftsvorstands beschränkt. Diese Einschränkung gilt auch gegenüber Dritten. Die Beschlussfassung über die Durchführung von Prozessen und die Bestellung von Prozessbevollmächtigten obliegt nach § 13 Abs. 2 Buchst. m der Satzung der Genossenschaftsversammlung. Ein solcher Beschluss wurde am 20. April 2010 gefasst. Die Auslegung des Beschlusses nach den allgemeinen Regeln (§§ 133 und 157 BGB analog) ergibt, dass dieser nicht nur in die Zukunft gerichtet ist, sondern auch die nachträgliche Billigung der bereits erhobenen Klage einschließt. Die Vollmacht des ersten und zweiten Vorsitzenden, die mit Schriftsatz vom 7. Mai 2010 zu den Akten gegeben wurde, ist damit nicht zu beanstanden. Die ursprünglich mangelhafte Bevollmächtigung ist folglich geheilt.

24

Der Kläger zu 2 wird nach § 26 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. § 10 Nr. 2 seiner Satzung von seinem Obermeister vertreten. Dieser hat seinem Rechtsanwalt jedenfalls am 23. März 2010 wirksam Vollmacht erteilt. Der anfänglich möglicherweise vorliegende Mangel der Vollmacht ist zumindest geheilt.

25

b) Beide Kläger sind auch klagebefugt. Sie können geltend machen, in ihrem Recht auf gerechte Abwägung verletzt zu sein. Denn sie werden durch das Vorhaben in planungsrechtlich relevanten privaten Belangen berührt.

26

Der Kläger zu 2 ist Inhaber eines dinglichen Fischereirechts und des damit verbundenen Fischereiausübungsrechts an dem gegenständlichen Gewässerabschnitt. Dies hat er durch Vorlage eines Grundbuchauszugs nachgewiesen. Ein Fischereirecht steht der Klägerin zu 1 zwar nicht zu. Bei ihr liegt aber nach Art. 31 BayFiG i.V.m. § 2 ihrer Satzung das Fischereiausübungsrecht und damit die Befugnis zu Hege, Fang und Aneignung (vgl. Braun/Keiz, FischR Bay, Art. 37 a.F. Rn. 6; Art. 1 Rn. 7, 13 ff.; VGH München, Urteil vom 30. Juli 2007 - 22 BV 05.3270 - ZfW 2009, 166 <167>). Beide Kläger sind durch den geplanten Ausbau der Wasserstraße demnach in von der Rechtsordnung anerkannten Interessen berührt; diese sind weder gänzlich unbedeutend noch nicht schutzwürdig und gehören damit zu den abwägungserheblichen Belangen (vgl. Beschluss vom 9. November 1979 - BVerwG 4 N 1.78 u.a. - BVerwGE 59, 87 <101>; Urteil vom 1. September 1997 - BVerwG 4 A 36.96 - BVerwGE 105, 178 <180, 183> zu obligatorischen Ansprüchen; Beschluss vom 7. Juli 2010 - BVerwG 7 VR 2.10 - NuR 2010, 646).

27

2. Die Klage ist aber nicht begründet. Die Kläger können nicht verlangen, dass die Beklagte über die von ihnen zum Schutz der Fischerei erstrebten Maßnahmen erneut entscheidet (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO analog).

28

a) Die Kläger sind allerdings mit ihren im gerichtlichen Verfahren geltend gemachten Einwendungen nicht nach § 73 Abs. 4 Satz 3 VwVfG i.V.m. § 17 Nr. 5 WaStrG in der bis zum 16. Dezember 2006 geltenden Fassung vom 3. Mai 2005 (BGBl I S. 1224) präkludiert.

29

Die im Namen der Kläger handelnden Anwälte haben mit dem fristgerecht vor Ablauf der Einwendungsfrist am 16. Januar 2007 (§ 31 Abs. 1 VwVfG, § 187 Abs. 2 Satz 1 BGB, § 188 Abs. 2 Alt. 2 BGB) eingegangenen Schriftsatz die Betroffenheit der Kläger ausreichend dargelegt:

30

Inhaltlich müssen Einwendungen in groben Zügen (vgl. BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1982 - 2 BvR 1187/80 - BVerfGE 61, 82) erkennen lassen, welche Beeinträchtigungen befürchtet werden und in welcher Hinsicht die Planfeststellungsbehörde bestimmte Belange einer näheren Betrachtung unterziehen soll (vgl. Urteil vom 30. Januar 2008 - BVerwG 9 A 27.06 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 195). Die Darlegungsanforderungen orientieren sich an den Möglichkeiten planungsbetroffener Laien. Ausführungen, die einen wissenschaftlich- technischen Sachverstand erfordern, können nicht verlangt werden (vgl. Urteil vom 3. März 2004 - BVerwG 9 A 15.03 - NVwZ 2004, 986 <987>). Diesen Erfordernissen genügen das Schreiben vom 16. Januar 2007 und die mit diesem vorgelegte Stellungnahme von Prof. K. vom 12. Januar 2007. Die nach seiner Auffassung mit dem Ausbau einhergehenden Änderungen der Gewässerökologie und ihre voraussichtlichen Auswirkungen auf den Fischbestand werden im Einzelnen dargelegt. Dass dabei auf fachliche Einschätzungen aus einem im Hinblick auf die Stauhaltungen Marktbreit und Kitzingen erstelltes Gutachten Bezug genommen wurde, ist nicht zu beanstanden. Der Verweis dient der Untermauerung der auf den nunmehr verfahrensgegenständlichen Gewässerabschnitt bezogenen Ausführungen. Im Übrigen liegt es auf der Hand, dass in beiden Abschnitten vergleichbare Belange betroffen sind.

31

Ob die Klägerin zu 1 ihre im Verwaltungsverfahren tätigen Anwälte ordnungsgemäß bevollmächtigt hatte, kann dahinstehen. Eine vollmachtlose Vertretung könnte auch nach Erlass des angegriffenen Planfeststellungsbeschlusses in analoger Anwendung des § 177 BGB rückwirkend genehmigt werden (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 11. Aufl. 2010, § 14 Rn. 20 f.). Die Billigung der Klageerhebung durch die Genossenschaftsversammlung schließt die Geltendmachung von Einwendungen im Verwaltungsverfahren ein. Die Rückwirkung der Genehmigung verletzt entgegen der Meinung der Beklagten auch nicht das Rechtsstaatsgebot.

32

Im Hinblick auf die im Verfahren nach § 73 Abs. 8 VwVfG vorgenommenen Änderungen sind Einwendungen ebenfalls nicht präkludiert. Dem Kläger zu 2 wurde insoweit bereits keine Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben. Die Klägerin zu 1 hat zu den Änderungen am 8. Dezember 2008 fristgerecht Stellung genommen. Mit den am 10. Dezember 2008 nachgereichten Stellungnahmen von Prof. K. hat sie ihren fristgerechten Vortrag lediglich vertieft.

33

b) Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss verstößt nicht gegen § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG.

34

Nach § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG hat die Planfeststellungsbehörde dem Träger des Vorhabens Vorkehrungen oder die Errichtung und Unterhaltung von Anlagen aufzuerlegen, die zum Wohl der Allgemeinheit oder zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen auf Rechte anderer erforderlich sind. Systematisch ist die Norm in der allgemeinen planerischen Abwägung verankert; sie setzt eine äußerste, mit einer gerechten Abwägung nicht mehr überwindbare Grenze. Fehlt es an danach notwendigen Schutzauflagen, ist der Plan insoweit mangels ausreichender Konfliktbewältigung rechtswidrig. Nach den o.g. Grundsätzen hat der Betroffene aber in der Regel nur einen Anspruch auf Planergänzung (Urteil vom 14. September 1992 - BVerwG 4 C 34 - 38.89 - BVerwGE 91, 17 <19 f.>).

35

Rechte anderer im Sinne der Norm stehen hier mit dem Fischereiausübungsrecht der Klägerin zu 1 und dem Fischereirecht des Klägers zu 2 in Rede. Nachteilige Wirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG auf diese Rechte hätte der angegriffene Planfeststellungsbeschluss nur, wenn die damit einhergehenden Belastungen den Klägern auch unter Berücksichtigung bestehender Vorbelastungen nicht mehr zumutbar wären (Urteile vom 21. Mai 1976 - BVerwG 4 C 80.74 - BVerwGE 51, 15 <29> und vom 27. Oktober 1998 - BVerwG 11 A 1.97 - BVerwGE 107, 313 <323> zu § 9 LuftVG).

36

Für das Fischereirecht an Bundeswasserstraßen wird in der zivil- und verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung angenommen, Fischereiberechtigte müssten Regulierungsmaßnahmen wie die hier in Rede stehende Vertiefung und Verbreiterung des Stromes entschädigungslos dulden. Anders sei es nur, wenn dem Fischereiberechtigten Gewässerteile entzogen würden. Bestimmte Fangchancen oder ein bestimmter Fischbestand seien nicht geschützt (RG, Urteil vom 3. April 1903 - VII 499/02 - RGZ 54, 260; BGH, Urteil vom 5. April 1968 - V ZR 228/64 -, BGHZ 50, 73; Hanseatisches OLG Hamburg, Urteil vom 20. Mai 1977 - 1 U 105/75 - VKBl 1979, 280 ff.; BVerwG, Urteil vom 25. September 1996 - BVerwG 11 A 20.96 - BVerwGE 102, 74 <74ff.>; OVG Lüneburg, Urteil vom 17. März 2010 - 7 KS 174/06 - ZfW 2010, 225; VGH München, Urteil vom 19. November 1996 - 8 B 95.1134 - VKBl 1997, 563).

37

Das Reichsgericht hat dies damit begründet, der Staat sei sich bei der Erteilung eines Fischereiprivilegs der Hauptbestimmung des öffentlichen Stromes bewusst und wolle es nur unbeschadet derjenigen Rechte, welche die Grundlage für die Erfüllung dieser Pflichten bildeten, gewähren (Urteil vom 3. April 1903 a.a.O. S. 265 f.) Als ein Eingriff müssten daher nur solche Veränderungen am Strom angesehen werden, die infolge ihrer besonderen Beschaffenheit und ihrer besonderen Tragweite die Fischerei aufhöben oder eine dem der Bedeutung nach gleiche Folge herbeiführten. Eine noch weitergehende Pflicht zur entschädigungslosen Duldung sei mit dem Begriff eines Rechts kaum noch vereinbar. Ein Entschädigungsanspruch könne deshalb begründet sein, wenn Teile des Gewässers, die für die Fischerei von Wert seien, ohne Ausgleich beseitigt würden, etwa durch Verlandung oder Durchstiche. Das Gleiche gelte, wenn eine Einengung des Stroms den Gebrauch besonders zugelassener Fischereigerätschaften ausschließe. Nicht ausreichend sei es hingegen, wenn die Substanz des Gewässers durch Regulierung der Breite, Tiefe und Gestalt der Fahrrinne geändert werde. Daran ändere sich nichts, wenn ein für Fischnahrung wenig geeigneter Boden hergestellt werde oder günstige Laichbedingungen beseitigt würden (RG, Urteil vom 3. April 1903 a.a.O. S. 267 ff.). Das Bundesverwaltungsgericht hat ergänzend und mit Hinblick auf die Verkehrsinteressen, denen Bundeswasserstraßen in erster Linie zu dienen bestimmt seien, den Vergleich mit dem privaten Eigentum an einer dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Straße gezogen, das in der Regel auch kein Recht auf Aufrechterhaltung der natürlichen Verhältnisse gewähre (Urteil vom 25. September 1996 a.a.O. S. 77).

38

Nach dieser Rechtsprechung ist der verfahrensgegenständliche Ausbau zumutbar. Einen Wegfall von Wasserflächen hat das Vorhaben nicht zur Folge. Vielmehr werden diese sogar vergrößert. Auch wird der Main durch die Ausbaumaßnahme nicht etwa zu einer naturfernen Betonrinne umgestaltet. Ein durch die beschriebene Ausbaumaßnahme möglicherweise verursachter gewisser Rückgang des Ertrags der Fischerei ist nicht unzumutbar.

39

c) Der Planfeststellungsbeschluss leidet zwar an einem Begründungsmangel bei der Abwägung der von dem Vorhaben unterhalb der Zumutbarkeitsschwelle berührten Belange der Fischereiberechtigten. Dieser ist aber geheilt, weil die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wurde (§ 14e Abs. 6 Satz 2 WaStrG).

40

aa) Die Kläger haben ein Recht auf gerechte Abwägung ihrer aus dem Fischereirecht fließenden Interessen:

41

Nach dem Abwägungsgebot (§ 14 Abs. 1 Satz 2 WaStrG) sind die von einer Planung berührten öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Es verlangt, dass eine Abwägung überhaupt stattfindet, in die Abwägung an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge eingestellt werden muss, und weder die Bedeutung der öffentlichen und privaten Belange verkannt noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, der zu der objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (stRspr; u.a. Urteil vom 14. Februar 1975 - BVerwG 4 C 21.74 - BVerwGE 48, 56 <63>). Das Gebot der Bewältigung aller erheblichen Probleme durch eine gerechte Abwägung beschränkt sich dabei nicht allein auf unzumutbare Beeinträchtigungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG. Abwägungserheblich und damit in die Abwägung einzubeziehen sind alle Beeinträchtigungen von Rechten, die nicht lediglich als geringfügig einzustufen sind. Die Inhaber dieser Rechte haben zwar keinen Rechtsanspruch auf eine Verpflichtung des Vorhabenträgers zur Vornahme von Schutzmaßnahmen, wohl aber das allen von einer Planung Betroffenen zustehende subjektiv öffentliche Recht auf gerechte Abwägung ihrer eigenen rechtlich geschützten Belange (stRspr; vgl. Urteile vom 29. Januar 1991 - BVerwG 4 C 51.89 - BVerwGE 87, 332 <341 f.> und vom 9. November 2006 - BVerwG 4 A 2001.06 - BVerwGE 127, 95 <112 f.>).

42

Soweit die Beklagte meint, diese Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei für Planfeststellungen bei Bundeswasserstraßen nicht einschlägig, verkennt sie, dass dies aus dem Gebot der gerechten Abwägung folgt, das im bundeswasserstraßenrechtlichen Planfeststellungsverfahren gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 WaStrG in gleicher Weise gilt wie in anderen Planfeststellungsverfahren. Davon ausgehend hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 25. September 1996 - BVerwG 11 A 20.96 - (a.a.O. S. 79) verlangt, dass eine Abwägung der Fischereibelange mit entgegenstehenden anderen Belangen überhaupt stattgefunden hat und dass in diese Abwägung alle Fischereibelange, die nach Lage der Dinge in diese eingestellt werden mussten, eingestellt werden. Dazu gehören die Belastungen der Fischerei durch die Ausführung des Vorhabens. Fehl geht damit auch die Auffassung der Beklagten, für ein Abwägungsgebot in dem dargestellten Umfang fehle es an einer Rechtsgrundlage. Diese findet sich vielmehr in § 14 Abs. 1 Satz 2 WaStrG.

43

Dies bedeutet, dass zunächst - wie dargelegt - gemäß § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG unzumutbare Beeinträchtigungen der Fischereirechte grundsätzlich auszuschließen sind und dass dann in einer zweiten Stufe die an sich zumutbaren Beeinträchtigungen der Fischereirechte mit den übrigen von dem Vorhaben betroffenen Belangen abgewogen werden müssen. Diese Abwägung darf sich nicht auf die Frage beschränken, ob die für das Vorhaben als solches sprechenden Belange die Belange betroffener Dritter überwiegen. Vielmehr muss auch abgewogen werden, inwieweit dem Träger des Vorhabens weitere Maßnahmen zur Verringerung der Beeinträchtigung der Rechte Dritte aufzuerlegen sind.

44

Diese Abwägung ist auch nicht deshalb entbehrlich, weil Maßnahmen, die den Trägern öffentlicher Verkehrsvorhaben auferlegt werden, allgemein den Steuerzahler zusätzlich belasten. Vielmehr handelt es sich insoweit um einen öffentlichen Belang, der in die Abwägung eingestellt werden kann. Dass die Kläger - wie die Beklagte insoweit zu Recht ausführt - gewisse Beeinträchtigungen im Rahmen der Sozialbindung ihrer Rechte hinzunehmen haben, schließt ebenfalls nicht aus, dass hierüber im Wege der Abwägung zu entscheiden ist.

45

bb) Dass diese Abwägung stattgefunden hat, ist in dem angefochtenen Planfeststellungsbeschluss nicht mit der gebotenen Klarheit dargelegt worden. Immerhin ergibt sich aus der Äußerung auf Seite 128, "weitere" Ausgleichsmaßnahmen seien im Hinblick auf die vom Träger des Vorhabens bereits vorgesehenen Kompensationsmaßnahmen entbehrlich, und der hierzu erfolgten Bezugnahme unter anderem auf den landschaftspflegerischen Begleitplan, dass - wie erforderlich - auch die Belange der Fischereiberechtigten unterhalb der Zumutbarkeitsschwelle gewürdigt worden sind. Auch aus den mit dem Schriftsatz vom 30. November 2010 vorgelegten Unterlagen folgt, dass die Beklagte sich hiermit im Verwaltungsverfahren befasst und bereits damals die gebotene Abwägung vorgenommen hat.

46

cc) Dieser Begründungsmangel bezüglich der Abwägung unterhalb der Zumutbarkeitsschwelle liegender Beeinträchtigungen ist aber geheilt, weil die Beklagte die unzureichenden Ausführungen im Planfeststellungsbeschluss nachträglich mit einer tragfähigen Begründung versehen hat (§ 14e Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 WaStrG i.V.m. § 45 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG). Im Schriftsatz vom 30. November 2010 hat die Beklagte ausführlich dargelegt, warum sie weitere Maßnahmen zur Verringerung der - an sich zumutbaren - Beeinträchtigungen der Fischerei ablehnt. Sie hat sich neben naturschutzfachlichen Einwänden durchweg auf die finanziellen Belastungen bezogen, die die geforderten Maßnahmen verursachen. Gegen diese Erwägungen ist von Rechts wegen nichts zu erinnern.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

1. Der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 20. November 2009 - S 83 KA 673/09 ER - und der Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. Februar 2010 - L 7 KA 169/09 B ER - verletzen die Beschwerdeführerin in ihren Grundrechten aus Artikel 12 Absatz 1 und Artikel 19 Absatz 4 jeweils in Verbindung mit Artikel 19 Absatz 3 des Grundgesetzes.

Der Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. Februar 2010 - L 7 KA 169/09 B ER - wird aufgehoben. Die Sache wird an das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg zurückverwiesen.

2. ...

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die sofortige Vollziehung einer Entziehung der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung.

2

1. a) Die Beschwerdeführerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Sie betreibt in Berlin ein Medizinisches Versorgungszentrum, also eine fachübergreifende ärztlich geleitete Einrichtung, in denen in das Arztregister eingetragene Ärzte als Angestellte oder Vertragsärzte tätig sind. Die Anstellung von Ärzten bedarf der Genehmigung des Zulassungsausschusses für Ärzte nach § 95 Abs. 2 Satz 7 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V). Das Medizinische Versorgungszentrum wurde im April 2008 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Im vierten Quartal 2008 - in diesem Zeitpunkt waren bei der Beschwerdeführerin 14 Ärzte angestellt - traten verschiedene Unregelmäßigkeiten bei der Honorarabrechnung gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin, der Antragstellerin des Ausgangsverfahrens (im Folgenden: Antragstellerin), auf. So wurden für drei Ärzte Positionen der Gebührenordnung abgerechnet, obwohl die Anstellung dieser Ärzte erst zum 1. Januar 2009 genehmigt worden war. Ferner wurden Gebührenpositionen unter der jedem Arzt zugeteilten "lebenslangen Arztnummer" einer nicht im Medizinischen Versorgungszentrum der Beschwerdeführerin beschäftigten Ärztin abgerechnet sowie weitere Abrechnungen unter drei bundesweit nicht vergebenen Arztnummern getätigt. Der Antragstellerin fielen die Fehlabrechnungen auf, so dass es nicht zu einer Auszahlung entsprechender Honorare kam. Die Beschwerdeführerin räumte den Sachverhalt im Wesentlichen ein und erklärte, die Ursachen lägen in einem fehleranfälligen EDV-System, einer unzureichenden Schulung der mit der Abrechnung befassten Mitarbeiter und einer allgemeinen Belastungssituation wegen eines Praxisumzugs. Diese Mängel seien zwischenzeitlich behoben.

3

b) Auf Antrag der Antragstellerin entzog der Zulassungsausschuss für Ärzte der Beschwerdeführerin gestützt auf § 95 Abs. 6 SGB V die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung, weil sie ihre vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt habe.

4

c) In der Folgezeit wurde der Widerspruch der Beschwerdeführerin durch den Berufungsausschuss für Ärzte zurückgewiesen und die Zulassung mit Wirkung "ab Zustellung dieses Beschlusses" entzogen. Die sofortige Vollziehung wurde nicht angeordnet. Die Beschwerdeführerin habe ihre vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt, indem sie Ärzte ohne die erforderliche Genehmigung nach § 95 Abs. 2 Satz 7 SGB V beschäftigt und durch Verwendung falscher Arztnummern gegen das Gebot zur peinlich genauen Abrechnung verstoßen habe. Soweit behauptet werde, es handele sich um bloße technische Abrechnungsfehler, sei dieses Vorbringen nicht überzeugend. Durch die Pflichtverletzungen sei das Vertrauen der Antragstellerin und der Krankenkassen in die ordnungsgemäße Behandlung der Versicherten und die Rechtmäßigkeit der Abrechnungen so gestört, dass diesen eine weitere Zusammenarbeit nicht zumutbar sei.

5

d) Gegen diesen Beschluss erhob die Beschwerdeführerin Klage. Im Hinblick auf deren aufschiebende Wirkung beantragte die Antragstellerin beim Sozialgericht die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Die Beschwerdeführerin war an diesem gegen den Berufungsausschuss gerichteten Verfahren als Beigeladene beteiligt.

6

Das Sozialgericht gab dem Antrag durch den angegriffenen Beschluss vom 20. November 2009 statt. Voraussetzung für die Anordnung sei, dass der Beschluss offensichtlich rechtmäßig sei und ein öffentliches Interesse bestehe, ihn bereits vor Eintritt der Bestandskraft zu vollziehen. Die Anforderungen an das öffentliche Interesse dürften allerdings nicht überspannt werden. Denn die aufschiebende Wirkung von Rechtsmitteln gegen eine Zulassungsentziehung habe zur Folge, dass der betroffene Arzt uneingeschränkt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sei und das abgerechnete Honorar behalten dürfe. Dem Anreiz, auch gegen ersichtlich rechtmäßige Zulassungsentziehungen zu klagen, um so lange wie möglich Einnahmen zu erzielen, könne und dürfe in eindeutigen Fällen durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung entgegengewirkt werden. Hiervon ausgehend, lägen die Voraussetzungen für die Anordnung des Sofortvollzugs vor. Die Zulassungsentziehung sei offensichtlich rechtmäßig. Es bestehe auch ein hinreichendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit. Wegen der zerstörten Vertrauensbasis zur Antragstellerin und den Krankenkassen sei es notwendig, dass die Beschwerdeführerin mit sofortiger Wirkung keine weiteren Abrechnungsmöglichkeiten mehr habe. Die Anordnung diene weiter auch dem Interesse der Versichertengemeinschaft, mit ihren Beiträgen einem Leistungserbringer, dem bereits die Zulassung in rechtmäßiger Weise entzogen worden sei, keine weiteren Einkommensmöglichkeiten mehr zu eröffnen. Im Übrigen sehe die Kammer auch die Gefahr, dass die Abrechnungsfehler sich während der Dauer des Gerichtsverfahrens wiederholen könnten, weil die von der Beschwerdeführerin verantwortlich gemachten übereifrigen Mitarbeiter bisher weder entlassen noch sonst von ihren Aufgaben entbunden worden seien. Die Beschwerdeführerin habe nicht vorgetragen, wie sie ihren Pflichten zukünftig besser nachkommen wolle und wer aus dem Gesellschafterkreis oder der Geschäftsführung persönlich für die Einhaltung der notwendigen Abrechnungsstandards garantieren könne und solle.

7

e) Das Landessozialgericht wies die Beschwerde mit dem ebenfalls angegriffenen Beschluss vom 9. Februar 2010 mit der Maßgabe, dass die sofortige Vollziehung mit Wirkung zum 1. April 2010 angeordnet werde, zurück. Ob die sofortige Vollziehung anzuordnen sei, entscheide sich nach Gegenüberstellung der Interessen der Antragstellerin und der Beschwerdeführerin. Je höher die Erfolgsaussichten der Klage seien, umso höher seien auch die Anforderungen an die Anordnung der sofortigen Vollziehung. Selbst bei einer offensichtlich aussichtslosen Klage sei jedoch ein über den Erlass des Verwaltungsakts hinausgehendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung erforderlich. Hier sei die Klage offensichtlich aussichtslos. Das Sozialgericht habe im Ergebnis zu Recht die sofortige Vollziehung der Zulassungsentziehung angeordnet, weil hieran ein besonderes öffentliches Interesse bestehe. Allerdings greife die Anordnung in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit der Beschwerdeführerin und in die Rechtsschutzgarantie nach Art. 19 Abs. 4 GG ein. Für die Beschwerdeführerin handele es sich de facto um einen Eingriff in die Berufswahl, weil sie als Gesellschaft mit beschränkter Haftung berufsrechtlich nicht weiterhin als ärztliche Berufsausübungsgemeinschaft tätig sein könne. Sowohl spezial- als auch generalpräventive Überlegungen könnten in die Prüfung des öffentlichen Interesses einbezogen werden. Die sofortige Vollziehung verfolge in generalpräventiver Hinsicht das Ziel, keinen Anreiz zur Nachahmung zu schaffen und beuge so einer weiteren gesetzwidrigen Entwicklung vor. Im vorliegenden Fall liege das besondere öffentliche Interesse in der konkreten Gefährdung für das wichtige Gemeinschaftsgut der Funktionsfähigkeit der vertragsärztlichen Versorgung. Die Pflicht des Vertragsarztes zur peinlich genauen Abrechnung gehöre zu den essentiellen Grundlagen des Systems der vertragsärztlichen Versorgung. Das - hier gravierend gestörte - Vertrauen der Antragstellerin und der Krankenkassen in die ordnungsgemäße Abrechnung sei von entscheidender Bedeutung, weil ordnungsgemäße Leistungserbringung und Abrechnung lediglich in einem beschränkten Umfang der Überprüfung derjenigen zugänglich seien, die die Gewähr für die Sicherstellung der Versorgung zu tragen hätten. Hinzu komme, dass nach den Besonderheiten des vertragsärztlichen Vergütungswesens unberechtigte Honorarforderungen eines Arztes zu Honorarverlusten bei anderen Ärzten führten. Diese Gefahren würden verwirklicht, dürfte die Beschwerdeführerin auch nur bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens weiterhin an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen. Insoweit lasse der Senat offen, ob die eher spezialpräventiven Überlegungen des Sozialgerichts, welches vor allem auf eine Wiederholungsgefahr abgestellt habe, nach dem Beschwerdevorbringen zu den zwischenzeitlich veranlassten Veränderungen - neuer ärztlicher Leiter, neuer Standortmanager, Schulungen aller Mitarbeiter - noch Bestand haben könnten. Denn generalpräventive Erwägungen zur Wahrung der finanziellen Stabilität der vertragsärztlichen Versorgung rechtfertigten die Anordnung der sofortigen Vollziehung, um hierdurch alle anderen an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Vertragsärzte und - in besonderem Maße - Medizinische Versorgungszentren vor ähnlichem Verhalten zu warnen und abzuschrecken. Anlass hierzu sehe der Senat, nachdem ihm aktuell durch mehrere Verfahren, an denen Medizinische Versorgungszentren beteiligt gewesen seien, die enorme Missbrauchsgefahr im Zusammenhang mit der den Medizinischen Versorgungszentren eingeräumten Gestaltungsmöglichkeiten vor Augen geführt worden sei. Diese Gefahren hätten sich vorliegend in exemplarischer Form realisiert. Es werde nicht verkannt, dass der Sofortvollzug für die Beschwerdeführerin schwerwiegende finanzielle Nachteile befürchten lasse. Angesichts des Gewichts der Verfehlungen und der offensichtlichen Rechtmäßigkeit der Zulassungsentziehung müssten diese aber hinter der anderenfalls dringend gefährdeten Funktionsfähigkeit der vertragsärztlichen Versorgung zurückstehen. Allerdings müsse der Beschwerdeführerin eine Auslauffrist zugebilligt werden, innerhalb der die bei ihr angestellten Ärzte die Möglichkeit hätten, begonnene Therapien zumindest zu einem teilweisen Abschluss zu bringen und eine geordnete Überleitung zu einer anderen Behandlung sicherzustellen.

8

2. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4, jeweils in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG, durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Beschlusses des Sozialgerichts und die Entscheidung des Landessozialgerichts, soweit diese den erstinstanzlichen Beschluss bestätigt.

9

3. Der Senatsverwaltung für Justiz des Landes Berlin, der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin und den im Ausgangsverfahren Beigeladenen wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Akten des Ausgangsverfahrens waren beigezogen.

II.

10

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführerin aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind durch das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt (vgl. zu Art. 12 Abs. 1 GG: BVerfGE 44, 105<117 ff.>; vgl. zu Art. 19 Abs. 4 GG: BVerfGE 35, 263<274 f.>; 35, 382 <401 f.>; 93, 1 <13>). Die Verfassungsbeschwerde ist zudem offensichtlich begründet.

11

1. a) Die Anordnung der sofortigen Vollziehung durch das Sozialgericht und der Beschluss des Landessozialgerichts verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht auf Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG.

12

aa) Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der vertragsärztlichen Zulassung greift in die Berufsfreiheit der Beschwerdeführerin ein. Die - durch den landessozialgerichtlichen Beschluss bestätigte - Abweichung von der im Gesetz grundsätzlich vorgesehenen aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs (§ 86a Abs. 1 Satz 1 SGG) stellt einen selbständigen Eingriff in das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG dar (vgl. BVerfGK 2, 89 <93>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 19. Dezember 2007 - 1 BvR 2157/07 -, NJW 2008, S. 1369). Der Beschwerdeführerin wird schon vor der rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache jedenfalls die Möglichkeit genommen, sich vertragsärztlich zu betätigen. Damit liegt jedenfalls eine der Berufswahl nahekommende Berufsausübungsregelung vor, die nur zur Sicherung besonders wichtiger Interessen der Allgemeinheit zulässig ist (vgl. BVerfGE 11, 30 <45>; 12, 144 <147>; auch BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 31. März 1998 - 1 BvR 2167/93 u.a. -, juris ).

13

bb) Da die durch den Sofortvollzug bewirkten Beschränkungen angesichts des hohen Anteils der gesetzlich krankenversicherten Patienten einem vorläufigen Berufsverbot zumindest nahekommen, sind sie - wie dieses - nur unter strengen Voraussetzungen zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter und unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit statthaft (vgl. BVerfGE 44, 105 <117 ff.>). Allein die hohe Wahrscheinlichkeit, dass das Hauptsacheverfahren zum Nachteil des Betroffenen ausgehen wird, reicht mithin nicht aus. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung setzt vielmehr voraus, dass überwiegende öffentliche Belange es auch mit Blick auf die Berufsfreiheit des Betroffenen rechtfertigen, seinen Rechtsschutzanspruch gegen die Grundverfügung einstweilen zurückzustellen, um unaufschiebbare Maßnahmen im Interesse des allgemeinen Wohls rechtzeitig in die Wege zu leiten. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, hängt von einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls und insbesondere davon ab, ob eine weitere Berufstätigkeit schon vor Rechtskraft des Hauptsacheverfahrens konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter befürchten lässt (vgl. BVerfGE 44, 105 <117 f.>; BVerfGK 2, 89 <94>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 19. Dezember 2007, NJW 2008, S. 1369 m.w.N.).

14

cc) Diesen Anforderungen entsprechen die angegriffenen Entscheidungen nicht in jeder Hinsicht.

15

(1) Das Sozialgericht stützt das von ihm angenommene öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung zwar auch auf die Gefahr, dass die Abrechnungsfehler sich während der Dauer des Gerichtsverfahrens wiederholen könnten, und geht damit von einem Aspekt aus, der grundsätzlich geeignet ist, die Anordnung des Sofortvollzugs zu rechtfertigen. Denn mit der Annahme, es seien zwischenzeitlich erneute fehlerhafte Abrechnungen zu befürchten, nimmt das Gericht eine konkrete Gefahr für ein schutzwürdiges Gemeinschaftsgut in den Blick. Die Verlässlichkeit des Abrechnungssystems ist eine der Bedingungen für das Funktionieren der vertragsärztlichen Versorgung und dient damit der Sicherung eines besonders wichtigen Allgemeininteresses, das Beschränkungen des Art. 12 Abs. 1 GG grundsätzlich auch im Rahmen des Sofortvollzugs erlaubt (vgl. nur BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 26. Januar 1995 - 1 BvR 2438/94 -, juris ).

16

Soweit das Gericht eine konkrete Gefahr bejaht, fehlt es jedoch an einer ausreichenden, den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 GG genügenden Abwägung der für beziehungsweise gegen die Verwirklichung einer solchen Gefahr sprechenden Gesichtspunkte. Das Sozialgericht berücksichtigt bei seiner Prüfung ausschließlich die für die Beschwerdeführerin ungünstigen Umstände, während die für sie günstigen Aspekte - wie die Entbindung des Standortmanagers von seiner Funktion und die Beauftragung eines Unternehmens, das die zukünftigen Abrechnungen überprüfen soll - keine Erwähnung finden. Auch die für die Beurteilung einer möglichen Wiederholungsgefahr in der Regel gebotenen Feststellungen dazu, ob seit dem Entzug der Zulassung erneut Abrechnungsfehler aufgetreten sind, fehlen gänzlich.

17

(2) Die Entscheidung des Landessozialgerichts leidet daran, dass das Gericht bei der Prüfung des öffentlichen Interesses für die Anordnung des Sofortvollzugs ein Verständnis von dem Vorliegen einer "konkreten Gefahr" zugrunde legt, das verfassungsrechtlichen Maßstäben nicht gerecht wird. Das Gericht überdehnt den Begriff in zweifacher Weise. Zum einen begründet es die Notwendigkeit des Sofortvollzugs ausschließlich mit der gebotenen Abschreckungswirkung für andere Vertragsärzte und insbesondere Medizinische Versorgungszentren, sieht also die sofortige Vollziehung als Mittel der Generalprävention. Dabei stützt es sich jedoch auf eine Gefahrenlage, die von der Beschwerdeführerin weder verursacht wurde noch ihr aus sonstigen Gründen zugerechnet werden kann. Somit fehlt es an dem zur Rechtfertigung des Eingriffs notwendigen Zusammenhang zwischen einer weiteren beruflichen Betätigung der Beschwerdeführerin und der Gefährdung wichtiger Gemeinschaftsgüter. Zum anderen wird selbst im Hinblick auf die anderen an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und die Medizinischen Versorgungszentren keine konkrete Gefahr von Missständen dargelegt. Das Landessozialgericht beschreibt insoweit nur, unter Bezugnahme auf vergangene, von ihm offenbar bereits entschiedene Fälle, bestimmte Konstellationen, die die abstrakte Gefahr eines Missbrauchs bergen. Solchen Gefahren ist aber nicht durch die Anordnung vorläufiger Berufsverbote oder vergleichbar wirkender Maßnahmen zu begegnen. Vielmehr sind sowohl der Gesetzgeber aufgerufen, einer missbräuchlichen Verwendung rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten durch entsprechende Anpassung der zugrunde liegenden Normen entgegenzuwirken, als auch die Verwaltung auf die Einhaltung der geltenden Vorschriften zu achten. Soweit, wie die Antragstellerin behauptet, nur unzureichende Kontrollmöglichkeiten bestehen, sind diese zu verbessern, rechtfertigen aber keine Ausdehnung der gerichtlichen Befugnisse zur Anordnung des Sofortvollzugs.

18

Im Übrigen hat das Landessozialgericht die Nachteile, die der Beschwerdeführerin durch den Sofortvollzug drohen, auch nicht mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Abwägung eingestellt. Das Gericht spricht lediglich von "schwerwiegenden finanziellen Nachteilen", womit die Bedeutung des schwerwiegenden Eingriffs in die Berufsfreiheit, der einem vorläufigen Berufsverbot gegenüber der Beschwerdeführerin zumindest nahekommt, nur unzureichend zum Ausdruck gebracht wird. Den Interessen der Beschwerdeführerin wird zudem nur pauschal eine dringende Gefahr für die Funktionsfähigkeit der vertragsärztlichen Versorgung gegenüber gestellt. Eine wertende Gewichtung beider Gesichtspunkte, zu der grundsätzlich auch Feststellungen zur Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts gehören müssten, findet nicht statt.

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b) Zugleich verletzen die Entscheidungen des Sozialgerichts und des Landessozialgerichts das Grundrecht der Beschwerdeführerin auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG.

20

Art. 19 Abs. 4 GG gewährt nicht nur das formelle Recht und die theoretische Möglichkeit, die Gerichte anzurufen, sondern auch die Effektivität des Rechtsschutzes; der Grundrechtsträger hat einen substantiellen Anspruch auf eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 35, 263 <274>; 35, 382 <401 f.>; 93, 1 <13>; stRspr). Der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG kommt daher nicht nur die Aufgabe zu, jeden Akt der Exekutive, der in Rechte des Grundrechtsträgers eingreift, vollständig der richterlichen Prüfung zu unterstellen, sondern auch irreparable Entscheidungen, wie sie durch die sofortige Vollziehung einer hoheitlichen Maßnahme eintreten können, soweit als möglich auszuschließen (vgl. BVerfGE 35, 263 <274>). Allerdings können überwiegende öffentliche Belange es rechtfertigen, den Rechtsschutzanspruch des Grundrechtsträgers einstweilen zurückzustellen, um unaufschiebbare Maßnahmen im Interesse des allgemeinen Wohls rechtzeitig in die Wege zu leiten. Dabei ist der Rechtsschutzanspruch umso stärker und darf umso weniger zurückstehen, je schwerwiegender die auferlegte Belastung ist und je mehr die Maßnahmen der Verwaltung Unabänderliches bewirken (vgl. BVerfGE 35, 382 <402>).

21

Diesen Voraussetzungen genügen die angegriffenen Entscheidungen wegen der unhaltbar begründeten Annahme einer konkreten Gefahr für Gemeinschaftsgüter während der Dauer des Hauptsacheverfahrens und wegen der unzureichenden Abwägung der gegenläufigen Interessen im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht.

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2. Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf den festgestellten Verstößen gegen Art. 12 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG.

23

Es erscheint angezeigt, gemäß § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG nur den Beschluss des Landessozialgerichts aufzuheben und die Sache dorthin zurückzuverweisen. Das dient dem Interesse der Beschwerdeführerin, möglichst rasch eine das Verfahren abschließende Entscheidung zu erhalten.

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3. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 6. April 2009 - 2 K 686/09 - geändert. Der Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die Entscheidung des ...-Gymnasiums ... vom 16.03.2009 wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert wird unter Abänderung des Streitwerts des Ausgangsverfahrens in beiden Rechtszügen auf 5.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts, mit dem die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die kraft Gesetzes sofort vollziehbare Erziehungs- und Ordnungsmaßnahme (vgl. § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 90 Abs. 3 Satz 3 des Schulgesetzes Baden-Württemberg in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 11.12.2002 [GBl. S. 476] - SchG -) angeordnet wurde, ist unter Beachtung der Voraussetzungen der §§ 146 Abs. 4 Satz 1, 147 VwGO erhoben und somit zulässig. Sie ist auch begründet. Unter Berücksichtigung der vom Antragsgegner dargelegten Gründe und der vorgelegten Akten bestehen aus Sicht des Senats keine durchgreifenden ernstlichen Zweifel an der vom Antragsgegner und Beschwerdeführer getroffenen Maßnahme des Schulausschlusses. Die gebotene eigene Interessenabwägung des Gerichts (vgl. bereits BVerfG, Beschluss vom 13.06.1979 - 1 BvR 699/77 -, BVerfGE 51, 268 [286] für den schulischen Bereich) führt vielmehr dazu, dass im vorliegenden Fall das Vollzugsinteresse des Antragsgegners das Suspensivinteresse des Antragstellers überwiegt.
Fehler im äußeren Ablauf des Verfahrens, das zum Schulausschluss des 1991 geborenen Antragstellers durch Bescheid vom 16.03.2009 geführt hat, sind vom Verwaltungsgericht nicht festgestellt worden und auch nicht ersichtlich. Ob die Anhörung der Mutter des Antragstellers den gesetzlichen Anforderungen des § 90 Abs. 7 Satz 2 SchG in jeder Hinsicht entsprochen hat, braucht vorliegend nicht entschieden zu werden, denn das Verfahren bot jedenfalls im weiteren Verlauf hinreichend Gelegenheit, die Sicht des Antragstellers und seiner gesetzlichen Vertreterin zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen „sachgemäß und erschöpfend“ (vgl. zu diesem Umfang des Anspruchs auf rechtliches Gehör BVerwG, Urteil vom 25.01.1974 - VI C 7.73 -, BVerwGE 44, 307 [309 f.]) darzustellen. Jedenfalls damit ist den verfassungsrechtlich gebotenen Anforderungen (vgl. Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, 10. Aufl. 2008, § 28 Rdnr. 3a m. w. Nachw.) an eine ordnungsgemäße Anhörung, zu der wie in jedem Verwaltungsverfahren mit ordnungsrechtlichem Charakter so auch im Schulrecht die Mitteilung aller entscheidungserheblichen Tatsachen (vgl. den Wortlaut des § 28 Abs. 1 LVwVfG und grundsätzlich schon BVerwG, Beschluss vom 09.12.1969 - I WB 101.69 -, BVerwGE 43, 38 [40]), sowie die Möglichkeit der Akteneinsicht und einer angemessenen Vorbereitung gehören (vgl. Kopp/Ramsauer a.a.O. Rdnr. 13 unter Hinweis auf OVG Lüneburg, Beschluss vom 03.06.1971 - II OVG B 32-, DVBl. 1973, 505 [506]), genügt. Die Heilbarkeit eines möglichen Anhörungsfehlers (vgl. § 45 Abs. 1 Nr. 3 LVwVfG) folgt daraus, dass seit der Änderung des § 90 SchG mit Wirkung vom 28.12.2002 durch Gesetz vom 11.12.2002 (GBl. S. 476) über den Schulausschluss nicht mehr von der Klassenkonferenz, sondern nur noch durch den Schulleiter entschieden wird und somit ein Verstoß gegen das Gebot der Anhörung nicht dazu führen kann, dass die im Widerspruchsverfahren in dieser Form nicht mehr nachholbare Entscheidung eines zuständigen Gremiums auf einer unzureichenden Grundlage getroffen worden wäre.
Schulische Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen dienen der Verwirklichung des Erziehungs- und Bildungsauftrags der Schule, der Erfüllung der Schulbesuchspflicht, der Einhaltung der Schulordnung und dem Schutz von Personen und Sachen innerhalb der Schule (§ 90 Abs. 1 SchG). Ein Ausschluss von der Schule ist nur zulässig, wenn ein Schüler zum einen durch schweres oder wiederholtes Fehlverhalten seine Pflichten verletzt und dadurch die Erfüllung der Aufgabe der Schule oder die Rechte anderer gefährdet (§ 90 Abs. 6 Satz 1 SchG) und zum anderen darüber hinaus sein Verbleiben in der Schule eine Gefahr für die Erziehung und Unterrichtung, die sittliche Entwicklung, Gesundheit oder Sicherheit der Mitschüler befürchten lässt (§ 90 Abs. 6 Satz 2 SchG).
Mit dem Verwaltungsgericht teilt der Senat die Ansicht, dass in der angefochtenen Entscheidung vom 16.03.2009 dem Antragsteller Vorfälle und Verhaltensweisen zugerechnet wurden, die von ihm bestritten und durch Dritte nicht belegt sind und daher einer rechtlichen Überprüfung so nicht standhalten dürften. Dies gilt nicht nur für die behauptete Anstiftung von Schülern der Unterstufe, den Betroffenen „Türkenjude“ zu nennen, sondern allgemein für die antijüdischen Konnotationen der Vorkommnisse in der Schule (Werfen mit Kreide mit Rufen „auf den Juden“, entsprechende Kommentare in den Hofpausen, Nähe zu beleidigenden Aktivitäten im Internet). Da der angefochtene Bescheid ausdrücklich und tragend auf „Ereignisse und Vorkommnisse über einen längeren Zeitraum“ gestützt wird, die „den Schulfrieden in hohem Maße erschüttert“ hätten, bestehen nicht geringe Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Bescheids.
Diesen Zweifeln stehen jedoch bereits nach Aktenlage mögliche und vom Antragsgegner in seiner Beschwerdeschrift aufgegriffene Feststellungen gegenüber, die dazu führen, dass der Senat im Rahmen seiner eigenen rechtlich gebotenen Ermessensentscheidung ungeachtet der im Eilverfahren eingeschränkten Möglichkeiten der Sachverhaltsaufklärung und dessen rechtlicher Prüfung gleichwohl ein Überwiegen des Vollzugsinteresses der Schule gegenüber dem Interesse des Antragstellers an einer aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs bejaht.
Aus der Summe der vorliegenden schulischen wie polizeilichen Akten geht der Senat davon aus, dass es sich beim Geschehen am 26./27.12.2008 vor dem Haus des Betroffenen nicht um eine singuläre Aktion gehandelt hat, sondern dass diesem Geschehen eine monatelange Phase innerschulischer Aktivitäten gegen den Betroffenen voranging, von denen der Antragsteller wusste und an denen er auch beteiligt war. Es ist unbestritten, dass der Antragsteller - wie auch andere - den betroffenen Mitschüler nicht mochte und ihn wiederholt durch Kreidewerfen, Anrempeln u.a. belästigte. Dabei war ihm bewusst, dass der Betroffene jüdischen Glaubens war, dass er auch mit Hinweis hierauf - möglicherweise nicht vom Antragsteller selbst - in der Schule attackiert wurde und dies nach dem Vorstellungsbild der Handelnden sein „schwacher Punkt“ war, an dem man ihn treffen konnte. Das Geschehen vom 26.12.2008 stellt sich somit nicht als ein isolierter Vorgang sondern als Höhepunkt einer über einen längeren Zeitraum andauernden - wenngleich bis dahin qualitativ nicht derart gravierenden - Abfolge von Belästigungen dar.
Ebenfalls ergibt sich aus den polizeilichen Ermittlungen wie den glaubhaften Feststellungen des Schulleiters, dass der Betroffene am Abend des 26.12.2008 „so richtig erschreckt“ werden sollte, der Antragsteller zu diesem Zweck zusammen mit anderen vor sein Haus zog, auf dem Weg dorthin rechtsradikale Handlungen („Hitlergruß“) erfolgten und am Haus selbst in der Gruppe eine aufgeladene Stimmung bestand. Der Antragsteller gehörte zu denen aus der Gruppe, die unmittelbar ans Haus traten. Er urinierte gegen die Hauswand oder den Eingang und spuckte in den Briefkasten. Lärm (Schlagen gegen den Rollladen, Abbrennen von Feuerwerkskörpern) und Geschrei und die dadurch ausgelöste Bedrohung waren so groß, dass sich der Betroffene - der eine genaue Vorstellung davon hatte, wer ihn mitten in der Nacht „besuchen“ kam - und seine Eltern nicht aus dem Haus trauten, sondern die Polizei riefen. Diese massive Grenzüberschreitung war maßgeblich auch vom Antragsteller getragen.
Über die konkrete und auch bereits vom Verwaltungsgericht festgestellte Mitwirkung des Antragstellers beim Geschehen am 26.12.2008 hinaus steht für den Senat fest, dass der Antragsteller die antijüdische Tendenz des Auftritts der Gruppe an diesem Abend - unabhängig von seinem eigenen Beitrag - erkannte, ihm diese Tendenz bereits auf dem Weg zum Haus des Betroffenen bewusst geworden ist und er dieses Auftreten zugleich auch als Fortsetzung der in der Schule erfolgten Attacken auf diesen Mitschüler begriff.
Damit dürfte in der Gesamtschau der Ereignisse ein individuelles schweres Fehlverhalten des Antragstellers im Sinne des § 90 Abs. 6 Satz 1 SchG vorliegen, das auch einen Schulausschluss bei fehlerfreier Ausübung des Ermessens und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit rechtfertigt, da sich in diesem Fehlverhalten auch eine Gefahr im Sinne des § 90 Abs. 6 Satz 2 SchG manifestiert hat. Für den Betroffenen und seine Eltern war eine Situation entstanden, die für den Fall des Schulbesuchs am Ende der Ferien eine auch körperliche Gefährdung befürchten ließ. Nach den Feststellungen des Schulleiters gab ein Klassenkamerad des Antragstellers am 18.02.2009 an, dass der Betroffene, wäre er in jener Nacht herausgekommen, „heute bestimmt nicht mehr in der Schule“ wäre.
10 
Die besondere Schwere des Fehlverhaltens, die auch die unmittelbare Konsequenz eines Schulausschlusses ohne vorhergehende mildere Ordnungsmaßnahmen zu rechtfertigen geeignet ist, liegt im vorliegenden Fall darin, dass sich eine Gruppe von Mitschülern und unter ihnen auch mit eigenem Beitrag der Antragsteller nicht auf das bloße Ausgrenzen eines missliebigen Mitschülers in der Schule beschränkt, sondern diese Missachtung darüber hinaus in massiver und bedrohlicher Form zumal mitten in der Nacht buchstäblich „bis vor die Tür“ des Betroffenen trägt und dort kundtut.
11 
Eine Gefahr für Erziehung und Unterrichtung sowie die sittliche Entwicklung von Mitschülern im Sinne des § 90 Abs. 6 Satz 2 SchulG dürfte in dem Umstand zu sehen sein, dass dieser Eskalation lang anhaltende Aversionen gegenüber dem Betroffenen und damit verbundene Hänseleien und gemeine Frotzeleien vorausgingen, die Schulleitung wie Lehrerkollegium unbekannt geblieben sind, zugleich aber eine Stimmung erzeugten (der angefochtene Bescheid stellt ein „Klima der Einschüchterung und Bedrohung“ fest), die es dem Betroffenen augenscheinlich unmöglich machten, sich nachhaltig zu wehren oder sich Lehrern bzw. Schulleitung anzuvertrauen. Diese hinterhältigen Methoden, einen Mitschüler an seiner „schwachen Stelle“ zu treffen und damit fertigzumachen, waren dem Antragsteller bewusst und er hat sie sich jedenfalls am 26.12.2008 zunutze gemacht.
12 
Die dadurch auch vom Antragsteller erzeugte tiefgreifende Gefährdung des Schulfriedens dürfte es auch unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes rechtfertigen, hierauf mit dem Mittel des Schulausschlusses zu reagieren. Dabei ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner im Beschwerdeverfahren versichert hat, der Antragsteller werde in einer anderen geeigneten Schule am Ort Aufnahme finden. Dazu gehören dann auch entsprechende Vorkehrungen, dass diese Aufnahme dem Antragsteller einen diskriminierungsfreien Neuanfang erlaubt. Dies gilt insbesondere auch für die Möglichkeit der vor Beginn der Klasse 12 anstehenden Fächerwahl. Zu berücksichtigen ist unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit auch, dass es dem Antragsteller im Verlauf dieses Verfahrens möglich war, das laufende Schuljahr regulär zu beenden.
13 
Da somit auf der Grundlage des nach Aktenlage feststellbaren Sachverhalts auch unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes der Schulausschluss des Antragstellers als ermessensfehlerfreie Entscheidung getroffen werden kann und im Rahmen des noch nicht abgeschlossenen Widerspruchsverfahrens eine solche Entscheidung zu erwarten ist, bewertet der Senat das Vollzugsinteresse des Antragsgegners und Beschwerdeführers höher als das Suspensivinteresse des Antragstellers. Daher ist der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 06.04.2009 zu ändern und der Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 16.03.2009 abzulehnen.
14 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
15 
Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG. Da die vorliegende Entscheidung in Anbetracht der Klassenstufe des Antragstellers und seines anstehenden Übertritts in die Klasse 12 eine Entscheidung in der Hauptsache faktisch vorwegnimmt, ist auch für das vorliegende Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes der Auffangwert in voller Höhe festzusetzen. Der Streitwert des Ausgangsverfahrens wird entsprechend von Amts wegen geändert (§§ 63 Abs. 3 Satz 1, 47 Abs. 2 Satz 1 GKG).
16 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer unbefugt

1.
das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen auf einen Tonträger aufnimmt oder
2.
eine so hergestellte Aufnahme gebraucht oder einem Dritten zugänglich macht.

(2) Ebenso wird bestraft, wer unbefugt

1.
das nicht zu seiner Kenntnis bestimmte nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen mit einem Abhörgerät abhört oder
2.
das nach Absatz 1 Nr. 1 aufgenommene oder nach Absatz 2 Nr. 1 abgehörte nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen im Wortlaut oder seinem wesentlichen Inhalt nach öffentlich mitteilt.
Die Tat nach Satz 1 Nr. 2 ist nur strafbar, wenn die öffentliche Mitteilung geeignet ist, berechtigte Interessen eines anderen zu beeinträchtigen. Sie ist nicht rechtswidrig, wenn die öffentliche Mitteilung zur Wahrnehmung überragender öffentlicher Interessen gemacht wird.

(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer als Amtsträger oder als für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter die Vertraulichkeit des Wortes verletzt (Absätze 1 und 2).

(4) Der Versuch ist strafbar.

(5) Die Tonträger und Abhörgeräte, die der Täter oder Teilnehmer verwendet hat, können eingezogen werden. § 74a ist anzuwenden.

(1) Wer unbefugt einer anderen Person eine Mitteilung über Tatsachen macht, die dem Post- oder Fernmeldegeheimnis unterliegen und die ihm als Inhaber oder Beschäftigtem eines Unternehmens bekanntgeworden sind, das geschäftsmäßig Post- oder Telekommunikationsdienste erbringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer als Inhaber oder Beschäftigter eines in Absatz 1 bezeichneten Unternehmens unbefugt

1.
eine Sendung, die einem solchen Unternehmen zur Übermittlung anvertraut worden und verschlossen ist, öffnet oder sich von ihrem Inhalt ohne Öffnung des Verschlusses unter Anwendung technischer Mittel Kenntnis verschafft,
2.
eine einem solchen Unternehmen zur Übermittlung anvertraute Sendung unterdrückt oder
3.
eine der in Absatz 1 oder in Nummer 1 oder 2 bezeichneten Handlungen gestattet oder fördert.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Personen, die

1.
Aufgaben der Aufsicht über ein in Absatz 1 bezeichnetes Unternehmen wahrnehmen,
2.
von einem solchen Unternehmen oder mit dessen Ermächtigung mit dem Erbringen von Post- oder Telekommunikationsdiensten betraut sind oder
3.
mit der Herstellung einer dem Betrieb eines solchen Unternehmens dienenden Anlage oder mit Arbeiten daran betraut sind.

(4) Wer unbefugt einer anderen Person eine Mitteilung über Tatsachen macht, die ihm als außerhalb des Post- oder Telekommunikationsbereichs tätigem Amtsträger auf Grund eines befugten oder unbefugten Eingriffs in das Post- oder Fernmeldegeheimnis bekanntgeworden sind, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(5) Dem Postgeheimnis unterliegen die näheren Umstände des Postverkehrs bestimmter Personen sowie der Inhalt von Postsendungen. Dem Fernmeldegeheimnis unterliegen der Inhalt der Telekommunikation und ihre näheren Umstände, insbesondere die Tatsache, ob jemand an einem Telekommunikationsvorgang beteiligt ist oder war. Das Fernmeldegeheimnis erstreckt sich auch auf die näheren Umstände erfolgloser Verbindungsversuche.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.